AM UR- QUELL.
ITcrausgegeben
von
Friedrich S. Krauss.
„Das Yolktum ist der Völker Jungbrunnen.“
V. B. V. lift. Bezugpreis ganzjährig: 4M. — 5 Kronen. 1894.
l. Theraphim.
Von Dr. Samuel Kr au ss in Budapest.
II. Die in den Schriften der alten Hebräer unter dem Namen
Theraphim erwähnten Götzen hatten allem Anscheine nach die Gestalt
eines Menschen, oder wenigstens diejenige eines menschlichen Brust
bildes (Kopf und Oberleib); siehe Ruetschi in der Realencyclopaedie
für protestantische Theologie XV, 550. Dies geht deutlich hervor
aus der Erzählung I. Samuel 19, 11 ff., wonach Michal zur Rettung
ihres Gemahls David, vor den Nachstellungen Sauls folgende List
anwandte: sie nahm die Theraphim (so mit dem Artikel), legte sie
auf das Bett Davids und ein Ziegenfell legte sie zur Kopfseite hin;
das Ganze aber deckte sie mit einem Tuch zu. Als nun Saul seine
Häscher aussandte, um David einzufangen, da sahen sie auf dem
Bette nichts als die Theraphim mit dem Ziegenfell, während David
selber vorher schon glücklich entronnen war. Die Theraphim müssen
demnach einem menschlichen Körper täuschend ähnlich gesehen haben,
bis auf das Kopfhaar, das man durch Ziegenfell ersetzte.
In einem Midraschwerke, genannt Midrasch Samuel, das etwa im
7. Jahrhundert redigiert wurde, das aber bis auf die ältesten Zeiten
zurückgehende glaubwürdige Ueberlieferungen enthält, wird die von
Michal angewandte List noch dadurch weiter ausgeführt, dass das
kluge Weib selbst den Gesichtausdruck Davids nachahmen konnte,
uidem sie dem Rumpf eine tragische — David sollte für krank
gelten — Maske aufsetzte, die Davids Züge trug; sein Kopfhaar er
setzte sie durch Haaraufsätze, ähnlich wie es die römischen Schau
spieler zu tun pflegten. Dasselbe findet sich auch im Midrasch zu
Psalm 49, 4; beide Stellen sind von mir behandelt worden in der
Byzantinischen Zeitschrift II, 501. Bloss der Rumpf der Theraphim
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