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Bedenkt man billigerweise, wie schwer es für die ersten Forscher auf einem
neugebrochenen Felde ist, auch nur relativ Abgeschlossenes zu liefern, so muss
man neben dem Mute, den der Verfasser gezeigt hat, bewundern, was er in einer
kurzen Reibe von Jahreil geschaffen hat. Vielleicht hat er inmitten der Gestaltung
der zusammengetragenen reichen Fundamente erst erkannt, dass er mit dem Titel
einer „Geschichte des neueren Occultismus“ ein Versprechen gegeben bat, das nur
Generationen emsiger Forscher von seiner Art ganz einzulösen vermögen. Jeden
falls verdient er für seinen Willen und seine Leistung den wärmsten Dank auch
der Leser dieses Blattes!
München. Dr. med. William Rumpelt.
Anmerkung der Redaktion. Im Anschluss an die Anerkennung
durch unseren Berichterstatter erwähnen wir, dass dieses jüngste Denkmal von
Kiesewetters Flciss und Wissen auch formell abgerundet ist und sich so seiner
eigentlichen „Geschichte des Occultismus“ (Leipzig 1891; in der Neuauflage von
Brockhaus, Konversationslexikon unter dem Stichwort „Geheimwissenschaften“ als
einziges Nachschlagebuch angezogen) und seinem Kompendium „Faust in der Ge
schichte und Tradition“ (Leipzig 1893), dem wir Am Ür-Quell V, 201 nachdrück
lichen Beifall spenden durften, würdig zur Seite stellt.
Memoires of The American Folk-Lore Society. Vol. I. Folk-tales of
Angola. Fifty tales, with Ki-mbundu text literal english translation introduction,
and notes, collected and edited by Hel i Chatelain, late U. S. comm. agent at
Loanda, West-Africa. Boston 1894. XII, 315, gr. 8 °. 2 Gart. — Vol. II.
Louisiana Folk-tales. In french dialect and english translation, coli, and ed. by
Alcee Fortier, I). Lt. Prof. Romance Languages in Tulane ITniv. of Louisiana.
Boston 1895. VII, 122, gr. 8 °.
Es wäre für die Entwicklungsgeschichte unserer Wissenschaft ein nicht un
wichtiger Beitrag die Darlegung der Gründe, welche den Aufschwung und das Ge
deihen der englischen Folklore-Gesellschaften, sowohl der zu London als der ver
einigten amerikanischen, bedingt haben. Diese Vereinigungen zeichnen sich nicht
blos dadurch aus, dass sie die hervorragendsten Volkforscher ihrer Gebiete zur
gemeinsamen Arbeit versammeln, sondern auch durch merkwürdig wertvolle Zeit
schriften und Sonderveröffentlichungen. Die vorliegenden zwei Bände z. B. halten
den Vergleich mit den besten Arbeiten der deutschen einschlägigen Litteratur
aus. Es ist jedes ein vollkommen selbständiges Werk, das am Urquell des Volk-
tmns geschaffen wurde. Je mehr uns solcher grundlegender Sammlungen geboten
werden, desto mehr wird die Wissenschaft unabhängig von den Reisebeschreibungen
ungeschälter Berichterstatter. Wenn ich nicht irre, las ich in einer der ungezählten
Schriften Bastians das schöne Wort von der Entdeckung der Welt durch die
Ethnographen der zweiten Hälfte des XIX. Jahrhunderts. Im Sinne Bastians ge
bührt der Ehrenname von Entdeckern so Chatelain als Fortier. Der erstere
bietet eine sachlich sehr reichhaltige, wenn auch kurz gedrängte Einleitung über
die sozialen und politischen Verhältnisse zu Angola, spricht sich über seine
Methode der Spracherlernung und Folkloresammlung, sowie über die vorhandene
Litteratur aus, bedenkt sein Werk ausgiebig mit Erläuterungen und vergleichenden
Anmerkungen, Fortier hingegen beschränkt sich auf die trockene Wiedergabe
seiner Aufzeichnungen, indem es dem Leser anheimgestellt bleibt, aus des Heraus
gebers älteren Studien die von Fall zu Fall erforderlichen Aufklärungen sich zu
holen. Was den Inhalt der Sagen und Märchen anbetrifft, stossen uns fortwährend
altbekannte Motive auf, die auch den Völkern Europas geläufig sind. Bei der Be
urteilung eines Volktums fallen Sitte, Brauch und religiöse Anschauung schwerer
in die Wagschale als die Sage und das Märchen. Wir dürfen hoffen, dass uns
die beiden Fachgenossen auch die gewünschten Darstellungen über die realen
Seiten des Volklebens ihrer Sondergebiete nicht lange vorcnthalten werden. Die
Ausstattung dieser Bücher ist herrlich. F. S. Krauss.
Herausgeber: Dr. Friedrich S. Krauss, Wien VII/2. Neustiftgasse 12.
Verwaltung in Lunden in Holstein.
Druck von Dicdr. Soltau in Norden.