ORIGINAL-MITTHEILUNGEN
AUS DER
ETHNOLOGISCHEN ABTHEILUNG
DER KÖNIGLICHEN MUSEEN ZU BERLIN
HERAUSGEGEBEN
VON DER
VERWALTUNG
BERLIN
VERLAG VON W. SPEMANN
IN MEMORIAM
DR. G. NACHTIGAL
KAIS. GENERALCONSUL
f APRIL 1885
BEERDIGT IN CAP PALMAS
IN AFRIKA.
VORWORT.
In trauernder Erinnerung an einen unvergesslichen Namen tritt neu eine Zeit-
schrift ins Leben, für eine junge Wissenschaft, die in dem unaufhaltsamen Ver-
schwinden des für ihr eigenes Wachsthum bedürftigen Arbeitsmaterials, überall von
flüchtiger Vergänglichkeit getroffen, am schwersten und bittersten diese empfindet,
wenn ihr jählings diejenigen Forscher und Freunde entrissen werden, auf deren
fernerer Förderung und Hülfe die Hoffnungen für die' Zukunft beruhten.
Klein bleibt bis jetzt der Mitarbeiter Kreis, ein winzig kleiner für die Un-
ermesslichkeit der Aufgabe, die vorliegt, und möge ohne Verzug deshalb der Nach-
wuchs heranreifen, das zu retten, was noch fertig steht, — zu arbeiten, so lange ein
Rest des Tageslichts noch dämmert, ehe die Nacht kommt, im unausbleiblichen
Untergang der Naturstämme (für ihre psychischen Originalitäten).
Indem so diese Publikation mit einem Nekrolog zu eröffnen war, beginnt sie
mit Aufzählung der im Königlichen Museum aus Nachtigal’s Reisen vorhandenen
Sammlungen.1) — Im Anschluss an die Resultate der durch die Kaiserliche Admiralität
veranlassten Erforschung der Osterinsel (s.Beiheft zum Marineverordnungsblatt, N0.44)
folgt das Verzeichniss der dem Museum dadurch zugeführten Sammlungen,2) sowie
(aus dem Inselmeer der Südsee gleichfalls) ein Beitrag von der besten, zur Zeit
alleinigen, Autorität für Mikronesien, dem dort seit Jahren thätigen Reisenden Kubary,
in Weiterführung der eingehend sachkundigen Monographien,3) welche demselben in
der ethnologischen Literatur von früher her bereits zu danken sind. Da es sich
ermöglicht hat, Vereinbarungen mit ihm anzuknüpfen, und umfassende Materialien
seitdem eingelaufen sind, wird noch in der Fortsetzung der Hefte Gelegenheit
geboten sein, seine an Ort und Stelle gepflegten Studien allgemeiner Benutzung
zugänglich zu machen.
Ferner bringt dieses erste Heft Mittheilungen über die Sammlungsergebnisse
des Reisenden Rohde, der im Aufträge des Museums in Südamerika thätig war,
sodann aus den durch Vermittelung der Kaiserlichen Gesandtschaft in Peking, in
altbewährter Gönnerschaft des Herrn von Brandt, zugegangenen Sammlungen die
Umschriften taoistischer Tempelbilder, ferner eine Besprechung tibetischer Cultus-
figuren, und zum Schluss ist durch Güte Bischofs Thiel eingesandt ein Vocabular
aus Costarica angefügt, mit einem Commentar durch Herrn E. Seler, der der
Ethnologischen Abtheilung seine Mitarbeit gewidmet hat und auch den Bericht über
die südamerikanischen Sammlungen eingeleitet hat.
VI
Vorwort.
Bei der traurigen Lage, in welche die Ethnologische Sammlung der König-
lichen Museen, unter Unzulänglichkeit der ihr angewiesenen Localitäten und der
durch allerlei Zwischenfälle verzögerten Erweiterung derselben (wie seit 1875 für
einen Neubau geplant), mehr und mehr hineingerathen ist (bis zu völliger Schliessung
ihrer Räumlichkeiten im Jahre 1880); bei der solcherweis jahrelang bereits ausfallenden
Benutzungsfähigkeit derselben, musste der Wunsch zur Geltung kommen, durch
kurze Notizen weiteren Kreisen die jedesmal einlaufenden Vermehrungen bekannt
zu geben, ehe dieselben nach flüchtiger Besichtigung wieder eingepackt und dann,
wie jetzt meist erforderlich, in einem der Magazinräume wegzustellen sind, den Tag
zu erwarten, wo die Eröffnung des neuen Museums eine Aufstellung gestatten wird.
Da es für inductive Behandlung der Ethnologie vor Allem eines vergleichenden
Ueberblicks bedarf, also des Materials in längeren Reihen, — im massenhaften An-
wachsen, wenn den Ansprüchen fünfer Kontinente genügt werden soll, — wird
vorläufig die Qualität vor der Quantität zurückzustehen haben. Es ist deshalb
beabsichtigt, die Veröffentlichungen dieses den Mitarbeitern zur Verfügung gestellten
Rohmaterials in möglichst einfacher Form zu geben, wogegen mit dem späteren
Hervortreten sorgsam detaillirterer Verarbeitung dann auch die äussere Ausstattung
ihr sich wird angemessen erweisen müssen, in solchen Illustrations-Werken, wie sie
nach dem Uebergang in das neue Museum in Aussicht und Absicht stehen.
Gegenwärtig, wie oft (doch nie genug) betont, haben wir in der Ethnologie
noch aus dem Rohen zu arbeiten, in der Materialbeschaffung, ehe es dafür zu spät
sein wird, für immer —, und wenn es nicht bei Zeiten gelingt, (während dieser
kritischen Durchgangsperiode gerade, und innerhalb der kurz nur gewährten Frist),
eine gesicherte Unterlage des inductiven Studiums, in ausreichenden Vergleichsreihen
(für die Verwendung der comparativen und genetischen Methode) zu beschaffen,
wird unsere mit glänzendsten Prospecten blendende „Wissenschaft vom Menschen”
Stückwerk bleiben, so lange der Erdenplanet in seiner Kreisbahn sich dreht.
Auch heute noch Hesse sich wiederholen, was ich, bei der Aufforderung, das
Anthropologische Album (Dammann’s) mit einem Prospect zu versehen, damals
niederzuschreiben mich veranlasst sehen musste (1873): „Bis jetzt können die
Ethnologischen Museen kaum für besseres gelten, als zufällig angefüllte' Raritäten-
Kabinette, und in späteren Zeiten wird man staunen, wie es möglich war, solch’
unzusammenhängendes Stückwerk in wissenschaftlichen Anstalten zur Schau zu
stellen, ohne zugleich mit den gegebenen Mitteln auf möglichst baldige Vervoll-
ständigung hinzuarbeiten, so lange eine solche überhaupt noch möglich bleibt.”
Schwer wird es sein, vor dem Urtheil der Nachwelt zu bestehen, wenn in
Nichtachtung klar und deutlich aufliegender Pflichten wir in heutiger Generation
gleichgültig vor unseren Augen zu Grunde gehen lassen, was, als Zeuge entschwun-
dener Zeiten, von der kommenden im kostbaren Reliquienschrein gehütet werden
würde, und wenn unwiederbringlich dann dahingegangen, schmerzlich beklagt sein
wird, als nachträglich unersetzlicher Verlust.
Bastian.
Juni 1885.
Vorwort.
VII
!) Aus diesen dem Museum übergebenen Sammlungen finden sich verschiedene Stücke
in dem Reisewerk: „Sahara und Sudan” (Berlin 1881) veröffentlicht, so z. B. Vol. I, S. 646,
65o, 674, 675, Vol. II, 518, 53z, 624 (wie im Cataloge aufgeführt).
2) Zur Erforschung dieses kleinen Inselfiecks, auf dem sich so viele Räthselfragen kreuzen,
hatte es seit länger bereits im Plan gelegen, den Besuch eines deutschen Kriegsschiffs zu bean-
tragen, im Anschluss an die neulichen Expeditionen, welche durch die englische (1868), chile-
nische (1870) und französische (1873) Marine veranlasst worden waren.
Betreffs specieller Wahl des Schiffs wurde S. M. Kb. Hyäne in Vorschlag gebracht, bei
dortiger Indienststellung des Zahlmeisters Weisser, (der auf früheren Reisen sein ethnologisches
Interesse bewiesen hatte durch Sammlungen an die Museen in Berlin und Dresden, auf be-
sondere Befürwortung des letzteren), und ein dementsprechendes Gesuch bei der K. Admiralität
zur Eingabe gebracht. Wegen der beschränkten Räumlichkeit des Kanonenboots lagen für
die Marineverständigen allerdings Bedenken vor, ob die Colossalstatuen, deren Beschaffung
vorzüglich ins Auge gefasst war, ihren Transport gestatten würden, und in der That hat sich
das leider als unausführbar erwiesen, während dagegen andererseits wieder die auf Herrn
Weisser gesetzten Erwartungen durch seinen eingehenden und belehrenden Bericht, der sich
im Aufträge des Herrn Commandant Geisler im Marineblatt veröffentlicht findet, ihre volle
Rechtfertigung erhalten haben.
Vielleicht mag ausserdem, bei etwaigem Besuche eines grösseren Kriegsschiffs, späterhin
Gelegenheit gegeben sein können, das jetzt Versäumte nachzuholen, da die Hoffnung wird
bewahrt werden dürfen, dass die wohlgeneigte Unterstützung, welche die Kaiserliche Admiralität
seit der Aufschliessung des neubritannischen Archipels auf der Erforschungsreise S. M. S.
Gazelle verschiedentlich bereits in wirksamster Weise der Ethnologie hat zu Theil werden
lassen, derselben auch fernerhin wird gewährt werden (so weit mit den für den Marinedienst
getroffenen Anordnungen vereinbarlich).
3) Die Abhandlungen und Manuscripte sind ergänzt durch die beschreibenden Angaben
der Listen, welche den eingetroffenen Sammlungen beiliegen.
INHALT
Vorwort.
Verzeichniss der Sammlung von Dr. NachtigaPs Reisen (in den Jahren 1869—1874).
Verzeichniss der Sammlung von der Oster-Insel (bei dem Besuche S. M. Ivb. Hyäne).
Todtenbestattung auf den Pelau-Inseln (J. S. Kubary).
Mittheilungen über die Sammlungen des Reisenden Rohde in Südamerika.
Verzeichniss einer taoistischen Bildersammlung von dem Direktorial Assistenten Dr. Grube.
Notizen zur lamaistischen Ikonographie von dem Direktorial-Assistenten Dr. Grünwedel.
Vocabular aus Gostarica, vom Bischof Thiel zusammengestellt.
Tafeln:
1 (auf die südamerikanischen Reisen des Herrn Rohde bezüglich) enthält folgende Darstellungen:
Zwei Thongeschirre der Payagua (aus rothem Thon mit weissen Verzierungen, die mit
schwarzen Lackstreifen umfasst sind); Proben von Tättowirungen zweier Lengua-Männer und
einer Lengua-Frau; ein Rancho der Payagua, die in der Mitte etwa sechs Fuss hohe Hütte
ist aus Binsen und Bambusen gebaut, die vorne offene Veranda ist so niedrig, dass man hinein-
kriechen muss.
2, 3 enthalten Skizzen und die Originallegenden taoistischer Gemälde.
4 ein lamaistisches Gemälde.
Sammlung aus den Reisen Dr. Naehtigars.
Aus Bornu:
Seidengestickte Frauenhemden (4 Stück).
Grüngesticktes Männerbeinkleid aus Baumwolle.
Hellblau indigogefärbte Tobe aus Mekkarieh.
Weisser Baumwollstreifen.
Rolle buntgemusterten Baumwollstoffes zu Toben
(durch Haussa-Sclaven in Bornu gefertigt).
Dunkelblau indigogefärbte Tobe aus Mekkarieh.
1 rinkschale aus Tamarindenholz, mit Weiss-
blech beschlagen (2 Stück).
Essschüssel aus Holz, schwarzgefärbt (2 Stück).
Kleine, bunte, geflochtene Gefässdeckel (25 Stück).
Schüsseluntersatz, bunt, geflochten (2 Stück).
Buntverzierte Kürbisschale zum Trinken.
Deckelkorb.
Tobe, weiss mit weisser Stickerei.
Aus Kordofan.
Shawl aus Baumwolle.
Aus Darfur.
Gewand, Atlas europäischer Manufaktur (2 Stück).
Takiah (Mütze), rothbunt, der Mekka Mütze nach-
gebildet.
Geflochtener bunter Hut (2 Stück).
Geflochtene bunte Schüsseldecke (5 Stück).
Schnupftabacksdose mit buntem Perlenüberzug.
Wurfeisen.
Vorderarmmesser (Mushrek).
Oberarmmesser (Segin).
Aus Wadai.
Indigogefärbtes blaues Baumwollzeug, als Geld in
den östl. Sudanstaaten (Wadai und Darfur).
Weisser Baumwollstreifen.
Hälfte (Ferda) einer Tokia (als Geld).
Baumwollstreifen als Kaufartikel (I schaka).
Armmesser.
Signalhorn (Banda-Stämme zwischen Wadai und
Darfur).
Lederstrick und Baststrick. (?)
Doppelkorb für Vorrüthe der Araber.
Aus Nyfe.
Tobe, blau und roth gestreift. Säki-herir.
Tobe, weiss.
Haussa-Staaten.
Weisse ßaumwolldecke.
Blaugestreifte Baumwolldecke.
Bunte Matte aus Dhoompalmengeflecht (2 Stück).
Aus Kano.
Indigogefärbte Tobe.
Paar Sandalen mit Straussfedern in grünem
Lederschmuck.
Paar Sandalen.
Paar Sandalen ohne Federn mit rothem Leder.
Bunter Kissenüberzug aus Ziegenleder (4 Stück).
Reitertasche, buntes Leder. Dshelura.
Heidenlandschaften südlich von Baghirmi.
Schamgürtel.
Aus Buah.
Pfeifenkopf einer Buah-Frau (schwarz) am mittl.
Schari.
Aus Zarah.
Dolch der östlichen Zarah, am mittl. Schari
(2 Stück).
Aus Tuareg.
Vorderarmmesser.
Fellatah von Jacoba.
Köcher mit Pfeilen.
Logon.
Schüsseldeckel.
Gamerga (südl. Bornu).
Hakenförmige Eisenwaffe.
Arbeit aus Damascus.
Weisses, glänzendes Zeug (2 Stück).
Gegerbte Ziegenhaut.
Ennedi (nordöstlich Wadai).
Bäle oder Bidcyat, Kopfschmuck aus Vogelbalg.
Straussenci mit Strohgeflecht als Flasche.
2
Sammlung von der Oster-Insel.
Sammlung von der Oster-Insel, auf Veranlassung des Corvettenkapitän
Geisler, Commandant S. M. Kb, Hyäne, durch den Zahlmeister Weisser
zusammengestellt.
Häuptlingsstab aus Coniferenholz, mit Doppel-
kopf, Augen aus Knochenringen und
Obsidian.
Hausgott „Moi Káwakáwa”, männliche Figur.
Augen aus Knochen und Obsidian.
Idol in Gestalt einer Eidechse, aus Holz. Augen
aus Knochen und Obsidian.
Desgl., mit Kopfknorren.
Weibliche Figur in der Stellung des Tanzes.
Hausgott von Holz in Gestalt einer Eidechse.
(Sehr altes Exemplar.)
Fisch aus FIolz geschnitzt, beim Tanz am Hals
getragen.
Schnitzerei, phantastische Gestalt einer Eidechse.
Wird, an dem Zapfen gehalten, schnell be-
Avegt, wodurch die Figur ein Aussehen wie
lebend erhält.
Holz, in Gestalt einer langen Keule, zum Nähen
des Zeuges „Paöha tía nua”.
Desgl.
Keule in Gestalt eines Fisches (Aales) mit Augen,
„Paöha”, zur Vertheidigung der Fläuser.
Handkeule zum Kampf, am unteren Ende ein
Knopf.
Desgl., mit Doppelkopf.
Flausgötze aus Holz, mit Augen; männliche
Figur.
Kleiner Hausgötze aus Holz, sehr alt. Kleine
gebeugte männliche Figur.
Götze aus Holz mit Obsidian-Augen. Doppel-
kopf. Beim Tanz. „Moi arringa”.
Hausgötze, weibliche Figur. Obsidian-Augen.
Von Frauen bei religiösen Festen getragen.
Fischgott in Aalform mit Augen. Bei Tänzen
zur Hauptfischzeit zur Verehrung des Fisch-
gottes getragen.
Desgl.
Fischgötze aus Holz mit Augen. Von Frauen
und Mädchen bei den Fischfesten getragen.
Schlägel aus hartem Holz, vierkantig mit rundem
Griff; für Bearbeitung des Bastzeuges.
Hausgötze aus Holz mit Augen. Männliche
Figur, Rückgrat und Rippen scharf aus-
geprägt. „Moi”.
Axt- oder Hammerstiel aus gebogenem Holz
als Handhabe für die Steinmeissei (Kau
tóki).
Ruderkeule für die alten Boote der Eingeborenen.
„Mata käowaka”. Sehr alt und selten. Beim
Gebrauch wird eine längere Stange daran
befestigt.
Stäbe (4) aus Bambusrohr zum Stricken der
Fischnetze. „Haa”.
Tätowir-Apparat, a Stäbchen zum Schlagen des
gezähnten Knochens, b c schwarze Farbe.
Aalschlinge „He're köröha”; zwei Stäbe mit
Schnur.
Holznadeln zum Stricken der Fischnetze.
Platte aus Knochen (kommt auch aus Holz vor)
als Unterlage beim Nähen, gehört zum
folgenden.
Nadeln aus Knochen, zum Nähen des Bastzeuges,
sowie zur Anfertigung der Binsenmatten.
Desgl., kleiner (4 Stück).
Platte aus einem Schulterblatt, Klapper (Etimäka)
mit Kopfputz, bei Herausforderung zum
Rachekampf.
Holzkugel „Ko hönga”. Von Frauen beim Tanz
am Hals getragen (2 Stück gehören zu einem
Schmuck).
Desgl.
Holzbüchse zur Aufbewahrung der Farbe zum
Tätowiren.
Kalabasse „Jpu-hau-ika”, in dieser Grösse sehr
selten; mit Deckel und Schnur.
Kleine Kalabasse „Hüe wäi”, zum Aufbewahren
von Wasser und Oel; birnförmig. 10,5 cm
hoch.
Rinde des Maulbeerbaumes („Mahute”), zwölf zu-
sammengerollte Proben. Material für Bast-
zeug.
Halsschmuck der Frauen und Mädchen aus
Muschelschale, „Re'pu veva”. Wird an Schnur
aus Frauenhaar getragen. 70 cm lang.
Perlmutterstück, Köder für Fischangel.
Grösserer Götze aus Stein (Trass) „Moi möle”.
Sehr alt, den Gott der Bananen darstellend.
Kleiner Hausgötze aus rothem Tuffstein (Trass)
des Rava-hau-Kraters. Mund weiss bemalt.
Von Frauen benutzt.
Steinhammer, alt; „töki”; jetzt sehr selten.
Desgl. Schneide, defect „Kau töki”, zur Anfer-
tigung der Stein -Idole. An einer Verfertigungs
stelle von Idolen im Schutt gefunden.
auf Veranlassung des Corvettenkapitän Geisler züsammengestellt.
3
Stein mit natürlicher Durchlochung. Früher als
Amulett getragen.
Wurfstein „Mol bekupenga”; beim Spiel zum
Werfen und Rollen gebraucht.
Schneide einer Steinaxt, „Kau töki”; zum Be-
arbeiten der Augen der alten Steinidole.
Kleiner Steinmeissei mit scharfer Schneide,
„Tingi”; zur Bearbeitung der Gesichtstheile, alt.
Steine, welche zur Anfertigung der steinernen
Fischangeln dienten, a durchbohrt, an der
Bohrstelle abgebrochen, b mit angefangener
Bohrung.
Speerspitzen aus Obsidian.
Stein zur Bereitung des Bastzeuges „Mbie1’.
Braune zubereitete Erde; zum Bemalen bei Fest-
lichkeiten.
Gelber Thon aus einer Hohle des Kauakao-
Kraters. Zum Färben des Bastzeuges und
zum Körperbemalen.
Rothe zubereitete Erdfarbe, „Kere kere tu”; zum
Bemalen des Gesichts, zum Zeugfärben etc.
Geschnitzte Gottheit des Tanzes, „Ahu”; sehr alt.
In Gestalt eines Doppelruders. Nur bei be-
sonderen Festlichkeiten. Roth und weiss
bemalt.
Rothe Farbe.
Mantel aus Bastzeug, Imitation von Segeltuch. •
Proben feinen Bastzeuges, weiss.
Gröberes Bastzeug.
Schilf zum Decken der Dächer und Bekleiden
der Seitenwände der Hütten.
Präparirter Binsenbast für Tauwerk „Hau”.
I. Stadium der Verfertigung.
Garn für Fischnetze (II. Stadium).
Tauwerk aus Binsen, geflochten.
Fischerleinen (2) aus Binsenbast (IV. Process).
Netz mit Bügel und Bleisenker, für Krebse.
Angelhaken aus Messing (3) mit Leine.
Scheernetz, für Handgebrauch am Strande.
Kleines Senknetz (Schöpfnetz).
Fischnetz für Seefischerei, fein. III. Process der
Binsenbearbeitung.
Desgl. stark, weitmaschig, „Ivupenga . III. Piocess
der Binsenbearbeitung.
Netz, stark, feinmaschig.
Binsentasche aus Binsen vom Ranakao und
Ropaka-Krater.
Desgl.
Binsentasche.
Matte aus Binsen.
Desgl.
Kopfschmuck aus einem Kranze Federn, „Koiro”.
Lange schwarze, grün schillernde Federn für
V ortänzer.
Mütze aus kurz geschnittenen Federn mit Schmuck
aus langen Grünschillernden. Für Häuptlinge
bei besonderen Gelegenheiten.
Federkranz als Kopfschmuck beim Tanze (Haus-
hahnfedern).
Kopfschmuck aus schwarzen, grünschillernden
Federn „Wäna-wana”. Für Rachekampf-
Herausforderung.
Kopfschmuck für den Krieg, „Hau küra küra”.
Kopfschmuck aus Pferdshaaren, für Männer, die
sich als Frauen verkleiden, „Iwewe”.
Kopfschmuck aus Pferdshaaren, „Rehau”; beim
Ansagen des Krieges getragen.
Speerspitze aus Obsidian.
Desgl.
„Moai”, Götze aus Holz, männliche Figur mit
Kinnbart.
Kleine Steinaxt aus grünlichem Stein.
„Hue”, kleine Kürbisflasche a als Speisebehälter,
nebst Bambusdeckel b.
„Aua”, Trinkschale aus Gocosnuss.
Wassergefäss aus Cocosschale, mit Tragband.
Waffe oder Messer aus einem Fischkiefer mit
Holzstiel, angeblich Opfermesser.
Angelhaken aus Perlmuttermuschel mit gefloch-
tener Oese und mit Leine.
Schnüre aus Menschenhaar (2 Stück zusammen-
gebunden).
Perrücke aus Schnurgeflecht mit eingeflochtenem
Haar, roth gefärbt.
Fischnetz mit Senkern aus Steinen und Schwim-
mern aus Holz.
Maske aus einem Menschenschädeltheil, weiss,
roth und braun bemalt; künstliches Haar
und Bart.
Muschelgeld (Diwarra”). 4 Stäbchen von je 22 cm
Länge.
Steinaxt.
Basttasche für Kalk etc. zum Betelkauen.
Fetisch, beim Fischfang benutzt; aus Holz, mit
eingebrannten Götzenbildern (menschliche
Gestalt und viele Fische).
Desgl., mit Griff aus Rotang.
Keule mit Steinring und Diwarra.
Möte aus Rohr mit drei Stimmen.
Regenhut (auch Sonnenhut) der Frauen.
flache Holzkeule aus Palmenholz mit Geflecht.
Desgl.
Canoe-Modell (nebst Zubehör), an beiden Enden
Schnitzerei.
Griffstück einer Speiseschüssel, aus Holz ge-
schnitzt.
Schnur, braun.
Schnur aus Cocos, dunkelbraun.
Muschelaxt.
4
Die Todten-Bestattung auf den Pelau-Inseln.
Unterkiefer, zum Gebrauch beim Todtenkult zu-
bereitet.
Schleuder aus Bast.
Steinaxt. „Toi maa”.
Desgl.
Pansflöte mit 14 Stimmen.
Flöte' mit Ornamenten (zwei Menschenfiguren,
Fische und Eigenthumszeichen).
Gefäss für Betelkalk (Kürbis mit schwarzem
Ornament).
Auslegerverzierung der Ganoes, Köpfe in Holz
geschnitzt (Männer, Fische, Vögel).
Maske, bemalt.
Ohr einer grösseren Maske.
Steinmörser (a) nebst Stössel (b) zur Bearbeitung
der rothen Erdfarbe (c).
Hoheitszeichen der Häuptlinge und Priester, aus
Holz geschnitzt.
Canoe-Modell mit Ausleger und Zubehör.
Zwei Proben Bastzeug.
Canoe-Modell mit Ausleger und Zubehör.
Paar Armringe aus Schildpatt.
Nautilus-Muschel (Schöpfgefäss).
Mikronesien.
In Folge einer seitens des Museums mit dem Reisenden Kubary (z. Z. in Mikronesien)
eingeleiteten Correspondenz sind von demselben, mit ethnologischen Sammlungen, auch einige
Abhandlungen zugegangen, von denen (in Ergänzung des früher im Museum Godeffroy
Veröffentlichten) Nachstehendes folgt.
(Die Todten-Bestattung auf den Pelau-Inseln.)
Wenn der Kranke im Sterben liegt, wenn sein Athem hinaufsteigt (ometyakl atelil) und
endlich ausruft (olgyerd atelil), also sein Ende nahe bevorstehet, sitzen die nächsten Ver-
wandten dicht an seinen Seiten und einer derselben geht hinaus, um einige Blätter des Rböttol-
Baumes zu pflücken und etwas Wasser zu holen, welches, auf das Feuer gestellt, auf das
Verscheiden wartet. Sobald dieses eingetreten ist (makape-a), werden der Leiche von der
Schwester die Augen und Lippen zugedrückt und jede der anwesenden Frauen führt das
erste „Mahr’, das Weinen, aus, worauf das Abwaschen der Leiche mit warmem Wasser
geschieht. Dieses, wie überhaupt das ganze Handhaben der Leiche wird, wenn möglich, von
der Schwester und der Frau ausgeführt. Nach dem Abwaschen wird der Leiche der After,
bei den Frauen die Scheide, bei den Männern die Mündung der Urethra1) mit dem „Nam-
namk” einer ausgekämmten weichen Lap-Faser, zugestopft. In den After und in die Scheide
werden mehrere, 4—5 kleine, auf dem Finger rundgewickelte Ballen hineingesteckt, die Mündung
der Urethra wird leicht mit der Faser zugedeckt und die Vorhaut über der Eichel durch eine
Umbindung mit Bananen-Faser gesichert2). Die Leiche wird dann mit Oel und der Gelb-
wurz eingerieben und ein Mann mit einem frischen Lendengürtel, die Frau mit einem Schurz
der, ihrem Range entsprechend, entweder der gewöhnliche Bunan oder der Riryammel oder
gar der Ulälek sein kann3).
fl Das Zustopfen der Harnröhre findet auch statt auf den Karolinen, auf Uleay mittelst der
Gelbwurz, auf Ruk wird auch die Nase zugestopft. Auf Ponape wird zum Zustopfen der Schwamm
gebraucht.
fl Das erklärt den Widerwillen, den die Pelauaner gegen eine entblösste Eichel hegen. Eine
solche wird verhöhnt und Bfyul, Napf, genannt und wird man niemals einen Mann mit nackter
Eichel ohne einen Lendengürtel antreffen.
fl Bei der pelauischen Pflanzenfaser-Industrie bleibt für die Schurz-Fabrikation zu erwähnen,
dass gewisse Familien, hier Häuser genannt, das ausschliessliche Recht haben, gewisse Schurze bei
Von J. S. Kubary.
5
Als Unterlage für die Leiche werden einige Matten an ihren Rändern in eine dicke
Lage zusammengenäht, auf welcher dieselbe einstweilen ruht, bis der Dusal, ein viereckiges,
für die Reichen aus zersplitterten Areka-Palmen, für die Aermeren aus gewöhnlichem Bambus-
rohr verfertigtes Ruhebett, gebracht wird, auf welchem dann die Leiche mit erhöhtem, gegen
die Brust geneigtem Haupte in der Mitte des Hauses, mit in der Thür befindlichem Kopfe
ausgestellt wird, was Omesoekel heisst. Die Leichen der Frauen werden mit Schildpatttellern,
die das hauptsächlichste Frauengeld bilden belegt, je nach dem Vermögen des Hauses ent-
weder nur um die Beine bis zur Hüfte, wobei die Teller sich an den Körper anlehnen oder
sie reichen bis zu der Schulter. Bei den Männern liegt auf der linken Seite der Handkorb,
der mit frischem Betel und Tabak versehen ist und auf dessen Rande das einheimische
Audöu© (Geld) auf der Aussenseite aufgereihet wird. An den Korb lehnt sich die unzertrenn-
liche Schulteraxt des Verstorbenen und vor der Thür stehet angelehnt seine Kriegslanze, der
mit einem breiten und spitzen Eisenkopfe versehene Bosös. Unter dem Kinn befindet sich ein
Stück Reh (Gelbwurzpulver) der Tkel a komellel (Kinnstütze) heisst. Das Haupthaar wird in
einem einzigen Knoten nach der Stirn gebracht, sowie es die reichen frisch entbundenen
Frauen tragen, oder es wird in zwei losen Knoten auf beiden Seiten des Kopfes herunter-
gelassen.
Während nun die Leiche ausgestellt bleibt, führen die weiblichen Verwandten jetzt ihre
öffentlichen Klagen fort, worin sie durch die zum Kameldiyl (Begräbniss) nun von allen
Seiten anziehenden Verwandten (Kaukae) und Bekannten unterstützt und abgelöst werden.
Das pelauische Weinen ist wesentlich von dem östlicher in dem Archipele angetroff'enen ver-
schieden. Es ist das hier nicht ein singendes zusammenhängendes Weinen, das augenblicklich
alle Anwesenden mitergreift und in einem unwiderstehlich ergreifenden Chor vereinigt, sondern
jede Frau trägt ihre Klage in kurzen, ansteigend heftiger werdenden Sätzen vor, wobei der
Ion der Sätze sich immer gleich und die Wahl der Ausdrücke der Klagenden frei bleibt.
Die einzelnen Frauen folgen sich nach einander und jede sucht die Anwesenden zu rühren
und zum endlichen Mitweinen zu bewegen. Die Wörter der Klagen sind passend genug:
O Mutter! O Mutter! warum hast Du mich verlassen! Warum bist Du weggegangen! Was
soll ich hier nun machen! Wer wird mir Wasser, wer mir Nahrung geben! Arm bin ich und
veilassen! Du bist weg und ich werde in fremden Häusern Schutz suchen müssen! — O mein
Kind warum bist Du weggegangen! Wer wird mich im Alter schützen! O Warum habe ich
Dich gebären müssen! Wer wird mich von Fremden schützen, wer mir Nahrung geben!
Warum habe ich Dich geboren! Umsonst die Schmerzen der Geburt getragen! — O meine
Frau warum hast Du mich verlassen! Du bist mir jetzt Mutter, nicht mehr Frau! O ich
armer u. s. w., indessen diese Klagen, sich fortwährend wiederholend und mit Tabakrauchen
und Betelkauen regelmässig unterbrochen, üben auf die Anwesenden nur eine conventioneile
Wirkung und von wirklichem Gefühl kann bei diesem offiziösen Beweinen des Verstorbenen
nicht die Rede sein.
Die Länge der Zeit, durch welche die Leiche ausgestellt wird, hängt ab von der
Erfüllung verschiedener Gebräuche, die hauptsächlich von der socialen Stellung des Todten
abhängen. Wenigstens eine Nacht jedoch bleibt die Leiche im Hause und durch die ganze
Festlichkeiten und nach dem Tode zu tragen. Die schwarzen Ulalek’s sind die angesehensten
Und nur wenigen Häusern erlaubt, die rothen Riryammels sind ebenfalls noch beschränkt. Der
gewöhnliche Todesschurz der Frauen ist der braune Bunan, der immer noch zu den theuersten
Schurzen gehört.
6
Die Todten-Bestattung auf den Pelau-Inseln.
Nacht wachen die Trauernden und weinen, von Zeit zu Zeit gemeinschaftlich Kaldölom und
Kallöy Lieder vortragend1).
An dem folgenden Tage dauert das Weinen der Frauen fort, während dass die
Bevölkerung des Dorfes sich um das Haus versammelt, wobei die Männer ausserhalb des
Hauses verweilen. Die Häupter des Dorfes versammeln sich in dem Rathhause und ist das
Dorf einem grösseren Lande untergeordnet, so kommen auch Repräsentanten dessen
Regierung und am öftesten der Oberhäuptling selbst. Die Sitte verlangt, dass das trauernde
Haus zwischen die sämmtlichen Anwesenden Getränk vertheilt und die erste Sorge der Ver-
wandten ist, möglichst rasch eine der Bedeutung des Hauses entsprechende Anzahl von Stein-
krügen, mit Kokossyrup gefüllt, anzukaufen. Dieser Syrup wird mit Wasser vermischt von
Allen getrunken, im allergrössten Theile aber in grösseren oder kleineren Mengen zwischen
*) Bei dem „Homonodölom“ (von Kaldölom) singt eine Frau vor, z. B.: — Kan bo o ho tmo er
niy, el tmo ngalekel a wel — worauf eine Frau, die den Melikes ausführt, den Ton der Zeile auf-
greifend nachsingt: Kau bo-oö oö-oö-oö-oö-oö — und dann vereinigen sich die Anwesenden in
einen Chor: Ey-Eey-Ee sich in der Länge und der Melodie der vorgesungenen Zeile haltend. Der
Inhalt der Lieder soll den Zustand der Seele oder der Hinterlassenen ausdrücken, jedenfalls aber
wird er aufgefasst als von dem abgeschiedenen Geiste herkommend. Hier als Beispiel:
Kau bo o ko tum er niy, el tmo : haiekel a wel. Gehe sage ihm, sagend dem Kinde der
Schildkröte.
El tmo ma naleke'l a wel,
A ko el di maltaräkl erra, a ko ara meriil.
Hier sind dieTauernden mit dem Kinde einer Schildkröte verglichen, das ganz niedergebrochen,
zerstreut wie der Sand der (Meriil) besonders von den Schildkröten besuchten Sandbank wurde.
El tmo ak maoey ma klonä, Sie (oder er) sagt: ich bin todt und ausgestellt,
A pelu Armie el mahl, Das Land Armie weint,
El tmo: ma ara keyun ungle Und sagt: es bleibt gut,
El a kedra a meläos Draussen in der See der Stein.
Der MeläoS ist ein todter Korallenfels, der in der See gewöhnlich in tiefem Wasser auf dem
Grunde liegt, hier also wird auf die Tiefe des Schmerzes des Landes Armie, also auch der Hinter-
lassenen im Allgemeinen gedeutet.
In dem „Homonollöy“ (von Kallöy) giebt’s auch das Vorsingen und den Melikes, aber bei dem
Chore bewegen die Frauen die Hände und schlagen dieselben zusammen bei dem Beendigen desselben.
Jem die tebedekel a Dilübek,
Ma dohomk a makosohös,
Ak umäkes mor a gädes,
E ki mo metey a täok,
E ki mo mormey meniris.
A karamek allöy ey ney
El har a Edel malaköy:
Mokokau e guk melikes,
E ko bo digeän bomrey.
Je medines ekl mor a yähet,
El ogin el Roubay,
Horgim a mey mangadal.
E kebogakl mo a dinus
Horgim e ak asmäl
E te tuöboo mor melgölp
Ar mongeyü erngak Horgey.
Wir gingen hinaus in Dilübek,
Und ich stand draussen,
Ich trat auf den Weg,
Und ging herunter zum Strande,
Ging weg von der Heirath.
Ein Vogel (mein) sang da
Auf dem Edel sitzend, sagte:
Sehe dich vor und schiebe weiter,
Oder sonst kommst nicht mehr weg.
Und gesättigt ging ich zum Himmel,
Ging vorbei dem Roubay,
Horgim kommt zurufend.
Und leicht ging nach Süd-Osten
Horgim und ich verlobt.
Und trat heraus sich zu waschen.
Es trauert um mich Horgey.
In diesem Liede erzählte die abgegangene Seele einer Frau, wie sie von dem Lande ihres
Mannes sich entfernte und von dem Halcyon angesprochen wurde, dann in der Luft oder dem
Himmel den Kriegsgott Horgim traf und seine Frau wurde und dass dieser um sie nur traure.
Von J. S. Kubary.
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die Besuchenden und die Weinenden vertheilt. Ebenfalls bekommen die in der Nacht
singenden Frauen ein Geschenk aus Schildpatt-Gegenständen, der Gekür heisst. Die anderen
Ortes verweilenden Verwandten bringen mit sich ein Todtengeschenk aus Matten, „Bädek”
genannt, wofür sie ebenfalls ein Geschenk wiederbekommen und diese Sitte ist nicht blos
zwischen Verwandten, sondern auch zwischen Befreundeten und dann auch zwischen den
Häuptlingen eines Landes und zwischen den verschiedenen Staaten ohne Rücksicht auf
Krieg oder Frieden beobachtet. So zum Beispiel sind die Häuplinge eines jeden Staates in
absteigender Reihe geordnet und dann je zwei derselben in ein formelles Freundschafts-
verhältniss gruppirt. Stirbt nun z. B. No. i, so muss ihm Häuptling No. 2 den Bädek und
ein kleines Geldgeschenk zuschicken, umgekehrt wenn N0. 2 stirbt, so muss es der Ober-
häuptling thun. Dieses Verhältniss wiederholt sich in sämmtlichen Staaten der Inseln und
zwar nicht blos zwischen den Häuptern, sondern auch zwischen den Regimentern (Vereinen),
in welche die beiden Geschlechter des Volkes eingetheilt sind und zwischen den einzelnen
Individuen. Bei dem Tode eines der Oberhäuptlinge: Arakläy von Molegoyök, Aybasül von
Körreor, Irüiilbay von Eimeliik, Eytiao von Aremolunuy und Mao von Narbuku, senden die
übrigen den üblichen Bädek ohne Rücksicht darauf, dass sie sich nicht verwandt sind und
sich am öftesten bekriegen.
Das Todtenhaus ist durch den Tod „täor” geworden und es darf nicht in demselben
gekocht werden. Sieht man also dem Verscheiden eines Insassen entgegen, so wird an einer
Seite des Wohnplatzes ein nothdürftiger kleiner Schuppen, „Nolidyül” genannt, aufgebaut, in
welchem die Kinder, die überflüssigen Gegenstände und das Feuer untergebracht werden.
Speisen werden an die Besuchenden nicht verabreicht und die um die Leiche versammelten
Frauen erhalten ihre Nahrung von den verwandten Häusern; in dem Schuppen wird blos
das Grobkochen des Taros besorgt.
Die vor dem Begraben stattfindenden Gebräuche sind nicht ganz übereinstimmend in
Einzelnheiten auf allen Stellen der Gruppe, indessen wenn der oder die Todte ein „Rüpok”,
ein Haupt der Familie oder des Hauses war, d. h. einen „dny”, einen Titel, besass, so
muss erst die Abnahme des Titels von dem Todten und die Uebergabe desselben an den
lebenden Nachfolger stattfinden, dann wenn es eine verheirathete Frau ist, so muss der Mann
erst ihren „Diol”, ihr Schiff, bezahlen, wonach erst das Insgrablegen geschehen kann.
Nach den Gesetzen der epogenetischen Ehe, die mit Ausnahme der Insel Vay auf den
ganzen Karolinen herrscht, gehören die Kinder der Mutter an und sie ererben auch ihren
Stand, die Erben des Vaters sind also nicht seine Kinder, „Nätekel”, sondern der älteste seiner
Neffen, „hohelleT1, wenn man mit diesem Namen die männliche Nachkommenschaft seiner
Tanten von Mutterseite und seiner leiblichen Schwestern belegen kann. Der Name passt nur
auf den letzteren Fall, sonst ist der Erbe ein Vetter. Der vermuthliche Erbe des Titels
befindet sich immer im Hause und leitet er sammt den weiblichen Verwandten die kommenden
Ereignisse. Vorerst wird von der Wittwe ein Theil des ihr vom Gemahle gegebenen Geldes
abgefordert, was manchmal erst unter der Bedrohung mit dem Tode befriedigt wird. Mit
diesem Gelde wird der neben der Leiche ausgestellte Handkorb ausgeschmückt. Dann kommt
an das Haus der „Ohäro” ein wilder Auflauf der Angehörigen des befreundeten Hauses, die
in wildem Tanze das Haus umgeben, Alles bedrohen und das Grab nicht zu graben erlauben,
bis sie durch dargereichte Geschenke, meistentheils falsches Geld, beschwichtigt werden.
Ist es der niedrigere Häuptling, der todt ist, so kommen die Frauen des höheren befreundeten
Hauses und unanständige Lieder singend, tanzen sie wild im Hause, bis sie Schildpattgegen-
stände und Perlschalen zu Geschenk erhalten und sich dann entfernen.
Die Todten-Bestattung auf den Pelau-Inseln.
Unterdessen senden die im ßay versammelten übrigen Häuptlinge einen von ihrer
Mitte, um von dem Hause das übliche Geld, welches der gesetzliche Freund des Verstorbenen,
also wenn es z. B. der Oberhäuptling ist, der Häuptling No. 2, zu eigen behält. Die Abgabe
besteht aus zwei besonders und separat bezahlten Geldstücken, von denen das zuerst ver-
langte „Hore'ttek” heisst. Ist dieses von den Häuptlingen angenommen, so wird das Auligil
verlangt. Das erste Stück ist eine formelle Bezahlung für all das Geld, das der Verstorbene
sammt den anderen Häuptlingen aus den Strafen bezog, das Auligil dagegen ist die Bezahlung
für den Titel. Der Erbe bezahlt dieses Geld nur, wenn er den Titel antreten will, sonst
weisst er den Gesandten der Häuptlinge ab. Ist das Geld schon bezahlt, womit auch der
Erbe die Bereitwilligkeit seines Antrittes kundgiebt, so wird ein Häuptling wieder ins Haus
gesandt mit der Frage: wer will nun jetzt der Häuptlinge Freund werden? Der Erbe ver-
neint formell seine Rechte und schickt den Gesandten zu seinem jüngeren Vetter, der nach
Gesetz der nächste Erbe ist. Dieser natürlich schickt den Gesandten zu dem ersteren zurück
und so muss der Gesandte circa siebzehn Gänge ausführen, ehe der Erbe sagt: na, wenn der
nicht will und Niemand will und die Häuptlinge es so wollen, so werde ich Freund mit
diesen werden. Erst nachdem kann die Leiche das Haus verlassen. Die vier Mann, die die
Bahre tragen, halten erst noch an, bis ein in der Sache eingeweihter Mann den „dny” von
dem Todten abnimmt, ehe aber die Leiche durch die Thür entfernt wird, nehmen noch Alle
den letzten Abschied von dem Todten, dessen Gesicht noch unbedeckt ist. Sie berühren der
Reihe nach das Gesicht mit der Nase, während dessen der Erbe selbst oder einer der älteren
Vettern den mit Geld behangenen Handkorb ergreift und sich rasch entfernt. Die Tanten
sagen nichts dazu und die Wittwe thut nur einen formellen Ausruf: der Korb!
Nun wird die Losung gegeben, dass das Grab fertig ist und dass man zu dem Melwosu,
dem Begraben schreiten soll. Vorerst nimmt die älteste Verwandte das Schlafkissen und eine
Matte und übergiebt es den Gräbern, um dieselben ins Grab legen zu lassen, was kalübus
heisst, dann wird die Leiche in die Matten, auf welchen sie liegt, eingewickelt und zwar ist
die äussere bei den „kapkal”-Häusern mit schwarzen Fasern durchgewirkt. Nach sorg-
fältigem Zusammenbinden, was auch nach gewisser Regel und durch besonders befähigte
Leute geschieht, wird die Bahre hinausgetragen. Vor der Thür bleiben die Träger stehen
und es nähert sich ein Mann, der in den beiden Händen einen frisch gemachten „dny”, das
Symbol der Rupak-Würde, aus einer Cocosblattschleife und einer dadurch gezogenen Pisek-
(wilde Arum-Art) Pflanze bestehend, trägt und diesen mit dem einen Ende drei Mal gegen den
Kopf des Todten führt und dann eine Anrede an ihn hält. Hat der Häuptling seine Pflichten
gegen Land und Leute gut erfüllt, einen „Honet”, d. i. einen grossen Fischzug für das Volk
veranstaltet, manche „Mur”, d. i. Tanzfeste für seine Frauen gegeben, viel Misogin (Dugonge),
Rochen und Hayfische bezahlt u. s. w„ so wird ihm gesagt, dass er in Frieden abziehen mag,
er war gut. Bei den kleineren Häuptlingen wird oft eine scharfe Kritik über das Leben des
Verstorbenen ausgesprochen und der Sinn ausgedrückt, es ist gut, dass er weg sei, denn er
lebte armselig und dumm. Während nun der neue „dny” dem Nachfolger eingehändigt wird,
wird die Leiche zu dem kaum einige Schritte vom Hause entfernten Grabe getragen und hier
die Bahre heruntergelassen, so dass die Leiche vorsichtig herunterrutschen und auf einer Seite
mit vom Hause abgewandtem Gesichte zu liegen kommt. Das Grab selbst befindet sich in
der vor der Hausfront befindlichen steinernen viereckigen Erhöhung und ist kaum hüftentief.
Die Bahre wird mit zwei seitlich angebrachten Matten bedeckt und zugeschüttet und auf der-
selben ein gewöhnlicher Grabhügel aus Erde aufgebaut. Während die Leiche zum Heraus-
tragen vorbereitet wird, gehen Frauen in die Taropatsche und suchen vier, bei Frauen nur
Von J. S. Kubary.
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zwei Taropflanzen aus, die sammt Stengeln ausgegraben werden. Die Knollen werden dick
mit „Ren” angeschmiert und sämmtliche Pflanzen werden auf einer Bambusrüstung am
Kopfende des Grabes hingelegt. Sie heissen „Dyäkas” und werden bei dem Grabsteinlegen
neben dem Grabe angepflanzt und bilden eine Vorbedeutung über das Schicksal des Nach-
folgers; wenn sie nämlich nicht gedeihen, so wird sein Leben auch nur kurz andauern.
Nach dem Aufschütten des „Tabül”, des Grabes, wird dieses mit einer Oegedek
genannten, mit Gerdeu-Blumen und Kasük-Blättern verzierten Mattendecke bedeckt und wird
darüber ein kleines Häuschen, eigentlich ein Dach, aufgeführt, in welchem eins der Kinder
auf dem Grabe schläft. In der Nacht wird drinnen eine Oellampe gebrannt und die dar-
gereichten Speisen verzehrt die wachende Person, sie gräbt aber von denselben eine Kleinig-
keit in das Grab, eben wie sie von dem Getränk etwas auf dasselbe giesst. Bei den grossen
Häuptlingen ist das Grabhaus etwas grösser und verbleiben in demselben die weiblichen Ver-
wandten die ersten Trauertage bis der Grabstein aufgelegt wird.
Mit dem Aufschütten des Grabes fängt das „Moiieyü“ die Trauer an. Das Haus selbst
ist bei den privilegierten Familien auf drei Seiten mit herunterhängenden Kokosblättern be-
hängen, was schon gleich nach dem Tode stattfindet. Das Haus selbst ist „Taor“, die Frauen
die die Leiche berührten, sind ,meäy“. Sie bleiben „kalsimmel“ eingeschlossen, d. i. sie dürfen
nichts thun, nicht herausgehen ausser die Nothdurft zu verrichten, sie dürfen sich nicht waschen
und keine Fische, sondern nur ausgesuchte Leckerspeisen, die die übrigen Häuser des Dorfes
liefern müssen, gemessen. Sind ja alle Häuser mehr oder weniger befreundet oder verwandt und
beinahe alle Hausmütter theilen das Moneyü mit den abgeschlossenen Frauen. Dagegen ver-
bringen die Häuptlinge des Dorfes die Trauerzeit in dem Rathhause, wo sie auch schlafen
müssen und welches sie verlassen nur um zu baden. Ebenfalls wie das Trauerhaus werden
sie mit den zahlreichen Süssspeisen, welche die pelauische Kochkunst so geschickt zubereitet,
reichlich versehen.
Während der Trauerzeit wird in dem Dorfe die möglichste Stille beobachtet und jede
geräuschvolle Beschäftigung verpönt, wie auch werden die Kinder, die sonst gern auf den
Wegen des Dorfes spielen und Lärm machen, nach dem Strande gejagt.
Am dritten Tage der Trauerzeit wird des Morgens noch vor Tagesanbruch das „Gelei
a adaleje ■ das Essen für den Geist, vor der Hausthür, in der Form eines hohen Haufens
rohen Taro aufgestapelt und dem gesetzlichen Freunde des Todten wird kundgegeben, dass
er sich dieses holen möchte. Ist es eine Freundin, so kommt sie näher mit einem schönen
Schurz angethan und wird mit einem gut versehenen Handkorb beschenkt, und sie gehet mit
einer Hausangehörigen in den Wald um den „Sis“ zu bereiten. Sie suchen nun eine roth-
blättrige Cordiline und schneiden deren Gipfel ab und sammeln so viel Blumen und riechende
Blätter und Gräser zusammen als möglich und bringen die an eine Quelle. Hier werden die
rothen Sis-Blätter gewaschen und mit Oel und Reh eingesalbt, dann sämmtliche Blumen auf
einer besonders geflochtenen Blattmatte nach dem Hause getragen, wo aus denselben ein
pyramidenförmiger über einen Fuss hoher Strau.ss gewunden wird.
Am Abend nach dem Essen wenn Alles ruhig wird, wird das „Marti© a Sis“ vor-
genommen. Es wird eine Anzahl Betelportionen, Cigaretten und Schalen mit Getränk auf-
gestellt und eine Frau, deren Füsse mit einer Matte bedeckt werden, nimmt den Sis in beide
Hände. Damit die Hände denselben nicht berühren, steckt er in einer weiten rundgeflochtenen
Scheide die gegen drei Zoll breit und nachträglich noch mit Zeug umwunden ist. Die Haupt-
trauemde ruft nun den Geist des Todten an und bittet ihn in den Sis zu steigen und dadurch
die wahre Ursache seines Todes anzugeben. Nun nennt sie der Reihe nach alle möglichen
%
IO
Die Todten-Bestattung auf den Pelau-Inseln.
Ursachen bis der Strauss sich zu bewegen anfängt. Bei der richtigen Ursache bewegt sich der
,,Sis“ sehr stark auf alle Seiten und sogar er fällt herunter auf den Boden. Wenn der Geist
jedoch die haltende Person nicht mag, so bewegt sich der Strauss nicht und dann nimmt ihn
die folgende Person und so weiter, bis die Bewegung statthndet, wo dann sämmtliche Frauen
gewaltig: Korhiy! Koriiiy! ausrufen. Dann sind die Verwandten zufriedengestellt, sie ver-
brauchen die hingestellten Opfer und begeben sich zur Ruhe, wobei die Haupttrauernde mit
dem ,,Sisil’ schläft.
Des nächsten Tages, also am vierten des „Moneyu“ wird in möglichster Frühe der „Sis“
an das Grab getragen und hier an dem Kopfende auf einem Bambus aufgepflanzt, wobei die
tragende Person einen lautschallenden ausgedehnten Schrei ausstösst. Dieses zeigt den im
Rathhause trauernden Häuptlingen den „Oltwobotel a sis“ an, womit deren Trauerzeit um ist.
Eine der in dem Hause versammelten Frauen, die die Gabe hat Geister zu sehen, beobachtet
den Strauss und sieht, wie der Geist des Verstorbenen sich demselben nähert, aber gewöhn-
lich in einer Entfernung stehen bleibt, da ein fremder Geist kommt und den Sis wegnimmt,
es ist die feindliche Gottheit die den Kranken tödtete.
Unmittelbar darnach wird noch desselben Morgens das Grab ipit Steinen belegt und
die Tarostengeln des Dyäkas eingepflanzt. Den trauernden Frauen wird dann die Galabeo
Speise dargereicht und die Trauerzeit für die Freundinnen der Frauen, die Meay sind, hört
ebenfalls auf.
Die übrig gebliebenen nächsten Verwandten trauern nun weiter in manchen Fällen bis
100 Tage. An dem Tage des Grabsteinlegens, der Omahädes heisst, fängt die lange Trauer
an, die von Zeit zu Zeit durch besondere freie Tage, an welchen den Frauen die Galabeo
Speise und Fische dargereicht werden und wo sie auch sich waschen dürfen. Der erste dieser
Tage heisst „obal a kao“ der zweite „obäl a kalio,“ mit dem „Toüo“ hört die Trauer gänz-
lich auf. Das Haus ist nicht mehr „taor“ und die Frauen dürfen in die Taroanpflanzung
gehen, was man „menal kaymäl“ nennt. Die älteste Verwandte nimmt dann das „tohotogiy
a pao“ in dem sie einen kleinen Stein zwischen die Steine des Grabes einkeilt, womit dieses
,,Kasemera“ geschlossen wird, und die Alte kann dann nach ihrer Heimath gehen.
Ist die Todte eine Frau, so wenn sie eine „Rupak el dil“ ist, findet ebenfalls die Ab-
nahme des „dny“ und die Uebergabe desselben an ihre rechtmässige Nachfolgerin, die die
nächstälteste Frau der Familie ist. Das Hore'ttek und Anligil-Geld fällt hier zwar fort, es ist
aber durch den Diall und Dosönel, zu welchem bei den Reichen noch Dekel und Badasil,
also in’s Gesammt vier Geldstücke ersetzt. Die Bezahlung soll der Seele ein Schiff (Diall),
den Ausleger (Dosömel), die Schiebstange (Dekel) und Pattein (Badasil) sichern, da eine unklare
Vorstellung noch herrscht, dass die Seele der Frau in einem Fahrzeuge nach dem Jenseits
gelangt. Ist die Frau verheirathet gewesen, so muss der Mann dieses Geld entrichten, sonst
thun es die jüngeren Angehörigen. Das Geld behält der „obogül“, d. i. das männliche Haupt
der Familie. Erst nach dem Bestreiten des Diall, kann die Leiche beerdigt werden.
Bei dem Verscheiden der jüngeren Mitglieder der Familie finden die sämmtlichen
Gebräuche statt, nur dass die mit ihrer Stellung in der Gesellschaft nicht nöthigen
Hore'ttek und Anligil ausfallen, da kein dny in Betracht kommt. Bei Todesfällen in den unter-
geordneten Familien wird in dem Bewirthen der Besuchenden mehr Einschränkung geübt,
aber auch der ärmste Angehörige einer Familie hat einen „Obogül“ der ein „Rüpak“ ist, also
das Begräbniss wird immer zu einer Sache des Anstandes für sein Haus und die Umstände
des Kameldiil gestalten sich immer zu einem mehr oder minder umfangreichen Feste für die
Gemeinde.
Von J. S. Kubary.
Die früher berührten Abweichungen in der Bestattung der Todten, beziehen sich haupt-
sächlich auf das Land Enkasär, in welchem die Todten der beiden Häuser in hölzernen
zugedeckten Kisten begraben werden. Die beiden Häuser nehmen im Staate die Stellen No. i
und No. 2 ein und stehen gegeneinander im Verhältniss der gesetzmässigen Freundschaft.
Stirbt das Haupt eines dieser Häuser, sei es das männliche oder das weibliche, so wird in
dem untergeordneten, etwas nördlicher gelegenen Naraus, ein hölzerner Leichenbehälter
bestellt, wofür aber vorher zwei Stücke Geldes zu entrichten sind. Es wird nun ein Tetimmel-
Stamm in der Länge einer Leiche abgehauen und längs gespalten und die beiden Hälften aus-
gehöhlt, das Behältniss dann nach Enkasar auf den Strand gebracht. Hier entsteht nun ein
scheinbarer Streit zwischen den Ablieferern und den Bestellern, indem die ersteren sich dem
Hinbringen des Sarges nach dem Todtenhause mit aller Gewalt wiedersetzen. Indem die
Einen ihn unter Honorus-Geschrei herziehen, ziehen ihn die Andern zurück und machen ihn
fest mit Stricken, die wieder gewaltig zerrissen und zerhauen werden, bis die Uebergabe
einiger Stücke falschen Geldes den Streit beilegt. Dann findet auch ein sehr wildes „mano-
haro“ statt, indem die Anhänger des andern Hauses, verstärkt durch die Bevölkerung und
durch die Frauen von Naranasan sich mit Abbildungen der Geschlechtstheile bemalen und
erotische Lieder singend, das Todtenhaus überfallen und dort so lange tanzen, bis sie durch
Geschenke befriedigt sind.
In Eimeliik kommen die Frauen der sämmtlichen Länder jede mit Ren bemalt und einen
Bündel Tarostengel tragend nach Nargeay und tanzen hier bei dem Begräbniss des Ober-
häuptlings Irunlbay.
Zwischen Narupesan und Narämmas, zweien kleinen Ländern Molegoyoks, besteht die
Sitte, dass bei jedem Begräbniss des einen Landes, das andere Land bei dem Vertheilen des
Ayläots (Kokosnusssyrup) einen vollen Ayagei erhält.
Ebenfalls in Narupesan hat eine Familie die ausschliessliche Sitte, ihre Leichen nicht aut
einer besonders bereiteten Bahre auszustellen, sondern auf einem „Not“ einem schlüsselartig
vertieftem Brette, das immer im Hause aufebewahrt wird.
Süd-Amerika
Im Aufträge des Museums hat Herr Richard Rohde aus Tilsit im Winter 1883/84
eine Reise vom Paraguay aus in den südlichen Theil der Provinz Matto Grosso unter-
nommen. Er gelangte mit dem Dampfer den Paraguay aufwärts bis nach Corumbä. Dort
miethete er ein Boot (prange), das mit sechs Ruderern bemannt und durch Ruderstangen
mit Eisenspitzen (singas) fortgestossen, ihn in i3 Tagen den Paraguay und den in denselben der
Sierra de Albuquerque gegenüber einmündenden Rio Mondego, sowie dessen südlichen Quell-
fluss, den Rio de Miranda, aufwärts bis nach Villa de Miranda beförderte. Der Rio Mondego
fliesst durch unabsehbare, dann und wann von Waldinseln unterbrochene Campos, die in
der Regenzeit unter Wasserstellen und dann einen grossen See bilden. In Folge dessen sind
diese grossen Länderstrecken vollständig unbewohnt. Die Ufer des Rio de Miranda sind mit
herrlichem Urwald bedeckt, der eine ungemein reiche Thierwelt birgt. Das V/asser des
Flusses ist jedoch salzig und schlecht und verursacht Uebelkeiten und Durchfall. Die Stadt
2*
12
Süd-Amerika.
Villa Miranda selbst ist ein kleines ungesundes Nest. Die Häuschen liegen zerstreut. Von
Strassen kann man kaum sprechen. Ausser einigen Italienern und Brasilianern sind die 5oo
bis 600 Einwohnern Neger und Indianer. Das Leben ist sehr theuer. Allein für Wasser, das,
da das Wasser des Rio ungeniessbar ist, von Frauen der Terenos aus der Nachbarschaft heran-
geführt werden muss, zahlte der Reisende täglich 5oo Reis. Anfang December beginnt die
Regenzeit, dann tritt der Rio weit über seine Ufer und überschwemmt die Umgegend des
Städtchens. Dann herrschen hier Fieber, Blutdiarrhöe und andere Krankheiten, und selbst die
Eingeborenen leiden schrecklich darunter.
Im Westen von Miranda hat der Stamm der Terenos seine Wohnsitze. Ursprünglich
Chaco Indianer, wanderten sie vor 68 Jahren aus den bolivianischen Chaco in die Gegend
von Miranda ein. Nach der Angabe des Reisenden ähneln sie sehr den Lenguas, einem Jagd
und Fischfang treibenden Stamm, der die zahlreiche durch schmale Kanäle getrennten Inseln
des Paraguay hinter Villa Conception auf der Gran-Chacoseite bewohnt. Die Männer sind
schlank und gross und dabei muskulös. Die Weiber mittelgross, ebenfalls kräftig, viele
korpulent. Die meisten, wenigstens die der älteren Generation angehörigen, ziehen sich
Augenwimpern und Barthaare aus. Junge Mädchen und Frauen bemalen sich die Gesichter
mit schwarzer Farbe. Die Männer schmücken sich in dieser Weise nur bei Festlichkeiten.
Als Kleidungsstück tragen beide Geschlechter den Chiripä, ein viereckiges Stück Baumwollen-
zeug, das um die Lenden gewickelt wird. Ihre Häuser sind aus Bambusrohr gebaut und mit
Palmblättern oder Stroh gedeckt. Jedes einzelne dient einer grösseren Zahl von Familien, oft
10—12, als gemeinschaftliche Behausung. Die innere Einrichtung ist bei allen die gleiche.
I11 ein bis zwei Reihen, wie in einem Krankenhause, sind die Betten aufgestellt, die aus einem
mit Palmfaserstricken überspannten und mit Thierfellen bedeckten Holzrahmen bestehen und
sehr gross sind, da jedes für eine ganze Familie, Mann, zwei Frauen und die junge Generation,
Raum zum Schlafen bieten muss. In der Nähe des Betts hat die Familie ihr Eigenthum in
grossen Netzen und Taschen entweder an einen Hüttenpfosten oder an einem besonderen, an
einem Ende des Betts aufgepflanzten Pfahl aufgehängt. Thongeschirr, Kalebassen in allen
möglichen Grössen und Formen, einige Webrahmen, und Waffen vollenden die Ausstattung.
— Die Terenos pflanzen Baumwolle, Mais und Mandioca und bringen das Mehl der letzteren
nach Miranda auf den Markt. Sie fertigen sehr dauerhafte und geschmackvolle Webestoffe,
meist weiss mit blauem oder rothem Muster. Eine Pflanze, die sie uito nennen, liefert
ihnen einen Farbstoff, mit dem sie das Garn blau färben. Und in Miranda kaufen sie rothen
Flanell, den sie zu Charpie zerzupfen und dann wieder spinnen; so erhalten sie rothe Wolle,
die sie bei ihren Webereien verwenden. Sehr beliebt sind rothweisse Taschen mit blauweisser
Perlenstickerei. Eine solche Tasche ist meistens das erste Geschenk, das die Braut dem
Bräutigam macht. Auch in der Anfertigung von Thonwaaren sind die Terenos sehr geschickt.
Sie werden ganz aus freier Hand, ohne Anwendung der Drehscheibe, gefertigt, indem der
Töpfer einen Ballen Thon zu einer langgestreckten Walze ausrollt, und daraus eineu Ring
formt, und in dieser Weise immer Ring auf Ring legt, durch Drücken und Glätten mit den
Händen dem Gefässe die gewünschte Form gebend. Darauf wird mit einer Schnur in die
noch weiche Masse das Muster eingedrückt, und die Gefässe dann zunächst in der Sonne
getrocknet und darauf in offenem Holzfeuer gebrannt. Auf dem noch glühendheissen Geschirr
werden dann mit Palosanto-Harz diejenigen Stellen des eingedrückten Musters, welche schwarze
Farbe erhalten sollen, ausgemalt. Später, wenn das Geschirr kalt ist, wird die Zeichnung mit
rother und weisser Farbe vollendet. Ein thoniger Rotheisenstein und weisser Thon liefern das
Material für diese Farben. Sie fertigen solche Thongefässe in allen möglichen Formen und
Süd-Amerika.
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Grössen, Flaschen, Krüge, tiefe und flache Schalen. Die Muster sind nicht ohne Geschmack,
Zickzack- und Bogenlinien, blattförmige und geschwungene Zeichnungen. Meist wechseln
schwarze, von schmalen weissen Linien eingefasste Streifen mit rothen ab. Die Töpferei
betreiben beide Geschlechter, doch fällt das Eindrücken der Muster, wie das Ausmalen der-
selben, den Frauen zu. Korb- und Flutflechterei besorgen die Männer. Die Körbe werden
meistens aus gespaltenen Bambus gearbeitet, während das Material für Piüte von den
getrockneten Blättern einer Fächerpalme gewonnen wird.
Eine zweite, zu den Chaco-Indianern gehörige Horde, welche der Reisende in diesem
südlichen Theile von Matto Grosso kennen lernte, sind die Cadioéos, wegen ihrer beständigen
Fehden mit anderen Stämmen gefürchtete, kriegerische Leute, aber dem Trünke ergeben,
ausschweifend und lasterhaft. Der Reisende sah ein Wanderlager derselben in der Nähe von
Corumbá und besuchte sie in ihrem Standquartier in der Nähe des jetzt verlassenen Forto
Olimpo am Paraguay. Abgesehen von ihren wilden, unsteten, kriegerischen Gewohnheiten,
ähneln sie den vorher beschriebenen Terenos, denen sie auch offenbar verwandt sind. Das
einzige Kleidungsstück ist auch bei ihnen der Chiripá, daneben aber verwenden sie, wie
übrigens auch schon Castelnau hervorhob, der sie in Albuquerque beobachtete, grosse Sorg-
falt und Geduld auf die Ausschmückung ihres Körpers, den sie mit den zierlichsten Arabesken
bemalen, gemeiniglich an den beiden Hälften des Körpers verschieden. Jedes hervorspriessende
Härchen im Gesicht wird mit einer kleinen Zange ausgezupft, Beide Arme und Hals um-
winden sie mit Perlenschnüren. Den Kopf schmücken sie mit Federn und Perlen. Die oberen
Vorderzähne werden spitz gefeilt. Sie sind, wie die Terenos, gute Töpfer. Ihre Geschirre
ähneln im Allgemeinen denen der Terenos, doch sind die Muster mannigfaltiger und zierlicher.
Besonders eigenthümlich sind grosse zum Aufbewahren von Schmucksachen dienende Schalen
aus Thon, welche innen ein Muster aus rothen gewundenen Linien zeigen, aussen dagegen
mit rothem Flanell überzogen sind, auf welchem mit blauen nnd weissen Perlen Stickereien
angebracht sind. Perlstickerei ist überhaupt die Lieblingsbeschäftigung der Weiber. Eigene
Webereien hat der Reisende bei ihnen nicht gesehen.
Von Corumbá aus ging der Reisende weiter in Canoes den Paraguay aufwärts, um ein
Don der Bororó’s zu besuchen, das sich am rechten Ufer des Paraguay, 8 Leguas von der
Ranchería Descalvado nach Norden an der Lagoa grande, einem grossen mit Pflanzen
bewachsenen Sumpfe, befindet. Die Bororó’s sind Camp- und Waldindianer und scheuen die
Nähe der Flüsse. Es sind grosse, kräftig gebaute Gestalten von schwarzbrauner Farbe und
langem groben schwarzem Haar. Als einziges Bekleidungsstück tragen die Männer ein
Futteral aus Schill um den Penis, die Vorhaut wird ausserdem mit einer Schnur zusammen-
gebunden und das Glied aufrecht am Körper befestigt, fIn der durchbohrten Unterlippe tragen
sie einen Knochen. Die Weiber ziehen einen schmalen Streifen Cactusbast zwischen den
Beinen hindurch. Als Festschmuck tragen sie Kronen aus Jaguarkrallen und Jaguarzähnen
und Federn des blauen Arara, die aufrecht am Hinterkopf befestigt werden, und Halsketten
aus Zähnen und Perlen. Eigenthümlich ist ein Ring aus Schnüren von Frauenhaar, den sie
bei der Jagd, gewissermaassen als Polster für die über den Kopf gehaltenen Pfeile, auf dem
Kopfe tragen. Sie fertigen vorzügliche Waffen: 8' lange Bogen aus dem Holz der Carandá-
Palme, mit cipo negro Bast umwunden, mit Sehnen aus caravatá gedreht, und Pfeile, 6—7'
lang, aus einer bestimmten Art Rohr mit breiten zugeschärften Spitzen aus Bambusrohr oder
mit Knochenspitzen. Ihre Hauptbeschäftigung ist die Jagd, sie schiessen den Jaguar mit den
langen Pfeilen mit Bambusspitze, und nicht wenige zeigten schreckliche Narben, die sie im
Nahkampf mit Tigern erhalten.
i4
Bororos.
In der Nähe von Descalvados besuchte der Reisende noch ein Gräberfeld, wo er zahl-
reiche Urnen, halb im Erdreich vergraben, vorfand. Leider waren die meisten zertrümmert
oder durch das Wurzelwerk des alles überwuchernden Dickichts zersprengt. Doch gelang es
ihm, neben kleineren, eine nahezu i m hohe und 80 cm Durchmesser haltende tonnenförmige
Urne herauszugraben und unverletzt nach Berlin zu bringen.
Auf der Rückkehr den Fluss abwärts, besuchte der Reisende schliesslich noch die
Guatö’s, Canoe-Indianer, die in der Gegend der Laguna de la Cayba bis zum Einfluss des
San Lourengo in den Paraguay, leben, in der trockenen Jahreszeit auf dem Wasser der Jagd
auf Wassergeflügel, Carpinchos und Krokodile nachgehn, in der Regenzeit auf die benach-
barten Campos ziehen, wo ihnen die die Campos bevölkernden Hirsche reichlich Nahrung
gewähren. Auch von diesen Indianern hat der Reisende sehr interessante Gegenstände zurück-
gebracht: Bogen und Pfeile, ähnlich denen der Bororö’s, aber weniger sorgfältig gearbeitet,
über 3 m lange Tigerlanzen mit Knochenspitze; Mosquiteros, aus zwei dichtgewebten und an
drei Seiten zusammengenähten Decken bestehend, die, mit der offenen Seite unten den Boden
berührend, an Bäumen befestigt werden und ihnen als Schlafstätte und, während der trockenen
Monate, als einziger Schutz gegen Unwetter dienen. — Aus dem Gebiet der Guatö trat der
Reisende über Asuncion und Buenos-Aires den Rückweg nach Europa an.
Nachfolgend die von dem Reisenden selbst über die beiden letztgenannten Stämme
aufgestellten Notizen.
Ungefähr acht Leguas im Norden von Descolvados, an der Lagoa-Grande, die, neben-
bei gesagt, ein Sumpf voller Pflanzen ist, liegt ein Aldea der Bororos.
Die Bororos sind Waldindianer, die das Wasser nicht zu lieben scheinen, denn sonst
würden sie sich an dem nahen Rio Paraguay ansiedeln, dessen Ufer weit reicher an Jagd-
thieren sind, als die wasserarmen Campos und Wälder des Innern. In Folge der Wasser-
scheu starren die sonst nicht hässlichen Menschen voller Schmutz. Die Hütten liegen zer-
streut auf einer Anhöhe und bestehen aus geflochtenen Palmblättern, wie Zeichnung zeigt.
Bei schönem Wetter ist der Rancho vollständig offen, bei Regenwetter schliessen sie
denselben mit Palmenmatten.
Jeder Rancho hat eine erhöhte Lagerstelle, die mit Matten und Thierfellen bedeckt ist.
Die Bororos sind grosse kräftige schöngebaute Leute von schwarzbrauner Farbe, die Weiber
sind verhältnissmässig klein, jedoch ebenfalls kräftig, der Haarwuchs am Körper ist bei beiden
Geschlechtern sehr spärlich, das Kopfhaar lang, grob und schwarz.
In einem jammervollen Zustande fand ich die Kinder, sie essen alle Erde und haben in
Folge dessen unförmlich dicke Bäuche, die den fast abgemagerten Körper entstellen.
Bei keinem anderen Indianerstamme habe ich primitivere Bekleidungsstücke gefunden
wie bei den Bororos. Die Männer gehen vollständig nackend, nur den Penis bekleiden sie
mit einem Futteral aus Schilf, die Vorhaut binden sie zusammen, das Glied ist aufrecht am
Körper befestigt; die Unterlippe durchbohren sie und stecken einen Knochen durch (anbei
Zeichnung).
Die Weiber gehen ebenfalls nackend, das einzige Bekleidungsstück ist ein schmaler
Streifen Kaktusrinde, der nur den geringsten Theil der Schamtheile verhüllt.
Guatos.
15
Hoch interessant ist der beliebte Fararutanz.
Zu diesem Tanz putzen sich die Leute mit Federkronen, Schellen und andern Zierrathen.
Ein Vortänzer, grotesk aufgeputzt, in jeder Hand Klappern aus Kürbis, an den Füssen Schellen
aus Hirschhufen, befindet sich in der Mitte. Die Männer bilden einen Kreis um denselben, die
Weiber einen grösseren, der die Männer umschliesst.
Nun singt die ganze Bande ein monotones Lied, wozu sie taktmässig springen und mit
den Klappern den Rythmus schlagen.
Nachdem sie in dieser Weise eine Weile getanzt haben, brüllt der Vortänzer hau! und
macht einen wilden Sprung, die ganze Gesellschaft ahmt dasselbe nach und der Tanz ist zu
Ende. Ich habe den Fararu 4—5 Stunden tanzen sehen, bis die Leute so ermattet waren, dass
sie nicht mehr konnten. Caxas ist sehr beliebt, und jemehr sie davon getrunken hatten, desto
wilder wurde obengenannter Tanz ausgeführt. Die besten Tauschartikel sind: Caxas, kleine
Perlen und grosse Messer. Ohne Caxas kann man wenig bekommen, sobald sie betrunken
sind, vertauschen sie Alles, was sie besitzen. Ueber Religion habe ich nichts erfahren können,
da nur einige Leute sehr mangelhaft spanisch sprechen. Stirbt Jemand, so singen die Weiber
einen Trauergesang und die verwandten Frauen des Gestorbenen zerschneiden sich die Brust
mit scharfen Steinen. Ich sah bei den meisten Frauen die Brust voller Narben (aus solchen
Schnitten). So weit ich bemerkt habe, standen die Männer unter dem Pantoffel der Weiber,
ich sah unter anderem ein betrunkenes Weib, die ihren Mann schlug, während der Mann
nicht wagte, die Hand zu erheben.
Mit der Ehre scheinen die Weiber es nicht so genau zu nehmen, denn es wurden mir,
wie meinen Leuten häufig Liebesanträge gemacht. Die Hauptbeschäftigung der Männer ist
die Jagd und sind die Bororos sehr kühne Tigerjäger. Ich sah viele Männer mit schreck-
lichen Narben, die von einem Kampf auf Leben und Tod mit genannten Bestien zeugten.
Wie gross die ganze Nation der Bororos ist habe ich nicht erfahren können. Bei
St. Mathias b. Bolivien ist ein zweites Dorf, jedenfalls bewohnen sehr verwandte Stämme den
Nord-Osten Boliviens, denn Waffen, die ich aus St. Anna sah, waren genau so gearbeitet,
wie die der Bororos.
J)as Hauptterritorium der Guatos erstreckt sich vom La Caiba bis zum Einfluss des
Rio Sao Louren^o in den Rio Paraguay, jedoch findet man 10—15 Leguas oberhalb wie unter-
halb genannter Plätze häufig Banden, die fischen und jagen. Die Guatos unterscheiden sich
äusserlich wenig von den Bororos, sie sind kräftig gebaut, von hellerer Hautfarbe wie
die Bororos.
Die Männer haben spärlichen Bartwuchs und kennen die Sitte des Bartausrupfens nicht,
dagegen feilen sich beide Geschlechter die Oberzähne spitz. Die Weiber sind meistens
schwächlich und habe ich bei den meisten trotz des Schmutzes eine krankhafte Gesichtsfarbe
erkennen können, die von dem mehr rothbraunen Körper unvortheilhaft absticht. Der elende
Zustand der Weiber kommt jedenfalls daher, dass sie schon als Kinder Unzucht treiben. Es
herrscht nämlich die Sitte, Mädchen von 5 8 Jahren zu heirathen, oder richtiger gesagt von
den Eltern zu kaufen. Ich sah in jedem Lagerplatz kleine Mädchen benutzen und als ich
einen Indianer, dessen acht bis neunjährige Frau sehr elend aussah, fragte, wie es möglich
sei, mit einem solchen Kinde Unzucht zu treiben, antwortete er: „Ich thue dergleichen nicht,
sie schläft nur bei mir, weil sie mein Eigenthum ist und ich werde sie erst dann als Frau
benutzen, wenn sie doppelt so gross sein wird. Der Kerl sprach aber nicht die Wahrheit,
16
Vorläufiges Verzeichniss einer taoistischen Bildersammlung.
denn ich habe denselben, als er betrunken war, die gemeinste Unzucht mit dem Kinde treiben
sehen. Die Weiber sind in Folge dessen meistens unfruchtbar, und sah ich im Allgemeinen
wenig Kinder, welche in Folge des Erdessens sehr elend aussehen. Die Guatos bauen in
den acht trockenen Monaten keine Hütten; einen schattigen Platz im Walde, ohne Unterholz,
in der Nähe des Ufers, wählen sie als Lagerplatz, Matten aus Palmenblätter und Thierfelle
bilden ihr Lager, bei Regenwetter stellen sie einige Matten schräg auf, kriechen unter ihre
Mosquiteros und warten das Unwetter ab.
Die Hauptbeschäftigung der Männer ist die Jagd, früh Morgens sieht man sie in langen
Canoes dicht am Ufer hinfahren um Enten, Carpinchos und Jacare's zu schiessen, letztere,
wie Fische, welche sie auch mit Pfeilen schiessen, bilden die Hauptnahrung. Die Guatos sind
ausgezeichnete Tigerjäger, sie stellen die Tiger mit Hunden und tödten dieselben, indem sie
ihnen ihre lange, mit Knochenspitze versehene Lanze in den Leib rennen. Die Lanzen mit
Knochenspitzen findet man schon sehr selten, da eiserne Lanzenspitzen ein Haupttauschartikel
für Felle sind; ich habe bei den Guatos wenig Schmuck gefunden, jedoch sind die Weiber
sehr für Perlenschnüre eingenommen. Als ich sie nach ihren Festen fragte, sagten sie mir,
sie hätten keine, sie tanzten und sängen wenn sie Caxas hätten; genanntes Getränk lieben sie
über alles und kann man ohne dasselbe kein Tauschgeschäft mit ihnen machen. Gewöhnlich
trinken sie so lange, bis sie liegen bleiben; sobald sie betrunken sind, fangen sie an sich zu
raufen und zu schlagen, während die Weiber ein infernalisches Geheul dazu anstimmen.
Im November fängt die Regenzeit an, der Fluss steigt und überschwemmt die Ufer,
dann ziehen die Guatos nach den höher gelegenen Campos, die zwischen La Caiba und Säo
Coracao liegen.
Dort bauen sie Ranchos aus Palmenblättern und bleiben bis Anfang März. In der
Regenzeit arbeiten sie die meisten Sachen, welche sie für die Jagdzeit gebrauchen; Noth
leiden sie in der Regenzeit nicht, denn genannte Campos sind von unzähligen Hirschen
bevölkert.
Auf der Jagd und in den Lagerplätzen tragen die Männer nur einen Chiripa aus Baum-
wollenzeug, die Weiber nur einen Rock, während der Oberkörper nicht bekleidet ist, die
Kinder gehen vollständig nackend. Die Guatos leben in kleinen Banden, die grösste die ich
jemals antraf, bestand nur aus circa 40 Personen.
Vorläufiges Verzeichnis einer taoistischen Bildersammlung.
Die Ethnologische Abtheilung der Königlichen Museen verdankt der Güte des Kaiserlich
Deutschen Gesandten in Peking, Herrn von Brandt, eine Sammlung von 1011 Bildern, welche
als taoistisch bezeichnet sind. Das sämmtlichen Bildern unverändert zu Grunde liegende
Schema ist ein in Contouren ausgeführter, offenbar conventioneller Typus, wobei jedoch
durch verschiedenartige, meist höchst bizarre Uebermalung des Gesichtes, sowie durch ver-
schiedene Farbe des Gewandes so grosse Mannigfaltigkeit erzielt worden ist, dass auch nicht
zwei unter den mehr als tausend Bildern sich völlig decken. Die Bilder tragen, mit Aus-
nahme eines einzigen, ausser dem jedesmaligen Namen des dargestellten Typus, noch Ueber-
schriften, die mehreren gemeinsam sind und nach welchen ich die Sammlung in gesonderte
Gruppen eingetheilt habe. Es steht zu hoffen, dass die Bedeutung jener Namen und Ueber-
Vorläufiges Verzeichniss einer taoistischen Bildersammlung.
17
Schriften, welche sich bisher nur in vereinzelten Fällen ermitteln liess, durch eine von Herrn
von Brandt in Aussicht gestellte Sendung taoistischer Werke in ausgedehnterem Maasse
Erklärung finden werde. Zunächst bin ich genöthigt, mich in dem Folgenden im Wesent-
lichen auf ein einfaches Verzeichniss zu beschränken. Die links stehenden laufenden Nummern
entsprechen den Originalnummern, während die beigefügten kleinen Zahlen auf die Tafeln
verweisen, welche dem Verzeichniss folgen sollen.
Serie I.
Oben in der Mitte des Blattes steht das Zeichen seü ', langes Leben, rechts an der Seite
die Worte tsieh tsieh hao yln.2
1. P'ah ling kuän 3, die acht Lenker der Seele.
hüng fei pin4, mit rothem Schläfenhaar. Die mit fei-pin, wörtlich fliegendes
Schläfenhaar bezeichnten Köpfe zeichnen sich dadurch aus, dass der obere Thcil
des Gesichts, besonders die Wangen, mit der angegebenen Farbe übermalt sind.
3. T'ieh kuäi li5.
hoh k'ieu zen6, mit schwarzem gekräuseltem Backenbart.
Auch T'ieh kuai sien seng genannt, einer der taoistischen p'ah sien oder acht
Unsterblichen. Siehe Mayers, Chinese Readers Handbook I, 718.
4—35. Sän-sih-ri yün si7, die 3z Wolkenboten.
NNo. i5, 20, 21, 22, 28, 3o, 3i fehlen.
36—55. K'äi-c äng-tih n-sih p'än-kuän8, die zwanzig die Arena öffnenden P'än-kuän.
Die P'än-kuän sind unterweltliche Richter über Leben und Tod, siehe
W. Williams, Syll. Dict. s. v.
N0. 48 fehlt. Die NNo. 36, 3y, 38, 39, 45, 5o, 54, 55 sind doppelt vertreten,
doch sind die Glieder dieser im Uebrigen identischen Paare durch die Farbe des
Gewandes unterschieden.
56. Fi-tsäng p'ü-sah9, Ti-tsäng Bodhisattva.
hoh k'ieu zen k'ieu meil0, mit schwarzem gekräuseltem Backenbart und gekräuselten
Augenbrauen. Vgl. W. Williams, Syll. Dict.: Ti-tsäng wäng, a Buddha who
saves souls.
56. Derselbe, von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes unterschieden.
58—97. S’i-sih p'än-kuän11, die 40 P'än-kuän (cfr. N0. 36).
hüng fei pin4, mit rothem Schläfenhaar.
NNo. 59—68, 80—87, 93—97 fehlen. NNo. 69—73 tragen die Angabe: luh
fei pin, mit grünem Schläfenhaar, NNo. 74—79: hoh fei pin, mit schwarzem
Schläfenhaar, NNo. 88 und 89: tsah wei fei pin, mit verschiedenfarbigem (?)
Schläfenhaar, NNo. 90—92; lieu t'äng fei pin mit ? Schläfenhaar.
98—121. R'i-sih-s'f kieh-ti12, die 24 Kieh-ti (Urtheilsverkündiger?); ti bedeutet urtheilen,
richten, s'i-ti ist die chinesische Uebersetzung von äryäni satyäni, W. Williams s. v.
N0. 102 trägt die Bemerkung: hoh sän zen13, mit schwarzem dreifachem (?)
Backenbart. NNo. 106—108: hoh cäng man zen14, mit schwarzem, langem, vollem
Bart, NNo. 120—121: lieu fang fei pin15, mit ? Schläfenhaar.
NNo. 98—101, io3—io5, 109—119 fehlen.
122—126. K'än-seü tsi cuh-lin ngü kieh-ti16, die den rothen Bambushain bewachenden fünf
Kieh-ti (s. N0. 98).
Vorläufiges Verzeichniss einer taoistischen Bildersammlung.
No. 122 trägt die Bemerkung: hüng fei pin4, mit rothem Schläfenhaar, No. 124:
houng fei pin17, mit gelbem Schläfenhaar, N0. 126: tsah wei fei pin18, mit ver-
schiedenfarbigem (?) Schläfenhaar, cuh-lin ist die chinesische Uebersetzung von
Venuvana, cfr. Eitel, Handbook for the Student of Chinese Buddhism. p. i65b.
NNo. 12З und 125 fehlen.
127. Tiing-fäng soh 19.
peh fei pin 20, mit weissem Schläfenhaar.
Ein Günstling und Rathgeber des Kaisers Han Wu Ti, lebte im II. Jahrh.
vor Chr. Später als Verkörperung des Planeten Venus verehrt. Das Nähere
s. bei Mayers 1. с. I, 689.
128 — 135. Süi ngü yoh pah sän tsuh 21, die den fünf heiligen Bergen (s. Mayers 1. с. II, 176)
dienenden acht Bergsoldaten (?).
144—141. Süi Hö-peh pah ho tsuh22, die dem Flussherrn dienenden acht Flusssoldaten.
Hö-peh, der Flussherr wird als Gott des Hoäng-ho verehrt. Das Nähere bei
Mayers I, 172.
NNo. 147 und i5o fehlen.
152. Öiing-yoh Siing-sän sin-kiün kiün seu yih k'iün 23, die ewige verborgene Menge (?) des
Heeres des Geisterfürsten des Cüng-yoh Siing-sän.
hoäng sän zen, mit gelbem dreifachem Bart.
6iing-yoh Siing-sän ist der mittelste und höchste der ngu yoh oder fünf
heiligen Berge, auf denen die alten Kaiser den Sang-ti verehrten. Er befindet
sich in Ho-nan-fu in der Provinz Ho-nan zwischen dem Gelben und dem Han-
Flusse. Siehe Mayers II, 176 und W. Williams p. 8З0.
153. Tiing-yoh T'ai-sän sin-kiün yuen sang lüng24.
luh sän zen 25, mit grünem dreifachem Bart.
Der östliche Berg, T'äi sän, liegt in San-tung, W. Williams pag. 1117.
Mayers, ibid.
153. Derselbe, von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes unterschieden.
154. ST-yoh Hoä-sän sin-kiün häo yoh se'u 26.
Der westliche Berg, Hoä-san, liegt in Sen-si, südlich, von Si-ngan-fu. Vergl.
W. Williams p. 1117. Mayers, ibid.
peh sän zen 27, mit weissem dreifachem Bart.
155. Nan-yoh Heng-sän sin-kiün tän ling ci2S.
hüng sän zen, mit rothem, dreifachem Bart.
Der südliche Berg Heng-sän liegt im Westen von Hu-nan. Vgl. W. Williams
p. и 17. Mayers, ibid.
156. Peh-yoh Heng-sän sin-kiün teng seng 29.
hoh sän zen, mit schwarzem dreifachem Bart.
Der nördliche Berg Heng-sän liegt im Südosten von Oi-li. Vgl. W. Williams
p. 1117. Mayers, ibid.
157. Tah-mö 30, Dharma. Eitel p. i5o, bei W. Williams p. 741.
hoh k'ieu zen k'ieu mei täi kin pi, mit schwarzem gelocktem Bart, gelockten
Brauen und vergoldeter Nase.
158- Sän tsü 3I, die drei Patriarchen.
luh k'ieu zen Eieu mei, mit grünem, gelocktem Bart und gelockten Augenbrauen.
Vorläufiges Verzeichniss einer taoistischen Bildersammlung.
19
159. Cüng-yäng p'än kuän t'eü-muh 32, das Oberhaupt der mittleren P'än-kuän (s. N0. 36).
hoiing fei pin, mit gelbem Schläfenhaar.
159. Derselbe, von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes unterschieden.
160. Tüng-fäng p'än-kuän t'eü-muh 33, Oberhaupt der östlichen P'än-kuän.
luh fei pin, mit grünem Schläfenhaar.
160. Derselbe, von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes unterschieden.
161. Si-fäng p'än-kuän t'eu muh 34, Oberhaupt der westlichen P'än-kuän.
peh fei pin, mit weissem Schläfenhaar.
161. Derselbe, von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes unterschieden.
162. Nän-fäng p'än-kuän t'eu-muh35. Oberhaupt der südlichen P'än-kuän.
hüng fei pin, mit rothem Schläfenhaar.
162. Derselbe, von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes unterschieden.
164—171. Süi yxng-häi lüng-wäng pah ye'-c'ä 36, die acht dem Drachenkönig des Oceans
untergebenen Yakshas. Cfr. Mayers I, 421.
N0. 166 fehlt.
172—179. Süi ying-häi lüng-wäng pah süi-tsuh 37, die acht dem Drachenkönige des Oceans
untergebenen Wassersoldaten.
NNo. 172, 174—176, 179 fehlen.
180. P'eng taö sän sin38, der Geist oder Gott von P'eng taö sän.
hüng fei pin, mit rothem Schläfenhaar.
P'eng taö sän wahrscheinlich für P'eng läi sän oder P'eng läi sien taö.
P'eng-läi-sän ist eine der drei im östlichen Meere gelegenen Geisterinseln sän sien
sän. Ts'in Si Hoang-ti rüstete eine Expedition aus, um diese von Genien bewohnten
Inseln aufzusuchen, cfr. Mayers I, 5 5p. W. Williams p. 866.
181. Peh-yuen 39, weisser Gibbon.
181. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
182. Foh t'ü eing40.
hüng k'eu zen k'ieu mei, mit rothem gelocktem Bart und gelockten Augenbrauen.
182 190. Süi Zü-läi Foh pah kieh-ti41, die dem Tathägata Buddha untergebenen acht
Kieh-ti (s. N0. 98).
N0. 183 fehlt.
N0. 184 trägt die Bemerkung: hüng fei pin, mit rothem Schläfenhaar,
N0. 185: luh lei pin, mit grünem Schläfenhaar, N0. 186: tsah wei fei pin, mit ver-
schiedenfarbigem (?) Schläfenhaar, N0. 187: lieu fang fei pin, mit ? Schläfen-
haar, N0. 188: peh fei pin, mit weissem Schläfenhaar, N0. 189: hoäng fei pin, mit
gelbem Schläfenhaar, N0. 190: län fei pin, mit blauem Schläfenhaar.
!9r —208- Sih-pah lö-hän42, die achtzehn Arhants. Mayers II, 3o8. N0. 2o3 fehlt.
210. P'ü-hien P'ü-sah43, Samantabhadra, Eitel, p. 116, a.
hüng k'ieu zen k'ieu mei, mit rothem gelocktem Bart und gelockten Augenbrauen.
211. Zü-läi Foh, Tathägata Buddha.
län k'ieu zen k'ieu mei, mit blauem gelocktem Bart und gelockten Augenbrauen.
211. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
216—256. Si-sih-ngü lü k'uei sing44, die 45 Lü k'uei sing.
NNo. 212—215, 217—221, 223, 225—246, 248—252, 254, 256 fehlen.
257—260. K'än län k'iäo si kuei tsuh45, die vier die goldne Brücke bewachenden Geisterhüter.
N0. 260 fehlt.
3*
20
Vorläufiges Verzeichniss einer taoistischen Bildersammlung.
261—268. Süi Yin t'ien kiün pah ci ts'üng46, die acht dem Yln t'ien kiün untergebenen an-
betenden Begleiter.
NNo. 261, 262, 264, 267 sind doppelt, jedoch mit verschiedener Farbe des
Gewandes vertreten.
269. Yln t'ien kiün.
270. Cih sän sin tsiäng47, Anführer der Schirm haltenden Geister.
270. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
271—278. Süi Yuen-t'än pah sin tsiäng48, die dem Yuen-t'än zugehörenden acht Geisterführer.
NNo. 274 und 277 fehlen.
279. K'iü hü sin tsiäng49, Anführer der Tiger vertreibenden Geister.
279. Derselbe, von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes unterschieden.
280. Yuen-t'än (vgl. 271 — 278).
hoh fei pin, mit schwarzem Schläfenhaar.
281—284. Si ldn käng 50, die vier Vajra’s.
NNo. 281 und 282 fehlen. NNo. 28З und 284 sind doppelt, jedoch mit ver-
schiedener Farbe des Gewandes vertreten.
285. Kän-t'ah-p'ö 51, Gandharva, vgl. Eitel.
285. Dasselbe; unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
286. A-sieu-lö 52, Asura, vgl. Eitel.
286. Dasselbe, vom Vorigen durch die Farbe des Gewandes unterschieden.
287. Kiä-leu-lo 53, Garuda, vgl. Eitel.
288. Kin-nä-lö 54, Kinnara, Eitel, p. 56, b.
288. Dasselbe; von dem Vorigen durch die Farbe des Gewrandes unterschieden
289. Mö-heu-lö-kiä 55, Mahoraga, Eitel, p. 69, b.
289. Derselbe; von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes unterschieden.
290. T'ü teh sing kiün 5ß, Fürst des Sternes der Kraft der Erde.
hoäng sän zen, mit gelbem dreifachem Bart.
291. Muh teh sing kiün 57, Fürst des Sternes der Kraft des Holzes.
luh sän zen, mit grünem dreifachem Bart.
292. Kin teh sing kiün 58, Fürst des Sternes der Kraft des Metalles.
hüng sän zen, mit rothem dreifachem Bart.
293. Huö teh sing kiün 59, Fürst des Sternes der Kraft des Feuers.
peh sän zen, mit weissem dreifachem Bart.
294. Süi teh sing kiün60, Fürst des Sternes der Kraft des Wassers.
hoh sän zen, mit schwarzem dreifachem Bart.
297. Ho sang61, Upadhyäya. Eitel, p. 155, b.
298. Tsäng sin G2.
298. Derselbe; von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes unterschieden.
299--З01. Sän müng sin63, die drei Traumgötter.
N0. 299 ist doppelt, jedoch mit unterschiedener Farbe des Gewandes ver-
treten. N0. З01 fehlt.
Serie II.
In der Mitte das Zeichen tsieh. Dasselbe bedeutet ursprünglich: Knoten im Bambus-
rohr; dann aber auch: Glied, Zeitraum, regelmässiges Intervall, Periode. Rechts stehen die-
selben Worte wie bei Serie I,
Vorläufiges Verzeichniss einer taoistischen Bildersammlung.
21
No. i fehlt.
2—9. pah ts'i-seh yün-si, die acht purpurfarbenen Wolkenboten.
N0. 5 ist doppelt, jedoch mit verschiedener Farbe des Gewandes vertreten.
!o—17. pah peh-seh yün-si, die acht weissfarbigen Wolkenboten.
NNo. 3—7 sind doppelt, jedoch mit verschiedener Farbe des Gewandes
vertreten.
18—25. pah luh-seh yün-si', die acht grünfarbigen Wolkenboten.
N0. 21 fehlt. NNo. 18 und 19 sind doppelt, jedoch mit verschiedener Farbe
des Gewandes vertreten.
26. Fehlt.
27. Kioh muh kiäo64, Holzdrachen des Gestirnes Kioh.
heh c'ang màn zèn 14, mit schwarzem langem vollem Bart.
Kioh, Horn, ist die erste der 28 Mondstationen.
Mayers II, 3i3. Kiäo bedeutet nach W. Williams: a dragon of morasts and
thickets, which has scales but no horn.
28. K'äng kin läng 65, Metalldrachen des Gestirnes K'äng.
hüng fei zen, mit rothem Barte.
K'äng, Hals, zweite Mondstation.
29. Tì f ù hoh 66, Erdendachs des Gestirnes Ti.
hoäng fei pin l7, mit gelbem Schläfenhaar.
Ti, Boden, dritte Mondstation.
30. Fang zih f ù 67, Sonnenhase des Gestirnes Fang.
Fang, Stube, vierte Mondstation.
31. Sin yueh hü08, Mondfuchs des Gestirnes Sin.
Sin, Herz, die fünftr Mondstation,
aa. Wèi huò hù 69, Feuertiger des Gestirnes Wèi.
Wèi, Schwanz, die sechste Mondstation,
aa. Ki sùi päo 70, Wasserpanther des Gestirnes Kl.
KT, Sieb, siebente Mondstation.
NNo. 34—36 fehlen.
37- Hiü zih sù 71, Sonnenmaus des Gestirnes Hiü.
Hiü, Leere, elfte Mondstation.
38. Wèi yueh yen Mondschwalbe des Gestirnes Wèi.
Wèi, Gefahr, zwölfte Mondstation.
39. Sih huò cö 73, Feuerschwein des Gestirnes Sih.
Sih, Haus, i3. Mondstation.
40. Pih sùi yü 74, Wasserluchs des Gestirnes Pih.
Pih, Wall, 14. Mondstation.
yü ist nach einem im K'ang-hi ts'i-tien S. v. enthaltenem Gitat aus dem R'i-ya
eine Art menschenfressender eü-hü, ein luchsähnliches Raubthier.
41. K'uci muh läng75, Holzwolf des Gestirnes K'uei.
K'uèi, mit gespreizten Beinen, i5. Mondstation.
42. Leu kin keù 76, Metallhund des Gestirnes Leu.
Leu, Tumulus, 16. Mondstation.
43. Wéi t'ü ei77, Erdfasan des Gestirnes Wéi.
Wéi, Bauch, 17. Mondstation.
22
Vorläufiges Verzeichnis einer taoistischen Bildersammlung.
44—5o. Fehlen.
5i. Sing zih mä 7S, Sonnenpferd des Gestirnes Sing.
Sing, Stern, 25. Mondstation.
5a. Cäng yueh luh 79, Mondhirsch des Gestirnes Cäng.
Gang, Bogen spannen, 26. Mondstation.
53. Yih hu6 se 80, Feuerschlange des Gestirnes Yih.
Yih, Flügel, 27. Mondstation.
54. Cin süi yin 81, Wasserregen wurm des Gestirnes Cin.
Cin, Querstange am Wagen, 28. Mondstation.
NNo. 55 und 56 fehlen.
57. Ming sü füng-sin 82, die Windgeister des Lichtes.
58- 1 s Ing ming 83 füng sin, Gott des reinen lichten Windes.
5p. Hiün king 81 füng sin, Gott des duftenden heiteren Windes.
60. Wei liang 85 fting sin, Gott des leichten kühlen Windes.
61. Cäng-hoh86 filng sin, Gott des westlichen Windes.
C'äng-hoh ist die Bezeichnung für ein Flimmelsthor, welches von dem Kriegs-
gotte Kuan-ti bewacht wird. Ccäng-hoh-fung ist ein poetischer Ausdruck für den
westlichen Wind als kühle Abendbrise; derselbe soll von dem Thore des Paradieses
wehen. Siehe W. Williams p. 26.
N0. 62 fehlt.
63. Kuang moh 87 hing sin, Gott des Windes von der weiten Sandwüste.
64—67. Süi t.scIn hü kiün st hü tsuh 88, die dem Fürsten des schwarzen Sees dienenden vier
Seesoldaten.
NNo. 64 und 67 fehlen. N0. 66 ist doppelt, jedoch mit verschiedener Farbe
des Gewandes vertreten.
68—85. Süi Täi-yih tcien tsün sih-pah Cien-tsiäng 89, die dem Täi-yih, dem himmlischen Ehr-
würdigen, dienenden achtzehn himmlischen Heerführer.
N0. 71: län tiao tah zen 90, mit blauem, hängendem, glattgestrichenem Barte.
NNo. 72 und 73: hoh c'äng man zen, mit schwarzem, langem, vollem Barte.
NNo. 74 und 75: peh ccäng man zen, mit weissem, langem, vollem Barte.
NNo. 76 und 77: tsah wei tiao tanzen, mit verschiedenfarbigem (?), hängendem,
glattgestrichenem Barte.
NNo. 78 und 79: hoäng tiao tah zen, mit gelbem, hängendem, glatt-
gestrichenem Barte.
NNo. 80 und 81: tscäng c äng man zen, mit azurfarbenem, langem, vollem
Barte.
N0. 82: luh fei pin, mit grünem Schläfenhaar.
N0. 85: lieu tcäng fei pin, mit ? Schläfenhaar.
NNo. 68—70 und 83—84 fehlen.
NNo. 86—90 fehlen.
91 110. Süi ngü tsü ri-sih hu-ts'üng 91, die den fünf Ahnen dienenden zwanzig Leibwächter.
NNo. 91—94, io5, 106, 109, 110 fehlen,
jii. Gäo Tai-tsü 92.
hoh c'äng man zen, mit schwarzem, langem, vollem Barte.
öäo ist der Name eines alten Feudalstaates im Süden von Ci-li und
San-si.
Vorläufiges Verzeichniss einer taoistischen Bildersammlung.
23
112. P’i-pc o-sT Foh93, Vipagyi. Eitel, p. 169a.
län kcieu zen k'ieu mei, mit blauem gekräuselten Barte und gekräuselten Brauen.
112. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
113. Sl-kci Foh94, Qikhin. Eitel, p. 127 a.
län kcieu zen k'ieu mei, mit blauem gekräuselten Barte und gekräuselten Brauen.
113. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
114. P'T-se-feu Foh, Vi^vabhü. Eitel, p. 170 b.
län kcieu zen kcieu mei, mit blauem gekräuselten Barte und gekräuselten Brauen.
114. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
115. Kiü-lieu-sün Foh.96
län kdeu zen ldieu mei, mit blauem gekräuselten Barte und gekräuselten Brauen.
115. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
116. Kiü-nä-hän-meu-ni Foh97, Kanakamuni. Eitel, p. 5ob.
län kcieu zen kcieu mei, mit blauem gekräuselten Barte und gekräuselten Brauen.
116. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
117. Kiä-yeh Foh, Kä^yapa 9S. Eitel, p. 53 b.
län kcieu zen kcieu mei, mit blauem gekräuselten Barte und gekräuselten Brauen.
118—121. Si lilng wäng 98, die vier Drachenkönige. Mayers I, 451.
N0. 118: hüng fei pin, mit rothem Schläfenhaar.
N0. 119: hoäng fei pin, mit gelbem Schläfenhaar.
N0. 120: hoh fei pin, mit schwarzem Schläfenhaar.
N0. 121: tsah wei fei pin, mit verschiedenfarbigem Schläfenhaar.
122—125. SCii Yü-tcö-li kuoh wäng si siäo fän ", die dem Könige des Staates Yü-tcö-li unter-
gebenen vier kleinen Stämme.
NNo. 122—124 sind doppelt, jedoch mit verschiedener Farbe des Gewandes
vertreten.
126. \ ü-fö-li kuoh wäng, König des Staates Yü-tcü-li.
I27 I^°* Süi Yü-bö-li kuoh si-ccTn si siäo fän, die dem Gesandten des Staates
Yü-tcö-li
untergebenen vier kleinen Stämme.
NNo. 128—i3o sind doppelt, jedoch mit verschiedener Farbe des Gewandes
vertreten.
131. Yü-tcö li kuoh si-ccTn, der Gesandte des Staates Yü-tcö-li.
hoh tiäo tah zen, mit schwarzem, hängendem, glattgestrichenem Barte.
132. Mö-kö-li-tceu 10°.
13a. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
133—134. R'i kiäo tsing 101, die zwei Drachengeister. Vgl. Mayers I, 451.
135. Kiäo-ztn 102, „Haimensch11, a mermaid, said to weep pearls. W. Williams, p. 368.
135. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
N0. 136 fehlt.
137.-140. Si hiä ping 103, die vier Garnelenheere.
N0. 13g fehlt.
NNo. 141—144 fehlen.
145—152. Pah lei küng l04, die acht Donnerfürsten. Mayers I, 225.
N0. 147 fehlt.
l53. Fsäo-fu ,05, der Rosselenker des Königs Muh-wäng von Öen. Mayers I, 737.
luh ccäng man zen, mit grünem, vollem, langem Barte.
24
Vorläufiges Verzeichniss einer taoistischen Bildersammlung.
154. Sien muh 10G.
155. Tden-si, Himmelsmeister.
156. Pah fang cii pcän :107, der zinnoberrothe Richter der acht Gegenden.
hüng fei pin, mit rothem Schläfenhaar.
15j. Hü-tsing 10S, Tigergeist.
N0. 158 fehlt.
159. Se tsing, Schlangengeist.
N0. 160 fehlt.
161. Hieh-ts'i tsing 109, Scorpiongeist.
NNo. 162—164 fehlen.
165—168. Lü-sän s'i sän sin 110, die vier Berggeister des Lü-sän.
hüng fei pin, mit rothem Schläfenhaar.
Auf dem Lti-sän in Kiang-si befindet sich ein Tempel der taoistischen Brüder-
schaft der Weissen Lilie (II. Jahrh. n. Chr.). Mayers I, 408.
NNo. 165 u. 166 fehlen.
NNo. 167 u. 168 sind doppelt, jedoch mit verschiedener Farbe des Gewandes
vertreten.
16g—172. Lü-sän sin cü s'i sien s'i, die vier Geisterboten des Oberhauptes der Geister des
Lü-sän.
N0. 169 fehlt.
173. Lü-sän sin cü, Oberhaupt der Geister des Lü-sän.
lieu tcäng fei pin, mit ? Schläfenhaar.
174—178. Ngü lei küng, die fünf Donnerfürsten. Vgl. NNo. 145—152.
179. Yueh-hia läo zin 1U, der alte Mann im (oder unter dem) Monde.
peh tiäo tah zen, mit weissem, hängendem, glattgestrichenem Barte.
Eine Gottheit, welche Ehen vermittelt. Mayers I, 260, W. Williams,
pag. 1 i3o.
180. Wü-käng m.
peh Yang man zen, mit weissem, langem, vollem Barte.
181 —184. Cung-ling si-sän s'i sän-sin 113, die vier Berggeister des Cung-ling si-sän.
hüng fei pin, mit rothem Schläfenhaar.
NNo. 183 u. 184 fehlen.
185. Ngü lLuei sing n4, der Stern Ngü kcuei sing.
NNo. 186—196 fehlen.
197—200. Süi Sän-Han 115 kuoh wäng s'i siäo fän, die vier kleinen, dem Könige des Staates
Sän Hän untergebenen Stämme. Mayers II, 19.
201. Sän-Han kuoh wang, der König des Staates Sän Hän.
202—2o5. Süi Suh-sin 116 kuoh wang s'i siäo fän, die dem Könige des Staates Suh-sin unter-
gebenen vier kleinen Stämme.
Suh-sin ist eine ältere Bezeichnung für Niü-cih.
206. Suh-sin kuoh wäng, der König des Staates Suh-sin.
luh Yang man zen, mit grünem, langem, vollem Barte.
207—210. Süi Ye-läng 117 kuoh wäng s'i siäo fän, die dem Könige des Staates Ye-läng unter-
gebenen vier kleinen Stämme. Mayers I, 908.
Vgl. auch Si'-ki lib. CXVI.
NNo. 207 u. 208 fehlen.
Vorläufiges Verzeichniss einer taoistischen Bildersammlung.
25
211. Ye-lang kuoh wäng, König des Staates Ye-läng.
hoh e'äng man zen, mit schwarzem, langem, vollem Barte.
NNo. 212—215 fehlen.
216. Kciüng-tü 118 kuoh wang, König des Staates Kdüng-tu.
lan cTing man zen, mit blauem, langem, vollem Barte.
217—220. Süi Tän-tän 119 kuoh wang s'i siao fän, die dem Könige des Staates Tän-tän unter
gebenen kleinen Stämme. Vgl. Stan. Julien, Hist, de la vie de Hiouen-Thsang, p. 451.
221. Tän-tän kuoh wang, König des Staates Tän-tän.
ts'i ccäng man zen, mit purpurnem, langem, vollem Barte.
222—225. Süi S'i-tcü120 kuoh wang s'i siao fän, die dem Könige des Staates S‘i-tcü unter
gebenen vier kleinen Stämme.
226. Si'-tcü kuoh wang, König des Staates Si'-bü.
yin hung ccäng man zen, mit silbernem und rothem. langem, vollem Barte.
226. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
227—230. Süi Puh-ni121 kuoh wang s'i siao fän, die dem Könige des Staates Puh-ni unter-
gebenen vier kleinen Stämme.
231. Puh-ni kuoh wang, König des Staates Puh-ni.
hoang Yang man zen, mit gelbem, langem, vollem Barte.
231. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
232 — 235. Süi Tö-mi 122 kuoh wang s'i siao fän, die dem Könige des Staates Tö-mi unter
gebenen vier kleinen Stämme.
236. Tö-mi kuoh wang, König des Staates Tö-mi.
kin hoang ccang man zen, mit goldenem und gelbem, langem, vollem Barte.
237—240. Süi Cce-si123 kuoh wang s'i siao fän, die dem Könige des Staates Cce-sl unter-
gebenen vier kleinen Stämme.
241. Cce-si kuoh wang, König des Staates Cce-si.
tsah wei ccäng man zen, mit verschiedenfarbigem, langem, vollem Barte.
Vgl. Stan. Julien, Hist, de la vie de Hiouen-Thsang, p. 366.
241. I nterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
NNo. 242—245 fehlen.
246. Yü-tien '-1 kuoh wäng, König des Staates Yü-tie'n (Khotan).
peh c'ang man zen, mit weissem, langem, vollem Barte.
246. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
247—25o. Süi Tüng-I l2;> kuoh wäng s'i siao fän, die dem Könige des Staates der Barbaren
des Ostens untergebenen vier kleinen Stämme.
Tüng-I gilt auch als alte Bezeichnung für Korea. W. Williams, p. 277.
NNo. 247, 249, 25o sind doppelt, jedoch mit verschiedener Farbe des Ge-
wandes vertreten.
251. Tüng-I kuoh wäng, König des Staates der östlichen Barbaren.
län ccäng man zen, mit blauem, langem, vollem Barte.
25i. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
252—255. Süi Si-Züng 126 kuoh wäng s'i siao fän, die dem Könige des Staates der westlichen
Barbaren untergebenen vier kleinen Stämme.
NNo. 253, 254, 255 sind doppelt, jedoch mit verschiedener Farbe des Gewandes
vertreten.
256. Si-Züng kuoh wäng, König des Staates der westlichen Barbaren.
4
Vorläufiges Verzeichniss einer taoistischen Bildersammlung.
2Ö •
peh ocatig man zen, mit weissem, langem, vollem Barte.
257—260. Süi Nan-Man 127 kuoh wäng s'i siäo fän, die dem Könige des Staates der südlichen
Barbaren untergebenen vier kleinen Stämme.
N0. 257 ist doppelt, jedoch mit verschiedener Farbe des Gewandes vertreten.
NNo. 259 u. 260 fehlen.
261. Nan-Man kuoh wang, König des Staates der südlichen Barbaren.
hüng ccäng man zen, mit rothem, langem, vollem Barte.
261. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
252—265. Süi Peh-Tih 128 kuoh wang s'i siäo fän, die dem Könige des Staates der nördlichen
Barbaren untergebenen vier kleinen Stämme.
NNo. 262, 2Ö3, 264 sind doppelt, jedoch, mit verschiedener Farbe des Gewandes
vertreten.
266. Peh-Tih kuoh wäng, König des Staates der nördlichen Barbaren.
hoh c'äng man zen, mit schwarzem, langem, vollen Barte.
266. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
267—274. Pah feng-tsuh, die acht Windsoldaten.
2-5—282. Pah siueh-tsuh, die acht Schneesoldaten.
NNo. 275, 276, 278, 279, 280, 281 sind doppelt, jedoch mit verschiedener Farbe
des Gewandes vertreten.
283. Sün-r'i l29.
län ccäng man zen, mit blauem, langem, vollem Barte.
Sun ist das fünfte der 8, resp. das 57. der 64 Diagramme und bezeichnet als
solches Wind.
283- Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
N0. 284 fehlt.
285- Tsäo- 130 kiün, Fürst des Herdes, auch Tsäo-sin oder Tsäo-wäng genannt, der Gott der
Küche und des Familienwohlstandes.
hüng ccäng man zen, mit rothem, langem, vollem Barte.
Vgl. Doolittle, Social Life of the Chinese, p. 418.
285. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
286— 287. Ri tsäng sin, die zwei Speichergeister.
hoäng fei zen, mit gelbem Barte.
288—291. Süi Cüng-kcuei 131 s'i kuei tsuh, die dem Cüng-lriuei untergebenen vier Dämonen-
soldaten.
NNo. 289, 290, 291 sind doppelt, jedoch mit verschiedener Farbe des Gewandes
vertreten.
292. Cüng-kcuei.
lieu-tcäng fei pin, mit ? Schläfenhaar.
Cüng-kcuei ist eine Gottheit, welche Macht über böse Dämonen besitzt. Er
wird meist als alter Mann, der von einer Fledermaus, als dem Symbole des
Glückes, begleitet ist, dargestellt. Mayers I, p. 90 a. W. Williams, p. 488.
N0. 293 fehlt.
294. T'än-pän 132 tä wäng, der grosse König Tcän-pän.
294. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
295. Yin-seng 133 ta wäng, der grosse König Yin-seng (Yin-seng bedeutet: silberne Pansflöte).
295. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
Vorläufiges Verzeichniss einer taoistischen Bildersammlung.
2?
296. Tcieh-tih 134 tä wang, der grosse König Tcieh-tih (Tdeh-tih bedeutet: eiserne Flöte).
297. Yüh-siäo 135 ta wang, der grosse König Yüh-siäo.
297- Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
298. Sin-tcu 13fi. Vgl. N0. 299.
hoh fei pin, mit schwarzem Schläfenhaar.
298. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
299. Yüh-lei ,37.
hüng fei pin, mit rothem Schläfenhaar.
Sin-Fü oder Tcu-yüh und Yüh-lei waren zwei Brüder, welche Macht über böse
Geister besassen. Sie versammelten alle Geister unter einem Pfirsichbaume, banden
die bösen unter denselben mit Ruthen aus Schilfrohr zusammen und warfen sie
alsdann Tigern als Beute vor. Zur Erinnerung daran herrschte die Sitte, in der
Nacht des letzten Tages im Jahre Figuren aus dem Holze des Pfirsichbaumes auf
Schilfrohr zu stecken und Tiger an die Hausthür zu malen. Mayers I, 728.
299. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
300. C'uenTing 138 ta wang, der grosse König C'uenTing.
lieu Fang fei pin, mit Schläfenhaar.
Serie III.
Rechts stehen die Worte: sing pcTng päo fah 139, kostbares Floss der Ruhe und des
Friedens (?).
I. Pah l!ng kuän, Lenker der acht Geister. Vgl. Serie I, 1.
hüng fei pin, mit rothem Schläfenhaar.
N0. 2 fehlt.
3. Kioh muh Kiäo, Holzdrache des Gestirnes Kioh. Vgl. II, 27.
3. Unterscheidet sich vom Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
4. K'ang kln lüng, Metalldrache des Gestirnes KYing. II, 28.
4- Unterscheidet sich vom Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
5. 11 tcü hoh, Erddachs des Gestirnes Ti. Vgl. II, 29.
hoang fei pin, mit gelbem Schäfenhaar.
5. Unterscheidet sich vom Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
6. Fang zih t'ü, Sonnenhase des Gestirnes Fang. Vgl. II, 3o.
6. Unterscheidet sich vom Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
7. Sin yueh hü, Mondfuchs des Gestirnes Sin. Vgl. II, 3i.
8. Wei huö hü, Feuertiger des Gestirnes Wei. Vgl. II, 32.
hoang fei pin, mit gelbem Schläfenhaar.
8. Unterscheidet sich vorn Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
9. KT süi päo, Wasserpanther des Gestirnes Kl. Vgl. II, 33.
luh fei pin, mit grünem Schläfenhaar.
r). Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
10. Teü 140 muh hiai (?), Holzeinhorn des Gestirnes Teü.
Teü, Getreidemaass, ist die achte Mondstation.
10. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
II. Nieu 141 kin nieu, Metallrind des Gestirnes Nieu.
hüng fei pin, mit rothem Schläfenhaar.
Nieu, Rind, ist die neunte Mondstation.
4*
Vorläufiges Verzeichnis» einer taoistischen Bildersammlung.
28 ,
11. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
12. Niù tcù fuh 142, Erdfledermaus des Gestirnes Nili.
Niù, Weib, ist die zehnte Mondstation.
12. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
13. Hiü zih sù, Sonnenmaus des Gestirnes Hiü. Vgl. II,
13. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
14. Wei yueh yèn, Mondschwalbe des Gestirnes Wei. Vgl. II, 38.
14. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
15. Sih huò cu, Feuerschwein des Gestirnes Sih. Vgl. II, 39.
hoh fei pin, mit sclrwarzem Schläfenhaar.
15. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
16. Pih sùi yü, Wasserluchs des Gestirnes Pih. Vgl. II, 40.
16. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
17. Kcußi muh lang, Holzwolf des Gestirnes Kduei. Vgl. II, 41.
hüng fei pin, mit rothem Schläfenhaar.
18. Leu kin kèu, Metallhund des Gestirnes Leu. Vgl. II, 42.
18. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
NNo. 19—22 fehlen.
23. San sùi yuèn, Wassergibbon des Gestirnes San.
San, mischen, ist die 21. Mondstation.
24. Tsing muh hän 143, Holz-Hän des Gestirnes Tsing.
län fei pin, mit blauem Schläfenhaar.
Tsing, Brunnen ist die 22. Mondstation.
Hän bedeutet nach Wassiljew: eine Art wilder Hund, nach W. Williams:
a sors of black feline beast found 011 the confines ol the desert; it is described as
a monstrous terrific beast, scaly, and producing one horn in its old age.
25. Kuèi kin yäng 144, Metallschaf des Gestirnes Kuèi.
peh fei pin, mit weissem Schläfenhaar.
Kuèi, Dämon, ist die 23. Mondstation.
26. Lièu tcù cäng 145, Erdhirsch des Gestirnes Lièu.
Lièu, Weide ist die 24. Mondstation.
Öäng ist nach dem K'ang-hi tsi-tien eine Art Hirsch.
NNo. 27—32 fehlen.
33. Wen-suäi146.
33. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
hüng fei pin, mit rothem Schläfenhaar.
34. Kuän- 147 suäi, Grenzwächter.
ts'äng ngù zèn, mit azurfarbenem, fünffachem Barte.
35. Cäng 148 tffen suäi, Herr des gewölbten (?) Himmels.
hoh fei pin, mit schwarzem Schläfenhaar.
NNo. 36—5i fehlen.
5a. Hoéi ngän 149.
52. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
53. Tmng pi yuen 15°.
54—77. Oiing siäo heu l51, kleine Affen.
Vorläufiges Verzeichniss einer taoistischen Bildersammlung. 29
NNo. 55—58, 66, 67, 69 fehlen. NNo. 63, 64, 70, 72, 73—77 sind doppelt,
jedoch mit verschiedener Farbe des Gewandes vertreten.
78—85. Süi Hün-si-mo-wäng 152 pah mö ping.
Die dem Hün-si-mo-wäng (König der Dämonen der verfinsterten Welt)
untergebenen acht Dämonenheere.
NNo. 81 u. 82 fehlen. N0. 84 ist doppelt, jedoch mit verschiedener Farbe
des Gewandes vertreten.
86. Hün-si-mö-wang, König der Dämonen der verfinsterten Welt,
hüng fei pin, mit rothem Schläfenhaar.
N0. 87 u. 88 fehlt.
89—95. Süi Nieu-mö-wäng pah siao yäo 153, die dem Nieu-mo-wäng (König der Rinder-
dämonen) untergebenen acht kleinen Spuckgeister.
96. Nieu-mo-wäng, König der Rinderdämonen.
97. Kiäo- 64 mö-wäng, König der Drachendämonen.
hoh fei pin, mit schwarzem Schläfenhaar.
97. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
98. Kiäo ccüng 154 wäng, König der Insecten.
99. Ngoh yü 155 wäng, König der Alligatoren.
100. Öüng-sän-ts'i 15G.
100. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
N0. 101 fehlt.
102. WYi-säng-kuei 157, Dämon der Vergänglichkeit (Gott des Todes).
NNo. io3 u. 104 fehlen.
io5—108. Süi ngü tie'n Yen kiün 158 s'i pcän kuän, die dem Höllenfürsten (Yama) der fünf
Hallen untergebenen vier Richter.
N0. io5: hüng fei pin, mit rothem Schläfenhaar.
N0. 106: hoh fei pin, mit schwarzem Schläfenhaar.
N0. 107: län fei pin, mit blauem Schläfenhaar.
N0. 108: tsah wei fei pin, mit verschiedenfarbigem Schläfenhaar.
N0. 109 fehlt.
110. Kiü ling sin 4d9, der grosse Geist, taoistischer Terminus für den Begriff des Schöpfers;
doch wird unter diesem Namen auch der Gott des Berges Hoa, bei Si-ngan-fu
yerstanden. W. Williams s. v. hüng fei pin, mit rothem Schläfenhaar.
110. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
hi. Toh tcah 160 tfien wäng, der die Pagode haltende Himmelskönig.
hoh Yang man zen, mit schwarzem, langem, vollem Barte.
112. Trü-ti, die Erde.
tu an peh tiäo tah zen, mit kurzem, straffem, glattgestrichenem Barte.
n3__I2I. Kieu yäo161, die neun Himmelslichter: Sonne, Mond und die Sterne des Sieben-
gestirnes.
N0. 113: hoh tiäo tah zen, mit schwarzem, straffem, glattem Barte.
N0. 121: län tiäo tah zen, mit blauem, straffem, glattem Barte.
NNo. 114-120 fehlen.
Luh Ting sin 162, die sechs Ting-sln.
122: hüng fei pin, mit rothem Schläfenhaar.
123: hoh fei pin, mit schwarzem Schläfenhaar.
122—127.
Hi-
142:
143:
124: hoäng fei pin, mit gelbem Schläfenhaar.
125: peh fei pin, mit weissem Schläfenhaar.
126: län fei pin, mit blauem Schläfenhaar.
127: tsah wei fei pin, mit verschiedenfarbigem Schläfenhaar.
NNo. 122—127 sind doppelt, jedoch mit verschiedener Farbe des Gewandes
vertreten.
R'i läng sin163.
Kcieu Idiuen IG4 sin tsiäng, Anführer der hundeführenden Geister.
Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
Ngu kcüng, der das Leere Erkennende.
Kieu tcif*n, die neun Himmel, d. h. die neun Theile der Himmelskugel.
Mayers II, 269.
hoh ccäng man zen, mit schwarzem, langem, vollem Barte.
N0. 132 fehlt.
Tung-fäng-soh. Vgl. I, 127.
peh tiäo tah zen, mit weissem, straffem, glattem Barte.
Kcieu-tcah-pcö, Gandharvas. Vgl. I, 285.
Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
A-sieu-lö, Asuras. Vgl. I, 286.
Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
Kiä-leu-lö, Garudas. Vgl. I, 287.
Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
Kin-nä-lö, Kinnara. Vgl. I, 288.
Mö-heu-lö-kiä, Mahoraga. Vgl. I, 289.
146. Süi Zü-läi Foh pah kieh-ti, die acht dem Tathägata Buddha untergebenen Kieh-ti.
Vgl. I, i84;
139: hüng sän zen, mit rothem, dreifachem Barte.
140: hoh sän zen, mit schwarzem, dreifachem Barte,
peh sän zen, mit weissem, dreifachem Barte,
län sän zen, mit blauem, dreifachem Barte,
hoh ccäng man zen, mit schwarzem, langem, vollem Barte.
144: hüng ccäng man zen, mit rothem, langem, vollem Barte.
145: tscäng ccäng man zen, mit azurfarbenem, langem, vollem Barte.
146: peh ccäng man zen, mit weissem, langem, vollem Barte.
NNo. 139—143, 145 sind doppelt, jedoch mit verschiedener Farbe des Ge-
wandes vertreten.
Sih lö-hän, die zehn Achants, Vgl. I, 191—208.
N0. 156 fehlt. NNo. 147 u. 148 sind doppelt, jedoch mit verschiedener Farbe
des Gewandes vertreten.
N0. 157 fehlt.
Ccing-ci-tsieh yeu ming Ccing-kiäo-lun 165.
Ccing-ci-tsieh, auch genannt: Ccing-kiäo-kin.
hüng fei pin, mit rothem Schläfenhaar.
Si1GG kiün sT, Anführer des Heeres der Alsen.
Kuei rüng-heu 167, Fürst des Heeres der Barsche.
N0. 161 fehlt.
Vorläufiges Verzeichniss einer taoistischen Bildersammlung.
31
162—166. Ngü lei köng, die fünf Drachenfürsten. Vgl. II, 174.
NNo. 166—170 fehlen.
171 — 174. Süi Pcü-hien168 Pcü-sah s'i kieh-ti, die dem Samantabhadra untergebenen vier
Kieh-ti. Eitel, 116 a.
171: hoang fei pin, mit gelbem Schläfenhaar.
172: peh fei pin, mit weissem Schläfenhaar.
17З: hoh fei pin, mit schwarzem Schläfenhaar.
174: luh fei pin, mit grünem Schläfenhaar.
175— t76. Ri siäng nü 169, die zwei Teufel (wörtlich Elefantensklaven).
NNo. 175 u. 176 sind doppelt, jedoch mit verschiedener Farbe des Gewandes
vertreten.
l77‘ öüng-kcuei. Vgl. II, 292.
lieu tcang fei pin, mit ? Schläfenhaar.
178—185. Süi yin yang kiäi 170 pcän-kuan pah siao kuei, die den Richtern der Welt (oder der
Grenze?) des Yin und Yang untergebenen acht Dämonen.
NNo. 178—180 fehlen.
N0. 186 fehlt.
187—190. Süi Tcien-fei niäng-niäng 171 s'i pcän-kuän, die der Göttin Then-fei (Göttin der See-
fahrer) untergebenen vier Richter.
NNo. 187—189 fehlen.
N0. 190 ist doppelt, jedoch mit verschiedener Р"агЬе des Gewandes vertreten.
191—206. Süi Kuän-yln sih-luh yün-si, die dem Kuän-yin (Avalokitegvära) untergebenen
16 Wolkenboten.
NNo. 191—ip5, 197—20З, 2o5—208 fehlen.
209. Lieu-peh-kün m.
hoh ccäng man zen, mit schwarzem, langem, vollem Barte.
210—225. Süi Huo-sin sih-luh huö-tsuh, die dem Gotte des Feuers untergebenen 16 Feuer-
soldaten.
NNo. 215 —220 u. 224 fehlen.
22b—229. Süi Huo-sin s'i huö pcan-kuän, die dem Gotte des Feuers untergebenen vier
Feuerrichter.
hüng fei pin, mit rothem Schläfenhaar.
230. Huo-sin, Gott des Feuers.
hüng fei pin, mit rothem Schläfenhaar.
231. Jü Huo-sin ta-san sän-fü 17S, der über dem Gotte des Feuers den Schirm haltende
Schirmhalter.
231. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
232. Niao ccao pci s'i m, der die Vogelnester beschirmende Heer.
2З2. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
NNo. 2ЗЗ—241 fehlen.
242. Hü sien-füng 175, Anführer der Tiger (? sien-füng heisst: Front-Avantgarde).
24.З—25o. Süi Ngü-tsing176 pah siao yäo, die dem Ngu-tsing untergebenen acht kleinen
Spukgeister.
N0. 24З fehlt.
NNo. 245 u. 247 sind doppelt, jedoch mit verschiedener Farbe des Gewandes
vertreten.
^2 Vorläufiges Verzeichniss einer taoistischen Bildersammlung.
251—266. Süi si hai lüng-wäng sih-luh süi tsuh, die den vier Drachenkönigen der Meere
untergebenen 16 Wassersoldaten. Mayers I, 451.
NNo. 264—266 fehlen. NNo. 253—260 sind doppelt, jedoch mit verschiedener
Farbe des Gewandes vertreten.
267—268. Tsieh Lüng-wang r'i Ye-c'ä, die den Drachenkönig begleitenden zwei Yakshas.
N0. 267 fehlt.
NNo. 269—275 fehlen.
276. Noh-kiü-lö tsün-ce m. der Ehrwürdige Noh-kiü-lö.
276. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
277—284. Süi Si178 tä-wäng pah siäo yäo, die dem grossen Rhinoceroskönig untergebenen
acht kleinen Spukgeister.
285—288- Süi Si tä-wang s'i mo-tsiäng, die dem grossen Rhinoceroskönig untergebenen vier
Dämonen-Anführer.
N0. 288 ist doppelt, jedoch mit verschiedener Farbe des Gewandes vertreten.
289. Si tä-wang, der grosse Rhinoceroskönig.
lan fei pin, mit blauem Schläfenhaar.
290. Süi teh sing kiün, Fürst des Sternes der Kraft des Wassers. Vgl. I, 294.
hoh c'äng man zen, mit schwarzem, langem, vollem Barte.
291. Hän-cüng-li 779.
hoh c'äng man zen, mit schwarzem, langem, vollem Barte.
N0. 292 fehlt.
293. Peh-vuen, weisser Gibbon. Vgl. I, 181 •
294—299. Luh hü fah 780 sin, die sechs gesetzhütenden Geister.
NNo. 294 u. 295 fehlen.
296: län c'äng man zen, mit blauem, langem, vollem Barte.
297: tscäng c'äng man zen, mit azurfarbenem, langem, vollem Barte.
298: peh c'äng man zen, mit weissem, langem, vollem Barte.
299: hoh c'äng man zen, mit schw’arzem, langem, vollem Barte.
3oo—307. Süi hoäng-p'äo-läng 181 pah siäo yäo, die dem Herrn im gelben Gewände unter-
gebenen acht kleinen Spukgeister.
3o8. Hoäng-p'äo-läng, der Herr im gelben Gewände,
hüng fei pin, mit rothem Schläfenhaar.
N0. 309 fehlt.
3io—3iy. Süi kln-kioh 782 tä-wäng pah siäo yäo, die dem grossen Könige mit goldenem Horn
untergebenen acht kleinen Spukgeister.
NNo. 3io u. 311 und 313—316 fehlen.
318- Kln-kioh tä-wäng, der grosse König mit dem goldenen Horn.
hoäng fei pin, mit gelbem Schläfenhaar.
319— 326. Süi yin-kioh tä-wäng pah siäo yäo, die dem grossen Könige mit dem silbernen
Horn untergebenen acht kleinen Spukgeister.
NNo. 319 u. 420 sind doppelt, jedoch mit verschiedener Farbe des Gewandes
vertreten.
327. Yin-kioh tä wäng, der grosse König mit dem silbernen Horn.
peh fei pin, mit weissem Schläfenhaar.
328. Pä-sän 783 - hü.
Vorläufiges Verzeichniss einer taoistischen Bildersammlung.
33
З29. Süi-li-lüng, der Drache im Wasser.
N0. 33o fehlt.
331. Si-fäng meng tsiäng ccih yen füng 184.
peh fei pin, mit weissem Schläfenhaar.
331. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
NNo. ЗЗз—ЗЗ4 fehlen.
335. Kcuäi zu füng 185, schnell wie der Wind.
N0. 336 fehlt.
ЗЗ7. Wü- 186 li-yün, Wolken im Nebel.
ЗЗ7. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
33g. Hing-hüng-hin I87.
33g. Hin-hüng-hing.
З40—З47. Süi sing-ying 178 tä-wäng pah siao yäo, die dem grossen Könige Slng-ylng(?) unter-
gebenen acht kleinen Spukgeister.
NNo. З40, 341, З42, З45 sind doppelt, jedoch mit verschiedener Farbe des
Gewandes vertreten.
З48—354. Tcüi huö-с'ё tsflh siao yäo, die den Feuer wagen ziehenden sieben kleinen Spuk-
geister.
NNo. З48, З49, 354 fehlen.
355—З62. Süi siao-?-189 pah-siäo-yäo, die dem Siao-? untergebenen acht kleinen Spukgeirter.
NNo. З62—363 fehlen.
364. Hoh-süi-hö 190 sin, Gott des Flusses Hoh-süi-hö.
hoh fei pin, mit schwarzem Schläfenhaar.
365. Ngü-191 iü-tsing, Geist des Schleimhsches.
366—З7З. Süi Yin-ngoh 192 tä-wäng pah siao yäo, die dem grossen Könige mit der silbernen
Stirn untergebenen acht kleinen Spukgeister.
NNo. З70—З7З fehlen. N0. З67 ist doppelt, jedoch mit verschiedener Farbe
des Gewandes vertreten.
T4- ^ in-ngoh-tä-wäng, der grosse König mit der silbernen Stirn.
peh fei pin, mit weissem Schläfenhaar.
З75. Lüng-sin, Drachengott.
hüng lei pin, mit rothem Schläfenhaar.
З76—З79. S'i fei eci 19,1 yäo ping, die vier Heere der geflügelten Spukgeister.
З80—383. Si fäng-huö yäo ping, die vier Heere der feuerspeienden Spukgeister.
NNo. 381—383 fehlen.
З84. Kfleu seu kuei ш, die Vierfüssler führenden Dämonen.
N0. 385 fehlt.
386. Hü lih tä sidn, der mit Tigerkraft versehene Heilige.
hoang fei pin, mit gelbem Schläfenhaar.
387. Hü lih ta sidn, der mit Tigerkraft versehene Heilige.
tsah wei fdi pin, mit verschiedenfarbigem Schläfenhaar.
N0. 388 fehlt.
З89-З96. Pah wü-tsü, die acht kriegerischen Ahnen.
З89: hüng fdi pin, mit rothem Schläfenhaar.
З90: län fei pin, mit blauem Schläfenhaar.
З91: luh fei pin, mit grünem Schläfenhaar.
192: lieu t'äng fei pin, mit ? Schläfenhaar.
¡93: hoh fei pin, mit schwarzem Schläfenhaar.
194: peh fei pin, mit weissem Schläfenhaar.
195: hoäng fei pin, mit gelbem Schläfenhaar.
N0. 396 fehlt.
NNo. 393 u. 394 sind doppelt, jedoch mit verschiedener Farbe des Gewandes
vertreten.
NNo. 397 u. 398 fehlen.
Süi li- 195 ifi tsing pah siäo yäo, die dem Karpfengeist untergebenen acht kleinen
Spukgeister.
NNo. 403—406 fehlen,
tä-sien, der gedankenvolle, grosse Heilige,
hoh Uäng man zen, mit schwarzem, langem, vollem Haar.
Mäo-197zih sing-kiün, Fürst des Sternes Mäo-zih-sing.
Mao ist die 18. Mondstation.
408. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
409—424. Süi Nän-sän tä wäng sih-luh siäo yäo, die dem grossen Könige des südlichen
Berges untergebenen 16 kleinen Spukgeister.
N0. 409 ist doppelt, jedoch mit verschiedener Farbe des Gewandes vertreten.
NNo. 412—413, 420—424 fehlen.
Süi Nan-sän tä-wäng ri' sien-füng, die beiden dem grossen Könige des südlichen
Berges untergebenen Avantgarden.
N0. 425 ist doppelt, jedoch mit verschiedener Farbe des Gewandes vertreten.
427. Nan-sän tä-wäng, der grosse König des südlichen Berges.
427. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
428. Iü Nan-sän tä-wäng tä-tuh siäo yäo, der den grossen König des südlichen Berges be-
gleitende bannerhaltende kleine Spukgeist.
N0. 429 fehlt.
430. Keu Mang-198 sin, dem Gotte des Ackerbaues opfern.
lüh san zen, mit grünem, dreifachem Barte.
431. Ouh Yüng-199 sin, den Gott des Feuers anrufen.
hüng Uäng man zen, mit rothem, langem, vollem Barte.
Yüng-sin ist der zum Gott erhobene Sohn des Kaisers Öuen-hiuh.
432. Zuh-muh- 200 sin, Gott der Ernte.
peh fei pin, mit weissem Schläfenhaar.
433. Yuen Ming-201sin, Gott der Unterwelt(?).
hoh Uäng man zen, mit schwarzem, langem, vollem Barte.
434. Füng-sin, Gott des Windes.
435 —438. S‘i Kin-kiah- 202 sin, die vier goldgepanzerten Götter.
NNo. 435—437 fehlen.
438: hoäng Uäng man zen, mit gelbem, langem, vollem Barte.
N0. 439 fehlt.
440—455. Sih-luh Hü-fah-sin, die 16 gesetzhütenden Geister.
440 u. 441: luh fei pin, mit grünem Schläfenhaar.
442 u. 443: hoäng fei pin, mit gelbem Schläfenhaar.
45o u. 451: län fei pin, mit blauem Schläfenhaar.
Vorläufiges Verzeichniss einer taoistischen Bildersammlung.
35
452 u. 453: lieu tcäng fei pin, mit ? Schläfenhaar.
454 u. 455: tsah wei fei pin, mit verschiedenfarbigem Schläfenhaar.
NNo. 444—449 fehlen.
456. Luh ri mi-heu 203, der sechsohrige Affe.
457—464. Süi hoäng-mei-tcüng 204 pah siäo yäo, die dem Knaben mit den gelben Augenbrauen
untergebenen acht kleinen Spukgeister.
NNo. 457, 459, 460 fehlen.
465. Hoäng-mei-füng, der Knabe mit den gelben Augenbrauen.
N0. 466 fehlt.
467. Se-tsiäng, Schlangenanführer.
468 — 472. Ngü tä lüng-sin, die fünf grossen Drachengötter.
468: peh fei pin, mit weissem Schläfenhaar.
469: luh fei pin, mit grünem Schläfenhaar.
470: hüng fei pin, mit rothem Schläfenhaar.
471: hoh fei pin, mit schwarzem Schläfenhaar.
472: hoäng fei pin, mit gelbem Schläfenhaar.
473. Mi-leh Foh, Maitreya.
hoh kcieu zen kcieu mei, mit schwarzem gekräuseltem Barte und gekräuselten
Brauen.
474. Kciüng(?)-tsing 205.
474. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
475. San tien Yen-kiün, Höllenfürst (Yama) der drei Hallen.
hoäng fei pin, mit gelbem Schläfenhaar.
475. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
476. Tsdh tien Yen-kiün, Höllenfürst der sieben Hallen.
län fei pin, mit blauem Schläfenhaar.
476- Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
477. Kieu tien \ en-kiün, Höllenfürst der neun Hallen.
tsah-wei fei pin. mit verschiedenfarbigem Schläfenhaar
477. Untei scheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
478 49:>- Süi-?- *0b sän sih-luh siäo yäo, die dem Süi-?-san untergebenen 16 kleinen Spuk-
geister.
NNo. 480—482, 491—493 fehlen.
494—5oi. Süi Säi-Tcäi-süi ~07 pah siäo yäo, die dem Säi Tcäi-süi untergebenen acht kleinen
Spukgeister.
N0. 499 fehlt.
502. Säi Tcäi-süi, den Tcäi-süi verkünden.
tsah wei fei pin, mit verschiedenfarbigem Schläfenhaar.
Tcäi süi bedeutet die Wiederkehr derselben cyklischen Zeichen oder zwölf
siderische Jahre. Ausserdem bedeutet es nach W. Williams: the irnage of a boy to
represent the Chinese Cybele, carried in procession to meet the spring.
503. Säi Tcäi-süi feu-muh.
504. Päo-ngäi-wen 208.
hüng fei pin, mit schwarzem Schläfenhaar.
5o5—512. Süi Si-tslng pah siäo yäo, die dem Löwengeist untergebenen acht kleinen Spuk-
geister.
Vorläufiges Verzeichniss einer taoistischen Bildersammlung.
36
NNo. 5o8, 509, 511 sind doppelt, jedoch mit verschiedener Farbe des Gewandes
vertreten.
513—516. S'i tsuän-füng, die vier aushöhlenden Winde.
NNo. 515 u. 516 sind doppelt, jedoch mit verschiedener Farbe des Gewandes
vertreten.
517. Si-tsmg, Löwengeist.
lan fei pin, mit blauem Schläfenhaar.
518—525. Süi Siang-tsing pah siäo yäo, die dem Elefantengeist untergebenen acht kleinen
Spukgeister.
NNo. 5го, 524, 525 fehlen.
NNo. 518, 521, 522 sind doppelt, jedoch mit verschiedener Farbe des Ge-
wandes vertreten.
5гб. Siang-tsing, Elefantengeist.
527—5З4. Süi-Pceng- 209 tsing pah siäo yäo, die dem Pceng-Geist untergebenen acht kleinen
Spukgeister.
Pceng ist ein fabelhafter Vogel.
NNo. 527—529 u. 533 fehlen.
535. Pceng-tsing, der Pceng-Geist.
536. Si tco fing 210 tceu-muh.
537. Sih-kän-täng 2n.
lan fei pin, mit blauem Schläfenhaar.
537. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
538. Huö-pcäo 212 sin, Gott der Feuergeschosse.
hüng fei pin, mit rothem Schläfenhaar.
53g. KV-tuh213 sin, Gott der Standarten und Banner.
hoäng fei pin, mit gelbem Schläfenhaar.
540—547. Süi Hoäng-si-tsing pah siäo yäo, die dem Geiste des gelben Löwen untergebenen
acht kleinen Spukgeister.
548. Hoäng-si-tsing, Geist des gelben Löwen.
hoäng fei pin, mit gelbem Schläfenhaar.
549. Öcäi-214 tsing, Luchsgeist.
550. Läng-tsing, Wolfsgeist.
550. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
551. Hü-tsing, Tigergeist.
NNo. 552—554 fehlen.
555—562. Pah si-nü, die acht Löwensklaven.
NNo. 556—558, 56o, 562 fehlen.
563. Suän-ngi- 215 si, Löwe (ein fabelhafter Löwe, welcher Tiger verzehrt und in Sätzen von
5oo Li springt).
563. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
564. Peh-tseh- 216 si, Löwe. Peh-tseh ist nach W. Williams, p. p58, eine alterthümliche Be-
zeichnung für einen Löwen.
564. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
565. Fuh-IT- 217 si, der Füchse bändigende Löwe.
566. Poh-218 siäng-si, Elefanten packende Löwen.
566. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
Vorläufiges Verzeichniss einer taoistischen Bildersammlung.
37
56j. Näo- 219 sl, Affenlöwe.
568. Siueh-si, Schneelöwe.
568. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
569. Kieu-fieu si-tsing, neunköpfiger Löwengeist.
5?o— 577. Süi sän-wei- 220 (?) nieu-tsing pah siäo yäo, die dem mit drei Schwängen ver-
sehenen Rindergeist untergebenen acht kleinen Spukgeister.
NNo. 570—576 fehlen.
N0. 577 ist doppelt, jedoch mit verschiedener Farbe des Gewandes vertreten.
NNo. 578—580 fehlen.
581. Tscing-lüng sin, Gott des blauschwarzen Drachens.
luh fei pin, mit grünem Schläfenhaar.
581. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
58a. Peh-hü-sin, Gott des weissen Tigers.
peh fei pin, mit weissem Schläfenhaar.
Peh-hü, weisser Tiger, bezeichnet das westliche Viertel der Himmelskugel
und den Westen überhaupt. Mayers I, 182.
583. Öü-tsioh-221 sin, Gott des rothen Vogels.
hüng fei pin, mit rothem Schläfenhaar.
583. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
584- Sin-wü-222 sin, der Gott Sin-wü.
hoh fei pin, mit schwarzem Schläfenhaar.
584. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
585— 58g. Ngü-lei-küng, die fünf Drachengeister.
NNo. 586—58g fehlen.
5go. Hiäng- 228 lüng lö-hän, der Drachen bändigende Arhant.
5g 1. Fuh-hü lö-hän, der Tiger zähmende Arhant.
Von Yoh Wang, dem Gott der Medicin wird gesagt, er bändige die Drachen
und zähme die Tiger. W. Williams, p. 365.
5g 1 • Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
592. Süi C/ing-hoäng 224 pcän-kuän, der dem (Ving-hoäng untergebene Richter.
Hoh lei pin, mit schwarzem Schläfenhaar.
Tu Ccing hoäng ist der städtebeschirmende Gott, zugleich eine Gottheit der
Unterwelt. W. Williams, p. 251.
5g3. Süi Gcing-hoäng siäo kuei, der dem Ö'ing-hoäng untergebene kleine Dämon.
594. Kiä-ling- 225 niäo, der Vogel Kiä-ling.
594. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
5g5. Pcin-kiä- 226 niäo, der Vogel Pcin-kiä.
596. Tci-pcö-tah-tö, Devadatta. Eitel, 3ob.
lieu-tcäng fei pin, mit ? Schläfenhaar.
5g6. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
597. Tfien-lüng, Himmelsdrachen.
hoäng fei pin, mit gelbem Schläfenhaar.
5g8. Tcüng-dien-hö läo-? 227.
luh fei pin, mit grünem Schläfenhaar.
298. Unterscheidet sich von dem Vorigen durch die Farbe des Gewandes.
Notizen zur Ikonographie des Lamaismus.
599—600. Süi Öuen-lün-wäng ri‘ pcän-kuän, die dem Tschakravartti raja untergebenen zwei
Richter. Eitel, 142 a.
hoh fei pin, mit schwarzem Schläfenhaar.
Ausser den obigen drei Serien finden sich in der Sammlung noch folgende ver-
einzelte Stücke:
I. Mit der Aufschrift rechts: füng sin bien päng 228, Himmelliste der zu Göttern
Erhobenen:
134. Hoh-sah-sIng-käo-?-neng 229.
1 37. Nan-yoh-ta-ti-tscüi-ying 23°.
hüng fei pin, mit rothem Schläfenhaar.
180. Tcien-meng-slng-sün-yih 232).
hoh ccäng man zen, mit schwarzem, langem, vollem Barte.
181 - T'ien-wei-slng-li'päo 233).
hüng fei pin, mit rothem Schläfenhaar.
189. Ti-kieh-sing-hü-peh-yen 231.
hoh ccäng man zen, mit schwarzem, langem, vollem Barte.
II. Mit der Aufschrift rechts: Kuän sen kin kcö 234, die goldene Reihe der das Gute
Betrachtenden:
3e. Yih-huö-se, geflügelte Feuerschlange.
226—33o. Ngü ccä-235 kuei, die fünf Dämonen des Irrthums.
NNo. 226—228 fehlen.
III. Ohne weitere Bezeichnung:
77—80. Si pcän~kuän, die vier Richter.
hüng fei pin, mit rothem Schläfenhaar.
NNo. 77, 79, 80 fehlen.
Die drei auf der Tafel beigegebenen Copien ('/8 der Originalgrösse) verdanke ich der
Güte meines Collegen Herrn Dr. Grünwedel.
VV. GRUßE.
Notizen zur Ikonographie des Lamaismus.
von A. Grunwedel.
Die Forschung über das Leben und die Lehre des Buddha hat sich, nachdem einmal
did Päliliteratur als die reinste Quelle erwiesen war, in den letzten Jahren fast ausschiesslich
und mit glänzendem Erfolge auf die genannte Literatur, dem heiligen Kanon der südlichen
Kirche, bezogen; die zuerst bekannten und allseitig benutzten Mahäyänasutren (Lalitavistara etc.
haben sich als jünger und theilweise abhängig von den südlichen Quellen herausgestellt.
Wenig ist daher seit Schiefner geschehen für die Geschichte des späteren Buddhismus; die
Notizen zur Ikonographie des Lamaismus. 39
Philosopheme.seiner späteren Sekten in Indien und ausserhalb Indiens sind noch so gut wie
unbekannt.
Die Geschichte der Buddhistischen Kunst hat sich bis jetzt an Einzelnpublicationen
indischer Tempel, Berichte über Ausgrabungen und Forschungsreisen, durch die ein colossales
Material zusammengebracht wurde, gehalten und im Zusammenhänge mit diesen Arbeiten ist
sogar eine Geschichte der indischen Architectur möglich geworden. Dagegen zeigt sich, was
die Erklärung der Sculpturen (Statuen, Reliefs etc.) und der Malereien betrifft, vielfach eine
gewisse Unsicherheit in der Erklärung, da ein systematisches Verfolgen der einzelnen Typen
noch nicht versucht, bestimmte Gesetze über die Composition zu geben noch unmöglich ist.
Die folgenden skizzenhaften Zeilen enthalten Beschreibungen von Götter- und Heiligen-
bildern des Lamaismus, des letzten Ausläufers des indischen Buddhismus. Bei der
ungeheuren Mannigfaltigkeit der Formen dieser so gut wie unbekannten, uns völlig fern-
liegenden kirchlichen Kunstübung, welche nicht nur die Typen der älteren Zeit besitzt,
sondern aus ihnen neue zusammensetzt und durch die Beimischung giväitischer Formen ein
Pantheon aufstellt, welches das grösste ist, von dem wir bis jetzt wissen, ist gerade eine Fest-
stellung der einzelnen Bildungen das einzige Heil, um in dem Wust der Darstellungen, welche
die Resultate einer ungeheuren, phantastischen, oft geradezu widerlichen Literatur sind, nicht
unterzugehen.
Wir können dieses Pantheon im Ganzen in drei Gruppen theilen:
1. Die alten Typen, es sind die Darstellungen aus Buddha’s Leben, wie wir sie aus
den Reliefs der indischen Stüpen kennen und zu deren Erklärung im Grossen und
Ganzen die Päli-Literatur besonders aber die Jätakas oder das aus ihnen geschöpfte
oder daraus weitergebildete Legendenmaterial ausreicht. Daran schliessen sich die
Bildungen, welche auf die spätere Geschichte des Buddhismus, auf die ersten Zeiten
des grossen Vehikels in Indien Bezug haben, die Typen des Padmapäni, Manjugrl etc.
2. Die Bildungen des Civa'ismus, der Tantra-Litteratur und des Kälacakrasystems —
hier vermissen wir den völligen Mangel der Kenntniss der Ritualtexte, auf welche
die Darstellungen Bezug haben.
3. Die Abbildungen der Kirchenväter und Grosslamen Tibets, Chinas und der Mon-
golei, welche häufig auf die unter i genannten zurückgreifen. Sie bilden die
Illustrationen zur Geschichte des Lamaismus von der Zeit seiner Entstehung durch
die indischen Flüchtlinge bis in die heutige Zeit. Auch hier ist das Material
unendlich dürftig — da wir von der allgemeinen Geschichte des Hauptlandes
Tibet wenig, von der Geschichte der Sekten, der einzelnen Klöster aber gar nichts
wissen.
Ls ist also Mangel an Material Hauptschuld daran, warum so wenig auf diesem Gebiete
gearbeitet wird, zudem sieht dasjenige was bis jetzt von der Kunst des Lamaismus bekannt
ist, nichts weniger als verlockend aus; der Name Kunst ist zu gut für diese rohen Producte.
Aber nach den Berichten von Augenzeugen1) müssen glänzende Arbeiten vorhanden sein;
einzelne in’s Abendland gekommene Stücke (Broncen und Malereien) weisen aufs entschiedenste
darauf hin. Das vor mir liegende Miniaturenmaterial, über das unten ein mehreres gesagt
werden soll, kann gut neben die besten Proben derselben Technik des abendländischen Mittel-
alters gestellt werden. Wenn es je möglich sein sollte, gute Abbildungen — Photographien
— von den in Lha-sa zur Aufstellung kommenden Arbeiten zu erhalten, so würden diese
h Hue et Gabet, Souvenirs d’un voyage dans la Tartarie, le Thibet et la Chine II, p5 ff.
4o
Notizen zur Ikonographie des Lamaismus.
Ausläufer der alten buddhistischen Kunst wohl manches in unseren alten indischen Reliefs in
ihrer Erklärung sichern! Die interessanteste Seite aber würde die Vergleichung der Icono-
graphie des Lamaismus mit der christlichen sein. Wiederholt ist in der letzten Zeit die Frage
angeregt worden, wie weit das Christenthum den Buddhismus oder umgekehrt der Buddhis-
mus das Christenthum beeinflusst habe. Wir hätten uns also zu entscheiden, ob gleiche Ent-
wickelung der Legenden mit gleichen Darstellungen oder Entlehnung von Legenden von der
einen oder anderen Seite mit Darstellungen in ähnlicher oder gleicher Composition oder end-
lich sogar Beeinflussung der Kunst selbst annehmbar erschiene. Wenn Beispiele wie „die
Geburt des Religionsstifters“, „Höllendarstellungen“, „Todtengericht“ etc. genannt werden,
liegt die Bedeutsamkeit der Sache auf der Hand.
Für die ältesten Typen der buddhistischen Kunst kommt in erster Linie der griechische
Einfluss in Betracht. Das Buddha-,,Ideal“, wie es uns in den Sculpturen von Takht-i-Bahi
entgegentritt — sowohl der auf dem Löwenthrone sitzende, als der stehende „Lehrer“ Gau-
tama tragen den entschieden ausgeprägten Typus des hellenischen Apollon. Sonderbar genug
kommt bei einer jener Figuren noch eine Kleinigkeit hinzu, welche nicht zu übersehen ist.
Eine jener Buddhastatuen zeigt über den Ohren dieselben feinen Schmachtlöckchen, welche
zur Zeit Alexanders in Griechenland Mode waren und am Apolloideale — dem Apollon
als Sänger und Seher — characteristisch sind.
Eine andere Form der Darstellung des Erleuchteten ist der liegende, in’s Nirväna ein-
gehende: eine Bildung, die alle Buddhisten kennen und die sich im Lamaismus und japanischen
Buddhismus zähe gehalten hat — ja schliesslich auf indischem Boden zur Darstellung des auf
dem Cesha ruhenden Vishnu verwendet worden ist. Wenn es auch noch nicht möglich ist,
eine ähnliche unzweifelhaft griechische Bildung nachzuweisen, so stehe ich doch nicht an,
auch hier die Schöpfung eines Griechen zu vermuthen. Liegende Figuren so darzustellen,
dass alle Extremitäten in ihrer Lage klar sind, ist ein Meisterstück der griechischen Kunst.
Der Typus ist alt; ein Hindu hätte mit seiner Kunst scheitern müssen, wenn er ähnliches
ohne einen berufenen Meister gewagt hätte. Als Vorlage kann man sich etwa eine Bildung,
wie die schlafende Ariadne denken.
Eine der ältesten Bildungen der indischen Kunst ist der Näga. Er erscheint in zwei
verschiedenen Formen, je nachdem er in einer Darstellung als mithandelnd oder aber als
blosse Verzierung an Pfeilern, in den Zwickeln über den Spitzbogen etc. abgebildet wird.
Im ersten Falle erscheint er vollständig als Mensch, nur den Nägakopf über dem Haupte
tragend; als decorative Figur ist nur der Oberkörper menschlich, der Unterleib eine Drachen-
oder Schlangenbildung. In der indischen Literatur2) fehlt völlig jede entscheidende Angabe
über die Bildung jener Wesen. Im ersten Buche des Mahäbhärata erscheinen sie vollkommen
als Schlangen und trotzdem ist eine Heirath eines Rshi mit einer Nägi möglich! Ich glaube
nicht, dass es richtig wäre, sich für den bezüglichen Fall eine Verwandlung der Nägi in
fl In dem alten Mythos von ihrer Geburt treten sie vollkommen als Schlangen auf: Mahäbh.
Boehtlingk Sanskrit Chrest. p. 52 v. 8; und Somadeva Taranga 22 v. 100; der Schlangenkönig Ta-
kshaka erscheint zuerst in einer Frucht als Wurm (krmi) dann als riesige Schlange. Mahäbh. ebd.
p. 64 v. x 18ff; wenn in der Sage von Jaratkäru (Mahäbh. ebd. p. 65 ff) die Ausdrücke pänim grh,
kanyä (nägakanyä), vämoru Vorkommen, so kann daraus nicht unbedingt auf die menschliche Bildung
der Wesen geschlossen werden, dagegen ist es bedeutsam, wenn v. 98 das verächtliche Wort sarpa
gebraucht wird. Die bei Somadeva Tar. 22, v. 177 ff mitgeteilte Sage, in welcher ein Näga als Jüng-
ling erscheint trägt rein buddhistischen Charakter. Der Nägakönig der Nalaepisode (ed. Bopp XIV
v. 3) ist vollkommen Schlange.
Notizen zur Ikonographie des Lamaismus.
4'
menschliche Bildung vorzustellen: der Text sagt nichts davon. Für die Sage genügt: der
Rshi heirathet die Schlange — der Mangel des Sinnes für plastische Bildung passt vollkommen
zu der alten mystisch-religiösen Sage, selbst wenn diese nicht noch dazu eine indische wäre.
Hat auch diesen Typus eine griechische Hand geschaffen? Man könnte, wenn es nicht
zu weit abläge, daran denken, ein Grieche, welcher aegyptische, mit dem Uraios gekrönte
Königsstatuen gesehen, hätte diese Bildung benutzt, den Näga zur Darstellung fähig zu machen.
Die älteste Bildung ist natürlich der menschliche Näga mit einem Schlangenkopfe über
dem Scheitel, bald wird aber der von sieben Häuptern überragte die beliebtere Bildung; die
ältere buddhistische Kunst hat immer die mit dem phata ausgerüstete, dem aegyptischen Uraios
gleiche Schlange, während die Lamaistische Kunst dünnleibige, fast drachenköpfige Thiere vor-
zuziehen scheint. Aus diesen Darstellungen heraus erklärt sich die spätere buddhistische Sage
von dem Schlangenkönige Eläpatra, wie sie bei Schiefner (Mahäkätyäyana und König Cända-
Pradyota p. i3]) mitgeteilt wird.
An den Näga und seine Darstellung schlösse sich die Bildung der Kinnara genannten
Wesen u. dergl. mehr an. Alle diese Bildungen indess brauchen gesonderte Untersuchungen:
ich fürchte fast in dem Obengesagten zu kühn gewesen zu sein.
Wenn wir zu den oben erwähnten Buddhadarstellungen zurückkehren und uns vor-
stellen wollen, dieselben waren bereits vollständig indisches Eigenthum geworden — so müssen
wir zuerst im Auge behalten, dass der griechische Einfluss bei der sitzenden Bildung vor-
nehmlich auf den Kopf Bezug hatte und in diesem bald verschwand, dass dagegen die Art
zu sitzen von vorneherein die indische gewesen war. Die aufrecht geradestehende Bildung
wird, wenn es, bevor griechische Einflüsse da waren, schon indische Götterbilder gegeben
hat, längst geläufig gewesen sein. In den Bildungen der auf die Tantras bezüglichen Gott-
heiten treten die nach der Seite energisch fortschreitenden Gestalten der Givaitischen Wesen
der kämpfenden und strafenden Götter hinzu. Hier stehen wir, glaube ich, auf völlig indischem
Boden. Merkwürdig genug schliessen sich in der ältesten griechischen Kunst an die Bildung
der stehenden Götter und Heroen die zum Kampf vorschreitenden Gestalten an — die
Bildungen des Daidalos. Genau so in Indien, was die Tantragötter betrifft. Hier ist natür-
lich an keine Entlehnung zu denken, diese neue Bildung haben die Hindus selbst entwickelt
m völlig analoger Weise, wie es in der alten griechischen Kunst geschehen ist.
Zu den gefeiertsten Bildern der Tantraperiode gehören jene verrufenen Göttergestalten,
welche ihre Cakti umarmen2). Es ist merkwürdig, wie geschickt die beiden Gestalten des
Gottes und seiner Cakti gruppirt sind, besonders die Lage des Kopfes der Göttin, welcher
im Profil nach einer Schulter hinliegend den Blick auf das Gesicht des Gottes frei lässt, zeigt
grosse Gewandtheit. Interessant ist es, damit etwa den berühmten griechischen Semelespiegel11)
zu vergleichen. Der jugendliche Jakchos lehnt sich, das Haupt gegen rückwärts legend, die
Arme um den Nacken der Semele schlingend, an diese.. Die Bildung des Kopfes und der
Arme hat viel ähnliches, die Körper sind freilich ganz verschieden.
Sollte es unmöglich sein, dass auch hier eine Entlehnung oder verrohte Erinnerung an
Griechisches vorliegt? Kann man doch annehmen, zu Mathurä (Cunningham, Arch. Survey
Vol. I, 242, Grosse, Mathura Pt. I, p. y3) habe ein Dionysosheiligthum existirt, da dionysische
Darstellungen aus derselben Stadt vorhanden sind.
Jätaka II. 14.5 eräpatha ist hier synonymum für Schlange: sappo, dlghajätiko.
2) Georgi, Alph. Tib. p. 5o3: sku-ldra skye-dman-dan spyod-pa de skye-dman dnos-gzi min
de khyod-kyis mi ses.
3) Gerhard, Etrusc. Spiegel I, Taf. LXXXIIII.
6
42
Notizen zur Ikonographie des Lamaismus.
Auch scheinbar ganz nebensächliche und versteckte Darstellungen haben ihren Weg
nach Indien gefunden. Wenn auch für das Folgende nicht gerade ein Monument als Beleg
vorhanden ist, so glaube ich doch annehmen zu dürfen, dass die Hand eines griechischen
Künstlers hier vermittelnd wirkte. In einem Jätaka, dem Mahäsupinajätaka (in Fausboells
Ausgabe I, p. 334 ff), findet sich nämlich als siebentes Traumbild des Königs der Kopala das
Wiederspiel der griechischen Oknos-Legende, welche Polygnotos in der Lesche zu Delphi ab-
gebildet hatte, welche jedoch in ihrem Ursprünge auf Kleinasien zurückgeht und von der
noch eine Reproduction aus der römischen Kaiserzeit existirt. Sicher haben die Inder hier
entlehnt; denn abgesehen davon, dass das griechische Bild jedenfalls viel älter ist, als unsere
Jätakaerzählung, liegen in der indischen Fassung einige Züge vor, welche beweisen, dass diese
die entlehnte ist. Eine Eselin kann wohl einen Binsenstrick fressen: nicht aber ein Schakal-
weibchen ein rajju; die buddhistische Fassung der Sage hat die Situation insofern verdreht,
als der arbeitende Mann seiner Sorglosigkeit wegen durchaus nicht gescholten wird, dagegen
dem misogynen Charakter des Buddhismus gemäss das Weib in seiner Lüderlichkeit allein
am Unglück schuld ist. An eine unabhängige Entstehung der Sage in Indien und im Abend-
lande wird wohl Niemand denken wollen. Vielleicht findet sich die Scene einmal am Rande
eines lamaistischen Weltsystems, oder in einer Höllendarstellung.
Nach dieser kleinen Abschweifung wollen wir zur Sache zurückkehren. Vielbesprochen
ist die Frage über den „turanischen” Einfluss in den Körperproportionen der buddhistischen
Cultusbilder. In zweierlei Auffassung ist darüber diskutirt worden. Einerseits ist' versucht
worden, mit Körpermessungen an lebenden Individuen arischer und turanischer Rage nach-
zuweisen, dass die Buddhabilder rein arische Typen, die givaitischen Dämonen und die Genien,
sowie die Grosslamen aber turanischen Charakter zeigen. Andererseits wurde der turanische
Typus von Buddhafiguren dazu ausgenutzt, um auf die bekannte Abstammung des Gautama
aus „skythischem” Geschlechte hinzuweisen. Der eine constatirt also gerade da den turanischen
Einfluss, wo ihn der andere leugnet!
Vielleicht haben beide ein bischen Recht. Die Dämonenbildungen, d. h. die sogenannten
dragshed und die Genien (welche?) und die tibetischen Patriarchen werden in einem Athem
genannt: in allen präge sich turanischer Einfluss aus. Das ist nicht zu leugnen, aber die
Art wie? ist sehr verschieden. Wenn bei den Abbildungen der Lamen der Typus des
Tibeters, des Mongolen, des Chinesen in guten Bildern scharf und klar — bei schlechten
Bildern aber auch recht stumpf vorliegt, so versteht sich dies von selbst, da es sich um Por-
träts, wenn auch imanigäre, der betreffenden Personen handelt — natürlich tragen auch die
Bilder der indischen Patriarchen, z. B. Abhayäkaragupta etc., ausgeprägt arischen Typus.
Der „turanische” Einfluss in den Darstellungen der Dragshed (der Civa'itischen
Dämonen) gehört aber einer älteren Schicht an. In der Bildung dieses Typus dominirt der
Kopf — ein grosses, dreiäugiges, breitnasiges, dunkelfarbiges Haupt — der breite Mund ist
2) Pausanias X, 29, 2. — Diese Erzählung ist gewiss nicht die einzige im Jätakabuche, welche
in Bezug zur Kunst steht; die eigenthümliche Art des Thronsitzes des Schakalkönigs Sabbadäthiko
(Jät. II, 244) scheint sich auf die Lehnen altindischer Throne zu beziehen, welche aus auf einander-
stehenden Thiergestalten gebildet sind. Diese Formen leben in der Kunst des Lamaismus fort, vgl.
Schlagintvveit Buddhism (ed. Milloue, Taf. III, etc.). Thiergestalten, ohne irgend welche Zwischen-
balken auf einander gestellt, bilden die Thronlehne des unten beschriebenen lCan-skya rol-pa’i rdo-
rje und zwar der Reihe von unten: Elefant, Löwe, Ziege. — Das oben citirte Mahäsupinajätaka ist
übrigens stofflich verwandt mit dem Lohakumbhijätaka (ed. Fausboell, Vol. III, 40—48), vgl. Schiefner
Mahäkätyäyana 47—53; aber die Träume sind anderer Art.
Notizen zur Ikonographie des Lamaismus.
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offen und zeigt fletschend die Zähne und die Zunge -— der plumpe dickbäuchige Körper mit
den dicken Füssen sieht wie eine Ergänzung des Hauptes aus. Die Expansion der Gesichts-
muskeln, das breite Auseinanderziehen des Mundes, dass die Zungenspitze und die Zähne
sichtbar werden, die roth eingelaufenen drei Augen bilden ein wirksames Bild des Hohnes
einer riesenhaft dämonisch gedachten Naturmacht. Ich habe immer den Eindruck gehabt,
dass wir in dieser Bildung, die uns in allen Bildungen des Mahäkäla, Yama, Vajrapäni, der
DevI angrinst, einen alten Typus haben — der an das alte Bild der hellenischen Medusa
erinnert. Eines der unten erwähnten Bilder, das eine Beschwörung des Yamäri darstellt und
in welchem der betreffende Gott als riesenhaftes Dämonenhaupt in feuersprühenden, rost-
farbenen Wolken erscheint, hat mich in dem Gedanken bestärkt, dass der Kopf bei diesen
Bildungen der Grundtypus ist und dass der plumpe Körper nur eine in seinen Formen durch
die Dimensionen des Gesichtes bedingte Ergänzung ist. Die Entstehung des Civaismus ist
noch nicht aufgeklärt; der Cult des Gottes wird auf die nichtarische Urbevölkerung Indiens
zurückgeführt. Es ist merkwürdig, dass die Dämonenmasken der südindischen Völker, be-
sonders aber die der Singhalesen denselben Typus zeigen. War es vielleicht gerade die
Maske, in der sich die Bildung entwickelte? Es würde vortrefflich zu dem passen, was oben
über die Bedeutung gerade des Kopfes vermuthet worden ist. So ist auch hier wohl der
turanische Charakter berechtigt; eine andere Frage, die uns hier nicht weiter angeht, bleibt
freilich, warum gerade die heutigen Civa'iten Indiens ihrem Gotte arische Züge geben — so
dass die Bildungen der rein giva'itischen Dämonen und der buddhistisch-civait'ischen fast nichts
als die Attribute mit einander gemein haben.
Die Lamen-Bilder und die Bilder der Dragshed tragen also turanischen Charakter,
wenn auch in total verschiedenem Sinne. Wie steht es nun mit denen der Buddhas, Bodhi-
sattvas etc.?
Ich glaube die Sache ist einfach genug. Wir sahen im Buddhaideal einen griechischen
Typus, auch zur Bildung der Götter reichten die alten in Takht-i-Bahi etc. vorhandenen Ab-
bildungen von Göttern und Königen aus. Der Kopf des Buddha wurde immer mehr hinduisirt,
es bildete sich ein förmlicher Kanon für den Leib des Erleuchteten heraus, der aber auf
indisches Schönheitsgefühl berechnet ist.
In den nichtarischen Ländern hat sich selbstverständlich allmählig mehr und mehr vom
Typus der in dem betreffenden Lande wohnenden „Turanier“ miteingemengt. Es liegt ein
langer Process des „Einrieselns fremder nichtarischer Formen“ vor. Trotzdem wird er da
und dort durch Werke von grösserem Kunstwerthe durchbrochen, während in der Haupt-
masse des kirchlichen Kunsthandwerkes allmählig die Formen verrohten. Wer die im Königl.
Museum in Berlin befindliche alte Broncestatue eines Buddha, welche aus den Ruinen von
Kampen-pet stammt und fast rein arische Züge zeigt, vergleicht mit modernen Buddhabildern
aus Siam oder selbst älteren Stücken aus Laos etc., wird sich von der Richtigkeit der Be-
hauptung überzeugen hönnen. Unter der grossen Menge, der im Königl. Museum auf-
bewahrten chinesischen Broncen, welche Buddha oder Amitäbha darstellen, tritt dasselbe
Schwanken hervor.
Wenn in dem eben Gesagten da und dort die Scheidung als eine zu schroffe erscheinen
mag, so muss ich hinzusetzen, dass ich dazu nur durch das vor mir liegende glänzende
Miniaturenmaterial verleitet worden bin, und das je nach der Begabung des Bildners oder
Malers das turanische Element stärker auftritt; dass in völlig volksthümlichen Abbildungen
alles — hier fast ganz chinesisch, dort ganz tibetisch aussieht. Ist es ja in der christlichen Kunst
nicht anders: denken wir uns einen schnauzbärtigen Ritter Georg in Kuirassierrüstung und
6*
44
Notizen zur Ikonographie des Lamaismus.
Helm, wie er so und so oft auf den Martersäulen, welche die katholische Landbevölkerung
errichtet, — etwa verglichen mit einem Ritter Georg, wie ihn ein guter religiöser Maler dar-
stellt, so haben wir das Verhältniss, in welchem ein schlitzäugiger, gelbhäutiger, mit flatternden
stilisirten Shawlstreifen umgebener Manjupri eines chinesischen Ivlosterpictors zu einer Statue
oder Malerei der guten alten Zeit steht. Es ist bekannt, dass die Lamaisten einen Kanon für
die Körperformen haben — aber, abgesehen von der Frage, wo und wie derselbe entstanden
ist — ist es ja auch möglich innerhalb des Kanons die einzelnen Formen recht schlecht dar-
zustellen — ja die Angaben des Kanons völlig misszuverstehen oder umzudeuten.
Durch den Gesandten des Deutschen Reiches in Peking Herrn von Brandt, hat
das Königlichen Museum massenhaftes und glänzendes Material erhalten. An mehrere
Sendungen prachtvoller ßroncen — im Ganzen fast vierhundert an der Zahl — Pasten,
Calendergemälden etc. schloss sich in letzter Zeit die Erwerbung zweier prächtiger Fascikel,
welche auf dreizehn und fünfzehn Blättern die Abbildung von achtundzwanzig indischen Pan-
ditas und tibetisch-chinesischen Grosslamen enthalten. Diese bilden entweder allein sitzend
oder mit ihrer Umgebung (sa-parivärah) von Mönchen oder Upäsakas das eigentliche Bild, in
den vier Ecken stehen theils kleinere Einzelncompositionen, theils einzelne Göttergestalten,
theils aber ganze Reihen von Göttern, welche zu der Mittelfigur in Bezug stehen. Leider ist
so wenig von der Geschichte der lamaistischen Hierarchie bekannt, dass es nicht möglich ist,
auch nur ein Bild vollkommen zu erklären. Ich zerlege daher die Bilder in die einzelnen
Darstellungen, welche mit Namen') unter Nummern nach der Reihenfolge des Tibetischen
Alphabetes aufgeführt werden sollen.
A. grosser Band aus i5 Blättern 5i cm hoch 33 cm. breit; welche der Reihe nach die
Abbildungen folgender Persönlichkeiten enthalten: Nan-thos dgra-bcom-pa Cunda, Grub-dvan
Cäkya-bshes-gnen, Darpanucärya, Lo - chen Ka-va-dpal-brtsegs, dPal-ldan Rig-’dsin-
sgro-phug, ;Gro-mgon Si-si-ri-pa, ’Dul-’dsin rDo-rje-sen-ge, ’Phags-pa bLo-gros-
rgyal-mtshan, rJe-btsun bSod-nams-rgyal-mtshan, Byam-chen Chos-rje, rJe-btsun Chos-kyi
rgyal-mtshan, mKhas-grub dPal-’byor-lhun-grub, mKhyen-rab Grags-pa-’od-zer, lCan-
skya-nag-dvan bLo-bzan-chos-ldan, lCan-skya-rol-pa’i rdo-rje. Den Abbildungen gegen-
über stehen in Goldschrift auf schwarzen Blättern Vers-Anfänge in vier Sprachen: Tibetisch,
Mongolisch, Mandschu, Chinesisch. Die Tibetischen Zeilen, welche ich controliren kann, sind
trotz der prachtvollen Schrift, fehlerhaft und geben keine Aufklärung über die Darstellungen
oder den Zweck des Fascikels. Jedem Blatte liegen gelbe Seidenpapierstreifen bei, welche die
Namen der dargestellten Personen in Tibetischer Sprache und oft in falscher Form enthalten.
Das Buch führt folgenden Titel: bstam-pai rtsa-lag-byams-brtse-kun-gyis spyi-bo-nas dvan-
bskur-va rgyal-srid-chen-po’i slob-dpon-lCan-skya-hu-thog-thu’i ’khruns-rabs bco-lna-la gsol-
va kiebs-pa: „Eine Bitte an die fünfzehn Generationen des erhabenen Lehrers lCan-skya
chutuktu, des mächtig sieghaften, welcher die Weihe (abhisheka) auf sein Haupt empfangen
hat von all den Lehrern, welche die Wurzel des Glaubens erforscht haben.”")
v) Der Tibetische Name ist dabei immer sicher, bei Göttern auch der Sanskritname; bei den
Famen aber beruhen die Sanskritformen auf Rückübersetzung aus dem Tibetischen und können nur
dann als sicher bezeichnet werden, wenn die Mongolische Transcription, deren Lesung ich Herrn
Dr. Grube verdanke, die Sanskritform bot; in diesem Falle ist neben dieselbe das Wort bez.
(bezeichnet) gesetzt.
2) Die letzten Worte des Tibetischen Textes sind mir nicht ganz klar, die Uebersetzung ergibt
sich aus den Chinesichen, Mongolischen und Mandschurischen Titeln, deren Transcription ich Herrn
Dr. Gruhe verdanke:
Notizen über die Sprache der Colorados von Ecuador.
45
Es handelt sich also um eine Genealogie des lCan-skya-rol-pa’i rDo-rje, des Chutuktu
von Peking, dessen wundervoll schön ausgeführtes Porträt das letzte Blatt darstellt. Er war
der Zeitgenosse des Kaisers Khien-lun (1736—1795 AD) und allein bei jener merkwürdigen
Unterredung zugegen, welche der genannte Kaiser am 21. August 1779 mit dem Gross-Lama
von bKra-shis lhun-po rJe-btsun dPal-dan zu Jehol abhielt. Nach einer Notiz des Herrn von
Brandt stammt der Fascikel (wie der nachher zu besprechende) aus dem Kaiserlichen Palaste
und ist ein Werk aus der Zeit des Dargestellten.
(Fortsetzung folgt.)
Notizen über die Spraehe der Colorados von Ecuador.
Die alten Chronisten erzählen uns, dass die kriegerischen Inca, nachdem sie ihre
Eroberungen auf dem Hochlande bis in das Gebiet der Quillasenca („Eisennasen”, oder viel-
leicht richtiger „Mondnasen”, von dem mondförmigen Metallschmuck, den sie in der Nase
trugen) von Pasto ausgedehnt, auch in das dem westlichen Abhang der Cordilleren vor-
gelagerte Tiefland hinabstiegen und hier längs der Küste, über die den grossen Smaragd
umina verehrenden Manta hinaus, bis in die Gegend des C. Passaos vordrangen. Hier seien
aber die Bewohner so schmutzig und barbarisch gewesen, dass der Inca den Rückzug be-
fohlen habe, denn „diese Leute verdienten nicht, dass er ihr Herr sei”.J) Die Wahrheit ist
wohl, dass durch diese von Feuchtigkeit triefenden pfadlosen Urwälder sich einen Weg zu
bahnen zwar einem Pedro de Alvarado und seinen eisenherzigen Genossen möglich war, die
erobernden Inca aber hier eben so wenig vorwärts kamen, wie an den ähnliche Verhältnisse
aufweisenden östlichen Abdachungen der Anden. Für die Conquistadoren hatten diese
Gegenden Interesse, denn hier irgendwo in der Nähe von Manta und des von den Spaniern
gegründeten Santiago de Puerto Viejo wurden die schönsten und grössten Smaragden gegraben,
die überhaupt je in der neuen Welt angetroffen worden sind. Auch an Gold und Silber
waren diese Indier reich, wie die Genossen Alvarado’s erfuhren, von denen freilich die
meisten ihre erbeuteten Schätze wieder weg warfen, da sie in dem öden Hochgebirg, von
Hunger und Kälte erschöpft, kaum ihre Leiber mehr weiter schleppen konnten. Die dauernde
Ansiedelung der Spanier hatte die Christianisirung der Eingeborenen zur Folge. Später
machten hier, wie überall in dem der Cultur erschlossenen tropischen Amerika, die Neger
dem einheimischen Element erfolgreich Concurrenz. So sind von den ursprünglichen Ver-
hältnissen nur noch schwache Reste anzutreffen.
Cieza de Leon unterscheidet in den Territorien von Puerto Viejo und Guayaquil zwei
Arten von Eingeborenen. Die einen, die am C. Passaos und am Fluss von Santiago und
weiter südwärts, also in der heutigen Provinz Manavi, Wohnenden seien dadurch unter-
schieden, dass sie ihr Gesicht zeichneten, und zwar gingen die Striche von der Ohrwurzel
bis zum Kinn.* 2) Die andern nennt er nicht; aus dem ganzen Zusammenhang aber geht her-
kufin ting pu Sen kuàng tsl tá kuoh sT Cäng-kiä Hü-t'ü-k'oh-r'rt «h .......................
sajin-i undusulukii tukemel niguleskui-tu yeke olon un hnk« u -* tr S1, Sian? tSan’
tabun turul-un dsalbaril maktagal. Jangja H utuktu-yin arban
sajín be niara bireme saín ambula jilangga araba gurun-i baksi Janggiya HCtuktu i
tofohon jalan-i nirugan-i maktacul. y tuiuu-i
J) Garcilasso I, 9. g.
2) Cieza I, 46.
Notizen über die Sprache der Colorados von Ecuador.
.46
vor, dass er den ersteren die Huancavillcas von Guayaquil gegenüberstellt, deren Stamm-
besonderheit war, dass den Kindern schon im frühen Alter drei Zähne jeder Kinnlade aus-
gebrochen wurden,1) was Garcilasso als eine ihnen vom Inca für ruchlose Empörung auf-
erlegte gnädige Strafe darstellt.* 2) In der Nähe der betriebsamen Hafenstadt sind die alten
Stammeseigenthümlichkeiten längst dahin geschwunden. Aber in dem von Urwald bedeckten
und von zahlreichen Wasseradern durchzogenem Berggewirr, dem Quellgebiet der Flüsse
Daule, Chones und Toachi, wo zahlreiche Querriegel die westliche Hauptkordillere mit den
Küstenketten verbinden, finden sich noch ein paar Dörfer, die von Indiern bewohnt werden,
welche die echten unverfälschten Nachkommen der alten Bewohner von Manavi zu sein
scheinen. Es sind dies die Dörfer Santo Domingo, San Miguel und Cocaniguas, deren Be-
wohner unter dem Namen Colorados bekannt sind, so genannt, weil sie sich das Gesicht,3)
oder, wie Herr de Wiener angiebt, der sie im Jahre 1880 besuchte, von Kopf zu Fuss ziegel-
roth anstrichen.4) Sie werden in Ecuador mit den andern nicht Hochland bewohnenden
Indiern unter dem Generalnamen Yumbo zusammengefasst,5) welcher hier statt des alten
Namen Yunca gebraucht wird, und sind, neben den Cavapas, die einzigen Indier der West-
seite Ecuador’s, die noch eine eigene Sprache bewahrt haben.
Um Uebrigen wusste man von ihnen wenig. Die Strassen, die zu ihnen führen — bei
Latacunga zweigt sich von der grossen, von Quito nach Guayaquil führenden Landstrasse ein
Pfad ab, der, zwischen den Vulkanen Corazon und Ilinissa hindurch, nach Santo Domingo
de los Colorados führt6) — sind Fusspfade, die durch den Urwald gehn und die zahlreichen
Rinnsale auf einzelnen darüber gelegten Baumstämmen überschreiten. Als ausgezeichnete
Waldläufer, helfen die Colorados denWeissen und Negern bei der Gewinnung des Kautschuk.
Sie bringen nach Quito Wachs, Kautschuk, Mani und getrockneten rothen Pfeifer. Von
Santo Domingo aus kommen sie bisweilen den Charapotö hinab, nach Manavi. Von San
Miguel aus gehn sie in Canoes nach Baizar am Rio Daule und bis nach Guayaquil. Die
Leute von Cocaniguas steigen im Thal des Pachi nach Esmeraldas hinab. Für gewöhnlich
leben sie zerstreut in den Wäldern und sammeln sich nur in ihren Dörfern, wenn an hohen
Festtagen ein Pfarrgeistlicher zu ihnen kommt.7) Wegen Mangels an Priestern ist es indess
bisher fast unmöglich gewesen, sie gehörig zu pastoriren. Ein im Jahre 1874 vertriebener
deutscher Priester, welcher in Quito wohnte, entschloss sich im Jahre 1880, diese verlassenen
Indier aufzusuchen und blieb vier Monate unter ihnen. Im Jahre 1882 ging er zu ihnen zurück.
Als Dolmetscher diente ihm anfangs der Gobernador, ein Colorado, welcher das Spanische
gut versteht. Jetzt versteht der betreffende Priester das Colorado so ziemlich und ist auch
das Quechua mächtig. Derselbe hat ein kleines Vocabular der Sprache der Colorados und
eine Uebersetzung der kleinen Katechismusfragen angefertigt, die im Folgenden zum Abdruck
gelangen. Ich erhielt diese durch gütige Vermittelung des Herrn Bischof Thiel von Costa
Rica, dessen Eifer für die Wissenschaft wir eine schöne Sammlung von Wörter der Costa
Rica-Sprachen verdanken, über welche ich demnächst ausführlicher zu berichten gedenke.
Die Notizen, die mir der Herr Bischof ausserdem über das Aeussere der Colorados
J) Gieza I, 49.
2) Garcilasso I, 9. 3.
3) Manuel Villavicencia, Geogr. Rep. Ecuador p. 295 u. 296.
4) Globus 47, p. 274.
5) Villavicencio, 1. c. p. 168.
c) Briefliche Mittheilung des Bischofs Thiel von Costa Rica.
7) Villavicencio, 1. c. p. 295.
Notizen über die Sprache der Colorados von Ecuador.
47
und über ihre Sitten gibt, stimmen im Wesentlichen mit dem überein, was Herr de Wiener,
der, wie erwähnt, im Jahre 1880 in S. Miguel war und seine Informationen dort von dem-
selben Priester erhielt, vor Kurzem veröffentlicht hat.1) Die Colorados sind hellgelb (von
der Farbe des gelblichen Elfenbeins, sagt Herr de Wiener). Unter den 5oo, welche gesehen
wurden, hatten drei langes blondes Haar und röthliche Augen. (Herr de Wiener gibt noch
an, dass sie Gesicht und Arme manchmal durch Zeichnungen entstellen, und gibt eine nach
einer Photographie angefertigte Zeichnung eines Colorado, wo Paare von Strichbändern über
Stirn, Nase und von der Ohrwurzel zum Kinn gezogen sind, an die Beschreibung erinnernd,
die Cieza de Leon von der bei den alten Bewohnern von Puerto Viejo üblichen Bemalung
gibt (siehe oben.) Die Colorados gehn nackt umher, haben nur eine kleine Schürze um die
Lenden. (Nach Herrn de Wiener tragen sie Federkronen, metallene Armbänder und kleine
Ponchos, ganz ähnlich denen, wie sie in peruanischen Gräbern gefunden werden; ausserdem
Halsbänder aus Körnern, Vogelknochen und europäische Glasperlen.) Sie leben ein fried-
liches, unschuldiges Leben in ihren Wäldern. Eigenthümlich ist ein Brauch, den sie bei der
Bestattung üben. Sie begraben ihre Toten unter einem grossen Baume. Um den Leib des
Toten wird eine Schnur gebunden, die aus dem Grabe herauskommt und lang genug sein
muss, um oben an einem Aste befestigt zu werden. Täglich besuchen sie ihren Toten, setzen
Mais und Chicha hin. So lange die Schnur noch nicht verfault ist, glauben sie, bleibe die
Seele des Toten in der Umgegend. Wenn die Schnur zerreisst, hat die Seele ihren Weg zum
Grossen Geiste gefunden.2)
Ich lasse nun die Wörter und Phrasen in der Form und Ordnung folgen, wie sie mir
überliefert sind, meine Bemerkungen mir zum Schluss sparend. Die Zahlen über fünf und
einige andere Wörter sind dem Quechua entnommen, wie ich das in den beigesetzten Klam-
mern gleich bemerkt habe. Ch wird wie im Spanischen, also wie ts; sh wie im Englischen,
also wie s, ausgesprochen.
1. eins manga. 18. viermal humpalulone.
2. zwei paluga. 19. fünfmal mantane'.
3. drei paiman. u. s. w.
4. vier humba lulö. 20. zehnmal chungane.
5. fünf manta. 21. der erste caque'.
6. sechs sta (quech. canchis). 22. der zweite venetäläle.
7. sieben canchi (quech. canchis). 23. der dritte näne pele'.
8. acht poza (quech. pusa/). 24. der vierte neanaca.
9. neun ishco (quech. iskon). 25. der fünfte naneanä.
10. zehn chunga (quech. chunca). 26. der sechste nanean beneche.
11. hundert patza (quech. pacha/). 27. ich la.
12. zweihundert palupatza. 28. du nu.
i3. tausend mil (span.). 29. er ne.
14. zweitausend palu mil. 3o. wir lache'.
15. einmal mänere. 3i. ihr nuche.
16. zweimal palune. 32. sie nuche'.
17. dreimal paimane'. 33. mein Vater lachi äpa.
2j Briefliche?Mittheilung des Bischofs Thiel. Vgl. die Darstellung de Wiener’s im Globus, die
nur in unwesentlichen Details abweicht.
48
Notizen über die Sprache der Colorados von Ecuador.
34. dein Vater nuchí apa.
35. sein Vater chitichí apa.
36. Bruder acó.
37. meine Brüder hanlachí acó.
38. deine Brüder hannuchí acó.
39. seine Brüder hanchitichi acó.
40. Kirche pampa.
41. unsere Kirche cocina pampa.
(? cocina sp. „Küche”).
42. ich habe tágoe.
43. du hast nutáe.
44. er hat yatáé.
45. wir haben chiquilla tágoe.
46. ihr habt llatágoe.
47. sie haben ya lláte.
48. er ist chiquilla.
49. ihr seid numanga.
50. Regen chuáptana.
51. Himmel ióquido oder
52. lochincho.
53. Sonne ió.
54. Mond pe.
55. Stern tzabó.
56. Donner cunta.
57. Blitz pinda.
58- Hitze chibage oder
59. lo balbá hoe.
60. Kälte hidage.
61. Tag ma.
62. Morgen ayuna (span.).
63. Mittag ió tu.
64. Abend qué bina.
.65. Nacht lerne hua oder
66. quepe.
67. Woche domingo (span.).
68- eine Woche madomingo.
69. Monat mampe.
70. Jahr watá (quech. huata).
71. Kopf muchú (quech. muchu Nacken).
72. Auge cacó.
73. Hand téde.
74. Bein nede.
75. Finger témichu.
76. Mund fiquíforó.
77. Nase quinfú.
78. Bauch pécolo.
79. Herz teng ca.
80. Haar apichü.
81. Armschmuck calätatechili.
82. Kopfschmuck michu chili.
83. Halsschmuck chululuvi oder
84. chululu
85. Nasenschmuck zocpe'.
86. Körper chilatzatze poca.
87. Seele, Geist puiancö.
88. Blut assang.
89. Leben chiquilla sonänu.
90. klein, kurz nachine', sinanü.
91. lang oänga sönanu.
92. Gift chuilla.
93. krank quiangpu oder
94. quie'mpo.
95. gesund mosait näio.
96. gesund sesemba.
97. todt puana.
98- Schmerz quianguü.
99. der Todt puiang pu.
100. Mann unilla.
101. Weib söna söna.
102. Vater apa.
103. Mutter aya.
104. Sohn nao.
105. Bruder acö.
106. Schwester soque'.
107. Onkel mampi.
108. Tante mämpeso.
109. Tochter namä.
110. Jüngling mangar mozo (halb span.).
111. alt unica.
112. Fieber hiedäcpara.
113. roth chachila.
114. weiss fibaga.
115. schwarz fabäga.
116. Haus ia.
117. Thür tamo pongo (quech. tampu puncu
Herbergsthür?)
118. Dach wiriäpa.
119. Küche näda.
120. Ochs uala.
121. Pferd quelä.
122. Schwein cutchi (span.).
123. Huhn ualpa (vgl. quech. atahuallpa).
Notizen über die Sprache der Colorados von Ecuador.
49
124. Hühnchen ualpana.
125. Hahn ualpa unila.
126. neu pipoca.
127. Fleisch tachiga.
128. Hund chuchi (aztek. sp. am. chichi).
12g. Wasser, Fluss pi.
130. Salz pima.
131. ein Thaler Salz maiibarra pima.
132. Milch zabe'be.
133. Brod bibü.
134. Brennholz te.
135. Gras zelä.
136. Feuer ni.
137. Teller vibänido (?).
138. Gefäss garro (span, jarro Krug).
139. Stück mämbite.
140. Stein chu.
141. Fisch oazä.
142. Angel berü.
143. Decke loazä.
144. Vogel pichö (quech. pichiu, piscu).
145. Gold laquegala.
146. Silber galä.
147. Messer cuchillo (span.).
148. Baum chitue'.
149. Berg hele.
150. Blatt papä.
151. hart ptolo hoä.
152. Stock chue'.
153. Hand e.
154. Pastor pätile.
155. Weg miniö.
156. Boden to.
157. weit entfernt bare'.
158. nahe hate.
15g. reich tang.
160. leicht veve.
161. langsam jucang.
162. viel patagena oder
163. le'gari.
164. wenig nasine.
165. nichts ictöa.
166. gross avä chue.
167. klein nägao.
168. schön, hübsch se'hue.
169. hässlich dice'to.
170. wild papo.
171. Wachs chinapa.
172. immer quinac.
173. mein tina.
174. ja aha oder
175. hoä.
176. der grosse Sohn anän näo.
177. unverheirathet mangare hunla.
178. verheirathet unilatang.
179. wer? moa?
180. schreiben chitide.
181 - öffnen forode.
182. schliessen döde.
183. verkaufen oside'.
184. kaufen oziäna.
185. geben iöa oe.
186. regnen choägena.
187. schlagen olaga.
188. kochen täde.
189. essen fide.
190. weinen oarinü.
191. sich verbrennen nienü.
192. knien tele'ide.
ig3. gewinnen ganäe (span, ganar).
194. bezahlen calaquade.
195. lachen cacäride.
196. sterben poächi tu oe.
197. leben sönrade.
198. begraben menäde.
199. schneiden pure'de.
200. graben töade.
201. säen wöa que'de.
202. tödten uälpato te'de.
203. besteigen chüdide.
204. sich setzen chüdide.
205. laufen chüide.
206. rufen, laut otide.
207. verzeihen queti oe.
208. streiten quicälagine.
209. wegwerfen tobique'rede.
210. trinken cuchide oder
211. cuchizä oder
212. cuchillace'de.
213. lügen nene' pami.
214. stehlen tarimpo.
! 215. sündigen queca alagina.
7
Notizen über die Sprache der Colorados von Ecuador.
sich waschen pipi achä.
kämmen paranguizä.
schweigen mozarde'.
antworten becö bomö.
sich auf die Erde werfen rodizä.
sich erheben cupade'.
222. arbeiten vitä.
223. essen filainö.
224. weinen chinö.
225. gehen mailainö.
226. schlafen catzozä.
227. Wie heisst Du?
timu muna?
228. Wie oft hast Du gefehlt? niriane falta icäto (falta span.).
229. Warum hast Du gefehlt? ririaito hatuto.
230. Niemals habe ich gefehlt numare manta.
231. Guten Tag cimä hua.
232. Gute Nacht ora quebina.
233. Geduld lampo.
234. Sünde ozätang.
235. Zorn pämque.
236. Liebe Gott, so gehst Du zu Gott, zum Himmel Dios chiminechä ioquidö minecha.
237. Bekenne Deine Fehler zing confesa quinesa.
238. Klage an Deine Fehler nozätela läriza.
239. Bete jeden Morgen und Abend quepena lechäquina telale quebi rezagi häginu.
240. Hast Du den Zaubrer gerufen? pone'labe farinu?
241. Widersprichst Du dem Vater? apaga ticho mecöpäto.
242. Widersprichst Du der Mutter? ayanga tichi mecöpäto.
243. Widersprichst Du dem Gatten? unillaga tequi chomecöpäto.
244. Habe Geduld sequema sönate.
245. Streite nicht tinango areque catuna.
246. Sei nicht zornig tinang paituna.
247. Hast Du Streit gehabt mit dem Vater? apaga quemi.
248. Hast Du Streit gehabt mit der Mutter? ayanga quemi.
249. Hast Du Streit gehabt mit den Kindern? naoga quemi.
250. Hast Du Streit gehabt mit den Colorados? tachillaga quemi.
251. Hast Du Branntwein getrunken? aguardiente cuchimi?
252. Trinke nur ein Glas tina cuchi tuäna.
253. Wirf es fort tobi querede.
254. Hast Du Chicha getrunken? mala cuchimi?
255. Bist Du betrunken gewesen? manina vingang.
256. Das ist böse ouän hoza.
257. Thue es nicht mehr tine cätu de.
258. Vom Manne die Ehe brechen manequiza tina.
25g. Von der Frau die Ehe brechen mangazächi tensa mayo.
260. Von einem jungen Manne die Ehe brechen mängarin zachi.
261. Von einem jungen Mädchen die Ehe brechen mangarin zonä.
262. Mit Weibern nicht scherzen sonälabe tensätana.
263. Mit Männern nicht scherzen unillabe tensätana.
264. Du hast gestohlen nu tarimayo.
265. Du musst zurückgeben nelohotö pagare quete.
266. Du lügst nu nene pämayo.
267. Schlecht vom Nächsten sprechen uianlä pätinu, oder
Notizen über die Sprache der Colorados von Ecuador.
51
268. Schlecht vom Nächsten sprechen huanla meco patinu.
269. Hass oder Rache haben lachi haga quiremöqueto.
270. Fleisch essen tachica finu.
271. Gott verzeiht Dir Dios tele'ga perdonai (span.).
272. Sündige nicht mehr tinangoza cätude.
273. Es gibt einen Gott mangarin Dios.
274. Gott ist im Himmel Dios iöquidobe.
275. Gott ist überall Dios chitelate tihele.
276. Gott hat keinen Körper Dios tepö cäitö.
277. Gott weiss alles Dios telale mi.
278. Gott hört alles Dios merä oe.
279. Gott sieht alles Dios quidä oe.
280. gut, bös mirä oe, jucang.
281. Die Sonne ist nicht Gott iö Dios chüe.
282. Der Mond ist nicht Gott pe Dios chüe.
283. Gott hat die Sonne, Mond, Körper und Seele gemacht Dios queca io, pe, lachitzachi,
puangoco.
284. In Gott sind drei Personen Dios chi paiman.
285. Jesus Christus ist Sohn Gottes J. C. Dios chi nao.
286. Jesus Christus ist Gott und Mensch J. C. Dios i unilla.
287. Maria ist Mutter Jesu Christi Maria J. Cristochi aya.
288- Jesus Christus hat keine Sünde J. C. tiuzä itö.
289. Jesus Christus starb am Kreuz J. C. chiquilla chitengchi puä.
290. Jesus Christus wurde begraben für drei Tage J. C. paiman mamenaco.
291. Jesus Christus erhob sich vom Grabe J. C. paiman mätemangson oder
292. Jesus Christus erhob sich vom Grabe J. C. ichunäto binemenarami.
293. Jesus Christus ist im Himmel mit Körper und Seele J. C. amannä cielobi puca.
294- Die Seele stirbt nicht tenga puatumi.
295. Der Körper stirbt tenga puan mi.
296. Der Hund hat keine Seele chuchu tite'nga itö.
297. Die Seele ist mehr als der Körper chila chi tenga timila puatumö.
298. Die Seele geht zu Gott chilla chi tenga Dios hemi.
299. Der Körper geht zur Erde chilla chi chazi cato purarä hemi.
300. Der Mensch hat eine Seele unilla zachi puämi.
301. Das Weib hat eine Seele sonala puämi.
302. Im Himmel sterben sie nicht ioquidobi puäti chunä.
303. Im Himmel sind sie nicht krank quiä hi chunä.
Einige Personennamen der Colorados:
Biturr, Cömbalo, Gende, Orazona, Jusana, Jchung, Calacün, Zango, Zaragai,
Avaveli, Alope, Machin, Laquinchi, Lotche.
Meist haben sie spanische und Quechua-Namen.
Bemerkungen.
Eine genauere Durchsicht des oben gegebenen Vocabulars zeigt, dass mehrere der
deutschen Uebersetzungen nur im Allgemeinen den Sinn der indischen Phrase wiedergeben,
stellenweise vielleicht geradezu irrthümlich sind. Ich will im Folgenden versuchen, die Sache
52
Notizen über die Sprache der Colorados von Ecuador.
richtig zu stellen, so weit es nach dem spärlichen Material möglich ist; zuvor aber dasjenige,
was sich von grammatischen Beziehungen erkennen lässt, zusammenstellen.
Das Genitivverhältniss wird in der Sprache der Colorados durch die Partikel chi
ausgedrückt, die zwischen den Besitzer und den ihm zugehörigen Gegenstand tritt:
la ich, lachi mein, nu du, nuchi dein.
J. C. Dios chi nao, J. Chr. (ist) Gottes Sohn.
Maria J. Cristochi aya Maria ist J. Christi Mutter.
Von andern Verhältnisssuffixen ist zu erwähnen:
Die Partikel be oder bi, die wie die gleichklingende Quechua pi den Locativ be-
zeichnet, aber auch den Illativ, wofür im Quechua eine andere Partikel eintritt.
Dios iöquidobe Gott ist im Himmel.
J. C. amannä cielobi puca J. Chr. ist im Himmel mit Körper und Seele,
ioquidobi puäti chunä im Himmel sterben sie nicht,
to bi querede wirf es weg (auf den Boden).
Gemeinschaft und Gegensatz wird ausgedrückt durch die Partikel ga:
apaga ticho mecöpäto widersprichst Du dem Vater?
apaga quemi hast Du Streit gehabt mit dem Vater?
Der Quechua-Partikel yok entspricht die Partikel tang, den Besitzer des betreffenden
Gegenstandes bezeichnend:
unilla tang (wörtlich „einen Mann habend”) = verheirathet,
ozätang ist angegeben als „Sünde”, bedeutet aber „Sündenbehaftet”, denn „Sünde”
heisst oza, vgl. tinang oza catude „sündige nicht mehr”.
Dies tang hängt vielleicht mit tang „reich” und tag „haben” zusammen.
Ein Verbum substantivum scheint nicht zu existiren:
J. C. Dios i unilla J. Chr. ist Gott und (span, y) Mensch.
Dagegen kommt eine Art copula privativa dadurch zu Stande, dass das mit dem
Suffix itö behaftete Wort durch vorgesetztes ti einem andern angefügt wird, aussagend, dass
das durch das letztere bezeichnete Subject die Eigenschaft oder den Gegenstand nicht besitzt,
den das erstere Wort bezeichnet.
chuchu tite'nga itö der Hund hat keine Seele oder ist ohne Seele (tenga).
J. C. tiuzäitö Jesus Christus hat keine Sünde (oza).
Dios tepöcäitö Gott hat keinen Körper (pöcä).
Der negirte Satz wird sonst durch tina gebildet, das auch absolut in der Bedeutung
„nein” angeführt ist:
tine catude Thue es nicht mehr,
tinang oza catude Sündige nicht mehr,
tinangoarequecätuna Streite nicht,
tinang paituna Sei nicht zornig.
Daneben aber sind durch Negativsätze ein paar Phrasen übersetzt, in denen die Silbe
chu eine Rolle spielt:
iö Dios chüe die Sonne ist nicht Gott,
pe Dios chüe der Mond ist nicht Gott,
ioquidobi puäti chunä im Himmel sterben sie nicht.
Vielleicht ist das eigentlich eine Fragepartikel, entsprechend der gleichlautenden des Quechua.
Eine Pluralbezeichnung tritt nur in den Personalpronomen lache' wir, nuche' ihr und
in den Beispielen:
Notizen über die Sprache der Colorados von Ecuador.
53
han lachí acó meine Brüder, hannuchí acó deine Brüder,
han chitichi acó seine Brüder
hervor, wo han ein vorgesetztes Demonstrativum zu sein scheint.
Von Verbalsuffixen ist ein Imperativsuffix de deutlich erkennbar:
tobi quérede wirf es weg (auf den Boden),
tiñe cátude thue es nicht mehr,
tinang oza cátude sündige nicht mehr.
Dasselbe Suffix haben auch eine grosse Zahl der in der Liste als Infinitive aufgeführten
Verben (180—83, 188, 189, 192, 194, 195, 197—206, 210, 212, 218, 221).
Eine ähnliche Bedeutung scheint auch dem Suffix za oder sa innezuwohnen:
nozátelaláriza bekenne deine Sünden (ozá) alle (telale).
Auch dies Suffix weisen mehrere Verba der Liste auf, z. B.:
trinken cuchi-de oder cuchi-za.
Daneben scheint auch eine Art Prohibitiv auf tana, tuna zu existiren:
sonálabe tensátana mit Weibern nicht scherzen,
unillabe tensátana mit Männern nicht scherzen,
tinang paituna sei nicht zornig,
tina cuchi tuána trinke nur ein Glas.
Das Suffix m i tritt in einigen Phrasen auf, die es zweifelhaft machen, ob man es als
Suffix der zweiten Person oder als Fragepartikel ansehen soll:
mala cuchimi hast du Chichu getrunken,
aguardiente cuchimi hast du Branntwein getrunken,
apaga quemi hast du Streit gehabt mit dem Vater.
Andere male wieder tritt das mi in Phrasen auf, die in der Uebersetzung offenbar un-
genau wiedergegeben sind und wo man es bald als Fragepartikel, bald als Affirmativpartikel
der dritten Person, vergleichbar dem Quechuami ansehen möchte. Diese sind:
tenga puatumi, tenga puanmi,
die übersetzt werden: „Die Seele stirbt nicht, der Körper stirbt”, in denen aber das Wort
„Körper” gar nicht vorkommt, und die mir beide die Wiedergabe der Frage: „Ist die Seele
(tenga) sterblich (pilé)”? zu sein scheinen. — Ferner
unilla záchi piíámi,
sonála piíámi,
die übersetzt werden: „der Mensch hat eine Seele, das Weib hat eine Seele”, wo aber
wiederum von Seele nichts vorkommt, die mir vielmehr die Antwort auf die vorigen Fragen
zu enthalten scheinen, bedeutend:
„der Körper (zachi) des Mannes stirbt”,
„das Weib (d. s. der Körper des Weibes) stirbt”.
Verwandt erscheint das Suffix mayo, bei dem aber eine Fragebeziehung aus der
Uebersetzung nicht erkennbar ist.
nu tarimayo du hast gestohlen,
nu nene pámayo du lügst.
manga zachi tensámayo mit einem Manne Unzucht treiben, Ehe brechen.
Mit pu oder co werden Verbalnomina gebildet:
puá, Radikal für „sterben”, puiangpu der Todte.
puiangco der Geist des Abgeschiedenen, die Seele,
quiang-pu oder quiem-pu krank.
54
Notizen über die Sprache der Colorados von Ecuador.
tarimpo ist mit „stehlen” übersetzt, scheint aber vielmehr gestohlenes Gut zu
bedeuten.
Oe, was bei mehreren der in der Liste aufgeführten Verben und auch unter den
Phrasen auftritt, scheint nur eine Bekräftigungspartikel und vielleicht wie in polo hoa „hart”,
se hue „hübsch”, lo balbä hüe Hitze, cimä hua guten Tag, lerne hua Nacht. Vgl. 174 aha
oder hoa „ja”.
Zweifelhaft erscheint nu, das vielleicht eine Causativpartikel darstellt:
ni Feuer, nienu sich verbrennen.
Personalpronomina sind:
la ich, nu du, ne oder ya er,
lache wir, nuche ihr, ya (oder han?) sie,
und davon wrerden die Possessiva
lachi mein, nuchi dein, chitichi sein
mittels der Genitivpartikel chi gebildet.
Von andern Pronominibas ist nur das Intervogativum moa wer? angeführt.
Die Grundzahlen sind nur bis fünf vorhanden. Sie lauten:
manga eins, palugä zwei, paiman drei, humbälulö vier, manta fünf.
Ueber die ursprüngliche Bedeutung derselben wreiss ich nichts anzugeben.
manga ist interessant, weil sich hier aus dem Begriff der Einheit, des Alleinseins, der
von „jung, unverheirathet” herausgebildet hat:
mangarin Dios es ist nur ein Gott,
mangarin zachi ein junger Mann,
mangarin zona ein junges Mädchen,
mangar mozo (span.) ein Jüngling,
mangare hunla unverheirathet.
Die Grundform der zwei ist offenbar palu, und dieselbe Form ist auch in der vier
deutlich zu erkennen.
Für die Zahlen 6—10 treten die Quechuabezeichnungen ein, ebenso für 100, während
1000 durch das spanische mil gegeben wird.
Aus den Grundzahlen werden Multiplicativa durch Anhängung der Silbe ne gebildet.
Ganz abweichend gebildet und dunkel sind die Ordnungszahlen.
Von syntaktischen Verhältnissen ist, ausser der Genitivbildung mit chi, noch zu er-
wähnen, dass das Attribut vor seinem Nomen steht, übereinstimmend mit dem Quechua,
Aymara und dem Dialekt von Moche und Eten an der Küste von Peru, aber abweichend
vom Chibcha, Guarani und den Sprachen des eigentlichen Centralamerika.
Ich komme nun zu dem lexicographischen Theil. Hier will ich zunächst einen Punkt
erörtern, der mir auffällig gewesen ist. Herr de Wiener, der, wie ich nach den mir zu-
gegangenen Mittheilungen anzunehmen berechtigt bin, seine Informationen über die Colorados
demselben deutschen Priester verdankt, wxlcher das oben abgedruckte Vocabular gesammelt,
gibt an, dass die Colorados sich selbst Sacchas nennen. Unter den Phrasen oben finden wir:
Hast du Streit gehabt mit den Colorados? tachillaga quemi.
Dieses Wort tachilla erinnert an zwei Worte. Einmal finden wir das Wort zachi oder
tzachi, auch tzatze. Dasselbe erscheint in der Bedeutung „Körper”, z. B.:
Dios queca iö pe lachitzachi puängoco Gott hat Sonne, Mond, (unsern) Körper
und Seele gemacht,
Notizen über die Sprache der Colorados von Ecuador.
55
aber auch in der Bedeutung „Mensch, Mann”:
mangarin zachi ein junger Mann,
manga zachi tensamayo mit einem Manne Unzucht treiben, Ehe brechen.
Daneben kommt aber auch das Wort chilla in der Bedeutung „Mensch” vor:
chilla chi tenga Dios hemi die Seele (des Menschen) geht zu Gott,
chilla chi tenga timila puatumö die Seele (des Menschen) ist mehr als der Körper,
chilla chi chazi (offenbar verschrieben für zachi) cato purara hemi der Körper des
Menschen geht zur Erde,
chila tzatze pöca Körper.
Das Wort zachi ist offenbar dasselbe wie Wiener’s Saccha, und zachi sowohl wie chilla
konnten beide aus einer volleren Form tzachilla (•= dem obigen tachilla) hervorgegangen sein.
Das tzachilla wiederum erinnert an chachila „roth”. Demnach wäre der von de Wiener an-
gegebene Stammname, wie die in den Phrasen auftretenden Bezeichnungen für Mensch,
Uebersetzungen des Namens Colorados „roth”, den sie auch im Spanischen tragen.
Was im Einzelnen die Wörter des Vocabulars angeht, so habe ich über die Zahlen
und die Pronomina schon gesprochen.
No. 41. cocina pampa „Unsere Kirche (pampe)” verstehe ich nicht. Im Manuscript
findet sich die Bemerkung: „cocina sicher aus dem Spanischen Küche”.
48. chiquilla „er ist” und 45. chiquilla tägoe „wir haben”. Dazu 89. chiquilla sonänu
„Leben” und J. C. chiquilla chi tengchi pua „J. Chr. starb am Kreuz”. — Sollte chiquilla mit
chilla „Mensch” Zusammenhängen?
49. numanga „Ihr seid”? dem Wortsinn nach würde man übersetzen „Du allein”.
69. mampe „Monat” ist vielleicht „ein (manga) Mond (pe)”. Vgl. mam-bite „ein Stück”.
75. temichu „Finger” ist vielleicht „Handspitze” (te'de Hand, muchu Kopf, Ende?).
76. fiquiforo „Mund” ist zu vergleichen mit foro-de öffnen.
79. tengca „Herz” und das in den Katechismusfragen vorkommende tenga „Seele” sind
offenbar identisch.
85. zocpe' „Nasenschmuck”. Vielleicht von pe „Mond”. Vgl. Quillasenca.
86. chilatzatze' pocä „Körper”. Offenbar zwei Synonyme: chilatzatze' „Mensch, Menschen-
leib, Körper” und pocä („das Sterbliche”?) der „Körper”. Vgl. 276. Dios te'pöcäitö „Gott hat
keinen Körper” und 373.
89. chiquilla sonänu „Leben”, vgl, Bemerkung zu 48.
90. nachine sinanü „klein, kurz”, heisst offenbar: „kurzes Leben” (vgl. 164. nasine
„wenig”).
gi. oanga sönanü „lang”, offenbar ebenfall „langes Leben”.
98. quianguü „Schmerz”, scheint verschrieben für quiangcu oder quiang pu.
99. puiangpu „der Todt”, soll wohl heissen „der Tote”, vgl. 87. puiancö „Seele, Geist”
(des Abgeschiedenen) und 283.
101. söna söna „Weib” ist wohl eine Pluralform durch Verdoppelung. In den
Katechismusfragen ist mehrfach sonäla übersetzt.
108. mampeso „Tante”, wohl von mampi „Onkel” und so = sonä.
110. mangar mozo „Jüngling”, s. oben bei manga.
112. hiedäcpara „Fieber”, vgl. 60. hidage Kälte.
134. te „Brennholz” ist wohl eigentlich „Ast, Zweig”, vgl. tede Arm, temichu Finger,
techili Armschmuck.
56
Notizen über die Sprache der Colorados von Ecuador.
161. jucang „langsam”, unter 280. auch als „böse, schlecht” angegeben. Vgl. auch 256
und 267, 268.
166. avä chue „gross”, vielleicht „grosser Stock” (chue').
167. nagao „klein”, vgl. nasine „wenig”, nao „Sohn” und das Diminutiv na in ualpana
Hühnchen.
168. se'hue „hübsch” ist vielleicht se-hüe oder se-oe, und
169. dice'to „hässlich”, vielleicht ti-se-itö. Vgl. oben die copula privativa.
180 ff. Die Verba sind meist in der Imperativform auf de angegeben.
202. uälpatotede „töten”, heisst „ein Huhn (ualpa) töten”.
209. tobiquerede „wegwerfen”, heisst wörtlich: „wirf auf den Boden” (to und Locativ-
suffix bi).
213. nene'pami „lügen”, eigentlich wohl „lügst Du?”, vgl. „reden, sagen” in 241—245,
267 und 268 und pätile Pastor.
Unter den Phrasen 227 ff. sind mir einige nicht ganz klar geworden.
234. ozalang „Sünde”, heisst wohl eigentlich „Sündebehaftet”.
236. ? Sollte minechä mit miniö „Weg” Zusammenhängen”.
239. rezagi offenbar spanisch reza, rezo Gebet und häginu = spanisch haga?
244. sönate Imperativ „lebe”.
278. Dios merä oe „Gott hört alles” und 280. mirä oe „gut”, lassen sich schwer ver-
einigen, ausser durch die Annahme, dass das erstere nicht zutreffend übersetzt ist und eigent-
lich bedeutet: „Gott ist gut”.
289. ist mir ganz unklar.
290. J. C. paiman ma me'naco. Siehe ma „Tag” und me'na-de „begrabe”.
Ueber 294 u. 295 und 3oo u. 3oi habe ich schon oben gesprochen.
Was nun die Stellung der Sprache der Colorados betrifft, so ist es mir bisher noch
nicht möglich gewesen, deutliche Zusammenhänge mit irgend einem der bekannten Dialecte
aufzuweisen, aya „Mutter” hat wohl nur zufällige Aehnlichkeit mit arowakisch uyu. fide
„iss” und tachica finu „Fleisch essen” erinnert an phenno „essen” der Sprache der Yunca
von Eten.J) Im Uebrigen ist diese Sprache, an die man ja zunächst denken möchte, voll-
ständig verschieden von der der Colorados. Auch Cieza gibt an, dass die Indier des Distrikts
von Puerto viejo eine andere Sprache redeten als die Huancavillcas und die Leute von
Tumbez und Trujillo. Aufschlüsse Hessen sich vielleicht aus der Sprache der Cayapa ge-
winnen, die nach Villavicencio: conservan su primitivo indiano que es algo gutural,* 2) wenn
von dieser Sprache noch etwas zu retten ist. Doch schreibt mir Bischof Thiel: „Meines
Wissens sind die Colorados die einzigen Indianer der Westseite Ecuador’s, welche ihre Sprache
behalten haben. In Esmeraldas und Guayas sucht man vergebens nach Sprachresten.
Berlin. Juni i885. Ed. SELER.
A. Bastian, Culturländer des alten Amerika I, p. 169—173.
2) 1. c. p. 168.
Durch die während des Umzugs der Ethnologischen Sammlung angehäuften
Arbeiten ist das Erscheinen dieses Heftes in Rückstand gerathen, wird indess durch
die in Zwischenzeit ermöglichte Anfüllung vollauf Ersatz dafür bieten. Ereignisse,
wie sie sich hier verzeichnen lassen, Ereignisse, wie in der durch Dr. Finsch zwei-
maligen Bereisung Oceanien’s vollzogenen Grossthat zum Ausdruck gelangen, stehen
als einzige da in der Ethnologie und werden im Geschichtsgange derselben als einzige
ihrer Art verbleibend zu gelten haben (unter Betracht der gegebenen Verhältnisse).
Ein gleich umfassender Apparat für wissenschaftliche Studien ist niemals noch aus
Oceanien’s Inselwelt, seit sie der Kenntniss sich erschlossen hat, durch die Thätigkeit
eines Einzelreisenden zusammenhängend beschafft worden, und auf die letzten
Fahrten fällt zugleich der Ruhmesglanz erster Entdeckung, aus den Kostbarkeiten
ethnischer Originalitäten hervorleuchtend, die hier ungetrübt und rein noch glücklich
gerettet worden.
Und eine ähnliche Glorie umstrahlt, was aus Afrika zu berichten die Original-
Mittheilungen sich in den Stand gesetzt finden, die in den Werthen zuverlässig
treuer Aechtheit unschätzbaren Sammlungen, welche unsere kühnen Entdeckungs-
reisenden, (Pogge, Wissmann, Reichard, Francois und ihre Gefährten), aus vorher
unzugänglichen Innersten des dunklen Continentes jetzt an das Licht gestellt haben
und den Gelehrten der Heimath zu wissenschaftlicher Forschung übergeben.
Auch ausserdem noch bietet sich des Werthvollen Vieles in den nachfolgend
zur Verfügung gestellten Beiträgen, so vor allem in denjenigen Sammlungen, die in
Wohlgeneigter Erneuerung mehrfach schon bewährter Gönnerschaft durch Herrn
Er. W. Joest dem Museum aus Ost-Afrika zum Geschenk überwiesen sind, Samm-
lungen, die mit dem sicheren Tact eines welterfahrenen Blickes ausgewählt, dem
sachverständigen Kunstkenner besonders, solchen Hochgenuss gewähren werden,
wie unter zunehmender Detailkenntniss zu vollerer Würdigung zu gelangen pflegt.
Auch Herr Dr. Boas hat sich gütig bereit gefunden, den Werth der von ihm
geschenkten Sammlungen durch sachkundige Erläuterungen aus eigenen Erfahrungen
in willkommenster Weise zu erhöhen, und die Mittheilungen des Reisenden Kubary
schliessen sich denen des vorigen Heftes an (und werden fernere Fortsetzung erhalten).
Mai 1886.
IN H ALT.
Einleitung.
Ueber die ethnologischen Sammlungen aus der Südsee von Dr. O. Finsch.
Ethnographische Sammlung von Süd- und Ost-Borneo von dem Reisenden Grabowski.
Die Verbrechen und das Strafverfahren auf den Pelau-Inseln. J. S. Kubary.
Die ethnologische Ausstellung der Neu-Guinea-Compagnie. Dr. O. Finsch.
Notizen zur lamaistischen Ikonographie von dem Directorial-Assistenten Dr. Grünwedel. (Schluss.)
Sammlung aus Baffin-Land von Dr. F. Boas.
Afrikanische Sammlungen aus den Reisen Dr. Pogge’s (1877), Lieutenant Wissmann’s (1883), Lieutenant
von Francois1 (i885).
Sammlung aus Ost-Afrika, übersandt von den Reisenden der Afrikanischen Gesellschaft.
Verzeichniss der in Afrika im Jahre 1884 gesammelten ethnographischen Objecte von Wilhelm Joest.
Die Fabrication der jütländischen Töpfe, vom Director E. N. Ritzau in Kopenhagen eingesandt.
Die Holzschuh-Fabrication in Dänemark (von demselben).
Hochzeitsgebräuche der transsilvanischen Zelt-Zigeuner, beschrieben von Dr. Heinrich v. Wlislocki.
Sibirische Kurganographie.
Indianerstämme von Venezuela. Von S. Jorge Hartmann.
Nachwort. (Prof. Dr. Bastian, Dir.)
Tafel-Erklärung zu den Sammlungen von Dr. Finsch (Taf. I u. II) pag. 102 f.
Tafel-Erklärung zu den afrikanischen Sammlungen (v. d. Directorial-Assist. Dr. v. Luschan):
Tafel III.
Fig. 1. Becher, in Form eines menschlichen Kopfes, Holz, geschnitzt, mit Resten rother Bemalung,
o,23 m hoch. Wangen und Hals tätowirt, Frisur sehr auffallend stylisirt, wie eine Kappe
mit Widder-Hörnern wirkend. Die Enden der Frisur beiderseits abgebrochen, die Ohren
an unrichtiger Stelle als conische Zapfen.
Fig. 2. Menschliche Figur, hockend, Holz, geschnitzt, 0,19 m hoch, um den Hals und um die
Hüften ein Ring aus Eidechsenhaut, um die Hüften ausserdem ein Schurzfell, sonst
unbekleidet. Um den Hals Spiralstreifen aus Kupferblech. Mund, Nase, Augenbrauen- und
Backen-Gegend, sowie die Mitte der Stirne mit dünnem Kupferblech überzogen, auf dem
repoussirte Punkte Tätowirung andeuten. Die Augen sind durch Kaurimuscheln gebildet, den
behaarten Kopf überdecken Kupfernägel mit grossen conischen Köpfen, welche den Eindruck
von Haarbüscheln brillant wiedergeben. In der Scheitel-Gegend ein grosser schwerer Eisen-
nagel mit hohem, oben abgerundeten Kopfe.
Fig. 3. Menschliche Figur, aufrecht, Holz, geschnitzt, 0,19 m hoch, um Hals und Hüften je ein
Ring aus Eidechsenhaut, um die Hüften unter diesen noch ein Schurzfell; Nase, Mund,
Jochbein-Gegend und die Mitte der Stirne mit Kupferblech Uberkleidet, im übrigen Körper
zahlreiche Kupfernägel mit conischen Köpfen; ein besonders grosser in der Nabelgegend,
kleinere auch in den Ringen um Hals und Hüften, sowie am behaarten Kopf, wo sie die
Haarbüschel darstellen. Der Kopf selbst ist hohl und durch einen schweren runden Kupfer-
nagel geschlossen.
Fig. 4. Bogenhalter von Uguha, südwestlich vom Tanganyika See, o,58 m hoch; weibliche Figur,
Holz, sehr sorgfältig geschnitzt, mit grosser Frisur; um den Hals drei Reihen rother Perlen,
sonst unbekleidet. Am Bauche und am unteren Theile des Rückens bis zur Sacral-Gegend
stark erhaben vorstehende Tätowirung. Grosse Nabel-Hernie.
Tafel IV.
Fig. 1. Fetisch der Bangombe (25° südliche Breite, i9°3o' östliche Länge v. Gr.) Menschliche Figur,
0,62 m hoch, weiblich, um die Hüften ein Schurz aus Bastfasern, sonst unbekleidet; grosser
helmartiger Kopfputz; im Gesichte, speciell auch am Nasenrücken, die bei den Bangombe
übliche Tätowirung. In der Stirngegend und an den Augen Reste von rother und gelber
Bemalung. In der Gegend der Sprunggelenke war die Figur von ihrem Sockel abgebrochen
und ist dann mit Rotang-Fasern wieder festgeschnürt.
Fig. 2. Commandostab,Holz,geschnitzt,o,56mhoch. Oben ein menschl.Kopf m.grosser stylisirterFrisur.
Fig. 3. Commandostab. Holz, geschitzt, o,5o m hoch. Oben ein menschlicher Kopf, auf demselben
ein Mann mit Hut, auf einem Rinde reitend.
Ueber die ethnologischen Sammlungen aus der Südsee,
von DR. O. FINSCH,
welche in den Besitz des Königlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin gelangten.
Ergebnisse seiner, mit Unterstützung der Humboldt - Stiftung, in den Jahren 1879—!882 unter
nommenen Reisen.
Die Gesammtzahl der gesammelten Gegenstände beträgt an 3ooo Stück, wovon über die
Hälfte an das Königl. Museum überging, die sich nach den Localitäten folgendermassen vertheilen:
Aus Melanesien, auf Neu- Guinea (Südostküste), Neu-Britannien, Neu - Irland, f1) Admiralitäts-
Inseln, fSir Hardy-Inseln, fSalomons-Inseln, fHermites-Inseln, fAnchorites Inseln, fLaughlan-Insel.
Aus Polynesien für Mikronesien, auf Gilberts-Inseln, Marshall-Inseln, fOcean-Insel, Nawodo
(Pleasant-Island), Kuschai (Strongs-Island), Ponape (Ascension-Island), fRuk-Gruppe, fMortlok-Inseln,
fNuguoro, f Greenwich - Insel, fFaraulap, fMogmog, fUleai, fYap, fPelau, fTrobriand; für
Polynesien, auf Neu-Seeland, fSamoa-Inseln, fFotuna, fTokelau, fRotumah, fEllice-Gruppe,
fNiuafu, f Manahiki.
Aus den Inseln der Torres Strasse und Cap-York-Halbinsel, hierzu einzelne andere Localitäten.
Diverse.
Ethnologische Erläuterungen.
Von DR. O. FINSCH.
Die nachfolgenden Notizen geben nicht nur eine Darstellung dessen, was meine
Sammlung bietet, sondern auch eine ethnologische Skizze der von mir bereisten Inseln. Sie
machen auf die ethnologischen Eigenthümlichkeiten der verschiedenen Localitäten aufmerksam,
wie sie den gegenwärtigen Stand der Ethnologie schildern. Dabei zeigt sich die Thatsache
von dem schnellen Verschwinden aller Originalität nur zu deutlich, ein Verschwinden, das
bei dem gesteigerten Einfluss der Schifffahrt und Einführung einer europäischen Halbcultur
sich fortwährend steigert. Wie Krusenstern i8o3 auf Hawaii kein Eisen mehr verwerthen
konnte, so geht es jetzt in vielen, kürzlich noch unberührten Gebieten, und es giebt solche,
wo man bereits gewöhnliche Feuergewehre zurückweist und nur Hinterlader haben will.
Wenn daher z. ß. Professor Bastian in richtiger Würdigung dieser Verhältnisse sein Haupt-
bestreben darauf setzt, noch gerade im letzten Augenblick, ehe es ganz zu spät ist, soviel
Material als möglich zusammen zu bringen und darin, trotz gegentheiliger Ansicht Anderer,
fl Die vorn mit f bezeichnten Localitäten sind von dem Reisenden nicht selbst besucht worden.
8
58
Ueber die ethnologischen Sammlungen aus der Siidsee.
von seiner Regierung durch Bewilligung von Mitteln unterstützt wird, so wird ihm die
Nachwelt dafür mehr Anerkennung und Dank zollen, als dies jetzt geschieht. In der That
hat er jetzt bereits ein Material zusammen, wie es kaum anderswo übertroffen werden dürfte,
und spätere Forscher werden ihm keinen Vorwurf machen können. Denn man darf dreist
behaupten, dass in wenigen Jahrzehnten alle Eigenthümlichkeiten der Südseevölker ver-
schwunden sein werden und z. B. ein Topf von Neu-Guinea eine ebenso grosse Seltenheit
sein wird als einer der Schliemann’schen von Troja.
I. Zu Melanesien.
Neu-Guinea.
Mein Beobachtungs- resp. Sammelgebiet erstreckt sich längs der Südostküste, von
Freshwater-Bai bis Keppel-Bai und ca. i5 englische Meilen ins Innere, längs den Flüssen
Goldie und Laloki. Anthropologisch herrscht völlige Uebereinstimmung, ethnologisch grosse
Verschiedenheit in* Sitten, Lebensweise, Bauart der Häuser etc. Sprachlich lassen sich
mindestens sieben verschiedene Sprachen unterscheiden. — Durch Einfluss der Weissen,
namentlich der Mission ist schon viel Originalität verloren gegangen. So sind z. B. in
Port Moresby Steinbeile schon gänzlich verdrängt und mit vielem Anderen geht es ebenso.
Die Papuas dieses Theiles Neu-Guineas weichen ethnologisch sehr ab von denen der äussersten
Ostspitze, welche viel kunstreicher sind. Töpferei, wie Pfeil und Bogen, sind sehr sporadisch
verbreitet. Meine Sammlung enthält ungefähr Alles, was von diesen Stämmen verfertigt wird.
Ich führe einige Gegenstände an.
Eine schöne Serie von 17 Stück durchbohrt gearbeiteter Steinkeulen, die meist
von den Bergvölkern des Innern gemacht werden und in der Form sehr variiren: scheiben-
förmig; sternförmig; granatapfelförmig. Sie gehören zu dem Schönsten, was in diesem
Genre vorliegt und werden bald verschwunden sein, da sie schon jetzt selten werden. — Kein
Nephrit! Die gebräuchlichste Waffe ist der Wurfspeer von Palmholz, mit eingeschnitzten
Kerben. Ausserdem Holzkeulen zum Theil sehr schwer und gross, aber ohne besondere
Zierraten. Pfeil und Bogen sind nur bei gewissen Stämmen im Gebrauch, ebenso der
Schild. Hiervon giebt es zwei Sorten, eine aus Holz mit Bambu übersponnen und mit
Federn verziert, die sich vorzugsweise im Hood-Bai-District bis Aroma findet, und eine
andere ganz von Holz und äusserst kunstvoll gravirt (mit Muschel), die westlich in Maiva
und Freshwater-Bai vorkommt und wovon die Sammlung sechs Stück enthält.
Eigenthümlich ist der Menschenfänger, ein Reif aus Bambu mit einem Stachel,
welcher dem fliehenden Feind übergeworfen wird und ihn zum Stillstehen bringt. — Die
sonst überall beliebte Schleuder fehlt. — Ora oder Schweinefänger sind ebenfalls eigen-
thümlich, da die Jagd vorzugsweise mit grossen Stellnetzen betrieben wird. — Fischerei ist durch
verschiedene Netze, die Geräthschaften zum Netzstricken und das Rohmaterial in verschiedenen
Stadien der Bearbeitung vertreten. Die colossalen Netze zum Fange des Dugong (Halicore)
liessen sich nicht erstehen, da ein Tabu mit ihnen verbunden ist. Uhto ist eine eigenthümliche
schwimmende Fischschlinge, die ich anderswo nirgends sah.
Unter den Geräthschaften stehen Steinäxte (Ira) zum Bau der Canoe und Häuser
obenan, darunter die „Lachela” genannte, mit stellbarer Steinklinge, die nur in einem
gewissen Dorfe in Hood-Bai gebraucht wird. Steinäxte (keine aus Nephrit!) sind sehr reich
vertreten, die Sammlung enthält nicht weniger als 54 Stück. — Drillbohrer mit Feuerstein-
spitze sowie Ahlen aus Känguruhknochen vollenden die Geräthschaften. — Töpferei, die
Von Dr. O. Finsch
59
nur an wenigen Orten, hauptsächlich in Port Moresby betrieben wird, ist reich vertreten
durch die Hauptformen der Töpfe (21 Stück), die nur mit einem Stein und hölzernen
Klopfer mit bewunderungswerther Geschicklichkeit von den Weibern gefertigt werden,
durch Rohmaterial und die Geräthschaften. — Baubau heisst eine besondere Art Tabakspfeifen
aus Bambu, zum Theil sehr kunstvoll gravirt, die nur in diesem Theile Neu-Guineas
vorkommt. — Betelgenuss ist allgemein, der Kalk wird in Calebassen verwahrt, ohne
besonders künstliche Löffel dazu. Dagegen sind die Esslöffel aus Cocosnussschale zum Theil
hübsch verziert. — Ausser Töpfen dienen wie allenthalben Cocosschalen als Gefässe zum
Trinken, indess ohne Verzierung oder doch nur unbedeutend. — Holz sch Usseln, ohne
Verzierung, sind nur sporadisch.
Bekleidung: Männer tragen eine Liane oder schmalen Streif Tapa zum Theil gefärbt;
Weiber den Kami, d. h. einen Rock aus der fein gespaltenen Blattfaser der Sagopalme, zum
Theil gefärbt und mit Pandanusblatt verziert; sehr hübsch und variirend, wovon die Sammlung
alle Hauptmuster in 14 Exemplaren aufweist.
Schmuck und Zierraten sind sehr mannigfach, obwohl ohne besondere Kunst. Die
Männer allein tragen Federschmuck, meist von Gasuar, Paradiesvogel, Cacatu und Eclectus;
wirklich schön und kunstvoll sind Halskragen aus Schwanzfedern eines Trichoglossus. —
Für Männer allein gilt auch der verschiedene Nasenschmuck durchs Septum; kurze dicke
oder lange, jederseits spitze Keile von Tridacna gigas (nicht Stein) oder Schweinsrippen-
Haarkämme zum Aufkrempeln des Haares, wodurch die gewaltige Haarwolke entsteht, sind
ebenfalls für Männer; zuweilen mit Federn oder dergleichen verziert, aber ohne kunstvolle
Schnitzerei. — Geflochtene Armbänder aus Gras oder Bambu, zum Theil sehr zierlich, werden
von beiden Geschlechtern getragen und sind reich in der Sammlung vertreten (23 Stück). —
Besonders hohen Werth haben Toias oder Armringe aus dem Basisquerschnitt von Conus
millepunctatus; sie werden nur in gewissen Küstenstrecken gemacht und sind eins der werth-
vollsten Tauschmittel, z. B. gegen Sago. — Gewöhnliche Halsschmucke sind Muscheln, meist
Boden von Conus; dagegen aufgereihte kleine Cypraeen ein werthvoller Schmuck, der zugleich
als Geld dient. — Als Stirnbinden sind sehr zierliche Arbeiten aus Zähnen des Känguruh und
einer kleinen Oliva am beliebtesten und werthvollsten. — Die Sammlung zählt an 25 Schmuck-
und Zierraten, die mit ebensoviel Namen der Eingebornen unterschieden werden.
Zum Schmuck gehört auch ein sehr eigenthümlicher für den Kampf, aus Schildpatt,
Schweinehauern und rothen Bohnen, Musikaka genannt. Er wird von den Bergvölkern des
Innern getragen und ist hier von hohem Werth, zeigt zugleich die Verbindung mit den
Küstenvölkern.
Die Instrumente zum Tätowiren, sowie die Farben zum Bemalen sind ebenfalls vertreten.
Unter den Musikinstrumenten steht die mit Monitorhaut bespannte Holztrommel
obenan; dann ein Schlaginstrument aus Bambu, Ssadä genannt. Maultrommel, Nasenflöte und
Tritonstrompete sind sehr selten. —
Ausser ziemlich roh geflochtenen Matten, hauptsächlich als Segel benutzt, werden keine
Flechtarbeiten gemacht; auch keine feineren Körbe. Dagegen sind aus Garn gestrickte Beutel
allgemein in Gebrauch, darunter mit sehr geschmackvollen oder doch gefälligen, bunten
Mustern verzierte. Diese Beutel dienen zugleich als Wiege, zu denen besondere Halter aus
Cocosnuss gehören. —
Götzen und andere Gegenstände der Verehrung oder des Cultus sind hier unbekannt,
dagegen repräsentirt die Sammlung einige rohe Talismane, Steine, Harz etc.
8*
öo
Ueber die ethnologischen Sammlungen aus der Südsee.
In eigentlichen Holzschnitzereien liefert dieser Theil Neu-Guineas nichts; nur die fein
gravirten Holzschilde gehören hierher und dann eine Art Gürtel aus Baumrinde für
Männer, die mit äusserst kunstvollen Mustern mittelst Muscheln eingravirt sind. Sie kommen
nur in einem beschränkten Gebiete (in Freshwater-Bai) vor und gehören mit zu den kunst-
vollsten Arbeiten von Naturvölkern überhaupt. — Tätowirung ist namentlich bei den Frauen
von Port Moresby, lediglich als Körperverzierung, sehr im Schwünge. Tapa, indess ohne
Muster, wird gemacht, dient aber nur untergeordnet als Kleidung.
Die zum Theil colossalen Canoes werden mit Segel oder langen Stangen fortbewegt,
es giebt daher keine Ruder.
Neu-Britannien.
Anthropologisch sind die Bewohner echte Papuas, ganz wie die von Neu-Guinea, aber
ethnologisch sehr abweichend, so z. B. vor Allem keine Pfahlbauer! Die Neu-Britannier leben
zum Theil noch in der Zeit der durchbohrten Steingeräthe und gehen, was unter allen
Naturvölkern sehr vereinzelt dasteht, in beiden Geschlechtern völlig nackt! Daher keine
Bekleidung! Schmuck und Zierrat weit minder mannigfach als in Neu-Guinea; die
Sammlung enthält Alles hierauf bezügliche! Bemalen des Körpers und Haares bildet eine
.Hauptzierde; die Hauptfarben sind wie überall: weiss (Kalk von Corallen), roth (Eisenocker)
und schwarz (Russ). Für Männer giebt es zweierlei Federkopfschmuck, meist aus Kakatufedern.
Casuarfedern, in Neu-Guinea so beliebt, werden nicht benutzt, dagegen die Schwungfedern
des Casuar als Nasenzier, meist durchs Septum. Gegenwärtig dienen meist Glasperlen als
Zierde für die Nase; wie aufgereihte Glasperlen in dünnen Schnüren um Leib und Hals
getragen, Hauptschmuck für beide Geschlechter bilden. Eigenthümlich sind Amidi, grosse
Kragen, welche die Männer tragen und selbst fertigen und die früher von Diwara, d. h.
Muschelgeld gemacht wurden, wovon einer in der Sammlung. Sonstiger Zierrat, meist aus
Muschel und ohne besondere Kunst, sind in ca. sechs Sorten vertreten, etwa Alles was
vorkommt. Besonders werthvoll und kaum zu erstehen sind Halsbänder für Männer aus
Delphinzähnen mit Glasperlen verziert, wovon ein sehr kostbares in der Sammlung, das
früher von „König“ Tapulu von Makada getragen wurde. Keine Perlmutter und Ringe von
Conus, wie in Neu-Guinea, aber sehr zierliche Armbänder für beide Geschlechter von Trochus
marmoratus. Kein Schmuck aus Schweine- und Känguruhzähnen, obwohl die letztere Art
Thier vertreten ist.
Als Werth- und Tauschmittel obenanstehend ist Diwara zu betrachten, d. h. aufgereihte
Nassa-Muscheln, die ganz so wie Münze bei uns im Gebrauch sind und in denen der Neu-
Britannier Schätze sammelt. Daneben giebt es Kanoare oder falsches Muschelgeld, zum Spiel
der Kinder; für letztere noch zwei eigenthümliche Spielzeuge.
Die Neu-Britannier sind sehr musikliebend und überragen darin bei weitem die Papuas
von Neu-Guinea. Die Sammlung enthält neun verschiedene Musikinstrumente, darunter
besondere für Männer und Weiber; unter den letzteren das Pangolo, ein Saiteninstrument,
wohl das einzige in der ganzen Südsee. — Neben Musik werden natürlich auch Tänze oder
vielmehr pantomimische Aufführungen aufgeführt, welche verschiedene Geräthschaften erfordern:
Tanzstäbchen! Die der Männer sind zum Theil sehr zierlich durchbrochen gearbeitet und ver-
schieden von denen der Frauen. Beim Tanz werden auch Schädel von Anverwandten benutzt
und zwTar die vordere Gesichtshälfte, die besonders bemalt und verziert wird. Diese Tanz-
masken dienen einer Art Totencultus und sind Neu-Britannien eigenthümlich. Von
Talismanen ist nur ein solcher für Diebe vertreten! Idole giebt es nicht.
Von Dr. O. Finsch.
6l
Holzschnitzerei ist unbekannt, wie Mattenflechterei und Töpferei, obwohl es an Lehm
nicht mangelt. Alle Speisen werden gekocht, aber nur zwischen heissen Steinen, auch Menschen!
indess ohne besondere Ceremonien, wovon ich selbst Augenzeuge war! — Uebrigens sind die
Neu-Britannier vorherrschend Vegetarianer. Ausser sehr rohen, aus Palmblatt geflochtenen
Körben, zum jemaligen Gebrauch, tragen nur die Männer kleine Körbe für die Utensilien
zum Betelgenuss. Nur an der Nordküste Neu-Britanniens werden sehr zierliche Körbchen
geflochten, die in der Sammlung vertreten sind. — Obwohl Betelessen leidenschaftlich betrieben
wird, giebt es doch keine Calebassen und Löffel für den Kalk, der in Säckchen aus Blatt
verwahrt wird. — Rauchen ist allgemein Sitte, doch bedient man sich europäischer Tabaks-
pfeifen. — Bindfaden wird in derselben Güte und aus demselben Material als in Neu-Guinea
hergestellt, aber man verfertigt keine Tragbeutel, dagegen vortrefflich gearbeitete Netze! Es
giebt solche von mehreren hundert Fuss Länge, die dann Eigenthum eines ganzen Dorfes sind
und an denen die ganze Einwohnerschaft monatelang arbeitet. Nur kleinere Netze sind
vertreten; sowie anderes eigenthümliches Fischgeräth, darunter Klappern zum Anlocken des
Haifisches; dagegen waren die io—15 Fuss hohen Fischkörbe nicht transportabel. Hausgeräth
ist nicht vorhanden; ausser Cocosschaalen zu Trinkwasser. Dagegen sind Feuerreiber noch
heut üblich. Steinbeile, genau in derselben Form als von Neu-Guinea, sind in diesem
Theile von Neu-Britannien (Blanche Bai) bereits durch Bandeisen und Beile verdrängt worden,
aber meine Sammlung enthält noch eine reiche Auswahl (24 Stück). Drillbohrer mit Feuer-
steinspitze, wie in Neu-Guinea, sind unbekannt, man bedient sich nur der Spitze einer
Pteroceras-Muschel, um Löcher (beim Canoebau) zu bohren. Sehr reich und ursprünglich
sind die Waffen; obenan, wie allenthalben, der Wurfspeer, in acht durch Namen unter-
schiedenen Sorten, darunter sehr künstliche. Keulen giebt es drei Arten, darunter solche
mit durchbrochenem Steinknauf, die einzige Form durchbohrter Steinwaffen, aber ohne
Federschmuck wie in Neu-Guinea, und jetzt schon immer seltener werdend. Die Einführung
eiserner Beile von Eisen hat eine neue eigenthümliche Waffe zu Wege gebracht, Aiban genannt,
d. h. lange, kunstvoll mit Malerei verzierte Holzstiele, an denen eine Beilklinge befestigt wird.
Schleudern und Schleudersteine bilden eine Hauptwaffe und sind reich vertreten. Weder
Pfeil und Bogen noch Schild!
Obwohl nicht eigentlich Bekleidung ist noch eine Art Tapa zu erwähnen, die aus einem
kleinen Bezirk der Nordküste (Beining) herstammt, und in so schönen Mustern bunt bemalt
ist, dass dieselbe eigentlich alle polynesischen weit übertrifft.
Die charakteristische Form und Bauart der Canoes ist durch Modelle veranschaulicht.
Neu-Irland.
Mein Besuch war zu kurz, um so erschöpfende Sammlungen als in Neu-Britannien und
Neu-Guinea machen zu können, aber das Vorhandene zeigt schon die grosse Verschiedenheit
zwischen hier und Neu-Britannien. Auch in Neu-Irland selbst herrscht grosse Abweichung;
so hat man z. B. im Norden sogenannte Götzen von Holz, im Süden aus Kalk, beide menschliche
Figuren darstellend aber ganz verschieden in der Auffassung.
Die Neu-Irländer excelliren vor Allem durch höchst kunstvolle und groteske Holz-
schnitzereien, zum Theil durchbrochen gearbeitete Figuren in überraschend reichen Formen.
Meine Sammlung enthält davon eine Auswahl der schönsten Stücke, darunter sogenannte
Götzenbilder (ganze Figur), Wandverzierungen und Giebelverzierungen. Sehr reich (durch
sechs Stück) sind auch die grotesken Tanzmasken vertreten. Holzschnitzereien mit bunter
Malerei und Ausputz von gefärbter Cocosfaser, Binsenmark etc.; unter den Tanzornamenten
Ö2
Ueber die ethnologischen Sammlungen aus der Siidsee.
sind sehr schön geschnitzte Köpfe des Nashornvogels (ßuceros ruhcollis) als sehr beliebt
vertreten.
Schmuckgegenstände aus Muscheln, Fruchtkernen, Zähnen sind eine Menge vorhanden
und bekunden durchgehends die Verschiedenheit mit Neu-Britannien. Darunter sind dünne
Muschelscheibchen, welche als Geld dienen. Die Armringe aus Trochus, sind dieselben
als in Neu-Britannien. Tapa (aber ohne Muster) ist vertreten, ebenso schöne, fein gestrickte
Fischnetze. Die Weiber tragen eine eigenthümliche Art Schurze aus Pflanzenfaser, ebenso
Kappen aus Pandanusblatt, im übrigen gehen sie nackend. — Von Waffen sind die haupt-
sächlichsten vertreten, darunter oben an Wurfspeere aus Bambù und Holz, mit eingebrannter
Zeichnung, also verschieden von denen in Neu-Britannien. Dasselbe gilt für die Keulen, in
zweierlei Form aus Holz mit eingravirter Zeichnung; solche mit Steinknauf sind unbekannt.
Keine Pfeile, Bogen noch Schild. — Steinbeile, ganz wie in Neu-Britannien, sind kaum mehr
zu haben; dagegen Beile von Bandeisen üblich. Sehr eigenthümlich ist das Musikinstrument
„Kulepäganey”, aus einem Stück Holz, welches mit der Hand gerieben wird! — Canoe-
modelle sind in der Sammlung vertreten.
Von anderen melanesischen Inseln, die ich nicht selbst besuchte, sind vertreten:
Admiralitäts-Inseln:
durch: Wurfspeere und Lanzen, zum Theil hübsch geschnitzt und mit Spitzen von Obsidian
(nur hier!); ebenso ein Dolch aus Fischknochen; Holzschüsseln und Essgefässe, sehr kunstvoll
aus einem Stück geschnitzt; Calebassen und Löffel zu Kalk; Penisbehälter von Ovula (einzige
Bekleidung der Männer); ein Canoemodell, sowie ein Topf sind vertreten.
Sir Hardy-Island.
Bogen und Pfeile, letztere sehr verschieden von denen in Neu-Guinea, und kunstvoll
mit Widerhaken bewehrt, aber ganz wie von der folgenden Gruppe:
Salomons-Inseln,
welche durch einige 20, aber sehr schöne Gegenstände, alle mit Angabe der Localität, vertreten
sind. Darunter: zwei Arten Keulen mit kunstvollster Flechtarbeit übersponnen; desgleichen
ein schönes Ruder; Lanzen, Pfeil und Bogen (letztere kommen nicht auf allen Inseln vor);
alle diese Gegenstände sehr bemerkenswert!], ebenso die Stirnverzierungen aus einer Scheibe
von Tridacna mit aufgelegter Schildpattarbeit. — Für den Betelgenuss kommen hier zuerst
hübsch verzierte Dosen aus Bambu vor.
Hermites (los Eremitanos):
Tapa; Kalklöffel, durchbrochen gearbeitete Holzschnitzereien, in Zeichnung und Ausführung,
das Schönste was ich aus der Südsee in dieser Richtung kenne, wahre Kunstwerke.
Anchorites:
Fein gearbeitete Wurfspeere und ein sehr sorgfältig gearbeitetes Tau.
Von Dr. O. Finsch.
63
II. Zu Polynesien.
a) Mikronesien.
Die Sammlung zeigt, dass die Erzeugnisse in Ausführung, Kunstwerth und Mannigfaltigkeit
fast durchgehends gegen die aus Melanesien zurückstehen, wie dies der Charakter des Landes
bedingt. Wir haben es in Mikronesien hauptsächlich mit Atollen, also armen Coralleninseln
zu thun, die nur Cocospalme und Pandanus, sowie etwas Mangrove hervorbringen. So fehlt
es also zunächst an Material zu Steinwaffen und Werkzeugen, zu Töpferei und selbst Holz
ist nur für gewisse Zwecke vertreten. Ueberdies hat in Mikronesien der Einfluss des Traders
und der Mission Originalität schon sehr verdrängt. Auf manchen Inseln kennt man nicht nur
europäische Kleidung, sondern Kochgeräth, Nähmaschinen etc.! Man macht europäische
Strohhüte aus Pandanusblatt!
Gilberts-Inseln (Kingsmill).
Trotzdem die Bevölkerung in den letzten paar Jahrzehnten viel als Plantagenarbeiter
andere Inseln (Samoa, Hawaii, Tahiti) besuchte, hat sich in mancher Beziehung noch mehr
Originalität als zu erwarten, erhalten, namentlich weil es weniger Trader (Händler) giebt und
die Bevölkerung überhaupt selbstständiger ist. Da alle auswärts gewesenen Arbeiter europäische
Waffen mitbringen, so gehören die eingebornen schon zu den Seltenheiten und werden es
mit jedem Jahr mehr. Ich meine nicht jene zierlichen dreizinkigen Gabeln, wie sie jetzt für
Trade gemacht werden, sondern wirkliche Waffen, wie sie sonst üblich waren und die gerade
in den Gilberts charaktervoll sind, in Rüstung und Bewehrung mit Haifischzähnen. Meine
Sammlung enthält davon noch Alles was vorkam, stets mit Bezeichnung des Eingeborenennamens.
So von „Donu”, die bis 16 Fuss langen schweren Kriegsspeere von Palmholz mit Haifischzähnen
besetzt, allein neun Stück, dann kürzere Handwaffen, auch Dolche oder vielmehr Kratzer mit
Haifischzähnen, wie sie die Weiber gebrauchen, sowie die charakteristischen Cürasse, Beinkleider
und Helme, sehr sauber und dauerhaft zum Theil mit Menschenhaar verwebt, aus Gocosfaser
geflochten. — Sonst kommen nur kurze schwere Handkeulen (Te Batjirau) vor; die Schleuder
ist schon ganz ausser Gebrauch. Doch besitzt meine Sammlung noch schöne eiförmig aus
Tridacna gigas gearbeitete, durchbohrte Schleudersteine als Waffe.
Die Gilberts leben ausser Cocosnuss und Pandanus (davon Conserve in der Sammlung)
hauptsächlich von Fischen. Die Sammlung enthält Alles darauf bezügliche. Grosses Netz
oder wenigstens die aufgereihten Senker (nicht Steine, sondern Acra-Muschel), grosse und
kleine Fischhamen (häufigste Fangmethode), Angelschnüren, hölzerne Haifischhaken und eine
eigenthümliche Art Aalschlingen, sowie Fischkörbe. — Ruder sind ebenfalls vertreten, indess
sehr roh, da Holzschnitzerei sich nicht ausbilden konnte, weil sich weder Palm- noch
Pandanusholz dazu eignen. — Unter den kunstgewerblichen Arbeiten steht daher das Flechten
von Matten aus Pandanusblatt obenan. Hiervon enthält die Sammlung alles darauf Bezügliche:
präparirtes Pandanusblatt, hölzerne Klopfer, hölzerne Webebretter, Matten zur Bekleidung
(für Männer), darunter sehr feine und unfertige Schlafmatten u. s. w. — Fein geflochtene
Körbchen, wie sie die Weiber benutzen, sind ebenfalls reich vertreten. — Als Bekleidung
kommen für Weiber nur Röckchen, aus der gespaltenen Blattfaser der Cocospalme in Betracht,
und zwar ungefärbt; keine Tapa, da kein Papiermaulbeerbaum wächst. — Die Tätowirungs-
Instrumente sind verschieden von denen in den Marshalls. — Feuerreiben kommt nicht mehr
vor, ebenso wenig Aexte aus Muschel, wie sie früher üblich waren. — Das Hausgeräth ist
64
Ueber die ethnologischen Sammlungen aus der Südsee.
im Ganzen sehr einfach: roh aus Holz gearbeitete Holztröge sind selten, grosse Muscheln
(Pinna) vertreten die Stelle; keine anderen Wassergefässe als Gocosschaalen, da Wasser überhaupt
selten und man Cocosmilch oder Cocossaft (vom Blüthenkolben) trinkt. Hölzerne Stampfer
für Taro (sporadisch angebaut), Siebe, Löffel aus Cocosschaale, aber Alles ohne Ornamentik
oder irgend welche Verzierung. — Bei der Einförmigkeit des Materials sind Schmucksachen
ebenfalls spärlich und wenig variirt. Geflochtene Schnüre aus Menschenhaar um Hals und
Leib stehen obenan, neuerdings stark durch Glasperlen verdrängt. Ferner runde Scheiben
von Perlmutter oder Stückchen Spondylus, ohne sonderliche Bearbeitung. Eigenthümlich sind
die Leibschnüre aus runden weissen und schwarzen Muschelscheibchen. Als werthvoller Hals-
schmuck auch Ketten von Delphin- und Menschenzähnen und als antik zu betrachten: Zähne
vom Potwal (Physeter), darunter eine Kette aus dünn geschliffenen Zähnen, die irrthümlich
von Ethnologen als die des Hirschebers (Babicrussa) gedeutet wurden. Früher wurden die
Gilberts häufig von Whalern als Fanggründe besucht, jetzt kommt keiner mehr hin! — Das
ist ungefähr Alles, was die Bewohner dieser Inseln hervorbringen; in wenig Jahren und Nichts
mehr wird übrig sein. — Musikinstrumente ausser zum Taktschlagen kennen und kannten
die Gilberts nicht!
An die Gilberts-Inseln schliessen si^h in Stamm und Sprache:
Bonaba oder Ocean-Island und Nawodo oder Pleasant-Island,
die ethnologisch aber kaum mehr mitzählen, da erstere Insel nur noch 35 Bewohner hat,
letztere durch zahlreiche Trader ganz verändert ist. So sind auf Nawodo die colossalen
becherförmigen Cürasse aus Cocosfaser nicht mehr zu haben, statt dessen flechtet man Läufer
aus Cocosfaser nach europäischem Muster!
Von beiden Inseln habe ich noch Einiges gerettet.
Von Bonaba: Halsketten aus Muscheln und Menschenhaar, und die eigenthümlichen
Fischhaken, deren Stiel aus einem halb durchsichtigen Kalkspath besteht, wie sie sonst wohl
nirgends im Pacific Vorkommen.
Von Nawodo: einen der colossalen becherförmigen Cürasse; Vogellasso zum Fange
des Fregattvogels (Tachypetes); ausserdem eine kleine Matte, wie sie von Frauen nur während
der Schwangerschaft getragen werden. (Die übliche Bekleidung der Frauen sind die gleichen
Grasröckchen wie in den Gilberts).
Mars halls-In sein.
Da die Bevölkerung dieser Atolle ungleich geringer und durch ständige Ansiedelungen
von Händlern und Missionären schon sehr zersetzt ist, so gehören sie zum Theil einem
ethnologisch bereits an Originalität untergegangenem Gebiete an. Ueberhaupt sind die Mar-
shallaner ärmer an Erzeugnissen als die Gilberts, wie auch ihre Häuser weit schlechter sind.
Holzschnitzerei, Steinwerkzeuge, überhaupt kunstvoll gearbeitete Sachen fehlen wie in
den Gilberts, auch die Waffen waren und sind einfacher; keine Haifischzähne! — Die Schleuder
kennt man nicht mehr, dagegen einfache Speere aus Palmholz, die auch schon selten werden,
aber in der Sammlung vertreten sind, wie die Schleuder. — Man bediente sich früher Aexte
aus Tridacna. Sonst giebt es wenig Geräth: Schlägel zur Bearbeitung von Pandanusblatt,
Cocosfaser und zum Canoebau; als Bohrer wurden früher Spitzen von Pteroceras gebraucht.
Hölzerne Wasserschöpfer für Canoes; keine Essnäpfe, dafür nur Muscheln und für Wasser
Cocosnussschaalen, darunter ein Service in künstlich geflochtenem Körbchen. — Als antik
Von Dr. O. Finsch.
65
noch ein Schaber für Pandanusfrucht aus einer Cassis; jetzt nicht mehr zu haben. — Conserven
von Brotfrucht, wie sie in den Canoes auf Seereisen mitgenommen werden, sind vertreten. —
Obenan im Kunstgewerbe steht die Flechterei aus Pandanusblatt, die aber in der Paterne sehr
von der in den Gilberts üblichen abwreicht. Es giebt roh geflochtene Matten für Segel und
zum Schlafen, sowie sehr feine zur Bekleidung für beide Geschlechter. Diese feinen Matten
werden mit sehr gefälligen Mustern in gefärbtem Bast von Hibiscus benäht, und davon
enthält die Sammlung alles Material, bis auf die Färbestoffe. Gegenwärtig flechtet man sehr
feine Hüte nach europäischem Muster, auf hölzernen Formen. — Die feinen Körbchen der
Gilberts werden in den Marshalls nicht gemacht. Ebenso fehlen beim Fischereibetriebe Netze,
da man andere Fangmethoden besitzt, die zu beschreiben, mich hier zu weit führen würde.
Aber Fischhaken und zwar aus Perlmutter sind bekannt, kommen aber schon fast ganz ab.
Die Sammlung zeigt sie in den verschiedenen Stadien der Bearbeitung, darunter auch solche
aus Cocosschaale zum Fange der fliegenden Fische, wie sie jetzt gar nicht mehr benutzt
werden. — Neben Matten dienen für Männer der „Ihn”, ein Faserrock aus Hibiscus, der „Ihrir”,
eine lange, äusserst fein geflochtene Schnur, und ein Gürtel aus Pandanusblatt als eigentliche
Bekleidung, die indess ebenfalls bald aufhören wird und auf einigen Inseln schon nicht mehr
getragen wird. — Schmuck ist viel geringer als in den Gilberts, da man meist Halsbänder aus
Gras und Blumen flechtet, die jeden Tag erneuert werden. Haar und Zähne kommen als
Material nicht vor, dagegen findet sich als wrerthvoller Schmuck bearbeitete Spondylusmuschel,
meist in kleinen Scheibchen, die wir in den Carolinen besonders häufig finden. Solche
Halsbänder „Kedebul” genannt, werden mit jedem Tage seltener, da sie die Eingebornen nicht
mehr zu machen verstehen, ja sich die Muscheln nicht mehr zu verschaffen wissen. — Kein
Schmuck von Perlmutter oder Potwalzähnen. Dagegen kommen hier schon Stirnbinden,
aus Gras geflochten, mit kleinen Muscheln und Federschmuck aus Fregattvogel (Tachypetes)
vor. — Zur Begleitung bei den Gesängen tritt als einziges Musikinstrument die sanduhrförmige
hölzerne Trommel auf, in der gleichen Form wie in Melanesien, die aber wegen Mangel an
Eidechsen und Schlangen, mit der Haut des Magen vom Hai überspannt wird. Ausserdem
findet sich auch die Muscheltrompete aus Tritonium, und als eine Art Musikinstrument eine
Art hölzerner Schlägel zum Tactschlagen. — Alle diese Sachen werden mit jedem Tage
seltener und bald ganz aufhören. — In der Sammlung sind noch vertreten: Feuerreiber,
Instrumente zum Tätowiren (verschieden von den in den Gilberts), hölzernes Kopfkissen;
Proben von Schnüren und Stricken (darunter von Cocosfaser), die früher gebrauchten Kämme
aus einem Stück Cocosbast, und ein grosses, seetüchtiges Canoe, mit Segel und allem Zubehör,
ein ausserordentlich werthvolles Stück, welches in kurzer Zeit ebenfalls der einzige Zeuge des
untergegangenen Kunstfleisses eines Naturvolkes sein wird.
Carolinen.
Ich besuchte selbst nur die östlichsten, hohen, vulkanischen Inseln Kuschai (Ualan oder
Strongs-Island) und Ponape' (Puinipet, Ascension); meine Sammlung ist aber noch sehr reichhaltig
an schönen Sachen von dem Atoll Ruk oder Hogoleu, richtiger Truk.
Kuschai.
Die Insel zählt kaum mehr als 3oo Eingeborne, die alle christianisirt sind, europäische
Kleider tragen und alle Originalität verloren haben. Dennoch rettete ich Mancherlei, was
somit um so werthvoller ist, denn kein Reisender wird diese Sachen mehr erlangen können.
9
66
Ueber die ethnologischen Sammlungen aus der Siidsee.
Obenan steht auf dieser Insel (und wodurch sich die Carolinen auszeichnen) ein primitiver
Webeprozess, zur Anfertigung kunstvoller, gemusterter Schamgürtel, die früher die einzige
Bekleidung bildeten, Toll genannt. Meine Sammlung enthält in mehr als 40 Nummern Alles
hierauf Bezügliche: den kunstvollen Bock oder Stuhl, auf dem die Kette gespannt wird, die
verschiedenen Webegeräthe: Schiffchen, Lade, Stäbchen, Hammer, Nadel, Muscheln zum
Abschneiden des Fadens, Krebsscheeren zum Schärfen der Muscheln, sowie das verschiedene
Textilmaterial (Bananenfaser) roh und gefärbt in allen Stadien, bis zum fertigen Gürtel, in
verschiedenen sehr schönen Mustern.
In Folge der Weberei ist Flechterei wenig entwickelt; nur rohe Schlafmatten (aber ganz
anders als in den Gilberts) und eine feinere Sorte (Tribut für den König) werden verfertigt.
Sehr hübsch sind Stampfer aus Basalt und Holz. Es findet den steinernen Stampfern gegenüber
schwer Erklärung, warum die Aexte nicht aus Stein gemacht wurden, (denn jetzt kennt man
keine mehr) sondern alle von Tridacna gigas, darunter colossale bis 12" lang. Meine
Sammlung enthält davon eine schöne Reihe von etlichen 20 Stücken in verschiedenen Formen.
Von Geräthschaften ist wenig oder nichts mehr zu haben: hölzerne Schüsseln, Fischhamen
und Fischnetze, sowie Ruder (noch ein altes), Raspeln aus Rochenhaut, war Alles, was ich
noch erlangte. Trommeln als Musikinstrumente sind nicht mehr vorhanden; ich erhielt nur
noch Muscheltrompeten aus Tritonium, die aber nicht mehr in Gebrauch sind. Ebenfalls
antik und gar nicht mehr zu haben sind Armbänder aus Trochus, Stücke Perlmutter (die
früher als Geld dienten), sowie ein eigenthümlicher Schmuck um den Hals aus dem Seitenrande
des Schildkrötenschildes, das früher bei Erscheinen vor dem Könige getragen werden musste. —
Das sind die letzten Reste eines untergegangenen Volkes, dessen Vorfahren gewaltige Cydopen-
bauten aus Stein ausführten, wie die Ruinen auf Lälla noch heut zeigen.
Ponape.
Obwohl noch stärker bevölkert als Kuschai (ca. i5oo) ist hier durch den Einfluss der
Mission und Trader fast alle Originalität verloren. Immerhin enthält meine Sammlung von
dem wenigen, was noch zu retten ist, Einiges, und zwar durchgehends eigenartig und verschieden
von Kuschai. Beide Inseln hatten in Folge ihrer isolirten Lage und weil die Schifffahrt nur
beschränkt war, keinen Verkehr untereinander wie mit anderen und bewahrten somit je
besonderen Charakter. Wie in Kuschai werden zwar Schamgürtel gewebt, aber nur in dem
kleinen-District Kiti, wohin ich nicht kam, so dass meine Sammlung nur einen enthält. Statt
der Schamgürtel sind auf Ponape aber Röckchen aus der gespaltenen Blattfaser der Gocospalme
üblich, wie in den Gilberts und zwar für beide Geschlechter. Sie sind aber feiner und zierlicher
als in den Gilberts, am Rande zum Theil mit gezupfter rother Wolle verziert, die jetzt
allgemein Anwendung findet. Feine Grasschurze sind mit Curcuma gelb gefärbt, eine Farbe,
die für die Carolinen charakteristisch ist, indem sogar der Körper gelb gefärbt wird.
Meine Sammlung enthält: Schlafmatten aus Pandanusblatt, ganz eigenthümliche, die
nicht geflochten, sondern zusammengenäht sind; Kopfbinden, aus Rinde mit bunten Lappen
und Wolle aufgenäht; Ohrstöpsel aus Cocosnuss, Halsketten. — Eigenthümliche Waffen und
Werkzeuge giebt es nicht mehr, da die Eingebornen jetzt durchgehends diese Sachen aus
Europa erhalten. — Obwohl Kawa noch heut getrunken wird, gab es doch nie hölzerne
Gefässe, Kawabowlen, weil man einfach Cocosnussschalen benutzte. —
Interessant und besonders werthvoll in meiner Sammlung sind einige
prähistorische Funde,
aus dem sogenannten „Königsgrabe’’ von Nantauatsch in Nanmatal,
jener
bewundernswerthen Ruinenstadt aus Basaltsäulen, mit Canälen und künstlichen Inseln, die
jedenfalls zu den staunenswertesten Baudenkmälern eines untergegangenen Volkes zählen. —
Diese Funde bestehen in Spondylusmuscheln roh und in verschiedenen Stadien der Bearbeitung
zu runden Scheibchen, wie sie noch heut auf den Carolinen üblich sind, einigen Fragmenten
von Perlmutter zu Fischhaken, und beweisen, dass die einstigen Erbauer mit den heutigen
Bewohnern identisch waren.
Von anderen, nicht selbst von mir besuchten mikronesischen Inseln sind vertreten:
Ruk (Hogoleu),
zum Theil Atolle, zum Theil höhere bergige Inseln, in denen sich noch viel Originalität
erhalten hat, die aber seit der Ansiedlung von Missionären rasch verschwindet. Die hervor-
ragenden ethnologischen Züge für diese central - carolinische Gruppe sind: eine höhere
Vervollkommnung der Weberei (wie in den westlichen Carolinen) und der eigenthümliche
Charakter der Schmuckgegenstände, bei denen Scheibchen aus rother Spondylusmuschel, wie
sie in den Marshalls zuerst auftraten, eine hervorragende Rolle spielen.
Von diesen eigenthlimlichen Schmuckgegenständen enthält meine Sammlung eine schöne
Suite, alles sehr zierliche und kunstvolle Arbeiten aus Spondylusscheibchen, noch kleineren
dünnen Scheibchen aus Rinde (von Mangrove), polirten Querschnitten junger Cocosnüsse und
zum Theil Schildpatt. Darunter sind Gürtel und Armbänder (für beide Geschlechter) aus
Rindenscheibchen und Spondylus, Stirnbinden aus Cocosfasergeflecht (sehr kunstvoll) mit
Spondylusscheibchen verziert), enorme Ohrgehänge aus Cocosnussringen, desgleichen Halsketten;
sehr sauber gearbeitete’ schlangenartige Halsketten aus Cocosnussquerschnitten; Armbänder
und Brustzierraten aus Schildpatt. Besonders eigenthümlich sind Kopfputz (Merkurstabähnliche!)
aus Flügel- (Tertiär-) federn des Fregattvogels (Tachypetes), sowie hölzerne Kämme, die ganz
an Melanesien erinnern und sonst nirgends in Mikronesien Vorkommen. Hölzerne, mit
Schnitzerei versehene Ohrstöpsel sind ebenfalls charakteristisch, da weiter östlich, in den
Marshalls und Gilberts, aufgerollte frische Streifen Pandanusblatt diese Stelle vertreten. —
Während die Weberei aui den östlichsten Carolinen (Kuschai und Ponape) nur schmale Streifen
aus Bananenfaser liefert, kommen hier schon breitere Stoffe vor (wie weiter westlich). Sie
sind nicht aus Bananen-, sondern zum Theil aus Hibiscusfaser gewebt, daher anscheinend
roher, aber in zierlichen, doch einfachen Mustern. Gelb (Cucuma) ist hier schon besondere
Festfarbe, nicht blos für den Körper, sondern auch für diese Stoffe. — Flechterei ist wie
überall, wo Weberei vorkommt, nur untergeordnet von Bedeutung. Die Sammlung zeigt die
verschiedenen Arten Muster dieser Zeuge mit der Benennung. — Unter den Gerätschaften
ist ein schöner Stampfer für Taro und zwar von Corallfels vorhanden. — Eingeborne Waffen
sind Speere, sowie Schleuder und Stein und diese in der Sammlung vertreten. Die Schleudern
sind wahre Kunstwerke von Flechtarbeit aus Cocosfasern, es giebt aber auch solche von
Hibiscus, und auch diese ist in der Sammlung vertreten. — Eine eigenthümliche specifisch
carolinische Handschlagwaffe aus Holz ist bereits verschwunden. — Fischnetze, wol die feinste
Filetarbeit des Pacific, sind noch vertreten. — Zu erwähnen ist noch ein sehr werthvolles
Kleidungsstück, eine Art Poncho, aus schwarzem Zeug gewebt, mit Spondylusscheibchen
besetzt, das Gewand eines Priesters, sowie feine Tanzstöcke, Nasenflöten, ein colossaler Essnapf
und ein sogenannter Erkennungsstab, mit welchem sich die Liebhaber bei den Mädchen
einführen und sich diesen zu erkennen geben.
Die Bewohner Ruks sind geschickte Seefahrer und unterhalten einen lebhaften Verkehr
mit den Mortloks-Inseln und Nuguoro (Monteverde), wovon die Sammlung einige interessante
9*
Ueber die ethnologischen Sammlungen aus der Südsee.
Stücke aufweist, die zum Theil Ruk ergänzen. — So sind der Schmuck aus Spondylusscheibchen
und Cocosringen auch auf den genannten Gruppen heimisch und bilden einen lebhaften Handel,
wie Curcuma zum Gelbfärben.
Mortloks-Inseln.
Davon in meiner Sammlung: Ohrgehänge aus Cocosringen (ganz wie von Ruk), Ohrpflock,
Zeuge aus Hibiscus, Fischhaken aus Perlmutter, Fischleinen, alles Gegenstände, wie sie ganz
ebenso in Ruk Vorkommen und zum Theil dahin von den Mortloks gehandelt werden. —
Eigenthümlich ist eine Hacke aus Rückenknochen der Schildkröte, das einzige Geräth für
Feldbau aus der Südsee. —
Nuguoro (Monteverde).
Von hier: Tätowirungsinstrumente (ganz wie von Ruk), Axtklinge aus Terebra und
montirte Axt aus Tridacna gigas mit Holzstiel, die als Muster für die Marshalls, Kuschai,
Ponape' und Ruk dienen kann, wTo dies Instrument früher genau in derselben Form vorkam. —
Eigenthümlich sind Fischhaken aus Perlmutter (darunter solche in Bearbeitung), in einer Form,
wie sie sonst nirgends in der Südsee vorkommt und von denen man nicht begreift, wie es
möglich ist, damit Fische zu fangen. Beiläufig bemerkt verdrängen eiserne Fischhaken die
der Eingebornen allenthalben und haben dies schon vieler Orts erreicht.
Aus der Carolinen-Gruppe ausserdem vertreten:
Greenwich-Island (Alexander):
Tapa, aber nicht aus Maulbeerbaum, sondern Brotfruchtbaum; gewebtes Zeug aus Hibiscus
und Brotfruchtfaser.
Uleai (Wolea): gewebtes Zeug aus Bananenfaser in bunten (schwarz und weissen),
sehr zierlichen Mustern; wohl das feinste in diesem Genre.
Y a p : geflochtenes Täschchen, feinste Flechtarbeit aus Gras.
b) Polynesien.
Wie ich in meinen „anthropologischen Ergebnissen“1) nachgewiesen, nur als geographische
Provinz zu betrachten, da anthropologisch kein Rassenunterschied zwischen Mikronesien und
Polynesien besteht, wie meine Sammlung von Gesichtsmasken überzeugend nachweist. Ich
besuchte selbst nur Hawaii (Sandwich-Inseln) und Neu-Seeland, wo natürlich längst alle
Originalität verschwunden ist. Alles, was dort noch vorkommt, ist in Privatbesitz und wird
nicht mehr gemacht! Ich unterlasse es, dies näher zu erörtern.
Von Neu Seeland
enthält meine Sammlung noch: eine grössere, sehr fein geschnitzte Ahnenfigur von Ohinemutu.
Von den früher in überraschender Schönheit verfertigten Mänteln aus Flaxfaser (Phormium
tenax) ist nichts mehr zu haben. Die eigenthümliche Arbeit (keine Weberei, sondern Hand-
knüpfarbeit), wird überhaupt nur noch von alten Frauen verstanden, da die jüngere Generation
diese Art eigenthümlicher Kunst nicht mehr lernt. Meine Sammlung enthält hübsche Proben
davon, aber schon zum Theil mit Anilinfarben gefärbten Mustern, sowie das von Eingebornen
bearbeitete Rohmaterial (Phormiumfaser).
:) „Anthropologische Ergebnisse einer Reise in der Südsee und dem malayischen Archipel in
den Jahren 1879—1882”. Berlin. Asher und Go. 1884.
Von Dr. O. Finsch.
69
Da mir die erschreckende Abnahme aller Originalität bei den Maoris in Neu Seeland
selbst erst völlig klar wurde, so suchte ich eine Anzahl der schönsten Arbeiten in Holz und
Stein meist in Privatbesitz durch Abgüsse1) in Gyps zu retten. Anfügen will ich noch, dass
bei der Versammlung der Kingiten, d. h. unabhängigen Maoris aus dem Kings-country in
Waikato, welcher ich beizuwohnen das seltene Glück hatte, kaum ein halb Dutzend Meri
(Mere) oder Handkeulen von Whalebone und nur eine aus Nephrit vertreten war. Letztere
werden in der Schleiferei zu Dunedin angefertigt und kosten 20—3o Guineas!
Ferner sind in meiner Sammlung vertreten:
Samoa: Tapa, bunt, drei verschiedene Muster, und unbedruckt.
F otuna: schön bedruckte Tapa.
Rotumah: Tapa, bedruckt; sehr grosse Matte aus Pandanusblatt, sehr feine Arbeit.
N i u a f u : Cocosnüsse, als Wasserbehälter; die grössten der Südsee.
M a n a h i k i: eine feine Matte.
Trobriand: ein sehr eigenthümlich geformter, mit kunstvoller Bemalung verzierter
Schild, wie sie für diese Insel eigenthümlich sind.
Laughlan- Inseln: Canoe-Modell.
Selbst von mir besucht wurden:
III. Die Inseln der Torres-Strasse und Cap York.
Auf letzteren leben jetzt nur noch die letzten Reste dreier fast untergegangener Stämme,
die nichts besitzen, nichts brauchen und nichts verfertigen. Ein aus Gras geflochtener Beutel
und ein Gefäss aus Baumrinde war Alles, was ich erhielt.
Auf den Inseln der Torres-Strasse ist nichts mehr zu haben, da der rege Verkehr
der Perlfischereien alle Eigenthümlichkeiten ausgelöscht hat. Noch vor wenigen Jahren
verfertigten die Eingebornen sehr originelle und kunstreiche Masken aus Schildpatt, jetzt
machen sie dieselben aus Blech von weggeworfenen Conservebüchsen !
Zu meinen Sammlungen gehört ein sorgfältig gearbeiteter Catalog, soweit es möglich
ist, mit Angabe der Namen der Eingebornen und der Benutzung resp. Anfertigung jedes
Stückes, von dem ich hier auszüglich eine Probe folgen lasse.
Nr. 2170. „Ora”, (Motusprache) Schweinefänger; bestehend aus einem länglich-oval gebogenen
Stück Rottang, ca. 2y2' im Längsdurchmesser, mit ca. 6" langem Stiel, in der
Form ganz wie der Fänger beim Federballspiel, und mit weitmaschigem Netzwerk
aus dickem, festen Strick überspannt. Keräpuno, Hood-Bai.
Der Zweck dieses Geräths ist nicht der, Schweine zu fangen, sondern die mit Keulen
bewaffneten Jäger, welche das (mit Speeren) verwundete Schwein umzingelt haben, halten
dieses Geräth vor sich, um ihre nackten Beine gegen die Bisse des wüthenden Thieres zu
schützen. Das Thier verwickelt sich mit der Schnauze in dem weitmaschigen Netze und ist
am Beissen verhindert, somit auch an der Flucht. — In Port Moresby gebraucht man diese
Netze hauptsächlich zum Fange zahmer Schweine (da es keine wilden giebt).
l) Diese 49 Nummern zählende, höchst interessante Sammlung ist von Herrn Louis Castan in
Berlin (Panopticum) zu beziehen.
70
Ueber die ethnologischen Sammlungen aus der Siidsee.
Nr. 2204. „Päwa”. Bogen, aus Holz der Betelpalme (Boatau), 5—6 Fuss lang, 10"' bis 21"'
breit in der Mitte; mit einer Sehne (Maura) aus gespaltenem Rottang.
Die Motu in Port Moresby sieht man häufig mit diesen Bogen, mit denen sie aber
nicht umzugehen verstehen, da sie dieselben weiter westlich aus den Districten Maiva und
Eläma (Freshwater-Bai) eintauschen, deren Bewohner geschickte Bogenschützen sind, aber
nur für Krieg. — Weiter westlich, am Kataufluss und Saibai besitzen die Eingebornen ebenfalls
Bogen, aber aus Bambus (nicht Holz), die ihren Weg über die Inseln der Torres-Strasse
finden. Weiter östlich von Port Moresby fehlt diese Waffe, ebenso ist sie den Bewohnern
des Innern unbekannt.
Zum Bogen gehören (ausser Pfeilen):
Nr. 2207. „Aukorro“. Handmanschette (5—10" lang) aus Rottang grob geflochten, die am
linken Handgelenk zum Schutz gegen den Rückschlag der scharfen Bogensehne
getragen werden. — Man sieht sie selten in Port Moresby, weil die Motu keine
Bogenschützen sind. Aber jeder Maivamann hat ein Aukorro und Reserve-Bogen-
sehnen in einem Handkörbchen oder Beutel.
Nr. 2208. „Dahudahu”, getrockneter Schwanz einer Makrele; man findet dieselben nicht
selten an Häusern aufgehängt als Wahrzeichen der Fischer; ähnlich wie Messing-
becken bei uns den Barbier anzeigen.
Nr. 213o. „Nadiumu”, schwarzer Farbestoff (eine Art Eisen oder Mangan, noch nicht
untersucht!) zum Bemalen des Gesichts. Das Erz wird mit einem Stein gerieben,
so dass ein feines Pulver entsteht und mit diesem mittelst des Fingers die beliebten
Striche im Gesicht gemacht. — NB. Schwarz von Russ (verbrannten Cocosschaalen)
dient als Trauerfarbe, nicht dieses metallische Schwarz, was wohl zu unterscheiden.
Bremen, im Februar 1883.
Nachschrift.
Nachdem ich, im Aufträge der Neu-Guinea Compagnie, in den Jahren 1884 und 1885
aufs Neue einen Theil des früher bereisten Gebietes in Melanesien besuchte, kann ich auf
Grund meiner jüngsten Erfahrungen die auf Seite 58 gegebenen Notizen in ihrem vollen
Umfange nur bestätigen. In Neu-Britannien waren verschiedene originelle Gegenstände,
welche ich noch 1880 und 1881 erhielt, nicht mehr zu haben, andere werden jetzt, wie z. B.
Holzschnitzereien, in Neu-Irland, nach anderen Mustern, aber bedeutend verschlechtert,
gleichsam für den Handel, verfertigt, da die Eingebornen an den Kriegsschiffen immer
gute Käufer finden. Steinkeulen, Tanzmasken aus Menschenschädeln, gewisse Musik-
instrumente u. s. w. sind bereits als verschwunden zu betrachten, und ebenso verhält es sich,
nach eingegangenen Erkundigungen, in den Gilberts- und Marshall-Inseln. Meine damals
gemachten Sammlungen haben somit Manches gerettet und der Werth derselben ist, als eine
für verschiedene Localitäten letzte Ernte, ein bedeutend höherer geworden.
Berlin, im Februar 1886.
DR. O. FINSCH.
Ethnographische Sammlung von Süd- und Ost-Borneo.
7
Ethnographische Sammlung von Süd- und Ost-Borneo.
Veranstaltet und beschrieben durch den Reisenden GRABOWSKI.
Nr. i. Aiching buno injapando blonga,
ilassäh lamiang, d. h. Fischfängen,
Lanze mit Sapundu versehen, auch
Blonga, geflurt mit Achatsteinen.
Dieses Brett hat den Zweck, als Opfer
an die Sangiangs (Luftgeister) zu dienen,
wenn in Krankheitsfällen ein Mann ein
Gelübde für den Fall der Genesung seiner
Frau thut; es wird mit der Zeichnung
nach unten im Hause aufgestellt und die
Opferspenden darauf gesetzt. Kwala-
Kapuas.
Nr. 2. Banaina tinggang. Wird der Seele
einer Verstorbenen in die Seelenstadt
(lewu liau) nachgeschickt.
Das Schiff heisst „Banama tinggang”,
weil der Schnabel desselben den Kopf,
dasFlintertheil den Schwanz desTinggang
(Rhinozerosvogels) darstellt. — Aisai
menteng, ein sehr tapferer Tongiang,
dessen Haare feurig sind, steht vorne auf
der Spitze, seine Schienbeine sind scharf
wie Messer, wenn er die Wälder durch-
schreitet, werden die Bäume damit gefällt;
auf seinem Hut stehen als Schmuck
sieben Handiwong-Bäume; er ist der
Gurubatu des Tempon telon (der Höchste
des Sangiangs), d. h. er steht als Paug-
kalima (Vorfechter) auf der Spitze des
Schiffes. — Sein Kriegshut heisst Sam-
pulau hangang. Vorne hängt der Anker
„sauch”. — Aisai menteng hat eine Buno
rohoug in der Hand. An dem Mast
(Tihang), dessen Spitze in eine Buno
(Lanze) ausläuft, hängen die Segel (Tim-
bung), worauf zwei Paar Tinggang-Vögel
(Zeichen der schnellen Fahrt) sitzen. —
In der Cajüte steht der Garagan (Schiffs-
lenker), zu seinen Füssen ein Fischbehälter
(Saperangan) und der Spucknapf (Srangan
ludga). Auf den Wellen (pilat) liegen
Najaho-Bretter, auf diesen lanteiCameang
(Achatflur), darauf maripis (glatte Hölzer)
garing. Hinter dem Garagon steht ein
Blonga (heiliger Topf), darunter zwei
pati (Kisten). Die viereckige Flagge heisst
Bandera, die Wimpel „narusir”. Hinten
am Schiff hängt ein Fischnetz (djala)
neben einem Fischbehälter (lobeho). Das
Schiff ist durch ein Tau (lawak) mit dem
Lewu liau verbunden; auf drei Hügeln
(bukit) stehen zwei Häuser (humah), in
deren Mitte ein batang Garing mamua
lameang, momawan timpong, hakabeken
patika, d. h. ein Garingbama, der Achat-
steine als Früchte, und feine Zeuge als
Blätter trägt zu verschiedenen Zeiten.
Darüber der Mond (bulan). Ueber dem
Hause lampak kanas, worauf ein Burung
kak (Rabe) sitzt. An der Pflanze (kambang
kadjadjak, gelbrothe Blume) rankt sich
das uhat maran langit empor.
Nr. 3. Balai Panti, kleines Opferhühnchen,
von schwangeren Frauen dem Wasser-
gott Djata (Diwata) dargebracht und am
Flussufer auf Bäumen angebracht. Der
Vogel wird „Marak” genannt, die
Guirlanden aus Nipah-Blättern heissen
„sanggar”, die aufrecht stehenden
Geflechte Mambulung (?) und Handipä
(Schlange), die kleine geschnitzte Figur
(hampatong) soll die Wehen der Frau
auf sich nehmen. Eine gleich geschmückte
zweite Balai wird bei diesem Opfer von
den Blians (Priesterinnen) unter Trommel-
schlägen in den Fluss versenkt und so
dem Flussgott Djata geweiht, der sich
im bidjai (Crocodil) verkörpert. Tumbang
Hiang, Mittellauf des Kapuas.
Nr. 4. Palamgka bulau, Gestell, um darauf
die Opfer für die Sangiangs (Luftgeister)
zu setzen. (Zeichnung und nähere
Beschreibung s. Ausland).
Nr. 5. Tampadjat Sangumang, bestehend
aus einem Stück Eisen, einem Stein und
7 Holzpuppen (hampatongs), dem Finder
im Traume durch Sangumang (einen
Sangiang) als wunderthätig bezeichnet.
Kwala-Kapuas. -Borneo.
Nr. 6. Lawong (pantar bulau). Stirnband
von Rottanggeflecht für Blians oder von
den Sangiangs Besessene. Kwala-Kapuas.
Nr. 7. Soemping, gehören zum Lawong und
werden an jeder Seite einer an den
Schläfen hineingesteckt.
72
Ethnographische Sammlun,
von Süd- und Ost-Borneo.
Nr. 8. Daran rokon Trahan, Geflecht der
Cigaretten des Trahan, werden auch von
Sanggiangs Besessenen geraucht. Ivwala-
Kapuas.
Nr. 9. Daran tandok hadangan, Geflecht
um ein geschnitztes Büffelhorn, woraus
die Besessenen Tuak oder Arak trinken.
Kwala-Kapuas.
Nr. 10. Daran tandok handangan, wird dem
beim Todtenfest zu tödtenden Büffel um
das Horn gebunden. Kwala-Kapuas.
Nr. 11. Simbet randan, kleines, ganz aus Eisen
gefertigtes Messer, von den Besessenen
benutzt; in der gewöhnlichen Sprache
langäi.
Nr. 12. Dohong, zweischneidiges Messer, nur
beim Tiwahfest (Todtenfest) gebraucht,
von derjenigen Blian oder dem Bazir,
der die Seelen der Verstorbenen in die
Seelenstadt leitet. Kwala-Kapuas.
Nr. i3. Geflecht beim Todtenfest, dem Opferbüffel
ums Horn gebunden. Kampong Batu
Sambong, Mittellauf des Kapuas.
Nr. 14. Daran Pantar, Geflecht zum Verzieren
der Pantars, grosser Mastbäume, die beim
Tiwahfest aufgerichtet werden.
Nr. i5. Sampun paräri oder sampun behas,
hölzerne Bildchen in einem Bambuköcher,
steckt man in die Le paus (Reisscheuern)
und hofft, dass dadurch der Reis gut
bleibe, Ratten ihm nichts anhaben.
Das Holz zu den Hampatongs mag
durch Traum angedeutet sein. Kwala-
Kapuas. Südost-Borneo.
Nr. 16. Sampun paräi s. Nr. i5. Kwala-Kapuas
Nr. 17. Karohäi badagang, Zaubermittel für
Handeltreibende. Die Rottanbänder,
welche die chinesischen Näpfchen Zu-
sammenhalten, heissen simpai; im
grössten Näpfchen ist Holz von Bukit
bundang (ein hoher Berg zwischen dem
Oberlauf des Kahaian und Duson); im
zweiten ist Holz vom Bukit kaminteng,
und im kleinsten vom Bukit Raja (Berg
im Oberlauf des Katingan); man hält
diese Berge für geheiligt, als Sitz der
Sangiangs. Der Besitzer der Karohäi
badagang darf die in den Näpfchen
befindlichen Holzarten nie zu etwas
Anderem, z. B. Kochen oder Bauen
benutzen. In jedem Monat wird das
K. b. manjaki, d. h. mit Blut bestrichen,
dann behält es seine glückbringende Kraft
bis auf die fernste Nachkommenschaft,
aber nur auf die des ersten Besitzers, es
darf also nicht verkauft werden. Kwala-
Kapuas.
Nr. 18. Karohäi halamaung, Köcher, ent-
haltend Zaubermittel, um den Inhaber
desselben in den Besitz eines heiligen
Topfes (djawet) der Art halamaung (Werth
700—1200 holl. Guld.) zu bringen. Die
Hölzchen sind durch Traum als glück-
bringend angewiesen. Kwala-Kapuas.
Nr. 19. Karohäi Blanga, soll den Inhaber zum
Besitz eines der heiligen Töpfe, genannt
Blanga, verhelfen; dieses ist die kost-
barste Art der Djawets im Werthe von
i3oo—3ooo Gulden.
Nr. 20. Karohäi talan, Köcher mit Zauber-
mitteln, um reich zu werden. Kwala-
Kapuas.
Nr. 21. Penjang, Amulett mit einer Schnur um
die Hüften getragen, so dass der Penjang
hinten hängt. Kwala-Kapuas.
Nr. 22. Penjang, vollständiger wie Nr. 21, mit
Tigerzähnen(Kasinganharimaung), Hang-
kulizähnen und Krokodilzähnen, Holz-
und Knochenstücken, zwei Oelfläschchen
(bakam berae), einem Körbchen (sandik)
und einer Pajang-Frucht. Kwala-Kapuas.
Nr. 23. Klambi kapok, mit Baumwolle gefüllte
Streitjacke. Tumbang Hiang, Mittellauf
des Kapuas.
Nr. 24. Sraung, Ueberwurf aus Hangkulifell,
über dem Klambi kapok (Nr. 23) getragen.
Tumbang Hiang.
Nr. 25. Karungkong, Streitjacke, verziert mit
Perlen und Federn. Ot Danom’s in
Kampong Rahong Bungai-Kapuas.
Nr. 26. Karungkong, Streitjacke, Oloh Ngadju
in Kampong Lawong Baung-Kapuas.
Nr. 27. Sangkarut, wie Nr. 24 oder auch allein
ohne Klambi kapok getragen. Kwala-
Kapuas. (2 Stücke.)
Nr. 28. Sampulau tinggang, Kriegshut mit
Federn von Burung haruä (oder djuä),
Phasianus Argus und von Burung ting-
gang (Buceros rhinoc),
Nr. 29. Sampulau hanggang, Kriegshut aus
Rottan mit Argusfasanfedern, Tumbang
Hiang, Mittellauf Kapuas.
Nr. 3o. Sampulau hangang, Kriegshut aus
Affenfell. Tumbang Hiang.
Nr. 3i. Lintong, Gürtel aus gefärbtem Rottan
zum Festhalten des Sarong für Jung
frauen und Frauen (Wittwen tragen un-
gefärbte).
Von Grabowski.
73
Nr. 32.
Nr.
Nr.
Nr.
Nr.
Nr.
Nr.
Nr.
Nr.
Nr.
Nr.
Nr.
Nr.
Nr.
Nr.
Nr.
33.
34.
Nr. 35.
Nr. 36.
Nr.
Nr.
Nr.
37.
38.
3 9-
Nr. 40.
41.
42.
43.
44.
45.
46.
47-
48.
49.
50.
51.
52.
53.
Aehet kambulung oder kalambu-
lung, Bauchgürte], namentlich von ver-
heiratheten Frauen getragen.
Aehet kalumit, Bauchgürtel für Frauen.
Aehet kalumit oder kakudang (un-
vollständig) wie Nr. 33.
Saling, Frauenschmuck aus Lameang
(Achatperlen) und vergoldeten Eckstückcn.
Kwala-Kapuas.
Santagi, Schmuck für Fläuptlinge, aus
halbmondförmigen Goldblechen be-
stehend.
Sowang’s, Ohrscheiben, von Frauen
getragen.
Sowang bulau, d. h. mit Gold verzierte
Ohrscheiben, von Männern getragen.
Sowang paking, dienen zur steten
Erweiterung der Ohrlöcher für die Ohr
scheiben. Kwala-Kapuas.
Lassong lawai, Armring für Frauen,
aus geflochtenem Messingdraht. Tum-
bang Hiang.
Nanas sambelom, längliche Perlen,
von Männern um das Handgelenk ge-
tragen. Tumbang Hiang.
Lassong, ein Satz Armringe (37) für
ein Kind.
Lassong, Armringe für Erwachsene,
der weisse Ring von einem Schnecken-
gehäuse geschliffen, heisst Balusoh.
Katambong, Blianstrommel.
2 Gandangs, Trommeln, bei allen
Festen gebraucht.
Gandang bawoi, Musikinstrument aus
Bambu. Tumbang Hiang.
Garode, Musikinstrument (selten) aus
Kampong. Nuara Kawatan-Kapuas.
2 Suling, Flöten mit 4 Oeffnungen.
Kotta Pudjon am Kapuas.
Kanjape, zweisaitige Guitarre. Kotta
Pudjon am Kapuas.
Rabap, malaiische Violine, zuweilen
vom Oloh ngadju gespielt.
Talunding, Pfeife aus dünnem an-
gespaltenem Bambu, ohne Löcher. Tum-
bang Hiang.
2 Garidings, Maultrommeln aus Kam-
pong Mangkirik am Kapuas.
Ramon dawai (Webestuhl), bestehend
aus:
1. Pating bohun (2 feine runde Stäbe);
2. „ doroi (2 dickere, am Ende ge-
kerbte Stäbe):
3. Birang (brettartig);
4. Totat (gezähnt);
5. Bonkong (2 Bambusstäbe);
6. Doroi (Geflecht aus Rottan);
7. Sakuan asolc (grosse Spule);
8. Sakuan (kleine Spule); ist Garn darauf,
so heisst sie Bohun;
9. Sakuan (zum Auseinanderhalten des
schon Gewebten).
Aus Kampong Rudjak (Ot Danoms).
Nr. 54. Dawai timpung, Webestuhl mit Garn
bespannt, aus Kampong Sungei Ringin.
Nr. 55. Badjang, Spinn-Instrument, aus Kam-
pong Sungei Ringin.
Nr. 56. Saloi, enger Sarong aus Kain limba,
gefertigt von einer Frau aus Kampong
Rudjak.
Nr. 57. B adju timpung,FestjackefürFrauender
OtDanoms ausKampongRudjak. Kapuas.
Nr. 58. Aewah (tjawat) aus Papua - Rinde.
Lendengurt, von den meisten Stämmen
in Südost-Borneo bei der Arbeit und im
Busch getragen. Bei Festen und im
Hause werden Aewah’s aus rothem oder
blauem Kattun getragen. Tumbang
Hiang, Mittellauf des Kapuas.
Nr. 59. B a dju, Ueberwurf oder Jacke aus Papua-
Rinde, wie Nr. 58.
Nr. 60. Rinde vom Njamo oder Papua-Baum,
unbearbeitet. Tumbang Hiang.
Nr. 61. Bearbeitete Rinde des Njama-Baumes
nebst Blatt und Aststück desselben.
Tumbang Hiang.
Nr. 62. Sarumpa, Sandalen von Rottan, zum
Schutz gegen die Dornen beim Rottan-
schneiden gebraucht. Kampong Lawang
Pandong, Oberlauf des Kapuas.
Nr. 63. Pahat(Hohlmeissel), Pangar ut (Kratzer)
und Tokit (Köcher), Instrumente zum
Njato- (Guttapercha-) suchen gebraucht.
Kampong Lawang Pandong, Oberlauf
des Kapuas.
Nr. 64. Pusach, Instrument zum Feuermachen;
es besteht aus einem Stück Hantangan-
Holz voller Löcher (Lisong) und dünnem
langem Hölzchen (Halo); man quirlt
einen Halo so lange in einem der Lisongs
umher, bis er zu brennen beginnt, etwa
eine Minute lang. Kwala-Kapuas.
Nr. 65. Djunkong, ein krummes Holz, zum
Drehen von Stricken gebraucht, indem
man es mit dem rechten Knie an der
Erde festhält und mit den Händen den
Strick nach sich darüber rollt. Kwala-
Kapuas.
Nr. 66. Sulep, Köcher von Bambu mit Schnitze-
reien, zum Aufbewahren von Werth-
10
74
Nr. 67.
Nr. 68.
Ethnographische Sammlung von Süd- und Ost-Borneo.
Nr. 71.
Nr. 72.
Nr. 73.
Nr. 74.
Nr. 75.
Nr. 76.
Nr. 77.
Nr. 78.
Nr. 7Q.
Nr. 80.
Nr. 81.
Nr. 82.
Sachen aller Art, Tabak etc. Kwala-
Kapuas.
Sambilu, (2) Bambusmesser, beim Schä-
len von Früchten, aber auch mit Vorliebe
beim Fangen der Läuse verwendet.
Kwala-Kapuas.
Kruier, Spatel zum Herausstechen des
gekochten Reises aus dem Topfe. Kwala-
Kapuas.
Sendok, Löffel zum Ausschöpfen der
Djoho, derNationalsuppe. Kwala-Kapuas.
Supak, ein von einer kleinen Kokus-
nussschale gefertigtes Hohlmaass. 8 Su-
pak = 1 Gantang = ca. 6 Pfund Reis.
Kwala-Kapuas.
Lisong mit Halo, Modell eines Reis-
stampfblockes mit Stampfer. Tumbang
Hiang.
Bindang mit Pipis, Mörser von Holz
mit Klöppel zum Zerquetschen der bei
den Speisen gebrauchten Gewürze. Tum-
bang Hiang.
Sepak (tjepak), ein von Rottan gefloch-
tener Ball bis zur Grösse einer Kokus-
nuss; er wird in die Höhe geworfen und
nun mit den Füssen immer wieder in
die Höhe geschnellt.
Bajang, Kreisel. Kwala-Kapuas.
Sankulap, Köcher aus Bambu für Salz.
Tumbang Hiang.
Pantjurit, Spritze von Bambu.
Rarean betet, Sitzhölzchen mit Futter-
napf für Palaeormis longicanda (betet).
2 Stück. Kampong Mesaran, Mittellauf
des Kapuas.
Tampahiling, Hölzchen, die um einen
Neubau gehängt werden. Kotta Baru,
Mittellauf des Kapuas.
Gento, Messer zum Reisschneiden.
2 Stück. Kwala-Kapuas.
Kumpit, dienen den Orang bukits von
Mindai im Pramapon alai - Gebirge zum
Abschneiden der Reisähren; sie werden
auf den Daumen gestützt und durch
Druck gegen den Zeigefinger wird die
Aehre abgekniffen. Orang bukits von
Mindai.
Silong, Mäusefalle, wird um die Reis-
felder herum aufgestellt. Orang bukits
von Mindai.
Pisi paluntang, Angel, hat ihren Na-
men nach einem in Form einer Ente
geschnitzten, leichten Stück Holz, woran
die Angel mit kurzer Schnur gebunden
wird; man lässt sie den Fluss abtreiben,
Nr.
Nr. 84.
Nr. 85.
Nr.
Nr. 87.
Nr. 88.
Nr. 89.
Nr. 90.
Nr. 93.
Nr. 94.
Nr. 97.
während man in einem kleinen Kahne
folgt. Kwala-Kapuas.
Pisi taboh, Angel, wird tief versenkt
und die Rolle so angebracht, dass die
Schnur, wenn ein Fisch angebissen, sich
abwickeln kann. Kwala-Kapuas.
Pisi kakap, Angel, nachdem 3—4FUSS
langen Kakap - Fisch benannt; das
Knochenstück wird bis zum Angelhaken
herabgeschoben, damit der Fisch den-
selben nicht abbeissen kann.
Pisi tadjua, Angel, deren Ruthe sehr
lang ist; die Schnur 9—12 Zoll lang,
damit fischend, tickt man fortwährend
mit der Spitze der Ruthe aufs Wasser.
Kwala-Kapuas.
Salang, wird über der Feuerstelle auf-
gehängt und zum Hineinlegen der Teller
benutzt.
Salang, wie Nr. 86. Kwala-Kapuas.
Buta (salipi), Korb aus Rottan mit Trag-
riemen, von Frauen benutzt. Kw.-Kapuas.
Buta (saraka), wie Nr. 88. Kwala-Kapuas.
Timpa, kleiner von Rottan geflochtener
Korb zum Auf bewahren von Schmuck etc.
Kwala-Kapuas.
Rambat, von Rottan geflochtener, durch-
brochener Korb, oft sehr gross. Kwala-
Kapuas.
Salepang, eine von Rottan geflochtene
Tasche, vielfach zum Auf bewahren von
Pulver, Schrot und Zündhütchen ge-
braucht. Kwala-Kapuas.
Salepang, wie Nr. 92.
Salipi, Rottantasche zum Auf bewahren
von ungekochtem Reis für eine kurze
Reise. Kampong Lawang Pandong.
Kussak, Körbchen zum Reiswaschen.
Kwala-Kapuas.
Rakar, ein von Rottan (oder Wurzeln)
geflochtenes Gestell, worauf man eben
vom Feuer gehobene Kochtöpfe setzt.
Kwala-Kapuas.
Amak purun, Mustermatte aus Purun-
binse mit 10 verschiedenen Mustern:
r. Palimping, Randsaumgeflecht;
2. Papusu, Blümchengeflecht;
3. Handipä, schlangenartiges Geflecht;
4. Darä sampan, Kahngeflecht;
5. Tampong sangalang, Trog der Sin-
galang-Frucht;
6. Darä Panggar, Querholzgeflecht.
7. Darä Timba, Timbageflecht.
8. Darä Pating sretak, Geflecht wie
Zweiglein der Bohne;
Von Grabowski.
75
Nr. 98.
Nr. 99.
Nr. 100.
Nr. 101.
Nr. 102.
Nr. io3.
Nr. 104.
Nr. io5.
Nr. 106.
Nr. 107.
Nr. 108.
Nr. 109.
Nr. 110.
Nr. ui.
Nr. 112.
Nr. 113.
Nr. 114.
Nr. 115.
9. Darä Tetat Sanggar, Kerbgeflecht;
io. Handipä,Schlangengeflecht, wieNr.3.
Kleine unvollendete Rottanmatte.
Eine Purun-Schlafmatte. Kwala-
Kapuas.
Amak daran rohing, Rottanmatte aus
Kampong Tumbang Moro.
Grosse Rottanmatte; das Geflecht
heisst: Daran ching baburing bulau, lauk
rantau matanandau, nasa papanatan
runjan, und man glaubt, dass Tempon
Telon, der Oberste der Saijgiangs, auf
einer solchen Matte sitzt. TumbangHiang.
Amak toping (kleine) und Amak
tahing (grössere) Modelle, sind sehr
gross, und wird der Reis in Hülsen auf
ihnen getrocknet. Tumbang Hiang.
Buta, kleiner Tragkorb, Spielzeug für
Kinder. Tumbang Hiang.
Kiap, zum Ausschwingen des gestampf-
ten Reises. Tumbang Hiang.
Kalaia, zum Sieben des gestampften
Reises (Modell). Tumbang Hiang.
Keba, offener Tragkorb, bei dem Stamm
der Olon Maonjan gebraucht. Telang
in Duson Timor, Borneo.
Tangalopan, wasserdichter Tragkorb,
bei dem Stamm der Olon Maonjan ge-
braucht. Telang in Duson Timor, Borneo.
Dulang, HolzschüsselzumGoldwaschen,
im Oberlauf des Kapuas in Gebrauch.
Kampong Muara Kawatan.
Kalangkang garo, korbartiges Ge-
flecht, wird gebraucht um Kleider darüber
zu hängen und sie mit Weihrauch, der
darunter gesetzt wird, ausräuchern zu
lassen.
Salutup, Mütze aus Bongkuang - Gras,
von Kindern getragen. Tumbang Hiang.
Salutup, aus Purun-Binse. Tumbang
Hiang.
Tanggoihunjuk, spitzer Hut aus Rais-
ßlättern. Die innere Lage heisst Kum-
pang, genäht mit dem Bast vom Bahru-
Baum; das eigentliche Käppchen heisst
Bungo und ist aus Jpah-Blättern. Hunjok
ist die rothe gestickte Spitze, gefärbt mit
Harudja und Kasumba. Kwala-Kapuas.
Tanggoi hunjuk, wie Nr. 112.
Tanggoi darä, Blut mit Geflecht, wird
bei festlichen Gelegenheiten getragen,
zuweilen noch mit Muscheln verziert.
Dietrich Katingan, Südost-Borneo.
Tanggoi darä, Hut für Frauen. Kam-
pong Rudjak, Stamm der Ot Danoms.
Nr. 116. Tanggoi darä, Festhut. Kampong
Rahong Bungai.
Nr. 117. Tanggoi darä, sehr gross, aus Kam-
pong Tumbang Kaburan.
Nr. 118. Tanggoi darä, Festhut. Kampong
Rahong Bungai. Die kleinen Muscheln
heissen ajat busi (spr. buschi), das innere
Geflecht talusong, die Spitze balau ta-
lundjun.
Nr. 119. Pantok, Instrument zum Tätowieren
(tutang). Kotta Baru, Mittellauf des
Kapuas.
Nr. 120. Telawang, Schild aus Kotta Baru am
Kapuas.
Nr. 121. Telawang, Schild aus Kotta Rudjak
am Kapuas.
Nr. 122. Telawang, Schild aus Kotta Tarau am
Kapuas.
Nr. ii3. Amak Campit, Matte für Fussböden.
Tumbang Hiang.
Nr. 124. Samburut, Köcher mit Leimruthen.
Kampong Lawong Pandong-Ivapuas.
Nr. 125. Rangkan, Modell eines Bootes, ge-
bräuchlich im Gebiet der Stromschnellen
des Kapuas von Kampong Rudjak ab.
Nr. 126. Besäe suruk, spitzes Ruder zum Ab-
stossen von den Felsen beim Passiren
der Stromschnellen im oberen Kapuas.
Kampong Masiun.
Nr. 127. Talimbahan, Pfeilköcher, gebraucht
von dem Stamm der Orang bukits in
Mindai. Pramassan alai-Gebirge, Borneo.
Nr. 128. Ligau und Tumpuhan, als Inhalt zu
Nr. 127, dienen als Amulette.
Nr. 129. Damak lanjep, vergiftete Pfeile ohne
Widerhaken.
Nr. i3o. Damak sangkab, vergiftete Pfeile mit
Kupferspitzen.
Nr. 131. Sangatan, Instrument zum Anfertigen
der Luftfänger (hulo) der Pfeile. Die
Luftfänger werden bei diesem Stamm
aus dem Mark (pihaung) von der Ham-
pulur-Palme angefertigt.
Nr. 132. Garipai, kleine Flöte, wird im Pfeil-
köcher getragen. Nr. 128—132 befanden
sich im Talimbahan Nr. 127.
Nr. 133. Brief eines Bukithäuptlings an einen
Kampong, um für den nächsten Morgen
5 Kulis zu stellen. Mindai, Borneo.
Nr. 134. Telep (Pfeilköcher) mit Balok bara
(Behälter für die Luftfänger [pimpings]
der Pfeile), vom Stamm der Ot Danoms.
Kampong Penda Pangoron-Kapuas.
10*
verschiedene
Pfeilarten.
Damek tanggiri, \
„ ladjau,
„ tarn bara rau, >
„ tepus,
„ Durun torni,'
Telep mit Balok bara aus Kampong
Sarongkong.
Ein Bündel vergifteter Pfeile für
Vogeljagd.
Drei schwervergiftete Pfeile in be-
sonderem Rührbehälter.
Sipet oder Sumpitan (Blasrohr) mit
Lanzenspitze (sangko). Kampong La-
wang Pondong.
Sipet (Blasrohr) mit Lanzenspitze. Kam-
pong Lawang Baung-Kapuas.
Sipet (Blasrohr) mit Lanzenspitze. Kam-
pong Masiun-Kapuas.
Doha, Lanze aus Tumbang Hiang.
„ „ „ Kwala-Kapuas.
Ethnographische Sammlung von Süd- und Ost-Borr
Nr. Q7.
Nr. Ln 00
Nr. 159.
Nr. 160.
Nr. 161.
Nr. 162.
Nr. 163.
Nr. 164.
Nr. 165.
Tumbak oder gandjur, Lanze. Kwala-
Kapuas.
Sambilatiung, Lanze. Kwala-Kapuas.
Buno oder Rando, alte Lanzen, nur
bei den Tiwah (Todtenfesten) gebraucht.
Kwala-Kapuas.
jßuno, Rando, beim Tiwah-Fest im
Gebrauch. Kwala-Kapuas.
Dohok, Fischwurfspiess mit einem
Widerhaken, loser Spitze; wurde mir bei
einem Tubafischfang durch einen Häupt-
ling überreicht, und man wartete, bis ich
damit den ersten Fisch harpunirt hatte.
Tumbang Hiang, Borneo.
Ro waj ang, mit 2 Widerhaken versehener
Fischwurfspiess. Kwala-Kapuas.
Rowajang, wie Nr. 157. Kwala-Kapuas.
Tiruk, Fischspeer. Kwala-Kapuas.
Salahawu, Fischspeer mit 3 Spitzen.
Kwala-Kapuas.
Simpang, Fischharpune mit 4 Spitzen.
Teken, ein verzierter Bambu, zum Fort-
schieben der Böte benutzt. Kwala-Kapuas.
Sangkarujok, Fruchtpflücker. Kwala-
Kapuas.
Fun dang, Stab aus Eisenholz zum
Reispflanzen.
Fundang, wie Nr. 164. Kwala-Kapuas.
Nr. 166.
Nr. 167.
Nr. 168.
Nr. 169.
Nr. 170.
Nr. 171.
Nr. 172.
Nr. 173.
Nr. 174.
Nr. 175.
Nr. 176.
Nr. 177.
Nr. 178.
Sangkai sepah. Bei meiner Ankunft
in Kampong Rudjak, Mittellauf des Ka~
puas, fand ein Fest statt und trug eine
junge Frau, festlich geschmückt, die S.
sepah in der Hand, und nachdem sie
mit ihren 3 Begleiterinnen einen Gesang
vollendet, nahm sie aus dem einen Quer-
holz eine der verzierten Cigarretten,
steckte sie in Brand und dann mir in
den Mund, darauf meinen Rudern, einem
Jeden eine Sepah (Sirih kausel) aus dem
andern Querstab.
Mandau, Kopfschläger, Hauptwaffe der
Oloh ngadju. Kwala-Kapuas.
Mandau, aus Tumbang Hiang.
Bl ad au, dolchartiges Messer in Scheide,
von den Oloh ngadju seltener getragen,
dagegen überall in den malaischen
Districten Südost-Borneos.
Neuguss für die Spitze eines Lanzen-
schaftes von den Gelbgiessern in Kam-
pong Negara am Bahonfluss, Südost-
Borneo, angefertigt.
Kidjing oder Ramis-Muscheln, werden
in Kampong Negara zum Brennen des
Sirihkalkes benutzt; der Ofen heisst
Timbunau kapur, ist 15' lang und 8' breit.
Es werden mit einem Male ca. 450 Gan-
tang-Muscheln gebrannt und zwar eine
SchichtKohlen und eine Schicht Muscheln
übereinander gestapelt. Das Brennen
dauert 3 Tage.
Talatap, ein kleines, sehr plattes Boot,
wird gebraucht, um am Seestrande
während der Ebbe Harze (Mating) zu
suchen. Man kniet mit dem linken Bein
darin und schiebt es mit beiden Händen
und dem rechten Fuss durch den
Schlamm hin.
Modell eines malaischen Hauses in
Bandjermasing.
Modell eines Wachthäuschens in Band-
jermasing.
Modell eines Oloh ngadju - Hauses im
Lauf des Kapuas.
Modell einer Prau, grösseres Fahrzeug
auf den Flächen Borneos gebräuchlich.
Modell eines Tembangan, in Bandjer-
masing sehr gebräuchlich als Verkehrs-
mittel.
Modell eines Djukong, offener Kahn
für Jagd und Fischfang.
Die Verbrechen und das Strafverfahren auf den Pelau-Inseln.
77
Mikronesien, (j. s. kubary.)
i.
Die Verbrechen und das Strafverfahren auf den Pelau-Inseln.
Nach schematischer Eintheilung sind die Verbrechen zu betrachten, als begangen gegen:
die Person, das Eigenthum, den Staat und die Religion.
i. Der Todtschlag, Kodak, wird als das schwerste Verbrechen betrachtet, und dass der
Sinn der ganzen gesellschaftlichen Ordnung sich gegen die Ausübung desselben richtet, ist
nicht nur durch den Widerwillen gegen die Todesstrafe und die gänzliche Abwesenheit der
Morde in unserem Sinne kundgegeben, aber auch durch die grosse Vorsorge, mit welcher die
Sitte das Handhaben von scharfen Waffen bedacht hat.
Erlaubt und gänzlich straflos ist der Todtschlag:
a. im Kriege;
b. in Selbstvertheidigung bei einem Ueberfalle mit scharfer Waffe;
c. bei dem Umbringen neugeborener Kinder, die noch als ein ausschliessliches
Eigenthum der Eltern und noch nicht als das der Gemeinde betrachtet werden;
d. bei der Kasmakal-Rache, für die Verführung einer Ehefrau, wenn der Rächer
einer fremden Gemeinde zugehört;
e. bei dem Wegschaffen von Zauberern, wenn es mit Zustimmung der Ober-
gemeinde geschieht, und
f. durch unabsichtlichen Zufall.
ln Hinsicht auf die ersten drei Punkte, wie auch auf den letzten herrscht absolute
Straflosigkeit, ebenso in Fällen, wo der Todtschlag auf fremde Veranlassung ausgeführt wurde,
indem nicht der Thäter selbst, sondern der ihn bezahlende Absender verfolgt wird. Tödtliche
Rache innerhalb der eigenen Gemeinde und das Tödten von ,,Bodökol a kedul”-Personen,
ohne oberste Bewilligung, ist zwar durch die öffentliche Meinung gut geheissen, ist aber
strafbar, indem ein Matel a kaff, der Preis für den todten Menschen, in einer den Verhältnissen
entsprechenden Geldbusse erhoben wird. Das Strafverfahren richtet sich immer gegen die
Familie, die durch ihr Oberhaupt, den Rupak, in der Gemeinde vertreten wird. Ist die Strafe
einmal bezahlt, so ist die Sache in Ordnung und dem eigentlichen Thäter hängt kein besonderer
Makel an. Bei einem Unvermögen in der Entrichtung des Bussgeldes erfolgt die Zerstörung
des Eigenthums der Familie und deren Verbannung aus dem Verbände der Gemeinde.
Sittlich erlaubt ist das Tödten des Oberhäuptlings durch seinen Nachfolger, den Bruder
oder den Schwestersohn, was jedoch ausser der Zustimmung der hauptsächlichsten Rupaks
der Gemeinde, auch bedeutende Bussgelder an die sämmtlichen übrigen Oberhäuptlinge Pelaus
voraussetzt.
Als durchschnittlicher Preis für ein Menschenleben kann einKalebukub (bis 60) angenommen
werden, indessen hängt die Höhe des Todtengeldes von den näheren Umständen ab, worüber
eingehender in meinem früheren Aufsatze über die sociale Einrichtung ausgeführt wurde.
Das Ersetzen der Todesstrafe durch ein Bussgeld setzte das Tödten in die Macht der
Reichen, desshalb ist die Furcht der Armen vor den vorigen, wde auch die grenzenlose Gier
nach dem einheimischen Gelde der Bevölkerung, erklärlich.
?8
Die Verbrechen und das Strafverfahren auf den Pelau-lnseln.
2. Selbstmord, der sehr selten vorkommt, wird weder gepriesen noch getadelt. Er ist
der Willensausdruck eines freien Mannes und die öffentliche Meinung nimmt von einem
solchen in sofern Theilnahme, in sofern er die Verhältnisse einer gewissen Familie berührt.
Der Gemüthszustand des Selbstmörders wird als „Tihariner arhul”, „verrückt”, „unzurechnungs-
fähig” aufgefasst, und als Folge des „Motumal arnul”, „gebrochenen Gefühles” (bei Liebe),
oder des „Renel bllap arnul”, „unerschütterlichen Entschlusses” und Rasarasak el arnul”,
„der bosshaften Verbissenheit” (bei Familienzwist), angesehen. Indessen eines unnatürlichen
Todes verstorben, werden ihre Geister gefürchtet und ein ehrbares Begräbniss in den Familien-
gräbern wird ihren Körpern versagt. Sie werden, wie die Leichen der im Kriege gefallenen,
dorten begraben, wo sie ihr Leben beendeten.
3. Absichtliche Körperverletzung, mit Stein oder Stock beigebracht, sind in der Regel
und ohne Bezugnahme auf event. Verkrüppelung, so lange nicht der Tod eintritt, unbelangbar.
Indessen können politische und staatliche Rücksichten sich geltend machen, die eine Geldstrafe
zur Folge haben können. So z. B. wenn ein Angehöriger . einer Obergemeinde in einer
untergeordneten Gemeinde geschlagen und beschädigt wurde, so ist die Sache ohne Folgen,
denn er konnte sich vorsehen, wenn er nicht vielleicht selbst durch seinen Sapasapel arnul,
seinen Uebermuth, die Schlägerei herbeiführte. Hat dagegen der Angehörige einer kleinen
Gemeinde einen Mann der Obergemeinde in seiner Heimath geschlagen, so muss er Strafe
bezahlen, weil er seine untergeordnete Stellung vergass und Unfug in dem Klou pelu, dem
Hauptlande trieb. Wird dagegen zu der Schlägerei eine schneidende Waffe benutzt, so wird
schon die That allein mit schwerer Geldbusse geahndet. Entschädigung oder Schmerzensgeld
wird nicht verlangt, noch gewährt, ausgenommen eines tödtlichen Ausganges, wo dann die
Sache als ein gewöhnlicher Todtschlag behandelt wird und einen Matel a Kad erheischt.
4. Nothzucht ist bei den durch keine sittlich moralischen Grundsätze gestützten
Lebensbegriffen der Pelauaner ein öfteres Verbrechen und in Wirklichkeit ist einer solchen eine
jede einzeln angetroffene Frau ausgesetzt. Die Furcht vor der Gewalt, die bewusste Hülf-
losigkeit verbieten jeden Widerstand und die Frau, der überhaupt ein Begriff der Keuschheit
fremd und dagegen eine obligatorische Prostitution als socialer Gebrauch bekannt ist, ergiebt
sich in ihr Schicksal, ohne an ihrer Würde etwas zu verlieren. Das Verbrechen sinkt hier
zu einem socialen Uebel herunter, dessen Verübung nur ausnahmsweise strafbar befunden
wird. Geschieht die Nothzucht gegen eine Fremde, so ist sie nicht nur unbelangbar, aber der
Mann wird einigermassen noch im Rechte befunden — er nutzte nur seinen Vorth eil, den des
stärkeren Mannes aus und hatte das Vorbild nicht nur in der ihn umgebenden Thierwelt,
sondern auch in der alten Gottheit Kamasiökol, die die Pelauaner das Omageok, das Rauben
mit gewaltiger Hand lehrte. Innerhalb eines Verbandes von Gemeinden ist die Nothzucht
strafbar, wenn sie von Männern niedriger Gemeinden an den Frauen der höheren verübt
wird, nicht aber, wenn es umgekehrt der Fall ist. Innerhalb einer Gemeinde fällt nun über-
haupt ein Dolus in der Sache weg, wenn man in Betracht nimmt, dass Keuschheit weder
bekannt noch verlangt wird und dass das anwachsende Mädchen künstlich ihre Jungfernschaft
verlieren und durch freien Verkehr mit der Jugend sich zum Ehestande vorbereiten muss.
Ob sie nun freiwillig einem Jugendgenossen oder an der Hand gezogen folgt, ist ziemlich
gleichgültig und widmen die Eltern einer Klage ihrer jungen Tochter, dass sie oltrebek wurde,
kein grosses Gewicht bei. Wurde bei dem Vorgänge besondere Gewalt benutzt, so dass der
Vater sich zum remonstriren bewogen fühlt, so schickt er Jemanden zu den Eltern des jungen
Mannes mit ungefähr folgender Botschaft: Warum Gewralt? Wollt ihr mein Kind zur
Schwiegertochter, nun gut — morgen kommt das nöthige Otöir .... Dieses bestehet aus dem
Von J. S. Ivubary.
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Taro, dessen Uebersenden oder vielmehr Ueberbringen durch das Mädchen selbst öffentlich die
eingegangene Ehe kundgiebt. Die so bedrohten Eltern haben vor sich die Aussicht all der
mit einer Ehe verbundenen Auslagen, ohne von der jugendlichen Schwiegertochter entsprechenden
Nutzen zu gewärtigen und sie senden rasch ein Stück Geld als Otergel oltrebek, eine Entschädigung
für die Nothzucht, und Alles ist wieder in Ordnung. In jedem Falle ist aber die That selbst
oder das Vorhaben sträflich, wenn gegen Frauen versucht, die auf dem Kopfe Wasser oder
Taro für den Hausbedarf trugen, denn hier misshandelte der Thäter die für einen Rupak,
ein Familienoberhaupt bestimmte Nahrung und er wird folglich durch die Häuptlinge mit
einer Geldstrafe belegt.
War die gemisshandelte Frau verheirathet, so entsteht ein Fall eines erschwerten
Ehebruchs, welcher dem Ehemann entweder das Recht der Kasmakal-Rache oder den Nutzen
der Usaker-Entschädigung sichert. In der pelauschen Geschichte spielen die Folgen der
Nothzüchtigung der Ehefrauen eine bedeutende Rolle. So z. ß. ging in früheren Zeiten der
Verein Nara Tatirou von Korryor nach Pililu im Bewusstsein seiner Stärke, denn er war über
ioo Mann stark die Einwohner mit Uebermuth und ohne Schonung behandelnd, ln Avdololok
wurde durch einen der Mitglieder die Frau des Häuptlings Golak Aloil im Walde vereinzelt
angetroffen und gemissbraucht, was endlich das Verderben des Vereins verursachte, denn der
beleidigte Häuptling erhob ganz Pililu zu den Waffen und die zu Besuchen in den verschiedenen
Ortschaften zerstreuten Krieger wurden beinahe gänzlich ausgerottet. Als Antwort darauf
verbrannte nach einiger Zeit Korryor einen Frauen Blolobol aus Pililu. Ferner war Niwal
noch vor ca. 40 Jahren ein unabhängiger Staat, dessen Jugend jedoch übermüthig, nothzüchtigte
die Stammmütter Molegoyoks, die, durch Ebbe befallen, an dem Ufer Niwals auf Fluth
warteten. Die Folge war ein Kriegszug nach Niwal, der mit seiner Unterjochung endete.
5. Entführung eines Mädchens mit deren Zustimmung ist eine gewöhnliche Aushülfe,
wenn die Eltern ein von dem Paare begehrtes Ehebündniss nicht zulassen wollen. Eine
gewaltsame Entführung für eheliche Zwecke kann aber bei der socialen Einrichtung der
Pelauaner keinen Sinn haben und ist deshalb undenkbar. Dagegen ist gewaltsames Entführen
von Frauen, zum Zweck des Benutzens derselben als Armengols in den Bays oder gar um
ein Lösegeld zu erpressen, sittlich zugelassen. Im Princip kann ein Mann eine jede Frau,
ausserhalb der Grenzen seines Staates angetroffen, für seine Beute erklären und sie, falls fähig,
mit sich wegschleppen. Indessen hat die Sitte in dem Mohurus ardil, (monurus das Nachsich-
ziehen) besonders innerhalb eines Staatenverbandes ein gewisses System geschaffen und
in meinem früheren Berichte schilderte ich ausführlich die in zwei einzelnen Gemeinden
herrschenden Verhältnisse des Kaumenols und des Oumenols. Durch das letztere erhält eine
Gemeinde ein von der Vergangenheit überliefertes Recht, seine Armengols von gewissen
anderen Gemeinden zu beziehen. Dieses geschieht natürlich auf dem Wege einer gegenseitigen
Verständigung, Bewilligung und Entschädigung. Indessen masste sich die Obergemeinde eines
Staates das Recht zu, von den ihr durch Sitte zukommenden Kaumenol-Gemeinden die Frauen
auch gegen deren Willen zu beziehen, was dadurch geschieht, dass ein Kriegerverein aus der
Obergemeinde zu Besuch nach dem betreffenden Lande kommt und hier unversehens und
möglichst rasch einige ledige oder auch an junge Leute verheirathete Frauen wegschleppt,
ohne Rücksicht auf die gesellschaftliche Stellung derselben. Die Tochter oder die Neffin des
Oberhäuptlings selbst mag sich in der Zahl befinden, ohne ernstliche Folgen für die Thäter.
Die Einwohner stürzen sich nach und ereilen vielleicht noch die Entführer zeitig und es
entspinnt sich ein Kampf, aber — mit stumpfen Waffen d. i. Steinen und Stöcken. Ein jeder
Todtschlag ist hier entschuldigt und unbelangbar und die abgewiesenen Angreifer kehren nach
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Die Verbrechen und das Strafverfahren auf den Pelau-Inseln.
der Heimath durchprügelt zurück, um noch ausgelacht zu werden. Sind aber die Vertheidiger
zu schwach, so sucht der Vater oder der Onkel die Entführer zum Unterhandeln zu bewegen
und bietet ein Stück Geld als Olkatk, Lösegeld, an. Ist dem Vereine wenig an den Mädchen
gelegen, so giebt er sie gleich auf der Stelle frei; andernfalls wird das Geld abgewiesen und
das Mädchen muss in den Bay eintreten. Der Verwandte zieht unmittelbar hinterher und
sehend, dass er das Kind von dem Bay nicht erretten kann, sucht er nun den ihm durch die
Sitte gesicherten Vortheil auszunutzen. Er frägt nun um das Oltigil, das Abholgeld, und
solches erhaltend, kehrt er zufrieden nach Elause. Armengol muss ja sein Kind doch so wie
so werden .... schliesslich also ist es gleichgültig, wie sie es wird .... wenn nur das begehrte
Audou# nicht fehlt! Dieses geht ihm aber keinenfalls verloren, denn nach drei Monaten kommt
er mit dem maneyas nach dem Bay und erhält sein Horedm, wo denn auch sein Kind, wenn
willig, mit ihm heimziehen kann. Gefällt es ihr aber in dem Bay und ist der Verein willig,
sie zu behalten, so bleibt sie noch eine Armengol, und der Vater kommt alle drei Monate,
seine Bezahlung einzuziehen.
Ist die besuchte Gemeinde ein Ger, ein Eigenthum der Obergemeinde, so fallen alle
Umständlichkeiten weg, weil die Frauen eines Ger schon eo ipso für die Benutzung der
Obergemeinde bestimmt sind und namentlich wird die Bezahlung beinahe nominel.
Straffällig wird der raubende Verein, wenn er durch ein Versehen die Ehefrau eines,
wenn auch geringen Rupaks mit wegführte. Die betroffene Gemeinde entsendet an die
Häuptlinge der Obergemeinde ein Stück Geld mit der Klage z. B.: „Wie nun? nicht genug,
dass ihr unsre Töchter nehmt, wollt ihr auch die Mütter nothzüchtigen?” und auf solche
Anfrage erfolgt die augenblickliche Rücksendung der Frau und eine Bestrafung im Gelde
des Hauptmannes des Vereins. Dagegen die Frau selbst oder ihr Ehemann erhalten keine
weitere Genugthuung oder Entschädigung.
Noch ernstlichere Folgen würde nach sich ziehen ein Versuch Frauen von einer der
Kaumenol-Gemeinde zugehörender Ger-Gemeinde zu holen. Die erstere erlaubt zwar die
eigenen Töchter zu rauben, sie würde aber ernstlich zu den Waffen greifen, um die Töchter
des Ger-Dorfes zu vertheidigen. Dieser scheinbar widersinnige Umstand ist aber erklärlich,
wenn man berücksichtigt, dass das Kaumenol-Dorf im Verhältniss zu dem Ger eine Ober-
gemeinde ist und die Frauen des vorigen als sein Eigenthum betrachtet.
6. Verführung kann in Angesicht der pelauschen Art und Weise die Töchter aufzu-
ziehen, wohl schwerlich stattfinden und geschieht derselben als eines Vergehens niemals eine
Erwähnung. Bei der sittlichen Verwahrlosung der Kinder erreichen sie ungeheuer früh eine
erstaunliche Gemüthsreife, so dass es unmöglich ist, mit Sicherheit zu bestimmen, in welcher
Altersperiode die Kinder geschlechtliche Unzucht zu betreiben anfangen. Dass es sehr früh
geschieht, unterliegt für mich keinem Zweifel, denn ein Zufall erlaubte mir eines Tages einen
Kaubenet (Versammlung) kleiner Knaben unbemerkt zu belauschen. Ich schritt in einer weichen
Taroniederung und die kleinen Menschen lagen gemüthlich auf einer sonnigen Stelle des
erhobenen Steinweges und plauderten laut. Sie erzählten sich in vollem Ernste ihre Erfahrungen
mit dem anderen Geschlechte (!) und ein kleiner, gegen öjähriger Knabe beklagte sich mit
traurigem Verdruss, dass er noch kein Glück zu einer Gefährtin gehabt habe, wogegen ein
anderer, nicht älterer Knabe mit Wohlbehagen kundgab, dass er erfolgreicher w'ar und
kompromittirte seine kleine Gefährtin durch die sorgloseste Kundgebung ihres Namens (was
übrigens bei den erwachseneren Männern höchst verpönt ist).
7. Missbrauch von Kindern in sehr zartem Alter ist leider den Pelauanern auch
nicht unbekannt. Nach den Mittheilungen eines erprobten und zuverlässigen, weil mir auch
Von J. S. Kubary.
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die Schattenseiten seiner Landsleute ohne Zaudern kundgebenden Freundes, wird dieses
Verbrechen nicht selten ausgeführt, ohne dass die Sitte dasselbe für strafbar erachtete. Die
öffentliche Meinung verdammt zwar dasselbe, begnügt sich aber nur mit dem Einreihen des
Thäters in die sehr bequeme Abtheilung der tinariner arnul (verrückt), zuweilen ihr Urtheil
mit der naturgetreuen Schilderung verschärfend: „Er ist wie ein Schwein oder ein Hund . . .
Indessen ein dauernder Makel oder socialer Nachtheil entsteht für den Thäter nicht. Wird
das missbrauchte Kind krank, so wird derselbe aufgefordert, es zu heilen und in einem event.
Todesfälle, was aber selten Vorkommen soll, muss er das übliche Todtengeld bezahlen.
Nicht selten kommt es vor, dass der eigene Vater des Kindes der Thäter ist, und die
öffentliche Meinung hat keinen weiteren Einfluss, als nur den eines allgemeinen Missbilligens
der That. Arin, der gegenwärtige Oberhäuptling von Naraus, wurde des Verbrechens über-
wiesen und die Mutter gab das Kind weg an fremde Menschen, um es vor etwaigen Wieder-
holungen zu schützen. Ein Eingeborner von Atpan Namens Iratumon, unlängst erst gestorben,
heirathete seine eigene Tochter und wurde zum Gegenstände des Gelächters und des Hohnes
der ganzen Gruppe, deren Einwohner von allen Seiten absichtlich kamen, um das Wunderpaar
sich zu betrachten. Indessen er trotzte der öffentlichen Meinung und sittlich oder gesetzlich
konnte er nicht belangt werden.
8. Ueberfall oder Angriff, event. Anschleichen sind oft vorkommende Verbrechen,
die auf vielfache Weise und mit verschiedenen Absichten vorgenommen werden.
Das Omeker el kaff bedeutet Jemandem auf dem Wege auf lauern, um ihn dort
anzugreifen. Es kann geschehen aus vielen Gründen. Der Angreifer hat eine persönliche
Veranlassung, z. B. Vergeltung für eine erfahrene Unbilligkeit oder Beleidigung. Der Angegriffene
ist übermüthig und grossthuerisch und seine Genossen wollen ihn durch eine Züchtigung
demüthigen. In beiden Fällen wird nur eine körperliche Züchtigung angestrebt, solche nur
mit der Hand oder höchstens Stein ausgeübt und somit verbleibt dieselbe unbelangbar vor
der einheimischen Gerechtigkeit.
Zuweilen ist aber der Anfallende ein abgesandter Miethling, der einen zu schwachen
oder feigen Rächer zu vertreten hat, oder er handelt auf das Geheiss einiger Reichen oder
Verwandten, die sich eines lästigen Familienmitgliedes entledigen wollen, z. B. eines monosobuuk
suau el kad, desperaten, weder Kalid noch Sitte oder die Rupaks fürchtenden Geistes, welcher
die Familie in fortwährende Bestrafungen bringt, und in solchen Fällen hat die That die
versteckte Absicht, den Angegriffenen ums Leben zu bringen. Um das Aufsehen und die
Bussgelder zu umgehen, wird von dem Gebrauche der Waffen abgesehen; der Thäter bedient
sich dagegen gewisser Kampf kniffe und Stösse, Audaks, die in ihren Folgen für das Opfer
verhängnissvoll werden. Diese Ueberreste eines einstmaligen naturwüchsigen Ringens und
waffenlosen Vernichtens umfassen: a) den Kukür (to omdohur), ein gewaltsames Einzwängen
der Daumen in besonders schwache Stellen des Körpers, vorzüglich aber hinter und unter
der Ohrmuschel, welches so gewaltsam geschieht, dass dem Angegriffenen das Blut aus der
Nase stürzt und er augenblicklich besinnungslos niederfällt; b) Friklniaok, einen Stoss mit dem
Knie auf die Magengegend; c) Usukut (to silekediy), denselben auf die Geschlechtstheile, welche
beiden das Opfer augenblicklich widerstandslos machen und sehr gefürchtet werden; d) das
Mesukut oder Kneifen des Kehlkopfes, durch welches manchmal das überraschte Opfer so
verwirrt wird, dass es damit nach dem Willen des Angreifers zur eiligsten Bewegung in der
verlangten Richtung bewogen werden kann, was besonders bei einer Gefangennahme durch
einen waffenlosen Angreifer, der keine Waffe hat, um den Kopf des Ueberraschten abzuschlagen,
angewandt wird; e) Komesasils, einen gewaltigen Faustschlag auf die asils genannte Stelle des
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Pie Verbrechen und das Strafverfahren auf den Pelau-Inseln.
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Scheitels, durch welchen das Opfer an den Folgen einer Gehirnerschütterung unter anhaltendem
Frösteln dahinsiecht. Alle diese gefährlichen Stösse sind innerhalb der eigenen Gemeinde
verpönt und strafbar und werden nur gegen Fiemde angewandt.
Der Raubanfall, Kayboröbor, ebenfalls nur gegen Fremde gebilligt, bezweckt nur im
Falle eines ernstlichen Widerstandes einen Todtschlag, sonst richtet er sich nur gegen das
fremde Eigenthum. In früheren Zeiten bildete er das natürliche Privilegium eines jeden freien
Mannes, jeder unabhängigen Familie und Gemeinde, heute jedoch offenbart es sich nur in
sittlich anerkannten Vorrechten der Obergemeinde, von den Fahrzeugen innerhalb ihrer
Grenze Zeichen der Machtanerkennung und event. Geschenke zu erhalten. Das Raubsystem
eines ursprünglichen Faustrechtes hat sich so dem Gemüthe des Volkes eingeprägt, dass es
schwer wird, zwischen der sich gefassten Ergebung der Uebermacht und der freiwilligen
Aeusserung der freundlichen Gesinnung und ebenfalls aus dem Urzustände vererbten Frei-
gebigkeit eine sichere Grenze zu ziehen. Die auf dem Wasser sich begegnenden Fahrzeuge
theilen sich mit, woher sie kommen, wohin sie gehen und ob sie etwas mit sich führen. Hat
das eine einem geringeren Lande angehörige Fahrzeug Fische, so giebt es einen Bündel
solcher unaufgefordert ab. Segelt es einem Hauptdorfe vorbei, so wird bei dem Durchgänge
der Hauptstelle das Segel herunter gelassen, und ein Mann kommt wenigstens mit der Anzeige
der Durchreise ans Land. Gewöhnlich aber bringt er mit sich einige Betelnüsse und auch
Fische, wenn vorkommend, und entschuldigt die Armuth des Fahrzeuges. Würde dieses
unterlassen werden, so kann das Fahrzeug angegriffen und gemisshandelt werden. Dieselbe
Zuvorkommenheit und Freigebigkeit wird aber auch befreundeten und sich gleichen Fahr-
zeugen bewiesen und bei Fischzügen, z. B. wenn ein Fahrzeug in der Entfernung den
Fischenden vorbeigeht, ohne, wie es üblich ist, sich zu nähern und ein Geschenk an Fischen
zu erhalten, so wird es angerufen und beschenkt. In Wirklichkeit also verbinden sich hier
zusammen zwei entgegengesetzte und doch vielleicht aus einer Quelle entstandene Charakter-
züge eines oceanischen Volkes. Demuth vor der Uebermacht, gepaart mit einer sittlich unter-
haltenen und gelobten Bereitwilligkeit, sein Eigenthum mit seinen Mitmenschen zu theilen,
beides Ausflüsse der Furcht, im ersten Falle vor der fremden Uebermacht, in letzterem vor
der seiner eigenen Stammesgenossen. Der Hang zum Raube ist nicht weniger deutlich einem
jeden Pelauaner eingeprägt, und der gegen den Mächtigeren demüthige Insulaner ist wieder
ein Mächtiger gegen einen schwächeren Nachbar. Die heutige Gesittung schliff im Wesent-
lichen das schroffe Aeussere des Kayborobor ab, und es erscheint innerhalb eines Staaten-
verbandes in gelinderter Form sittlich erlaubter Ausbeutung, gegen Fremde wird es aber
rücksichtslos betrieben, wie es am besten die noch im Jahre 1882 stattgefundene Beraubung
der Lilly im Norden von Baobeldaob zum eigenen Nachtheile der Pelauaner beweist. Die
Gegenwehr ist selbstverständlich bei dem Kayborobor sittlich erlaubt, aber selten rathsam,
denn der Üeberfall und Raub wird nur dann unternommen, wenn die Uebermacht auf der
Seite der Thäter ist. Bei der Entreissung der Beute aus den Händen der Beraubten wird
ein schonungsloser Griff’, Kornes a louk genannt, angewandt, der zu den Kukur-Griffen
gehört und den Zweck hat, die fest zugeschlossene Hand gewaltsam zu öffnen. Dieses
geschieht auf diese Weise, dass der Daumen des Angefallenen etwas angezogen und durch
das Eindrängen des Daumens des Angreifers in die erweiterte Gelenkgrube und eine geschickte
Drehung aus dem Gelenke gerenkt wird, was das Loslassen des Gegenstandes sogleich zur
Folge hat.
Bei einem durch einfache Bosheit veranlassten Ueberfalle, der nur von hinten anf eine
Last tragende Person verübt wird, wird ein Narametukur, vom Dorfe gleichen Namens, das
Von J. S. Kubary.
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früher in Anarardt bestand, abgeleiteter Stoss angewandt, der ebenfalls den Angegriffenen
augenblicklich zum Niedersinken bringt. Dieser Stoss wird unter Beobachtung des Schrittes
des Gehenden auf der die Last tragenden Seite in dem Augenblicke ausgeführt, in welchem
bei der schwingenden Bewegung des Körpers zwischen dem Brustkasten und dem Schulter-
blatte eine Höhlung entsteht.
Das Anschleichcn an das Haus, Omokadurus, geschieht gewöhnlich des Nachts und
wird nicht nur des Mordes wegen, sondern auch anderer Gründe wegen unternommen. Der
Mord kann das Tahalbe'l a rüpak, Häuptlingsmord, Kasmakal oder ein sonst privat gedungener
Mord und endlich eine Zauberertödtung sein. Dergleichen Morde sind sittlich erlaubt, obwohl,
wenn entdeckt, strafbar.
Das Eindringen in das Haus kann aber auch ganz andere Zwecke haben. Bekanntlich
schläft die männliche Bevölkerung des Dorfes meistentheils in den Bays, und in den meisten
Häusern schlafen nur die Frauen und die Kinder. Dieses giebt eine Veranlassung zu dem
omelnökl el blay-Verbrechen, bei welchem ein Mann auf das Ueberraschen und Nothzüchtigen
einer Fran es absieht. Dasselbe ist ein ziemlich gewöhnlicher Vorfall und giebt, wenn der
Thäter erkannt wird, zu Kasmakal und usaker Veranlassung, ohne dass das Eindringen selbst
von irgend welcher Bedeutung wäre.
Hier muss noch der Ueberfälle zwischen den Frauen als Erscheinungen der Eifersucht
Erwähnung geschehen. Ist eine Frau gegen eine Rivalin besonders bitter gestimmt, so ruft
sie ihre Freundinnen zu Hülfe und sie lauern der Verhassten auf. Indem nun die Freundinnen
das Opfer halten, sättigt die Erboste ihre Wuth durch Schläge. Ernstliche Folgen für die
Thäterin sind kaum zu fürchten, wenn die Gemisshandelte eine arme und noch vielleicht
einer fremden Gemeinde zugehörende Frau ist. Bedenklicher ist es, wenn die letztere einer
der höheren Familien angehört, wo dann wieder die gesellschaftliche Stellung der Eifer-
süchtigen massgebend ist. Ist sie z. B. die Frau des Oberhäuptlings, so erfolgt entweder gar
keine oder nur eine formelle Strafzahlung, indem der Gemahl die Strafe zahlt, sie den übrigen
Rupaks sehen lässt, dieselbe jedoch selbst wieder einnimmt. Ist dagegen die Gemisshandelte
eine Armengol, dann tritt der Kriegerverein derselben als Rächer hervor und das bezahlte
Bussgeld wird unter Umständen sehr beträchtlich, ohne Rücksicht auf die Stellung der Thäterin.
9. Ehebruch wird als eine Beschädigung der persönlichen Interessen des betroffenen
Mannes betrachtet und wird die Auseinandersetzung mit dem Urheber desselben ihm über-
lassen. Aus früheren Berichten und dem bis jetzt Gesagten geht hervor, dass er ein Anrecht
an einen Saker, ein Reugeld, hat. Will er diesen nicht und wünscht er eine Züchtigung des
Beleidigers, so lauert er ihm auf, oder wird in dem Manasmokal durch seine Neffen vertreten,
was immer der Fall, wenn der Beleidigte ein Rupak ist. Er muss dann gefasst sein auf ein
Matel a katf-, wenn der Bestrafte stirbt. Ist er aber reich und rachsüchtig, so macht er seine
Rechnung im Voraus und entsendet dann einen bezahlten Mörder, um den Ehebrecher zu
tödten. Nur der arme, in der Fremde bei der Frau lebende Ehemann tödtet den Beleidiger
eigenhändig und flieht dann nach der eigenen Heimath, wo er vor jeder Strafe gesichert ist.
10. Sittlichkeitsvergehen und Incest sammt verwandten Vergehen sind
mannigfaltig geübt, ohne einen Gegenstand für eine gesetzliche Belangung zu bilden. Wie
oben schon bemerkt wurde, kommt Blutschande vor, und zwar sind mir Fälle bekannt
geworden, wo das Verbrechen auch zwischen Geschwistern, wie auch zwischen Mutter und
Sohn verübt wurde. Die öffentliche Meinung verdammt zwar den Incest, ohne die Theil-
nehmer an demselben aus der Gesellschaft zu weisen. Es besteht eine Art schamhafter
Zurückhaltung, den Verirrten entgegen ihre That ins Gesicht vorzuwerfen, dagegen werden
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Die Verbrechen und das Strafverfahren auf den Pelau-Inseln.
sie schonungslos dem „Malal” preisgegeben. Dieses besteht darin, dass man in Gesängen bei
öffentlichen Festen und Versammlungen das Vergehen erwähnt, somit die schon von dem
Gerüchte bekannten Thäter einer öffentlichen Beschämung unterstellt. Es mag hier bemerkt
werden, dass die zur allgemeinen Kenntniss gelangenden Fälle nur vereinzelt Vorkommen;
ich möchte aber nach den Aussagen meines zuverlässigen Gewährsmannes annehmen, dass
die unbekannt bleibenden Fälle nicht sehr selten sein dürften. Auf ähnliche Weise werden
auch die vereinzelt auftretenden unnatürlichen Vergehen gegen die Sittlichkeit, besonders der
Missbrauch von Thieren, geahndet. Selbstbefleckung, Malabalaber, ist eine ziemlich allgemeine
Unsitte des jüngeren Geschlechts, welchem keine besondere Besorgniss den Eltern einflösst;
ebenso ist auch die Päderastie, Outibenet er a ptil, zwischen den Erwachsenen nicht unbekannt,
obwohl die letztere nur vereinzelt Vorkommen soll. Die sämmtlichen hier angedeuteten
Vergehen sind straflos und deren öffentliche Besprechung könnte ohne ein Verletzen des
Anstandes nicht geschehen. Die Erwähnung der Namen derselben gehört schon zu dem
Adalböjos, den unzüchtigen Redensarten, welche man im Beisein der Frauen oder sonst
öffentlich nicht führen darf.
11. Wie wir aus dem Obigen sahen, sind die Ansichten der Pelauaner von der Sitt-
lichkeit und Moral und von den Folgen des Vergehens gegen dieselben gänzlich von den
europäischen Begriffen der absoluten Moral und der Gerichtspraxis verschieden (ob aber von
der praktischen Moral der Civilisation so sehr entfernt? . . .) und wird dieses auch durch die
pelausche Tmörok-Sitte ferner kundgegeben. Nach dieser, die eine Entehrung und gänzlichen
Verlust der Angehörigkeitsrechte an die Gemeinde bedeutet, kann eine Frau, die die sämmt-
lichen oben erwähnten Verbrechen straflos verübte, tmörok werden, wenn sie, ihrer persön-
lichen Neigung folgend, eine Ehe mit einem Manne aus einer niedrigen Kaumenol-Gemeinde
eingeht. Die letztere ist eine Gemeinde, welche der Gemeinde der Frau die Ehefrauen und
die Armengols liefert, ohne dasselbe Recht wegen politischer Ungleichheit zu besitzen. Durch
eine solche Ehe würden die Söhne der Männer aus kleinen Ländern zur Rupak-Würde in
der Obergemeinde gelangen und somit eine Botmässigkeit über dieselbe erwerben. Aus
diesem Grunde compromittirt eine solche Frau nicht nur ihren eigenen Stamm, sondern auch
die ganze Gemeinde, und die sie erwartende Strafe ist eine sehr harte. Dieselbe wendet sich
gegen die Familie und namentlich gegen deren Rupak. Die Taropatsche des Hauses wird
mit Beschlag belegt und sie muss mit einem bedeutenden Geldstücke ausgelöst werden. Die
Frau selbst ist aus der Gemeinschaft der Frauen ausgeschlossen; hat sie einen Rupak-Titel
besessen, so wird ihr derselbe abgenommen, bei den festlichen Tänzen darf sie nicht mehr
auf der erhöhten Bühne Platz nehmen; sie ist eine fremde, einem kleinen Lande zugehörende
Frau. Giebt sie den Mann auf, so kann das Familienhaupt sie noch auskaufen, im widrigen
Falle er all den entstehenden Strafen nicht gewachsen, sammt der Familie die Gemeinde und
seine Häuptlingswürde aufgeben muss. Dergleichen Fälle sind jedoch heute sehr selten, und
der mehr schlaue Sinn der Pelauanerinnen erspart den Oboguls all die Ungelegenheiten
des Tmörok.
Bei den Verbrechen gegen das Eigenthum kommt Folgendes zur Betrachtung:
12. Absichtliche Feueranlegung ist vorzüglich eine dem Kriege eigene Zerstörungs-
weise, sonst, im Frieden und innerhalb einer Gemeinde, ist sie eine höchst ausnahmsweise
Erscheinung. So z. B. kenne ich in Niwal zwei Männer, die sich gegenseitig abbrannten und
endlich Frieden machten. Die Gemeinde mischte sich gar nicht in den Streit hinein.
13. Widerrechtliche Eingriffe in fremdes Eigenthum in geringerem Grade,
namentlich unbefugte Betretung oder Ausnutzung fremden Landes können nur in geringem
Von J. S. Kubary.
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Umfange zur Geltung kommen. Jedes Land hat den ihm von der Vergangenheit überlieferten
Grund und Boden, jede Familie den ihrigen, jedes Individuum kommt zur Welt als Mit-
besitzer der Heimath seiner Mutter, also als ein Eigenthümer von so viel Land, als er nur
Lust und Kraft hat zu bearbeiten. Da nun diese Lust eine sehr begrenzte ist und bei der
sehr beschränkten Bevölkerung das ganze Innere der Insel Baobelthaob herrenlos dasteht, so
fällt der hauptsächlichste Anhalt für Landstreitigkeiten und gegenseitige Eingriffe, hier Oleakat
genannt, hinweg. Braucht Jemand Holz, Bambusrohr, Schlingpflanzenstengel oder Pandanus-
blätter, die hauptsächlichsten von dem Boden bezogenen Produkte, und findet solche nicht
auf den Ländereien seines Stammes, so bittet er um dieselben bei einem anderen derselben
Gemeinde und erhält immer die Erlaubniss dazu. Bei ausnahmsweise begehrten und weiter
entfernten Artikeln dient dieselbe, im allgemeinen Oltiit genannte Methode. Enkasar z. B. ist
reich an grossem Bambusrohre, welches für Tabakbehälter besonders begehrt wird. Die
ganze Umgegend bezieht dasselbe von dort, und genügt dazu eine einfache Anmeldung bei
den Rupaks der Gemeinde.
Eine unangemeldete Betretung und Abschlagen von Bäumen auf fremdem Grunde ist
als widerrechtlich anerkannt und wird, wenn angetroffen, gerügt event. handgreiflich abgewiesen.
Wer in dem bewaldeten Innern sich einen ihm gefallenden Baumstamm auswählt, braucht
nur die nächste Umgebung desselben von Unkraut zu befreien und erwirbt er dadurch auf
ihn unwiderrufliches Eigenthumsrecht. Er bezeichnet seinen Stamm mit einem Axthiebe oder
legt zwischen die Wurzeln einen Stein hinein und lässt seinen Dolohulel ruhig im Walde,
bis er ihm von Nutzen sein wird. Wird der Baum von irgend einem Andern niedergehauen,
so erhält der Beschädigte den Ulemul genannten Schadenersatz in einem dem Werthe des
daraus zu verfertigenden Gegenstandes entsprechenden Geldstücke.
Zuweilen entstehen Streitigkeiten um die Angehörschaft eines kleinen Grundstückes, auf
welchem ein Unberufener, ohne anzufragen, seinen Tabak oder dergleichen anpflanzte. Dann
werden die Pflanzen ganz einfach ausgerissen und weggeworfen. Glaubt der Anpflanzer
in gutem Rechte zu sein, so streitet er hartnäckig und pflanzt wieder und wenn er Geld hat
und auf das Land Werth legt, so klagt er bei den Häuptlingen, was ihm aber ein Stück
Geldes kostet. Gewöhnlich zieht in solchem Oribek el gütum der Aermere den kürzeren.
Unbefugte Benutzung fremden Eigenthums, ohne eine Absicht, solches zu entwenden,
kommt hauptsächlich in Bezug auf die Fahrzeuge vor. irgend Jemand, gezwungen, rasch sich
irgendwohin zu begeben, ergreift in Eile das erste beste Kanoe und fährt weg. Dieses heisst
Oyokodiy und hat keine Folgen, da der fremde Nutzniesser bei der Heimkehr sich demüthig
entschuldigt. Thut er dieses nicht, so hat er metetöyok madäl, durchgelöcherte oder zu weite
Augen und kann nicht den Eigenthümer bemerken. Ist der letztere arm und bange zu
remonstriren, so bleibt es dabei, sonst giebt es Zurechtweisung und Schelte.
Der Diebstahl, Margörok, wird in grösserem Massstabe selten und nur bei Gegenständen
vergänglicher Natur betrieben, da er sonst gleich dorikiy, entdeckt würde, was zu einer
Wiedererstattung oder Entschädigung führen, also den Zweck der That vereiteln müsste.
Deshalb beschränkt er sich hauptsächlich auf die Produkte des Landbaues und vorzüglich auf
den Betelpfeffer; hier wird er aber so ausgedehnt betrieben, dass die allgemeine Beschränkung
des Landbaues ihm hauptsächlichst zuzuschreiben ist und die Eingebornen den über Alles
geschätzten Genuss des Malamok durch verschiedene Blätter einheimischer Pflanzen zu ersetzen
vorziehen, anstatt sich fruchtlosen Mühen des Anpflanzens der echten Pflanze zu ergeben.
Der Diebstahl ist im Allgemeinen als eine persönliche Schädigung angesehen und wird nicht
gesetzlich gestraft. Strafbar wird er nur dann, wenn die Gemeinde ihn absichtlich durch einen
Die Verbrechen und das Strafverfahren auf den Pelau-Inseln.
„Blul” für solchen erklärt und dann bezieht sich das Verbot auf einen speciellen Gegenstand.
Ein Verein von jungen Leuten ist dann der Ausführer des Gesetzes und zieht die Strafen auf
eigene Rechnung als Vergütigung für seine Mühe des Bewachens ein. Beständig für die
eigene Sicherheit zu wachen ist die Gesellschaft zu träge. Ausführlicheres über diese Verhältnisse
wurde schon früher abgehandelt.
14. Betrug, Oblät, wird, wo angänglich, unfehlbar angewandt. Der Tabak, Oel, Syrup
ausser vielen anderen Artikeln bilden einen bedeutenden Gegenstand des einheimischen Handels
und werden oft absichtlich gefälscht. Ein Ausgleich findet dadurch statt, dass die Käufer
durch das Anbieten falschen oder möglichst schlechten einheimischen Geldes die Verkäufer
wieder zu betrügen suchen. Einen vermittelnden Einfluss übt der Umstand, dass sämmtliche
gekauften Gegenstände und die Bezahlung dafür ein oltiiiagil sind, das heisst wieder zurück-
gewiesen werden können. Eine Kruke Syrup kann, wenn nachträglich schlecht befunden,
wieder zurückgesandt werden, und der Verkäufer muss entweder den Syrup durch guten
ersetzen oder das erhaltene Geldstück zurückgeben. Die Transaktionen werden deshalb sehr
bedächtig betrieben und ein zu Stande gekommener Betrug wird niemals ein Gegenstand von
weitläufigen Besprechungen nachträglich, geschweige denn einer Strafprozedur werden.
15. Als Verbrechen gegen den Staat könnte man die Verletzung der Pflichten
gegen die Häuptlinge und gegen seinen eigenen Kaldebekel betrachten, die ziemlich ausführlich
in meiner Abhandlung der socialen Einrichtungen der Pelauaner behandelt wurden. Als
ergänzend mögen die folgenden Ausführungen dienen:
Der Name der pelauschen Häuptlinge ist Rupak, abgeleitet von to aba, zu besitzen
(deshalb auch teru lopak oder lobak, zwei Häuptlinge). Deren principielle Bedeutung beruht
darin, dass sie die Würde dem Alter und der Abkunft verdanken, jeder älteste Mann einer
Familie ist ein Rupak, so heisst er für die Gemeinde, für die Familie ist er der Obokul,
Familienhaupt (von obä, besitzen und okül, Stamm, Haupttheil, Ursache, eines Baumes, einer
Familie, einer Sache), deshalb heissen auch die sämmtlichen Rupaks Obokul era pelu, die
Onkeln des Landes, weil Obokul auch dieses Verwandtschaftsverhältnis ausdrückt, indem zu
dem Obukul der Familie der nächste Bruder oder Schwesterkind eines Vorgängers wird. Die
Regierung ist also ursprünglich eine patriarchalische, der Staat besteht schon in einer Familie
und deshalb ist auch die Bedeutung, der Einflnss und die Macht dessen Oberhauptes, welches
beinahe immer ein hohes Alter erreichen muss, ehe es zur obersten Leitung der Familie gelangt,
leicht begreiflich. Der Rupak ist der älteste, erfahrenste Mann zwischen den übrigen, er
belehrt sie in allen irdischen Angelegenheiten. Er aber ist auch der nächste den Todten, den
Vorfahren, deren Geister nicht aufhörten Mitglieder der Familie zu sein. Er verkehrt mit den
Bladeks, er ist also auch der naturgemässe Priester der Familie. Pelausch sprechend: sein
duy, Würde, hat einen Kenal in sich, eine Heiligkeit, die ihn der Familie gegenüber mean,
heilig macht. Deshalb wird er gefürchtet, geachtet, geliebt, man wird sich vor ihm beugen,
osüs, man wird ihn nicht mit Vertraulichkeit berühren, anreden, als seinesgleichen behandeln.
Neben dem Obokul steht seine Schwester, deren Sohn zum nächsten Obokul bestimmt ist, sie
ist die Adalal, die Mutter der Familie und steht zu den Frauen der Familie in demselben
Scheine der würdigen Heiligkeit. Um Blutschande zu verhüten, sucht der Bruder seine Ehefrau,
die Schwester ihren Ehemann ausserhalb der Familie, so thut auch die ganze Nachkommenschaft
der Schwester, die eben die Familie bildet, denn des Bruders Kinder stehen ausserhalb der
Familie. Wenn die Umstände es gestatten, so bildet eine solche Familie einen Staat, wie
es im Osten der Karolinen noch heute stattfindet, und in früheren Zeiten überall gewesen
sein musste.
>.4;
Von J. S. Kubary.
8?
Das Mean eines Rupaks begreift aber nicht nur die Vortheile der Würde, sondern auch
die Eigenschaften, die diese Würde begründen und da ist die Familie selbst der geeignetste
Richter, zu beurtheilen, ob deren Oberhaupt im Sinne seines Mean handelt. Er thut es,
wenn er im Sinne seiner Vorfahren lebt, wenn er das Tokoy arködol, die alten Sitten nicht
vergisst. Vergisst er diese aber, so wurde er von seinen todten Vorfahren, die wirklich mean
waren, verlassen und er ist nicht mehr mean. Er ist dann der unrichtige Mann auf der
Unrechten Stelle. Er schädigt die Familie, so lange er lebt, und die Familie, um sich zu retten,
nahm das Recht in die Hand, ihr Oberhaupt zu tödten, das aufhörte für die Familie zu leben.
Deshalb finden wir in Pelau die Sitte des gesetzmüssigen Königsmordes, nur muss dieser
durch seinen Neffen oder Bruder event. auf das Geheiss seines rechtmässigen Nachfolgers
geschehen. Diese Sitte heisst Foholbel, das Abwaschen, von magolgolp, ab waschen, weil der
blutige Körper des Ermordeten vor dem Begräbniss abgewaschen wird (wie überhaupt die
Leiche eines jeden Verstorbenen).
Die Staaten auf den Pelau-Inseln entstanden durch das Vereinigen einzelner Familien in
ein Ganzes, dessen Leiter die Rupaks sind, die in dem Leiter der ersten Familie ihren Ober-
häuptling oder Kopf, Ptolul a pelu, sehen, und er, der nun zum Obokul einer erweiterten
Familie wurde, vereinigte über seinem Haupte die vereinte Heiligkeit der Würden der unter
ihm stehenden Häuptlinge, ohne der allgemeinen Bedeutung derselben einen Abbruch zu thun.
Deshalb sind die Oberhäuptlinge der bestehenden pelauschen Staaten oder die Häuptlinge Nr. I
der Hauptgemeinden Kovoyor, Eyrray, Nargeay, Aymyuns, Molegoyok, Narbukut sehr heilig
— klou mean —, die Nr. II, III und IV weniger so, aber noch mean, die übrigen Rupaks
bis Nr. XXI oder XXII gar nicht mean, obwohl durch ihre Rupak-Stellung geschützt. Im
höchsten Grade mean ist die Gottheit — der Kaliff —, dessen Folgen auf den irdischen
Vorsteher derselben, den Koron, übergehen. Ebenfalls ohne Rupaks zu sein, sind mean alle
Mitglieder der von Naruanl geflüchteten, mit dem Namen Klapkal umfassten Stämme, die in
einem inneren Verhältniss zu der neueren Gestaltung der Verhältnisse auf Pelau stehen und
die pelausche Geburts-Aristokratie oder den Adel bilden, ohne jedoch einen besonderen Einfluss
auf das Ganze der Gruppe zu bilden.
Das Mean der Oberhäuptlinge Pelaus offenbart sich nur noch in der Freiheit vom
Tode in Kriegsfällen, wogegen alle anderen Häuptlinge getödtet werden können, obwmhl alle
Meaiis im Princip davon frei sind. Da durch das Vereinigen der Schicksale der verschiedenen
Stämme in der Person der wenigen Oberhäuptlinge die Sicherheit der einzelnen Familie
weniger von der Willkür des einzelnen Familienhauptes abhing, so verlor die Toholbel-Sitte
ihre ursprüngliche Allgemeinheit und beschränkte sich nur noch auf den Oberhäuptling. Um
aber wirklich in Thätigkeit zu treten, bedarf es eines Compromisses zwischen der regierenden
Familie und den regierten Familien, wogegen die Ausführung der That der ersteren verbleibt.
Das Umbringen des Oberhäuptlings ist besonders in Molegoyok Sitte, in den übrigen Staaten
wird er nur abgesetzt und verbannt oder nur abgesetzt und in der Heimath belassen, zuweilen
mit einer niedrigeren Rupaks-Würde abgefunden, worüber mehr nachträglich.
Eine jede andere Art des Tödtens des Staatsoberhauptes ist wider die Sitte und würde
ein strafbares Staatsverbrechen bilden, dessen Ahndung aber unter Umständen ziemlich
schwierig sein könnte. Der Häuptling Nr. II eines jeden Staates ist thatsächlich selten
weniger mächtig als der Oberhäuptling selbst. In Wirklichkeit regieren die Gemeinde nach
Innen in Koryor, Aymyungo, Narbukut u. s. w. nicht die Oberhäupter, sondern die Nr. II,
und die ersteren haben den Koluläul. die Verhandlungen mit dem Aeusseren in ihrer Hand.
Würde also der Nr. II nach dem Leben des Nr. I trachten, so würde der letztere die
88
Die Verbrechen und das Strafverfahren auf den Pelau-Inseln.
Erlaubnis der übrigen Häuptlinge erkaufen und seine Neffen, d. i. den Stamm, dem er
vorsteht, musternd, würde er das Haus des Nr. II mit Krieg überziehen. Die Häuptlinge
sind neutral und die wirkliche Stärke der beiden Familien entscheidet. Der besiegte Nr. II
muss Strafe zahlen, der nicht siegende Nr. I muss sich zurückziehen und schweigen. Die
Geschichte aller Gemeinden ist erfüllt mit den Berichten solcher Kämpfe, und ähnlich stehen
sich die beiden in jeder Gemeinde kaum einen Steinwurf von einander entfernten Häuser
auch heute noch gegenüber, Mit den niedrigeren Rupaks würde es weniger Umstände geben.
Es würde nur die Zustimmung des Nr. II nöthig sein, und der Stamm des Attentäters ist auf
die Gnade des Nr. I angewiesen, was schwere Geldstrafe und Verbannung bedeutet.
Indessen besteht heute kein Interesse, welches ein privates Trachten nach dem Leben
des Oberhäuptlings veranlassen könnte, und ein Beseitigen aus öffentlichen Rücksichten ist
schon durch die Sitte besorgt. Ist das Land unzufrieden mit ihm, so wird der Nachfolger
ersucht, seinen Antritt zu beschleunigen; ist dagegen der Nachfolger ungeduldig, so ersucht
er das Land um die Erlaubniss, seinen Antritt beschleunigen zu dürfen; das Audoud aber,
welches nur in geringer Menge sich auf der Gruppe befindet, regulirt in dieser Maschine die
zu wilden Regungen der menschlichen Leidenschaften.
Insofern ist die Beleidigung auch des geringsten Rupaks ein Staatsverbrechen und wird
dessen Verübung mit ßlals belegt. Hierzu gehören all die Beweise eines nicht Omkereu
a rupak, Nichtbeachtens, als: Versäumung der äusserlichen Rücksichtsbezeigungen, das
Melius, Schelten und Verwünschen und alle Vergehen, die gegen einen Nicht-Rupak nur
persönliche und unbelangbare Verbrechen bilden. Deshalb wird ein jedes Vergehen zum
Verbrechen, wenn es irgendwie im Zusammenhang mit einem Rupak gebracht werden kann.
Das Stehlen einer Kaybokl-Axt, die ein jeder Eingeborene mit sich führt, ist eine gewöhnliche
Bagatellsache, nicht aber wenn die Axt dem Rupak gehörte.
Landesverrath kann sich auch nicht im Sinne der europäischen Bedeutung geltend
machen, denn eine jegliche Veranlassung zu einem solchen fehlt. Das Streben nach Eroberung
von Land des Besitzes wegen ist unbekannt. Das Gefühl der Angehörigkeit zu einer Heimath
ist die Sache der Vernunft und nicht des Gefühles, denn dieses ist schon zersplittert durch
die duale Heimath der Eltern, die von Ländern herstammen können, welche sich todtfeindlich
gegenüber stehen, und doch dürften ihm beide lieb sein. Sein Leben verbringt der Pelauaner,
so lange der Vater lebt, in dessen Heimath, nach dem Tode seines Vaters kommt er nach
der Heimath der Mutter, wo er, ob er will oder nicht, mit der Zeit ein Rupak werden
dürfte. Er nimmt eine Frau, die einer dritten Gemeinde, den beiden vorigen feindlich
gesinnten zugehört, in welcher in der Zukunft seine Kinder Rupaks sein werden. Was soll
nun sein Patriotismus sein? Das Tokoy arködol, die Sitte, also das Gesetz giebt ihm als
Vaterland die Heimath der Mutter und darnach soll er als wilder Krieger blutdürstig die
Wege und Haine beschleichen, in welchen er als lustiger Knabe herumwandelte, wo ihn der
erste Taumel der Liebe glücklich machte, wo viele seiner Freunde und die sämmtliche Ver-
wandtschaft von des Vaters Seite in einem sichern Schlummer ruhen. Die Sitte kommt ihm
zu Hülfe, indem sie ihm verbietet, seinen Kauka<9g seinen Verwandten, (auf irgend welche
Weise) zu tödten; er soll also bedenken, ehe er den Speer in eine Menschenbrust einsenkt.
Deshalb schliesst er sich aus den Reihen der Angreifer aus und bleibt hinten, event. einem
Fremden zum Kampfe begegnend. Er ist also ein Krieger, kein Soldat, der blind und en gros
niedermetzeln soll und muss. In seiner politischen Heimath dagegen, wo ihm zu leben
beschieden ist, ist er mehr oder weniger fremd, mehr oder minder beliebt, hier hat er den
Öryor, seine Staatspflichten zu entrichten, bis ihm der Tod seines Vorgängers den Vortritt
Von J. S. Kubary.
89
erlaubt. Das Familienleben im Stamme ist aber nichts weniger als angenehm, es wird jedoch
in Kauf genommen, denn es sichert Ansehen, Einfluss. Würde, Audouih ohne Rücksicht aut
Mühe oder Verdienst. Den Umfang dieser Vortheile entscheidet die todte Zahl. Der wie-
vielste ist er in dem Stamm, der wievielste Stamm in der Gemeinde ist der seinige? Die
Antwort darauf eröffnet ihm im voraus seine ganze Lebensbahn, annehmend, dass ein feind-
licher Speer, eine Krankheit oder ein feindlicher Kalid- diese nicht zu früh durchreissen. Je
nach dem Umfange seines Interesses lehnt er sich also an seine Heimath. Ist dieses bedeutend
und nahe, so ist auch seine Theilnahme an den Interessen der Heimath reger; ist sein Interesse
dagegen gering, ist er ein weit entfernter Stammesgenosse ohne jegliche Aussicht auf das
Vordringen in die ersten Reihen des Stammes, mit der Bestimmung nur ein hausloses
Lastthier des Stammes und der Gemeinde zu werden, der eben nur zufrieden sein soll, dass
er ein wenig Taro und einen gestohlenen Beischlaf findet, dann weiss er, dass er Kabul ist,
und dem Kabul, dem Armen, ist ganz Pelau die Heimath. Er lehnt sich dann mehr an die
Familie seiner Frau und geht dahin, wo er diese findet. Abgesehen dann von diesen Rück-
sichten, sichert die Sitte dem Pelauaner das Behaupten seines eigenen Willens. Ist er durch
irgend einen Umstand beleidigt, so packt er ein und verlässt die Heimath. Der Oberhäuptling
thut dasselbe, wenn seinem Willen nicht Genüge geschieht. Ist er nöthig, so wird er zurück-
gerufen, ist er entbehrlich, so wird er in seinem W7illen belassen. Bei solchen Bedingungen
ist der Landesverrath inmitten einer Gemeinde unmöglich und undenklich, wenigstens ist es
schwer, ihn für die hiesigen Verhältnisse zu precisieren. Molegoyok und Korryor z. B. stehen
seit Urzeiten in einer gegnerischen Fehde. Korryor trachtet Molegoyok auf jede mögliche
Weise zu bekämpfen, trotzdem heirathen die Familien der Oberhäuptlinge zwischen einander
und der jetzige Irakelso, der einer der nächsten Nachfolger des Araklay’s von Molegoyok ist,
ist mit der Tochter des Aybadul von Korryor verheirathet. Während Korryors Krieger die
Köpfe der Artingaler abscülagen, besucht Irakelso das feindliche Land oft aus Veranlassungen,
die bei der pelauschen Ehe so zahlreich sind. Er baut ein Kriegscanoe und verkauft es an
Aybadul, obwohl in demselben in der nächsten Nacht der Feind eine Landung versuchen
kann, und Molegoyok kein einziges ordentliches Fahrzeug hat. Der alte Oberhäuptling der
Korryor hasst, ist wüthend auf seinen Neffen, dessen freundliche Gesinnungen gegen den
Erzfeind des Staates ihm bekannt und unlieb sind — jedoch das ist alles Tokoy — sittlich in
Ordnung, obwohl es bedeutend von unseren Ansichten der Pflichten gegen den Staat abweicht.
W7ürde indessen Irakelso die Korryorer zum Kriege gegen seine Heimath einladen, dann
allerdings ist er des Hochverraths schuldig, indessen man könnte nichts gegen ihn vornehmen,
bis der Feind wirklich seine Erscheinung machen würde. Dann würde ein Theil der
Vertheidiger ihm entgegen eilen, der andere aber den Verräther in seinem Hause umbringen.
In Hinsicht auf das Verrathen von Staatsgeheimnissen, Mittheilungen von bevorstehenden
Kriegszügen und dergleichen steht eine bedeutende Sorglosigkeit zu vermerken. In einer
Gemeinde sind so viele heterogene Elemente vereinigt, und das Ausplaudern in der Familie
so unfehlbar, dass ein Geheimniss nie lange bewahrt werden kann. Dieses ist so anerkannt,
dass die Strafprocedur getrost auf das Mogolt (Aufklärung durch Gerücht) eines Verbrechens
wartet und die Vereine, die auf einen Kriegszug gehen, dieses vor den eigenen Familien zu
verheimlichen suchen. Der positive Verrath der Absichten eines Kriegszuges gegen den Feind
wird durch den Kaldebekel mit dem I ode bestraft.
Nicht selten kommt es vor, dass ein solcher Kaldebekel in einem Missvergnügten oder
von Rachedurst angestacheltem Individium einen Verbündeten erhält, der zuweilen selbst
kommt und zu einem Kriegszuge auf seine Heimath auffordert, sich zum Führer anbietend.
12
90
Die Verbrechen und das Strafverfahren auf den Pelau-Inseln.
wobei er natürlich auf das Verderben eines gewissen persönlichen Feindes sinnt. Wenn
entdeckt, ist er des Todes. Der Geschichte nicht fremd ist auch die Möglichkeit, dass ein Ober-
häuptling den Feind bezahlt und mit Absicht in sein Land ruft, um seinen Einfluss zu stärken.
16. Die Kali.#s, die Gottheiten, sind so meah, heilig und mächtig, dass sie den Staat
durch Rath und Beistand unterstützen, somit auch seines Beistandes gänzlich entbehren können.
Deshalb werden die Vergehen gegen die Religion vom Staate unberücksichtigt gelassen. Um
diesen Ausfall zu decken, stellte der Glaube den Gottheiten alle Krankheiten und jedes Unheil
zur Verfügung und so ist denn an den Strafen kein Mangel. Dieselben werden als Reu-,
Bitt- und sonstige Opfer in der Gestalt des einheimischen Geldes den Priestern dargebracht,
die dabei besser fahren, als wenn der Staat dieselben für seinen Beistand einstecken würde.
Dieses mochten nun wohl die Pelauaner, die in Sachen des Audou# schneidend nüchtern zu
sein verstehen, zur rechten Zeit eingesehen haben, denn sie erfanden ein Audou# a Kali# —
ein Gottesgeld, das aus den miserabelsten und werthlosen, obwohl grossklingend benannten
Sorten des einheimischen Geldes besteht und dieses wird als Scheidemünze in dem fortwährenden
Verkehre mit den Gottheiten benutzt. Dieses will jedoch nicht bedeuten, dass nur ausschliesslich
dieses Geld geopfert wird, denn in vielen Fällen, wo es wirklich ernstlich gemeint wird, kommt
auch die werthvollste Sorte zur Anwendung.
In meiner Abhandlung über die Religion der Pelauaner habe ich schon diese Verhältnisse
eingehend berührt und hier sei gelegentlieh der aufgeführten Fragen erwähnt, dass ein religiöser
Zwang nicht bestehen kann, weil ein jedes Fiaus seine eigene Gottheiten hat und mit diesen
zufrieden ist. Sich aber als Abkommen der Gottheiten wissend, schreiben sie ihnen ihre
eigene menschliche Weise zu, und ebenso, wie sie, um zu bestehen, gewisse sociale Einschränkungen
annahmen und dieselben ertragen, suchen sie sich vor der Bosheit der fremden Gottheiten
zu schützen, indem sie sie gelegenheitlich anerkennen, wenns nähmlich Noth thut, sonst nicht.
Das Einstehen und das Eifern für irgend eine Gottheit fällt Niemandem ein, selbst nicht einmal
dem Priester, der jeden Augenblick von der Gottheit verlassen werden kann. Man glaubt
wirklich an seine Gottheit, und man überlässt ihr das Rächen einer erlittenen Beleidigung.
Der menschlichen Auffassung folgt auch eine gleiche Behandlung. Unter Umständen ist der
Kali# auch ein tinariner, verrückt, und des Priesters Anpflanzung, obwohl er im höchsten
Grade mean ist, wird auf ganz menschliche Weise bestohlen. Ebenso wird er als Mensch
zu sämmtlichen Staatspflichten angehalten und als solcher nur vom Staate geschützt.
17. Das Strafverfahren im Allgemeinen berührend ist zu ergänzen, dass eigentliche
Gerichte mit besonders bestimmten Richtern und einem anderen anerkannten Systeme als der
Sitte und des Gutdünkens nicht bestehen. Weder ist die Anwesenheit noch ein Geständniss
des Uebertreters erforderlich. Die Häuptlinge sehen sich beinahe jeden Tag in dem Bay, wo
sie wie nach einem Club kommen, um Neuigkeiten zu vernehmen und selbst welche zu bringen.
Bei gemüthlichem Plaudern heisst es, dass dieser oder jener ein tinariner war und dieses oder
jenes that. Man wreiss schon, dass dieses strafbar ist und ein kleiner Rupak geht zu dem
Verurtheilten und sagt ihm, dass er bezahlen soll. Sein Leugnen nutzt ihm nicht, ob er
schuldig oder unschuldig ist. Er giebt nach einiger Zeit ein möglichst geringes Stück, das
natürlich abgewdesen wird, er giebt ein anderes und so weiter, bis es endlich angenommen
wdrd. Erweist es sich endlich, dass er unschuldig war, so wird der wirkliche Uebertreter
auch bestraft, aber der unschuldig bestrafte erhält sein Geldstück nicht zurück. Wer sollte
es ihm zurückgeben? Die Rupaks in dem Bay würden sich bei dieser Frage ernstlich anblicken
und jeder seinen Korb, in welchem auch das Geldbesteck sich befindet, näher an sich ziehen.
Eben wie es bei den Klagen wegen des Raubes heisst: ah! lass sein, das ist die Hand des
Von J. S. Kubary.
91
Kamasiokol . . . so sagt auch hier jeder: kommt das Fischlein aus dem Rachen des Atomagay
(eine gefrässige Serranus-Art) heraus? . . .
Eine jede Klage an die Rupaks kann nur gegen ein osogosogel, ein Stütz- oder Befestigungs-
geld, angebracht werden, die Strafe dagegen wird von den Richtern behalten, was die heilsame
Wirkung ausübt, dass man sehr selten zu Klagen geht und die alten Herren im Bay ruhig ihren
Betel stampfen lässt, zufrieden, wenn man nur nicht von ihnen wegen irgend etwas belangt wird.
Ein wirkliches Ausfragen, Gergeriil, findet nur sehen und bei sehr schweren Anschul-
digungen statt, z. B. bei dem Verdachte des Tödtens mit scharfer Waffe. Der nun Beschuldigte
ist schon verdammt, er soll sich durch ein schweres Geld loskaufen, er ist aber unschuldig,
er geht zu den Rupaks, er verschwört sich den Gottheiten, er will ein Nilei a Kalitf-, ein
klepknel a Kali#- werden. Die Gottheit aber denkt nicht daran, augenblicklich herunter zu
steigen und ihn aufzuessen und auszutrinken, falls er schuldig wäre, und das wfissen auch die
Rupaks, sie denken ganz folgerecht, dass es zweckmässiger ist, das Verbrechen, wenn auch
in dem unrichtigen Mann, zu bestrafen und eine schwere Strafe einzuheimsen, als dasselbe
ganz straflos zu lassen und gar nichts zu bekommen, und sie schenken ihm kein Gehör.
Dieses verschafft ihm aber den besten Beweis seiner Unschuld — ein Stück Geld. „Hier nehmt
mein Kadariel, Geld, und lasst mich in Ruhe, ich bin wirklich unschuldig!” ruft er, und der
Oberhäuptling frägt ihn, als wenn er eben zum ersten Male von der Sache hörte: „so, hast
Du den Mann wirklich nicht gespeert?” Er besteht auf seiner Unschuld und wünscht den
Mann zu sehen, der ihn auf der That ertappte, und dieser Zeuge wird dann auch berufen und
muss die Anklage ihm ins Antlitz wiederholen. Die Rupaks sind viel zu genaue Kenner ihrer
eigenen Menschenrasse, um aus dem Benehmen der beiden Männer nicht den richtigen Schluss
ziehen zu können, und die Zukunft zeigt dann unfehlbar, ob sie sich irrten, denn der sich in
Sicherheit wissende Mörder macht nach dem Verflusse einiger Zeit von seiner That keinen
Hehl mehr. Dann heisst der falsche Zeuge ein klou pulak, ein grosser Lügner.
Die Kaldebekels, die, wenn nöthig, als Executivgewalt fungiren, haben ihre eigene
Gerichtsbarkeit, ebenso wie der weibliche Theil der Bevölkerung, der auch seine eigene
Regierung hat, worüber schon anderen Ortes ausführlich berichtet wurde.
Das ganze Strafsystem, das von jeglicher handgreiflicher Gewaltthätigkeit auf die Person
des Schuldigen absieht, und jede Strafe in dem schwer zu erwerbendem Gelde auf die
empfindlichste Weise für die Schuldigen bemisst, wirkt auf das Volk viel eindrücklicher und
wohlthätiger, als sonstige Prügel- und Coertionssysteme mit langschwulstigem Gerechtigkeits-
apparate anderswo, und namentlich giebt es nicht eine ausserhalb des Pfahles der Gesellschaft
gedrängte Abtheilung des Volkes, benannt „kriminelle Klasse”, der die Rückkehr zu einem
ehrbaren Dasein schon durch diese specielle Benennung unmöglich gemacht wird. Barmherziger
und rationeller klingt schon das pelausche Tinariner. Ein Tinariner bedeutet verrückt, irrsinnig,
und ein solcher kann noch kadun, vernünftig werden.
Die durch wirklich Irrsinnige begangene Verbrechen bleiben auf den Pelau-Inseln
unbestraft. Anfänglich hält man solche Leute für durch eine Gottheit besessene und erst, wenn
sie der Gemeinde gefährlich werden und das Leben Anderer nehmen, werden sie erdrosselt.
Hat der zu einer grossen Geldstrafe Verurtheilte keine Mittel, um die Strafe zu bezahlen,
und wird ihm die Taropatsche, die ihm die Existens in der Heimath ermöglicht, weggenommen,
wodurch er aus derselben verbannt wird, so kann er durch irgend einen Rupak oder sonst
Bemittelten ausgelöst werden und er wird von nun an ein Kadal, ein Verwandter seines
Erlösers — nicht ein Sclave — wie es weiter im Westen bei den Malayen die Sitte ist.
Auf den Pelau-Inseln, den 20. März 1884. Joh. S. Kubary.
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Die ethnologische Ausstellung der Neu-Guinea-Compagnie im Königl. Museum für Völkerkunde.
Die ethnologische Ausstellung der Neu-Guinea-Compagnie im Königl.
Museum für Völkerkunde.
Mit 2 Tafeln.
Am 21. Januar d. J. wurde diese interessante Ausstellung in den Räumen des neuen
Museumgebäudes (Königgrätzerstrasse) vor einem, Seitens der General-Verwaltung der Königl.
Museen besonders eingeladenen, ausgewählten Kreise von Herren eröffnet.
Dr. O. Finsch, der die Führung und Erklärung übernahm, sprach folgende einleitende
Worte:
Hochgeehrte Anwesende!
Die hier ausgestellten Sammlungen wurden auf meinen letzten, im Aufträge der Neu-
Guinea-Compagnie mit dem Dampfer „Samoa” unternommenen Reisen in Neu-Guinea und
dem Bismarck-Archipel zusammengebracht. Sie bilden nur einen Theil der Gesammt-Samm-
lung, da die auf der Reise von Cap Croissille bis Humboldt-Bai gemachten noch ausstehen.
Da diese Sammlungen zum grossen Theil aus Gegenden herstammen, aus denen wir nur sehr
wenig oder noch gar nichts erhielten, so erlangen dieselben ein erhöhtes Interesse, nicht nur
für den Fachgelehrten, sondern für Jedermann. Eine nur oberflächliche Durchsicht der hier
ausgestellten Gegenstände wird nämlich den Beweis liefern, dass die Verfertiger keineswegs
die rohen Wilden sind, für welche die Eingeborenen Neu-Guinea’s meist gelten, vielmehr uns
ein Volk zeigen, das in Kunstfertigkeiten verschiedener Art bereits auf einer sehr beachtens-
werthen Entwickelungsstufe steht. Besonders wenn man in Betracht zieht, dass mit wenigen
Ausnahmen in jenen Ländern noch das Alter der Steinzeit herrscht! Fast Alles, was Sie hier
sehen, wurde mit Werkzeugen von Stein der primitivsten Art verfertigt!
Was die Eingeborenen selbst anbetrifft, so geben Ihnen die ausgestellten Gesichtsmasken,
auf meinen früheren Reisen von Lebenden abgegossen, eine gute Vorstellung. Sie illustriren
zugleich die erheblichen Schwankungen, weiche innerhalb der Rasse in Gesichtsbildung und
Färbung Vorkommen. Im Allgemeinen zeichnen sich die Papuas oder Melanesier, zu denen
alle Bewohner Neu-Guineas gehören, durch eine dunklere Hautfärbung und das feingekräu-
selte Haar aus; sie machen daher einen ganz negerhaften Eindruck, und schliessen sich offenbar
anthropologisch den echten Negern Afrika’s zunächst an.
Eine eingehende anthropologische Schilderung würde mich hier zu weit führen, ich
könnte Ihnen die Beziehungen zu den hellfarbigen, schlichthaarigen Polynesiern, den Bewoh-
nern des östlichen Pacific, erörtern, will mich aber darauf beschränken, einige Worte über
ihre Lebensweise zu sagen.
Die Bewohner der Nordostküste von Neu-Guinea sind identisch mit denen der Südost-
küste, unter denen ich 1882 sechs Monate lebte und die ich auch weiter im Innern kennen
lernte. Die Bewohner Neu-Guinea’s, obwohl in der Rasse ganz gleich mit denen von Neu-
Britannien und Neu-Irlands stehen in jeder Hinsicht bedeutend höher als diese. Während die
Neu-Britannier und Neu-Irländer noch heutigen Tages Menschenfresser sind, ist Cannibalismus
mit Ausnahme eines kleinen Theiles der Ostspitze, in Milne-Bai, nirgends in Neu-Guinea
nachgewiesen. Ich selbst habe auf meinen Reisen nirgends Spuren von Cannibalismus ange-
troffen. In der That ist der Papua Neu-Guineas weit besser als sein Ruf. Allenthalben wo
Von Dr. O. Finsch.
93
wir mit Eingeborenen zusammentrafen, fanden wir dieselben gutmüthig und haben nie nur
den geringsten Conflict mit ihnen gehabt, nie einer Waffe gegen sie bedurft.
Die Bevölkerung ist im Ganzen eine schwache; staatliche Zusammengehörigkeit findet
sich nirgends, nur Dorfgemeinden, von denen oft mehrere Zusammenhalten und so einen
kleinen Stamm bilden, der mit seinen Nachbarn häufig in Fehde lebt, wie dies allenthalben in
Melanesien der Fall ist. —
Alle Papuas dieser Küste sind sesshaft und bauen, nur mit dem Steinbeile, zum Theil
sehr comfortable und stattliche Häuser, wie die hier ausgestellten Scizzen zeigen.
Die Häuser liegen meist versteckt im Dickicht des Uferwaldes und gruppiren sich zu
Dörfern, die aber selten aus mehr als 20—3o Häusern mit 100—i5o Bewohnern bestehen.
Meist sind sie kleiner. In den Dörfern und um die Häuser herrscht eine lobenswerthe Rein-
lichkeit; jeden Tag wird gekehrt, und die Papuadörfer könnten in dieser Hinsicht vielen bei
uns als Muster dienen.
Ebenso sorgsam wie die Häuser sind die Plantagen der Papuas, die meist abseits der
Dörfer liegen, in Gebirgsgegenden mit Vorliebe an den steilsten Abhängen angelegt sind. In
Goodenough-Bai sahen wir Plantagen noch in Höhen von 4000—5oooFuss!
Die Anlage der Plantagen macht ungeheure Mühe, da die grossen Bäume des Urwaldes
nur mit dem Steinbeil und mit Hülfe des Feuers ausgerottet werden können. Wer Gelegenheit
hatte, solche Plantagen zu sehen, wird billig über den Fleiss der Papuas staunen.
Sie sind in der That treffliche Ackerbauer, da ihre ganze Lebensweise damit im Zu-
sammenhänge steht, denn alle Papuas sind in erster Linie Vegetarianer. Als die hauptsäch-
lichsten Feldfrüchte sind Yams, Taro, die Banane und Zuckerrohr anzusehen, die regelrecht
cultivirt werden; ausserdem die Cocospalme. Sago wird aus der wildwachsenden Palme
gewonnen und bildet an manchen Orten ein wichtiges Nahrungsmittel.
Tabak wird an der ganzen Küste gezogen und in Form von Cigaretten geraucht, und
ist jedenfalls einheimisch.
Von Hausthieren hält man in den Papua-Dörfern nur das Schwein, Abkömmlinge des
einheimischen wilden, und den Hund, eine kleine Dingo-ähnliche Rasse, die nicht bellt. Beide
Thiere werden gegessen, aber nur bei besonderen festlichen Gelegenheiten, dann meist in
grosser Anzahl. Hühner werden in den Papua-Dörfern nur der Federn wegen gehalten.
Die Jagd spielt eine untergeordnete Rolle im Unterhalt des Papua und wird nur zu
gewissen Zeiten und gemeinschaftlich betrieben. Dagegen ist Fischerei für die Küstenbewohner
von hervorragender Bedeutung und man bedient sich sinnreicher Fanggeräthe. Auch der Bau
von seetüchtigen Canus steht auf einer hohen Stufe.
Wie bereits erwähnt herrscht kein staatlicher Zusammenhang und selbst die Häuptlinge
der kleinen Dorfgemeinden haben keinen grossen Einfluss.
Die Papuas haben meist nur eine Frau; nur Reiche nehmen mehrere Frauen, die von
den Eltern gekauft werden. Die Moral ist musterhaft. Syphilis und Trunksucht bis jetzt
noch unbekannt. Die Todten werden in pietätsvoller Weise bestattet, meist vor den Häusern,
und unter besonderen Ceremonien. Ueber die Religion vermag ich wenig zu sagen. Die ver-
schiedenen Figuren, welche man gewöhnlich als Götzenbilder anspricht, sind wohl mehr
Ahnenfiguren oder Talismane.
Alle Papuas gehen etwas bekleidet und besitzen eine Menge Schmuckgegenstände von
Muscheln, Schildpatt, Flechtwerk und namentlich Hundezähnen, von denen die Ausstellung
schöne Proben liefert. Zu den besonders entwickelten Kunstfertigkeiten gehört das Filet-
94
Die ethnologische Ausstellung der Neu-Guinea-Compagnie im König!. Museum für Völkerkunde.
stricken und die Töpferei. Alle Speisen werden in gekochtem Zustande gegessen, was jeden-
falls auf eine höhere Culturstufe schliessen lässt
Im Verkehr dienen kleine Muscheln (Nassa) als eine Art Geld; ebenso andere Erzeug-
nisse, wie Töpfe, Armbänder u. s. w. als Tauschartikel, wovon Sie hier eine grosse Auswahl
finden, und zu deren Betrachtung ich Sie freundlichst einlade.”
Die Sammlung, über welche ein instructiver Catalog vorliegt, zählt im Ganzen 1783 eth-
nologische Gegenstände, welche sich nach den 24 verschiedenen Localitäten folgendermassen
gruppiren:
A. Aus dem Bismark - Archipel.
1. Neu-Irland (Neu-Mecklenburg)................................. 70 Stück
2. Neu-Britannien (Neu Pommern)
a) Blanche-Bai..................................18 Stück
b) Forrestier-Insel.............................12 „
c) Willaumez-Insel..............................84 „
d) Cap Raoult...................................3i „
e) Hansabucht...................................60 „
2o5
B. Aus Kaiser Wilhelms - Land.
1. Long-Insel............................................26
2. Dampier-Insel........................................ 2
3. Astrolabe-Bai
a) Constantin-Hafen . 9O
b) Gelbes Dorf..............................102
c) Bilibili-Insel.......................... 17
2l5
4. Friedrich Wilhelmshafen.............................i85
5. Festungs-Cap ........................................29
6. Finsch-Hafen .......................................356
7. Huon-Golf...........................................190
ioo3
C. Aus englischen Nachbar - Schutzgebieten.
1. d’Entrecasteaux-Inseln
a) Weihnachtsbucht, Normanby................ig3
b) Welle-Insel.............................. 3
146 Stück
2. Bentley-Bai............................................28 „
3. Mclnlay-Insel ........................................ 11 „
4. Samarai (Dinner-Insel).................................46 „
5. Chas (Teste-Insel).....................................82 „
6. Insel Trobriand.......................................io5 „
419
Insel Bouka, Salomons Inseln.............................86 „
Total 1783 Stück.
Ausserdem sind eine Anzahl Schädel (12) meist von Heath- und Teste-Insel, vertreten,
sowie 22 Gesichtsmasken von Völkertypen'), meist Melanesier von Neu-Guinea (Südostküste),
Neu-Britannien und Neu-Irland, sowie einige Malayen. Diese Gesichtsmasken wurden von
Dr. Finsch auf seinen früheren Reisen nach Lebenden abgegossen und von Herrn Louis
Castan in Berlin in musterhafter Weise nach den Originalen und Farbenscizzen ausgeführt.
J) Vergl. Dr. O. Finsch: „Anthropologische Ergebnisse einer Reise in der Südsee und dem
malayischen Archipel in den Jahren 1879—'882” Berlin, Asher u. Co. 1884.
Von Dr. O. Finsch.
95
Eine weitere interessante Bereicherung der Ausstellung sind 20 treffliche Aquarellen,
Landschaften, Völkertypen, Siedelungen und Häuser darstellend, welche nach Dr. Finsch’s
Originalaufnahmen von Moritz Hoff mann (Berlin) ausgeführt wurden und die instructive
Illustrationen zu den Sammlungen liefern. Hervorragendes Interesse verdienen die über-
raschend kunstvollen Bauten der Junggesellenhäuser in Humboldts-Bai und auf der Insel
Bilibili in Astrolabe-Bai, mit die grossartigsten Baudenkmäler der Steinzeitperiode.
Zum Schluss sei noch eine Sammlung von Naturprodukten, Gesteins- und Bodenproben
erwähnt, darunter Gopra, der Haupt-Exportartikel der Südsee, Perlmutter, Tabak, wie ihn
die Eingeborenen längs der ganzen Nordostküste bauen, und der also, wie Mais, wrovon eine
Probe von Venus-Huc vorliegt, ohne Zweifel zu den einheimischen Cnlturgewächsen gehört.
Ethnologische Erläuterungen.
Von Dr. O. FINSCH.
Die nachfolgenden Bemerkungen sollen nun dazu dienen, auf die Eigenthümlichkeiten
der einzelnen Gebiete in ethnologischer Hinsicht aufmerksam zu machen, sowie auf die
Beziehungen zu anderen unbekannten Gebieten hinzuweisen, können aber, wegen Mangel an
Zeit, leider nicht auf Einzelheiten eingehen, so sehr dieselben auch gerade bei Betrachtung
dieser grösstentheils noch so unbekannten Stämme wfillkommmen sein dürften.
Wie bei allen Naturvölkern, die noch im Alter der Steinzeit leben, werden statt Metallen
andere Naturprodukte benutzt, in Folge dessen findet sich allenthalben eine Wiederholung
der Materialien. Sind als Werkzeuge und Geräthschaften zum Bau der Häuser und Ganus
allgemein Steine, seltener Muscheln (besonders Tridacna) die einzigen Materialien, so herrscht
in Bezug auf Schmucksachen grössere Abwechselung. Obenan stehen als werthvolles Material
Hundezähne. Schweinehauer (keine Menschenzähne), dann Muscheln, Schildpatt und gewisse
Samenkerne. Von Muscheln werden gewfisse Arten (kleine Cypraeen, Nassa) aufgereiht oder
künstlich zu Scheiben und Scheibchen (Spondylus) verarbeitet, zum Theil als Geld benutzt,
oder sie dienen zur Ornamentirung verschiedener geflochtener Gegenstände, im Verein mit
Hundezähnen, Fruchtkernen u. s. w. Abschnitte und Querschnitte gewisser Muscheln (Trochus,
Conus), werden ebenfalls vielfach benutzt, zum Theil zu Armbändern verarbeitet und, wie die
breiten Armbänder aus gebogenem Schildpatt, mit kunstvoll eingravirten Mustern verziert.
Perlmutter wflrd als Schmuck wenig oder kaum verwandt. Dagegen liefern gewisse Grasarten
zum Theil bunt gefärbt, ein häufig benutztes Material. Federschmuck spielt keine hervor-
ragende Rolle, wreil die Eingeborenen mit Vorliebe buntgefärbte oder wohlriechende Blätter,
oder gewisse Blumen brauchen. Aus dem Pflanzenreich dienen, neben gewissen, sich überall
wiederholenden Samenkernen, hauptsächlich Calebassen, d. h. künstlich in gewissen Formen
gezogene Kürbisse, demselben Zwecke, nämlich als Kalkbehälter. In Anfertigung feiner Bind-
faden haben die Eingeborenen allenthalben eine beachtenswerthe Fertigkeit erlangt und noch
mehr in der Verarbeitung dieses zum Theil künstlich gefärbten Materials zu Strickarbeiten in
Filet, in Form von Fischnetzen und Beuteln, die zum Theil wrahre Kunstarbeiten sind.
Mattenflechterei ist nur unbedeutend entwickelt, und allenthalben nur in gröberer Weise,
z. B. zu Segeln der Canus. Tapabereitung, zum Theil mit hübsch bemalten Mustern, kennt
man überall. Dagegen ist Töpferei mehr sporadisch verbreitet, aber zum Theil beachtens-
werth entwickelt.
Die ethnologische Ausstellung der Neu-Guinea-Compagnie im Königl. Museum für Völkerkunde.
96
Von Waffen darf auch hier der Wurfspeer als die hauptsächlichste gelten; Pfeil und
Bogen finden sich keineswegs überall, ebenso wie Keulen nur sporadisch Vorkommen, darunter
nirgends Keulen mit Steinknauf. Interessant ist die Verschiedenheit in der Form und
Ornamentirung der Schilde, die stets von Holz gefertigt sind und sich nur in gewissen
Districten finden.
Unter den Musikinstrumenten steht die sanduhrförmige, mit Monitorhaut bespannte
Trommel, oft mit sehr kunstvoller Schnitzerei versehen, obenan und findet sich, auch in
gewissen Gebieten Polynesiens, überall. — Eine zweite Art sehr grosser Trommeln, trog-
förmig aus einem Baumstamm gefertigt, ist für hier, wie ganz Melanesien, eigenthümlich.
Als häufigstes Blaseinstrument ist die Panflöte aus Rohr zu bezeichnen.
An Bekleidung kommt, wenigstens für Neu-Guinea, fast durchgehends Tapa für die
Männer, und für die Frauen Schürzen aus Blattfaser (meist gespaltene Blattfaser der Sago-
oder Cocospalme) in Betracht.
Im Anschluss an diese allgemeinen Bemerkungen mögen einige auf die einzelnen Loca-
litäten bezügliche folgen.
A. Bismarck-Archipel.
Forrestier - Insel. Dieselbe gehört zur Gruppe der French-Inseln, im Nordwesten
von Neu-Britannien. Die Eingeborenen, welche ganz denen der letzteren Inseln gleichen, und
wie diese nackend gehen, erwiesen sich so scheu, dass nur wenige Gegenstände erworben
werden konnten. Eigenthümlich ist ein Brustschmuck (Cat. N0. 27J), vergl. Taf. 1. Fig. 1) aus
zwei Ovula-Muscheln mit einem Anhänge aus Flechtwerk, in der Form eines dreiblättrigen
Blattes, am Rande mit kleinen Muscheln besetzt. Ebenso ist die Form der Armbänder (N0. 34)
mit zwei blattförmigen Spitzen neu. Beide Schmuckgegenstände fehlen in dem bisher bekann-
ten nordöstlichen Theile von Neu-Britannien, stimmen dagegen fast ganz mit solchen von der
Ostküste Neu-Guinea’s überein. Ebenso finden sich hier bereits Galebassen als Kalkbüchsen
(N0. 32j für den Betelgenuss verwandt, während man sonst in Neu-Britannien kleine Täsch-
chen aus Pandanusblatt benutzt.
Willaumez - Insel, die grösste Insel an der Nordküste Neu-Britanniens, mit echt
melanesischer Bevölkerung, eine Localität, an welcher bisher nicht gesammelt wurde. Als
neu ist hervorzuheben eine besondere Form von Rohrflöten (N0. 35), sowie Brustschmuck aus
Perlmutterschild (N0. 48), der sich in ähnlicher Weise an der Südostküste Neu-Guinea’s wieder-
findet; ferner sehr zierlich aus einer Grasart geflochtene Armbänder (N0. 45), ohne die cha-
racteristische blattförmige Spitze, wie die von der vorhergehenden Insel. Die zum Theil mit
Menschenknochen verzierten Speere (N0. 66) und die aus einer Art rothgefärbten Schilfes ver-
fertigten Schmucksachen (Stirnbinden, N0. 46, 48), sind ganz so wie solche von der Nordost-
spitze Neu - Britanniens (Blanche-Bay), ebenso das Muschelgeld (N0. 51). — Brustschmuck
vergl. Taf. 1, Fig. 4.
Gap Raoult, im äussersten Westen von Neu-Britannien, eine bisher ebenfalls nicht
besuchte Localität. Brustschmuck (Taf. 1, Fig. 3. N0. 73) und Armbänder (N0. 71) in Form
und Material ganz wie von der Ostküste Neu-Guineas, ebenso eine neue Art breiter, reich
mit eingravirter Zeichnung versehener aus Schildpatt (N0. 86), die ich weiter östlich nicht an-
getroffen habe. Eigenthümlich sind die sehr primitiven Aexte (N0. 78) mit Muschelklingen
J) Die Nummern beziehen sich auf: „Catalog der ethnologischen Sammlung der Neu - Guinea-
Compagnie, ausgestellt im Kgl. Museum für Völkerkunde”, Berlin 188h.
Von Dr. O. Finsch.
97
(Tridacna oder Hippopus) die auf besondere Weise befestigt sind. Ebenso verdienen die
ziemlich rohen Ruder (No. 83) wegen ihrer Bemalung Beachtung.
Hansa-Bucht, zwischen Süd-Cap und Roebuk-Huk, an der Südwestküste von Neu-
Britannien, vom Dampfer „Samoa” entdeckt. —
Characteristisch und neu für diese Localität ist ein Brustschmuck aus Eberhauern (No. 88),
sowie Muschelgeld (Diwara, No. 90), das hier eine so grosse Rolle als auf der Gazellen-Halb-
insel zu spielen scheint. Ferner finden sich Tapa (N0. 96) in bunten Mustern, als Beklei-
dung der Männer. Neu ist eine besondere Art mit kleinen Muscheln verzierter Ohrringe
(N0. 92) und ein Faserstoff (N0. 95), ähnlich Flachs, der unverarbeitet als Kopfschmuck dient
und den ich nur in einer Localität an der Ostküste Neu-Guineas wiederfand. Brust-Kampf-
schmuck vergl. Taf. 1, Fig. 5. —
B. Kaiser Wilhelms - Land.
In Bezug auf ethnologische Sammlungen ein durchaus neues Gebiet.
Long - Insel.
Besondere Beachtung verdienen die zum Theil bunt bemalten Verzierungen eines grossen
Canu (N0. 100—104). Die übrigen erhaltenen Gegenstände: Kämme, Brustschmuck (Taf. 1,
Fig. 2), Armbänder, Bogen mit Sehne von Rottang, stimmen ganz mit solchen von Aslrolabe-
Bai überein.
Dampier - Insel (Karkar).
Ich traf nur einmal mit Eingeborenen dieser spärlich bevölkerten Insel zusammen, die
ausser einigen Betelnüssen und Tabackblättern kaum etwas zu vertauschen hatten. Die wenigen
Sachen, welche sie besassen (Brustschmuck aus Ovula, Kämme, schlechte Tapa) waren ganz
so wie in Neu-Guinea.
Astrolabe-Bai.
a) Constantin - Hafen. Eigenthümlich sind Essgefässe aus Holz (N0. 115 —117),
länglich ovale Schüsseln und runde Näpfe, zum Theil mit Henkel; ein besonderer Faserstoff,
aus welchen neben dem üblichen Material von Cocospalmblatt oder Sagopalme, die Weiber-
schürzen (N0. 124) gefertigt werden; Holzschnitzereien, die Figur eines Papua ziemlich roh
darstellend, „Tzelum” (N0. 118) genannt. Im Dorfe Bongu befindet sich ein solcher „Tzelum”
von colossalen Dimensionen, über 8 Fuss hoch und aus einem Stück gearbeitet. Die Steinbeile
(N0. 121) sind ziemlich roh und von der gewöhnlichen Form. Filetstrickarbeiten (Säcke)
und Zierraten weniger schön als sonst.
b) Gelbes Dorf (Bogadschi) eigentlich aus drei Dörfern bestehend und einer der
bevölkertsten Districte in Astrolabe-Bai.
Waffen (hübsche Speere, Pfeile und Bogen, letztere mit Sehne von gespaltenem Rottang)
sind sehr häufig und von der gewöhnlichen Form, wie an dieser ganzen Küste. Ebenso die
die zum Theil durchbrochen gearbeiteten Haarkämme aus Bambu (N0. i32); die Holzschüsseln
(N0. 145) schöner als in Constantin - Hafen; ebenso die breiten, mit eingravirter Zeichnung
verzierten Armbänder aus Schildpatt und Hals- und Brustschmuck aus Hundezähnen. Brust-'
und Kampfschmuck (vergl. Taf. 2, Fig. 4.)
Eigenthümlich sind: Leibschnuren (N0. 142) aus aufgereihten, runden Bruchstücken eines
Conchyls (Septaria); die mit Samenkernen besetzten kleinen Brustbeutel (N0. 133) der Männer;
Brustschmuck aus Cymbium-Muschel, zum Theil mit aufgelegter Schildpattschnitzerei (N0. 139)
und mit Eberzähnen (N0. 138)-
i3
(j§ Die ethnologische Ausstellung der Neu-Guinea-Compagnie im Ivönigl. Museum für Völkerkunde.
c) Insel ß i 1 i b i 1 i. Diese kleine, stark bevölkerte Insel, am Eingänge der Bai scheint
einer der wichtigsten Punkte derselben zu sein, da die Bewohner, welche eine besondere Sprache
sprechen, sehr betriebsam sind, namentlich in der Töpferei, und die Erzeugnisse derselben in
gut gebauten, seetüchtigen Segel-Canus längs der Küste vertreiben.
Die Sammlung hat hübsche Proben dieser Töpfe (No. 162) aufzuweisen; darunter als
besonders beachtenswerth einen mit Buckeln versehenen Topf (N0. 163). Neu sind gewaltige
runde Schilde, aus Holz, mit erhabener Schnitzerei und Bemalung (N0. 161).
Friedrich-Wilhelms-Hafen.
durch den Dampfer „Samoa” entdeckt. Der eigentliche Hafen ist nicht bewohnt, dagegen die
davor liegenden Inseln Grager, Bilia und Tiar, zu dem noch wenig oder kaum untersuchten
Archipel der „zufriedenen Menschen“ gehörig, ziemlich bevölkert. Daher stammen auch die
Sammlungen, unter denen als eigenthümlich hervorzuheben sind: grosse zum Theil bunt be-
malte und sehr natürlich wiedergegebene Holzschnitzereien von Fischen (N0. 170—172); in
der Bemalung tritt als neu zuerst grüne Farbe auf; die am Halse mit Kauri-Muscheln besetzten
Calebassen (N0. 178) zu Kalk; die feine Randgravirung der schmalen Armbänder aus Trochus-
muschel (N0. 182); durchbrochen gearbeitete Schildpattarmbänder (N0. 198); dünne, zierlich
durchbrochen gearbeitete, schmale Bänder (N0. 192), aus einem Pflanzenstoffe, die wie Spitzen
aussehen und von jungen Leuten Uber der Haarwolke getragen werden; breite rothgefärbte
Armbänder, aus Gras geflochten und in besonderer Weise reich mit Kauris und Ringen aus
Conus verziert (N0. 193); Leibgürtel aus buntgefärbtem Gras (N0. 208), die gleich um den
Leib geflochten werden, ganz wie sich in gleicher Weise die Bewohner der Südostküste
(Motu) unnatürlich einzwängen; spatelförmige Hölzer zum Aufbrechen der Betelnuss (N0. 175)
mit zierlich eingravirten Mustern; der Brust-Kampfschmuck, aus zwei Ovula-Muscheln (Nr. 190),
ist bezüglich der Flechtarbeit ebenfalls eigenthümlich. Im Uebrigen herrscht Uebereinstimmung
mit den sonst in Artrolabe-Bai üblichen Arbeiten. Die Schilde sind ebenfalls rund und zum
Theil sehr schwer (bis 10 Kilo), die Lanzen (Nr. 214) mit breiter Bambuspitze mit buntem
Grasgeflecht und Federschmuck verziert.
Die Küste östlich von Astrolabe-Bai ist nur spärlich bevölkert und wir trafen nur
wenige mal mit Eingeborenen zusammen, so bei
Festungs-Cap.
Die hier erhaltenen Gegenstände zeigen einiges Neue und Eigenthümliche. So kleine,
dünne, aufgereihte Muschelscheibchen (Nr. 222), die ganz mit solchen von Neu-Irland, und
hier als Münze dienend, übereinstimmen; die gestrickten Tragbeutel (Nr. 227) sind zum Theil
reich mit Eckzähnen vom Hunde besetzt und diese gleich eingestrickt; die Kalkkalebassen
(Nr. 23o) haben einen langen, dünnen Hals und sind zum Theil mit eingebrannter Zeichnung
verziert; neu ist zum Theil rothgefärbte feine Tapa (Nr. 234), welche zu einer turbanartigen
Umhüllung des Kopfes benutzt wird, und eigenthümlich durchbrochen gearbeitete und bunt
bemalte Körbchen aus Palmblatt (Nr. 233). Die Brust-Kampfschmucke Nr. 225 (vergl. Taf. II.
Fig. 3) zeichnen sich dadurch aus, dass nicht Ovula sondern zwei Cypraeen benutzt sind.
Kunstvolle Schnitzerei der Ruder und Trommeln (Nr. 228), die übrigens in der Form ganz
mit denen von Astrolabe-Bai übereinstimmen, ebenso wie die Angelhaken, mit Stift aus Tridacna
und Haken aus Schildpatt, seltener Knochen.
Von Dr. О. Finsch
99
Finsch-Hafen.
Durch die „Samoa“ entdeckt, mit hübscher, parkartiger ziemlich gut bevölkerter Umgebung.
Die reichen Sammlungen aus diesem Gebiete enthalten mancherlei Eigenthümliches:
obenanstehend Erzeugnisse in zum Theil sehr kunstvoller Holzschnitzerei, bei welchen Figuren
von Menschen (Papua) und CmcadiLJiänfigwiederkehren. So in den eigenthümlich durch-
brochen gearbeiteten Kopfkissen (Nr. 241), Rührlöffeln (Nr. 2З9, 240) und Canuverzierungen
(Nr. 24З—246). Besonders schön und mit eigenthümlicher erhabener Schnitzerei verziert sind
die zum Theil sehr grossen länglich-ovalen Holzschüsseln (Nr. 2З7), sowie Wasserschöpfer
(Nr. 248) zum Gebrauch in Canus. Unter den Schmuckgegenständen zeichnen sich aus:
Stirnbinden aus Kauri und Hundezähnen (Nr. 280), breite Kniebänder aus Kauri (Nr. 292),
Brustrosetten aus Hundezähnen (Nr. 279), Leibgürtel (Nr. 287), Stirnbinden (Nr. 289) und Arm-
bänder aus einer besonderen mit gelb gefärbtem Stroh übersponnenen Schnur, welche
ungemein elegant, ähnlich wie Goldbrocat aussieht; filetgestrickte Beutel (Nr. 319) in sehr
verschiedenen bunten Mustern und zum Theil ganz neuer Manier gearbeitet (Nr. З21); die
Schnitzerei der Holztrommeln zeigt ein eigenthümliches Muster; als Kopfbedeckung der Männer
sind hohe turbanartige Mützen aus Тара (Nr. 272) und spitze Mützen aus Menschenhaar
(Nr. 269), wie Derwischmützen, hervorzuheben, sowie filetgestrickte Käppchen der Weiber
(Nr. З22). Die Töpfe (Nr. ЗЗ4) zeichnen sich durch eine besondere Form aus, indem sie
oben sehr weit offen sind. Characteristisch ist Halsschmuck aus vielen dünnen Bindfaden
(Nr. Зоб) bestehend und ganz besonders die Form der Schilde (Nr. З40), aus einem concav
gebogenem Stück Holz, zum Theil mit bunter Malerei verziert.
Die Waffen sind ganz wie von Astrolabe-Bai; die Steinbeile besser gearbeitet, in anderer
Weise an dem zum Theil mit Schnitzerei versehenen Holzstiele befestigt.
Brust-Kampfschmuck auf Taf. II. Fig. 2.
H u о n - G о 1 f.
Es wurde hier hauptsächlich in der Gegend von Parsie-Point gesammelt. Die erhaltenen
Gegenstände stimmen fast durchgehends genau mit solchen von Finsch-Hafen überein, so
dass sie besondere Bemerkungen überflüssig machen. Neu ist ein eigenthümlicher Schmuck
aus Schweinezähnen (Nr. З70); Armbänder aus gelb und schwarzem Strohgeflecht (Nr. 355);
Brustschmuck aus Perlmutter (Nr. 35g). Die Steinäxte sind wie von Astrolabe, aber in
verschiedener Weise mit Rottang umflochten. Brust-Kampfschmuck vergleiche Taf. II. Fig. 1. —
C. Aus englischen Nachbar-Schutzgebieten.
Handelte es sich bei den vorher erwähnten Localitäten um durchaus neue Gebiete, die
kaum oder noch nie berührt wurden und somit ihre Eigenthümlichkeiten und Originalität
noch voll bewahrten, so haben wir es im Folgenden mit solchen zu thun, die durch den
Verkehr mit Weissen ihre Eigenthümlichkeit bereits theilweise oder ganz einbüssten, wo also
die letzten Reste noch eben gerettet werden konnten, ehe es ganz zu spät ist.
Das hier in Betracht kommende Gebiet umfasst die äusserste Ostspitze Neu-Guineas,
östlich von Bentley-Bai, die d’Entrecasteaux- und die Inseln südöstlich von Ost-Cap bis Teste-
Insel, ein Gebiet, welches durch die Eigenthümlichkeit seiner Erzeugnisse eine besondere
ethnologische Provinz bildet. Characteristische Eigenthümlichkeiten derselben sind: die besondere
Form der Steinäxte (Nr. 415), bei denen die breite flache Klinge nicht, wie üblich, quer,
i3*
100 Die ethnologische Ausstellung der Neu-Guinea-Compagnie im Königl. Museum für Völkerkunde.
sondern in gleicher Flucht mit dem flachen breiten Holzstiel eingesetzt ist; die besondere Form
und namentlich das Muster der eingravirten Verzierung; grosse runde, zum Theil mit kunst-
voller Randverzierung versehene Holzschüsseln (Nr. 5 io); eigenthümliche Form und Schnitzerei
der Rührlöffel (Nr. 419 und 496); besondere Form der Töpfe in Gestalt hoher Näpfe oder
Schüsseln (Nr. 518); die eigenthümlichen Muster der Holzschnitzereien (z. B. Nr. 5oo), welche
zum Theil an Maoristyl erinnern; als Schmuck findet Menschenhaar eine weitgehende Ver-
breitung; ferner finden sich hier zuerst breite Armbänder aus einem Basisquerschnitt von
Conus millepunctatus (Nr. 484), die von hier westlich bis Freshwater-Bai ein beliebtes Tausch-
mittel sind; als Material zu Schmuck sind kleine runde Scheiben aus Sponbylusmuschel (Nr. 473)
häufig und erinnern lebhaft an das gleiche Material, welches im Putz der Mikronesier eine so
hervorragende Rolle spielt; als Bekleidung sind eigenthümlich gemusterte Matten (Nr. 444)
aus zusammengenähten Pandanusblattstreifen zu erwähnen; die hölzernen Trommeln (Nr. 497)
haben eine andere Form und Ornamentik der Schnitzerei, wie sich die Ornamentirung durch-
gehends in anderen sehr characteristischen Mustern bekundet. Dies zeigt sich z. B. sehr
auffallend an den Kalkkalebassen (Nr. 420), die sich durch Kugelform und zierlich mit schwarz
und gelbem Strohgeflecht umwundene Stöpsel auszeichnen.
Zur Erklärung dieser Uebereinstimmung in verschiedenen hervorragenden ethnologischen
Eigenthümlichkeiten eines verhältnissmässig ausgedehnten Gebietes, können die innigen Handels-
beziehungen dienen, welche zwischen den Küsten und Inseln desselben bestanden und theilweis
noch bestehen. Mit Hilfe trefflicher, besonders geschickt gebauter Segel-Canus werden weite
Handelsreisen unternommen, welche sich von den d’Entrecasteaux bis Teste-Island und die
Louisiade erstrecken und so einen regen Austausch der Erzeugnisse entwickeln, einen Austausch,
der für die Ethnologie von hervorragendem Einflüsse sein musste.
In dem genannten Gebiete wurden folgende Localitäten besucht:
d’Entreca steaux-Inseln.
Und zwar Weihnachtsbucht, an der Nordküste von Normanby und durch die Samoa
benannt. In Folge des wiederholten Besuches von Schiffen ist hier bereits fast alle Originalität
verschwunden. So z. B. die trefflichen Steinäxte (Nr. 415), deren Klingen früher einen
beliebten Exportartikel bildeten, und jetzt allgemein durch eiserne (Nr. 417), aus Bandeisen,
vertreten sind, wovon die Sammlung Proben enthält. Eigenthümlich ist die Verwendung der
Cassismuschel (Nr. 418) als Trompete; ferner besonders fein gearbeitete schwarz und gelbe
Schnüre (Nr. 433), fein geflochtene Körbchen aus Cocosblatt (Nr. 441). Kunstvolle Holz-
schnitzereien als Canuverzierung (Nr. 450, 451) sind in der Sammlung vertreten, sowie ein
vollständiges Canu (Nr. 453) für einen Mann (3 m. lang), wie sie für Weihnachtsbucht
besonders characteristisch sind.
Bentley-Bai.
Eigenthümlich sind die colossalen, schwarzen, aus Rottang geflochtenen Armbänder
(Nr. 458), sowie aus Gras geflochtene Brustbänder (Nr. 462) als Trauerschmuck. — Für die
hiesige Gegend, westlich bis Chads-Bai, bildet, wie erwähnt, Menschenhaar ein beliebtes und
characteristisches Material zu allerlei Körperverzierung (namentlich Leibgurte der Männer)
wie für das ganze Gebiet überhaupt.
S a m ä r a i (Dinner-Insel)
in China-Strasse, mit einer Missionsstation der Londoner Gesellschaft, zu der eine geringe
Zahl bekehrter Eingeborner (40—5o) halten, die meist von den benachbarten Inseln Sariba
Von Dr. O. Filiseli.
lOI
(Hayter) und Rogia (Heath) herkommen. Da das sehr kleine Samurai früher unbewohnt war,
so stammen die hier gesammelten Gegenstände von den Nachbarinseln oder dem Festlande.
So die eigentümlichen geflochtenen, runden Tragkörbe mit Einsätzen (Nr. 482); die
schönen roth und gelb gestreiften Schürzen der Frauen (Nr. 468); die Waffen, darunter
vierkantige Schilde (Nr. 491) mit zierlicher erhabener Schnitzarbeit; die Armbänder aus einem
menschlichen Unterkiefer (Nr. 487); die sonderbaren Fischfallen, Wuba (Nr. 492) genannt,
und manches Andere.
Chas (Teste-Insel).
Eine kleine vulkanische Insel, ca. i5 Seemeilen südlich von Wasiraki (Moresby-Insel)
mit echt papuanischer Bevölkerung, die kaum 3oo Köpfe zählt und nomineil zum Christenthum
bekehrt ist. Durch die Mission, sowie den Schiffsverkehr, ist auf Chas fast alle Originalität
verloren gegangen bis auf die Töpferei, welche hier, in Folge eines ausgezeichneten Thones,
ausserordentlich blüht. In der That bildet Teste-Insel das Emporium der Töpferei, die hier
in ganz besonderer Weise und zwar der prähistorischen, ohne alle Werkzeuge, betrieben wird.
Wegen dieser Topffabrikation wurde Teste-Insel früher regelmässig von Handelsfahrzeugen
aus den d’Entrecasteaux, der Louisiade u. s. w. besucht und es fand ein lebhafter Tauschverkehr
statt, der aber in letzter Zeit sehr nachgelassen hat. Töpfe von Teste-Insel findet man bis
Stacy-Insel (South-Cap), Bentley-Bai, Normanby u. s. w.
Die Sammlung enthält Proben dieser in der Form eigenthümlichen Töpfe (Nr. 5i8);
ausserdem eine Anzahl bemerkenswerther Gegenstände, die von anderen Inseln herstammen,
aber einen um so höheren Werth haben, weil sie jetzt nicht mehr zu erlangen sind. Darunter
verdienen als besonders eigenthümlich angeführt zu werden: colossale Rührlöffel in Form
eines langen Ruders, am oberen Ende mit sehr kunstvoller, durchbrochener Schnitzerei in
Maori-Motiven (Nr. 496), Holztrommeln (Nr. 497), hölzerne Schüsseln (Nr. 510), darunter von
bedeutender Grösse (Nr. 512); schwere Steinaxtklingen (Nr. 515), die von Normanby ein-
getauscht wurden; „Känginiss”, ein eigenthümliches spatelförmiges Instrument (Nr. 5oi);
äusserst kunstvoll geschnitzte Canuverzierungen (Nr. 5oo); kurze flache Handkeule aus
Walfischknochen (Nr. 499), die ganz mit dem Meri von Neu-Seeland übereinstimmt. Die
Waffen (Speere, Nr. 5ao—524), stimmen ganz mit denen von Normanby überein, woher sie
bezogen wurden; die Holzschilde (Nr. 514) mit solchen von Dinner-Insel, obwohl sie wahr-
scheinlich in Normanby oder in Milne-Bai angefertigt wurden.
Trobriand.
Eine noch sehr wenig bekannte, fruchtbare Insel, ca. 5o Seemeilen nördlich von
Fergusson-lnsel der d’Entrecasteaux-Gruppe, mit polynesischer Bevölkerung, die ethnologisch
sehr interessant ist, indem sie vorwiegend melanesisches Gepräge, offenbar in Folge von
Tauschverkehr, aufweist. So die WGffen: Speere (Nr. 540) und Handkeule (Nr. 539); die
Kalkkalebassen (Nr. 533). — Eigenthümlich und von besonderem Interesse sind in Form und
Verzierung der kunstvollen Bemalung die Schilde (Nr. 547—549), die Ruder (Nr. 55o), kleine
Trommeln (Nr, 538) und colossale hölzerne Haken zum Haifischfange (Nr. 529). — Haifisch-
rasseln (Nr. 53o) aus Cocosschaalen finden sich genau in derselben Weise in Neu-Britannien
wieder, die eigenthümlichen Wasserschöpfer (Nr. 531) in Finschhafen.
102
Die ethnologische Ausstellung der Neu-Guinea-Compagnie im Königl. Museum für Völkerkunde.
Zur Erklärung der Abbildungen.
Wie ich bereits im Vorhergehenden wiederholt hervorhob, spielt unter den Schmuck-
gegenständen eine besondere Art Brustschmuck der Männer eine hervorragende Rolle, und
zwar ein Ornament, das nicht nur als Zierrat, sondern bei besonderen Gelegenheiten einem
besonderen Zwecke dient. Es ist der sogenannte „Kampfschmuck” der waffenfähigen Männer.
Für gewöhnlich an einem Strick oder Band um den Hals getragen, wird dieser Schmuck
beim Kampfe vom Krieger im Munde, d. h. mit den Zähnen festgehalten, zu welchem Zwecke
meist eine besondere Oese oder dergl. zum Festhalten vorhanden ist. Mit diesem Schmucke
angethan, glaubt der Krieger seinem Gegner fürchterlicher zu erscheinen; dies der Zweck des
Ornaments! In der Form herrscht grosse Verschiedenheit, wie ein Blick auf die Tafeln zeigt.
Während an der Südostküste Neu-Guineas die Form Taf. II, Fig. 5 vorherrscht, fand ich an
der Nordostküste eine ganz andere vertreten, verschieden in Form wie Material. Die bei-
gegebenen Abbildungen veranschaulichen diese Art Kampfschmuck, welche sich im wesentlichen
durch zwei Muscheln (Ovula oder Cypraea) auszeichnet, die durch ein mit kleinen Muscheln
(Nassa) verziertes Flechtwerk verbunden sind. Diese dadurch characteristische Art Kampf-
schmuck findet sich, mit gewissen untergeordneten Abweichungen, an der Küste von Neu-
Guinea etwa von Huon-Golf bis Astrolabe-Bai und den vorliegenden östlichen Inseln bis auf
die French-Inseln. Im Nordosten Neu-Britanniens (Blanche Bai) fehlt er ganz. Dagegen
treten an der Küste weiter westlich, soweit ich dieselbe bis Humboldt-Bai kennen lernte,
andere Arten Kampfschmuck auf, verschieden in Form wie Material, von welchen meine
letzten Sammlungen eine reiche Auswahl aufweisen und auf die ich in Wort und Bild noch
zurückzukommen hoffe.
Brust-Kampfschmuck.
Tafel I.
Fig. i (Cat. Nr. 27) von Forrestier-Insel, French-Gruppe:
a) Muschel (Ovula ovum);
b) Flechtwerk, aus einer Art fein gespaltenen Baumbastes oder dergl.;
c) desgl., aus gespaltenem Rohr;
d) Randverzierung aus Kauris (einer Art Nassa).
Fig. 2 (Cat. Nr. 99) von Long-Insel:
a) Muschel (Ovula ovum);
b) Flechtwerk aus fein geflochtenen Schnüren, zum Theil bunt (roth) bemalt;
c) Kauris (Nassa).
Fig. 3 (Cat. Nr. 73) von Cap Raoult:
a) Muschel (Ovula ovum);
b) Flechtwerk mit einer Art gelb gefärbten Grases oder Pflanzenfaser übersponnen;
c) Kauris (Nassa).
Fig. 4 (Cat. Nr. 68) von Willaumez-Insel:
a) Muschel (Ovula ovum durch)
b) ein mit roth gefärbtem, dünnen Streifen, einer Art Rohr übersponnenes Querstück
verbunden.
Fig. 5 (Cat. Nr. 87) aus der Hansabucht:
a) Muschel (Ovula ovum);
b) ein in Material und Arbeit eigenthümliches Flechtwerk, aus einer Art gespaltener
Wurzelfaser oder Liane; das Band zum Umhängen ist aus demselben Material und in
der gleichen Weise geflochten.
Notizen zur Ikonographie des Lamaismus.
103
Tafel II.
Der Kampfschmuck von der Küste zeichnet sich durch einige Abweichungen aus. Statt Ovula
ovum ist eine kleine Cypraea-Art verwandt, ausserdem hat der blattförmige Anhang aus Flechtwerk
eine mehr gestrecktere Form, ist reicher verziert und zuweilen mit Anhängseln versehen.
Fig. 1 (Gat. Nr. 36o) von Huon-Golf:
a) Muschel (Cypraea-);
b) gelb übersponnenes Flechtwerk;
c) dasselbe roth bemalt;
d) „ schwarz bemalt;
e) Randverzierung aus Kauris (Nassa-).
Fig. 2 (Cat. Nr. 285) von Finschhafen:
a) Muschel (Cypraea-);
b) feines Flechtwerk;
c) Kauris (Nassa-);
d) 2 Hundezähne als Anhang.
Fig. 3 (Cat. Nr. 225) von Festungs-Cap:
a) Muschel (Cypraea-);
b) feines Flechtwerk;
c) Kauris (Nassa-).
Fig. 4 (Cat. Nr. 134) von Astrolabe-Bai (gelbes Dorf):
a) Muschel (Cypraea-);
b) besonders feine, anscheinend filetgestrickte Flechtarbeit;
c) Kauris (Nassa-);
d) Hundezahn.
Fig. 5 (Mus.-Cat. VI, Nr. 6670), ,„Musikaka” von Kaire, einem Dorfe etwas östlich von Port
Moresby, auf meinen früheren Reisen gesammelt. Zur Vergleichung, um die Eigenthümlichkeiten
des Kampfschmuckes an der Südostküste zu zeigen.
Die Unterlage dieses in der Form so originellen Schmuckes besteht aus einem soliden Stück
Schildpatt mit folgenden Verzierungen:
a) Dünne Längsschnitte von Schweinezähnen, als Rand und mittelst gebohrter Löcher
festgebunden;
b) eine Art kleiner rother Bohnen (Abrus precatorius);
c) ,, „ ,, blauer ,,
d) Scheiben aus dem Querschnitt der Basis einer Muschel (Conus-);
die drei vorhergehenden Verzierungen sind mittelst einer Art Harz aufgeklebt;
e) ein Stückchen Bast von der Blattscheide der Cocospalme, welches gewebtem Stoffe
ähnelt und zuweilen mit Federn von Papageien oder kleinen Samenkernen verziert ist.
f) eine Oese aus gespaltenem Rottang, um das Ornament mit den Zähnen festhalten
zu können.
Berlin, im März 1886.
Notizen zur Ikonographie des Lamaismus.
von a. Grünwedel.
(Schluss.)
B grosser Band aus dreizehn Blättern 47 cm hoch 39 cm breit. Wie in A stehen den
Bildern gegenüber Vers-Anfänge in Tibetischer Schrift und Sprache (doch nur in dieser),
sind aber leider fast ebenso unverständlich wie die in A. Auch hier liegen Blätter mit den
Namen der Dargestellten in Tibetischer Schrift und Sprache bei. Die Tafeln enthalten der
Reihe nach Bilder folgender Personen: gNas-brtan Rab-’byor, Rigs-ldan ’Jam-dbyans-grags-pa,
io4
Notizen zur Ikonographie des Lamaismus.
Slob-dpon Legs-ldan-’byed, Slob-dpon Abhayäkara, rTa-nag-’gos lo-tsa-va, Sa-skya pandita,
gYun-ston rDo-rje-dpal, mKhas-grub dGe-legs-dpal-bzan, bSod-nams Phyogs-glan, rGyal-va
dßen-sa-va bLo-bzan-don-grub, Pan-chen bLo-bzan Chos-kyi rGyal-mtshan, Pan-chen bLo-
bzan-ye-shes, Pan-chen dPal-ldan-ye-shes, Das Buch hat keinen Titel, enthält aber nach Sarat
Chandra Das’ Contributions on Tibet (Journ. As. ¿Soc. Bengal = JASB, LI, I, i5—43) Bilder
zu den Biographien der Grosslamen von bKra-shis-lhun-po: vgl. Orig.-Mitth. Heft I, p. 45.
Die Darstellungen sind mit Tusche auf Seide gezeichnet und mit Deckfarben und Gold
reich ausgemalt; Schattengebung tritt ganz zurück, nur die Gesichter sind leicht modellirt.
Die Correctheit der Körperproportionen, die Eleganz der Gewandbehandlung ist geradezu
bewunderungswürdig. In dieser Beziehung stehen die Bilder hoch über den besten indo-
persischen Miniaturen. Meisterhaft ist besonders die Wiedergabe der verschiedenen Völker-
typen — der Hindu und der Chinesen. Merkwürdig ist die Behandlung der Landschaft.
Die Maler haben versucht, in die steife, stilisirte Landschaft mit ihren eng übereinander
liegenden Flächen, steil aufsteigenden Bergen, den fein gegliederten und bis ins Einzelnste
hinein ausgeführten Bäumen und Sträuchern, die in schimmernder Blüthenpracht ausgeführt
sind, da und dort wirkliches Leben zu bringen. Wasserfälle, Fernsichten auf Klöster und
Dörfer, Jurtenlager etc. sind oft vortrefflich, aber die zuckerhutfömig aufstrebenden Berge,
deren Colorit bis zur Spitze hin im tiefsten Blau sich steigert, wirken seltsam und befremdend.
Die Landschaiten erinnern an ähnliche Versuche alter Deutscher Maler des 15. Jahrhunderts.
Während zu den Hauptgruppen die Wolken leicht und naturalistisch dargestellt sind, fehlt
doch nie Sonne oder Mond in stilistischer Bildung; die Wolken, welche die in den oberen
Ecken stehenden Nebenfiguren umgrenzen, sind rosetten- und kleeblattförmig gebildet. An
Frische der Composition und Correctheit der Formen ist A weit über B.
Den folgenden Listen schliesse ich noch die Darstellungen eines Kalenders und zwei
Gruppen von Broncefiguren an.
C Grosses Kalenderbild, eine vortreffliche Miniatur, welche im Stil nur wenig von B
differirt und einige Götterabbildungen enthält.
D Eine Gruppe von etwa 5o Broncen durchschnittlich i5 —18 cm hoch, von prächtiger
Goldfarbe; die Haare, Augen, Nägel sind bemalt: bei den Dämonen sind die Haare roth,
bei Buddha etc. blau.
E Eine grosse Gruppe von mehr als 200 Broncen der verschiedensten Grösse, von
denen ich nur die wenigen, welche bezeichnet werden können, den Listen beifüge.
1. Ti. Kyai-va-rdo-rje.
S. Hevajra.
Tantragottheit; nur erwähnt bei H. H. Wilson Sei. Works vol. II, 24, und
öfter bei Taranätha, cfr. index; JASB, LI, I, 68; ganz andere Bildung: As. Res. XVI,
Tb. 19, Fig. 1.
In einem feuerrothen Aureol, das von Flammen begrenzt ist, steht der vier-
beinige, sechzehnarmige Gott auf einer mit vier Leichen bedeckten, weissen Lotus-
blume, in tanzender Bewegung, indem er die beiden linken Beine hoch hinauf-
zieht; seine Körperfarbe ist blaugrau, die Cakti, welche das rechte Bein um seine
linke Hüfte schlingend und die Rechte mit einem Scalpellum hochstreckend, ihn
umarmt, ist von blauer Farbe mit goldenen Haaren, auf denen ein Schädeldiadem
sitzt; beide Gestalten tragen Silberschmuck und sind völlig unbekleidet; die Cakti
Notizen zur Ikonographie des Lamaismus.
105
ist mit einer weissen Schädelkette, der Gott mit einer Kette abgehauener Köpfe
von den Schultern über die Brust herab geschmückt. Die ersten zwei Arme um-
fassen die Lenden der Cakti, die anderen sind strahlenartig ausgestreckt, alle Arme
halten Schädelschalen, in denen der rechten Hände sitzen Thier-(etc.) Figuren:
Schwein, Maus, Löwe(?), Preta, Kamel, Ochse, Ziege, Pferd); in denen der Linken
Menschengestalten. Hevajra hat sieben dreiäugige Köpfe in einer Reihe, die mit
Schädelkronen gekrönt sind (der mittlere ist blaugrau, die drei links: ein gelber,
zwei blaugraue; die drei rechts: ein weisser, zwei blaugraue; das Ganze überragt
ein blaugrauer, dreiäugiger Kopf; die Haare sind feuerroth und straubig; die drei
goldgekrönten Leichen zu seinen Füssen der Reihe nach von gelber, weisser, blau-
grauer und gelber Farbe).
Miniatur in A, Fol. 2; oben rechts.
2. Ti. Khyun.
S. Garuda.
Miniatur in B, Fol. 1; Mitte und oben.
3. Ti. Khri-ehen Nag-dvan-snan-grags.
Auf rothem, grüngeränderten Teppich sitzt der Lama mit einem hellgelben
Pallium über dem dunkelrothen Unter- und feuerrothen Ueberkleide; der Umschlag
des Palliums ist blau, die hohe spitze Mütze gelb, die rechte Hand bildet, die
Fläche vor der Brust gegen aussen wendend, mit Daumen und Zeigefinger eine
Mudrä; die Linke hängt gegen unten; das Aureol ist blau.
Miniatur in A, Fol. 14; oben rechts.
4. Ti. mKhan-chen rDo-rje-’dsin-pa.
S. Mahäpandita Vajradhara (bez.).
Lehrer des Grosslama von bKra-shis-lhun-po bLo-bzan-ye-shes, Anfang d. 18. Jh.
Der Lama ist bekleidet mit dunkelrothem Unterkleid, feuerrothen Ueberkleid
und hellgelben Ueberwurf mit blauem Umschlag, auf dem Kopfe trägt er eine
gelbe, flache Mütze mit langem, hinten herabhängenden Bande; die Linke hält aufs
Knie gelegt ein grosses blaues Juwel; die Rechte hängt ohne Attribut herunter;
Nimbus: grün; Aureol: dunkelrosa.
Miniatur in B, Fol. 13; oben rechts.
5. Ti. mKhas-grub dGe-legs-dpal-bzan.
Identisch mit dem dGe-legs dpal-ldan bei Cs. Gr. 188, der dort als zweiter
Nachfolger Tson-kha-pas im Kloster dGa-ldan erwähnt wird. Das Kloster ist
zwischen 1407 und 1409 von Tson-kha-pa gestiftet (Koppen II, hi). Nach einer
Notiz Schiefners ist er mit mKhas-grub-rj e identisch. Geb. 1385 n. Chr.,
gest. i439, JASB, LI, I, 21 f. Taf. VIII.
Auf einem hochrothen, blau und grün geränderten Teppiche kniet der Lama
baarhäuptig in purpurrothem Unterkleid mit gelbem Einsatz, feuerrothen Ober-
kleid; er hält mit beiden Händen eine goldne Platte mit goldnen Kegelchen hoch,
dem Tson-kha-pa entgegen, der in der Luft auf einem weissen Elefanten heran-
kommt. Hinter dem Lama steht ein Opfertisch (mchod-stegs), der von zwei Geist-
lichen bedient wird.
14
io6
Notizen zur Ikonographie des Lamaismus.
Miniatur in B, Fol. 9: die grosse Mittelgruppe. Nebenfiguren, oben links:
Tson-kha-pa, oben rechts: ’Jigs-byed zal-gcig phyag-gnis-pa yum-bcas; unten
links: mGon-po phyag-drug-pa, unten rechts: eine Gruppe von Lamen.
6. Ti. mKhas-grub dPal-’byor-lhun-grub.
Der Lama sitzt auf einem rothen, grau und grün geränderten, goldgestickten
Teppich, bekleidet mit dunkelrothem Unterkleid mit gelben Einsätzen. Das Ueber-
kleid ist feuerroth, die hohe spitze Mütze gelb, die rechte Hand hält einen Vajra,
die linke eine Glocke (’dril-bu) vor die Brust, das Aureol ist blau.
Miniatur in A, Fol. 12. Mitte; Nebenfiguren, oben links: Pan-chen Chos-
rgyan, oben rechts: rDo-rje-rnal-’byor-ma, unten links: mGon-po rta-nag-can
phyag-bzi-pa.
7. Ti. mKhas-grub Sans-rgyas-ye-shes.
Der gelehrte Buddhajnana.
Lehrer des bLo-bzan chos-kyi rgyal-mtshan 16. Jh. JASB, LI, I, 25.
Der Vajräcärya sitzt auf einem rothen Teppich, der über ein grosses Lotus-
blatt gebreitet ist; er trägt ein purpurrothes Unterkleid mit gelben Einsätzen, ein
feuerrothes Ueberkleid und darüber ein hellgelbes Pallium mit hellblauem Um-
schlag. Die Handstellung ist wie beim meditirenden Gautama (vgl. Pallas II,
Taf. XYI, Fig. 1), doch ist die Linke leer. Den Kopf deckt eine gelbe, hohe Mütze
(zwa-ser) mit gegen oben stehenden Fransenkamm; zur Rechten steht eine grosse,
dunkelblaue, goldverzierte Almosenschale und ein goldenes, flaschenartiges Gelass
auf einem Lotusblatte.
Miniatur in B, Fol. 12; oben rechts.
8. Ti. mKhyen-rab Grags-pa-od-zer.
In dunkelrothem Unterkleide, feuerrothen Ueberkleide, citronengelben Pallium
mit hellblauen Umschlägen, sitzt der Pan-chen auf einem rothen, blau und grün
gerandeten, goldgestickten Teppich, die Linke liegt auf dem Kniee, ein weisses
Tuch ist um die Hand geschlagen, welche ein aufgeschlagenes Buch hält, die
Rechte bildet vor der Brust mit Daumen und Zeigefinger, die Handfläche gegen
vorne, eine Mudrä. Der Heilige trägt eine spitze, gelbe Mütze; das Aureol ist
blau, der Nimbus hellgrün.
Miniatur in A, Fol. i3. Mittelbild; Nebenfiguren, oben links: rTa-mgrin lcags-
ral-can, oben rechts: rGyal-mtshan-sen-ge, links: lCam-srid.
9. Ti. Gur-gyi mgon-po.
„Beschützer des Zeltes”.
Eine Form des Civa; in hockender Stellung aut einer fleischfarbigen Leiche;
der Kopf ist der gewöhnliche grinsende, mit Schädeln gekrönte Dämonenkopf, das
feurige Haar legt sich in Spiralen; zwischen den Armen durch über die Schultern,
hinter dem Kopf weg, geht ein breites, gerändertes, weisses, punktirtes Band; die
Rechte hält ein Schabmesser mit vajraähnlichem Griff', die Linke eine Schädel-
schaale, den Unterleib bedeckt ein Fell, über die Brust hängt ein Kranz abgehauener
Köpfe, ein hellgrüner Shawl hängt rechts und links herab; quer über die Vorder-
arme liegt eine rothe, goldgeränderte Leiste, deren Enden in blaue Juwelen aus-
gehen, die mit goldenen, lotusblumenartigen Blätterkränzen befestigt sind. Gold-
Notizen zur Ikonographie des LamaisrtiuS.
107
schmuck schmückt den blauschwarzen Körper, eine graue Schlange hängt von den
Schultern auf den Bauch herab. Die ganze Gruppe steht auf einem weissen Lotus
mit gezackten Blättern und feuerrothem Fruchtboden. Als Aureol dienen Flammen.
Miniatur in A, Fol. 9, unten rechts; in B, Fol. 4, unten rechts.
10. Ti. Grub-öhen Chos-kyi rdo-rje.
Der grosse Lehrer Dharmavajra (bez.) Lehrer des bLo-bzan-don-grub 16. Jh. JASB,
LI, I, 23.
In einem rosenrothen, nimbusartigen Kreise sitzt auf grauem Felle der
Heilige, bekleidet mit kirschrothem Unterkleide und gelben Pallium, dessen Um-
schlag lila erscheint, die Hände liegen ohne Attribut im Schooss, die Rechte oben,
mit der Höhlung gegen unten, die Linke unten und umgekehrt. Auf dem Kopfe
trägt Dharmavajra eine flache gelbe Mütze mit langem, gelben Zipfelbande.
Miniatur in B, Fol. 10, oben links.
11. Ti. Grub-dvan Cäkya-bshes-gnen.
S. Cäkyamitra.
Wohl identisch mit dem bei Wasiljeff 290, 3a6 genannten Commentator, dem
Schüler des Cäkyaprabha, dem Verfasser des Commentars zum Yogatantra Tattva-
samgraha. Tä. (— Täranätha übers, v. Schiefner) 211, 2i3.
Er sitzt auf einer Lotusrose mit ausgezackten, weissen Blüthenblättern, auf
einem rothen Teppich, der über den Fruchtboden gebreitet und über welchen ein
Tigerfell gelegt ist. Die Hautfarbe ist graubraun, die Farbe der Hindu; das Unter-
kleid ist dunkelroth, das Ueberkleid feuerroth, die Brust und der starke Bauch
liegen frei; ein feuerrothes Band hängt von der rechten Schulter über die Brust
nach links. Auf dem Kopfe trägt er eine spitze, rothe Mütze. Die linke Hand
liegt, eine Mudrä bildend, vor der Brust, die Rechte ist leicht erhoben. Das
Gesicht ist unbärtig. Nimbus: grün, Aureol: lichtblau. Die Umgebung (Thor)
besteht aus rothmützigen Tarnen.
Miniatur in A, Fol. 2, Mittelbild; Nebenfiguren, oben links: mGon-po Klu-
sgrub, oben rechts: gSan-’dus; unten links: mGon-po phyag-bzi-pa; unten mitte:
ein König, der eine Lotusrose, auf der ein Schwert steht, und ein Cakra hält, bez.
chos-rgyal-chen-po „grosser Gesetzeskönig”; unten rechts: ein Schüler (slob-ma).
12. Ti. mGon-po Klu-sgrub.
S. Nägärjuna.
Der Begründer des „Grossen Vehikels” (Koppen II, p. 14 etc.; Was. cfr. Index;
Tä, passim; Cs. Gr. XII; 182, Schl. Buddh. (trad. Milloue') p. 21, JASB, LI, I, 115 ff.
Wohl identisch mit dem Nägasena des Milindapanha.
Dies Kirchenlicht sitzt auf rosenfarbenem Lotus, hinter dem ein rundes Kissen
liegt; der geschorene Kopf trägt vollkommen den Typus des Gautama; das Unter-
kleid ist purpurroth mit rosenrothem Gürtel; das Ueberkleid feuerfarben mit gelb-
rothem Umschlag. Das Aureol ist rosa; der Nimbus grün. Sieben Schlangen
(von rechts her, von brauner, grauer, gelber, grüner, grauer, gelber Farbe) um-
kränzen den Nimbus, dem Heiligen ins Gesicht blickend; die Enden ihres Körpers
kommen unter den Kleidern des Sitzenden zum Vorschein. Die Hände hängen
in B einfach herab, in A bilden sie eine Mudrä, wie bei Amitäbha.
Miniatur in A, Fol. 2, oben links; in B, Fol. 3, oben links.
14*
io8
Notizen zur Ikonographie des Lamaismns.
13. Ti. mGon-po Gri-gug.
Der Beschützer „Haumesser”.
Eine Form des Civa oder Kärtikeya?: auf einer weissen (A) oder rosenrothen (B)
Lotusblume mit feuerrothem Fruchtboden liegt eine nackte Menschenleiche (in A
auf dem Antlitz, in B auf dem Rücken). Nach rechts schreitet der Gott darüber weg;
er ist blauschwarz mit dem gewöhnlichen Dämonenantlitz und langem, feurigen,
straubigen Haar; er trägt ein langes rothes Unterkleid mit rothem (von anderer
Nuance) Gürtel, ein blaues Ueberkleid mit grossen, weiten Hängeärmeln, die gelb
gefüttert sind. Die vorgestreckte Rechte hält in B ein goldnes Scalpellum, in A
einen langen rothen Stab, auf dem ein grünes Juwel auf goldenem Fötus als Spitze
befestigt ist; die Linke hält in A die Schädelschale, in B eine dunkelblaue, grosse
Almosenschale. In A kommt ein Gürtel von abgehauenen Köpfen hinzu. Feuer-
garben ersetzen das Aureol.
Miniatur in A, Fol. 4, unten links; in B, Fol. 5, unten links.
14. Ti. mGon-po phyag-drug-pa; Nag-po öhen-po phyag-drug.
Der sechshändige Mahäkäla.
Pallas’ Tscha-guru ist aus Phyag-drug verderbt.
Abgebildet bei Pallas II, Taf. VI (sehr schlecht).
Einer der acht Hauptformen des Mahäkäla (Ssanang Ssetsen = Ssa. Sse. 355,
Koppen II, 298).
Der Gott erscheint von blauschwarzer Farbe, gekrönt mit einem Schädel-
kranze und feurigem, fliegenden Haar, einen Elephantenköpfigen Dämon (Gane^a?),
der eine Rübe und eine Schädelschale (oder eine Maus) hält, niedertretend, bekleidet
mit grüner Schärpe und mit einem Thierfell; gegürtet mit einem Kranze ab-
gehauener Köpfe schreitet er in der Stellung der Drag-gshed gegen rechts; zwei
der sechs Hände halten ein Scalpellum und die blutende Schädelschale (thod-
khrag) vor die Brust, die übrigen vier, welche gegen rechts und links ausgestreckt
sind, führen von der obersten rechts bis zur unteren links der Reihe nach folgende
Attribute: einen Schädelkranz (tib. bgran-phren, phreh-pa, sk. japämälä und japa-
mälä; Weber, Ueber Krishnas Geburtsfest p. 340 f, Koppen II, 319),-eine Brah-
manentrommel, einen Trigul und eine Fangschlinge (päga). Die obersten Hände
halten noch die blutigen Zipfel eines Elefantenfelles, das hinter dem Rücken herab-
hängt (vgl. Kälidäsa, Meghadüta v. 37). Die Figur schreitet in einer Flammen-
garbe; die ganze Gruppe steht auf einem weissen Lotus mit rothem Frucht-
boden.
Miniatur in A, Fol. 15, unten Mitte: in B, Fol. 9, unten links; von rother
Farbe, aber mit denselben Attributen und in Umarmung mit seiner Cakti in A,
Fol. 6, unten links.
Zwei Broncen D.
Eine grosse Bronce E.
15. Ti. mGon-po phyag-bzi-pa.
„Der vierhändige Beschützer” (Mahäkäla).
Der Gott steht, das linke Bein hochziehend, in fast tanzender Stellung, indem
er das (rechte) Stützbein einem niedergeworfenen, sich windenden, nackten
Menschen ins Gesicht setzt; die Bekleidung ist wie bei mGon-po phyag-drug-pa;
Notizen zur Ikonographie des Lamaismus.
109
die vier Hände halten rechts ein flammendes Schwert und einen Apfel, links eine
Schädelschale und einen Speer, dessen Schlinge aul einem Todtenkopfe befestigt
ist, unter dem eine rothe, grün geränderte Fahne oder ein einfacher grüner Haar-
busch herabhängt.
Aureol: Feuergarbe; Lotus: weiss mit grünem Fruchtboden; Goldschmuck
Miniatur in A, Fol. 2, links unten; B, Fol. 3, rechts unten.
16. Ti. mGon-po bram-gzugs; mGon-po bram-ze’i gzugs-pa.
S. Mahäkäla brähmanarüpa.
Mahäkäla in Gestalt eines Brähmana, vgl. Ssanang-Ssetsen p. 117; Koppen II, 97.
Unterstützt den Matidhvaja in seiner Absicht, den Chaghan der Mongolen
von der Vortrefflichkeit des Dharma zu überzeugen.
In einer braunen, flammenähnlichen und flammenzüngelnden Wolke sitzt der
Gott auf einem zusammengekauerten nackten Manne über einem Lotus mit rothem
Fruchtboden; seine Hautfarbe ist hellchokoladenfarbig (die Farbe der Hindu); das
dreiäugige Haupt, auf welchem eine weisse Schädelkrone sitzt, hat weissen, langen,
wallenden Bart, die weissen Haare sind auf dem Kopte in eine Jatä (lcan-lo)
gewunden. Der nackte Körper ist von einem purpurnen Lendentuch umgürtet,
die rechte Hand hält eine Flöte aus Menschenknochen (rkan - dun) und ein
Scalpellum, die linke eine Japämälä, eine Schädelschale und einen Speer mit rother
grüngezackter Fahne. Ein leichter grüner Shawl flattert um die Schultern; vom
Bauche herab hängt eine gelbe Schärpe mit blauen und grünen Franzen. Unter
dem linken Arme hängt eine goldene Kanne an einem gelben Bande.
Miniatur in A, Fol. 8, unten rechts.
17. Ti. mGon-po rTa-nag-ean phyag-bzi-pa.
„Der Beschützer mit dem schwarzen Pferde, der vier Hände hat”.
In braunen, flammenähnlichen Wolken, zwischen denen einzelne Flammen
aufsprühen, reitet der Gott — eine Form des Civa Mahäkäla — gepanzert, mit
Bogen und Pfeilköcher ausgerüstet auf einem schwarzen Pferde. Der Typus des
Gesichtes, das zurückblickt, ist der gewöhnliche der furchtbaren Götter, die Haut-
farbe ist grauschwarz; die zwei Hände rechts schwingen einen Speer mit rothem
Fähnchen und einen grünen Zweig; die eine Linke hält die Schädelschale vor die
Brust, die andere schwingt eine Fangschnur.
Miniatur in A, Fol. 12, links unten.
18. Ti. mGon-po zal-bzi.
„Der vierköpfige Beschützer”.
Eine Form des Civa Mahäkäla. Der Gott schreitet von Rechts nach Links
über eine auf dem Angesichte liegende, nackte Männerleiche weg; drei seiner
Häupter, ein dunkelblaues gegen vorne, ein weisses gegen rechts, ein hochrothes
gegen links bilden eigentlich e'inen Kopf, über welchen ein viertes, rosenrothes
Dämonengesicht erscheint; eine Rechte schwingt ein Flammenschwert, eine Linke
einen Speer mit rothem, grüngezackten Fähnchen; die andere Rechte hält das
Scalpellum, die andere Linke die Schädelschale vor die Brust; Körperfarbe: dunkel-
blau, Shawl: grün; das um die Lenden gelegte Fell: gelbgrau; Goldschmuck.
Miniatur in B, Fol. 6, nach links.
IIO
Notizen zur Ikonographie des Lamaismus.
19. Ti. mGon-po zal-gcig.
„Der einköpfige Beschützer” (Yamäri).
Ein kolossales, dunkelblaues Dämonenhaupt ohne Körper erscheint in einer
rostbraunen, flammensprühenden Wolke, beschworen von gYun-ston rDo-rje-
dpal, vgl. diesen und Orig.-Mitth. Heft I, Taf. IV.
Miniatur in B, Fol. 8, links vom Mittelbilde.
20. Ti. mGon-po legs-ldän.
Eine Form des Civa: die Bildung gleicht völlig dem mGon-po gri-gug, wie
er in B, Fol. 5, unten links erscheint, nur das Oberkleid ist schwarz mit gelbem
Futter, das Unterkleid rosa.
Miniatur in B, Fol. 8, unten links.
21. Ti. rGyal-dhen-bzi.
S. Caturmahärä j änah.
„Die vier grossen Könige”.
Sie heissen:
1. Ti. ’Phags-skyes-po. S. Virüdhaka, König der Kushmända (Ti. Grul-bum).
2. Ti. Mig-mi-bzan. S. Virüpäksha, König der Näga (Ti. Klu).
3. Ti. rNam-thos-sras. S. Dhanada.
rNam-thos-kyi bu. Vaicravana, König der Yaksha (Ti. g~Nod-sbyin).
4. Ti. Yul-’khor-srun. S. Dhrtaräshtra, König der Gandharba (Ti. Dri-za).
Vgl. über sie Koppen II, 251, 296.
In graubraunen, goldflammenden Wolken stehen die vier grossen Geisterkönige
in reicher, königlicher Tracht, gepanzert und mit goldenen Kronen geschmückt:
i. ist blauschwarz und hält ein blankes Schwert, er trägt langen, schwarzen
Bart; 2. ist gelbroth mit leichtem Bart und hält ein goldstrahlendes Caitya
(mchod-rten); 3. ist gelbroth, trägt leichten Bart und hält die Siegesfahne; 4. ist
weiss und hält eine Laute, lieber Virüdhaka vgl. Schiefner, Lebensb. p, 91.
Miniatur in B, Fol. r, unten links; Nr. 1 in A, Fol. 1, recht unten.
22. Ti. rGyal-va bKal-bzan rgya-mtsho.
Der Da-lai-bla-ma der sechsten Wiedergeburt, von Kaiser Kan-hi geschützt
und auf den Thron erhoben; gestorben ip58; als Schriftsteller bekannt. Vergl.
Koppen II, 192 fr.
Auf einem Pfühle mit grüner Lehne sitzend; in purpurrothem, gelbeingelegten
Unterkleide, hochrothen Ueberkleide, hellgelben, blau ausgeschlagenen Pallium sitzt
der Lama, mit der durch ein weisses Tuch bedeckten Linken ein aufgeschlagenes
Buch, mit der vor die Brust gehaltenen Rechten eine Lotusblume, auf der ein
Flammenschwert steht, haltend. Er trägt eine spitze, gelbe Mütze, wie Tson-kha-pa.
Nimbus: grün.
Miniatur in A, Fol. 15, oben Mitte.
23. Ti. rGyal-va dBen-sa-va bLo-bzan-don-grub.
S. Etwa: Jinaviveka Sumatisiddhärtha.
Geb. i5o5 n. Chr., gest. 1570, seine Biographie: JASB, LI, I, 23 f. Taf. X.
Auf rothem Teppich mit grünem Rande, welcher auf ein graues Fell gebreitet
ist, sitzt der Lama in dunkelrother Weste mit gelben Streifen, nocbrothem Unter-
Notizen zur Ikonographie des Lamaismus.
I 1 I
kleid und dunkelrothen Ueberkleide; von der rechten Schulter nach links herab
hängt ein rothes Band; die Linke stützt den Oberkörper, die Rechte ist lehrend
vorgestreckt; das Gesicht unbärtig; hohe, gelbe, spitze Mütze. Daneben liegt ein
Pack Papier zu Büchern.
Miniatur: Mittelbild in B, Fol. 10, Nebenfiguren: oben links: Grub-chen Chos-
kyi rdo-rje, oben rechts: Phyag-rdor ’khor-chen; unten rechts: Chos-rgyal vab-rkyan.
24. Ti. rGyal-tshab-rje.
Schüler des Tson-kha-pa 14./r 5. Jh. n. Chr. JASB. LI, I, 56.
Haltung, Stellung der Hände etc. wie bei Tson-kha-pa, doch fehlen die Lotus-
blumen mit dem Buche und Schwerte. Ueberkleid: hochroth, Unterkleid: purpur-
roth; die hohe spitze Mütze: gelb.
Miniatur in A, Fol. 11, links oben.
2 5. Ti. rGyal-mtshan-sen-ge.
S. Dhvajasimha.
Sitzend, der rechte, ganz entblösste Arm hängt auf das rechte Knie herab,
die Linke ist, die Handfläche gegen vorn, gehoben, mit Daumen und Zeigefinger
eine Mudrä bildend. Weste und Unterkleid: dunkelroth, mit gelber Gürtung;
Ueberkleid: feuerroth, Pallium: hellgelb mit hellblauem Umschlag; flache, vier-
eckige, gelbe Mütze.
Miniatur in A, Fol. 13, links oben.
26. Ti. sGrol-dkar.
S. Tara; die weisse Tärä.
Eine Form der Durgä.
Abgebildet bei Pallas II, Tab. IV, Fig. 3.
Vgl. über sie: Koppen II, 65, 298; Ssanang-Ssetsen p. 35g ff; Pallas II, 92;
Schlagintweit Buddhism (trad. Milloue) p. 42; Könige p. 840 Note; etc.
Von Pallas gut beschrieben und leidlich abgebildet.
Miniatur in A, Fol. 15, links zweite Reihe.
Eine Bronce D; sechs Broncen E: 7, 10, 11, 11, 12, 12 cm.
27. Ti. sGrol-ljan.
S. Tärä (die grüne).
Eine Form der Durgä. 1
Abgebildet bei Pallas II, Tab. IV Fig. 4; vgl. auch Tab. I Fig. 1, 3. Schl.
Buddh. (trad. Milloue') Tafel VI. — Vgl. sGrol-dkar.
Von Pallas gut beschrieben und leidlich abgebildet.
Miniatur in A, Fol. 11, rechts oben.
Zwei Bronzen D.
Neun Broncen E: 7, 10, 10, 10V2, 1U/2, 14, 16, 17 cm.
28. Ti. ’Gro-mgon Si-si-ri-pa.
„Der Beschützer der Wesen Sisiripa” (der Mann vom Berge Sisi?).
Dieser Heilige trägt den vollkommen ausgeprägten Typus eines tibetischen
Einsiedlers; er sitzt in tiefer Meditation, einen gelben Rosenkranz auf den Knieen
haltend, während ähnliche Männer sich um ihn gruppiren, indem sie Gebeträder
drehen und ihm Früchte anbieten. Er hat sehr lange schwarze Haare, leichten
I 12
Notizen zur Ikonographie des Lamaismus.
Bart; das Haupt ist unbedeckt. Seine Kleider sind: ein blaugraues Aermelgewand
mit gelbem Umschlag und Gürtel, und ein rosenrothes, hellgelb ausgeschlagenes
Ueberkleid.
Miniatur in A, Fol. 6, Mittelgruppe; Nebenfiguren: oben links: ein unbekannter
Mönch, oben rechts: sPyan-ras-gzigs, unten links: Mahäkäla mit Cakti, den Ganepa
niedertretend.
29. Ti. löan-skya Nag-dvan bLo-bzan chos-ldan.
Wohl identisch mit dem Nag-dvan bLo-bzan rgya-mtsho, dem 5. Dalai-Lama
(1617—1682)? Vgl. Cs. Gr. 190. Koppen II, 235.
Haltung, Bekleidung wie bei Pan-chen bLo-bzan-ye-shes: ebenso die Farben,
nur hält die Linke ein Buch auf dem Schoosse, die Hand ist mit einem hellgrünen
Tuche belegt.
Miniatur in A, Fol. 14, Mittelbild; Nebenfiguren: oben links: Khri-chen nag-
dvan snan-grags, oben rechts: bDe-mchog; unten links: Lha-mo.
30. Ti. lCan-skya Bol-pa’i rdo-rje.
Der geistliche Leiter des Kaisers Khien-lon und Lehrer des Kirchenhistorikers
rJe-btsun bLo-bzan ni-ma-dpal-bzan-po: JASB., 1881, 187; vgl. Koppen II, 219 ff.
Verfasser der mongolischen Grammatik mKhas-pa’i ’byun-gnas: JASB., LI, I, 69.
Diese ausgezeichnet schöne Miniatur — das Porträt des Obengenannten dar
stellend — zeigt den Kirchenfürsten auf einem rothen, blau, roth und grün ge-
ränderten, reich mit Gold gestickten Pfühle, dessen Lehne, lichtblau, wie ein Aureol
die Figur umgränzt. Ein prachtvoller Thron aus aufeinanderstehenden Thier-
gestalten mit einer aus Drachen, Nägi und Garuden gebildeten Lehne, bildet die
Unterlage des Ganzen. Der Grosslama sitzt in der Stellung des Tson-kha-pa, nur
ist die Linke auf den Schooss gelegt. Sie ist mit einem weissen Tuche bedeckt
und hält ein goldnes Amrtagefäss, das in einer dunkelblauen Schüssel steht. Die
Rechte ist erhoben und hält mit Daumen und Zeigefinger, eine Mudrä bildend, den
Stengel einer Lotusblume: zu beiden Seiten reichen rosenrothe Lotusblumen über
die Gestalt hinaus; sie tragen die Attribute des Tson-kha-pa oder des Manjughosha.
Das Untergewand ist purpur, die Weste purpur mit lichtgelber Füllung, ein
reiches, goldgebälktes, goldgestirntes, feuerrothes Ueberkleid umfliesst die Gestalt.
Der rechte Arm ist entblösst. Das Haupt trägt eine runde, citronengelbe Mütze
mit drei hochstehenden spitzen Umschlagklappen. Das Gesicht — sicher Porträt —
zeigt leichten Bartanflug und magere, intelligente Züge.
Miniatur in A, Fol. 15, grosses Mittelbild; Nebenfiguren: oben Mitte: rGyal-
va bsKal-bzan rgya-mtsho; dann folgen in einer Reihe: ’Jigs-byed, ’Jam-pa’i rdo-
rje, gSan-’dus bDe-mchog; an den Seiten, links: Tshe-dpag-med, darunter: Phyag-
rdor ’khor-chen, rechts: sGrol-dkar, darunter: Phyag-rdor gos-snon-can; unten links:
Chos-rgyal-gyi sgrub yum-bcas, Mitte: mGon-po Phyag-drug-pa, rechts: Lha-mo.
31. Ti. Chos-kyi dpal-pa.
S. Dharmacri.
Der Lama sitzt, die Rechte auf die Linke in den Schooss legend, auf einem
rothen Teppich mit grünem Rande; Unterkleid: hochroth mit gelben Bändern,
Ueberkleid über den Kopf wie eine Kapuze gezogen und von kirschrother Farbe.
Miniatur in A, Fol. 9, links oben.
Notizen zur Ikonographie des Lamaismus.
113
3a. Ti. Chos-skyon dregs-pa leam-srid.
S. Dharmapäla, der grausame, —?
Eine Form des Civa?
Der Gott schreitet, völlig gepanzert, mit der Rechten ein goldenes Schwert
schwingend, mit der Linken einen blutrothen Gegenstand (Frucht?) zum Munde
haltend nach Rechts, indem sein rechter Fuss ein blaues Pferd, sein linker Fuss
einen nackten Menschen niedertritt. Der Kopf hat den gewöhnlichen Typus der
(pvaitischen Dämonen und ist wie die Hände von braunrother Farbe; ein Schädel-
diadem sitzt auf der dreiäugigen Stirne; aus dem flammenden, langen Haare windet
sich eine Schlange. Vom Gürtel herab hängt ein Thierfell, ein Kranz abgehauener
Köpfe schmückt die Brust; am linken Ellenbogen lehnt ein Speer mit rother Fahne
und hängt ein Bogen.
Ihm zur Rechten reitet in A ein behelmter, gepanzerter, dreiäugiger Dämon
auf einem dunkelgrauen Hunde; des Dämons Gesicht und Hände sind braunroth;
die Rechte hält einen Speer, die Linke eine Fangschnur. Zur Linken des Gottes
reitet auf einem grauen, luchsähnlichen Thiere mit Menschenkopf, welches einen
Menschen auffrisst, ein dunkelblaues, nacktes Weib, mit einem Yataghan in der
Rechten und einem Phur-bu in der Linken. Ihr dreiäugiger, mit Schädeln ge-
krönter, mit Flammenhaaren umwallter Kopf ist von hellblauer Farbe.
Miniatur in A, Fol. 13, rechts unten; in B, F. 12, links unten (doch ohne die
Nebenfiguren).
33. Ti. Chos-rgyal-gyi-sgrub yum-bcas.
S. Dharmaräjasiddhi, „mit der Mutter”.
Abgebildet Pallas II, Tab. VIII, Fig. 4, Taf. II, Fig. 9.
Eine Form des Civa als Höllengott, bekannte Bildung.
Miniatur in A, Fol. i5, unterste Reihe rechts.
Zwei Broncen D.
Grosse Bronce E.
34. Ti. Chos-rgyal yab-rkyan.
Eine Form des Yama: der Gesetzeskönig (dharmaräja), der Vater allein”.
Stierköpfig, ithyphallisch, in Kampfstellung schwingt er mit der Rechten eine
Keule (die sogenannte Kapälakatvanga), in der Linken eine Fangschnur (pä^a).
In dem straubigen, feurigen Haar kommt ein Vajra zum Vorschein. Der Gott
trägt Silberschmuck, Schädelkrone und eine grosse Brustkette aus abgehauenen
Köpfen. Die Hautfarbe ist dunkelblau. Er steht auf einem hellgrauen Stiere, der
auf einer Menschenleiche lagert. Das Aureol ersetzt eine Feuergarbe.
Miniatur in A, Fol. 3, unten rechts, in B, Fol. 11, unten rechts.
35. Ti. ’Jam-pa’i-dbyans, ’Jam-dbyans.
S. Manjughosha.
Eine Form des Manjucri: auf einem weissen Löwen mit goldener Mähne,
Schweif und Kniezotteln sitzt der Bodhisattva quer nath links; die Hände hält er
vor der Brust eine Mudrä bildend, die Attribute (Schwert zur Rechten, Buch zur
Linken) ruhen auf Lotusblumen hinter den Armen; Hautfarbe: gelb, Shawl: grün,
Unterkleid: roth; Aureol: blau mit rosenrothem Rand; Lotus: weiss mit weissem
Fruchtboden.
15
Notizen zur Ikonographie des Lamaismus.
Miniatur in A, Fol. 9, links oben,
Eine Bronce D.
Eine grosse Bronce E, 20 cm.
36. Ti. ’Jam-pa’i-rdo-rje.
S. Manjuvajra.
Eine Form des Manjucri. Der Bodhisattva sitzend von seiner Cakti Saras-
vati (Nag-gi lha-mo) umarmt. Die Handstellung des Gottes ist dieselbe wie bei
Manjughosha, seine Körperfarbe orangegelb, er hat ein rothes Lendentuch und
grünen Shawl; um den Nacken und unter den Armen durch geht ein weisser
handbreiter Streifen. Die Cakti ist hellgelb, ihr Lendentuch hellblau. Nimbus:
grün, Aureol rosa. Die Gruppe sitzt auf einem rosenrothen Lotus.
Miniatur in B, Fol. 10, rechts oben.
37. Ti. ’Jam-pa’i rdo-rje.
S. Manjuvajra.
Anders gebildet als das vorige; der Gott mit seiner Cakti ebenso sitzend
gruppirt wie gSan-’dus. Vier von den sechs Armen haben rechts ein Schwert,
einen Pfeil, links einen gelblichen Lotus und einen Bogen als Attribute, die übrigen
umfassen die Cakti und sind leer. Körperfarbe: Manjupri: roth, rechts ein weisses,
links ein hellblaues Gesicht; die Cakti: gelbroth, ein hellblaues und ein weisses
Gesicht blicken rückwärts. Kleid des Gottes: hellrothes Lendentuch, blauer Shawl;
Kleid der Cakti: kirschrothes Lendentuch. Aureol: blaugrün, Nimbus: hellgrün.
Miniatur in A, Fol. i5, zweite Reihe rechts.
38. Ti. ’Jam-dpal.
S. Manjucri.
Vgl. Koppen II. 21. 207 Note; Rhys Davids Buddhism. p. 201; Schlagintweit
Buddhism (trad. Milloue') 42 Note; Pallas II, 85; Csorna de Körös Ti. Gr. p. 193;
Arch. Survey of W. India, Vol. V, 17, Note 2; Kern, Buddhismus II, 1, 2i5; etc.
Ein javanischer Manjucri ZDMG. VIII. 1864.
Abgebildet bei Pallas, MV. II. Taf. IX, 3; Schlagintweit, Buddh. (trad. Milloue)
PI. IV. Ein Nepalesischer in As. Res. Vol. XVI, Tab. 19, Fig. 4.
Auf einem feuerrothen Lotus mit weissem Fruchtboden sitzt der Bodhisatva,
das Flammenschwert (shes-rab-ral-gri) schwingend, die linke Hand hält mit Zeige-
finger und Daumen eine Lotusblume, auf welcher ein Buch liegt; die Körperfarbe
ist gelb, das Unterkleid roth; der Shawl grün; auf dem blauschwarzen Haupthaare
sitzt die gewöhnliche Zackenkrone.
Miniatur in A, Fol. 1, Mitte oben.
Zwei Broncen D.
39. Ti. rJe-btsun Grags-pa-rgyal-mtshan.
S. „Der erhabene Herr” Yapodhvaja.
Vgl. Tä. p. 31. Lehrer des Saskyapandita: JASB. LI, I, 19.
Auf rothem, blaugeränderten Teppich sitzt der Heilige, mit der Rechten einen
Vajra, mit der Linken eine Glocke haltend. Er trägt ein rosenrothes Unterkleid
mit Aermeln, darüber einen hochrothen, gelb gegürteten Rock, der nur bis zur
Brust reicht und einen weissen, hellblau gefütterten Ueberwurf. Das Haupt ist
unbärtig und hat schwarzes, sich aufbauschendes Haar.
Miniatur in B, Fol. 6, oben links.
Notizen zur Ikonographie des Lamaismus.
40. Ti.
s.
41. Ti.
42. Ti.
s.
43. Ti.
s.
44. Ti.
s.
45. Ti.
s.
115
rJe-btsun Chos-kyi-rgyal-mtshan.
„Der erhabene Herr” Dharmadhvaja (bez.).
Haltung, Bekleidung wie bei lCan-skya nag-dvan bLo-bzan-chos-ldan, ebenso
die Farben; das Tuch, auf welchem das Buch liegt, ist weiss. Vor dem Lama
steht eine Opferbank (mchod-khri) mit einem ’khor-lo (cakra), zwei Juwelen, einer
Vase mit Früchten und einer goldenen Kanne.
Miniatur in A, Fol, 11, Mittelbild; Nebenfiguren: oben rechts: rGyal-tshab-rje,
oben links: sGrol-ljan, unten rechts: rNam-thos-sras.
rJe-btsun Re-mda’-va chen-po.
Lehrer des Tson-kha-pa und des dGe-legs-dpal-bzah 14. Jh. JASB. LI, I, 121.
Stellung und Attribute sind vollständig identisch mit denen des Tson-kha-pa.
Unterkleid: purpur, Ueberkleid: feuerroth mit Goldstickerei; hohe spitze
Mütze: roth.
Miniatur in A, Fol. 8, oben links.
rJe-btsun bSod-nams-rgyal-mtshan.
„Der erhabene Herr” Punyadhvaja.
Vgl. Koppen II. 196, 199.
Haltung, Bekleidung etc. wie bei Tson-kha-pa, doch fehlen die Lotus-
blumen etc.; Unterkleid: kirschroth, Ueberkleid: feuerroth; Mütze: gelb.
Miniatur in A, Fol. 9, Mittelbild; Nebenfiguren: oben rechts: Chos-kyi dpal
pa; oben links: ’Jam-dbyans; unten links: Gur-gyi mgon-po.
rJe-rin-po-che bLo-bsan-grags-pa; Tson-kha-pa.
Sumatiklrti, der (Mann) aus dem Thale Tsoh-kha („Onion-valley”).
Vgl. Schlagintweit Buddhism, p. 70; Koppen II, 108 ff, 374; JASB. LI, I, 53—7.
Abgebildet bei Pallas II. Taf. III, 3.
Auf weissem Elefanten reitend, von Kindern bedient, die seine Attribute
tragen (in B, Fol. 5, oben rechts).
Von Pallas gut beschrieben; auf der Lotusblume rechts steht immer ein
Schwert mit Flammen: es sind die Attribute des Manjughosha.
Miniatur in A, Fol. 10, rechts oben; B, Fol. 7, Mitte; Hintergrund B, Fol. 5,
rechts oben.
Eine Bronce D.
Eine Bronce E.
’Jigs-byed; rDo-rje ’Jigs-byed zal-brgyad yons-rdsogs; gShin-rje-gshed.
Yamäntaka, Yamäri.
Abgebildet bei Pallas II. Taf. V.
Bekannte Bildung: Civa „der dem Tode den Tod bereitet”; vgl. Bergmann,
Kalmüken III, p. 69; Koppen II, 297; Pallas II, 9 5 ff.
Miniatur in A, Fol. i5, oben rechts und in B, Fol. 10, oben rechts.
Eine Bronce D.
Grosse Bronce E, 26 cm.
’Jigs-byed zal-göig phyag-gnis-pa yum-bcas.
Yamäri, der Einköpfige, Zweihändige, mit der Mutter.
i5*
Notizen zur Ikonographie des Lamaismus.
. Eine Form des Yamäntaka, seine Cakti umarmend, die den linken Fuss um seine
Hüfte schlingt; er hat einen mächtigen Stierkopf mit straubigem Haar, in dem ein
rdo-rje erscheint, und umfasst, ein Scalpellum in der Rechten, ein thod-khrag in der
Linken haltend, den Rücken der Göttin; er trägt eine Schädelkrone; eine Kette aus
abgehauenen Menschenköpfen hängt über die Brust herab, auf dem Rücken hält
er ein blutiges, weisses Elefantenfell. Beide tragen Silberschmuck. Rothes Aureol
von Flammen umgränzt.
Miniatur in B, Fol. 5, oben links.
Nan-thos dgra-bciom-pa Tsunda.
Arhant Cunda, der Crävaka.
Vgl. Hwen-Tscan I. 133; Schiefner, Lebensb. 292. Burnouf, Lotus 423,
Introd. 173.
Der Heilige sitzt unbedeckten Hauptes in dunkelrothem Unterkleid und hoch-
rothem Oberkleide auf einem reichen Pfühle und hält die Hände wie zum Gebet
gefaltet. Neben ihm steht der Klingelstab der Bettelmönche (mkhar-va, vgl. Schiefner,
Tib. Lebensbeschreibung p. 93, Note 45 und 49, auch Pallas II, 84). Nimbus:
hellgrün.
Miniatur in A, Fol. 1, grosses Mittelbild; Nebenfiguren: oben Mitte: ’Jam-pa’i-
dbyans; oben rechts: Cäkya-thub-pa, oben links: mchod-pa’i lha-mo (Apsarasen,
die aus einem Kännchen Wasser giessen, Blumen streuen etc.); unten rechts:
rGyal-po-chen-po ’Phags-skyes-po.
rNam-bzag-pa.
Ein Einsiedler, „der die Hände flach auf den Bauch legt”.
Ein Mönch in purpurnem Unterkleid mit gelbem Gürtel, rothen Ueberkleid,
die Hände auf den Schooss legend und meditirend, sitzt auf einem Blätterlager in
einer Grotte.
Miniatur in B, Fol. 5, Mitte (Hintergrund).
rTa-mgrin löags-ral-can.
Hayagriva.
Abgebildet bei Pallas II, Taf. VIII, Fig. 1 (doch etwras anders).
Eine Form des Civa, cfr. Schlagint weit Buddh. (trad. Milloue) 167 und Pallas II, 97,
nach rechts schreitend, von seiner Cakti umarmt, er schwingt eine Todtenkopf-
keule und ist mit einer Kette abgehauener Schädel behängt; sonst völlig pivaitische
Bildung, wie etwa auch bei Phyag-rdor-’khor-chen, doch hat rTa-mgrin ein Haupt,
in dessen Haaren ein Pferdekopf erscheint. Der Gott: roth, Cakti: hellblau.
Miniatur in A, Fol. i3, oben rechts.
Eine Bronce D (ohne Cakti).
rTa-nag-’gos lo-tsa-va (Khug-pa-lhas-tsi).
„Der Uebersetzer des Klosters rTa-nag-’gos”.
Tantriker und Anhänger des Guhyasamaja-Systems: JASB. LI, I, ig f. Taf. V.
Auf einem Teppiche, der mit einem Felle bedeckt ist, sitzt der Pandit, in
einem Buche blätternd; er ist unbärtig, hat eine rothe, flache, viereckige Mütze,
blaue Weste, dunkelrothes Unterkleid und feuerrothes Ueberkleid.
m
Notizen zur Ikonographie des Lamaismus. jjy
Miniatur in ß, Fol. 5, Mittelbild; Nebenfiguren: oben links: Atisha, oben
rechts: gSan-’dus lhan-skyes (Schutzgott des Guhyasamaja-Systems); unten links:
mGon-po gri-gug.
50. S. Darpana-äcarya.
Ob identisch mit dem bei Tä. 24 und Note erwähnten Brähmana-König
Dregs-med oder Dregs-bral (Skt. Adarpa)?
Im Aufputze eines Civa'itenmönches sitzt der Pandit mit Silberschmuck geziert
fast nackt bis auf ein dunkelrothes Lendentuch und einem feuerrothen, flatternden
Shawl auf einem rothen Teppich, über den ein Tigerfell gebreitet ist; die Körper-
farbe ist hellchokoladefarb, der Bart ist langwallend und ergraut; das ergraute
Haar in eine Jatä (lcan-lo) gebunden, der mit Silberschmuckgehängen (Todten-
köpfen etc.) zusammengehalten wird. Die Rechte fasst das thod-khrag, die Linke
den ’dril-bu (ghanta). Zur Seite liegen mächtige Lotusblätter. Aureol: blau,
Nimbus: grün. Er ist umgeben (’khor-dan bcas-pa) von sechs ähnlich gekleideten
Brähmanas, die ähnliche Attribute halten. Dabei stehen die Worte: lo-ston dan
gnis-brgya bzes-pa tshems lan-ni-su brjes-pa: Eintausendzweihundert Jahre wurde
er alt; er wechselte zwanzigmal die Zähne!
Miniatur in A, Fol. 3, grosse Mittelgruppe (meisterhafte Darstellung der
Hindutypen); Nebenfiguren: oben rechts: dPa’-vo’i rdo-rje (der Lehres des Aryadeva);
oben links: gShin-rje gshed-dmar; unten rechts: Chos-rgval yab-rkyan.
51. Ti. Dus-’khor- lhan-skyes.
S. Kälacakra sahaja.
Kälacakra umarmt von seiner Cakti, beide schreiten nach links, der Gott ist
blau, das vorwärtsschreitende Bein weiss, das nachrückende hochroth; er ist drei-
äugig und trägt eine goldene Krone; Shawl des Gottes: grün, das Lendenfell:
hellbraun. Die Hände, welche den Rücken der Cakti umfassen, sind, mit Vajras
versehen, übereinandergelegt. Die Cakti ist nackt, gelbfarbig und schwingt mit der
Linken ein Scalpellum. Aureol: rosa mit reichverziertem Rand; Lotus: weiss mit
grünem Fruchtboden.
Miniatur in B, Fol. 2, oben rechts.
5a. Ti. bDe-mebog.
S. Qamvara (Samvara).
Vgl. Jäschke Dict. s. v. bde-va.
Der zwölfarmige, vierköpfige Gott schreitet, von seiner Cakti umarmt (vgl.
über sie die folgende.Bildung) gegen links. Er trägt über seinem vierfachen Kopfe
(Gesicht gegen vorne: blau, die zwei gegen links: grün und roth, das gegen rechts:
weiss) eine Schädelkrone und einen hohen Haarwirbel, an dessen linken Seite ein
Halbmond erscheint; die zwölf Hände haben folgende Attribute: a) rechts den
Zipfel eines weissen Elefantenfelles, das über den Rücken herabhängt, ein Beil, ein
Scalpellum, einen kleinen Speer, eine Brähmanatrommel (damaru), einen Vajra;
b) rechts einen Zipfel des Elefantenfelles, eine Schädelschale, eine Schlinge (pä^a),
ein abgehauenes, viergesichtiges Haupt, eine Wimpelstange von der Art, wie rDo-
rje-nal-’byor-ma (q. cfr.) führt, einen Vajra. Die letzten zwei Hände (mit Vajra)
umarmen die Cakti. Der Gott ist blau, die Cakti roth. Unter dem rechten Beine
I u >
l
118 Notizen zur Ikonographie des Lamaismus.
liegt eine nackte, weibliche, kirschrothe, vierhändige Leiche; unter dem Linken ein
mit zwei Schwertern (?) bewehrter, gekrönter, mit Fellschurz bekleideter, vierhändiger
Mann von dunkelblauer Farbe.
Miniatur in A, Fol. 14, 15, oben links.
Zwei Broncen D.
53. Ti. bDe-mchog dkar-po tshe-sgrubs.
Die Bildung gleicht der des ’Jam-pa’i-rdo-rje völlig, die Attribute des Gottes
sind zwei goldene kleine Vasen. Samvaras Hautfarbe: weiss, Shawl: grün, Lenden-
kleid: roth, Cakti: rothgelb, Lendentuch: feuerfarbig. Aureol: rosa, Nimbus: grün,
Lotus: weiss und rosa.
Miniatur in B, Fol. 12, oben rechts.
54. Ti. bUe-mehog lhan-skyes.
S. Camvara (Samvara) sahaja.
cfr. Pallas II, 94.
Der Gott schreitet, von seiner Cakti umarmt, gegen links vor, die Cakti um-
fasst seine Hüften mit beiden Beinen; beide tragen Schädelkronen und sind drei-
äugig; der Gott trägt eine Fellschärpe und trägt nur Silberschmuck, sie schwingt
mit der Rechten ein Scalpellum. Die Hände des Gottes, die den Rücken der
Göttin umfassen, halten Vajra (rechts) und Glocke (links). Der Gott ist dunkel-
blau, die Cakti roth; unter seinem rechten Fusse liegt eine rothe, vierhändige
Leiche mit straubigem Haar und dem Trigüla als Tilaka auf der Stirne; unter
dem linken Fusse liegt eine blaue, vierhändige, mit Schädeln gekrönte Leiche, die
mit einer Rechten eine Brähmanatrommel hält.
Miniatur in B, Fol. 3, oben links.
Zwei Broncen D.
55. Ti. rDo-rje-rnal-’byor-ma.
S. Vajrayoginl.
Vgl. Tä. 189. 196- 244. Die in Nepal verehrte Göttin ist abgebildet As.
Res. XVI, Tab. 18, Fig. 2 (ganz andere Bildung); vgl. auch Wright, History of
Nepal 35, 90 Note, 120 (am letzten Orte findet sich eine Notiz, wonach die Göttin,
welche mit der Mani-yogini identisch ist, den Name Vajra-yoginl von Camkarä
cärya erhalten hat).
Nach rechts vorwärts schreitend; nackt, von rother Hautfarbe, mit reichem
Silberschmuck; das dreiäugige, gegen oben blickende Haupt mit einer gelb-
bebänderten Schädelkrone geschmückt; über der Brust hängt ein Schädelkranz; die
Rechte hält ein Scalpellum gegen rückwärts, die Linke führt die Schädelschale
(thod-khrag) zum Munde; über der linken Schulter liegt ein langer weisser Stab
gegen rückwärts, welcher mit einem vierfachen Vajra, einem Amrtagefäss, einem
rothen und einem blauen Kopfe, einem Schädel und einem nach oben stehenden
Vajra bekrönt ist; an der Stange hängt die Bettlertrommel (damaru) und die
Priesterglocke (dril-bu). Das linke, vorschreitende Bein tritt eine hellblaue, mit
Fell bekleidete männliche Figur zu Boden, welche ein Scalpellum und eine Schädel-
schale hält und deren Haupt mit Schädeln bekrönt ist, ebensolche Attribute führt
die nackte, rothfarbige, weibliche Gestalt, welche unter dem linken Fusse liegt.
Notizen zur Ikonographie des Lamaismus.
”9
Das Aureol ist blau, von rothen Flammen umgeben; den Plinthus bildet eine
weisse Lotusrose mit rothem Fruchtboden.
Miniatur in A, Fol. 12, rechts oben.
Zwei ßroncen D; bemalt sind Augen (weiss und schwarz) und Haare
(feuer roth).
56. Ti. ’Dul-’dsin rDo-rje-sen-ge.
S. Vinayadhara Vajrasimha (bez.).
Unbekannt.
Auf rothem grüngerandeten Teppiche sitzt der Lama in dunkelrothem, gelb
gebundenen Unterkleide, rothen Ueberkleide, gelben Pallium mit grünem Um-
schlag. Die Linke hängt auf das Knie herab, die Rechte ist, mit dem Zeigefinger
und Daumen eine Mudrä bildend, gehoben. Das greisenhafte Haupt trägt eine
flache, rothe, tellerähnliche Mütze mit langem rothen Zipfel; das Antlitz ist sicher
Porträt.
Miniatur in A, Fol. 7, Mittelgruppe; Nebenfiguren: oben rechts: rje-btsun
Grags-pa-rgyal-mtshan, darunter: Atisha; oben links: ’Od-dpag-med; unten links:
dPal-ldan Lha-mo.
5p. Ti. gTias brtan Rab-’byor.
S. Sthavira Subhüti.
Der bekannte Schüler Buddhas, kurze Biographie: JASB. LI, I, i5, Taf. I.
Auf einem reichen Teppiche am Meere sitzend, segnet er Schlangen und
Garudas; er trägt dunkelrothes Unterkleid, einen blauen Rock mit Aermeln, feuer-
rothes Ueberkleid; das Haupt ist unbärtig und unbedeckt.
Miniatur in B, Fol. 1, Mittelgruppe; Nebenfiguren: oben rechts: auf einer
Lotusrose sitzt Cäkya-thub-pa, welchem Kinder Juwelen überreichen, oben links:
ihm gegenüber, gerade über dem Haupte des Subhüti, sitzt Maudgalyäyana, den
Buddha verehrend, auf einer hochragenden grossen Lotusblume; den Mittelgrund
füllt das Meer; Drachen (ldu) und aus der Luft heranfliegende Garuden (khyun)
kämpfen mit einander; andere Nägas in halbmenschlicher Bildung bringen Subhüti,
welcher die Kämpfenden versöhnt, Juwelen, während zwei Garuden unter seiner
segnenden Rechten sitzen; unten links: in braunen, goldflammenden Wolken die
„vier grossen Geisterkönige” (rgyal-chen-bzi).
58. Ti. RNam-thos-sras; rgyal-ehen rTiams-man-thos-sras gDod-nas dvan-po.
S. Kubera, Vateravana, Dhanada.
Vgl. über ihn Pallas II, g5. 100 f., Koppen II, 298, Schlagintweit Buddhism.
p. 170. 171.
Abgebildet bei Pallas, Mongol. Völker II, Tab. I, Fig. 4 und Schlagintweit,
Buddhism. (trad. Milloue) Tab. XXXI, XXXII.
Bekannte Bildung: quer auf einem weissen Löwen sitzend, mit Fahne und
Ratte als Attributen: in B völlig gepanzert, in A mit entblösstem Oberkörper.
Körperfarbe goldgelb. Er ist einer der furchtbaren Götter (Pallas II, g5) und
gehört zu den Welthütern.
Miniatur in A, Fol. 11 (rechts unten); B, Fol. 12 (links unten).
Bronce D.
Notizen zur Ikonographie des Lamaismus.
Pan-chen Chos-rgyan.
Mahäpandita Dharmamandana.
Zeitgenosse des 5. Dalai-Lama, Lehrer des Jäya-pan-chen bLo-bzan ’Phrin-las
stiftete Klöster in der Mongolei: JASB. LI, I, 70.
Stellung der Figur und Farbe der Kleider wie bei Tson-kha-pa, nur hängt
die Linke mit der Handfläche gegen vorne auf das linke Knie herunter, zur Linken
steht auf grossen Lotusblättern eine grosse, dunkelblaue Schale, auf welcher ein
Aufsatz mit grossen Blumenknospen steht.
Miniatur in A, Fol. 12, rechts oben.
Pan-chen dPal-ldan-ye-shes, Pan-chen bLo-bzan dPal-ldan-ye-shes.
Mahäpandita Qrijnäna.
Geb. 1737, gest. 1779, Grosslama von bKra-shis-lhun-po, starb am Hofe
Khien-luns: Koppen II, 2i5 ff.; JASB. LI, I. 29, 29—43, Taf. XII.
Völlig dieselbe Bildung wie bei Pan-chen bLo-bzan-ye-shes, nur hält die Linke
ein offenes Buch, das auf einem rosenrothen Tuche liegt. Reicher goldener Thron
mit drachenköpfigen Lehnen.
Miniatur in B, Fol. 7, Mittelbild; Nebenfiguren: oben rechts: Yons-’dsin bLo
bzan bzod-pa, oben Mitte: ’Od-dpag-med, oben links: ’Jigs-byed; Hintergrund der
Mitte rechts: rJe-rin-po-che auf einem Altäre, rechts davon ’Jam-dbyans, links
Phyag-rdor; unten rechts: Tshans-dkar-po, unten Mitte: Lha-mo, unten links:
bSi-khrab-pa.
Pan-chen bLo-bzan chos-kyi rgyal-mtshan.
Mahäpandita Sumatidharmadhvaja.
Der Pan-chen des Klosters ’Bras-spuns (Dhanakataka), welcher den fünften
Dalai-Lama weihte; vgl. Koppen II, p. 143, Note 4; Grosslama von bKra-shis-
lhun-po, in den Kämpfen gegen die Mongolen politisch bedeutsam, indem er
die Partei der Mandschu nahm; geb. 156p, gest. 1662: JASB. LI, I, 25 ff., Taf. XI.
Die Haltung gleicht völlig der des ’phags-pa bLo-gros-rgyal-mtshan; doch
kommt zu der bezeichneten Bekleidung noch ein gelbes Pallium, die linke Hand
hält ohne Tuch das Buch; das Flaupt, dessen Antlitz greisenhafte porträtähnliche
Züge zeigt, trägt eine spitze, gelbe Mütze mit umgeschlagenen Doppelkrämpen und
einem gefransten gelben Wollkamm.
Miniatur in B, Fal. 12, grosse Mitielfigur; Nebenfiguren: oben links: bDe-
mchog dkar-po tshe-sgrub; oben rechts: mKhas-grub Sans-rgyas-ye-shes; Mitte
rechts: ein grosser hellblauer Kreis (prabhämandala), dessen Rand regenbogen-
farbig gestreift ist, in diesem Kreise sitzt in der Mitte sPyan-ras-gzigs gelbfarbig,
zweiarmig, rothbekleidet und mit einem Ziegenfell über der Schulter, ihm zur
rechten Seite ein dickbäuchiger, bärtiger Mann mit grünem Lendentuch und Gold-
krone; vor sPyan-ras-gzigs kniet ein Lama und empfängt den Segen; die Gruppe
erklären die Worte: sPyan-ras-gzigs gco-’khor (?) zal-gcig byin rlabs-mdsad-pa.
„Avalokitegvara......., der Einköpfige segnet”. Unten links: rgyal-chen rNam-
thos-sras; unten rechts: Chos-skyon dregs-pa lcam-srid.
Notizen zur Ikonographie des Lamaismus.
121
62. Ti. Pan-ehen bLo-bzan-ye-shes.
S. Mahäpandita Sumatijnäna.
Grosslama von bKra-shis-lhun-po Anf. des 18. Jh. JASB. LI, I, 27-9; Taf. XII.
Unbärtig, der rechte Arm frei, mit Zeigefinger und Daumen eine Mudrä
bildend; die Linke hält ein blaues Patra auf dem Schoosse; gelbe, spitze Mütze;
dunkelrothes Unterkleid mit gelben Bändern; rothes Ueberkleid, gelbes Pallium
mit blauem Aufschlag.
Miniatur in B, Fol. 18, Mitte; Nebenfiguren: oben Mitte: ’Od-dpag-med; oben
links; rDo-rje ’Jigs-byed zal-brgyad yons-rdsogs; oben rechts; mKhan-chen rDo-rje-
’dsin-pa; Mitte links: ’Jam-dbyahs; hinten: dPa’-vo’i-rdo-rje; unten links: bSi-
khrab, unten Mitte: Lha-mo, unten rechts: Tshans-pa dkar-po.
63. Ti. Padmapäni phyag-bzi-pa.
S. „Der vierhändige Padmapäni”.
Abgebildet bei Schlagintweit, Buddh. (trad. Milloue^ Tab. X); vgl. s. v. sPyan-
ras-gzigs.
Fünf Broncen E.
64. Ti. Padmapäni mit Cakti.
Der Gott steht auf dem Fruchtboden einer buntblätterigen Lotusblume in
nach links schreitender Stellung; er trägt einen langen, grünen Shawl, ein Fell um
die Lenden und Goldschmuck; die ihn umarmende Cakti ist nackt mit Silber-
schmuck behängt und schlingt das rechte Bein um die linke Hüfte des Gottes; die
Cakti hält eine Schädelschale und eine Brahmanentrommel hoch, die umarmenden
Hände des Gottes halten einen goldenen Rosenkranz (rechts) und eine Lotusrose
(links). Padmapani hat weisse Hautfarbe, die Cakti rothe; beide haben mit
Menschenschädeln verzierte Kronen. Aureol: blau, von Flammen umfasst.
Miniatur in A, Fol. 4, rechts oben.
65. Ti. Padmapäni phyag-gnis-pa (zal-gcig-pa).
Der zweihändige Padmapäni (mit einem Kopfe).
Auf weissem Lotus sitzt, in purpurrothem Kleide, mit nacktem Oberkörper
und Armen, das Haupt leicht neigend, der Heilige; die Rechte hängt leer herab,
die Linke hält eine grosse Lotusblume. Ueber die Brust ist ein grosses Ziegenfell
geschlungen. Vgl. N0. 71.
Miniatur in C; darunter die Formel ora rnani padme hürp!
66. Ti. dPal-ldan-rig-’dsin sGro-phug.
S. 9rividyädhara sGro-phug.
Völlig unbekannt.
Der Lama sitzt, in ein dunkelrothes Untergewand und eine Weste mit gelben
Bändern und Einsätzen und in einen hochrothen Ueberwurf gekleidet, auf einem
rothen, grüngeränderten Teppich, der mit einem Felle belegt ist; er hält mit der
Rechten den Vajra vor die Brust, mit der Linken die Glocke auf dem Knie. Das
Haupt ist mit einer spitzen, rothen Mütze bedeckt, welche zwei aufwärts stehende
spitze Seiten- und eine spitze Vorderkrämpe hat; die Ränder der Krämpen sind
hellblau.
Miniatur in A, Fol. 5, grosses Mittelbild; Nebenfiguren: oben rechts: ein un-
bekannter Heiliger, oben links: Phyag-rdor, unten links: eine Form des mGon-po
(auf einem Tiger schreitend).
16
Notizen zur Ikonographie des Lamaismus.
dP al-ldan-lha-mo.
9ridevL
Eine Form der Durgä, cfr. JASß. Fol. L, p. 187; Schutzgöttin von Lha-sa;
abgebildet bei Schlagintweit Buddhism. (trad. Milloue) Tafel XI (unten Mitte),
Pallas II, Taf. IX, Fig. 5 (schlecht).
Vgl. über die Göttin: Schlagintweit (ibid.) p. 71 f.
Die vierhändige, einköpfige Gestalt sitzt quer nach links auf einem hellgelben
Maulthiere, das mit einer abgezogenen Haut einer Menschenleiche bedeckt ist,
deren Kopf gegen unten hängt und die mit den Händen und Füssen am Vorder-
und Hintertheile des Reitthieres zusammengeschlungen ist; Würfel, ein Buch,
Todtenschädel, mehrere Bündel etc. hängen zur Seite herab. Zwei Hände der
Göttin sind vor der Brust zusammengelegt: die Rechte hält ein Scalpellum, die
Linke die Schädelschale; die andere Rechte schwingt ein Schwert, die andere
Linke eine gepfählte Menschenleiche. Das dreiäugige Dämonenhaupt, dessen Stirne
mit Schädeln und Goldschmuck gekrönt ist, blickt halb nach rückwärts, der Mund
hält eine menschliche Leiche. Als Shawl dient eine Menschenhaut; ein schwarzer
Ueberwurf mit gelbem Futter und ein Fell um die Lenden bilden die Bekleidung.
Ueber dem feurigen Haare erscheint bald ein Halbmond mit einer Pfauenfeder,
bald ein ganzes Dach aus Pfauenfedern. Neben dem Schädeldiadem springt zur
Rechten ein weisser Tiger, kriecht zur Linken eine Schlange heraus. Das Maul-
thier reitet durch Blut, in dem Menschenglieder zum Vorschein kommen. Körper-
farbe: dunkelblau; auf dem Nabel eine goldene Sonne; die Schwertscheide hängt
an Schlangen.
Miniatur in B, Fol. 11, i3 unten Mitte, Fol. 10 unten rechts.
Eine Bronce D.
Zwei Broncen von wundervoller Arbeit E: 26 cm, 16 cm.
dPa’-vo’i rdo-rje (bez.: dPa’-vo-rdo-rje).
Qüravajra.
Erwähnt als König und Lehrer des Aryadeva, Tä. 277.
In der Haltung des ManjuqrT, in der Rechten ein Schwert, in der Linken
eine Schädelschale haltend, sitzt der Pandit, unbekleidet bis auf einen dunkelrothen
Lendenschurz und bis auf einen schmalen, feuerrothen, flatternden Shawl, auf
einer weissen Lotusblume, deren Blüthenblätter gezackt sind. Das Gesicht ist
bärtig; das Haar bildet eine Jatä (lcan-lo), welche mit einem Perlenbande, an dessen
Vorderseite ein Todtenkopf befestigt ist, zusammengehalten wird. Körperfarbe:
hellfleischfarbig; das Aureol: blau; Nimbus: grün.
Miniatur in A, Fol. 3, oben rechts.
dPa’-vo’i-rdo-rje.
9üravajra.
Ein anderer, als der eben Genannte. In ein Priestergewand gekleidet (dunkel-
rothes Unterkleid, feuerrothes Oberkleid, gelbes Pallium), mit viereckiger gelber
Mütze sitzt er auf einem rothen und blauen Teppich; unbärtig; die Rechte hält
den Phurbu mit weisser Schleife, die Linke den Donnerkeil.
Miniatur in B, Fol. 13, Mitte Hintergrund.
Notizen zur Ikonographie des Lamaismus.
123
70. Ti. sPyan-ras-gzigs.
S. Avalokitecvara.
Abgebildet bei Pallas II, Taf. 1, Fig. 3; Schlagintweit (trad. Milloue') Taf. IV;
schlecht bei Georgi Alph. Tib. Taf. IV, Fig. 2.
Vgl. über ihn: Pallas II, 396 ff, Schlag, p. 53, Ssanang Ssetsen 32i, Berg-
mann IV, 9, Beal’s Fa Hian 167, Gatena 374, Lotus de la b. 1. 493—511, Rhys
Davids, Buddh. 201, Kern, Buddb. I 415 ff, II 2i3 ff. Was. passim, Koppen I 5oi f,
II 20, 22 ff, 44I', 58 f, 64 fr, 126 ff, Arch. Survey of W. India Vol. V 14, Note 1 etc.
Miniatur in A, Fol. 6, oben links.
Eine Bronce E: 24 cm.
71. Ti. Phyag-rdor, Phyag-na rdo-rje, Lag-na rdo-rje.
S. Vajrapäni.
Abgebildet bei Schlagintweit Buddhismus in Tibet Tab. II (trad. Milloue'
XIII. Tab.); etwas anders bei Pallas II, Tab. IX, Fig. 6, Georgi Alph. Tibet.
Taf. IV, Fig. 3 (schlecht).
Vgl. über ihn Schlagintweit Buddh. p. 114 f (trad. Milloue p. 72); Arch. Survey
of W. India Vol. V 14, Notee; Pallas II p. p5; Bergmann, Kalmücken IV, 221;
Koppen II 44 f, 126 ff; als Heilgott vgl. Chappe d’Auteroche, Voyage en Siberie
p. 484 (vgl. Vollmers Wörterbuch der Mythologie, 3. Auf!., p. 365).
Miniatur in A, Fol. 5, oben links.
Eine Bronce E: 20 cm.
72. Ti. Phyag-rdor ’khor-chen.
Wie der Vorige, doch von seiner Cakti umarmt; zwei Hände des Gottes
umschlingen diese, halten aber kein Attribut, die zwei anderen ziehen eine lange
Schlange aus dem Munde des mittleren der drei Köpfe des Gottes; der Kopf gegen
rechts ist weiss, der mittlere blau, der gegen links roth. Die Cakti hält mit der
Linken eine Schädelschale. Unter dem rechten Fusse liegt eine weisse, gekrönte,
bekleidete Leiche, unter dem linken eine ebensolche, gelbe, vierköpfige.
Miniatur in A, Fol. i5, dritte Reihe rechts.
Eine Bronce E: 16 cm.
73. Ti. Phyag-rdor gos-snon-ean.
S. Nilämbaravajrapäni.
Wie Phyag-rdor, doch vierhändig: zwei Hände auf der Brust so verschlungen,
dass die Flächen gegen aussen stehen, mit dunklem Shawle bekleidet, schreitet er
über eine weisse, vierhändige, gekrönte, mit Fell bekleidete Leiche, die in einer
Linken eine Schädelschale hält.
Miniatur in A, Fol. i5: dritte Reihe links.
74. Ti. ’Phags-pa bLo-gros-rgyal-mtshan.
S. Aryamatidhvaja.
Der Neffe des Sa-skya-pandita, vom Chan und Kaiser Chubilai als Haupt
der lamaischen Kirche ernannt (1261 AD); vgl. Koppen p. 97 ff, Ssa. Sse. 115 ff
(und die Noten dazu), JASB. LI, 1, 67.
Sitzend, in purpurrother Weste mit gelben Einsätzen, purpurrothem Ueber-
kleid, das reich mit Gold gestickt ist; die Rechte hält er, die Handfläche nach
16*
12¿j, Notizen zur Ikonographie des Lamaismus.
aussen wendend und mit dem Zeigefinger und Daumen eine Mudrä bildend, vor
die Brust, die linke Hand, welche mit einem weissen Tuche bedeckt ist, hält ein
Buch. Hohe, rothe, spitze Mütze; Aureol: blau, Nimbus: hellgrün. Im Hinter-
gründe der ausgezeichnet schön ausgeführten Landschaft mongolische Jurten und
ein Kloster.
Miniatur in A, Fol. 8, grosse Mittelfigur; Nebenfiguren: oben links: rJe-btsun
Re-mda’-va chen-po; oben rechts: Kyai-va-rdo-rje; unten links: Bod-kyi mi-dvan-
chen-po ’khor-bcas, „der Grosskönig von Tibet mit Gefolge”; unten rechts:.mGon-po
bram-gzugs.
75. Ti. Byam-chen-chos-rje.
Schüler des Tson-kha-pa und Gründer des berühmten grossen Klosters der
gelben Sekte: Se-ra; vgl. Cs. Gr. 187, Koppen II, in. Er lebte im ersten Drittel
des fünfzehnten Jahrhunderts, vgl. auch JASB. LI, I, 58.
Haltung und Kleider etc. wie bei Tson-kha-pa, das Haupt deckt eine schwarze
Mütze mit den aufwärtsstehenden goldenen Bildern der Dhyänibuddhas; die Mütze
hat oben einen goldenen Knopf.
Miniatur in A, Fol. 10, Mittelbild; Nebenfiguren: oben links: rJe-rin-po-che
(i. e. Tson-kha-pa), oben rechts: gSan-’dus; unten links: ein chinesischer Fürst
mit Gefolge; unten rechts: gShin-rje gshed-dmar.
76. Ti. Byam-pa.
S. Maitreya.
Abgebildet bei Pallas II, Taf. III, Fig. 1. Taf. IX, Fig. 2. Schlagintweit Buddh.
(trad. Milloue') Taf. IX.
Vgl. über ihn Koppen II, 17; Was. passim p. 22; Schlagintweit Buddhismus
(trad. Milloue'); Schiefner M. As. de l’acad. de St. Pe'tersbg. Vol. III p. 417 (der auf
Gautama folgende Buddha). Auch von der südlichen Kirche verehrt.
In europäischerWeise (byams-bzugs) sitzend, bald in der Tracht eines Buddha,
bald in königlicher Tracht (D), die Hände vor der Brust, wie Tson-kha-pa; hinter
der Rechten eine Lotusblume mit einem Opferkännchen, hinter der Linken eine
Lotusblume mit dem ’khor-lo (cakra).
Eine Bronce D.
77. Ti. Byam-pa.
S. Maitreya.
Maitreya als Statue, in königlicher Tracht, stehend; die Rechte gehoben mit
der Handfläche gegen Aussen, die Linke hängt abwärts. Ganz golden.
Miniatur in B, Fol. 6, Hintergrund der Mittelgruppe.
78. Ti. Mau-bu-gal-gyi-bu.
S. Maudgalyäyana. Pali: Moggaläna.
Der bekannte Schüler Buddhas.
In betender Stellung auf rother Lotusblume sitzend, die Hände gefaltet; das
Haupt unbärtig und unbedeckt, dunkelrothes Unterkleid und feuerrothes Oberkleid.
Miniatur in B, Fol. 1, über der Mittelgruppe.
Notizen zur Ikonographie des Lamaismus.
125
79. Ti. Tshans-pa dkar-po.
„Der weisse Brahma”.
Vgl. Schlagintweit Buddh. (trad. Milloue') p. 72, 100 (andere Bildung).
In rosettenähnlichen Wolken auf weissem Pferde reitend, schwingt er mit der
rechten Hand eine rothbewimpelte Lanze; mit der Linken hält er ein blaues
Schälchen mit Juwelen. Gepanzerte Beine, dunkelrothes Oberkleid, mit lang-
ärmeligem, weissem, gelbgefüttertem Ueberwurf, weisse Körperfarbe; das gekrönte
Haupt zeigt leichten, schwarzen Bart.
Miniatur in B, Fol. 7, 13, unten rechts.
80. Ti. Tshe-dpag-med.
S. Amitäyus.
„Unermessliches Leben besitzend”.
Abgebildet bei Pallas II, Tab. IV, Fig. 2. Georgi, Alphabethum Tib. Tab. IV,
Fig. 1 (nicht ’Od-dpag-med).
Eine Form des Amitäbha in königlicher Tracht, vgl. Pallas II, p. III. Als
Spender langen Lebens hält er das Amrtagefäss.
Zwei Broncen D.
10 Broncen: 9, 10. 10V2. 11V2, 13, i3, 14, 16, 18, 32 cm.
81. Ti. Tshogs-kyi bdag-po.
S. Ganeca.
In schreitender Stellung auf Ratten tretend, vielarmig; die Attribute leider
verloren.
Kleine zierliche Bronce E: 6 cm.
82. Ti. Dsam-bha-la ser-po.
„Der gelbe Reichthumsgott”.
Abgebildet bei Pallas II, Taf. IV, Fig. 1. Bei Pallas gut beschrieben.
Eine Bronce D.
83. Ti. Zur-dvan Byam-pa sen-ge.
Er sitzt auf einem Lotusblatte, auf dem Schoosse ein Buch, in dem er
blättert; Brust und rechter Arm nackt; gelbe Weste mit rothem Rand, dunkelrothes
Unterkleid, feuerrothes Ueberkleid, gelbe, tellerförmige Mütze. Die ganze Figur
von einem runden, rosenrothen Nimbus umflossen.
Miniatur in B, Fol. 8, rechts oben.
84. Ti. Zam-bha-la’i gNas-bsrun.
„Der Schirmvogt von Zambhala”.
Eine Form des Dhanada oder Kubera, des grossen Geisterkönigs.
Er reitet auf blauem Pferde, gepanzert, mit einer rothbewimpelten Lanze in
der Rechten, ein strahlendes Goldgefäss in der Rechten, durch rostfarbene Wolken,
deren aufwallende Spitzen golden glänzen. Gesicht und Hände: goldgelb; leichter
schwarzer Bart.
Vgl. Jäschke s. v. zambhala, Cs. Gr. p. 192. JAs. Soc. Bengal Vol. II, 1833, 57
(zambhala tib. bde-’byun, das fabelhafte Mutterland des Kälacakra-Svstems).
Miniatur in B, Fol. 2, rechts unten.
Notizen zur Ikonographie des Lamaismus.
’OcL-dpag-med.
Amitäbha.
„Unermesslichen Glanz habend”.
Abgebildet bei Schlagintweit Buddhism (trad. Milloue) Taf. III, VI (oben);
nach nepalesischen Bildern: As. Res. Vol. XVI, Taf. 17, Fig. 1 und Wright, History
of Nepal, Taf. VI.
Als Buddha in der Stellung des Gautama abgebildet, sitzend, beide Hände
mit blauem Patra vor sich haltend, in dunkelrothem Kleide; die Hautfarbe: roth,
die Haare: dunkelblau, Nimbus: grün, Aureol: hellblau; er sitzt auf einem weissen
Lotus.
Einer der Dhyänibuddhas (vgl. Koppen II, 27 f, etc.) und zwar der des
Manushibuddha Gautama; sein Dhyänibodhisattva ist Padmapäni.
Miniatur in A, Fol. 7, oben links; B Fol. 7, oben Mitte; Fol. 13, oben Mitte;
C zweite Reihe links.
Eine Thonfigur E, 21 cm hoch.
Yons-’dsin bLo-bzan bzod-pa.
Lehrer des dPal-ldan-ye-shes (1737—1779): JASB. LI, I, 3o.
Völlig dieselbe Bildung wie Pan-chen dPal-ldan-ye-shes; doch ist die Hand,
welche das Buch hält, unbedeckt.
Miniatur in B, Fol. i3, oben rechts.
gYun-ston. rDo-rje-dpal.
V ajracri.
Vgl. über ihn Tä. p. 254 ff und Cs. Gr. 200, 9, geb. 1284, gest. 1386: JASB.
LI, I, 20 f., Taf. VII.
In dunkelrothem Unterkleide und dunkelrother Weste mit hellgelber Füllung
und Gürtung, feuerrothem Oberkleid, rother, spitzer Mütze, sitzt der Lehrer, das
linke Bein in grosser Erregung hochziehend, auf einem reichen Pfühle und be-
schwört den Yamäri (vgl. s. v. mGon-po zal-gzig); die Rechte hält den Phurbu,
an dem eine lange, grüne Schleife hängt, die Linke nimmt einen Schädel mit. Scalp,
aus dem Feuer sprüht, von einem mit zerrissenen und zum Padma geformten
Schädeln besetztem Tische, um ihn dem Yamäri in den Rachen zu stecken. Mönche
verschiedener Sekten sehen entsetzt zu: Orig. Mitth. Heft 1, Taf. 4.
Miniatur: Mittelbild in B, Fol. 8.
Rigs-ldan ’Jam-dbyans-grags-pa.
Kulika-manjughosha-kirti oder: Rigs-ldan kun-gyi thog-ma ’Jam-dpal-grags.
Vgl. Cs. Gr. 182, 192 f und JASB. II, 1833, p. 57.
(König des Landes Zambhala (bDe-’byun), des Mutterlandes des Kälacakra-
Systems, kurze Biographie: JASB. LI, I, i5 f., Taf. II.
Der König sitzt vor einem mit Juwelen gefüllten Hause auf einem reichen
Throne (mit goldenen Drachen als Lehnen) in glänzender Tracht: goldener Krone,
goldgesticktem, feuerrothen Unterkleide und goldgestickten, hellblauen Mantel,
prachtvollen Stiefeln; die Linke hält ein Buch, das auf einem Tuche liegt, die
Rechte ist zum Vortrage gehoben. Neben ihm stehen reichgekleidete Diener und
vor ihm sitzen vier Männer in Asketentracht; dabei die Worte: dran-sron ni-ma’i
Notizen zur Ikonographie des Lamaismus.
127
shin-rta ’khor bcas „mit der Umgebung des Sonnenwagens der rshi” statt: ni-ma’i
shin-rta’i dran-sron ’khor bcas? Diese Worte und die Stelle bei Cs. Gr. 193:
dran-sron-rnams-kyi smin-don-du „zur Reife der rshis” stehen in Beziehung zu
der Legende, wonach er heliolatrische Asketen bekehrte: JASB. LI, I, 16.
Miniatur in B, Fol. 2, grosses Mittelbild; Nebenfiguren: unten links: Zam-
bhala’i gnas-srun; oben links: Dus-’khor lhan-skyes: oben rechts: Lha-yi dvan-ldan.
89. Ti. Rin-ehen-byun-gnas zi-va.
S. Ratnäkaracänti?
Nachfolger des Abhayakara als Abt des Klosters Otantapurl JASB. LI, I, 16.
Auf einem Thierfelle sitzt ein korpulenter Mann, nur mit rothem Lendentuch
bekleidet; ein blauschwarzer Ueberwurf liegt lose um die Gestalt; das Gesicht ist
leicht bärtig, die schwarzen Haare bilden eine Jatä, die mit einem goldenen Bande
zusammengefasst ist, an welchem vorne ein Todtenkopf befestigt ist. Die Rechte
hängt auf das Kniee herab, die Linke hält eine Schädelschale vor die Brust.
Miniatur in B, Fol. 4, links oben.
90. Ti. Lo-chen Ka-va-dpal-brtsegs.
Der grosse Interpret Ka-va-dpal-brtsegs.
Wird mit dem Pandita Visuddhasimha als Uebersetzer der Werke des Va-
subandhu, Vinayadeva und Kamalapila genannt: Schiefner MA. de l’acad. de St.
Pe'tersbourg, Tome VIII, 23, 1, 79: Note 19.
Auf einem rothen, grüngeränderten Teppich sitzt der Pandit, eine Liniirtafel
und Stift auf dem Schoosse haltend; er ist unbärtig und unbedeckten Hauptes,
trägt eine hellviolette Weste, dunkelrothes Unterkleid und feuerrothes Ueberkleid;
hinter ihm liegt unter gelben Tüchern noch unbeschriebenes Papier in Buchform.
Aureol: blau; Nimbus: grün.
Miniatur in A, Fol. 4, Mittelbild; Nebenfiguren: oben links: ein unbekannter
Mönch; oben rechts: Padmapani mit Cakti; unten links: mGon-po gri-gug; unten
rechts: Chos-rgyal-chen-po der Dharmaräja.
91. Ti. gShin-rje-gshed-dmar.
Der rothe Yama.
Ithyphallisch, stierköpfig; das Cintämani in der Rechten, in der Linken die
Schädelschale; die Hörner des Stieres sind hellblau, der Stier kirschroth; mit Aus-
nahme der braunrothen Körperfarbe stimmen die übrigen Attribute mit denen des
Chos-rgyal yab-rkyan überein; vgl. N0. 102.
Miniatur in A, Fol. 10, rechts unten.
92. Ti. ^ä-kya-timb-pa.
9äkya, der Starke. Der tibetische Name des Cäkyamuni Gautama.
Abgebildet: Pallas II, Tab. II, Fig. 1 etc.
In sitzender Stellung auf einer Lotusblume von Apsarasen (mchod-pa’i 1ha-
mo) verehrt, die ihm Blumen und Früchte darbringen, Wasser aus einem Kännchen
giessen etc.
Seine Art zu sitzen: er lag so im Leibe seiner Mutter Mäyä heisst: rdo-rje-
dkyil-dkrun; vgl. Schlagintweit Buddhismus, p. 210.
j2$ Notizen zur Ikonographie des Lamaisnms,
Miniatur in A, Fol. i, oben rechts.
Zwei Broncen D.
Fünf andere Broncen E: 8V2, 12, i3, 12, i5]/2 cm.
93. Ti. Sa-skya-pandita,
d. h. Änandadhvaja (Ti. Kun-dga" rgyal-mtshan), oder: Änandadhvajapribhadra.
Vgl. Cs. Gr. 169, 197; Koppen II 80 ff, noff etc.; Pallas, Mong. Völker II,
356 ff. Ssa. Sse. 392—394, Biographie: JASB. LI, I, 19—20; Taf. VI.
Auf einem rothbelegten goldenen Throne, dessen Lehnen in Drachenköpfe
enden, sitzt der Lama in dunkelrothem Unterkleide, feuerrothem Ueberkleide,
rother, goldgestickter, spitzer Mütze; das linke Bein steht auf einem Schemel, das
ganze rechte Bein ist auf den Thron heraufgezogen, sodass der Fuss am linken
Oberschenkel liegt; die linke Hand liegt langherabhängend, die Fläche gegen vorne
gedreht, auf dem linken Kniee, die Rechte ist gehoben und bildet mit Zeigefinger
und Daumen eine Mudrä.
Miniatur in B, Fol. 6, Mittelbild; Nebenfiguren des Mittelbildes, ein Tirthika
(Cankaradhvaja) im Gespräch mit dem Pandit, hinter diesem steht ein Tempel
mit der Statue des Byams-pa, welche von Lamen und Hindu verehrt wird. Oben
rechts: rJe-btsun Grags-pa-rgyal-mtshan; oben links: ’Jam-dbyans; unten links:
mGon-po zal-bzi.
Q4_ Ti. Slob-dpon A-bha-yä-ka-ra (bez.); Abhayäkaragupta.
(Tib. ’Jigs-med-’byun-gnas).
Vgl. über ihn Schiefner, Tä. p. 25o ff und 33o; (Was. 267 nur der Name
erwähnt), Biographie bei Sarat Chander Das: JASB. LI, I, 16—8; Taf. IV.
Er sitzt in lehrender Stellung, in purpurnem Unterkleide mit gelbem Bande
und hochrothem Ueberwurfe auf einem Pfühle, hinter dem grosse Lotusblumen
stehen. Das bärtige Haupt trägt eine goldgestickte, rothe, spitze Mütze; um den
rechten Arm windet sich eine riesige Schlange, die ihren Kopf über dem Haupte
des Äcärya erhebt und nach derselben Richtung blickt wie er. Seine Körperfarbe
ist rothbraun. Vor ihm wird ein nackter, gefesselter Mann von einem Bewaffneten
losgebunden, andere, deren Köpfe und rechte Hände in eine Holzzwinge gefesselt
sind, aus einem unterirdischen Kerker durch einen Bhikshu befreit; einen anderen
scheeren zwei Bhikshu und bringen ihm ein geistliches Gewand; dabei die Worte:
snags-kyi tin-ne-’dsin-gyi btson-pa-rnams-gyi nes-pa-las bar-mdsad-pa, welche
Worte mir unverständlich sind, aber sicher auf die Befreiung Gefangener Bezug
haben.
Die Scene bezieht sich auf die bei Tä. p. 33o und Chander Das mitgetheilte
Notiz, Abhayäkara habe hundert Menschen, welche König Carasimha zum Opfertode
bestimmt hatte, dadurch befreit, dass er ihn durch eine riesige Schlange erschreckte.
Miniatur in B, Fol. 4, grosse Mittelgruppe; Nebenfiguren: oben links: rDo-
rje-rnal-’byor-ma; oben rechts: Rin-chen ’byun-gnas-bzi-va; unten rechts: Gur-gyi
mGon-po.
95. Ti. Slob-dpon Legs-ldan-’byed.
S. Guru Bhävaviveka (äcärya Bhavya).
Commentator der Werke des Nägärjuna und Zeitgenosse des Buddhapälita;
vgl. über ihn Tä. p. i36ff., Biographie: JASB. LI, I, 16; Taf. III.
Notizen zur Ikonographie des Lamaismus.
129
Ein Hindu, in feuerrothem Unterkleid und dunkelrothem Ueberkleid, hoch-
rother, spitzer Mütze, chokoladefarbenem Leib, starkem, schwarzen Barte, in
eifriger Disputation mit einem nackten Mustegs. Vor ihnen eine Gruppe, zwei
Mönche einen nackten Hindu scherend, dabei die Worte: mu-stegs rab-tu ’byun-
va „der Ketzer wird Mönch”.
Miniatur in B, Fol. 3, Mittelbild; Nebenfiguren: oben links: mGon-po Klu-
sgrub; oben rechts: mDe-mchog lhan-skyes; unten rechts: mGon-po phyag-
bzi-pa.
96. Ti. gSan-’dus.
S. Guhyapati?
Eine Form des Adibuddha (mGhog-gi dan-po’i sans-rgyas) Vajradhara (rDo-
rje-dsin „den Donnerkeil haltend”).
Vgl. Cs. As. Res. XX, 496, 5o3, 549 f. JASB. II, 57. Gr. p. 192; Burnouf
Introd. p. 226; Rhys Davids ßuddhism p. 2o3; Foe-kue-ki p. 21, 56, 121; Schlagintw.
Buddh. p. 5o (trad. Milloue p. 33 f.).
Auf einer weissen Lotusblume sitzt der dreiköpfige, sechsarmige Gott, von
seiner dreiköpfigen, sechsarmigen Cakti umschlungen; er ist von dunkelblauer
Farbe, der Kopf zur Rechten weiss, der zur Linken roth, ebenso sind auch die
gegen rückwärts blickenden Köpfe der Cakti roth und weiss; beide haben goldene
Kronen und tragen goldenen Schmuck; beide tragen dunkelrothe Lendenkleider,
die Cakti einen hochrothen, der Gott einen hellgrünen Shawl. Die drei rechten
Hände beider halten ein juwelgeschmücktes Rad, einen roten Lotus, und der um
den Rücken (beziehungsweise Nacken) geschlungene Arm einen Donnerkeil rdo-rje,
die linken Hände beider das Juwel Cintämani, ein Schwert, und der um den
Rücken etc. geschlungene Arm einen Donnerkeil.
Miniatur in A, Fol. 2, oben rechts; A, Fol. 10, oben rechts; A, Fol. 10, zweite
Reihe, Fig. 3.
97. Ti. gSan-’dus lhan-skyes.
S. Sahaja Guhyapati.
Vgl. gSan-’dus.
Abgebildet Schlagintweit Buddhism (trad. Milloue') Taf. III, II (jedoch etwas
anders).
Die Abbildung stimmt, was die Attribute etc. betrifft, ganz mit der vorigen
überein, nur fehlen die weissen und rothen Köpfe und die mit den Rädern,
Lotussen und Schwertern und Juwelen versehenen vier Arme.
Miniatur in B, Fol. 5, oben rechts.
Bronce: Gruppe D.
98. Ti. bSi-khrab-pa.
„Der Gott mit dem Lederpanzer”.
Der Gott reitet auf fahlem Pferde durch Feuer oder rostfarbene Wolken,
das Gesicht zeigt den gewöhnlichen civa'itischen Dämonentypus; er ist roth, drei-
äugig, mit goldenem Bart. Das Haupt hat rothes, straubiges Haar, das zu einem
Bündel vereinigt ist, über dem ein halber goldener Vajra erscheint; über der Stirn
sitzt ein Schädelkranz; der goldene Panzer ist blau gegürtet, ein langer, grüner
17
130
99-
ioo.
IOI.
Notizen zur Ikonographie des Lamaismus.
Shawl flattert um die Figur; die Rechte schwingt einen goldenen Stab, auf dessen
Spitze ein Juwel sitzt.
Miniatur in ß, Fol. 7, 13, unten links.
Ti. bSod-nams Phyogs-glan.
Dinnäga.
Geb. 1439 n. Chr., gest. i5o5; seine Biographie, in welcher sein Name, der
dem Skt. Dinnäga entspricht, seltsam erklärt wird: JASB. LI, I, 22 f., Taf. IX.
Der Grosslama sitzt auf einem rothen Pfühl, über den ein graues Fell ge-
breitet ist; er trägt ein purpurrothes Unterkleid mit gelbem Gürtel, eine purpur-
rothe Weste mit gelben Einlagen, ein feuerrothes Ueberkleid und darüber ein gelbes
Pallium mit blauen Umschlägen. Unter dem Pallium liegt die Rechte versteckt, so
dass nur der nackte Ober- und Unterarm zu sehen ist. Die Linke liegt auf dem
linken Kniee, mit Daumen und Zeigefinger eine Mudrä bildend. Das greise
porträtähnliche Haupt ist leise geneigt, es trägt eine spitze, hellgelbe Mütze mit
kurzen Genicklappen. Der Lama sitzt in einer Gebirgslandschaft in der ein Berg-
strom erblickt wird, an welchem ein grosser, grün und blau gefiederter fasan-
ähnlicher Vogel sich die Flügel putzt. Im Vordergrund halten auf Wolken
stehende Apsarasen die Enden eines aufrollenden Tuches, das die Regenbogen-
farben zeigt; ein Knabe steht, von einem Goldnimbus umflossen, in der Mitte und
wird von den Mädchen getragen, dabei die nicht ganz verständlichen Worte: bsod-
nams Phyogs-glan chun-nu’i dus-su rmi-lam-du mkha’-’gro-ma’i dar-sna-lna’i lam-
sten-nas dag-cin-du-khrid-nas rab-tu ’byun-var bskul-va, etwa: Dinnäga (Punya-
dinnäga) wurde in seiner Jugendzeit im Traume von in der Luft wandelnden
Frauen auf dem Pfade (?) von fünf Rollen Seide getragen und durch diese Be-
lehrung (?) angeleitet, Mönch zu werden. Oben rechts in der Ecke kniet der Knabe
vor rJe-rin-po-che, der ihm die Haare scheert, dabei stehen die Worte: bSod-nams
Rin-chen-las rab-tu ’byun-va: der Rin-chen nimmt Dinnäga als Mönch auf, welche
Scene sich auf die oben erwähnte Namengebung bezieht.
Miniatur in B, Fol. 10, Mittelgruppe; Nebenfiguren: oben links: ’Jam-pa’i
rdo-rje; unten rechts: Lha-mo.
Ti. Lha-yi dvan-ldan, chos-kyi rgyal-po dvan-ldan.
Vater des Manjuprfkirti q. cfr. vgl. Cs. Gr. p. 192 und JASB. LI, I, i5.
Sitzend, bärtig, in langem purpurnen Kleide von chinesischem Schnitte mit
weisser Kapuze auf dem Kopfe. Nimbus: grün, Aureol: rosa.
Miniatur in B, Fol. 2, oben rechts.
Ti. A-ti-sha (bez.), Jo-vo-rje dpal-ldan A-ti-sha.
S. Dipankaracrijnäna.
Geboren 971 n. Chr., gestorben 1062 (Cs. Gr. p. 184)- Vertreter des Kälacakra-
Systems und Neubekehrer Tibets (Koppen II, 78; Schlagintweit Buddh. 44, Taf. 241;
Cs. Gr. 178), Schüler des Jnänagrimitra, des Verfassers des mTha’-gnis-sel-va Tä. 243.
Auf einem Polster, über das ein Thierfell gebreitet ist, sitzt der Heilige in
dunkelrothem Unterkleide, violetter Weste und feuerrothem Lieberkleide, die Hände
hält er vor der Brust zu einem Mudrä gruppirt; auf dem Kopfe hat er eine rothe
spitze Mütze, hinter ihm liegt ein rundes Kissen und rechts zur Seite ein goldener
Gaitya, dessen Untersatz glockenförmig ist und von einer grossen Lotusblume be-
Sammlung aus Baffin-Land.
131
deckt wird, auf dem das Caitya sich erhebt (in A ist es ein lampenartiges, goldenes
Gestelle).
Miniatur in A, Foi. 7, im Hintergrund des Mittelgrundes; B, Fol. 5,
links oben.
102. Ti. U-rgyan-pa; U-rgyan-pad-ma, Pad-ma-’byun-gnas.
S. Der (Mann) aus Udäyana; Padmasambhava.
Abgebildet bei Scblagintweit, Buddh. (trad. Milloue) Taf. VII. Georgi, Alph.
Tib. Tab. IV.
Vgl. über ihn Jäschke, Dict. s. v. Padma, Koppen II, 68 ff-
Rothgekleidet, mit dem Tri<;ul, dem Abzeichen Civas, dem Vajra (in der
Rechten), einer Schädelschale (thod-khrag in der Linken) als Attributen, das Haupt
deckt die Mütze dgam-ja. Bisweilen bärtig.
Eine Bronce zur Gruppe D gehörig: Ueber dem thod-khrag steht das
Amrtagefäss, eine Gruppirung, welche auf die Verwandlung hindeutet, die durch
die mystische Formel, om äh hüm, an Blut und Hirn (nan-mchod, oder mi-gtsan-
va-bcu, vgl. Jäschke, Dict.) bewirkt wird: es wird dadurch zu Amrta (bdud-rtsi).
Sammlung aus Baffin-Land.
Von F. Boas.
Die Stämme von Baffin-Land gehören zu der grossen Gruppe der centralen Eskimos,
welche den amerikanischen Continent und die zugehörigen Inseln vom Coppermine-River bis
zur Davis-Strasse und von Nord-Labrador bis zum Smith-Sunde bewohnen. In ihrer Sprache,
in Lebensgewohnheiten und Sitten unterscheiden sie sich wesentlich von den Grönländern
und sind weit näher mit den Bewohnern von Labrador verwandt. Ebenso schliesst sich die
Form ihrer Geräthe näher an die aus Labrador bekannten an. Sie sind in zahlreiche Stämme
zersplittert, welche sich durch manche charakteristische Eigenthümlichkeit in Bezug auf den
Schnitt der Kleidung und die Form der Schlitten, Boote und Waffen unterscheiden. Die
nachfolgend beschriebenen Gegenstände wurden auf einer Reise im Gebiete der Oqomiut und
Akudnirmiut, der Bewohner des Cumberland-Sundes und der Davis-Strasse in den Jahren
i883/84 gesammelt. Leider ging eine grössere Sammlung durch die Ungunst der Verhältnisse
verloren.
Catalog-Nummer IV A 6729. Seehundspeer (unang) mit Harpune (naulang) und Harpun-
leine (iparang) für die Winterjagd an den Athemlöchern der Seehunde. Das vorliegende Modell
ist seit der Einführung von Eisen durch die Walfischfänger in Gebrauch. Die Harpune wird
von den Eskimos aus alten Walharpunen ausgefeilt. In früheren Zeiten bestand der Schaft
ganz aus Holz oder aus einem Narwalhorn. Nr. 6692 ist die alte Harpunspitze für diesen
Speer, welche vor Einführung von Eisen gebraucht wurde.
Nr. 6710—6712 werden gebraucht, wenn die Eskimos sich im Winter zu einer lange
dauernden Wache am Athemloche rüsten. Der Jäger sitzt auf einem Schneeblocke und schützt
sich durch eine Schneemauer gegen den Wind. Der Speer wird auf zwei Pflöcke (6711 und
17*
132
Sammlung aus Baffin-Land.
6712), welche in den Schnee gesteckt werden, gelegt, damit kein Geräusch beim Aufheben der
Waffe entsteht. Der doppelt durchbohrte Knopf (6710) dient zur Befestigung eines Seiles,
mit dem die Beine zusammengebunden werden, um dem Jäger das Stillsitzen zu erleichtern.
Nr. 6706. Nägel um das Blut zu stillen, wenn der Seehund getödtet ist. (Tuputang).
Die Spitze wird in die Wunde gesteckt und das Fell über dem Nagelkopfe zusammen gebunden.
Nr. 6693—6695. Grosse Harpunspitzen (Tokang) für die Jagd auf Seehunde vom Kajak
aus und zur Walrossjagd gebraucht.
Nr. 6728. Ein Haken, um junge Seehunde aus ihren Schneehöhlen hervorzuziehen
(Niksiang). Der Schaft besteht aus einem angeschwemmten Stück Holz von einem Schiffe,
der Haken aus einer zugespitzten Bärenkralle.
Nr. 6716. Seitenspitzen zum Vogelpfeil (A). Während die Spitzen beim grönländischen
Pfeil vom Schaft divergiren, sind sie hier stark gekrümmt uud laufen im oberen Theile mit
demselben parallel.
Nr. 6727. Lachsstecher (Kakivang). Beim Gebrauch wird in der linken Hand ein Köder
an einer Schnur aus Rennthiersehnen gehalten. Zu diesem Zwecke wird entweder ein aus
Elfenbein geschnitzter kleiner Fisch (Nr. 5o der Sammlung) (E/alujang) oder ein Bärenzahn
(Nr. 6703) benutzt. Ausserdem wird in der linken eine Art Nadel zum Aufreihen der gefangenen
Fische gehalten (Quqartun) (Nr. 5i—53 der Sammlung). EinStrick ist an der Nadel befestigt
und nachdem die letztere durch Kiemen und Maul gesteckt ist, wird der Fisch aufgereiht.
Nr. 6707. Pfeil (Qaqdjung). Während die westlichen Eskimos die Pfeilspitze durch
Einlassen in den Schaft befestigen, werden hier beide abgeschrägt und durch Sehnen verbunden.
Nr. 6730. Hundegeschirr (Anno) mit zweitheiligem Strang (ipiuting). Der vordere Theil
des Stranges kann vermittels eines Knebels, des.Sadniriaq, losgeknöpft werden, damit der Hund
leicht aus dem Gespanne genommen werden kann, wenn er gebraucht werden soll, um ein
Seehundsloch aufzuspüren.
Nr. 6733. Messer für Frauen (Ulo). Während früher Steinschneiden in einen Knochen-
griff eingelassen wurden (vergl. Nr. 6714) schneidet man jetzt die Klingen aus alten Sägeblättern.
Das Messer wird zum Reinigen der Felle, zum Zuschneiden der Kleider und vielen anderen
Zwecken benutzt. Nachdem die Felle gereinigt sind, werden sie mit Pflöcken (Nr.6732) (Pauktun)
auf dem Boden ausgespannt, um zu trocknen. Darauf werden sie mit dem Schaber (Nr. 6697,
6734) (Tesirqun) geschmeidig gemacht.
Nr. 6702 sind Puppen, welche von Kindern zum Spielen benutzt werden.
Nr. 58 der Sammlung. Ein Ball aus Seehundsfell mit Torf gestopft. Es betheiligen sich
stets viele Personen beim Spiele, deren Aufgabe es ist, den Ball in unaufhörlicher Bewegung
zu halten, ohne dass er zu Boden fällt.
Nr. 59 und 60 der Sammlung. Ein Fangspiel (Ajeggaung). Das vielfach durchbohrte
Stück Elfenbein muss von den Spielern in bestimmter Reihenfolge der Löcher auf dem Stabe
gefangen werden. Nr. 59 stellt einen Bären dar, Nr. 60 einen Fuchskopf.
Nr. 61 der Sammlung. (Nugluktang.) Das durchbohrte Stück Elfenbein wird aufgehängt
und eine Anzahl Personen versuchen auf ein gegebenes Zeichen mit Stäbchen das Loch zu
treffen. Derjenige, welchem es gelingt, die Elfenbeinscheibe zu treffen und aufzuheben, ist der
Gewinner.
Nr. 62 der Sammlung. Sakeetan, ein Art Roulette, früher immer mit einer Lederschüssel
mit rundem Boden gespielt. Die Schüssel wird in Drehung versetzt und bezeichnet durch die
Stellung des Ausgusses den Gewinner.
Afrikanische Sammlungen.
133
Nr. 6704. Ein Würfelspiel (Tingmiujang, d. h. das Vogelähnliche). Die Figuren stellen
gewöhnlich Vögel oder Menschen mit aufgehobenen Armen dar. Sie werden in der Hand
geschüttelt und in die Höhe geworfen. Diejenigen, welche aufrecht stehen bleiben, gehören
dem Spieler, welchen sie anblicken. Wer am Schlüsse des Spieles die meisten Figuren hat,
hat gewonnen.
Nr. 64 der Sammlung. Fadenfiguren, Rennthier, Hase und Wolf darstellend. Die
Eskimos besitzen grosse Fertigkeit in der Herstellung solcher Figuren aus geschlossenen Bändern
und sind oft stundenlang eifrig mit diesem Spiele beschäftigt.
Nr. 65 der Sammlung. Illustration zu der Sage von Quadjaqdjung gezeichnet von
Qeqertuqdjuaq, einem Eskimo aus Cumberland-Sund.
Nr. 66—68 der Sammlung. Diverse Zeichnungen.
Nr. 69—85 der Sammlung. Von Eskimos gezeichnete Landkarten, Theile des Südostens
von Baffin-Land darstellend. Die Eingebornen beschreiben einander häufig Wege an der Hand
solcher in den Schnee gezeichneter Skizzen. Die besseren unter denselben sind im Detail und
der allgemeinen Orientirung sehr zuverlässig. Nr. 69 erstreckt sich über sechs Breitengrade!
Nr. 6713, 6715, 6723. Funde aus Gräbern. Die Eskimos pflegen den Todten Geräthe
oder Modelle von solchen mit ins Grab zu geben. Männern giebt man ihr Jagdgeräth; Frauen
Lampe, Topf und Messer; Kindern Spielzeug.
Nr. 6714, 6720. In alten Zeltplätzen oder Hüttenruinen werden häufig Steingeräthe
gefunden. Die Eskimos schreiben dieselben einem sagenhaften Volke, den Tornit zu, welche
einst mit den Eskimos gemeinschaftlich gelebt haben sollen, später aber verdrängt wurden.
Nr. 6714 ist ein Steinmesser, Nr. 6720 ein Quarzkrystall, der als Bohrer gebraucht sein soll.
Afrikanische Sammlungen.
Aus den Reisen DR. POGGE’S (1877).
Schwert der Kauanda.
Schwert aus Luba (in Kimbando gekauft).
Schwert aus Mussumba.
Desgl.
Handbeil aus Kioko.
Desgl.
Handbeil aus Luba.
Handbeil aus Mussumba.
Messer aus Kioko.
Desgl.
Desgl.
Eiserne Pfeilspitze.
Desgl.
Rasirmesser aus Mussumba.
Fetischschnupftabaksdose aus Kioko.
Fliegenwedel, Geschenk der Königin Lucokescha
in Mussumba, mit europäischen Perlen verziert.
Schmuck aus schwarzen Federn, Mussumba.
Nackenstütze aus Mussumba.
Desgl.
Desgl.
Schwarzes Thongeräth.
Elfenbeinpfeife mit angehängter Hornspitze, Mus-
sumba.
Elfenbeinpfeife, (menschliche Figur darstellend),
Mussumba.
Elfenbeinnadel mit geflochtener Schnur, Mussumba.
Elfenbeinnadel, durchbohrt, Mussumba.
Desgl.
2 Elfenbeinnadeln, durchbohrt, zusammenge-
bunden, Schmuck, Mussumba.
2 Elfenbeinnadeln, durchbohrt, (Schmuck), Mus-
sumba.
3 Elfenbeinnadeln, durchbohrt, Schmuckgehänge,
Mussumba.
Afrikanische Sammlungen.
134
2 Elfenbeinnadeln, zusammengebunden, Schmuck,
Mussumba.
Elfenbeinschmuck, einem Thierzahn ähnlich,
Mussumba.
Desgl.
Desgl.
Desgl.
Schmuckgehänge mit Elfenbeinplatte, Mussumba.
Elfenbeinpfeife, Mussumba.
Kleine Hornspitze, durchbohrt, an einem Ende
übersponnen, Mussumba.
Thierzahn, durchbohrt, an einem Ende über-
sponnen, Mussumba.
Thierkralle, durchbohrt (Schmuck), Mussumba.
Thierzahn, durchbohrt, an einem Faden, Mussumba.
Desgl.
2 desgl.
Elfenbeinnadel mit Platte, Mussumba.
Desgl.
Elfenbeinarmring, Mussumba.
Desgl.
Armringe aus Horn, Mussumba.
Holzpfeife (eine weibliche Figur darstellend),
Mussumba.
Hängeschmuck mit zwei menschlichen Köpfen,
Mussumba. (Fetisch am Arm getragen.)
Hölzerne Pfeife mit menschlichem Kopfe, Mus-
sumba.
Schmuck aus Bivalven ähnlichen eisernen Rasseln.
Desgl.
Desgl.
Musikinstrument zum Klimpern, Mussumba.
Korb aus Mussumba, mit schwarz ornamentirtem
Deckel.
Desgl.
Hängetasche, geflochten, mit Deckel, Mussumba.
Hängetasche, ohne Deckel, Mussumba.
Ringe aus mit Kupfer besponnenen Saiten,
Mussumba.
Ringe, kleiner, Mussumba.
Korb mit schwarz ornamentirtem Deckel, Mus-
sumba.
10 eiserne Schmuckringe, Mussumba.
2 aus Eisen und Kupfer gearbeitete Schmuckringe,
Mussumba.
Durchbrochene Zierplatte aus Kupfer, Mussumba.
Eiserner Schmuckring, rund, Mussumba.
Eiserner Schmuckring, flach, Mussumba.
2 eiserne Schmuckringe, rund, Mussumba.
Holzschüssel aus Mussumba.
Desgl.
Trinkgefäss aus Kürbis mit Gravirung, Mussumba.
Tabakspfeife, Nutopa, aus Mussumba.
Ringe aus Horn, aus Mussumba.
Gürtelähnlicher Schmuck aus geflochtenen Leder-
ringen, Mussumba.
Schwarz bedrucktes Mattenzeug aus Luba.
Grosses Tuch aus Luba.
Kleineres Tuch aus Luba.
Schädel der Kauanda, in Häusern der Vornehmen
in Mussumba aufgehängt.
Pfeil (halbmondförmig flache Spitze), aus Luba.
Desgl.
Desgl.
Desgl.
Desgl.
Pfeil (gezackte Spitze), Mussumba.
Desgl.
Desgl.
Stab mit Figur, Kabebe.
Löffel mit geschnitzter Figur (egyptischer steifer
Bart seit XII. Dynastie), Kabebe.
Fetischstab mit Figur.
Holzschüssel, verziert.
Strohkranz dazu.
Köcher mit drei Pfeilen.
Lanze mit breitem Blatt.
Lanze mit Widerhaken.
Desgl. (aufgesetzt).
Desgl.
Steindächsel mit Griff in Gesichtsform, Kabebe.
Zweite Reise:
Fetisch (Holz) mit Graskleid.
Holzfetisch mit Kupferbeschlag, Graskleid und
Eisengehänge.
Kleiner Fetisch aus Holz mit Kupferbeschlag und
Pelz und Schlangenhaut bekleidet.
Dolchmesser.
Beil, durchbrochen, der Stiel mit Kupfer beschlagen.
Desgl.
Desgl.
Paradeaxt, reich verziert.
Desgl.
Kurbatsch mit Kupfergriff.
Signalhorn mit Verzierung.
Desgl., kleiner.
Flöte.
Kopfschmuck der Batua.
Halsschmuck der Tuschilange.
Halsschmuck.
Zopfschmuck.
Holzschale mit Henkel, an einem Strick befestigt.
Kalebasse mit eingebrannten Verzierungen.
Götze aus Thon.
Desgl.
Hüftschurz der Benekki.
Stoffprobe aus geknüpftem Gras.
Afrikanische Sammlungen.
135
Zeugprobe.
Desgl.
Desgl.
Desgl.
Desgl.
Desgl.
Desgl.
Desgl.
Desgl.
Dritte Reise:
Riamba, Pfeifencalabasse der Tuschilanges.
Grosser Schild mit Pelz.
Grosser Schild aus Holz; ein Frosch auf dem
Mittelfelde.
Desgl.
Harpune.
Bündel Pfeile, Holzspitzen.
Köcher ohne Pfeile (Strohgeflecht).
Streitbeil mit Holzgriff (Schneide mit Kupfer
ciselirt).
Hölzerne Wurfkeule.
Tanzmaske von Holz, mit sehr langem Bart, aus
Gras, oben Federn, Lomami.
Signalhorn von Elfenbein.
Desgl.
Fetisch, Signalhorn von Elfenbein.
Panflöte.
Desgl.
Musikinstrument.
Kuhglocke aus Holz mit Strohband.
Rassel (Fetisch).
Grosse hölzerne Trommel, oben mit Wachspflaster
bestrichen.
Hölzerne Trommel mit Schlangenhaut, kleiner als
die vorige.
Tabackspfeife.
Hölzerner Kamm.
Desgl. mit Griff.
Spindel, Bambu mit Baumwolle.
Tabakspfeife (aus Holz) mit eisernem Stiel.
Fetisch (Schnupftabaksdose) Holzschnitzerei.
Geflochtenes Futteral.
Desgl.
Fischspeer.
Desgl.
Dünnes Stäbchen in einem Futteral aus Rohr.
Armbrust.
Grosse hölzerne Schöpfkelle (Löffel).
Rohrstab mit Verzierung.
Desgl.
Ständer zum Webestuhl.
Webestuhl.
Geräth zum Webestuhl.
Gewebte Matte, Gras von verschiedenen Farben.
Webegestell mit angefangenem Webestück.
Fetisch (Menschenzahn).
Thongefäss.
Desgl.
Desgl. mit eingedrücktem Ornament.
Desgl., ganz mit Verzierungen.
Tragkorb.
Desgl.
Pfeil mit kleiner Eisenspitze.
Lanze mit kleiner Spitze und glockenähnlichen
eisernen Rasseln.
Lanze mit hellebardenartiger Spitze mit Rasseln
am Fusse.
Lanze mit langer Spitze und verdicktem Schaff-
ende.
Lanze mit grosser Spitze und leichtem Schaft.
Lanze mit Widerhaken und unten dicker
werdendem Schaft.
Lanze.
Lanze mit Spitze.
Rohrstäbe, ein Instrument bildend (37 Stück.)
Aus den Reisen Lieutenant WlSSMANN’S (i883).
Schild aus Palmblattstielen, schwarz, weiss und
braun bemalt, 60: 36 cm, Batua.
Spielschild aus Palmblattstielen, hinten beflochten
und mit Holzgriff versehen, 57:27 cm,
Baschilänge.
Spielschild, vorn mit geflochtenen Ornamenten,
hinten beflochten und mit Holzgriff versehen,
61 :37 cm, Baschilänge.
Pulverhorn, (kürbis , flaschenförmig),übersponnen,
durch Handel der Kioko, i5 cm hoch,
Baschilänge.
Schwert, 38 cm lang, Eisen mit Kupfer tauschirt,
nebst punktirter Scheide, Baschilänge.
Hiebmesser aus Eisen, mit Kupfer tauschirt, mit
Holzgriff, 45 cm lang, Baschilänge.
Messer mit krummer zweischneidiger Eisenklinge,
Holzgriff, Baschilänge.
Hiebmesser mit Kupfer tauschirter Klinge, Grift
mit Kupfer umwunden, zum Theil durch-
brochen, 38 cm lang, Baschilänge.
Hiebmesser aus Eisen mit Holzgriff, 27 cm lang,
Baschilänge.
Messer, Eisenklinge mit Kupfer beschlagen,
Baschilänge.
Kriegshorn aus Holz, übersponnen, mit Haarver
zierung, 98 cm lang, Baschilänge.
136
Afrikanische Sammlungen.
Kriegshorn aus Holz, 33 cm lang, Baschilänge.
Kriegshorn aus Holz, mit Eidechsen- und
Schlangenhaut überzogen, 45 cm lang,
Baschilänge.
Kriegshorn aus Elfenbein, spitze Ende abgebrochen
durch Holz ersetzt, 28 cm lang, Baschilange.
Kriegshorn aus Holz, umflochten, 3i cm lang,
Baschilänge.
Eiserne Glocken (2 Stück), am Gürtel getragen
an einem Lederriemen. 6,5 cm hoch, 6,5 cm
Durchmesser, Baschilange.
Tabakspfeife aus Holz, 37 cm lang, Baschilänge.
Tabakspfeife aus Holz, mit zwei geschnitzten
Gesichtern, 40 cm lang, Baschilänge.
Tabakspfeife aus Holz, 21 cm lang, Baschilänge.
Schnupftabaksdose mit Reiber und Deckel (Elfen-
bein), nachgemachte Kioque - Arbeit, 6 cm
hoch, breit, 14 cm lang, Baschilänge.
Schnupftabaksdose aus Holz, Kioque, 4 cm hoch,
Baschilänge.
Schnupftabaksdose, Kürbis, mit Messing und
Kupferdraht verziert, 8 cm hoch (Kioque?),
Baschilange.
Schnupftabaksdose, Kürbis mit Holzstöpsel, 9 cm
hoch, Baschilänge.
Schöpfgefäss, Kürbis, reich verziert, 12 cm oberer
Durchmesser, 12 cm hoch, Baschilänge.
DoppelgefUss aus Holz, communicirend, 11 cm
hoch, 19 cm lang, Baschilänge.
Fuba-Löffel aus Eisen mit Holzgriff, 23,5 cm lang,
Baschilänge.
Holzlöffel, 25 cm lang, Baschilänge.
Tabakspfeife aus Holz mit Eisenrohr, 19 cm hoch,
29 cm lang, Baschilänge.
Löffel aus Figur, zum Theil roth bemalt, als
Griff; zum Glattstreichen und Leiten des
trocknen Fuba-Breies. Von den Wilden des
Urwalds. 42 cm lang, Baschilänge.
Schnupftabaksdose in Gestalt einer menschlichen
Figur, mit Reiber, am Gürtel getragen, 18 cm
hoch, Baschilänge.
Griff eines Hiebmessers, Holzschnitzerei mit Gesicht,
Baschilänge.
Armband mit drei Fetischen aus Holz, Baschilänge.
Fetisch aus Holz, Baschilänge.
Halsband aus (9) kleinen Kürbisschalen mit ein-
gebrannten Verzierungen, Baschilänge.
Salz in Bastumschnürung, Baschilänge.
Thon (wird gegessen von den Frauen), Baschilänge.
Kopfkissen, zugleich Schmuckkästchen, Kioko-
Arbeit, Baschilänge.
Probe Zeug, aus Bast gewebt, gemustert, Baschi-
länge.
Webstuhl für Bastgewebe (Muläle), mit angefangener
Decke, Baschilänge.
7 Zeugproben, gestreift, Baschilänge.
Axt aus Eisen mit Holzschaft, die Axt wird durch
einen Kupferring festgehalten, Wagenia oder
Wenia.
Axt aus Eisen mit Holzschaft, Kioque.
Schnupftabaksdose aus Holz, mit Reiber, am
Gürtel getragen, Kioqne.
Pulvermass aus Knochen mit Lederboden, Kreis-
ornamente, Kioque.
Schnupftabaksdose aus Holz, mit Deckel, Kioque.
Dolch aus Eisen mit Holzgriff, Bakuba.
Armring ausElfenbein, zwischenLubi und Lualäba.
Ring aus Elfenbein, zwischen Lubi und Lualäba.
Armring aus Elfenbein, zwischen Lubi und Lualäba.
Ring (Finger- ?) aus Elfenbein, zwischen Lubi und
Lualäba.
Armring ausElfenbein, zwischen Lubi und Lualäba.
Desgl.
Offener Armring aus Eisen, zwischen Lubi und
Lualäba.
Ring (Finger-) aus Elfenbein, zwischen Lubi und
Lualäba.
Eiserner Fingerring, zwischen Lubi und Lualäba.
Eiserner Armring, offen, mit Verzierungen,zwischen
Lubi und Lualäba.
Dünnwandiger Armring aus Elfenbein, durch
Punktlöcher verziert, zwischen Lubi und
Lualäba.
Fingerring aus Eisen, mit Verzierung, zwischen
Lubi und Lualäba.
Fingerringe aus Kupfer und Eisen, zwischen Lubi
und Lualäba.
Armring aus Kupfer mit breiten Enden, zwischen
Lubi und Lualäba.
Armring aus Kupfer, mit eigenthümlichem Schloss,
Forques - Verzierung, zwischen Lubi und
Lualäba.
Köcher aus Rinde mit 17 Pfeilen, Köcher 5o cm
lang, Pfeile 76 cm lang, von den Bassönge-
Leuten im Koto-Lande.
Lanzen-Spitze aus Eisen, mit Kupfer tauschirt
und durchbrochen, vom Fürsten Zäpu-Zäp
von Bassönge.
Pfeile (75 Stück), meist mit Holzspitzen, einige
mit Eisenspitzen, vergiftet, Bassönge.
Häuptlings-Stab mit eiserner Spitze und Schuh,
Schaft ganz mit Kupfer- und Eisenstreifen
bewickelt, Speer i,3o m lang, Spitze 55 cm
lang, Bassönge.
Axt, Kupfer tauschirt, mit Holzstiel, Bassönge.
Queraxt, mit Kupfer tauschirt, Stiel mit Kupfer-
und Eisenstreifen umwickelt, Bassönge.
Axt, mit Kupfer tauschirt, Bassönge.
Häuptlingsstab aus Eisen, darauf Fetisch (mit
Kupfer überzogen), Bassönge.
Afrikanische Sammlungen.
Deckelkorb, 19 cm incl. Deckel hoch, Bassönge-
Gehänge (Fetisch), bestehend aus einer Teich-
muschel und acht Thierzähnen in Geflecht,
Bassönge.
Halsband mit Menschenzähnen und einem Fetisch
aus einem Antilopenhorn und Haarbüschel,
Bassönge.
Wurflanze, Eisenspitze mit Kupfer tauschirt,
Schaft abgebrochen, Bassönge (Koto).
Speer aus Holz, Spitze fehlt, Fuss in Gestalt einer
menschlichen Figur, 1,28 m lang, Koto.
Bogen mit Schlangenhaut überzogen, die Enden
überflochten und in Kugeln endigend, Koto.
Axt, ganz durchbrochen gearbeitet, Koto.
Queraxt mit Elfenbeinstiel, Koto.
Axt aus Eisen, Koto.
Eisernes Messer mit convexer Schneide, Stiel mit
Kupfer bekleidet, Lupünga, östlich Koto.
Bastdecke (gewebt) mit gefärbten braunen Streifen,
Bassönge.
Dolch, Eisen mit Holzgriff, worüber Bastzeug
gehüllt, Koto.
Kriegshorn aus Elfenbein, Koto.
Kinderklapper aus Ruthen geflochten, Koto.
Riamba-Pfeife zum Hanfrauchen (Kalebasse), Koto.
Gefäss (Kalebasse), die Verzierungen sind mit
glühendem Eisen eingebrannt, Koto.
Löffel aus Kürbisschale mit eingebrannten Ver-
zierungen, Koto.
Korb, schwarz und gelb, Koto.
Fetisch aus Holz, mit kupfernen Knöpfchen
benagelt, Bassönge.
Armring aus Elfenbein, Koto.
Desgl.
Fetisch aus Knochen, Koto.
Halsband, Holzstab, auf den 16 Elfenbein-
Zierraten gezogen sind, Ivöto.
Haarnadel aus Eisen, mit Kratzer, Koto.
Haarnadel mit Kratzer, Koto.
Axtstiel aus Elfenbein, Benekki.
Axt aus Eisen, mit Holzschaft, Benekki.
Axt aus Eisen, mit Kupfer tauschirt und durch-
brochen, Stiel mit Kupfer- und Eisenblech-
streifen umwickelt, Benekki.
Halsband, Lederstreifen mit Kupferdraht um-
wickelt, vorn Kugel mit Kupferknopf, Benekki.
Fetisch, Holzfigur mit Augen aus Ivauri-Muschel,
das Haar ist durch Eisenschuppen dargestellt,
Gesicht mit Kupferblech verziert, Benekki.
Kriegshorn aus Elfenbein, Spitze mit Eidechsen-
haut, Bassönge, Benekki.
Schwert mit Scheide, aus Eisen mit Kupfer
tauschirt, Benekki.
Dolch; Eisen mit Holzgriff, Benekki.
137
Kriegshorn aus Elfenbein, unterer Rand aus-
gebrochen, Bassönge-Benekki.
Desgl., am unteren Rande und beim Blaseloch
mit Eidechsenhaut umwickelt, mit Sternchen
verziert, Benekki.
Desgl., ganz glatt, mit Traggurt, Bene'kki (Koto).
Axt aus Eisen, mit Holzstiel, verziert, Lupünga.
Axt mit Holzstiel, Klinge mit Kupfer tauschirt und
durchbrochen, Helm mit Eidechsenhaut über-
zogen, Lupünga.
Axt aus Eisen, mit Holzhelm und Faustschnur,
Klinge mit Kupfertauschirung, Lupünga.
Dolchmesser aus Eisen, Klinge verziert, Griff' mit
Kupfer und Eisen beschlagen, Lupünga.
Dolch, Eisen mit Kupfertauschirung, Grift um-
wickelt mit Lederstreifen, Lupünga.
Saiten instrument aus Rohr, Lupünga.
Desgl., 9 Stäbe, Lupünga.
Desgl., 8 Stäbe, Lupünga.
Desgl., 7 Stäbe, Lupünga.
Bogen, an den Enden umflochtene Kugeln,
Mikebur.
Axt aus Eisen, Helm mit Kupfer beschlagen und
mit Eisen- und Kupferstreifen umwickelt,
Russüna.
Axt, Klinge aus Eisen, mit 5 näpfchenförmigen
Verzierungen, Stiel durchbrochen gearbeitet,
Russüna.
Schwert, Eisen mit eingelegtem Kupferstreif,
Scheide Holz, Russüna.
Schwert, aus Eisen mit Kupfertauschirung, Scheide
Holz mit Leder überzogen und mit Pelz-
streifen verziert, Russüna.
Flöte aus Elfenbein, Russüna.
Pans-Flöte mit 9 Stimmen, Russüna.
Pans-Flöte mit 10 Stimmen und daran hängendem
Schaber f. d. Haut aus Eisen, Russüna.
Armring der Frauen aus Elfenbein, Russüna.
Flöte, mit Menschenkopf, darunter der Körper in
Punkten, Russüna.
Flöte aus Elfenbein, Russüna.
Axt, Eisen mit Holzschaft, Lomämi.
Bogen mit Thiersehne, Lomami.
Dolch-Messer, Rubunda (Samba).
Lanze mit Kupferspitze und dickem Fuss, Wurf-
speer, Rubunda.
Speer, Eisenspitze, oberes Schaffende mit Kupfer,
sonst mit Ziegenfell überzogen, Ukusu.
Dolch aus Eisen, Griff Holz mit Kupferbeschlag,
Samba.
Muläle oder Maläle, Gewebe aus Bast, welches
an der Küste (Manyema) als Geld gilt, in
Samba gefertigt.
Speer mit Eisenspitze und dickem Holzfuss, Samba.
18
Afrikanische
Prunklanze, Schaft oben mit Kupferblech, in der
Mitte mit Eidechsenhaut und Eisenringen,
unten mit Kupferblech und eisernem Schuh
geziert, Ukussu.
Speer mit Eisenspitze, Samba.
Bogen mit Thiersehne, Westküste des Lualäba,
östlich von Lomami.
Speer mit Eisenspitze und Eisenschuh, Schaft mit
Ziegenfell, Ukussu.
Speer mit 8 Widerhaken, Spitze aus Eisen, Ukussu.
Wurflanze (bis auf 5o Schritt Entfernung), Schaft
oben mit Kupfer umwunden, Ukussu.
Doppeldolch, Ukussu.
Dolch, Eisen mit Holzgriff, der mit Kupfer um-
wunden ist, Ukussu.
Speer mit Eisenspitze, Wage'nia (oder Wenia).
Ruder aus Holz, vom Lualaba, Wagenia.
Ruder, Spielzeug für Wagenia-Knaben.
Dolchmesser aus Eisen, Wagenia.
Halsband, mit i5 Elfenbeinzierraten, darunter ein
Menschenkopf, Bassönge.
Speerspitze.
Messer mit convexer Schneide, Benekki.
Deutsche Tricolore (quer durch Afrika getragen).
Ganoe mit Bemannung bemalt, Kamerun.
Bemaltes Ruder, Kamerun.
Dolch mit Scheide.
Kleiderprobe, benäht und gestickt.
Zweite Reise:
2 Lanzen, oberer Gongo.
Lanze.
Desgl.
Desgl.
Desgl.
Desgl.
Lanzenspitze.
Desgl.
Messer (Schwert).
Messer, geschweifte Klinge.
Messer, Holzgriff.
Dolch.
Desgl.
Bogen mit Sehne.
Bogen ohne Sehne.
Kriegshorn, Elfenbein.
Ruder, Badinga.
Schild, geflochten, Bangala.
Holzpfeil mit 3 Spitzen, Badinga.
Bündel Pfeile (12 Stück), Badinga.
Tabaksdose, flaschenartig, Holz, Bangueli
(Franzius).
Desgl.
Tabakspfeife, Bakuba (v. Franzius).
Armring von Messing, Bateke.
Sammlungen.
Zeug, bedruckt.
Bastzeug mit Quasten (Schamschürze?).
Holzsessel, Bayanry.
Grosse Trommel, menschliche Figur, Balugu.
Thongefäss, zerbrochen, mit Deckel.
Wurflanze mit eiserner Spitze, Schaft mit ein-
geschnittenen Verzierungen, unten beflochten,
Usongora.
Wurflanze mit kantigem Schaft, Usongora.
Kriegshorn aus Elfenbein, Usongora.
Schild aus Holz, leicht beflochten, Bassi-Malunga,
Nordwestküste des Fauganjika-Sees.
Messer aus Eisen mit Scheide aus Elephantenhaut
und Kupfer, Bassi-Malunga.
Speer mit Eisenspitze, mit profilirtem Handgriff,
Ubujwe.
Köcher mit i5 Pfeilen, Pfeile vergiftet, Ubujwe.
Bogen mit Thiersehne, Ubujwe.
Holzkeule mit Doppelkopf, Ubujwe.
Holzschwert, Modell (Kinderspielzeug), Ubujwe.
Messer mit Scheide, Ubujwe.
Desgl.
Desgl.
Desgl.
Messer aus Eisen mit Scheide aus Holz und mit
Eidechsenhaut überzogen, Ubujwe.
Messer aus Eisen mit Elfenbeingriff, Scheide mit
Messingdraht, Ubujwe.
Bastzeug, braun, Ubujwe.
Rassel mit Fetisch, Zauberstab, Uguhha(Waguhha).
Bogenhalter in Gestalt einer weiblichen Figur,
Uguhha (welche den Kioque an Sitten äusserst
ähnlich sind).
Speer mit Eisenspitze und Schuh, Uwinza.
Speer mit Eisenspitze, Schaft unten abgebrochen,
Uwinza.
Speer mit Eisenspitze und Schuh, Uwinza.
Desgl.
Speer mit Eisenspitze und Fussspitze, Schaft am
oberen Ende mit Rotang umwickelt, Uwinza.
Lanzenspitze aus Eisen, Uwinza.
Lanze mit Eisenspitze und -Fuss, Schaft oben
und unten mit Eisendraht umwickelt, Uwira.
Speer mit Eisenspitze, Schaft oben mit Leder
überzogen. Uhha.
Bogen aus Holz mit Thiersehne, Uhha.
Bogen aus Holz mit Thiersehne, ein Ende mit
Leder überzogen, Uhha.
Desgl.
Keule aus Holz, Kopf mit Fell überzogen, Uhha.
Fellmantel (Fellmosaik), braun, weiss und schwarz,
Uhha.
Lanze mit Eisenspitze, vom Mirambo.
26 Stück Pfeile, Holzschaft, mit Eisenspitzen,
Köcher dazu aus braunem Fell, Mirambo.
Afrikanische Sammlungen.
Lanze, Uniamuesi.
Löffel aus Holz, Unianiembe.
Bogen mit Schnursehne, Tabora.
Löffel aus Holz, Unianiembe, in Tabora gekauft.
Schild aus Rohr geflochten mit Ledereinfassung,
Uganda.
Baumwollenes Tuch mit Frangen, schwarz, weiss
gestreift, Fipa.
Schwert aus Eisen, Scheide aus Holz mit Leder
überzogen, Ugogo.
Flöte aus Elfenbein, Ost-Afrika.
Dosen aus Holz mit Deckel, Ost-Afrika.
Bunte Strohmatte, schwarz-gelb-roth und grün-
gelb gestreift, viereckig, Ost-Afrika.
Aus der Reise des Lieuti
Bogen der Bapoto (Zwerge).
Schild der Bapoto (Batwa).
18 Stück vergifteter Pfeile der Bapoto amTschuapa.
Messer der Bapoto (Batwa).
Tabakspfeife der Imballa am Tschuapa.
Kopfbedeckung mit Hundezähnen der Imballa
am Tschuapa.
Schild der Imballa.
Keule, (Kampfstock) der Imballa.
Messer der Imballa am Tschuapa.
Desgf
Messer der Boman fui am Tschuapa.
Guitarre der Lussake am Tschuapa.
Elfenbeinsignalhorn, Holzverlängerung, Udollo,
Tschuapa.
Hüftentuch.
Messer der Udollo am Tschuapa.
Allarmglocke von Eisen, Bangombe, Ibundi am
Bussera.
Fetisch Q, Bangombe.
Signalhorn aus dem Horn der Wasserantilope,
Bangombe.
9 Pfeile der Inkundo am Bussera.
Trommel der Inkundo am Bussera.
Stuhl der Inkundo am Bussera.
139
Bunte Strohmatte, schwarz-gelb und bunt gestreift,
viereckig, Ost-Afrika.
Bunte Strohmatte, oval, gelb mit bunten Mittel-
und Randstreifen, Ost-Afrika.
Zeug aus Palmblattfasern, bunt gestreift, Ost-Afrika.
Desgl.
Tabaks-Pfeifenkopf aus Stein, vom Mirambo.
Schild, Holz mit Geflecht, Manyema.
Holzschild, beschnitzt, Manyema.
Desgl., schwarz-weiss bemalt, Manyema.
Wurflanze mit Eisenspitze, Manyema.
Desgl.
Desgl., sehr gross, Urwalds-Manyema.
Desgl., Eisenspitze und -Schuh, Usongora.
Desgl.
int von François (1885).
Rothe Thonfarbe zum Schminken, Inkundo am
Bussera.
Thonvase aus Tumba.
Eisen, in der Form, wie es in den Handel kommt.
Frauen-Tournüre in Incumbi, Balolo.
Mädchen-Tournüre in Incumbi, Balolo.
Kopfbedeckung der Balolo, auch am Congo und
am Tschuapa im Gebrauch.
Desgl.
Bogen der Balolo.
Messer der Lulongo.
Reibkeule (Küchengeräth), Baringa.
Essnapf, Baringa.
Häuptlingsschelle mit Stiel, Baringa.
Desgl., kleiner, Baringa.
Bogen der Baringa.
Essschüssel der Baringa.
Armstuhl der Baringa.
Bogen der Baringa.
Mütze der Bakuba am Kassai.
Umhängetasche der Bakuba am Kassai.
Häuptlingspfeil der Bakutu.
Halsschmuck aus Zähnen und Bohnen, der Bakutu.
Holzkamm der Tukongo am Kassai.
Schürze der Frauen am Mangalafluss.
Von dem Reisenden Flegel wurden von den auf seiner früheren Reise
in Gaska gesammelten Gegenständen die folgenden übergeben (nach
dem Original-
1 „Achter” für Danun aus Asa Tuggumgebiet,
Kriegslager des Gaska-Königs.
1 Feuerzeug, Stahl von Gife und Tasche aus
Asa Tuggumgebiet.
1 Eisen-Löffelgabel des Arnad Dumbai daselbst.
1 Haarnadel der Berabe-Frauen, auch als Messer
gebraucht; daselbst.
■ Verzeichnis);
1 Eisen-Haarnadel der Täkum-Frauen (Galudji).
3 Armbänder der Kambu westl. vom Kriegslager
der Zambo.
„Madiddl” (Haussa), „Osuü” (Joruba), bearbeitetes
Rothholz zum Färben des Körpers.
1 Elfenbein-Blaseinstrument, Quabirraflöte, d. h,
Kriegsknechtflöte, Gaska-Gebiet.
18*
140
Afrikanische Sammlungen.
1 Lilidje, Kriegskopfputz Fuldesklaven, d. Gaska.
4 Stück Schilde der Kasskam, werden vor dem
Gebrauch ins Wasser gelegt, wie alle Stroh-
und Pflanzenfaserschilde dieses Gebiets.
2 Stück Schilde der Berabe.
1 Holzschild der Kambu.
2 Schleudern, eine aus Wawa (Weg nach Gaska),
eine aus Gaska?
1 Rindenzeug, Kriegslager der Zambo.
Männer- („Vor”- und „Achter”-) Bekleidung.
Aboro der Tuggumawa; der Gegenstand stammt
aber von den Turba und ist eine Vorrichtung,
in welcher die Mütter von Säuglingen diese
auf dem Rücken tragen; Ort Luggere bei
Gaska.
2 Stück Tragkörbe, Ako, Name der Tuggumawa,
aber ebenfalls Gegenstand der Turba, Ort
Luggere.
2 Stück Kopfputz für Kriegsknechte, aus Federn,
Lilidje.
Alkarimi dja (rothe Alkarimi), wird gegen Kopf-
schmerz, Geschwulst namentlich angewendet,
auf einem Stein gerieben und dieses Pulver
mitWasser angefeuchtet auf die geschwollenen
Körpertheile gestrichen, die es bald heilen soll.
Bobu, eine Vorrichtung, um Säuglinge auf dem
Rücken der Mutter festzuhalten, Tuggumawa.
Abörö, Bobu, Ako etc. sind überall im ganzen
Gaska-Gebiet, das sich namentlich gegen
Westen erstreckt (Weg nach dem Kriegslager
der Zambo).
2 Stück rothes Leder vom Jotamarkt im Werthe
von je i Berue. 3 Stück Leder = i Denue
Crogden. Gebl. Baumwolle, Manchesterwaare.
i rothes Leder.
1 Dankanae der Kambu, Kriegslager der Zambo.
2 Elfenbein-Armringe, Gaska.
i Elfenbein-Sanda, Angriffswaffe zum Schlagen,
von Madugu von Kontsa mitgebracht.
Tamaze, Strick zum Sclavenbinden.
i Strohschild der Mombila, von Bagnio erhalten,
i Klapper der Tikkar.
1 Bano, Eisengeld in Bagnio.
Im Bagnio erhalten:
2 Stück Lilidje, Federzierrath der Mombila.
12 Stück desgl., darunter eins mit Kappe.
3 Stück Kaukam (Bufuüg), Strohbeutel der Ba-
luing oder Bafuing. Der König sendet solche
seinen tributären Fürsten zu mit dem Gesuch,
sie mit Reichthümern zu füllen.
4 Stück Thonpfeifenköpfe der Mombila (Kanni-
balen).
45 Gegenstände der Knochenschnitzerei - Arbeit
eines Haussa-Mannes im Bagnio.
2 Eisendoppeispitzen zur Herstellung der Orna-
mente.
1 Aufsatz für Speerbündelspitzen aus Bahnung?
Bahnung, ein Band über die Schulter gebunden
zum Tragen von Säuglingen.
1 Bahnung - Messer mit Lederscheide, Haussa-
Arbeit.
1 Bahnung ? Dankanae-Schwert, Geschenk des
Galladima Mongulu vom Bagnio für das
Kgl. Museum v. Berlin.
10 Stück Lilidje, Feder-Kopfschmuck für Krieger,
Tarfar, Mombila etc.
3 Stück Musikinstrumente, ähnlich wie von den
Mbum mitgebrachte (Ngaunderi).
2 Beutel (Kamkam) aus Strohgeflecht, Bahun,
Tikkar etc.
3 Dankanae, zwei in Scheide, eins ohne Scheide.
Eine Scheide Strohgeflecht, Tikkar? mit
|]T| Ornamenten; eine Scheide Weinpalm-
blattmark, Bahun?
1 Kidir, kleine Trommel der Kotoho oder Kotofo,
Geschenk des Galladima Mongulu.
1 Dankanae in Scheide, Buto-Arbeit nach Aussage,
1 Kidir, Trommel aus Wawa, Stadt und Gebiet
bei Bagnio, mutuum Tarfar su nu fito da
qa Wawa?
1 Schloss mit Schlüssel von einem Kanaeschmiede -
meister von Ruf, Makubei.
Kuskuw ami, eine abführende Wurzel eines
Strauches.
Pfeilgift uwan magaui, Mutter der Medicin; wirkt
aber nur erst wenn zusammengekocht mit
Schlangenköpfen, Scorpionen und Tausend-
fussen und anderem giftigen Zeug.
1 Busu-Hausi, ein kleines Blaseinstrument aus
Elfenbein.
1 Lilidje, Putz für Krieger.
1 Musikinstrument.
1 Dankanae.
1 Mütze, Geflecht der Bähung nach Aussage.
Die Batu weit im Süden sollen Kupfer- und
Messingschilde besitzen und solche Kessel etc.,
Metallarbeiten.
2 Stück Kamkam.
2 Lilidje. Es soll ganze Anzüge, aus Federn her-
gestellt, geben; ich habe ersucht, mir all der-
gleichen Gegenstände bis zur Rückkehr auf-
zuheben.
1 Musikinstrument, lederüberzogenes Horn der
Buto?? Wahrscheinlich aus Bornu.
1 Kiddir der Mombila, Geschenk des Königs.
Afrikanische Sammlungen.
i Kiddir, Wawa bei Bagnio?
i aus Korkholz geschnitzte ovale Schüssel, Ba-
hungarbeit. Leider sehr verstümmelt durch
den Barbaren Galladima Mongulu, der den
Kopf, welcher das Ende am Griff zierte, und
den verzierten Fuss der Schüssel abschneiden
liess, weil er nach Aussage das Menschen-
141
ähnliche mit einer Art Grauen betrachtete.
Vor guten Nachbildungen von Menschen oder
Thieren bezeigt sich das muhammedanische
Mischvolk stets erstaunt, ja erschreckt, bedeckt
die Augen mit der Hand oder wendet sich
ab. Ob das mit der Religion zusammenhängt,
die Nachbildungen der Götter verbietet?
Von den Reisenden der Afrikanischen Gesellschaft übersandte Sammlung
aus den Stationen in Ost-Afrika, mit einem Begleitbrief Paul Reiehard’s,
als Mitglied der Expedition (mit Dr. Böhm und Dr. Kaiser).
Wanyamuesi.
Kleidungsstücke:
Felle, Kinnijamesi ndiri, von kleineren Anti-
lopen, z. B. Suara (Zwergböckchen, Cephala
lophus), Viverren, Vivena genetta, Civetta.
Entweder vorne und hinten in einen Lenden-
riemen gesteckt, oder über die Schulter gehängt.
Löwen- und Leopardenfelle dürfen nur von
Watemi und Wagaue (Könige oder Häuptlinge
und Adlige) getragen werden oder überhaupt nur
berührt. Die Felle werden nach dem Abziehen
in der Sonne aufgespannt, getrocknet und dann
geknifft mit einer Thonscherbe bearbeitet, nicht
gegerbt.
Rindenstoffe. Vorzüglich noch abseits der
Karawanenstrasse getragen.
Von den Bäumen simanga und miambo.
Die Rinde wird vom Stamme abgeschält und nach
Entfernung der äusseren harten Schichte einige
Tage in Schlamm gelegt, welcher ihr eine blau-
graue Farbe giebt. Hierauf mit einem Hammer
aus Ebenholz oder Rinoceroshorn auf einem
glatten Stamme geklopft und dabei fortwährend
durch den Mund Wasser aufgespritzt. Die Stücke
vergrössem sich dabei sehr.
Baumwollstoffe. Die Baumwolle (siehe
Herbarium) wird auf einer Spindel, duti, inner-
halb unendlich langer Zeit zu Faden gesponnen.
Die Spindel wird auf dem nackten Oberschenkel
in Drehung versetzt.
W e b s t u h 1 (siehe Zeichnung).
2 Stangen (a1 und a3) werden auf eingegrabene
Gabelhölzer (e e e e) festgebunden, dann die Kette
aufgespannt. Siehe 1. d an drei Schnüre unter
einem Sonnendache bei f festgebunden, b1 und
b3 wie bei 2 durchgesteckt, k1 kommt so eben
hin und wird an d durch g befestigt. Dann b2
eingesteckt 4. Dann b1 eingesteckt, zuvor das
Wag alla ganza.
Schiff c bei y durchgesteckt und der Einschlag
befestigt; dann b1 bei x durch und der Einschlag
mit b1 angeklopft; dann b1 herausgezogen; dann
142
AfriKanische Sammlungen.
mit der Hand resp. b2 bei z k1 und k2 nieder-
gedrückt und zugleich b1 eingesteckt, siehe 8.
Dann b2 entfernt 9, nachdem zuvor c durch-
gesteckt; dann wie bei 10; dann wieder b2 11
eingesteckt u. s. f.
Die Stoffe werden bei beiden Geschlechtern
(ursprünglich) um die Lenden geschlungen. Die
Frauen tragen unter denselben vorne ganz kurze
und hinten ganz lange Schürzen aus demselben
Stoffe.
Kinder weiblichen Geschlechts tragen immer
eine Schürze. Knaben gehen etwa bis zum 12.
Jahre nackt.
Schmuck.
Ausser den eingeführten und allgemein ge-
bräuchlichen Glasperlen:
Kopfputz aus Stroh, mauasi;
aus Zebrahaaren, im Kampfe und bei
Feldarbeit getragen, ngikili;
aus Federn, ngalla;
aus Ziegenhaaren, mkauga;
Der ubtemi trägt als Zeichen seiner Würde
Kanusschnecken-Platten iwauga an der Stirn
und wird dem abgeschnittenen Kopfe einer solchen
das betreffende Stück Stirnhaut ausgeschnitten.
Ruga Ruga dürfen diese Platten im Kampfe
ebenfalls tragen.
Frisuren:
Männer: ganz kahl rasirt, kurz geschoren,
d. h. mit einem scharfen Messer die einzelnen
Löckchen abgeschnitten, Figuren ausrasirt, auf
der Mitte des kahlrasirten Kopfes raupenförmig
oder buschartig sehr wohl gepflegte Schöpfe,
erstere besonders von Elephantenjägern getragen.
Zöpfe: gedreht und nicht geflochten, einzelne
starke, strahlenförmig abstehend, dicker oder
dünner, massenhaft, gedreht oder mit Bast und
Perlen umwickelt. Andere ganz fein schnurartig
gedreht, spiralförmig um den Kopf gelegt, in einer
Spitze endend. Ruga Ruga. Die Haare lang
stehen lassend mit Daugo (Erde) und Fett ein-
geschmiert, wodurch sie sich klümpchenweise
zusammenballen und perrückenartig über den
Kopf fallen und über das Gesicht hängen.
Frauen: einfach kahl rasirt, oder bis zur
Scheitelhöhe rasirt oder kurz geschoren.
Ohrschmuck.
Blumen, grellfarbig.
Ribninhalsstücke.
Zusammengerollte Palmblattstreifen. Abge-
gessene Maiskolben. Baumwollflocken, in den
Gehörgang gesteckt.
Aller künstliche Ohrschmuck ist importirt.
Ausserdem stecken sich die Männer oft Blumen
in die Haare oder kleben sich mit Speichel
Blumenblätter auf Stirne und Wangen.
Halsschmuck.
Aus Stroh, masita;
aus Giraffenhaaren, singa;
aus Elephantenhaaren, zugleich für
Knöchel;
aus Früchten;
aus Elfenbeinplatten und Muscheln, für
Hunde aus Zebramähne.
Armschmuck.
Aus Kupfer für Männer;
aus Elephantenhaaren, wie oben.
Lianen.
Aus Stroh, wie oben;
aus Elfenbein, mit Ringen aus Leder, um
das Ueberstreifen zu verhindern.
Für Frauen aus Kupfer und Messing, oft
5—6 an einem Arme.
Sonst ähnlich wie um den Hals.
Knöchel.
Aus Stroh, dicke, verunzierende Massen.
Im Uebrigen ganz wie oben.
Um die Lenden tragen die Frauen dicke
Perlenschnüre.
Tänzer- und Kriegsschmuck.
Ueber der Brust gekreuzt, um Arme, Schenkel
und Knöchel befestigt. Ausserdem von der Küste
aus eingeführte Schellen. Zum Fliegenabwehren,
als Schmuck und als Ganga.
Fliegenwedel aus Schwanzquasten. Am be-
liebtesten aus Giraffenschwänzen.
Tätowirung.
Als Stammesabzeichen über die Stirn bis zur
Nasenwurzel und längs der Schläfen je eine gerade
Linie. Dieselbe wird durch zusammengebundene
Nadeln oder Dornen eingestochen und dann mit
Tabaksutter oder Pulver eingerieben.
Ausserdem concentrische Ringe auf dem
Oberkörper. Ein weiteres Stammesabzeichen
die inneren Ecken der beiden mittleren oberen
Schneidezähne mit einem kleinen gewöhnlichen
Beile mittels Schwingen eines Stück Holzes ab-
geschlagen.
Ein eignes Instrument hierzu existirt nicht,
Afrikanische Sammlungen.
143
Hausgeräthe.
Matten aus Schilf, kirago;
aus Baumrinde, igula.
aus Mrumbabaum. Die Rinde wird abgeschält
und mit einem Hammer aus Ebenholz, kamö,
oder Rhinoceroshorn, nachdem sie in Schlamm
gefärbt, wie der Stoff geklopft.
Stühle, kifumbi, aus Ninga, mit einem Beile
bearbeitet, biso und mit glühendem Eisen schwarz
gebrannt.
Koch- und Wasser gefä ss e.
Thonkrug, sililo.
Flasche.
Alle Gefässe werden ohne Töpferscheibe aus
freier Hand geformt.
Für Pambe dieselbe Form, nur grösser.
Thonproben.
Kaleb assen.
Ribuin zum Schöpfen;
zum Wassertragen, sigondo.
Holzplatten.
Teller, lupä.
Teller zum Aufträgen; lupä.
Lindo muwa, in allen Grössen, von 5 cm
bis zu 2 m Durchmesser. Letztere zum Auf-
bewahren von Getreide, ohne Deckel, mit Lehm
zugeschmiert.
Sieb, msiso, zum Durchseihen der Pambe,
aus Palmblättern geflochten.
Reibsteine, hier aus Granit.
Eine etwa 0,4 zu 0,6 m grosse Platte, inwe,
ein kleiner Reibstein, ncho, ein kleiner faustgrosser
Stein zum Schärfen, nchinda.
(ch, ausgesprochen wie in nicht).
Der Stein wird in Lehm gesetzt (während
der Regenzeit im Hause, während der trockenen
im Freien reihenweise 10 bis i5 Stück neben
einander.)
Davor eine kleine Mulde geformt, zur Auf-
nahme des Mehles. Es wird knieend unter ganz
besonders abscheulichem nervenaufregenden häss-
lichen Gesang oder vielmehr Geheul gerieben.
Besen, kajo, aus Gras, zum Zusammenfegen
des Mehles und zum Reinigen.
Mörser, aus Holz, zum Mehlstampfen, itulli.
Schüttelkorb, zum Reinigen der zu mahlen-
den oder zu stampfenden Frucht, sangoa.
Löffel znm Kochen, mtingo.
Löffel zum Glätten der Negalli oder Reisses.
Feuerzeug. Ein etwa meterlanger Stab aus
hartem Holze, ulindie oder msongka, wird
zwischen den Handflächen auf einem beliebigen
andern weichem Holze mit harter Unterlage so
lange gerieben, bis der abfallende Kohlenstaub
zu glimmen anfängt. Auf bereit gehaltenes dürres
Gras gebracht so lange geblasen, bis Feuer entsteht.
Es ist diese Manipulation keineswegs so sehr
schwer, wie immer beschrieben wird, und gelang
es Dr. Kaiser ganz gut auf diese Weise Feuer zu
machen.
Werkzeuge und G e r ä t h e.
Einziges Ackerbaugeräth eine herzförmige
Hacke aus Eisen.
Igembe aus altem Eisen, im Lande hergestellt
andere Formen sind importirt.
Beil, passä.
Querbeil, biso.
Hämmer aus Eisen, nach europäischen
Mustern, Hämmer aus mit Basthandgriffen ver-
sehenen Steinen. Ambas, ein glatter harter Stein.
Hämmer zur Stoffbereitung, siehe oben.
Webestuhl und Spindel, siehe oben.
Nadeln, hier gefertigt, usinga.
Rasirmesser, rugembe.
Auch Pfeile und gewöhnliche Messer versehen
diesen Dienst.
Messer zum Schnitzen, Kälä.
Kamm, Kassakü.
Sichel zum Abschälen von Rinde für Binde-
material. nicht käufllich gewesen.
Rauchapparate.
Wasserpfeife für Hanf und Tabak, soha
jansemu.
Der Buiu muanga, der Kopf mjungu.
In Ermangelung einer Pfeife, z. B. im Walde,
wird aus der Erde geraucht oder aus aus-
gehöhlten Mhago der Maiskolben.
Mtemba für Frauen, hauptsächlich mit Zange,
ndemio mcumba, zugleich zum Bartauszupfen, oft
auch ganz aus Eisen.
Schnupftabakdosen.
Aus Früchten.
Musik- Instrum ente.
Ngubu. Ein alter oder eigens dazu geschnitzter
Bogen, mit einer Sehne oder dünnem Messing-
drahte bespannt. Etwas ausserhalb der Mitte ein
halber Buiu als Resonanzboden. Mit der linken
Hand wird das Instrument mit der Oeffnung der
Buiu an den Bauch gedrückt, auf den Mittelfinger
derselben Hand das Halsende eines Buiu ge-
steckt und in eigenthümlichem Takte auf den Buiu
geklopft. Die rechte Hand bearbeitet mit einem
Stäbchen oder dicken Strohhalm die Saite, und
können nur zwei, höchstens drei Töne durch
Anlegen eines Fingers der Linken an die Saite
hervorgebracht werden. Die ngubu spielt eine
grosse Rolle bei den Tänzen der Ruga Ruga,
144
Afrikanische Sammlungen.
wobei jedoch immer nur einer ein solches Ding
klimpert. Das Spiel klingt, besonders durch das
Beklopfen des Resonanzbodens ganz abscheulich
und ist das Instrument in LJnianiembe vom Mtemi
und den Arabern auf das Strengste verboten (ä la
Kri - Kri). Zuwiderhandelnden wird es auf dem
Kopf zerschlagen und dann der Verbrecher so
lange geprügelt, bis er bewusstlos niedersinkt.
Hier haben wir es verboten und werden alle
Corpora delicti confiszirt.
Nauga.
Trommeln, mit beliebigen Hölzern oder mit
den Händen geschlagen.
Sepepe, Buiu mit rebenartigen Früchten
schiroka), von Frauen zwischen den Fländen hin
und hergeworfen, auch als verschiedene Ganga,
abscheuliches Instrument.
Hörner aus Antilopenhörnern, nur im Safar
geblasen.
Spazier stocke.
Aus Holz, meist Koma- oder Rhinoceroshaut.
Waffen.
Bogen, utha.
Die Sehne aus zwei Hautstreifen, lugä. Der
Bogen wird von der Mitte aus geschnitzt und an
den Enden etwas über Feuer gebogen. Sehr mit
Fett geschmiert.
Der Pfeil, isonga, dessen Einschnitt sehr tief
ist, wird auf die Sehne gesteckt, dieselbe mit den
Vordergliedern vom Zeige- und Mittelfinger unter
dem Pfeile gefasst und mit dem zweiten Gliede
des Zeigefingers der Pfeil auf der rechten Seite
nach links an die Sehne gedrückt und dann
gespannt. Da man so über den Pfeil frei weg-
sehen kann, ist ein genaueres Schiessen möglich,
doch sind die Wanyamesi keine Meister darin. Ihre
Bogen schiessen auf höchstens 160—170 Schritte.
Pfeile, isonga, nur die befiederten sind eigent-
liche Wanyamesipfeile. Doch machen sie viel-
fach auch jetzt andere Befiederung. Andere
Formen der Spitze sind von anderen Stämmen.
Jagdpfeile mit Holzspitzen, Kisänge. Vogel-
pfeile mit verdickten Spitzen aus Holz, kitulo.
Lanzen, itimmü. Lanzen für Elephanten
ja usafu. Ganz kleine Wurflanzen pallala.
Lanzen werden geschleudert und sind Lieb-
lingswaffe, doch ist auch hierin die Geschick-
lichkeit nicht gross. Vor dem Wurfe wird die
Lanze mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger
gefasst, mehrere Male gegen den Handballen
gestossen, dass Spitze und Ende vibriren und dann
mit der ganzen Faust geschleudert.
Keulen, itonga, aus Wurzelknollen oder
mehr zum Schmucke. Kriegsbeile sind nicht ein-
heimisch, sondern alle aus Uwemba, Messer, Kälä.
Jagd-Fischerei:
Die Wanyamuesi sind keine Jäger, sondern
betreiben Jagd nur nebenbei. Hasen werden mit
Hunden gehetzt, das übrige Haarwild und Ge-
flügel meist gefangen.
Fallgruben, Wildzäune, in deren Lücken
mit Stroh verdeckte Gruben sich befinden. Für
Schweine zuweilen mit ein gesteckten spitzen
Pfählen, für Wiboko kiu matomombo runde
brunnenartige Löcher ohne Zaun.
Hohe Netze, mit Stangen festgesteckt. Das
Wild wird hineingetrieben und verstrickt sich in
den Netzen, welche sogleich Umstürzen. Haupt-
sächlich werden hier Affen so gefangen.
Prügelfallen mit sehr complicirtem und
unpraktischem Abzüge, entweder an Wechseln
oder in Feldzäunen. Für Federwild Schlingen
auf theilweise erzwungenen Wechseln für Enten
in Sümpfen.
Fischnetze, ganz schmal, nur für seichtes
Wasser. Sackartig, mit zwei Stangen, die Fische
werden hineingetrieben, ukilä.
Reusen, durchaus wie europäische. Häufig
in künstlichen Wehren angebracht, ugunö.
Fischangeln, ulowö.
Boot, iatö. Aus einem Stücke Rinde an
beiden Enden aufgebogen und zusammengenäht
und durch Stäbe gespreizt.
Ruder, mtingkö, aus einem Stück geschnitzt.
Gauga, Medicin. Ueber dieses Kapitel be-
halten wir uns für später zu berichten vor.
Kunsterzeugnisse.
Schnitzereien, meist nur an Hausthüren und
Hauspfosten.
Malerei auf der Aussenseite des Festungstambe
(ipuri) stellt nach Angabe einen Ruga Ruga vor.
Hausthüre. Der andere Flügel ist ganz glatt.
Hauspfosten, Vorder - und Seitenansicht.
Thüre der Ipuri.
Thüre der Quikuru (Wohnsitz des Metemi). Die
weiblichen Brüste sind für dasselbe characteristisch.
Meissei, Zeichnungen auf grauem Grunde.
Sie haben weiter keine Bedeutung.
Thüre am Ipuri.
Malerei an einem Jembe annutu, ein Munn.
b) Nichts, wahrscheinlich ein verunglücktes Thier.
c) usui (kisuaheli dschui) Panther, d) mutu meann.
e) njau, Katze, f) mkima, Frau, g) mutu, Mann,
h) mutu, Mann.
Spiele.
Brettspiel, paugo, die Steine dazu usumbi.
Afrikanische Sammlungen.
HS
Verzeichnis der in Afrika im Jahre 1884 gesammelten und dem Museum
für Völkerkunde als Geschenk überwiesenen ethnographischen Objecte
von Wilhelm Joest.
B a r o 1 o n g.
Ein Frauenmantel aus dem Fell des
„hartebeest” (Antil. caama) ser: „Khama”, mit
aufgenähten Verzierungen aus Ochsenhaut. Der-
selbe wird in der Weise getragen, dass der kurze
Schweif des Thiers im Nacken der Trägerin in
die Höhe steht. Ein Geschenk des (damaligen)
Häuptlings Sepinare (Sepi: „Eisen”, nare: „Büffel”,
in der Zusammensetzung „Hammer”,) dem Sohne
von Moroka (More: „Medizin”, oa: „dieses”, oka:
„herbeiführen”, also: „Medizin, die herbeiführt”
und zwar „Regen herbeiführt”.)
Strohhüte, Seiher für Kafferbier und sehr
kunstvoll geflochtene grosse Gefässe. Wenngleich
letztere nicht vollkommen „wasserdicht” sind, so
lassen sie doch schwerflüssige Stoffe, wie Hirse-
brei, geronnene Milch und dergl. nicht durch.
G r i q u a.
Ein „Dollos”. Derselbe wird von den Kaffern,
meist aber von Hottentott-Mischlingen, Griquas,
Korannas u. s. w. benutzt, um den Bauern, denen
Ochsen oder Pferde abhanden gekommen sind,
zur Auffindung derselben behülflich zu sein; die
Wahrsager lösen die Stücke von dem Faden,
werfen sie ein paar Mal auf den Boden und sagen
dann, je nach der Lage der einzelnen Stücke, wo
die Thiere sich befinden u. s. w. Die Theile
bestehen aus Straussenzehen, Gelenkstücken,
Knochen, Hornplättchen u. s. w. Auch bei Krank-
heiten und Wahrsagen im Allgemeinen werden
sie benutzt, gerade so wie schon Attila seine
Knöchel um Rath frag oder wie der Turkmene
sie in Central-Asien benutzt. Unterhaltend ist es,
dass die schlauen Hottentotten mit diesem „dollos”
meist ganz richtig wahrsagen, und es spricht für
die unerschütterliche Harmlosigkeit der Bauern,
dass sie noch immer nicht, gerade darum, den
Glauben an den Zauber verloren haben. Es
versteht sich von selbst, dass der Wahrsager oder
einer seiner Freunde das abhanden gekommene
Thier selbst nach dem später zu bezeichnenden
Ort getrieben hat.
Betschuanen, nördlich vom Vaal.
Kopfkissen von interessanter form, weil
dieselbe vollkommen der altägyptischer Kopf-
kissen oder solcher von Neu Guinea entspricht.
Glattgeschliffene Steine aus weichem Sandstein
dienen wahrscheinlich zum Zerreiben der Tabaks-
blätter zu Schnupftabak. Kalebassen für Bier.
Buschmänner.
Steinwerkzeuge zum Schneiden, Sägen und
Schaben; ornamentirte Topfscherben.
B a s u t o.
Bei den Männern ist die Originaltracht längst
durch bunte europäische Flanelldecken verdrängt
worden. Die Frauen hängen auch hier conservativer
an der alten Mode, obgleich auch sie schon viel-
fach dem europäischen Kattun ihre Neigung
zugewandt haben und die alte, lästige Tracht aus
Ochsenhaut als werthlosen Ballast wegwarfen.
Jetzt, wo die Engländer die Herrschaft über
Basutoland definitiv usurpirt haben, wird wohl
bald der letzte „Mosi” verschwunden sein. Zur
Anfertigung eines solchen bewilligt der Häuptling
einen schönen Ochsen, den er natürlich auch
zum grössten Theil selbst vertilgt. Die frische
Haut wird auf Pflöcke gespannt, an der Sonne
getrocknet, darauf stark mit Fett an der inwendigen
Seite eingerieben, mit Messern geschabt, wiederum
eingefettet und dann viele Wochen lang mit den
Fingernägeln gekratzt und zerknittert, bis die
Haut vliess- oder sammetartig wird. Diese Arbeit
dauert oft ein Jahr und wird ausschliesslich von
den Männern besorgt. Wieder wird die Haut mit
Fett und Ocker eingeschmiert und endlich der
Mantel oder Rock in der gewünschten Form aus
der Haut herausgeschnitten. Den Schmuck aus
(europäischen) Glasperlen und aus breitgeklopftem
(europäischem) Kupferdraht besorgen die Weiber.
Diese Kleidungsstücke sind jetzt schon ausser-
ordentlich theuer.
H autschaber aus Eisen oder Kupfer.
Dieselben werden an einem Lederriemen (riempje)
um den Hals getragen und dienen als Schweiss-
kratzer, Nasen- und Schnupflöff’el u. dergl.
Töpfe, deren gefällige Form auffallend ist,
weil dieselben aus freier Hand gearbeitet sind.
Man brennt sie in verlassenen Termitenhaufen.
Britisch-Kaffraria (Amaxosa).
Spazierstöcke, bis zu 7 Fuss lang, aus
Assegai'akazienholz mit roh geschnitztem Knopf.
!9
146
Afrikanische Sammlungen.
Assegais, Wurfspeere, verschieden von den
bekannten der Sulu, wo seit Tchaka der Assegai
als Stosswaffe benutzt wird.
N’utsche, eigenthümliche Instrumente, die
tbeils zur Bedeckung, theils zur Verzierung des
Geschlechtstheils verwandt werden. Eine Hülle
aus weichem Leder wird in angefeuchtetem
Zustande über die Eichel gezwängt und von
dieser hängt dann ein dünner Lederriemen, der
durch lange Messingröhren, Glasperlen, Kupfer-
ornamente auf das sorgfältigste verziert ist, oft
bis auf die Erde hinab. Diese n’utsche bilden die
Originaltracht des Raffern: ohne ein solches wird
er sich unanständig nackt Vorkommen, mit
demselben hält er sich für vollkommen bekleidet.
Leider werden auch diese originellen Objecte
täglich seltener. Während eines mehrwöchentlichen
Aufenthalts in Britisch-Kaffraria gelang es mir
nur ein recht unbedeutendes Stück aufzutreiben.
Ich durfte, um mir selbst die Preise nicht zu ver-
derben, allerdings nur ein paar Schillinge bieten.
Als ich King-Williams-Town verliess, versprach
mir Consul Malcomess, mir s. Z. ein recht schönes
n’utsche zu besorgen. Es dauerte aber über
6 Monate, bevor er sein Versprechen einlösen
konnte und zwar darum, weil die alten Raffern,
die noch treu an der Väter Sitte hingen, auch aus
Aberglauben, sich von diesem, ihrem einzigen
„Original-Rleidungsstück” nicht trennen wollten,
während das moderne Jung-Raffraria, angehaucht
von europäischer Civilisation oder gar Christen-
thum, seine n’utsche gern genug verkauft hätte,
wenn es nicht diesen letzten Rest heidnischen Raf
fernthums längst als werthlos weggeworfen hätte.
Nun zahlte Consul Malcomess für das erste
n’utsche, das er mir sandte, gewiss einen sehr
hohen Preis und als so an den alten Raffer die
Frage herantrat, ob er für solch einen Preis nicht
doch lieber das Ding weggeben solle, um sich für
den Erlös eine ganze Hose oder womöglich einen
ganzen europäischen Anzug zu kaufen, da konnte
wohl keiner der Versuchung widerstehen. Das
Resultat war denn auch, dass mein Freund mir
wenige Wochen fünf weitere n’utsche schickte,
wobei er aber bemerkt, dass er nicht glaube,
noch mehr auftreiben zu können.
Ich aber bin überzeugt, dass, wenn heute ein
Reisender nach Britisch-Raffraria kommt, ihm
der erste beste verbummelte Schwarze ein Dutzend
n’utsche, viel schöner wie die vorliegenden, zum
Verkauf anbieten wird. Das werden aber Fal-
sificate sein.
Analoge Vorgänge wiederholen sich — leider
— in der Ethnologie, täglich, in der ganzen
Welt!
Die Armbänder der verschiedenen Raffern
sind dadurch merkwürdig, dass derzu verschiedenen
Mustern breit geklopfte (europäische) Messingdraht
um gewundene oder geflochtene Stränge Pferde-
haar gearbeitet wird und so ein geschmackvolles,
vollkommen elastisches Bracelet entsteht.
Die Reule (Induku) sieht man noch in bei-
nahe eines Jeden Hand. Diese Rirris findet man
in mehr oder minder derselben Form vom Cap
der guten Hoffnung bis nach Guardafui, bei den
Colonialkaffern wie bei den Massai, bei den Ba-
suto wie bei den Somali — wie die überreichten
Stücke beweisen.
Der Perlschmuck, mit dem beide Ge-
schlechter sich zu überladen pflegen, verdient
nicht die Aufmerksamkeit, die ihm häufig ge-
schenkt wird, da die, allerdings oft äusserst ge-
schmackvolle vielfarbene Ornamentirung ent-
schieden durch europäischen Geschmack beein-
flusst scheint. Interessant sind die Schmucksachen,
die getragen wurden, bevor Afrika mit europäischen
Glasperlen überschwemmt wurde, wie z. B. vor-
liegende Halsketten aus Affenzähnen und Rauri-
muscheln, Armbänder aus bunten Fruchtkernen,
Vogelklauen u. dergl.
F i n g o.
Schnupftabaksdosen, Strohhüte, Perl-
schmuck u. dergl.
P o n d o.
Tabakspfeifen, Schmucksachen sowie
Schnupftabaksdosen u. s. w. Letztere sind
höchst originell durch ihre Form, die einen
Ochsen andeutet. Das Material soll aus dem
Zwerchfell frischgeschlachteter Thiere, mit Blut
und etwas Erde vermischt, bestehen. Die Oeff-
nung zum Einführen des Schnupflöffels befindet
sich an der Stirn, zwischen den kleinen Hörnern.
Alle 16 Halsketten sind verschieden: theils
bestehen sie aus aneinander gereihten dünnen,
flachen Stückchen Holz, theils aus Lederriemen
mit bunten Glasperlen, theils aus Retten von
kleinen Paketchen, deren Inhalt medicinische
oder erotische Zwecke erfüllen soll.
Sulu.
Fellschurz (isinene), der vordere Theil aus
Pantherfell, der hintere aus der Haut eines jungen
Rindes; an den Seiten hängen Bündel von an-
einander gereihten Stückchen Affen- und Panther-
fell. Die Sulu sind sehr stolz auf solch schöne
und kostspielige Schurze und trennen sich nur
gegen hohe Belohnung von denselben; selbst
wenn sie sich schon an das Tragen von euro-
Afrikanische Sammlungen.
¡47
päischen Hosen gewöhnt haben, lieben sie es,
den isinene Uber dieselben umzubinden.
Isixoxo, Kopfputz. Ein aus den Haaren,
aus Gummi und Akazienholzkohle zusammen-
gekleisterter, glänzend schwarzer Ring, der kronen-
förmig auf dem Kopfe ruht. Auf dieses Abzeichen
des verheiratheten Kriegers legen die Sulu hohen
Werth, stets poliren und verschönern sie sich
denselben gegenseitig. Sie bedienen sich hierzu
der kleinen Horn-Instrumente, die jeder Sulu
im Haar trägt und die zugleich als Schweiss
kratzer, Taschentuch, Schnupftabakslöffel u. s. w.
Dienst versehen. Der vorliegende „isixoxo” ist
einem Hingerichteten abgeschnitten.
Merkwürdig sind massive, schwere Bronze -
ringe, die in Ulundi, der Residenz Ketschwayos,
gefunden wurden. Die englischen Soldaten, in
der Annahme, sie seien Gold, packten sich die
Tornister damit voll, daher auch die meinigen
verbogen sind. Für das vorliegende Stück sind
seiner Zeit 60 Mark bezahlt worden. In Natal
wusste mir kein Mensch Auskunft darüber zu
geben, nur einmal sagte mir ein Sulu, er kenne
diese Ringe, sie würden von den Sulu gemacht
und zwar verwende man beim Giessen Menschen-
fett. Erst von John Dünn erfuhr ich, dass diese
Bronzeringe früher aus Europa, wahrscheinlich
aus Portugal, über Delagoa-Bay nach Sululand
importirt wurden und hier eine Art Münze reprä-
sentirten, die zum Ankauf der Frauen diente, so
dass für einen guten Ochsen etwa 10 dieser
Ringe gegeben wurden und für eine Frau 5 bis
5o Ochsen. Was das Menschenfett betrifft, so
bestätigte mir J. Dünn, dass die Sulu beim
Schmieden der Assegai’s allerdings zuweilen
Leichenfett benutzten.
Isixya, ein Armband aus aufgereihten, viel-
eckig geschnitzten und durch stellenweises An
brennen verzierten Holzwürfeln. Dieselben stellen
eine Art Sulu-Orden vor, da sie vom König nur
an solche Krieger verliehen werden, die in der
Schlacht einen Feind getödtet haben. Das vor-
liegende stammt von einem Sulu, der bei Etschowe
im Gefecht gegen die Engländer fiel.
Es gelang mir auch ein merkwürdiges Pelz-
halsband eines Zauberdoctors zu erlangen. Der
Betreffende wankte betrunken vor mir durch das
Feld, fiel hin und verlor dabei sein Collier sammt
allen daran hängenden Arznei- und Zauber-
schätzen. Ich las es auf und annektirte es für
die Wissenschaft, trotzdem der entnüchterte
Zauberer später hohen Finderlohn aussetzte.
Die geflochtenen Körbe (3 Stück) der Sulu,
hre Bierseier, die Löffel (5 Stück) für Milch
u. s. w. verrathen einen hohen Grad von Ge-
schmack und Technik; auch die Holzlöffel
(8 Stück) sind in den verschiedensten Grössen
und Mustern geschnitzt und wie das oben er-
wähnte Isixya mit eingebrannten Ornamenten
versehen. Das Schnitzen ist überhaupt eine Lieb-
lingsbeschäftigung des Sulu: seine niederen
Schemel, seine Spazierstöcke und Keulen
(Iwisa) sind meist originell und oft nicht ohne
Humor, dabei mit keinem besseren Instrumente
wie mit dem Assegai geschnitzt. Die Form der
Keulen gleicht der der übrigen Kaffern, doch
kommen auch Muster, wie Halbmonde, Helle-
barden u. dergl. vor. Am meisten Phantasie ent-
wickelt der Sulu bei der Herstellung seiner
Schnupftabaksdosen, die sich in allen mög-
lichen Formen und Grössen, vom Fingerhut bis
zum Pulverhorn vorfinden. Die Dachapfeife
fehlt bei den Zusammenkünften der Sulu nie.
Beide Geschlechter sind gleich versessen auf
Perlschmuck; sie behängen sich damit wo und
wie sie nur können. Abgesehen von den Mädchen
Gürteln (7 Stück) tragen sie Perl ketten und
Schnüre (i5 Stück) oder Taschen, Armbänder
(11 Stück), Schnupftabaksdosen, Alles in
äusserst geschmackvoller Weise mit europäischen
Perlen verziert.
Wenngleich es mir, allerdings nur für hohe
Preise, noch gelang, ethnographische Gegenstände
der Sulu aufzutreiben, so dürfte doch bald der
Zeitpunkt gekommen sein, dass auch hier
jede Originalität verloren geht. Die Engländer
haben im letzten Kriege nicht nur Schilde, Keulen
und Assegais zu vielen Hunderten als Beute oder
Andenken weggeholt, sondern sie haben ganze
Scheiterhaufen derselben verbrannt. So haben
denn jetzt schon südlich vom Tugela Natalkaffern
begonnen, „Zulu curios” anzufertigen, um die-
selben in Natal u. s. w. an durchreisende Fremde zu
verkaufen. Ich war Zeuge, wie ein junger Eng-
länder einen (echten) Suluschild mit 36o Mark
bezahlte — da lohnt sich das Imitiren resp.
Fälschen.
Von den Eingeborenen des unteren
Sambesi-Gebiets
sind zumal eigenthümlich wegen ihrer Bekleidung
bez. Bespinnung mit Messingdraht die Lanzen
und die Streitäxte, letztere in der Form den
centralafrikanischen entsprechend. Die Einge-
bornen beschäftigen sich eben fortwährend, wenn
sie gerade nichts Besseres zu thun haben, mit
dem Flechten dieses europäischen Drahtes, gerade
so wie der Bolivianer nie ohne seine Spindel,
oder der schwarzwälder Hirt nicht ohne seinen
Strickstrumpf gesehen wird. Die Assegais sind
19*
148
Die Fabrication der jütländischen Töpfe.
am unteren Ende mit einer eisernen blattförmigen
Spitze versehen, "wodurch sie sich von denselben
Waffen derSüdafrikaner vollständig unterscheiden;
dagegen findet man dieselben Spitzen bei den
Sakalaven auf Madagascar.
Die Muster der Drahtverzierung sind beinahe
bei jedem Gegenstand verschieden. Die Klimper
(Kissange) ist ganz dieselbe wie im inneren Afrika.
Von den Makua
erhielt ich Gegenstände, die zwar recht unansehn-
lich scheinen, die jedoch selten sind und es
bleiben werden, weil durch die regen Beziehungen
der Eingeborenen des Innern mit den auf Mocam-
bique Lebenden in kürzester Zeit jede Originalität
unter den Makua verschwunden sein wird. Die
Lanzen (7 Stück), deren Spitzen meist mit Wider-
haken versehen sind, zeigen auf den Schäften
sorgfältig ausgeführte Ornamente, theils Schnitz-
werk, theils durch Eeuerbrand hergestellt; auch
sie sind unten mit einer eisernen Spitze versehen.
Eine Holzbüchse, die Messerscheiden und
Griffe, Löffel und Holzschalen, ein Doppel-
körbchen u. s. w. — alle tragen höchst charak-
teristisch geschnitzte Muster.
In I b o
erhielt ich Bogen und Pfeile der Küstenbewohner,
letztere ziemlich ungefährliche Waffen mit hölzer-
nen Spitzen. Bei einem der Bogen besteht die
Sehne aus einem gedrehten Lederstreifen.
In Kilwa-Kivinji
erhielt ich ein Streitbeil, das, wie Sir John Kirk
später eruiren liess, aus Thirambo (Country of
Mirambo) in Unyamwesi bei Biza stammt; die
Schnitzerei ist höchst eigenthümlich und von
überraschender Schönheit.
Auch ein dünner Wurfspeer, dessen vordere
Hälfte aus Eisen besteht, zeigt eine originelle Form.
Massai.
Ein Schild aus ungegerbter Büffelhaut,
bemalt mit 3 ungleichen, roth, weiss und schwarzen
Feldern. Diese Schilde sind ausserordentlich stark
und pariren mit Leichtigkeit wuchtige Hiebe
europäischer Stahlklingen. Die herzförmigen
Lanzenspitzen werden in Tschagga geschmiedet.
Ich wiederhole, dass die Keule der Massai voll-
kommen der der Capkaffern entspricht. Die
Schwerter, Griff und Klinge aus einem Stück,
in ihrer schmalen linienartig geschweiften Form
sind sehr originell; die Lederscheiden meist mit
Kettchen verziert.
Die Bogen sowohl wie die Pfeile sind sehr
gut gearbeitet und beweisen, ebenso wie die
übrigen Waffen, den kriegerischen Sinn der Massai.
Der Köcher aus Leder mit 17 Pfeilen ist mit
Straussfedern in sehr primitiver Art verziert, einer
der Bogen mit Elephantenhaar umsponnen.
Diese bisher noch so unbekannte Race, gleich
berüchtigt als wilde Sklavenjäger, Räuber und
Mörder, ist durch die Reisen einiger Engländer
und durch die Erwerbungen der Ostafrikanischen
Gesellschaft plötzlich europäischem Einfluss er-
schlossen. Bald wird das Feuergewehr Bogen
und Pfeile, Lanzen und Schilde verdrängt haben
und Europas Feuerwasser den Massai . seine
Traditionen, seine, wenn auch noch so unent-
wickelten, Religionsbegriffe vergessen machen.
Auch er wird dem Schicksal der alles nivellirenden
und verflachenden Civilisation nicht entgehen —
also auch hier galt es zuzugreifen, bevor es zu
spät war!
Eine Herrn Director E. N. Ritzau in Kopenhagen zu verdankende Einsendung war von
folgenden Mittheilungen darüber begleitet :
Die Fabrieation der jütländischen Töpfe.
Die Verfertigung thönerner Geschirre war, allem Anscheine nach, im Alterthume, sowohl
in der Stein- als in der Bronze- und Eisenzeit eine sehr verbreitete Industrie in Dänemark.
Sogar aus der Steinzeit kommen gebrannte und decorine Gefässe vor, und es scheint auch,
als ob man schon in jenen fernen Zeiten die Kunst gekannt hat, dergleichen Gefässe mit Hülfe
einer primitiven Töpferscheibe zu formen. Die Formen der Gefässe sind höchst verschieden,
schon im Alterthume finden sich unendlich viele Uebergänge von grossen topf- und hafenartigen
zu kleinen, flachen Geschirren; das Aussehen sowie die Fabricationsweise vieler derselben
n
Die Fabrication der jütländischen Töpfe. I4Q
erinnert an die jütländischen Töpfe der Jetztzeit, und die Annahme ist desshalb wohl begründet,
dass die letztere Industrie ohne Unterbrechung aus der Töpferei des Alterthums hervorgegangen
ist. Dass die Töpferei im Alterthum eine sehr bedeutende Verbreitung im Lande hatte, geht
aus vielen grossen Funden überall in Dänemark hervor. So z. B. hat Sehested an mehreren
Orten in der Nähe von Broholm auf Fünen grosse Kehrichthaufen aus der Eisenzeit gefunden,
und in denselben Scherben Tausender von Haushaltungsgeschirren; sowie man auch in
derselben Gegend mehrere Begräbnissplätze mit Tausenden von thönernen Töpfen entdeckt
hat, deren Form sich der der jütländischen Töpfe bedeutend nähert. — In den sogenannten
„Brandflecken” auf Bornholm sind ebenfalls gebrannte, unglasierte Gefässe gefunden worden,
deren Form der der jütländischen Töpfe sehr ähnlich ist. Die Bevölkerung der damaligen
Zeit hat schwarze Thongefässe in grosser Menge gebraucht, und es lässt sich wohl annehmen,
dass dieselben im ganzen Lande verfertigt worden sind. Der Hauptort für die Verfertigung
der jütländischen Töpfe ist gegenwärtig die Umgegend von Varde in Jütland, diese Gegend
ist aber nur als ihre letzte bald verschwindende Heimath anzusehen.
Ueber die Verfertigung dieser Geschirre giebt Sehested nach den am Hauptorte dieser
Industrie eingezogenen Aufschlüssen folgende Mittheilungen: Eine Partie fetten Thons von
der Gattung, die als Ziegel geformt und gebrannt rothe Steine liefern würde, wird im Herbst
ausgegraben und den Winter hindurch aufbewahrt. Der Thon wird mit einem Viertel Sand
vermischt, dann mit den Füssen geknetet, indem man ihn zu einer zolldicken Platte austritt,
wrorauf er wieder in einen Haufen gelegt, und derselbe Process drei- bis viermal wiederholt
wird. Dann wird er mit den Händen durchgearbeitet, wie man Brotteig knetet. Aus dem
Thone werden längliche Klumpen gebildet, deren jeder die zu einem einzelnen Topfe noth-
wendige Menge enthält. Der Klumpen wird dann auf einem halbmondförmigen, eine halbe
breiten und eine Elle langen Brette, dem „Grapenbrette”, das während der Arbeit mit Wasser
gut angefeuchtet wird, bearbeitet. Hat das Gefäss die bezweckte Form einigermassen angenommen,
lässt man es einige Stunden stehen, bis es etwas Festigkeit bekommen hat, und bearbeitet es
darauf mit einem rundlichen Stein, dem „Taanstein”, ungefähr von der Grösse einer geballten
Faust, dann mit einem ähnlichen etwas flacheren Stein, dem „Schlichtstein”, um damit von
innen heraus den untersten Theil desselben zu erweitern, indem man mit dem Stein den Thon
gegen die gestreckte Handfläche drückt.
Der Topf bleibt jetzt wieder einige Stunden ruhig stehen, worauf er mit dazu ein-
gerichteten Messern „Skavknyv, Skraav, Skavstyk” (Schabmesser, Schabeisen) sowohl inwendig
als auswendig geschabt, dann mit einem dünnen Brei aus Mergel und Wasser überstrichen
und schwach getrocknet wird. Darauf wird er mit einem dicken, kleinen, glatten Steine
glasiert. Die Glasur wird am Rande und dem oberen Theile des Topfes angebracht, zum
Theil auch an dem unteren, wro einige spärliche Glasurverzierungen Vorkommen. Das Gefäss
ist nun zum Brennen fertig, welches in zwrei Abtheilungen stattflndet. Zuerst werden die
Töpfe auf einem Herde oder in einem besonderen Trockenhause „Braandhus”, in einem in
der Erde gegrabenen Loche, getrocknet (ildnes). Hier wird ein „Brand”, gewöhnlich aus
200 Stück bestehend, auf einem Roste über einem schwachen Feuer angebracht und bleibt
4—5 Tage stehen, anfangs der schwachen, dann aber einer immer zunehmenden Wärme aus-
gesetzt. Als Feuerung wird Heidetorf benutzt. Darauf folgt die eigentliche Brennung. Die
auf die erwähnte Weise getrockneten Töpfe werden, die kleineren in den grossem, auf flachem
Felde, auf einem runden Platze, „Ildpöt”, aufgestellt. Die Zwischenräume werden mit Heidetcrf
ausgefüllt und das ganze mit einer dünnen Schicht Heidetorf umgeben und bedeckt. Es ist
nämlich die Aufgabe, die Gefässe nicht den Flammen, sondern nur dem kohlenschwangeren
150
Die Fabrication der jütländischen Töpfe.
Rauche auszusetzen, der sie durchdringt und sie graulichschwarz und wasserdicht macht.
Der Topf wird angezündet und nun muss dafür gesorgt werden, dass das Feuer gleichmässig
brennt, und dass da, wo es zu früh ausbrennt, immer Torf nachgelegt wird. Das Brennen
dauert zwei bis drei Stunden. Der Rauch des Heidekrautes auf dem Heidetorf bringt also
die graue Farbe der Töpfe hervor; berührt die Flamme den Topf, wird derselbe bunt, weil
dann die Luft Zutritt erhalt, wodurch der Rauch des Heidekrautes verhindert wird, in die
Masse hineinzudringen.
Das hier beschriebene Verfahren bei der Verfertigung der jütländischen Töpfe scheint
in den letzten Jahrhunderten unverändert angewandt worden zu sein. Der Thon, aus dem
sie gemacht werden, ist fein und ohne Steine. Derselbe wird im Herbste gegraben, damit er
den Winter hindurch der Einwirkung der Luft und der Witterung ausgesetzt bieibe. Dadurch
wird er leichter zu behandeln. Die Fabrication wird hauptsächlich von Weibern ausgeführt,
aber auch die Kinder sind behülflich, die Glasur aufzulegen und beim Brennen aufzupassen,
während es dem Manne obliegt, den Thon auszugraben und die Feuerung herbei zu schaffen.
Die letztere gewinnt er, indem er die mit Heidekraut bewachsene Erdoberfläche abschält.
Die jütländischen Töpfe wurden, namentlich in früheren Zeiten, fuder- oder stiegen-
(7s Schockweise verkauft. Ein Fuder enthielt 200 - e5o Stück; eine Stiege aber nur 20 Stück
von den grossen und grössten; von den kleinern und kleinsten wurden 2—3 Stück auf jedes
grosse gerechnet, so dass eine Stiege aus 40—60 Stück bestehen konnte. Einer Angabe von 1787
zu Folge konnte eine Töpferin in einem Sommer durchschnittlich gegen З000 Stück verfertigen;
eine etwas geringere Zahl wird 1808 und in den dreissiger Jahren genannt. Der Vertrieb
der Töpfe geschah durch die sogenannten Topfkrämmer, „Slävkrämmer”. Diese kauften die
von Häuslern fabricirten Waaren und lebten ausschliesslich von Topfhandel, indem sie mit
ihren Wagen im Lande umherzogen und sogar durch Schleswig und Holstein bis ganz nach
Berlin, Leipzig, Dresden und Wien fuhren, um das bekannte Product zu verhandeln. Auch
zu Wasser wurden die Töpfe nach Kopenhagen, Holland und Norwegen, ja noch weiter in
die Welt hinaus versandt. Der Preis war im Schlüsse des vorigen Jahrhunderts an Ort und
Stelle ca. 83 Ore (ungefähr 94 Pf.) für die einfache Stiege und ca. 1 Kr. 16 O. (1 M. 3o Pf.
für die zusammengesetzte Stiege. Jetzt ist der gewöhnliche Preis am Fabricationsorte 5 Kr.
(ca. 5 M. 62 Pf.) pro Stiege.
Die Verfertigung der jütländischen Töpfe hat in der späteren Zeit bedeutend abgenommen
und wird augenblicklich kaum von mehr als 80 Familien, auf 24 Gemeinden vertheilt, betrieben,
während Sehested nach den eingezogenen Erkundigungen muthmasst, dass dieselbe vor 40—5o
Jahren über 5oo Familien, auf 36 Gemeinden vertheilt, beschäftigte. Rechnet man nun, um
die Zahl nicht zu hoch anzusetzen, jährlich 2000 Töpfe auf jede Familie, kann die jährliche
Production um das Jahr 1840 auf i,o32,ooo Stück veranschlagt werden, um das Jahr 1880 kaum
auf mehr als 160,000 Stück. Im Jahre 1787, schreibt Sehested, scheint die Fabrication aus-
schliesslich von 4 Gemeinden getrieben worden zu sein, aber in diesen Orten auch fast von
jeder Familie (226 Familien а З000 Töpfe = 678,000 Stück), sowohl Hufnern als .Häuslern.
Sie war fast die einzige Erwerbsquelle dieser Gemeinden; der Ackerbau stand auf einer
sehr niedrigen Stufe. Später scheint die Industrie sich über grössere Theile von Jütland,
wahrscheinlich durch Heirathen der Töpferinnen, verbreitet zu haben, so dass sie 1840 und
etwas später in 36 Gemeinden sich vorfand. Zu gleicher Zeit nahm sie aber in ihrer ursprünglichen
Heimath bedeutend ab und wurde in vielen der neu hinzu gekommenen Gemeinden nur von
einzelnen oder wenigen Familien, an vielen Orten nur als ein einträglicher Nebenerwerb
betrieben. Der Ackerbau war lohnender geworden. Jetzt wird sie meistentheils nur von
Die Holzschuh-Fabrication in Dänemark.
151
armen Leuten betrieben. Zur Verminderung der Production hat aber die Abnahme des Begehrs
nach dieser Waare am meisten beigetragen, was besonders in neuerer Zeit die emaillirten
eisernen Kochgeschirre veranlasst haben, nicht, weil dieselben sich besser zum Kochen eignen,
sondern weil sie im Vergleich mit den leicht zerbrechlichen jütländischen Töpfen viel dauer-
hafter sind. —
Die Holzsehuh-Fabrieation in Dänemark.
Im Bezirke Silkeborg (Jütland), der Volkszählung von 1880 zufolge von ca. ii,3oo
Personen bewohnt, wurden im Jahre 1879/80, von October bis October gerechnet, ca. 25oo
Klafter Buchenholz fast ausschliesslich zu Holzschuhen verarbeitet. Diese Industrie schafft
in dieser Gegend einen so lebhaften Absatz an Buchennutzholz, dass es sich für das Sägewerk
in Silkeborg sogar lohnt, das Rohmaterial aus den viel weiter entfernten Frijsenborg’schen
Wäldern zu holen; dieselbe hat auf den Verkauf des Holzes denselben Einfluss, den drei der
grössten unserer Holzwaarenfabriken haben können. Es werden fabricirt, theils die sogenannten
„Thybo-Holzschuhe” ohne Leder, theils „Bazarholzschuhe”, mit Leder versehen, welche am
meisten verwendet werden. Von den Thybo-Holzschuhen für Männer lassen sich ca. 120 Paar
aus einer Klaftei Nutzholz herstellen, während man von den Bazarschuhen 140 Paar pro
Klafter rechnet. Von der ersten Sorte kann ein geübter Holzarbeiter 4 — 5 Paar, von der
letzteren 5—6 Paar täglich verfertigen. Aus den oben erwähnten 25oo Klaftern Buchenholz
können folglich 35o,ooo Paar Bazarschuhe verarbeitet werden. Ein geübter Holzschuharbeiter
kann in einem Jahre (zu 3oo Arbeitstagen gerechnet) i65o Paar Holzschuhe verfertigen; der
weit überwiegende Theil der Holzschuharbeiter aber beschäftigt sich nur in den Wintermonaten
mit dieser Fabrikation, und folglich lässt sich die von einem Arbeiter jährlich verfertigte Zahl
von Holzschuhen nur auf ca. 5oo Paar veranschlagen. Hiernach sind im Bezirke Silkeborg
700 Mann, oder 6 Procent der ganzen Bevölkerung und an i5 Procent der erwachsenen
männlichen Bevölkerung, unter die Classe der Holzschuharbeiter zu rechnen, obwohl die
meisten einen grossen Theil des Jahres andere Beschäftigungen treiben. Die meisten Holz-
schuharbeiter wohnen in den Kirchspielen Ry und Thim; das letztere hat allein i5o Holzschuh-
arbeiter, von denen 5o im Dorfe Vestlund wohnen; in diesem Kirchspiele sind 20 Procent
der erwachsenen männlichen Bevölkerung Holzschuharbeiter.
Von den verarbeiteten Holzschuhen gehen ca. zwei Drittel (besonders aus Silkeborg
und Umgegend) nach den Städten an der Westküste Jütlands, während ein Drittel (vornehmlich
aus den Wäldern bei Ry) hauptsächlich nach Copenhagen versandt wird. Die Waaren werden
in kleinen Partien, vornehmlich haufenweise oder fuderweise an die Platzaufkäufer in Silkeborg
und Ry verkauft, welche dieselben wieder an die Verhändler auf der Westküste und in
Copenhagen versenden. Man kann annehmen, dass ein Arbeiter jährlich 2—3 Paar Holzschuhe
braucht; die durchschnittliche Zahl für Männer, Frauen und Kinder kann auf 2 Paar jährlich
festgesetzt werden, und wenn man die geringere Grösse der Frauen- und Kinderholzschuhe
berücksichtigt, kann man die Menge Personen, die mit dieser Waare aus dem Bezirke Silkeborg
versehen werden, auf 200,000 schätzen; diese Ziffer scheint zwar sehr gross, dürfte jedoch
kaum zu hoch sein.
Die Holzschuhfabrication im grossen Styl scheint jetzt auf die Gegend von Silkeborg
beschränkt zu sein, obgleich sich auch nicht unbedeutende Spuren davon im Kreise Thyrsting
und in der Umgegend von Frijsenborg finden; die Anzahl Klafter aber, die in diesen Gegenden
152
Hochzeitsgebriiuchc der transsilvanischen Zelt-Zigeuner.
verarbeitet werden, dürfte nur eben so viele Hunderte ausmachen, als Tausende im Bezirke
Silkeborg dazu verbraucht werden. Es ist jedoch nicht immer so gewesen. Dieser Erwerbs-
zweig ist nur der Ueberrest einer weit verbreiteteren und bedeutungsvolleren Holzwaaren-
industrie, die wahrscheinlich am Ende des Jahrhunderts aus Mangel an Rohmaterial aufhören
wird, die aber zu Anfang dieses Jahrhunderts viel blühender als jetzt war, und der man im
wesentlichen Grade die Abnahme der Wälder zu verdanken hat. Ein Schriftsteller, Begtrup,
führt in seinem Buche über „Der Holzschuhhandel in Jütland” an, dass im Jahre 1802 in 40
der Kirchspiele Mitteljütlands 4400 Personen von der Holzschuh fab rication lebten, deren
jährlicher Umsatz an 3—4 Tonnen Gold betrug.
Hoehzeitsgebrauche der transsilvanischen Zelt-Zigeuner.
Von Dr. Heinrich v. Wlislocki.
Den Zigeunern, über die sich nach manchen Berichten, deren Verfasser nicht selten aus
trüben Quellen schöpften, merkwürdige Legenden herangebildet haben, ist man von jeher
gewohnt, alles Wunderbare, Unmögliche oder Scheussliche in die Schuhe zu schieben, weil
die Unkenntniss dieses Volkes, seiner Sitten und Gebräuche, seines innern Lebens so gross
ist, dass man hierin ungestraft sündigen zu dürfen glaubt, — aber es ist auch nicht zu vergessen,
dass ja eben die Zigeuner so viele Zuchthäusler, leichtsinnige und verlotterte Menschen von
jeher in die Schule der Kerker geschickt haben. Durch Verfolgungen aller Art hatten die
Zigeuner Europas — mit Ausnahme der Donauländer, Ungarns und Siebenbürgens, wo ihr
Schicksal von jeher ein gelinderes, günstiges war — ihre Sitten und Gebräuche längst schon
aufgegeben, als man endlich an ein tieferes Eingehen in die, in ihrer Art höchst merkwürdigen
Kundgebungen eines durchaus selbstthätigen dichterischen Volksgeistes dachte. Es hat dies
seinen Grund zum Theil in dem erst spätem Auffinden poetischer Ergüsse unter den Zigeunern
überhaupt, zum Theil wohl auch in der minder leichten Zugänglichkeit des genügenden
Verständnisses für dieselben. Ist es schon nicht ganz leicht, auch nur das äussere Walten
eines so wenig gekannten Volkes, wie jenes der Zigeuner auch noch heute ist, und die
poetischen Gestaltungen desselben ohne vorangegangene Studien zu begreifen, so ist es vollends
kaum möglich, sein inneres Leben und dessen dichterische Offenbarungen ohne genaueste
Kenntniss des Volkes selbst, ohne völliges Hineinleben in seine einzelsten und besondersten
Lebenskreise und Anschauungsweisen in ihrer ganzen Tiefe zu erfassen.
Namentlich in den östlichen und nordöstlichen Hochlanden von Siebenbürgen ist der
Zustand dieses Volkes noch von sehr primitiver, unverfälschter Natur. Man wandelt daselbst
völlig auf dem classischen Boden eines Stückes der Zigeunergeschichte. Dort haben selbst
die ansässigen Zigeuner (Gletecore = Zunge - Sprache - Armen) ziemlich ihre Urthümlichkeit
bewahrt, wenn schon weder ihr Anzug, noch ihre Wohnungen jenen wilden, barbarischen
Character zeigen, welchen die Tracht und die Zelte der Wanderzigeuner Siebenbürgens (die
Kortorär)1) so häufig zur Schau tragen. Die Gewohnheiten und Gebräuche der heutigen
transsilvanischen Zeltzigeuner lassen überhaupt vermuthen, dass dieses Volk auch in seiner
J) Die ansässigen Zigeuner werden von den Zeltzigeunern mit einer gewissen Verachtung
behandelt und „Sprache-Arme” genannt, weil sie viele theils rumänische, theils ungarische, theils
deutsche Lehnwörter in ihrer Umgangssprache gebrauchen. Kortorär-o heisst: der „im Zelt
befindliche, hausende”.
Von Dr. Heinrich v. Wlislocki.
153
Urheimath in seinen häuslichen Einrichtungen niemals viel Luxus entfaltet hat und während
sie in ihrer Tracht, ihrer Beschäftigung und ihrem Umgänge nur wenig ihre Abstammung
aus Indien verrathen lassen und sich sogar dem Anscheine nach zur römisch-katholischen
oder griechisch-katholischen Kirche, je nachdem es die Verhältnisse mit sich bringen, bekennen,
halten sie gleichwohl in ihrem Innern noch immer fest an den Sitten und Gebräuchen ihrer
Voreltern. Noch fortwährend erscheinen diese braunen Gesellen der Mehrzahl nach ungläubig
und unbekehrt, und würden, sich selbst überlassen, wohl zum grössten Theil wieder ins
Heidentum zurückfallen. Auf die Geschicke der Welt, auf die Entwickelung der Cultur hat
dieser der Zahl seiner Individuen nach geringe Theil der Menschheit nie einen Einfluss gehabt;
er hat aber als eine besondere Gruppe unseres Geschlechtes in der ethnographischen oder
naturwissenschaftlichen Betrachtung der Menschheit ebenso seine Bedeutung, wie alle andern
Arten oder Classen von Völkern. Darum wird es vielleicht nicht uninteressant sein, wenn
Schreiber dieser Zeilen dem Leser vorläufig die Hochzeitsgebräuche der transsilvanischen
Zeltzigeuner so vorführt, wie er sie während eines mehrmonatlichen Studienaufenthaltes bei
einer Zeltzigeunertruppe und Wanderung mit derselben (von Mai bis November 1883) durch
Siebenbürgen und Südungarn beobachtet und aufgezeichnet hat; besonders, da der konser-
vative Zug im zigeunerischen Volkscharakter, der bislang so ziemlich jedem Amalgamirungs-
process widerstand, sich recht deutlich in dem Fortleben uralter Sitte und Gebräuchen offenbart,
deren Ursprung sich nicht selten bis in die indische Vorzeit zurückverfolgen lässt.
Interessant ist der Lebenslauf des transsilvanischen Zigeuners überhaupt. In dem
Strohbett der Winterquartiere oder unter dem luftigen Sommerzelte zwischen Schweinen und
Hühnern wird er empfangen und geboren, oft aber erblickt er in der freien Natur das Licht
der Welt. Was liegt ilyn daran? Höchstens erinnert er sich in „böser Stunde” daran, wenn
er zum Jünglinge herangewachsen, ohne Schlafstelle, von Wind und Regen, Schnee und Eis
gepeitscht vor der „Winterhöhle” seiner Geliebten singt:
Känä m’re dai man kerdgäs,
Upro man niko gindyäs;
Pal e cär me pushlyomäs,
Kai brishind man kerestlyäs.J)
Als die Mutter mich geboren,
Hat sich Niemand um mich geschoren;
In dem Gras bin ich gelegen
Und getauft hat mich der Regen!
Schon vor dem 10. Lebensjahre wird er mündig; kann ungestraft Tabak rauchen, Prügel
austheilen und erhalten und wird im wahren Sinne des Wortes von seinen Eltern vor die
Thüre gesetzt, denn er wird vom zweiten, dritten, vierten und soundsovielten Nachfolger in
brüderlicher oder schwesterlicher Liebe zum Zelte hinaus gedrängt. Nun muss er arbeiten,
und die Arbeit ist hart, gering die Kost und noch geringer der Lohn. Er wächst und gedeiht,
entschlüpft irgendwie der allgemeinen Wehrpflicht und denkt nun ans Heirathen. Er spart
sein Geld, kauft sich zwei rothe Tücher, welche er am Sonntag oder sonst bei festlichen
Gelegenheiten an einem der blanken Metallknöpfe seines Wamses befestigt. Hat nun eine
Maid sein Herz gewonnen, so schenkt er ihr das eine Tuch und damit ist der erste Schritt
zur Verehelichung gethan. Das zweite rothe Tuch befestigt er an seinem oder — da er als
]) Was die Orthographie anbelangt, so entspricht: n = nj, c = tsch, sh — sch, c = ch.
Vergl. meine „Sprache der transsilvanischen Zeltzigeuner” (Leipzig, Friedrich) und „Haideblüthen,
Volkslieder der transsilvanischen Zigeuner” (Leipzig, Friedrich 1881).
20
154
Hochzeitsgebräuche der transsilvanischen Zelt-Zigeuner.
Junggeselle gewöhnlich obdachlos ist — am Zelte seiner Braut als Zeichen seiner baldigen
Verehelichung., Eine Woche vor dem Hochzeitstage gehen nun Braut und Bräutigam nächt-
licher Weile zum nächstgelegenen Fluss oder See und stellen zwei brennende Kerzen am
Ufer auf, gleich als solle dadurch die uralte Verbindung von Wasser und Feuer, als Ent-
stehung der Welt, angedeutet werden und reicht dieser Gebrauch, der als ein Bittopfer für
die Fruchtbarkeit der zu schliessenden Ehe gilt, wohl ins graue arische Alterthum zurück und
hängt wohl mit der Annahme eines Urmeeres zusammen, aus welchem, einer Schöpfungssage
der transsilvanischen Zigeuner gemäss, ein Baum hervorwächst, aus dessen Blättern die
Menschen hervorspringen. Bläst der Wind das eine oder andere Licht aus, so gilt dies für
ein böses Vorzeichen und die Brautleute beeilen sich, Aepfel und Eier in das Wasser zu
werfen, um dadurch die „Wassergeister” für ihre Ehe günstig zu stimmen. Der Apfel ist
auch in der germanischen Sage ein Sinnbild des Lebens; hat doch die Göttin Idun die Aepfel,
ohne deren Genuss sogar die unsterblichen Äsen dahinwelken. Das Ei, das in so manchen
Weltschöpfungslehren vorkommt (u. A. bei den Indern, die von Brahmanda, dem Welt-Ei,
sprechen), ist ebenfalls ein Sinnbild des Lebens. Das Ei bedeutet eine Entwickelungslehre,
wie wir dieselbe schon in den altindischen Veden, in altbabylonischen Auffassungen, ja selbst
in des römischen Dichters Ovid’s „Metamorphosen” angedeutet vorfinden. Manche Mären
von diesem Ur-Ei haben sich in etwas grob-sinnlicher Gewandung auch unter den trans-
silvanischen Zigeunern erhalten; aber auch in so unscheinbarer Tracht verrathen sie noch viel
ursprüngliche Anmuth oder weisen jene Mischung von Gefühlstiefe und Grauen auf, wie sie
uns im folgenden „Hochzeitsmärchen” entgegentritt, das einen interessanten Beitrag zu den
Hochzeitsgebräuchen der transsilvanischen Zeltzigeuner bietet. Das Märchen lautet in beinahe
wörtlichster Uebersetzung also:
„Fern von hier im Süden schlug vor vielen Jahren der Zigeunerstamm der Leila sein
Winterquartier am Saume eines grossen Tannenwaldes auf. Sie wollten dort den Winter
zubringen und während des Faschings die Hochzeit des starken Anrus mit der Häuptlings-
tochter, der schönen Raveka, begehen. Alles war in Ordnung. Anrus hatte seinem zukünftigen
Schwiegervater, dem alten Häuptling, zwei schöne Pferde gekauft, seiner Geliebten Tücher
und Bänder geschenkt, und Raveka hatte ihm schon das Bräutigamshemd genäht, welches er
am Hochzeitstage anziehen sollte.1) Eine Woche vor ihrer Hochzeit gingen sie also hinaus
an den See, der nicht fern von ihrem Lager in einem schönen, unbewohnten Thale lag. Es
war eine dunkle Nacht und dichter Nebel schwebte über dem gefrorenen Wasser des Sees.
Anrus und die schöne Raveka zündeten nun ihre Wachskerzen an, die sie sich vom Popen
(Pfarrer) des nahen Dorfes hatten einsegnen lassen, hingen sie im Gebüsch auf und setzten
sich nicht weit davon auf einen Baumstrunk nieder. Da sagte Raveka zu ihrem Bräutigam:
„Nun bin ich neugierig, wessen Kerze früher auslischt, wer von uns Beiden länger leben
wird?” Anrus entgegnete: „Deine soll länger brennen, Du sollst, Geliebte, noch lange leben,
wenn ich schon längst gestorben bin!” Da sprach gekränkt Raveka, die Tochter des Häuptlings:
„So! und Du würdest mich hier auf der Erde alt, krank und allein zurücklassen? und könntest
Du Ruhe finden im Grabe, wenn ich bettelnd als armes, krankes Weib von den Almosen
der reichen Leute leben müsste? Nein, Anrus, Du als Mann sollst länger leben als ich; denn
ein Mann, wenn er auch alt, arm und gebrechlich ist, lebt doch leichter ohne eine Frau, als
ein Weib ohne Gatten.” Anrus wollte hierauf noch Etwas erwidern, aber da spaltete sich
]) Vor der Hochzeit muss der Bräutigam seinen zukünftigen Schwiegereltern Geschenke
machen, um sie für sich zu gewinnen. Die Braut näht ihrem Bräutigam ein buntgesticktes Hemd,
welches er am Hochzeitstage und später nur bei besonders festlichen Gelegenheiten anzieht.
Von Dr. Heinrich v. Wlislocki.
155
das Eis des Sees und ein alter, nackter Mann mit langem, blutrothem Bart und Haupthaar
tauchte hervor und löschte beide Kerzen aus. Da leuchtete das rothe Haar des alten Mannes
wie goldener Sonnenschein und er sprach zu den Beiden: „Ich habe Euere Kerzen aus-
gelöscht, damit Ihr nicht länger noch so unnütze Reden führen sollt. Ich will, dass Ihr
Beide an einem Tage sterben und so lange Ihr lebt, reich sein sollt. Doch musst Du,
schöne Raveka, mit mir hinab in den See, in mein goldenes Haus, das sich unten im See
befindet, und musst bis zum ersten Hahnenschrei bei mir im Bette verweilen. Dann kannst
Du zu Deinem Bräutigam heraufsteigen und Ihr werdet dann in grossem Reichthum leben.
Du aber, Anrus, wirf, wenn wir hinabgestiegen sind, die Aepfel und Eier in den See.”
Raveka stieg gar bald mit dem alten Manne hinab in den tiefen See und Anrus warf zornig
seine Aepfel und Eier in das eisige Wasser. Als er nun alle Aepfel und Eier in den See mit
grosser Wucht geworfen hatte, gleich als gälte es, den alten Mann zu treffen, der ihm die
Braut entführt hatte, da begann der See zu brausen und zu zischen, die Aepfel und Eier
stiegen auf die Oberfläche des Wassers und verwandelten sich in Pferde, Schweine, Ochsen,
Kühe und Geflügel, die sich um Anrus schaarten. Dieser freute sich gar sehr des unverhofft
erlangten Reichthums und vergass für einen Augenblick seine Braut, die im goldenen Hause
am Grunde des Sees im Bette beim alten Manne lag.1) Da krähte der Hahn, der auch aus
dem Wasser hervorgeflogen war, und die schöne Raveka stieg herauf aus dem See und
küsste ihren Bräutigam. Nicht einmal nass waren ihre Kleider geworden, aber gar traurig
war ihr Herz. — Die Hochzeit wurde abgehalten und sie verlebten nun in Reichthum ihre
Tage. Da gebar Raveka einen wunderschönen Knaben, der gleich nach seiner Geburt laufen
konnte, dessen Nabel aber von Minute zu Minute so sehr wuchs, dass er endlich bis tief in
den See hinein reichte und der Knabe sich, wie an eine Schnur gebunden, nur in der Nähe
des Sees herumtummeln konnte; denn es war, als wenn Jemand tief unten im See das Ende
des Nabels in den Händen hielte. Das betrübte Anrus und Raveka gar sehr und sie
beschlossen, die Nabelschnur ihres Sohnes abzuschneiden. Sie nahmen ein scharfes Messer,
gingen hinaus an den See und zerschnitten knapp über dem Wasser die Nabelschnur ihres
Sohnes. Aber welchi) * * * * * 7 Wunder geschah! Ihr Sohn lief herbei, hob mit übermenschlicher
Kraft seinen Vater, den starken Anrus, und seine Mutter, die schöne Häuptlingstochter Raveka,
auf seinen Arm und sprang mit ihnen in den tiefen See. Sie wurden nimmer gesehen.............”
Dies das Märchen, und lautet es nicht, als ob die in der Fluth lebenden, im feuchten
Urelement hausenden Wesen, von denen ja nach dem Glauben vieler Völker die Menschheit
selbst abstammen soll, mit ihrer Nabelschnur noch auf die Erde heraufreichten? Und ist hier
nicht wieder Apfel und Ei das Sinnbild des Lebens in seiner Gesammtheit, mit seinen mannig-
fachen Gestaltungen? Es hindert uns daher nichts, bei näherer Betrachtung zu erkennen, dass
diesem Märchen ein echt heidnischer Inhalt eigen ist, wenn auch christliches Element auf
den heidnischen Stamm gepfropft worden.
i) Die „Wasser ■ Männer” sind den Menschen nur dann geneigt und überhäufen sie mit
Geschenken, wenn eine Jungfrau, die ins Wasser ges'türzt ist, bei ihnen im Bette sich befindet. Nur
eine Nacht bringt sie im Bette zu, dann stirbt sie; Raveka aber hatte das Versprechen des alten
Mannes, dass sie wieder auf die Erde zurückkehrt. — Wenn irgendwo ein Mädchen oder eine
keusche Jungfrau im Wasser den Tod findet, eilen die Zigeuner herbei und werfen nächtlicher
Weile Aepfel und Eier ins Wasser, um vom „gutgelaunten Wassermann” Geschenke zu erhalten;
aber leider giebt es „jetzt wenige oder gar keine Jungfrauen mehr auf Erden und die Geschenke
bleiben aus!” meinte ein alter Zigeuner,
20*
156
Hochzeitsgebräuche der transsilvanischen Zelt-Zigeuner.
Nun aber kehren wir zu den Hochzeitsgebräuchen zurück. Haben die Brautleute den
Wassergeistern “den schuldigen Tribut gebracht und die ausgelöschten Kerzen, die Aepfel und
Eier in das Wasser geworfen, — so liegt dem Bräutigam nur noch die Pflicht ob, die Gäste,
d. h. die Angehörigen seines Stammes, bisweilen auch die eines andern Stammes auf den
festgesetzten Tag zur Hochzeit einzuladen. Er begibt sich also in Begleitung zweier oder
mehrerer Musikanten von Zelt zu Zelt, und indem die Zigeunermusikanten ihm einen eigen-
thümlichen Tanz vorgeigen, bringt er seine Einladung tanzend und in folgender Liedform an:
„Meine Hochzeit wird (Montag) sein!
Kommt dann, bringt mit euch ein Schwein;
Geschenke werden gern geseh’n!
Wer nichts bringt, kann weiter geh’n!”
Bei diesen Einladungen spielt das Getränk, der Branntwein, eine Hauptrolle.
Während der Bräutigam beinahe die ganze Woche mit Einladung und Gelage zubringt,
sucht die Braut ihre sogenannten „Glückssträusschen” (bgat-luludyä) hervor und verbrennt
dieselben nächtlicher Weile auf einem Kreuzweg. In der Johanni-Nacht ziehen nämlich die
Zigeuner-Mädchen nachts in den Wald an die Orte, wo die in meiner transsilvanischen
Heimat „Himmelfahrtsblümlein” (Genaphalicum divicum) genannten Blumen wachsen und
binden sich alljährlich aus diesen rothen und weissen Blümchen kleine Sträusse, die sie unter
ihre Habseligkeiten verbergen. Sie sollen vor Krankheit und „Unehre” schützen. Wird nun
das Mädchen Braut, so verbrennt es kurz vor der Hochzeit die Sträusse am Kreuzweg, damit
nicht eine andere Maid zufällig einen ihrer Sträusse sich aneignen und dadurch das Herz
ihres Verlobten ihr je abwendig machen kann. „Vor Unehre brauchen Sie mich nicht mehr
zu schützen!” sagte mir einmal ganz naiv eine Zigeunerbraut. Ja, tempora mutantur!
Endlich bricht auch der Tag der Hochzeitsfeier an und mit dem ersten Strahl der
Morgenröthe versammeln sich die Gäste vor dem Zelte der Braut, welche die dargebrayhten
Geschenke: Werkzeuge, Kleidungsstücke u. dgl., in Empfang nimmt. Gut „angeheitert”
begibt sich die ganze Bande ins nächste Dorf in die Kirche, wo der Pfarrer den Trauungsakt
gar bald vollzieht und um nur der lästigen, bettelnden Gesellschaft los zu werden, sie beschenkt
entlässt. Ins Zeltlager zurückgekehrt wird das junge Ehepaar mit Wasser begossen und dann
mit einem Beutel aus Wieselfell, gefüllt mit Stechapfelsamen, abgerieben. Das Wieselfell
schützt vor Unglück und der Stechapfelsamen vor „bösem Blick”. Dem Stechapfel, der vor
dem Erscheinen der Zigeuner in Europa unbekannt war und sich erst mit ihnen verbreitet
hat, werden besondere Geheimkräfte zugeschrieben, die zu lösen und zu binden „den alten
Müttern viel zu schaffen macht!” Nach vollzogener Waschung und Abreibungsprozedur begibt,
sich das junge Ehepaar in sein eigenes Zelt, wohin ihm alte Schuhe, Stiefel oder Bundschuhe
nachgeworfen werden.1) Kommt das junge Ehepaar endlich zum Vorschein, so beginnt das
rechte Gelage, das nur mit gänzlicher Aufzehrung aller Vorräthe sein Ende nimmt. Dann
beginnt für das junge Ehepaar das Leben zu zweien, bald zu Mehrern, ein Leben voll Noth
und Elend, wovon wir keine Ahnung, keinen Begriff haben. Und doch inmitten des Jammers
und Elends treibt Poesie auch hier ihre Blüthen, welche sorglos und unbekümmert um das
„Morgen” gepflückt werden.
J) Ueber den Schuh als Ehe-Symbol vergl. Liebrecht, Zur Volkskunde. S. 492.
Sibirische Kurganographie.
*57
Bei der im Aufträge des Königlichen Museum nach den Amurländern unternommenen
Reise Capitän Jacobsen’s fand sich unter den eingelaufenen Briefen aus der Sibirischen
Zeitung zu Tomsk (Nr. 29) der nachfolgende Ausschnitt, der als die archäologisch wichtige
Frage der sibirischen Kurgane berührend, hier mitgetheilt werden mag (gez. von A. W.
Adrianoff.)
Sibirische Kurganographie.
Allen Freunden des Alterthums und der Landeskunde.
Das asiatische Festland diente seit unvordenklichen Zeiten des geschichtlichen Alterthums
verschiedenen Völkerschaften zum Wohnsitz, die bald durch lange Zeiträume friedlich an
derselben Stelle lebten, bald sich unter dem Druck neu hinzukommender Völker durcheinander
schoben. Central-Asien war schon im Alterthum die Arena vielfacher Ansiedelungen. Hier
entwickelte sich das eigenartige Leben der alten Bevölkerung mit seinen Härten, seinen
Kämpfen. Hier entstanden verschiedene Völker, mischten sich, verdrängten einander,
gingen unter, und auf den Trümmern erblühte neues Leben mit all seinen Besonderheiten.
Im Verlauf einer ganzen Reihe von Jahrhunderten entwickelte sich dieses Leben, veränderte
sich und ging schliesslich unter, uns nur spärliche Denkmäler in Form von Kurganen
zurücklassend, welche die Ueberbleibsel der alten Menschheit bergen. Welches Volk diesen
ältesten aller Erdtheile bevölkerte, wie es lebte, was es that und wie es zuletzt unterging, wir
wissen es nicht.
Die genaue und für uns im höchsten Masse wissenswürdige Geschichte der alten
Menschheit, welcher Asien zur Wiege diente, ist unserer gegenwärtigen Zeit ein verschlossenes
Buch, aus welchem nur einige unter einander nicht zusammenhängende Blätter uns erhalten
sind; ganze Blätter sind herausgerissen und spurlos verschwunden; sie wurden erbarmungslos
von den heutigen praktischen Menschen vernichtet und sind für immer dahin.
Jene einzigen Denkmäler des Alterthums, von denen der ganze Süden Sibiriens und die
an ihn grenzenden Theile Chinas, der Mongolei und der Dschungarei erfüllt sind, finden sich
längs den Flussläufen an hohen und für die alten Ansiedlungen passenden Stellen vertheilt,
doch hat auch die gegenwärtige Bevölkerung diese Orte als besonders geeignet erkannt. Die
grossen Flüsse, wie der Jenisei, — die classische Stätte der Denkmäler des Alterthums —
unterwaschen die Ufer und verändern dadurch die Lage der Kurgane.
Regengüsse, Hitze und Wind tragen ebenfalls zu dieser Veränderung bei, indem sie die
Hügel abplatten, das äussere Kennzeichen der Gräber und ihren Inhalt bloslegen, Alles
vernichtend, was vernichtet werden kann. Die sich vergrössernde Bevölkerung trägt zu jener
Vernichtung der Denkmäler noch mehr bei. Das rechte Ufer des Jenisei, im Kreise Minusinsk,
ausgezeichnet durch Fruchtbarkeit des Bodens und einst reich an Kurganen, verliert schnell
nicht blos Seiten des interessanten Buches, sondern ganze Capitel desselben. Die Bauern
pflügen über die Kurgane, plündern sie, werfen Alles fort, was sie nicht brauchen können,
verwerthen alles Metallähnliche, Platten mit Inschriften und Zeichnungen u. s. w. Nicht
gering fallen die Diebe ins Gewicht,fl welche die Kurgane in eigennütziger Absicht durchwühlen,
um eingebildete Kostbarkeiten zu erbeuten, die sich in den sibirischen Kurganen thatsächlich
fl Als auf ein Beispiel, kann auf den (verstorbenen) Herrn Alexandrow hingewiesen werden,
den ehemaligen Leiter der kaiserlichen Bank in Krasnojarsk. Dieser nicht unbemittelte Vandale
plünderte verschiedene grosse Kurgane und verewigte dadurch, wie ein Herostrat, seinen Namen in
der archäologischen Literatur Sibiriens.
158
Sibirische Kurganographie.
nicht hnden; nicht gering ist auch der Antheil der Liebhaber, welche die Kurgane zu sogenannten
wissenschaftlichen Zwecken zerstören, zu solcher Arbeit aber keineswegs befähigt sind, und
die selbst keine Ahnung davon haben, dass sie Räubern gleich verfahren, indem sie ohne
weitere Umstände kostbares Material zur Geschichte der alten Menschheit zerstören.1) Professor
Samokwassow sagt in seiner berühmten Instruction zur Erforschung der Kurgane geradezu:
„die nicht nach den Regeln und nicht vollständig beschriebene (und folglich ausgeführte)
Ausgrabung ist für die Wissenschaft nicht nur ohne Nutzen, sondern sogar schädlich; indem
sie ein historisches Denkmal zerstört, kann sie in der Wissenschaft zu falschen Schlüssen führen.”
Die unserer Zeit aufliegende Pflicht ist: sich mit der sorgfältigen Erforschung der
Kurgan-Periode Sibiriens zu beschäftigen und durch massenhafte Sicherung des Materials die
Geschichte der alten Bevölkerung wieder herzustellen und jedermann zugänglich zu
machen. Es ist kein grosses Unglück, wenn diese Nachforschungen sich noch einige
Zeit verzögern, wichtig ist nur, die kostbaren Ueberbleibsel gegen Zerstörung und Aus-
plünderung zu schützen, und dies kann und muss sogar die Localverwaltung auf sich
nehmen. In allen Ländern sind derartige Denkmäler Regierungs - Eigenthum, und auch
unsere Regierung schützt sie, indem sie die Ausgrabung nur zum Zweck wissenschaftlicher
Forschung und Personen von gehöriger Vorbildung freigab. Die verschiedenen gelehrten
Gesellschaften, — die geographische, archäologische u. a. trafen ihrerseits ebenfalls Mass-
regeln zum Schutz der Alterthümer gegen Zerstörung. Aber es ist kein Wunder, dass in
einem so entlegenen Lande, wie Sibirien, diese Massregeln ihren Zweck nicht erreichten.
Hier können nur die Sectionen der Geographischen Gesellschaft und die Landesverwaltung
die Vernichtung der Kurgane, sei es zu Ausbeutungszwecken, sei es durch Umpflügen,
verhindern, indem sie bei dieser Gelegenheit auf die Strafe hinweisen, mit welcher das Gesetz
eigenmächtige Ausgrabungen belegt. Wünschenswerth wäre auch, dass die Organe einer
gelehrten Gesellschaft diejenigen Blosslegungen veröffentlichte, welche die Flüsse durch
Abspülen in der Verticalebene verursachen.
Ich meinerseits machte mir eine gründliche Kenntniss der sibirischen Kurganographie
zur Aufgabe, sowohl auf dem Wege der Ausgrabung, als auf dem Wege der Sammlung des
zerstreuten Materials, welches besonders wichtig erscheint, um mit einem Male, im Ganzen,
das ganze vorhandene Material bezüglich der örtlichen Lage und Menge der Kurgane zu
übersehen. Zur Fixirung dieses Stoffes gedenke ich ein kurganographische Karte Sibiriens zu
entwerfen, auf welcher die Kurgane nach Fundort, Lage und womöglich auch nach ihrer
genauen Zahl verzeichnet sein sollen. Ich weiss wohl, dass diese Arbeit die Kräfte eines
Einzelnen übersteigt, sie erfordert die Mitwirkung einer ganzen Anzahl von Personen an allen
Ecken und Enden Sibiriens. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass ich Hülfe und
Unterstützung von Seiten Solcher finden werde, welche den Nutzen einer wissenschaftlichen
Erforschung der alten Geschichte der Menschheit erkennen. In meiner Hoffnung auf
Erfolg werde ich auch bestärkt durch den früher von der sibirischen Verwaltung selbst in
dieser Richtung unternommenen Versuch. Auf Anregung des General-Gouverneurs von
West-Sibirien, Kasnakow wurde 1880 Alles gesammelt, was Uber die Kurgane in West-Sibirien
ff In seinem kürzlichen Circular (vom April d. J.) lenkt der turkestanische General-Gouverneur
Rosenbach die Aufmerksamkeit unter Anderem auf die Kurgane, und bittet, Genaueres über sie fest-
zustellen. Die Ostsibirische Verwaltung würde sich ein bedeutendes Verdienst erwerben, wenn sie
diese Erforschung auf den ganzen Rayon ausdehnen wollte, welcher sich durch seinen Reichthum
an ähnlichem Material auszeichnet.
Sibirische Kurganographie. j t,g
bekannt war, und dies bietet, für jene Zeit wenigstens, in Ermangelung fast aller anderen
Hülfsmittel, für das Gouvernement Tomsk ein ziemlich vollständiges Material.
Um dem ehemaligen Gouverneur Merzalow Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen, muss
angeführt werden, dass derselbe selbst erläuterte, welche Nachrichten zu sammeln wünschens-
werth wäre, und dass er sich beharrlich um die Gewinnung solcher Mittheilungen von den
Kreisvorstehern bemühte. Inwieweit dieses so gesammelte Material richtig und vollständig ist,
ist eine andere Frage.1) Ich möchte gern neues zusammenbringen, und zwar durch freiwillige
Mitwirkung eines jeden, welcher bereit ist, mich zu unterstützen, um so das von der Regierung
Gelieferte zu controlliren und zu vervollständigen. Ich wende mich mit der ergebenen
Bitte, mich unterstützen zu wollen, zunächst an die Sectionen der Geographischen Gesell-
schaft, sodann an die durch ihre Wissbegierde genügend bekannten Dorfgeistlichen, an die
Ortsvorsteher und Ortsschreiber, die ihre Bezirke nach allen Richtungen genau kennen,
endlich an die Mitarbeiter der Sibirischen Zeitung und alle sonstigen Freunde des Alterthums
und der Völkerkunde.
In dem Masse, wie das Material eingeht, wird es in den Veröffentlichungen der
Geographischen Gesellschaft abgedruckt werden, wobei angeführt sein wird, wo und durch
wen es gesammelt ist. Nur durch vereinte Arbeit vieler Mitarbeiter kann die Aufgabe
bewältigt werden.
Ich führe jetzt an, welche Nachrichten namentlich erforderlich sind, bezüglich der
Kurgane im Ganzen, und halte mich dabei streng an das Programm des Professor Samokwassow.
1. Bei welcher Ansiedlung, in welcher Richtung und Entfernung von ihr liegen die
Kurgane; ihre Entfernung vom nächsten Fluss, See u. s. w. Sind, und wo, kleine
oder grosse Städte in der Nähe?
2. Wo befinden sich die Kurgane: auf einem Berge, Abhange, in der Ebene oder
Niederung, in Feldern, Wiesen oder Wäldern?
3. Wieviel Kurgan-Aufschüttungen sind an jeder Stelle, wie ist ihre gegenseitige Lage
und Entfernung von einander. Ist an dem betreffenden Punkt eine Ausgrabung
vorgenommen? und mit welchem Erfolg? Was ist dabei gefunden und wo ist es
jetzt? Haben die Kurgane durch Auswaschung der Flüsse, Ueberpflügen, Errichten
von Gebäuden etc. gelitten?
4. Welche Form haben die Kurgane. Halbkugelig, conisch oder länglich? Sind rings
herum keine Spuren eines Grabes oder Walles? Wie ist der Auswurf, steinig,
erdig oder sandig etc.?
5. Welche Grösse hat jeder Kurgan? wieviel Schritt Umfang, wieviel Höhe?
6. Wie werden die Kurgane von den Einwohnern genannt und was erzählen diese
über ihre Entstehung? Giebt es Kurgane, mit denen eine besondere Ueberlieferung
verknüpft ist, oder die besondere Bezeichnungen haben?
7. Giebt es flache Kurgane, welche mit Steinplatten bedeckt sind, auf denen sich
Figuren befinden? Abbildungen hiervon erwünscht.
h An der Richtigkeit des gesammelten Materials zu zweifeln berechtigt, abgesehen davon, dass
es auf Befehl zusammengebracht wurde, auch der von Herrn Merzalow selbst begangene Fehler.
Die Instructionen an die Beamten waren im Herbst (und nicht im Frühjahr, wie es hätte geschehen
müssen) ergangen und die Nachrichten wurden im Winter zusammengestellt, als die Kurgane schon
mit Schnee bedeckt waren.
Indianerstämme von Venezuela.
160
8. Giebt; es auf oder bei den Kurganen alleinstehende, hohe Steinpfeiler („Bab”
genannt).'1 Wünschenswerth ist, die Höhe zu kennen und eine Gesteinprobe zu
erhalten. Giebt es auf den Babs Zeichnungen oder Abbildungen? In solchem Falle
ist Abzeichnung erwünscht.
Neben diesen Nachrichten wäre es sehr wünschenswerth, solche Trümmer zu sammeln,
wie sie häufig im Grabenauswurf oder beim Pflügen gefunden werden, Sachen von Stein,
Knochen, Thon, Eisen, Kupfer, Gold und Silber etc., meist Grabbeigaben. Ist es unmöglich,
solche Sachen käuflich zu erwerben, so sind Zeichnungen in natürlicher Grösse erwünscht,
mit Beschreibung und Erläuterungen über Ort, Zeit und nähere Umstände des Fundes.
Ausser den Denkmälern aus historischer Zeit haben die vorhistorischen eine ungemeine
Wichtigkeit für die Wissenschaft. Ihr Auffinden ist mit grossen Schwierigkeiten verknüpft
und für Sibirien fast neu. Nur gelegentlich der Vornahme öconomischer Bodenarbeiten ist
es möglich, auf Reste der alten Menschheit zu stossen, auf Steinsplitter, Pfeile, Meissei etc.,
auf Knochensplitter von den Thieren, die als Nahrung dienten, Knochen von jenen Menschen
selbst u. s. w.
So sind die sogenannten Donnerkeile nichts anderes als Werkzeuge der vorhistorischen
Menschen. Diese Ueberreste mit grösster Sorgfalt zu sammeln ist darum so nöthig, wreil die
abergläubischen Bauern diese Steinsachen als Talisman bewahren, ihnen wunderthätige Kraft
beilegen und sie als Heilmittel gebrauchen. Zugleich mit dem Menschen der Steinzeit lebten
verschiedene, jetzt ausgestorbene Thiere, wie das Nashorn, der Auerochs u. s. w., deren
Knochen häufig von den Flüssen ausgespült werden. Sie zeichnen sich durch ihre Grösse
aus, und von ihren Fundort ist es wünschenswerth, möglichst detaillirte Nachrichten zu haben.
(Aus dem Russ. Ubers, durch M. V. BEGUELIN.)
Indianerstämme von Venezuela.
Von Jorge S. Hartmann.
Calabozo, 20. September 1885.
Es giebt keine schwierigere Aufgabe für den Ethnologen, als das Studium der süd-
amerikanischen Stämme. Hier ist es, trotz der vielberufenen spanischen Grausamkeit, nicht
so zugegangen, wrie in den von der germanischen Rasse occupirten Ländern. Während diese
die eingeborenen (nach ihrer Meinung niedrigeren) Völkerschaften lieber vernichtete, als sich
mit ihnen vermischte, vereinte sich die lateinische im Gegentheil aufs Engste mit den Unter-
worfenen und bewirkte so die Entstehung neuer Rassen.
Diese Neigung der Romanen zur Assimilation ist ein wichtiges Faktum. Wir sehen
sie in Central- und Süd-Amerika vollständig mit den Indianern (wie die ungeeignete, aber
durch den Gebrauch geheiligte Bezeichnung ist) verschmolzen, und aus dieser Verschmelzung
die Mestizen entsprungen, die in intellektueller Entwicklung ihren arischen Vätern durchaus
nicht nachstehen und dabei noch die Charakterzüge ihres amerikanischen Ursprungs bewahren.
Dasselbe ist in Nordamerika mit den Mestizen der französischen und indianischen Kanadier
der Fall.
Der Engländer und der Deutsche suchen das Niveau der besiegten Völker, mit denen
sie sich vereinigen, herabzudrücken. Sie bleiben immer isolirt, stolz auf ihre Abstammung.
So ist es z. B. im indischen Reiche. Während in den kleinen französischen und noch mehr
Indianerstämme von Venezuela.
I б I
den portugiesischen Colonien eine grosse Zahl Mestizen existirt, ist es im ungeheuren
britannischen Gebiet, trotz der Bemühungen der Regierung, nicht möglich, die eingeborenen
und englischen Elemente zu vereinigen.
Die spanische Grausamkeit hat die Urbewohner weder geschwächt noch ausgerottet,
und dabei hat die Epoche der Conquista von Amerika sich nicht durch ihre Grossmuth aus-
gezeichnet. Ebenso kann man alle colonisirenden Nationen beschuldigen, vielleicht mit
Ausnahme der französischen.
In Venezuela vermischten sich, mehr als in einem anderen amerikanischen Lande, die
spanischen und eingeborenen Elemente, wozu noch etwas weniges Negerblut kam, dergestalt,
dass es heute nicht möglich ist, einen Rassen-Unterschied festzustellen.
Humboldt schätzte 1810 die Bevölkerung von Venezuela auf 802,000 Einwohner und
vertheilte sie folgendermassen: 5i Procent Mestizen, 25 Procent weisse Kreolen, 1 Procent
weisse Europäer, i5 Procent reine Aboriginer und 8 Procent afrikanische Sklaven. Wappäus
rechnete (1846) 1 Procent reine weisse Rasse und den Rest Mestizen und Eingeborne. Eine
weitere Klassifikation kenne ich nicht. Die Volkszählungen von 187З und 1881 unternehmen
diese schwierige Aufgabe nicht.
Die reinen Eingebornen hielten sich besonders im Osten der Republik (ich spreche von
den civilisirtenj, im Centrum und Westen mischten sie sich und gingen den Mestizen gegenüber
zurück. Was die Wilden betrifft, so halten sie sich in Guyana find den Territorien des Alto
Orinoco, Amazonas, Goagira, Zulia und einige Reste in anderen Theilen. Nach den Fest-
stellungen von 18З9 beläuft sich ihr Total auf 54,200, nämlich Apure 2З75, Goagira 9000,
Guyana 41,040 (Cantón Upata 8600, Caicara 2i5o, Rio Negro 19,020, Agostura 2100, Piacoa г5оо,
Delta 6670). Die Zählungen von 187З und 1881 berücksichtigen zwar die Bevölkerung der
Territorien, können aber nur relativen Werth beanspruchen, da sie fast unbekannte Gebiete
behandeln.
Nach den Daten, die ich erhalten konnte, kann die eingeborne Bevölkerung 126,000
betragen, und zwar: 60,000 civilisirte, 66,000 wilde.
Die Civilisirten leben hauptsächlich in
Barcelona 3o,ooo; Cumanagotas, Chaimas, Caribes u. а.
Cumaná 85oo; Guayquertos, Caribes, Chaimas.
Guyana 2000.
Maturin 5ooo; Guárannos, Chaimas.
Zulia З800, in Sinamaica З001 (1844), Lagunillas 706 (187З).
Amazonas-Territorio 10,000 (187З), 7020.
Die Wilden bevölkern die Mitte von Guyana und die Territorien Alto Orinoco,
Amazonas und Goagira.
Beide zerfallen in Völker oder Stämme. Ich habe mich bemüht ihre Wohnsitze fest-
zustellen, obwohl bei den geringen Kenntnissen, die wir davon haben, und ihren noma-
dischen Gewohnheiten es sehr schwer ist, Sicheres darüber auszusagen. Auch ist es wahr-
scheinlich, dass einzelne zwei- und mehrmal gezählt sind, da die Autoren verschiedene Zahlen
geben. Ebensowenig ist es leicht, nach den Rassenmerkmalen zu unterscheiden. Das Einzige,
was sich sagen lässt, ist, dass die Mehrzahl zur Caraibischen Rasse gehört, wie gewisse
linguistische Merkmale beweisen, mit Ausnahme der Goajiren, weche chiocha zu sein scheinen.
Auch giebt es einen zur Familie Guarani gehörigen Stamm.
(Aus dem Spanischen von M. V. BEGUELIN.)
imam
IÒ2
Indianerstämme von Venezuela.
p O)
Abirianos—Guayana, cerro deYapacana
Achaguas — Territorio Amazonas - el
Guaviare, reducidos ....
Aguas—el Alto Orinoco . . .
Ainaoñas—El Siapa..........
Alcoholodes—Zulia, reducidos .
Amoruas—Curso inferior del Vichada
Arecunas—Cabeceras del Caroni
Ariguas—Departamento Heres .
Arimacotas Id. Id. .
Arinagotos—Entre el Caroni y el Paragua
Armacotos—Guayana
Aruacas (Lucunu) — Guayana — limite
con el Brasil.................
Atures—Casi extinguidos.........
Ayanos—Cabeceras del Cuchivero
Suapire.......................
Azanenis—El alto Guainia ....
Barés—El Rio Negro y el Casiquiare
Barinagotos—Departamento Upata .
Barias—Cabeceras del Baria . . .
Bobures-Zulia
Bocabuyes—Id
Cabres—El Guaviare
Cabrios—El Alto Orinoco . . .
Cadupinapos—Cabeceras del Gaura
Campusanas—El Tiapa y el Pasimon
Caribes—Barcelona y Cumaná .
Carinas (Calinas)—Guayana . .
Carusanas—Entre el Guainia é Inirid
Caucas—Barcelona .
Caveris—El Rio Negro
Ceras—Barcelona
Chaimas—Barcelona, Cumaná, Maturi
Charagotos—Sur de Carácas . .
Chiricoas—Delta del Orinoco . .
Ciaperos—El Castaño..........
Coriubanas-—El Siapa.........
Cumanagotos—Barcelona, Cumaná
Cunipasanas—El Siapa ....
Curiaranas—El Malvaca ....
Curuchibanos—Cabeceras del Orinoco
Etenamos—El Mariate, Cumaná y el
San Fernando de Atabapo . .
Guaharibos—Cabeceras del Orinoco
Guahibos—El Meta ......
Goagiros—Terrritorio Goagiro . .
Guamas—Delta del Orinoco . .
Guamos—Guárico...............
Guaraunos—Maturin, Delta del Orinoco
Guarives—Guárico...........
Guáyanos—Departamento Upada
Guaycas—LimitesconlaGuayana Inglesa
Guaynares—Limites con el Brasil .
Guaypunabos—El Raveri é Inirida .
Guayqueries (Guachires Guaycuris)—
Cumaná y Margarita
Guayquires—Cabs, del Cuchivero, Guá
rico, en S. Fern. de Cachicamo .
Güires - Guárico................
Observaciones
4o 56°á68° Guarani. 90
O ^ . * O kO 60 62 o Caribe. l
Caribe.
Caribe.
Tamanaca.
Guck. 1.000
2° jO 67 o •
6°*5° 65° Caribe. Id. 5o .
3o 69 o Rama Guarani. Caribe. Puinaba.
Tamanaca. 15.000 (en 1800)
3oo
2° 3° 2o 3°2° 66° 65° 65° Caribe.
6*o 68° Tamanaca. 3.000 3.800 34.000
* Caribe. *
Q° 4o 60o 66° Guahariba. Maco.
. Guarauna.
• Tamanaca.
Tamanaco.
Id.
Reducidos.
Reducidos.
Reducidos.
Id.
Reducidos.
Id.
Reducidos,
gua: mezcla del Ca
y Tamanaco.
Reducidos,
ì nombre se lo dan te
las tribus Caribes.
Reducidos.
Reducidos,
ácidos. Tez casi blanca,
mongolico.
Reducidos.
Reducidos.
Reducidos.
Lenguapropia, casiblancos.
800 reducidos.
Lengua de origen Chibcha
muchas tribus, la más feroz
la de los cosinos.
Reducidos.
Casi blancos.
Tez muy clara.
Reducidos perdieron su
lengua.
Reducidos.
Indianerstämme von Venezuela.
163
Güinaus — Cabeceras del Caura y
Ventaury .......................
Güirigüiripas—Departamento Heres . .
Krihanas—El Manaviche.............
Llavaranas—El Guainia y el Maní . .
Macos—El Orinoco y el Pargueni . .
Macus—Limites con el Brasil ....
Macuchies—Cabeceras del Ventaury .
Maguacas—El Alto Orinoco ....
Maipures—El Rio Negro.............
Mandavacas—El Casiquiare . . . . .
Manitivitanos (Maravitanos)—El Casi-
quiare y el Rio Negro...........
Mapoyes (Quaquas)—El Cachivero y el
Sipapo..................... . .
Maquiritares—El Ventaury y el Orinoco
Marimas—Delta del Orinoco ....
Maritzi—Cabeceras del Ventaury . .
Mayongcong—El Merevari............
Misataris—El Siapa.............
Motilones (Tupos)—Zulia...........
Oje's—Cabeceras del Cuchivero . . .
Otomacos—Alto Apure. ......
Panares—Cabeceras del Cuchivero . .
Parecas—Cabeceras del Cuchivero y
Cuchivero.......................
Parenes-Guayana..............
Pariagotos—Departamento Heres . .
Pasimoniares—El Pasimoni y el Casi-
quiare .........................
Paudacotos—Departamento Heres . .
Pianogotos—Guayana................
Ramas: Drios y Zurumatos
Piaroas—El Sipapo y el Orinoco . .
Puinabos—El Inirida...............
Purigotos—Cabeceras del Paragua . .
Querequenas—El Rio Negro . . . .
Quevacu—Cabeceras del Ventaury . .
Quiriquiris—Zulia.................
Salivas—El Meta...................
Tamanacos—Cabeceras del Cuchivero,
Suapire y en el Guárico . . . . .
Taparitos—El Caura................
Uarifanes—El alto Mavaca..........
Vanivas—El Inirida y el Atabapo . .
Vayamaris—Cabeceras del Paragua .
Yabanas—El Siapa . • • • • • • ;
Yaruros (Yaapiñes)—El Orinoco y el
Capanaparo . • •. • ■ •
Yavaranas—El Guainia y el Aquio . .
Yaviteros—El Atabapo y el Tuamini .
Yocuras—El cerro de Yapacana . . .
Zaparas—Zulia.....................
Latitud Norte Longitud de Greenwich Familia Numero Observaciones
3 o 64o 65° • • •
6 o 68° Ature. 1.200 Reducidos.
4° 65°
. Caribe.
e 3oo
. 5o Reducidos.
• Id.
Ature.
5° 30 65° 68° 1.280 58o reducidos; casi blancos.
5o 650 Maco.
5o 4o 64 o Maco.
Goagira.
Tamaña.
Caribe.
■ • Tamanaca.
Id.
. Maipure.
* ’ Caribe.
2° 56° Caribe.
6° 5° 67o 68° Ature. 3.5oo 5oo reducidos.
3° 6907o0 Guaipunaba. 4.000 i.5oo reducidos.
4o 63°
3»2° 68° Maco. Caribe. Caribe. 2.200 Confundidos con las otras
0 . 1 0 65° tribus.
4°’3° 69 o Caribe. 4.000 2.000 reducidos.
2o 66° • •
3°2° 68° 690 Vaniva.
3° 68° •
4° 67 0 | • •
Total 99 Tribus ó naciones.
164
Nachwort.
Nachwort.
ln der Fülle der Zeit zur Reife aufgebrochen, steht die Ethnologie am heutigen Tage
ihrer Geburt, mit einem Fusse bereits im Grabe. Seit wenigen Decennien erst sind ihre
Aufgaben dem Bewusstsein klarer entgegengetreten, die Aufgabe, wie sie sich stellt, mit
Einführung der Psychologie unter die Naturwissenschaften, bei inductiver Behandlung derselben
mittelst der Bausteine aus den Schöpfungen des Völkergedanken, — die Vorbedingung der
Aufgabe desshalb, wie in Ansammlung des Materials aufliegend, als unabweislich erster und
zwingendster Pflicht. Und nun die schreckensvolle Ueberzeugung plötzlich, dass solcher
Pflicht zu genügen, fast zu spät bereits, dass jedenfalls die zwölfte Stunde schon geschlagen,
und kurze Frist nur bleibt, bis die letzte Hoffnung verhallt ist, unwiederbringlich und für
immer. Ohne die mit accumulativer Steigerung des internationalen Verkehrs von Jahr zu
Jahr rapider gemehrten Jammerberichte, wie sie über den Untergang psychischer Originalitäten
aus allen Continenten beständig bei der Ethnologischen Abtheilung einlaufen, in langer Ver-
lustliste anzuführen, genügt es diesmal auf voranstehende Berichte zu verweisen, auf Otto
Finsch’s Erfahrungen in Melanesien, in deren Sprache eine Logik der Thatsachen redet,
welche auch den taubsten Ohren verständlich sein muss (wenn für Verständniss überhaupt poch
empfänglich).
ln einer Reihe der für die Ethnologie wichtigsten Localitäten hat sich innerhalb der
wenigen Jahre, welche seiner ersten und zweiten Reise zwischenlagen, eine Katastrophe voll-
zogen, deren Folgen als Total-Verluste einzuregistriren sind, und wenn nun die aus dem letzten
Winkel Oceanien’s, der als schwer zugänglich in Abgelegenheit verblieben war, geretteten Typen
in, Bewunderung erregender, Reinheit ihrer Umrisse der Beobachtung entgegentreten, so müsste
auch das blödeste Auge die Verluste betrauern, die aus dem Rest der Inselwelt, seit der
mit den Entdeckungsfahrten eingebrochenen Zerstörungsfluth, unwiderruflich dahingegangen
sind, ohne irgend welche Möglichkeit späteren Ersatzes (s. Der Papua, S. З27).
Nie mit den Blitzen, die erhellen und zerstören, hat es unheimlicher in der Culturgeschichte
je geleuchtet, als im Anbruch der gegenwärtigen Periode, wo die Wissenschaft vom Menschen
hervortreten sollte, fest gezimmert im inductiven Bau naturwissenschaftlicher Psychologie, wo
aber nun vor unseren Augen das Material der Bausteine fortgerissen wird, ringsum auf allen
Seiten zu Grunde geht, ehe uns Zeit gegönnt, zum sicheren Aufbewahren derjenigen Schlüssel,
die bei den Problemen künftiger Generationen von der unsrigen werden zurück verlangt werden.
Schwer hat diese Schuld zu lasten, da Gleichgiltigkeit nicht entschuldigen kann, wenn deutlich
am Himmel die Zeichen geschrieben standen, wie sie von der Ethnologie gekündet haben.
Nachwort.
165
Nach den vielfachen Litaneien über dieses Thema sei nochmalige Wiederholung vermieden,
und will ich deshalb nur in der Kürze auf ein paar Beispiele aus Afrika verweisen, die ebenfalls,
im Augenblick des Anblicks, schlagend genug sprechen, um Folianten theoretischer Discussionen
zu sparen. Es sind dies von unseren gefeierten Entdeckungsreisenden aus bis dahin
unbetretenen Theilen des Innern glücklich heimgebrachte Schätze.
Obwohl die ethnologischen Museen seit dem Beginn ihres Bestehens mit Gegenständen
aus Afrika gefüllt waren, wäre es doch kaum zu viel gesagt, wenn behauptet wird, dass für
diesen ältest bekannten (und dennoch unbekanntesten) Continent seit den letzten Jahren erst
echte Typen psychischer Originalität aus dem Centraltheile (aus dem Herzen des Continents)
gewonnen sind, eben durch diejenigen Reisenden erst, denen es, nach dem neuerdings eröffneten
Eintritt, möglich geworden, von fremd civilisatorischer Berührung bis dahin unberührt gebliebene
Gegenden zu betreten. Von der Genuität des echten und reinen Typus aber hängt es ab, ob
die den Museen heimgebrachten Materialien, als Bausteine wissenschaftlicher Verwerthung sich
brauchbar erweisen werden. Im Völkergedanken wirken die allgemeinen Naturgesetze auf
secundärer Stufe durch das Medium des Menschen, und wie also jeder Organismus, je mehr in
seiner Verwirklichung von störenden Einflüssen frei geblieben, in desto reineren und klareren
Conturen seine typische Eigenthümlichkeit (den in ihm ausgesprochenen Schöpfungsgedanken)
zur Erscheinung bringt, so also auch die ethnische Vorstellung, als Abbild des Volksgeists
und somit seiner typischen Manifestisation. Hier kommt es nicht auf das Kleine oder Grosse an,
sondern auf das ungetrübt Echte, die Gesetzlichkeiten harmonisch zu durchschauen, und die
ethnische Weltanschauung eines ärmlichen Naturstammes besitzt ihren specifischen Werth
in gleicher Weise, wie die glänzende eines Culturvolks, trotz des Unterschieds bei relativer
Abwägung.
So lange das Naturvolk, innerhalb der Peripherielinie seines ethnischen Horizontes, seine
Gedankenschöpfungen ungestört hervortreibt, sind dieselben mit dem Band eines einheitlich
Ganzen umzogen, obwohl in den Grenzen der Entwickelungsfähigkeit beschränkt, sobald im
hergestellten Ruhezustand (in „Equilibration”) stagnirend. Auf den zu geschichtlicher Bewegung
prädestinirten Theilen der Erde werden dann, auf geographisch vorgezeichneten Wegen, fremde
Einflüsse zugeführt, um als neue Reize einfallend, die Fortbildungen anzuregen, wenn in
congenialer Wahlverwandtschaft ethnische Affinitäten derjenigen Art aufeinander treffend, wie
sie sich in unsrer Culturgeschichte als mischungs- und fortpflanzungsfähig bewiesen haben.
Die mit dem Durchbruch früher weltgeschichtlichen Orbis terrarum im Entdeckungs-
zeitalter eingeleiteten Beziehungen waren dagegen vorwiegend gewaltsamer Art, indem die
Blüthen höchster Cultur plötzlich und unvermittelt oftmals in directe Berührung kamen mit
den Stadien tiefster Uncultur. Hier wirkte die Berührung lähmend und zerstörend auf den
einheimischen Bildungszustand, mit ihr war gewissermassen der Todeskeim unaufhaltsamer
Zersetzung hineingeworfen, und obwohl der Naturstamm physisch fortvegetiren mochte, wie
früher, w^ar sein psychisches Leben doch vernichtet. Das hat sich besonders an der Westküste
Afrikas bewiesen, in vierhundertjährigem Wechselverkehr mit den Europäern, von denen die
Neger die Greuel des Sclavenhandels kennen lernten, den Branntwein, den Creolen-Jargon,
aber sonst nicht gerade viel Mehr oder Besseres. Ihr geistiges Schaffen gerieth in Verwirrung
und Unordnung, fratzenhaft verzerrt, wie aus den Scheusalen ihre Fetische entgegengrinsend,
obwohl sich in ihren mythologischen Dichtungen, in religiöser Auffassung Nvankupom’s oder
Damankama’s, Abassi’s, Mavu’s (s. Der Fetisch, S. 47) und in ihrer Seelenlehre (s. Der Papua,
S. 78), in ihrer Zoolatrie, sodann in esoterischen Mysterienbünden vielerlei Anklänge fanden,
in denen die Sphinx-Räthsel uralter Pharaonen-Welt nachzuhallen schienen. So muthete
i66
Nachwort.
es an, bei dem Besuch auf erster Reise, im Jahre i855 (s. Ein Besuch von San Salvador,
S. 3oo, Bremen i859). Und jetzt, wo es den Entdeckungsreisenden gelungen, jungfräuliche
Regionen des Centraltheils vom Westen her zu erreichen, (ehe noch von Osten durch
arabische Handelsjagden in Unordnung gebracht), jetzt, wo Pogge das gespenstisch schwan-
kende Phantom des Muata Yamvo zu fixiren vermochte, wo Wissmann1) Ortschaften betrat,
in denen noch das Feuergewehr nicht gehört war — (ein seltenes Wort im XIX. Jahrh.) —,
jetzt sind glücklich genug noch einige wenigstens der unverfälschten Typen gerettet; der
afrikanische Völkergedanke, wie er leibt und lebt und aus den beigegebenen Tafeln dem
Beschauer entgegentritt. Der dort zugefügte Kopf mag beitragen, die in unfruchtbarer
Erschöpfung gelehrten Scharfsinns bändeweis umhergewälzten Controversen über die
autochtone Grundlage altägyptischer Cultur in einem Augenaufschlage zur Entscheidung
zu bringen, wenn es in Zeiten noch gelingen sollte, genügende Reihen der Ueberschau
für Verwendung inductiver Methode hier zu gewinnen. „La philosophie de l’histoire,
en présence d’un peuple quelconque, doit reconnaître avant tout, pourquoi ce peuple est
venu dans le monde, ce qu’il a à y faire, quel but il poursuit, quelle idée il représente;
remarquez que si ce peuple ne représente point une idée, son existence est tout sim-
plement inintelligible” (s. Cousin). Um nun aber die typische Originalität eines ethnischen
Charakters erkennbar festzustellen, bedarf es (zuverlässig ächter Paradigmen wegen) ungetrübter
Originalität als erster Vorbedingung, für denjenigen Abdruck der im Völkergedanken aus-
gesprochenen Ideen, welche als einzige Zeugen derselben bei schriftlosen Stämmen in den
ethnologischen Museen aufzubewahren sind, die hier zugleich die Bibliotheken bilden, als
Hüter der allein zugänglichen Texte, — symbolischer Vorstufen der Schrift (zur Entzifferung
durch künftige Studien).
Mit colonialpolitischer Richtung gewinnt die Ethnologie zugleich ihre praktische
Bedeutung, da ohne richtiges Versländniss der rechtlichen Institutionen bei den Eingeborenen,
die Verhandlungen mit denselben, weil in gegenseitig unverständlicher Sprache verschieden-
artiger Denkrichtungen geführt, zu Missverständnissen weiter führen müssen, und wenn dann
die Anforderung von Regierungsanordnungen gestellt wird, drohen gefährliche Experimente, die
statt zum Segen zum Fluch ausschlagen mögen (trotz bester Absicht), und statt friedlichen
Handel zu fördern, Krieg und Verderben heraufbeschwören. Werthvoll sind deshalb aus
derjenigen Ecke Océaniens, die sich gleich Melanesien intacter als Polynesien erhalten hat,
nämlich aus Mikronesien, die Beobachtungen eines durch eingehende Sachkenntniss berufensten
Berichterstatters (s. Zur naturwissenschaftlichen Behandlung der Psychologie, S. 183), und wie
dessen „Socialen Einrichtungen der Pelauer” (Ethnographische Beiträge zur Kenntniss der
karolinischen Inselgruppe und Nachbarschaft von J. Kubary, Berlin 1885) einige Worte der
Einleitung beigefügt waren (S. 3—42), so mögen der oben veröffentlichten Abhandlung
anschlüssige folgen:
') Der Reisende kam dabei auf ein ethnologisches Stratum, das, aus australischem Niveau, im
dortigen Theile Afrikas noch zu Tage tritt, während es anderswo, durch moderne Schichtungen
überlagert, in Ueberlebseln hier und da erkennbar geblieben. In der ßegrüssung des Weissen, als
ein Wiedergekommener, in ausgedeuteter Erkennung durch Zeichen, in Zuführung seiner ehemaligen
Mutter u. s. w. wiederholten sich hier in Afrika genau bis in Einzelheiten die Erzählungen, wie von
Davis u. A. m. in Australien bereits bekannt. In ähnlicher Weise traf unser Reisender Jacobsen, wie
seine dem Museum übergebenen Sammlungen aus Alaska beweisen, die prähistorische Schichtung der
Steinzeit, die in Europa unter geschichtlich aufgelagerten Culturschichten begraben, dort erst ausgegraben
werden muss, um ihre stummen (aber durch ethnologische Parallelen jetzt oftmals zum Reden gebrachte)
Zeugen den archäologischen Sammlungen einfügen zu können.
Nachwort.
167
In den Rechtsverhältnissen der Naturstämme treffen wir vorangegangene Durchgangs-
stadien derjenigen Zustände, die in dem ausgebildeten Organismus des Culturvolkes fertig vor-
liegend angetroff’en werden. Im physiologischen Bilde dieses müssen daher die embryonalen
Vorgänge, seit vollendetem Abschluss derselben, eliminirt sein (bis auf archaistische Reste
etwa), und oft wird der Blick von scheinbar frappantesten Gegensätzen getroffen werden,
obwohl die Entwickelung aus gleichartigen Gesetzen hervorgetreten ist, bei der Einheitlichkeit
des psychischen Wachsthumsprocesses.
Während in historischer Betrachtungsweise, die Familie, wenigstens als tm'onov, „ce
qui est auprès d’un foyer” (s. Coulanges) — vor Ausweitung der „familia“ zum „Cinel” der
„Clann” oder ..famuli” durch den Eintritt der „Clienten” in die Sacra des Patron — den
primären Ausgangspunkt zu bilden pflegte, hat es die Ethnologie zunächst mit ihren Vor-
stufen zu thun, wenn in schwankender Horde das Gleichartige zusammenfliesst, die Geschlechter
im Gegensatz zu einander (in Australien), die (indianischen) Altersklassen in Ueberordnungen
u. s. w„ bis dann in Wahlverwandtschaft eine höhere Einigung aus den Geschlechtscheidungen
Zusammentritt (im Band der Fortzeugung fester noch zusammengehalten). „Die, in ihre
Gegensätze gespalten, menschliche Gesammtpersönlichkeit sucht in der Ehe wieder einheitlich
zu werden” (s. Riehl) zum neutralen Abschluss (im Kind).
Dass aus dem als Matriarchat, oder (bei Bachofen) Mutterrecht, gefassten Knechtszustand
der Frau die Patria Potestas und „Patriarchal theory of Society” (s. Maine) hervortrat, lag für
das Geschichtsvolk in seinen politischen Aufgaben begründet, und dementsprechend mussten
sich nun die übrigen Characterlinien verschieben, wenn nicht, wie oft genug, in ihr directes
Gegentheil verkehren. Während das Neffenrecht, (des Vasu und seiner Analogien), dem Sohn
des Avunculus zufällt, ohne etwelche Beziehung zum Sohn des Patruus, ist es dagegen dieser,
(mit Ausschluss jenes), der (nach den Institutionen) in der Manneslinie (s. Demosthenes) erbt,
wie der nächste Agnat (nach dem Zwölftafelgesetz). Dem Aeltesten gehört das väterliche
Haus durch n^toßfia (im Recht der Erstgeburt), unter Fortsendung der Jüngeren zur Entzün-
dung neuen Feuers (bei Coloniengründungen), während bei wandernden Nomadenstämmen
der Jüngste (als Utdschigin oder Feuerhüter) im elterlichen Besitz bleiben mag, da die Brüder
bereits fortgezogen sind, mit ihren Heerden (s. du Halde). Obwohl in geheiligter Form der
„Confarreatio” die Ehe als rtXog gefeiert wurde (s. Pollux), zur Einweihung der Frau, galt
dennoch diese, wenn auch Mater familias, nur als „tiliae loco”, mit der Gesammtheit weib-
licher Linie ausgeschlossen von Vollziehung des Cult, „n’ayant jamais un foyer, qui lui appar-
tienne” (s. Coulange), wogegen durch Ambil anak abgeschlossene Ehen zu Dienstbarkeiten
des Mannes führen kann, und Gynaicocratien (wie in Lykien u. s. w.). Das Kind kommt
(bei Euripides) nicht von der Mutter, àllà tov naiçoç, wie in den Gebräuchen der Couvade
fingirt wird (s. Zur naturwissenschaftlichen Behandlung der Psychologie S. 15q), die Fictionen
eines (sabinischen) Raptus spielen symbolisch noch in der Hochzeit der Kirgisen u. A. m.,
und bei dem Wagniss der in den Mysterien eines Genna (bei den Naga) geschlossenen
Hauscommunionen, einen Fremden zuzuführen, lagen die Schwiegermeidungen nahe (wie
in allen Continenten beobachtet, als Wistenkiyaki bei Dacota). Mit dem Eigenthum der
Consortes (als Verwandter) blieb auch das geistige Band ein einheitliches zusammen, unter
den Verpflichtungen der Samanodaca, oder zunächst der Sapinda (s. Manu), den Opferkuchen
darzubringen, bei dessen Ausfall (unter Erlöschen der Familie) die Ahnen in den Jammerort
hinabstürzen (nach dem Bhagavad-Gita). In der Solidarität der, Vorfahren und Nachkommen
verknüpfenden, Interessen, deren Sorge dem jedesmalig Lebenden (als heres necessarius) mo-
mentan aufliegt, lebt die Stammesseele ununterbrochen fort, wie bei den Odschi unter Wieder-
I
Nachwort.
einkörperung der Bla aus Sasuma (neben ihrer Wandlung in das Gespenst der Sisa), im „heres
suus” (ipso jure heres existit).
Gegenüber solch’ losen Einigungen, die wie im Gleichartigen (der Banden, Collegien
u. s. w.) zusammenfliessend, leicht auch wieder auseinander weichen, schürtzte sich in der
Ehe wahlverwandtschaftliche Verknüpfung, im ceremoniellen Act, denn „Nuptiae sunt divini
juris et humani communicatio” für die Uxor socia humanae rei atque divinae (xoiviovog ygrr
(.lartov y.u) Uowv). Die Entlassung aus früherem Cult geschah durch Emancipatio bei der
traditio (oder tyyvijoig), und Sklaven wurden von der Familie recipirt, weil sonst götterlos und
leicht dann gottlos, wie die Kriegsgefangenen (bei den Maori). Servos familiäres appellaverunt
(s. Macrob.), wie im Clan (die Kinder des Patriarchen). Deminutus capitis appellabatur (ex
alia familia in aliam adoptatus) qui in hostium potestatem venit (s. Festus), und wenn nicht
dem Martertode bestimmt, in die Familie recipirt wird (bei den Indianern). Quum dominis
tum famulis religio Larum (s. Cicero), im Cult der dso/ tcpt'ouoi (am Heerde), unter der im
„Maeg or Sipsceatt” (s. Hearne) gegebenen Scheidung gegen directe Abstammung der
Patrizier, als Eupatriden (bei der Probe auf den Tritavus); nargcoa tu tx naztgiav tlg viovg
ywQovvia, im edlen Geschlecht der geraden Linie (um welche die weitere Zugehörigkeit sich
gruppirt). Liess der Todte nur eine Tochter zurück, hatte sie der nächste Verwandte zu
heirathen und bei schon eingegangener Ehe war dieselbe (für beide Theile) zu scheiden (in
Athen). Auch konnten Bruder und Schwester (wenn allein übrig) sich heirathen, oder der
Vater mit der Tochter einen Sohn zeugen, indem der aus ihrer Ehe hervorgehende als der
seinige angesehen wird (bei Manu), so dass man die Enkel erbend betrachtete (als frvyaiQidovg).
Bei Kinderlosigkeit (in Athen) erbte der Bruder oder des Bruders Sohn, um in der
Manneslinie zu bleiben (s. Demosthenes), und (in Rom) der nächste Agnat (nach den Zwölf-
tafeln) oder (nach den Institutiones) der Sohn des Patruus (während das Neffenrecht des Vasu
dem Sohn des mütterlichen Oheims zufällt.) Bei Mangel der Sapinda treten die Samanodaca
ein (in Indien).
Die ethnisch-charakteristischen Institutionen rechtlicher Art, unter welchen ein Volks-
stamm lebt, haben als Schöpfung desselben seine Eigenthümlichkeit im Abdruck ihrer Phy-
siognomie zurückzuspiegeln, insofern geben für gesellschaftliche Verbesserungen nicht die
Einrichtungen den Ausschlag, sondern der Mensch selbst (s. Sismondi), und wären die staat-
lichen Einrichtungen als Ergebnisse des gesellschaftlichen Zustandes, (nicht diese hervor-
rufend), zu fassen (s. Hallam), obwohl dann ihrerseits wieder von bedingender Rückwirkung
(in organischer Wechselbeziehung).
On the one hand we have the human mind obeying the laws of its own existence, and
when uncontrolled by external agents, developing itself according to the conditions of its
Organization; on the other hand, we have what we call Nature, obeying likewise its laws,
but incessantly coming into contact with the minds of men, exciting their passions, stimu-
lating their intellect and therefore giving to their actions a direction which they would not
have taken without such disturbance (s. Buckle), aber hier liegt ein einheitlicher Process vor,
bei naturwissenschaftlichem Uebergang der Physiologie zur Psychologie (des Gesellschafts-
wesens). Demgemäss wäre der Process als ein einheitlicher zu fassen, wenn im Fortschritt
der Induction von der Physiologie zur Psychologie auch diese den Naturwissenschaften wird
eingereiht sein (zum Studium des Menschen als Zoon politikon).
Der Gesellschaftswesenheit des Menschen gemäss bleibt auch das Eigenthum zunächst
ein communales, bei den Jägerstämmen innerhalb ihres Bezirkes, oder bei den Dorfgemeinden
in der Flurvertheilung, und für den einheitlichen Gesellschaftskörper ist das eigene Moral-
Nachwort.
169
gebot immanent, während der Fremde als Feind gegenübersteht, und dann, unter Er-
weiterung des Gesichtskreises erst, in Einleitung gesellschaftlichen Verkehrs sich weiter und
weiter der einheitliche Zusammenhang zieht, im verknüpfendem Band, bis zum allumschlin-
genden des Kosmopolitismus (s. Der Papua, S. 148). Dann zugleich, wenn die religiöse Scheu vor
frevelndem Eingriff verschwunden (s. Grundzüge der allgemeinen Ethnologie, S. 3a), scheidet
sich das Sondergut, und innerhalb des Völkergedankens beginnt mehr und mehr das Einzel-
bewusstsein sich zu klären, im „triumph of the individual over society” (s. Henry James).
The essential tendency of all human progress is towards the ultimate triumph of the indi-
vidual over society (s. Hamilton), beim Selbstbewusstwerden innerhalb der Gesellschaft (des
nationalen Staatslebens).
Nach der Geselligkeit in menschlicher Gesellschaftswesenheit fliesst in der Horde das
Gleichartige zusammen, so dass sich zunächst als deutlichster Gegensatz die Geschlechter
gegenüberstehen, wie bei den Kurnai, mit weiterer Geschlechtstheilung der Natur in männliche
und weibliche Hälften, sowie der einzelnen Gegenstände auch, in Pflanzen und, am nächsten
(s. Religionsphilosophische Probl., 2, S. 52 u. flg.), in Thieren, als den Männern und Frauen
heilig (s. Allg. Grundz. der Ethnologie S. 38).
So liegen die Fäden vorbereitet für die Rolle des heiligen Thieres im indianischen Totem,
oder Pacarissa (Peru’s), wenn bei dem Ansatz zu geschichtlicher Bewegung australische Fünf-
stämme (im Vorschatten einer Pentapolis) sich (amphictyonisch) Zusammenschlüssen, und mit
dem Durcheinanderwürfeln verschiedener Stammesmitglieder aus getrennten Ursprüngen
her der Einzelne an dem angestammten Repräsentanten in der Erinnerung festhält, weshalb
gerade aus solch erbeigenthümlichem Besitz eine vertrauensvolle Stütze der Selbstständigkeit
sich gewinnen wird, wenn zur Beruhigung der „Praesagia” die mit Isolirung eingeleitete
Vertiefung durch den Genius eigener Seele (in Guinea) den Edro zum Anzeigen bringt (s. Der
Fetisch, S. 57) als „Deus cujus in tutela ut quisque natus est vivit” (s. Censorinus), und hier
wirft dann stets das Lebensgeheimniss des Todes seine Schatten im Angedenken an die
Abgeschiedenen, mit denen die Karen beständig verkehren (s. Cross) in melanesischer
Traumwelt (s. Codrington).
Festere Abgeschlossenheit erhält solcher Ahnencultus mit dem Abschluss eines Familien-
kreises (beim Uebergang des Matriarchats in das Patriarchat), und hier bei der um den
Heerd versammelten Gemeinde muss das Monopol auf ihre frto't lyytvtïç oder (jvvuilwi desto
überzeugender zum Bewusstsein kommen, unter Definirung der Rechte und Pflichten (betreffs
der Sraddha schon, nach den Verwandtschaftsweiten). „Tous ces dieux, foyer, Lares,
Mânes, on les appellait les dieux cachés ou les dieux de l’intérieur; pour tous les actes de
cette religion il fallait le secret, qu’une cérémonie fut aperçue par un etranger, elle était
troublée, jouillée, funestée par ce seul regard (s. Coulanges), wie die Festesfeier der Genna
(bei den Naga).
Indem nun die Beziehungen zu den im „Mundus” verschlossenen d-eo) yß-oviol, obwohl
für praktische Zwecke — in Anpflanzungen besonders (zu Tanna auch, oder auf den Taro-
feldern der Maori) —, mancherleiweis verwerthbar. im Uebrigen, trotz aller Scrupulosität, den
Justa zu genügen, von unheimlichen Angstgefühlen nicht frei bleiben konnten, hatte sich
naturgemäss der wohlthätige Eindruck der in der Apotropaioi gesuchten Helfer zu verstärken,
um mit Verklärung des Heros in der Apotheose, aus dem Grabhügel, wo Achilleus gesehen
wird (bei Philostratus), oder Gunnar singen gehört (s. Bartholinus), die Translocation vor-
zunehmen nach den oberen Regionen des Lichtreichs, damit Herakles’ „Autos” weile im Kreise
23
Nachwort.
170
der Olympier, oder doch auf „Insulae fortunatae”, eleusinische Seligkeitsfreuden gewährt werden
(unter Rhadamanthes’ Scepter), wenn Tawhaki aus der Himmelsterrasse, (floridanischer Jugend-
quelle), sein Lebenswasser (oder Vai Ora) herabgebracht hat, in „seclusa sacra” (algonkinischer
Meda), „quod Graeci mysteria appellant” (s. Festus).
Bei vollem Durchbruch politischer Berufung in dem Charakter eines Geschichtsvolks
war ein scharfer Scheidungsstrich zu ziehen, zwischen der Nacht- und der Tagesseite des
Lebens, in Unterscheidung (durch Religionsübung) „des Reinen und Unreinen” (s. Hartung),
für den „Begriff von höchster Reinheit” (s. Preller) in „castus multiplices” (s. Gellius), seit
in Numa’s königlichem Priesterthum die Bestimmungen niedergesetzt wurden, die „ad Dialem
flaminem pertinent” (s. Livius). Und hier aus dem den Horizont abschliessenden Himmels-
gezelt erscheint dann der Tängri-Sohn auf seinem Thronsitz, dem Lande die erwünschten
Segnungen zu sichern (wenn fromm, gleich Aeakus).
Fortan, auf ein im unbegreiflichen „Wakan” verhülltes Jenseits hingewiesen, fühlt sich
der Geist unter der Gewalt übernatürlicher Mächte, deren im irdischen Denken unerforsch-
lichen Willen zu verstehen, auf Offenbarung gehofft werden muss, um vor Vergehen, (in
rituellen Verstössen schon), behütet zu sein und nicht auf sich selbst das Verderben herab-
zulocken, wie Tullus Hostilius (b. Lucius Piso).
So war die Wahl der Staatsbeamten, (sofern mit heiligen Dingen betraut), der Gottheit
zu überlassen, im Loos (s. Plato) oder in den Auspicien der Auguren, (als Interpretes Jovis
optimi), wenn der König proclamirt wurde (auf irischem Krönungsstein). Bot die Gottes-
meinung nicht ungesucht sich dar im „auspicium imperiumque” (als Befehl), so war sie ein-
zuholen, im vorgeschriebenen Ritual der Beobachtungen (auch der Eingeweide durch den
Haruspex). Augurium et petitur et certis avibus ostendatur, auspicium qualibet avi demon-
stratur et non petitur (s. Servius). Um hier nun, — wenn in Olenus Calenus’ Künsten
(s. Plinius) nicht bewandert, — ein unabwendbares fatum (oder /Qijouog) bestens auszunutzen,
hätte richtiges Verständniss als erste Vorbedingung zu gelten, und war darin gefehlt, blieb
nichts übrig, als von Vorne wieder anzufangen (nova auspicia captare), wie bei den
Schöpfungsgesängen (eines Pule-Hau), und schon der Antritt des Amtsjahres wurde inaugurirt
(im „augurium salutis”). In späterer Abscheidung verblieb den Auguren nur die Nuntiatio
(oder obnuntiatio), die Spectio dagegen „Magistratibus” (s. Festus), aber der fürstliche
Gründer des Staates war selber Augur (und sein Bruder Remus in dem Kauf).
Nach der Gesellschaftswesenheit des Menschen ergiebt sich, wie in der Psychologie
der Völkergedanken als primärer Ausgangspunkt, so für das Eigenthum das Communale. und
dieses nicht durch willkürlich freie Occupation einer „res nullius” erworben, sondern unter
festen Gesetzesbanden durch vorangegangenen Cursus der überall entgegentretenden Sühnungen
und Kasteiungen (wie in den Mokisso und anderen Gelübden). Rings von den Räthsel-
geheimnissen eines Unbekannten umgeben, fühlt der Mensch sich seines Selbst kaum eigener
Herr, und wagt die, von Innuae oder Vui besessenen, Gegenstände der Natur nur für tempo-
rären Niessbrauch etwa zu benutzen, aus der Noth des Lebens (so lange nicht bei der
Schöpfung schon die göttliche Erlaubniss gewährt war, für die Chippewäer). Zunächst ist
Alles also verboten, tabuirt, und auf Erden zum Gebrauch nur für jene, die ihre himmlische
Abstammung auf die Götter zurückleiten, wie die Ariki Polynesiens. Im Einzelnen, und aus
Gnade nur, mögen Concessionen gemacht werden, zum vulgären Gebrauch, und so „Trebatius
profanum id proprie dici ait, quod ex religioso vel sacro in hominum usum proprietatemque
conversum est” (profanatum, quod ex sacro promiscuum humanis actibus commodatum est).
Nachwort.
I7I
Anfänglich war Alles unnahbar (in Heiligkeit)). Nachdem später der menschliche Besitz frei-
giebiger vermehrt war, mochte aus diesem zurückgegeben werden an die Götter, im Sacrum
(bei Aelius Gallus), „quod diis dedicatum atque consecratum est” (s. Festus). Sacerdotes uni-
versi a sacris dicti (s. Varro). Wie Tempelthiere mochte dem Dienst der Götter auch der
Mensch geweiht werden, (schon seit der Geburt als flaminius Camillus), und dann seines
Amtes walten als sacerdos, (im sacrorum oder sacellum), oder der Verbrecher wurde zut
Strafe den Rachegottheiten überliefert, losgelöst von dem durch Priesterkraft gewährten Schutz,
als Verfluchter (oder sacer) und vogelfrei (um seine Seele den Eigenthümern zuzusenden.
„Animas sacratorum hominum, quos Zanas Graeci vocant, dis debitas existimabant” (Coarac
bei Steph.). Anathemata dicti sacri homines, quorum capita diis inferis dicata sunt et devota
(s. Bud.). Und Alles deshalb, was den Göttern zu eigen, im Guten oder im Bösen, bildete ihr
Anathema (quicquid destinatum est dis, sacrum vocatur), und das im Fatum Gesprochene galt
als Fanum für Fas (gegenüber dem Nefas des Profanum). Was die Götter, unter eigener
Absicht, aus dem 'Besitz des Menschen, (dem diesem überlassenen Leihgut), für sich zurück-
nehmen, (wiederum binden), wollten, erhielt damit einen religiösen Charakter, wie in Bezeichnung
durch den Blitzstrahl (qui locus statim fieri putabatur religiosus). Aus genauerem Feststellen
(sancire) der Eigenthumsgrenzen, für den Besitzstand der Götter, (ob von diesen selbst sich
zugeeignet, ob aus den menschlichen Geschenken oder Opfergaben erworben), ergab sich
dann die Heiligkeit (des Sanctus), die nach der Seite des Sacer (wie im Sacrosanctus) genauerer
Bestimmungsmöglichkeit fähig, solche nach der anderen hin entbehren musste (im Absoluten
des Religiösen). Die Magistrate, weil in der Andeutung durch die Auspicien von den Göttern
bezeichnet, trugen in ihrer Unverletzlichkeit den religiösen Charakter, (ein Ueberlebsel aus
dem Priesterkönigthum), wogegen der Tribun, weil ihm nur durch staatliche Anordnung die
Unverletzlichkeit als sacer hatte zuertheilt werden können, damit auf dem Niveau der ver-
dächtigen Stände verblieb (und den Patrizier bei der Begegnung verunreinigte). Den Plebejern
fehlten, mit den Sacra Gentilicia, deren Feste, bis sich an die von Tullius an den Kreuzstrassen,
„ubi plures vias competunt” (s. Varro), erbauten Kapellen die Compitalia (der neuen Vier-
stämme anknüpften (s. Dionys. Hai.), indem die Lares compitales oder viales (als publici
neben privati) den Lares familares hinzutraten, und das Zwillingspaar der Lala (Dea Muta
oder Tacita) oder Larunda (mit Mercur) wurde dann zur Dreiheit vermehrt (als der Genius
des Kaisers sich zufügte).
Was aus dem Eigenen jenseitig unbekannter Macht zu menschlichem Niessbrauch ver-
wendet werden mag, ergiebt sich als Noa (bei den Polynesiern), oder Profanum (quod ex
religioso vel sacro in hominum usum proprietatemque conversum est). Das Tabuirte gehört
den Atua (und dem von ihnen abstammenden Heroengeschlecht der Ariki). Sacrum est quic-
quid est quod deorum habetur (bei Trebatius), und dieses den Göttern Heilige wird für die
Menschen zum Verbotenen. Servius Sulpicius religionem esse dictam, tradidit, quae propter
scnctitatem aliquam remota ac reposita a nobis sit, quasi a relinquendo dicta ut a carendo
caerimonia (s. Macrob.). Und so in den Bereich der Erklärer hier, fällt es zu, ins mensch-
liche Leben (mit priesterlicher Autorität) einzugreifen, die Pflichten anzudeuten (auch im
moralischen Bezug, bei Idealisirung der Anschauungen).
Secundum Pompejum Festum religiosi sunt qui in facienda et vitanda discernunt
(Religio vetuit). Zunächst auf Geboten, oder Verboten, begründet, führt die religiöse Lehre
dann zur freien Selbstthat (des Guten um des Guten willen).
22*
Nachwort.
I72
Vorläufig dagegen, auf den Vorstufen der Naturstämme, mischt sich die Todtenwelt
beständig traumhaft (wie in Polynesien) dem Tagesleben ein. Mundus cum patet, deorum
tristium atque inferum quasi janua patet, propterea non modo praelium committi, verum etiam
dilectum rei militaris causa habere, ac militem proficisci, navem solvere, uxorem liberum
quaerendorum causa ducere, religiosum est (bei Varro). Deshalb für ein zu praktischer
Thätigkeit berufenes Geschichtsvolk, gleieh den Römern, bedurfte es strenger Scheidung
zwischen Licht und Dunkelheit (in den Functionen des Flamen dialis). Und dann in rela-
tiver Auffassung, wenn was für die Menschen auf der Erde rechts, für die Götter im Ftimmel
links (s. Servius), kehrt die Welt sich um (wie in der Eschatologie Nukahiva’s) in der Welt
(oder Mundus), qui supra nos est (bei Cato). Immo vero, hi vivunt, qui e corporum vinculis,
tanquam e carcere, evolaverunt, vestra vero quae dicitur esse vita mors est (in Scipio’s
Traum). So stirbt die Seele doppelten Todes in Polynesien, zu individueller Vernichtung,
wenn vom Atua gefressen (in pantheistischer Absorption), während im Buddhismus, trotz
wiederholten Falles aus den Götterhimmeln der Rupaterrassen, Hoffnung verbleibt auf schliess-
liche Befreiung (wenn die Pfade der Megga betreten sind). Nam et qui primum Pythagoram
et qui postea Platonem secuti sunt, duas esse mortes, unam animae, animalis alteram pro-
diderunt, mori animal, cum anima discedit e corpore, ipsam vero animam mori adserentes,
cum a simplici et individuo fonte naturae in membra corporea dissipatur (s. Macrob.). Und
damit liegt im Leben eingepflanzt die Religion (im strebenden Drang zur Erlösung).
Aus Regungen der Dankbarkeit gab man den Göttern zurück, aus dem ihnen genom-
menen Besitz (in den Opfern), und der locus effatus wurde durch die Spruchformel des
Augur vom Profanen abgeschieden (als liberatus), bis sich der Mensch selbst und voll im
Opfer hingiebt (das ganze Leben ein Gebet).
Am Altar heiligster Schwüre (s. Dionys), als Sancus (Sanctus oder Sangus) verehrt,
verlief Dius Fidius (Ztvg Tliouog) mit Hospitalis Jupiter (Zfvg Stviog') in jene Verall-
gemeinerung des Divus Pater (neben Diva mater), wrodurch Jupiter Penetralis ([Ztvg tgxtTog),
dem die Larentinalien geweiht waren, aus selbstsüchtigem Abschluss der Einzelnfamilien sich
zum Schutzgott des Gastrechts erweiterte (im Fortschritt humanistischer Cultur).
Das Walten des allgemein Göttlichen drückt im Dämonischen sich aus, mit Zuertheilung
des Dämon (äno xov O-uio/itiov, hoc est /<fonoutvov') für den einzelnen Menschen (im Genius
des Spiritus familiaris) und Belehrung der Seele. c’On rpQoviuoL xa) danyitovag jjouv, dai/uoveg
uviovg w'o/uuoe (Plato). Die bildliche Auffassung umschriebener Göttergestalten knüpft sich
dann an den regelmässigen Umlauf der Gestirne, wie in astrologischen Einflüssen weiter ver-
werthbar. Otovg enim dicunt sidera et stellas, änb rov frteiv, id est TO(’/eu\ quod semper in
cursu sint, -i) äno tov ÜHOQtta&ui (s. Macrob.). Und die hier festgeschlossenen Gesetze wirken
dann auf das Schicksal zurück, im Verhängniss (des Fatum).
In Mercurio solem coli etiam et caduceo claret, quod Aegyptii in specie draconum
maris et feminae conjunctorum figuraverunt Mercurio consecrandum. Hi dracones parte
media voluminis sui invicem modo quem vocant Heraclis obligantur, primaeque partes eorum
reflexae in circulum pressis osculis ambitum circuli jungunt, et post nodum caudae revocantur
ad capulum caducei ornanturque alis ex eadem capuli parte nascentibus. Argumentum
caducei ad genituram quoque hominum, quae ytvtoig appellatur, Aegyptii protendunt, deos
praestites homini nascenti quattuor adesse memorantes, z'Jai/nova, Tv/r/x, °Eotora, Avuyxrjv, et
duos priores solem ac lunam intelligi volunt, quod sol auctor spiritus caloris ac luminis
humanae vitae genitor et custos est, et ideo nascentis dai/ncor, id est deus, creditur, luna rv/v,
Nachwort.
173
quia corporum praesul est quae fortuito rum varietate jactantur, amor osculo significatur,
nécessitas nodo (s. Macrob.). Und so in wirrer Symbolik weiter für ßamian’s „verrücktesten
Götzen” (bei Goethe) von „Griechenfeinden und Indikomanen” (s. N. Müller) gedeutet
wieder, für Auslegung der Allegorien, in der Kunstsprache der, nicht die Wahrheit, die nur
für Gott (s. Lessing), sondern im Drange dahin das Verständniss Suchenden (mit objectiven
Hülfen jetzt).
Das zu göttlichen Ahnungen und Hoffnungen wendende Abhängigkeitsgefühl schafft,
dem Ackersmann besonders, eine „feine Bibel” (s. Luther), und „der Grundcharakter aller
pelasgischen und somit griechischen Mythologie ist agrarisch” (s. Völcker). „Alle alten
Religionen huldigten als Natur-Religionen Bildern der auffälligen Natur” (s. Gerhard). Gette
religion était un ensemble mal lié de petites croyances, de petites pratiques, de rites minutieux
(s. Coulanges), „une religion apportée par des Maletots ou des Coureurs, entre lesquels il se
meloit quelques prêtres d’idole mal instruits” (bei den Griechen), les Prêtres d’Egypte ne
s’ouvrâient presque point sur leurs dieux (s. Fourmont), so wenig wie die der Naturstämme,
so dass das Pule Hau (in Hawaii) der Kenntniss entzogen blieb (als leçoç Xoyoç), wie die
Kosmogenie der Maori, die White erst lehrte, nachdem er selbst sie kennen gelernt (bei der
Einweihung), und im Echo gnostischer Reminiscenzen, aus südlicher und nördlicher Hemi-
sphäre der Südsee bestätigt sich aufs Neue: Nihil novi sub sole (in Gleichartigkeit der
Völkergedanken).
Beim Durcheinanderwirken fremder Reize tritt im gegenseitigen Kampf ums Dasein
die Entwicklung hervor, und so über der zusammengewürfelten „Religion der Schiffer und
Matrosen” bei den Griechen, erhob sich die Philosophie ihrer Theologoi (bei Aristoteles), in
„bewundernswürdigsten Mustern von idealer Spéculation” (s. F. A. Wolf). Dann im Fortgang
der Culturgeschichte folgt die Renaissance mit Einträufelung classischen Geistes auf die
nationalen Unterlagen im europäischen Norden, und die Alterthumswissenschaft wurde in
den Controversen der Pädagogik zum barometrischen Index in psychischer Atmosphäre, für
die Wiedergeburt im „Paradies des Menschengeistes”, denn die Realwissenschaften vermögen
nur in ihren durch Arbeitstheilung auseinandergelegten Disciplinen den Geist der Fachmänner
zu nähren, während sie für die Aussenstehenden über ihre praktische Bedeutung hinaus nur
mehrweniger anziehende Curiositäten bleiben. Dagegen aber ist die Methode der Natur-
wissenschaften (inductiver Principien) jetzt auch in die Geisteswissenschaft einzuführen zur
Zufügung der Psychologie, als Naturwissenschaft, in die Gesammtreihe, wenn nach Be-
schaffung des für die Bausteine erforderlichen Materials der Horizont sich nicht nur über
die Culturvölker sog. Weltgeschichte ausgebreitet hat, sondern über das ganze Menschen-
geschlecht in allen seinen Wandlungen auf der Weite der Erdoberfläche hin (zu ethnologischer
Uebersicht). La science étant systématisation et synthétisation, il faut, pour qu’il y ait système
et synthèse, qu’il y ait quelque chose à systématiser et à synthétiser (s. Gérard), und so bedarf
es der Bausteine für die inductive Methode (zur Begründung naturwissenschaftlicher Psycho-
logie gleichfalls).
Die Sociologie, als Physique sociale (s. Quetelet) oder „Social Physics”, hat von der
Physiologie fortzuschreiten zur Psychologie in naturwissenschaftlicher Methode und die „Social
Statistics” (s. Spencer) bedürfen dann zugleich einer Gedankenstatistik (für die Basis der
Inductionsarbeit). Die statistische Erforschung des Gesellschaftsorganismus zeigt ihn auf einem
festen System grundlegender Ansichten beruhend (s. Comte) in Elementargedanken (natur-
wissenschaftlicher Psychologie). Im „Gegebenen” ist der Ausgangspunkt gegeben, „quant
É
:Nach'wört.
aux causes premières, elles demeurent inaccessibles” (s. Wurtz), und Speculationen liber
Ursprungsfragen, liber „évolution” (bei Spencer), progrès (s. Comte) sind leicht oder leichte
Waare, gleich den Weltbeglückungen des Fourierismus als the „all-glorious science of the in
fluence of circumstances over human character” (s. Owen), im delusive dream of „the good
time coming” (s. R. S. Hamilton), denn obwohl „human affairs are governed by fixed and
inévitable laws”, stehen wir doch erst an der Schwelle einer „terra incognita” im Geistes-
reich, mit unermesslichem Forschungsfeld vor uns gebreitet (in noch'völlig unübersehbare
Weite hinaus). Fernher zwar beginnt es zu klingen, in den Symphonien kosmischer Gesetze,
die von Hoffnungen reden mögen, aber von der Arbeit zunächst, deren genug noch vor
uns ist, denn rrjg ö'uQeirjg ÏÔQMva thoi nQOTruQOi&ti' So walte ein Jeder seines
Amtes, — und uns ist die Aufgabe zugefallen, Das rechtzeitig in Sicherheit zu bringen,
was morgen schon verloren sein mag (für das Werk kommender Tage).
B.
Schlusswort*
Die ethnologische Abtheilung, aus welcher diese „Original-Mittheilungen” hervorgegangen
sind, hat gegenwärtig ihre Räumung erhalten, und die Verwaltung ist nach dem Museum für
Völkerkunde verlegt.
Betreffs des Bauplanes waren die Berathungen darüber auf eigene Initiative hingewiesen
(unter den Bedingnissen der Platzverhältnisse), indem die hier, in Errichtung eines selbst-
ständigen Museums für ethnologische Sammlungen gestellte Aufgabe, mit dem diesmaligen
Falle zuerst herangetreten war. Aehnlicherweis lag es in Betreff der hinsichtlich des Umzugs
zu treffenden Massnahmen, da bei dem eigenartigen Charakter dieser für ein neues Forschungs-
gebiet in Bildung begriffenen Material-Ansammlungen Präcedenzfälle fehlten, aus denen frühere
Erfahrungen hätten in Verwerthung gezogen werden können. Unter den erörterungsfähig
gebotenen Ueberlegungen musste für die Art der Ausführungsweise der darin bewährt
erfundenen Probe die Entscheidung anheimgestellt bleiben und solcher, im Uebrigen, mit
zunehmender Aengstlichkeit entgegengesehen werden, als die Complicationen der Massen-
Anhäufungen mit accumulirenden Steigerungen anwuchsen, mit dem Dahinfliessen der Jahre,
ohne dass der mit jedem derselben dringenderen Verwirklichung des Neubaus, entgegenstehender
Hindernisse wegen, diejenige Beschleunigung ertheilt werden konnte, wie von den Bedürf-
nissen deutlichst, und immer dringender, gefordert.
In Beengung der überfüllten Räumlichkeiten, wie ursprünglich zugemessen, hatte auf
Uebersichtlichkeit der Anordnung, auf eine Aufstellung überhaupt, längst bereits verzichtet
werden müssen; für den Bestand der älteren Verzeichnisse, deren Anlegung vor die, bei einem
methodischen Studium leitenden, Gesichtspunkte zurückfielen, waren in Folge durchgreifend
benöthigter Rectificationen zuverlässige Anhalte mehr und mehr verloren gegangen, während
andererseits die neu hereingeströmten Vermehrungen, nach kaum flüchtiger Durchsicht beim
Empfang, der Zugänglichkeit sich entzogen, weil theils in den Kellerräumen aufgespeichert,
theils untergebracht in zerstreuten Magazine-Aushülfen, um dort wieder, je nach temporärer
Benutzbarkeit derselben, Umherschiebungen und Versetzungen zu erleiden, der Controle
grossentheils entzogen. Jede Nachprüfung hatte aufgehört, soweit nicht durch unerlässlichste
Anforderung der Conservirung erzwungen, (falls die Ausführbarkeit dies zuliess).
Wenn unter solchen Schwierigkeiten, deren bedenkliche Tragweite einem in Museums-
Angelegenheiten praktisch geübten Auge keiner besonderen Hervorhebung bedarf, die Ueber-
führung der Sammlungen vorgenommen werden sollte, durfte vorerst nur eine rein provisorischex)
p In der prähistorischen Abtheilung dagegen, welche dem Directorial - Assistenten Dr. Voss
unterstellt ist, wird die Einordnung sogleich einen definitiven Charakter tragen und in erster Linie
die Alterthümer der Mark Brandenburg umfassen (im Erdgeschoss, wo ausserdem die ebenfalls
bereits geordneten Sammlungen aus Dr. H. Schliemann’s Schenkung localisirt sind). Bei den ethno-
logischen Sammlungen des ersten und zweiten Stockwerks finden sich die Directorial-Assistenten
Dr. Grünwedel und Dr. Grube beschäftigt, sowie Dr. von Luschan, der zugleich im dritten Stockwerk
die anthropologischen Sammlungen anordnen wird (nach beabsichtigter Anlage derselben).
II
Schlusswort.
Aufstellung, oder Auseinanderbreitüng, versucht werden, um das überhaupt Vorhandene zu
übersichtlicher Auseinanderbreitung zu bringen, und dadurch eine faktisch gesicherte Auf-
nahme derjenigen Unterlage vorzubereiten, welche sich fortab für den systematischen Fort-
gang der Studien als permanent gültige zu erweisen haben würde. Was mit derartigen
Arbeiten besagt sein will, wird dem damit vertrautem Sachkenner verständlich genug und
seiner nachsichtigen ßeurtheilung gewiss sein. Und wer deshalb, im Hinblick auf die End-
ziele der Ethnologie, mit ihren Sammlungen ernst es nimmt, wird für die Neu-Ordnung der-
selben im gegenwärtigen Uebergangszustand gerne bereit sein, die im gemeinsamen Interesse
erforderliche Zeit zu bewilligen, damit, was als Allgemeingut der öffentlichen Benutzung über-
geben werden soll, denjenigen Belehrungszwecken, wofür bestimmt, als gesicherte Grundlage
zu dienen vermöge (zur Lösung der hier gestellten Aufgaben).
Auch in der Zwischenzeit indess wird gestrebt werden, das soweit Aufgestellte einiger-
massen zugänglich zu machen, unter denjenigen Bestimmungen, wie festgesetzt und zur
Kenntniss werden gebracht werden, soweit möglich mit Anfang des neuen Jahres, wogegen
die eigentliche Eröffnung, (nach Fertigstellung der gesammten Ausstattung), sich voraussichtlich
bis gegen Ende desselben verschieben wird.
Bei wünschenswerther Vermehrung der Mitarbeit werden die Fachgelehrten jedoch stets
auf alle Erleichterungen rechnen können, die sich aus den Umständen gestatten, und bereits bei
der Naturforscher-Versammlung im Monat September waren Einrichtungen getroffen gewesen,
eine Besichtigung zu ermöglichen, wie in dem für den Besuch vertheilten Führer damals
angegeben (Sept. 1886):
In dem gegenwärtig noch im Umzuge aus der ethnologischen Abtheilung der Königlichen
Museen begriffenen Museum für Völkerkunde finden sich im Parterregeschoss, Eingang links, die
prähistorischen Sammlungen, in welcher die der Mark Brandenburg gegenwärtig fertig gestellt sind,
Eingang rechts die Ausgrabungen des Herrn Dr. H. Schliemann, welche der Schenkung desselben
zu danken sind.
Im ersten Stockwerk sind die Sammlungen aus Afrika, Océanien und Amerika zur Auf-
stellung gebracht. Hinzugefügt sind die sibirischen Sammlungen zum ergänzenden Abschluss mit
Amerika bei Annäherung der beiden Kontinente an den Küstenländern der Behringstrasse.
Für das zweite Stockwerk sind die Sammlungen aus Ostasien (China und Japan), Indien und
Indonesien in Aussicht genommen, welche letztere sich wieder an die oceanischen anschliessen.
Das dritte Stockwerk soll die anthropologischen Sammlungen begreifen, welche für ihren
hauptsächlichen Theil gegenwärtig noch im Besitz der Anthropologischen Gesellschaft befindlich,
nach der mit dieser zu treffenden Vereinbarung an das Museum für Völkerkunde übergehen werden.
Nach den verschiedenen Sammlungen des ersten Stockwerks vertheilen sich dieselben im
Allgemeinen folgendermaassen:
Saal I.
Sibirische Sammlungen.
Querschränkc:
Bur jäten
Kalmücken
Samojeden (mit Geschenken des Herrn Knoop
in Bremen)
Ostjäken
Kirgisen
Jakuten (Geschenk des Vice-Gouverneurs
Priklonski)
Tschuktschen u. s. w.
Längsschrank:
Sammlungen aus dem Amurgebiet (Golden,
Giljaken^ Mangunen u. s. w.) beschafft mit
Unterstützung des Ethnologischen Hülfs-
comités (Herr Isidor Richter, Vorsitzender)
'durch den Reisenden Jacobsen.
Schlusswort.
III
Saal II.
Querschränke und erster Längsschrank:
Sammlungen aus der ersten Reise Capitän
Jacobsen’s auf der durch das Ethno
logigische H Ulfs-Co mite' ausgesandten Ex-
pedition nach der Insel Vancouver, der Nord-
westküste Nord-Amerikas, Alaska u. s. w.
zweiter Längsschrank:
Eskimos (zum Theil aus der deutschen Nord-
pol-Expedition)
Indianer der Union
Oregon, Californien, Arizona
Pueblos
Moderne Gegenstände aus Mexico, Guatemala,
Yucatan u. s. w.
Saal III.
Peruanische Ausgrabungen
mit den Forschungs-Ergebnissen der Herren Dr.
Reiss und Stübel- auf dem Todtenfeld Ancon.
Saal IV.
Süd-Amerkanische Sammlungen.
Querschränke (links):
Stämme des Amazonas und seiner Nebenflüsse
Araucanier, Patagonier, Feierländer
Chibcha, Central-Amerikanische Alterthümer,
Antillen.
Längsschrank (links):
Brasilien, Anden, Paraguay, Matto Grosso.
Querschränke (rechts):
Peruanische Alterthümer
Central-Amerikanische Alterthümer
Zuni.
Längsschrank (rechts):
Mexicanische Alterthümer
Yucatanische Alterthümer.
Saal V.
Neu Guinea. Westtheil (Geelwink Bay u. s. w.)
mit Geschenken des Herrn de Bruijn (aus
Ternate), Port Moresby (Geschenk des Missio-
nair Chalmers).
Kaiser Wilhelms-Land (aus den Forschungsreisen
der Neu Guinea-Compagnie, beschafft durch
Dr. Finsch).
Der übrige Theil dieser werthvollen Sammlung
befi7idet sich gegenwärtig in einem Ausstellungs-
raum, wo derselbe auf Wunsch besichtigt werden
kann.
Schmalschränke mit oceanischen Gegenständen
(Lanzen, Rudern, Keulen u. s. w.).
Saal VI.
Längsschrank rechts:
Aus dem deutschen Schutzgebiet im Bismarck-
Archipel mit den Sammlungen S. M. S.
„Gazelle”
Hermit-Inseln
Australien (Neu Holland).
Querschränke rechts:
Halmahera, zum Vergleich mit den Samm-
lungen aus Neu Guinea eingeschoben
Neu Britannien
Neu Irland
Neu Hannover
Salomons-Inseln
Neue Hebriden
Ad miralitäts-Inseln
Viti- (Fidschi-) Inseln
Neu Holland
Längsschrank links:
Mikronesien (Carolinen-, Palau-, Marschall-
u. s. w. Inseln)
Neu Caledonien
Neu Seeland.
Querschränke links:
Darnley-Insel
Oster-Insel
Marquesas-, Tonga-, Ellice-Inseln
Samoa
Hawaii (Sandwichs)
Tahiti
Madagascar.
Saal VII.
Mexicanische Alterthümer.
3 Querschränke mit der durch Herrn Geheimrath
Dr. Werner Siemens zur Aufstellung über-
gebenen Sammlung
Längsschrank (mit mexicanischen Steinfiguren).
Saal VIII.
Afrika.
Abessinien, Nilgebiet, Sudan, Guinea, Congo,
Niger, Kaffern, Hottentotten u. s. w. von den
Reisen der Herren Dr. Nachtigal, Rohlfs,
Schweinfurth, Junker, Flegel, Dr.Pogge,
Lieutenant Wissmann, Lieutenant v. Fran-
cois, Lieutenant Müller, Dr. L. Wolf,
Major von Mechow, Dr. Büchner, Paul
Reichard, Teusz u. s. w.
Die Aufstellung ist eine soweit provisorische, und
die Bezeichnung der Schränke bezieht sich auf den
Namen der Localität oder des Reisenden, der darin
hauptsächlich vertreten ist.
IV
Schlusswort.
Jeder war durch seine Mitgliedskarte zum täglichen Besuche (zwischen 8—5 Uhr)
berechtigt, und“ eine erste Einführung fand am Montag, den 20. September, um 10 Uhr statt,
indem der Director in der Aula des Museums für Völkerkunde die Anwesenden begrüsste,
die sich nach dem Beschlüsse der Section für Ethnologie und Geographie zur Besichtigung
eingefunden hatten, und den Durchgang der Sammlungsräume mit folgender Ansprache
einleitete:
Als zum ersten Male, vor 28 Jahren, die Deutsche Naturforscher-Versammlung sich hier
in Berlin vereinigt hatte, kam bei derselben die Bildung einer psychologischen Section zur
Erörterung. Der Vorschlag ging aus von dem Physiologen Burdach in Königsberg, dem
Verfasser eines damals beim medizinischen Studium vielgebrauchten Handbuches „Die
Physiologie als Erfahrungswissenschaft”, zu. In ähnlicher Weise, wie hier die Physiologie, müsse
im Anschluss daran auch die Psychologie als Erfahrungswissenschaft behandelt werden. Wir
haben eine comparative Anatomie, jetzt gilt es eine comparative Psychologie — hiess es 1828
in den Worten des damaligen Redners: „Wir besitzen eine comparative Anatomie,” jetzt
gilt es, auch eine comparative Psychologie zu gewinnen, dies ist eine der Aufgaben unseres
Zeitalters und mit freudigen Hoffnungen blicke ich auch in dieser Hinsicht auf die gegen-
wärtige Versammlung, welche unter den mannigfaltigen Richtungen des Forschungsgeistes
auch die hier angedeutete in sich schliesst. In Folge dieser Anregungen traten hervorragende
Mitglieder des damaligen Congresses zusammen: Purkinje, Lichtenstein, Beneke; auch
Alexander von Humboldt gab seine Zustimmung. Nachträglich indessen erhoben sich Bedenken;
man fürchtete Conflikte mit der Philosophie — „den eigentlichen Philosophen”, wie der
Naturphilosoph Oken sich ausdrückte —, vielleicht auch mit der Theologie und die Bildung
der Section unterblieb. Wahrscheinlich zu ihrem Besten, denn noch fehlte für die Biologie
das Reifestadium, das wenige Jahre später durch Johannes von Müller inaugurirt werden
sollte. Auch dann hatte die Physiologie noch manch schweren Kampf zu bestehen, bis
unbestritten ihr Sieg erfochten war unter der Führerschaft derjenigen Namen, denen wir bei
dem diesmaligen Congresse noch, huldigende Verehrung bringen als Leiter und Koryphaeen
desselben.
Nachdem, (ein Vierteljahrhundert seit jener Versammlung), die Physiologie in die Reihe
der Naturwissenschaften eingeführt war, mussten sich die Fragen erneuern nach der
Psychologie als Naturwissenschaft, und um hier die Antwort im inductiven Sinne zu
finden, scheint die Aufgabe der Ethnologie zugefallen, beim Ausgang von der
Gesellschaftswesenheit des Menschen in seinen ethnischen Kreisen, um in dem Völkergedanken
die psychischen Bausteine zu gewinnen für Verwendung der comparativ-genetischen Methode.
Als Ende des vorigen Jahrhunderts das Morgenroth anbrach für das klassische Zeitalter
deutscher Literatur, als in der Sturm- und Drangperiode der dichterische Geist aus dem Elend
und Jammer politischer Zerfallenheit sich den Idealen des ästhetisch Schönen zuwandte, da
erklangen aus Herder’s Munde die Ideen zu einer Philosophie der Geschichte der Menschheit,
und nachdem sich hundert Jahre später die nationale Wiedergeburt vollzogen, da hat Fleisch
und Blut gewonnen, was in jenen Ideen getönt, und in thatsächlichen Anschauungen ver-
wirklicht steht es jetzt vor Augen unter dem Erwachen der Colonialbewegung zur Förderung
des nationalen Lebens.
Was Sie in diesem Bau vor sich sehen, geht in seinen Anfängen zurück auf das Jahr
1870 mit Begründung der Anthropologischen Gesellschaft, und sie selbst wieder war geboren
eine gereifte Frucht ihrer Zeit aus entwickelungsfähigen Keimen, mit denen die Luft bereits
länger geschwängert war.
Schlusswort.
V
Wenn wir den Gang der Wissenschaften bis zum Alterlhum überblicken, fällt auch die
Anthropologie bereits in eine späte Phase derselben. Erst dem Entdeckungsalter war es
möglich, die erforderlichen Materialien zu beschaffen für ein vergleichendes Studium der
Rassenkunde nach dem physischen Habitus des Menschen. Jetzt tritt das Problem der
psychischen Hälfte hinzu, um auch da, wo wir bisher durch geschichtliches Werden in
die Schrankenlosigkeit freier Willkür fortgeführt schienen, den Anhalt an feste Gesetzlichkeit
zu gewinnen, an Gesetze des psychischen Lebens, in den Elementargedanken des mensch-
lichen Geistes, wie sie mit eiserner Nothwendigkeit entgegentreten aus allen Continenten
ringsum, — unter elementar gleichen Grundzügen, aber charakteristisch stets variirt nach der
Mannigfaltigkeit der geographischen Provinzen. Beim Durchwandern der Sammlungen werden
Sie die Beweisstücke in jedem der Schränke finden, und wird sich jetzt die monographische
Verarbeitung anzuschliessen haben.”
Wofür, wie bereits oben bemerkt, vor Allem Mitarbeit benöthigt sein wird, zur
Sichtung der Details und Prüfung der Bausteine (bei Fundamental - Arbeiten für eine neu in
der Entfaltung begriffene Wissenschaft).
INHALT.
Schlusswort.
Mittheilungen über die Vil/ula-Indianer (von Dr. F. Boas).
Das religiöse Leben der Bella-Coola-Indianer (von Goeken).
Die Sammlung der Schingü-Expedition von Karl von den Steinen.
Afrikanische Sammlungen.
Ethnologische Erforschungen.
Maldiven.
Eine Säcularfeier. (Prof. Dr. Bastian, Dir.)
Anhang.
Mittheilungen über die Vil^üla-Indianer.
Von Dr. F. BOAS.
Das Material zu den nachfolgenden Mittheilungen sammelte ich von neun Vil/üla-
Indianern, welche Capitain Adrian Jacobsen im Aufträge von C. Hagenbeck nach Deutschland
gebracht hatte, und mit denen er zwei Mal, im Januar und April, Berlin besuchte. Durch
das Entgegenkommen des Herrn Jacobsen, besonders auch durch die mit Bereitwilligkeit
geleisteten Dolmetscherdienste des Herrn Philipp Jacobsen wurde es mir möglich, vielfach
mit den Indianern zu verkehren und ausser sprachlichem Material einige Mittheilungen über
Mythen und Gebräuche zu erhalten. Da anfänglich ein Verkehr nur durch Vermittlung des
Herrn Jacobsen möglich war und zudem in dem beiden Theilen wenig geläufigen Chinook-
Jargon erfolgte, sind viele Stellen unklar geblieben und dürften bei eingehenderem Studium
sich als einer anderen Auslegung bedürftig erweisen. Der wesentliche Inhalt, den ich später
durch unvermittelte Unterhaltung prüfen konnte, hat sich indess als richtig gezeigt.
Der Stamm der Vil/üla gehört zu der Gruppe der nordwestamerikanischen Küstenstämme.
Er bewohnt die Fjorde des pacifischen Oceans zwischen 52° und 53° n. Br., nämlich den
Dean Inlet und Bentinck-Arm. Sein Gebiet ist ausserordentlich klein, indem von Osten her
Tinne-Stämme bis in die zu diesen Fjorden gehörigen Flussthäler hinabsteigen, während
Kuakoo/Z-Stämme die Küste des offenen Meeres besetzen. Die Verbreitungsbezirke habe ich
auf einer Kartenskizze in den Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft zur
Darstellung gebracht, (1886. Heft 3). Der Name Vil/üla wird diesem Stamme von einem
der Nachbarvölker gegeben, doch konnte ich nicht erfahren, wo derselbe in Gebrauch ist.
Bancroft1) schreibt denselben Bella coola, Gibbs* 2) Belhoola, Tolmie-Dawson3) Bilhoola, von
denen die beiden letzten mit dem von mir gehörten Worte gut übereinstimmen. Der Stamm
nennt sich selbst Nu/alkm/’ oder wie Tolmie schreibt Noothlakimish, nach seinem am östlichen
Ende des North Bentinck-Arm gelegenen Hauptdorfe Nu/alk/k Ausserdem sind die Dörfer
Sätsq am Nordende des Dean inlet, Nut’el an der Mündung des Salmon River in demselben
Fjord und Tale<?m/’ am Südende des South Bentinck-Arm von Bedeutung.
Sagen und Gebräuche.
Obwohl die gewonnenen Kenntnisse über Sagen und Bräuche recht dürftig sind, so erhellt
doch aus denselben die enge Verwandtschaft mit den Ueberlieferungen der Nachbarstämme, eine
Erscheinung, die man aus der Aehnlichkeit der Masken und Tanzgeräthe im voraus vermuthen
ff The native races of the Pacific States. Vol. III. p. 607.
-) In: Gontributions to North American Ethnology. Bd. I. p. 267.
3) Comparative Vocabularies of the Indian tribes of British Columbia, p. 62.
23
178
Mittheilungen über die Vil/ula-Indianer.
durfte. Vor Allem findet sich.auch bei ihnen der von den Tlinkit wohlbekannte Sagenkreis,
in dessen Mittelpunkt der Rabe steht. Ueber die Sagen von der Entstehung des Raben habe
ich nichts erkundet, doch erhielt ich einen ziemlich ausführlichen Bericht über die Entstehung
der Sonne.
Ein mächtiger Häuptling hielt die Sonne in einer runden Kiste verschlossen und bewachte
sie eifersüchtig vor jedem Fremden. Um jede Annäherung zu verhindern, hatte er den Kasten
an einen Dachbalken aufgehängt. Der Rabe, Qoä/, hatte von der Schönheit der Sonne gehört
und wünschte sehr, sie dem Häuptling zu entreissen, der aber jede Annäherung Qoä/s zu
verhindern wusste. Da beschloss letzterer durch eine List sein Ziel zu erreichen. Der Häupt-
ling hatte eine schöne Tochter, die er so sehr liebte, dass er sie Niemand zum Weibe geben
wollte. Da verwandelte sich Qoä/ in eine Kiefernadel und liess sich in das Wassergefäss
fallen, aus dem die Tochter zu trinken pflegte und so schluckte sie ihn herunter. Am vierten
Tage gebar sie einen Sohn, welchen sie Qoalsän/1 nannte (von Qoäls, Kiefernadel). Als dieser
grösser wurde, weinte er eines Tages sehr und wollte sich nicht beruhigen, bis ihm sein
Grossvater den Kasten, in welchem die Sonne enthalten war, zum Spielen gab. Kaum hatte
er ihn erhalten, so kam der Rabe geflogen und nahm den Kasten fort. Da lachte der Junge
und lachend flog der Rabe von dannen. Der Kasten zerbrach und zum ersten Male ging die
Sonne leuchtend auf.
In dieser Form der Sage kehrt ein eigenthümlicher Zug aus der Tlinkit-Ueberlieferung
vom Ursprung Jel/s, des Raben, wieder, wie Krause dieselbe nach seinen Aufzeichnungen
erzählt, (Krause. Die Tlinkit-Indianer, pag. 256). Dort ist Jel/s Onkel so eifersüchtig auf
seine Frau, „dass er dieselbe, wenn er fortging, in einen Kasten einschloss, welchen er an
einen Dachbalken auf hing, indem er den Knoten in einer bestimmten Weise schürzte, so dass
er immer erkennen konnte, ob Jemand ihn aufgeknüpft hatte.” Merkwürdig ist in dieser
Form der Sage die Verschiedenheit der Person des Raben und des Knaben, da bei den Tlinkit
und Haida der Knabe der wiedergeborene Rabe zu sein scheint. Der Name des Häuptlings
ist Masmasaläni/ und derselbe ist gleichzeitig die oberste und mächtigste Gottheit des Stammes.
Unter den Masken der Vil/üla finden sich eine grosse Reihe von Darstellungen des
Raben sowohl, als auch der Sonne und Masmasaläni/’s, welche in vielen Tänzen gebraucht
werden. Die Sonne wird stets von einem runden Rahmen umgeben dargestellt, welcher den
Kasten (nus/emta) bedeutet, in welchem sie verborgen war. Besonders interessant ist in dieser
Hinsicht die grosse Doppelmaske, welche in dem Prachtwerke Bastian’s „Amerikas Nordwest-
küste”, auf Tafel 3, Fig. 2 und Fig. 2 a dargestellt ist. Die äussere Maske stellt Masmasaläni/
dar, welcher die im Nus/emta eingeschlossene Sonne schützend deckt. Der die Sonne ein-
schliessende Kasten ist hier mit den überall wiederkehrenden Verzierungen der Nordwest-
Stämme bemalt. Die Farben der Aussenmaske, der Schnitt der Augen und der Mund sind
typisch für Masmasaläni/, wie die Darstellungen Fig. 1 auf Tafel I zeigen. Die Sonne ist
stets mit stark gekrümmter Nase dargestellt. Die Masmasaläni/maske trägt häufig einen
Hut, welcher durch ein aus sternförmig angeordneten Holzplättchen bestehendes Rad gebildet
ist, welches auf den Scheitel der Maske aufgesetzt ist und durch eine Schnurvorrichtung in
rasche Drehung um die verticale Achse versetzt werden kann. Eine grosse, Masmasaläni/
darstellende Maske soll auch oft über dem Hauseingange angebracht werden.
Diese Figur spielt eine grosse Rolle in den Mythen und Anschauungen der Indianer.
Masmasaläni/ ist der Schöpfer der Menschen, die er einst auf den Gipfel eines Berges
brachte, von dem aus sie dann in die Thäler hinabstiegen. Diese Sage habe ich nur in sehr
verkürzter und unklarer Gestalt erhalten. Es wird erzählt, dass alsdann der Rabe sich eine
Von Dr. F. Boas.
]79
Frau von diesen Menschen genommen habe, welche ihm viele Kinder geboren habe, die sich
dann vermehrten und aus denen das Menschengeschlecht entstand. Es ist aber auch möglich,
dass dieses Ereigniss erst nach der grossen Fluth stattfand, von welcher ich gleich zu berichten
habe. In diesem Falle würde die Sage mit der von Dawson von den Haida berichteten über-
einstimmen, nur erzeugt dort der Rabe die Menschen aus einer Muschel.
Masmasaläni/ giebt den Menschen die Gedanken und die Ideen zu ihren Schnitzwerken
und Gesängen. Seine Frau trägt einen grossen Lippenpflock und er machte, dass die einen
Stämme Lippenpflöcke tragen, die anderen nicht.
Ueber die Fluth wird folgendes erzählt: Masmasaläni/ hatte, nachdem die Sonne am
Himmel entstanden war, Erde und Sonne durch ein langes Tau verbunden, welches beide in
angenommener Entfernung von einander hält und verhindert, dass die Erde im Oceane versinkt.
Einst aber fing er an, das Tau zu strecken und zu dehnen und in Folge dessen sank die Erde
tiefer und tiefer, so dass die Gewässer alles Land bis zu den Gipfeln der Berge bedeckten. Ein
furchtbarer Sturm brauste zugleich über die Erde hinweg und viele Menschen, die sich in
ihre Boote gerettet hatten, kamen um, während andere weit verschlagen wurden. Endlich
kürzte Masmasaläni/ das Tau wieder. Die Erde tauchte aus den Fluten hervor und die
Menschen verbreiteten sich aufs neue. Aber während früher die Stiksauas (Tinne-Stämme) am
Ocean gelebt hatten, waren sie jetzt nach dem Binnenlande verschlagen. Die Bilballa, welche
vorher dort gelebt hatten, siedelten sich jetzt in der alten Heimath der Stiksauas an, und ebenso
hatten die Vil/üla und die Niskuäli von NVz/ta/ (Bute Inlet) ihre Wohnsitze gewechselt, denn
vordem hatten die Vil/üla im Süden, die Niskuäli im Norden gewohnt. Auch entstanden
damals erst die vielerlei Sprachen, da früher alle Stämme nur eine Sprache gesprochen hatten.
Als das Wasser sich verlaufen hatte, schuf Masmasaläni/ die Bäche und Lachse.
Dieser Mythus weicht ziemlich beträchtlich von der Fluthsage der Tlinkit ab, besonders
auffallend ist auch die Angabe, dass Masmasaläni/ die Bäche geschaffen hat, die bei den
Haidas und Tlinkit als eine Gabe des Raben aufgefasst werden. Die Angabe über die Sprach-
verwirrung erscheint mir nicht verdächtig, da ähnliche Züge bei den Nachbarstämmen vor-
kamen. ßemerkenswerth ist die Auffassung, dass die Erde im Ocean durch ein Tau schwebend
erhalten wird, während die Tlinkit sie auf einer Säule ruhen lassen, die von Agischanak’, der
Schwester des Donnervogels getragen wird. Beiden gemein ist aber die Vorstellung, dass ohne
diese Stütze die Erde im Ocean versinken müsste.
Nach der Vorstellung der Vil/üla waren die ersten Menschen noch unvollkommen und
besassen die Merkmale vieler Thierarten, von Fischen, Landthieren und Vögeln. Erst all-
mählich gewannen sie ihre heutige Gestalt. Dieses erinnert unmittelbar an die von Weniaminow
berichtete Sage, dass, als die Sonne am Himmel erschienen sei, die Menschen erschreckt aus-
einanderliefen, die einen in den Wald, die andern in die Berge, andere in das Wasser und
dass so die Thiere entstanden seien, (Krause, p. 263). Es scheint, dass diese ursprünglichen
Menschen in gewissen Tänzen von den sogenannten O’oltleoa dargestellt werden, welche meist
als Fische erscheinen. Jacobsen nennt dieselben Nu//ma//, ein Wort, dass wahrscheinlich der
Kuaköo// Sprache angehört. Fig. i, 2, 5 aufTaf. II stellen einige dieser Masken dar. Zwei andere,
welche einen Lachs darstellen, werden von Bastian (1. c. Taf. II Fig. 2) und von Dali in Third
Annual Report of the Bureau of Ethnology Taf. XIII, Fig. 18 abgebildet. Die O’oltleoa sollen
nur in den .Wintertänzen auftreten. Gewisse Figuren unter ihnen führen Messer mit schön
gemaltem und geschnitztem Griff, der gewöhnlich einen Raben darstellt, oder eine grosse
Lanze. Mit diesen Waffen müssen sie jeden, der beim Tanze strauchelt, tödten. Die Tänze
der O’oltleoa sind recht mannigfachen Inhalts. So führten die hier anwesenden Indianer eine
23*
i8o
Mittheilungen über die Vil^üla-Tndianer.
Bärenjagd auf, in welcher ein Mann in ein Bärenfell mit eingefügtem, geschnitzten Kopfe gehüllt
auftrat und von zwei mit grotesken Menschenmasken versehenen Jägern verfolgt wurde. Auch
einige Vogelmasken werden von den O’oltleoa gebraucht, ferner eine Menschenmaske, die den
Nordostwind darstellt: Taf. II, Fig. 3.
Merkwürdig ist die in Taf. 1 Fig. 2 a, b wiedergegebene Darstellung des Donnervogels (Saiö//)
mit beweglicher Flaube und beweglichem Unterkiefer. Nach der Vorstellung der Vil/üla ist
das Rauschen seiner Flügel der rollende Donner, und wenn er sich auf die Gipfel der Bäume
niederlässt, erfolgt ein furchtbarer Schlag. Mit jedem Fusse umkrallt er ein mächtiges Stück
Quarz, die er gegen einander schlägt, so dass ihnen Funken entsprühen. Dieses sind die Blitze.
In den Sagen der Nachbarstämme herrscht die Auffassung vor, dass die Blicke oder die
Zunge des Donnervogels der Blitz seien.
Die Sage erzählt, dass einst vier Männer in den Wald gegangen seien und plötzlich den
Donnervogel heranrauschen hörten. Voll Schrecken und Grauen wagten sie weder zu ent-
fliehen, noch voranzugehen, nur einer hüllte sich, um den schrecklichen Anblick zu entgehen,
angstvoll in seinen Mantel ein und wagte nur, manchmal durch ein kleines Loch hinauszu-
schauen. Seine Gefährten konnten den Anblick des Donnervogels nicht ertragen und starben
auf der Stelle. Er aber kehrte unversehrt zurück und erzählte das Abenteuer seinen Stammes-
genossen.
Diese Sage wird in einem der Wintertänze dargestellt, die fast ausnahmslos derartige
Stoffe zu behandeln scheinen. Vier Männer treten auf, mit Bogen und Pfeil bewaffnet und
eilen auf Schneeschuhen beim Klange der Trommel voran. Plötzlich ertönt ein furchtbarer
Donner, der hervorgebracht wird, indem Steine in einer grossen Holztrommel geschüttelt
werden und zugleich erscheint der Donnervogel selbst in der hier wiedergegebenen Maske.
Einer der Männer hüllt sich in einen Mantel, während die andern todt niedersinken.
Ausser den ächten Medicinmännern finden sich auch bei diesem Stamme die sogenannten
Hametze, von den Vil/üla Ela/ö//a genannt, welche ehemals Sclaven und auch jetzt noch
Leichen verspeisen, oder als symbolische Form des Menschen-Fressens einem ihrer Stamm-
genossen ein Stück Fleisch aus dem Arm, der Brust oder dem Beine beissen, (s. Jacobsen,
Reise an der Nord-Westküste Amerikas 1881—1883, p. 48, 49). Um Hametze zu werden,
muss sich der Indianer in den Wald begeben, um durch Hunger und Durst sich auf die
Erscheinung des Geistes vorzubereiten, welcher ihn zum Hametzen macht. Auf seine Be-
schwörung erscheint dieser in Form eines gewaltigen Vogels, der beständig die Erde umkreist
und sich nur auf die Gipfel der Bäume herablässt. Seine Nüstern sind weit aufgeblasen und
sein gewaltiger Rachen droht jeden zu verschlingen, der nicht würdig auf sein Erscheinen
vorbereitet ist. Daher heisst es auch S’a/Zpsta (von a//p, fressen).
Der Hametzentanz zeigt den Hametzen in seiner charakteristischen dick mit weisser und
rother Farbe bemalten Maske (Taf. II, Fig. 4), wie er die Geister, die S’a/Zpsta, beschwört, die auf
seinen Ruf aus dem Walde auftauchen. Die Maske derselben ist von Jacobsen (1. c. pag. 56)
abgebildet worden.
Von anderen Masken ist die häufig vorkommende des Qömöqoa zu erwähnen (Taf. I,
Fig. 3). Derselbe ist der Vater der Seehunde und wohnt auf dem Grunde des Wassers. Eine Sage
erzählt von einem Besuche, den ein Indianer bei ihm gemacht habe, bei dem Qömöqoa ihm
befohlen habe, nach der Rückkehr eine Maske zu schnitzen, die seine Züge trüge. Qömöqoa
ist gleichzeitig eines der Geschlechter der Vil/üla.
Taf. I, Fig. 4 .stellt einen Waldgeist dar, für welchen die Mundstellung ganz charakteristisch
ist. Sein Name ist K’i/^fe/’maa//, und er läuft stets schreiend und lärmend durch den Wald.
Nähere Angaben konnte ich nicht erhalten. Zu erwähnen ist ferner das Echo, eine Maske mit
vertauschbaren Mundstücken, welche bald den Qömöqoa, K’i/^’e/’maa//, Biber, Wolf oder
andere Geschöpfe darstellen. Geschnitzte Menschenköpfe mit langem Haar (vgl. Jacobsen, p. 58)
sind ertrunkene Menschen, von denen die Vil/üla glauben, dass sie zeitweilig aus der Tiefe
der See auftauchen.
Von Herrn Dr. Boas ist soeben der nachstehende Brief eingegangen:
Heute kam ich von einem Ausfluge nach der Nordspitze von Vancouver Island zurück und
beabsichtige, mich gleich wieder zu einem andern Stamm zurückzubegeben. Wegen mangelhafter
Verbindung musste ich erst nach Victoria zurückkehren. Ich habe ganz besonders die Tänze der
Indianer zum Gegenstände meiner Erkundigungen gemacht und hoffe, Ihnen bei meiner Rückkehr
Manches darüber erzählen zu können. So viel ich immer konnte, habe ich mich auch nach der
Bedeutung von Sachen erkundigt, welche sich in der Jacobsen - Sammlung finden, und habe
mancherlei erfahren, wiewohl nicht so viel wie ich wünsche. Es ist ungemein schwer, nachträglich
festzustellen, was die Sachen sind, da eine grosse Reihe von Masken und Rasseln Familien-Eigenthum
sind und es nothwendig ist, ein Mitglied der Familie auszufinden, um die volle Erklärung zu erlangen.
Die Kwakiutl und ihre Nachbarstämme gebrauchen verschiedene Arten von Masken; die einen werden
bei Schenkfesten zu allen Jahreszeiten benutzt, die andern nur bei den Wintertänzen. Eine solche
Maske, welche einer Familie von St. Rupert und Nauette angehört, wurde mir von den Bella-Coola
s. Z. als K’itQe^mäatl bezeichnet; hier heisst dieselbe Tsönogoa und wird ausschliesslich von einer
Familie gebraucht. Die zahlreichen Masken, welche Fische darstellen, gehören zu der Gruppe der
Nu^nemis, d. i. Wesen, welche vor langer Zeit auf Erden wohnten, ehe Q’aniqilaq, der Sohn der
Sonne, kam und sie in rechte Thiere verwandelte. Die häufig vorkommende doppelköpfige Schlange
mit menschlichem Kopf als Mittelpunkt ist der sagenhafte Sisiutl, welcher sich in alle Gestalten ver-
wandeln kann und die Menschen tödtet. In Jacobsen’s Reisebeschreibung p. 55 findet sich ein
Sisiutl abgebildet. Auch zu der Maske p. 129 kann ich die Geschichte geben. Q’aniqilaq, der Sohn
der Sonne, stieg zur Erde herab. Bei seinen Wanderungen traf er einen Mann, welcher eifrig an
zwei Muscheln arbeitete. Q’aniqilaq trat zu ihm und frug: „Was machst du da?” Da drehte jener
sich um und sagte: „Hm! Wenn Q’aniqilaq kommt, will ich ihn damit tödten.” „O, das ist gut,
lass mich doch einmal sehen!” Der Alte gab ihm die Muscheln und Q’aniqilaq nahm sie und schlug
ihm damit auf den Kopf, so dass sie stecken blieben. Sie wurden Geweih. Dann beschmierte er
sein Gesäss mit schwarzer Farbe und sprach: „Nun werde ein Hirsch und laufe in die Berge”. Die
Masken auf p. 56 sind der sagenhafte Hauqhauq (oben) und der Hämsemtl (unten). Ich kann die
Geschichten hier nicht einfügen, da sie zu lang sind. Die zahllosen Arten von Halsringen und
Kopfringen haben jeder ihren Namen und ihre Bedeutung. Alle gehören zu dem Tanze Tsetsäega,
welcher in den Monaten December und Januar getanzt wird. Jeder Tanz und jede Figur im Tanze
scheint erblich zu sein und kann nur durch Heirath auf andere Familien übertragen werden.
Ich finde, dass die vier Familien Bär, Adler, Rabe, Wal nicht weiter südlich als bis zu den
Tsimsian Vorkommen. Hier leitet jeder Häuptling, und in der That jeder Mann, seine Familie bis
auf einen Mann zurück, welcher von der Sonne herabgesandt ist. Die Erbfolge ist in der männlichen
Linie, und beim Tode des Häuptlings nimmt der Sohn seinen Namen und seine Rechte an.
Es scheint mir, dass zwei oder drei grundverschiedene Elemente sich hier gemischt haben,
und dass so die Verwirrung in den Sagenkreisen entstanden ist. Für die Kwakiutl-Stämme ist es
mir unzweifelhaft, dass ihre oberste Gottheit die Sonne ist. Sie nennen sie: den Häuptling, unser
Vater, unser Bruder; je nach der Sage. Aber nicht immer erscheint er deutlich als Sonne. Sein
l8‘2
Mittheilungen über die Vil^üla-lndianer.
Sohn ist der Wohlthäter der Menschheit, der die Erde bewohnbar für Menschen macht. Dazu tritt
aber die Sage vom Raben, die wir von der Tlinkit kennen. An seine Stelle tritt im äussersten Süden
das Mink, welches ebensoviele Streiche verübt. Der Rabe wird der Enkel der Gottheit. Bei den
Bella-Coola erscheint als fremdartiges Element die Sage von vier Männern, -welche vom Himmel
herabstiegen, nachdem der Rabe die Sonne befreit hatte, und Alles auf Erden schön machten.
Darauf kehrten sie zum Himmel zurück. Auch bei ihnen ist die männliche Linie die erbberechtigte.
Ich will jetzt nach Comox gehen, wo zwei ganz kleine Stämme wohnen, deren Sprache ich
schleunigst studiren will. Von einem derselben sind nur zwölf Leute übrig!
Einige von Dr. Boas früher eingesandte Vocabulare werden auf den Wunsch desselben
noch zurückgehalten.
Das religiöse Lehen der Bella-Coola-Indianer.
Das religiöse Leben der Bella-Coola-Indianer.
Unter den Repräsentanten fremder Völker, welche wir in neuerer Zeit Gelegenheit
hatten, kennen zu lernen, dürften die von dem Capitain Jacobsen vor Kurzem hier vorgeführten
Bella-Coola-Indianer ein ganz besonderes wissenschaftliches Interesse in Anspruch nehmen,
weil sie zu den mehr und mehr aussterbenden Völkerresten gehören, deren Cultur noch
vielfache Anknüpfungspunkte an die ältesten Perioden der vorgeschichtlichen Zeit bietet.
Wie die von den Gebrüdern Grimm noch gleichsam in letzter Stunde, kurz vor ihrem Ent-
schwinden aus dem Volksgeiste, gesammelten deutschen Märchen von unschätzbarem Werthe
für die Kunde der germanischen Vorzeit und des hohen Alterthumes überhaupt sind, so bringt
die Betrachtung der eigenthümlichen Sitten und Gebräuche der Bella-Coola-Indianer Licht in
die dunkle Nacht jener auch in unsern alten Sagen und Märchen wiederklingenden fernen
Urzeit, in welcher auch in Europa der Mensch der- Steinzeit beim festlichen Gelage sich an
dem Fleische und Marke seiner Feinde labte. Vorzüglich viel Material für die Kenntniss des
grauen Alterthumes bietet die Religion dar, weil die religiösen Ideen überall weniger als das
profane Leben dem Wechsel unterworfen sind, und in der Vorzeit das gesammte Leben der
Menschheit in dem Zauberbanne religiöser Formen befangen war.
Die nachstehenden Notizen über die religiösen und socialen Einrichtungen der Bella-
Coola-Indianer habe ich unter der mir freundlich gewährten Beihilfe des Capitains Jacobsen
und seines Bruders gesammelt. Bei der Schwierigkeit, in der verhältnissmässig kurzen mir
zu Gebote stehenden Zeit unter Benutzung eines Dolmetschers den Indianern die Bedeutung
meiner Fragen klarzulegen, konnte das Ergebniss meiner Forschungen nicht so reichhaltig
ausfallen, als mein Wunsch war.
Die Bella-Coola-Indianer wohnen im Nordwesten von British Columbia, und erinnern
in ihrem Typus theils an die Mongolen, theils an die Bewohner der Südsee, denen sie auch
in Bezug auf ihre Kunstindustrie merkwürdig nahe stehen. Einige unter ihnen haben im
Gegensätze zu den übrigen Indianern weich gelocktes Haar. Wie alle Rothhäute verehren
sie den grossen Geist, welcher bei ihnen den Namen Masmasalani;/ führt. Bedeutend mehr
tritt im Cultus hervor der göttliche Rabe Qoäg, welchem sie die Weltschöpfung zuschreiben.
Eine gewaltige Fluth vertilgte einst alle Menschen bis auf ein Paar, von welchem die jetzigen
Menschen abstammen. Es giebt männliche und weibliche Gottheiten. Mit Rücksicht auf die
ihnen, mit andern indianischen Stämmen, gemeinsame Verehrung der Geister der Verstorbenen,
bringen sie an dem Eingänge ihrer Häuser aus Holz geschnitzte, bunt bemalte Bilder ihrer
Stammesahnen an, vor welchen zu gewissen Zeiten Bast- oder Zeugstreifen von neun ver-
schiedenen Farben als Opfergaben verbrannt werden. Auch bei Begräbnissen werden Decken
und Geräthe verbrannt, damit der Geist des Verstorbenen sich derselben bedienen möge. Die
Gebete werden meist leise geflüstert; es ist mir nicht gelungen, von den Indianern den Inhalt
derselben bezw. Gebetsformeln zu erfahren. Die Betenden nehmen eine hockende Stellung,
mit emporgezogenen Knieen, ein, wie sie dem Kinde im Mutterleibe eigen ist, und in welcher
auch die Todten begraben werden. Bei Todtenfeierlichkeiten beten die Frauen mit empor-
gehobenem Haupte, während die Männer das Haupt niederbeugen. Für ,,Beten haben
sie den Ausdruck: „Mit den Geistern sprechen.” Bei den religiösen Tänzen und Be-
schwörungen werden Trommeln, Rasseln und Pfeifen als musikalische Instrumente
24
bas religiöse Leben der Bclla-Coola-Indianer.
184
benutzt, und tragen die Indianer eine grosse Scheu, die für den Gottesdienst bestimmten
Pfeifen zu profanen Zwecken anzuwenden. Die religiösen Tänze und Beschwörungen
werden von einem heulenden Gesänge begleitet; die Tanzenden stellen Götter und
Geister dar, und tragen kunstvoll gearbeitete und sauber bemalte Holzmasken. Bei dem
Hametzentanze ruft ein mit einer gewaltig grossen menschlichen Maske versehener Hametze
(Priester für Menschenopfer) mit emporgehobenen Händen die Geister, indem er laut
und eintönig singt: „Kommt hervor aus dem Walde, ihr Geister”, und nun die Namen der
Götter und Verstorbenen nennt, die er citiren will. Hierauf erscheinen die Personen, welche
die Gerufenen darstellen, laut heulend, und mit den Rachen und Schnäbeln ihrer Masken
klappernd. Die Masken gelten als sehr heilig und werden in der Zeit, während welcher sie
nicht in Gebrauch genommen sind, sorgsam verborgen gehalten. Man fürchtet, dass, wenn
bei Herstellung dieser Masken ein Unberufener zusieht, der Verfertiger bald sterben muss.
An den Thiermasken sind Schnüre angebracht, durch deren Anziehen ein lautes Klappern
der Schnäbel und Mäuler hervorgerufen wird. In ähnlicher Weise wird in dem Colloschärentanz
der Wallachen mit dem Schnabel des als Maske dienenden Storchkopfes vermittelst einer
verborgenen Schnur geklappert, (Bastian, Die deutsche Expedition an der Loangoküste,
II. Band, S. 27). So finden wir bis in die geringfügigsten Kleinigkeiten hinein eine über-
raschende Aehnlichkeit der Gebräuche bei durch das Weltmeer getrennten Völkern ganz
verschiedener Racen, als den Ueberrest einer vor Jahrtausenden in Asien und Europa unter-
gegangenen Culturperiode.
Den Verstorbenen werden Speisen und Getränke geopfert, und es wird zu ihnen gebetet,
weil man annimmt, dass sie den Lebenden helfen und ihnen in der Noth beistehen können.
Die Geister der Verstorbenen lassen sich öfters, besonders im Walde an einsamen Stellen,
sehen, und zwar meist in der Gestalt, welche ihr Körper im Leben gehabt hat. Die Seelen
können in neugeborene Kinder übergehen, und so mehrfach wiedergeboren werden. Die Seelen
der guten Menschen haben bis zu ihrer etwaigen Wiedergeburt ihren Aufenthalt in der
Sonne. Geister, welche zweimal während ihres irdischen Daseins als Frevler lebten, werden
für immer dem bösen Geiste in der Tiefe der Gewässer zur Bestrafung überwiesen.
Das wunderbare Rüthsei des fliehenden Lebens, das gespenstische Grauen des Todes
starrt uns überall entgegen in dem Cultus der Naturvölker, vornehmlich in dem Ritual der
Menschenopfer. Diese bilden gewissermassen das vornehmste Sakrament der Bella-Coola-
Indianer. Zu den Menschenopfern wurden früher vornehmlich Sklaven oder Kriegsgefangene
benutzt, in späterer Zeit pflegte man Kinder geringeren Standes ihren Eltern zu diesem Zwecke
abzukaufen. Die zum Opfer bestimmten Menschen werden Morgens früh bei Sonnenaufgang,
meist während sie sich noch im Schlaf befinden, überfallen und durch Abschneiden der Kehle
getödtet. Das warme Blut wird getrunken und das Fleisch roh verzehrt. Die Seelen der
Geopferten nehmen ihren Aufenthalt in der Sonne. Nach einer andern Auffassung, welche
mir von Dr. Boas mitgetheilt wurde, leben die Seelen in Gestalt von Vögeln, meist Eulen,
fort. Auch in der Odyssee werden die Stimmen der Schatten mit dem Gezwitscher von
Vögeln verglichen, und in westphälischen Sagen können die Personen, welche einem Sonntags-
kinde unter dem linken Arme hindurch sehen, die Seelen der Todten in Gestalt von Vögeln
erblicken. Die Sonne, welche hier als Aufenthaltsort erscheint, wird nach einer anderen Auf-
fassung als belebtes Wesen gedacht. Die Tödtung und Verspeisung der Menschenopfer darf
nur durch einen hierzu berechtigten Priester, einen Hametzen, vorgenommen werden. Nach
Beendigung der Opfermahlzeit eilt der Hametze in den Wald, woselbst er Monate hindurch
bei strengem Fasten, sich nur von Wurzeln nährend, im Verkehr mit den Geistern verbleibt.
Von Goeken.
185
Bei benachbarten Stämmen geschieht das Fasten indessen vor dem Opfermahle. Nach der
Rückkunft beisst er unter bestimmten Ceremonien Personen, welche sich gegen Bezahlung
hierzu hergeben, in den Arm, und saugt das Blut aus der Wunde. Als Auszeichnung tragen
die Hametzen für jedes von ihnen getödtete Opfer, sowie für jeden als sinnbildliche Opferung
geltenden Biss einen Todtenkopf auf ihrem Cult-Gewande abgebildet. Ein jeder Hametze
muss mindestens einmal in seinem Leben einen Menschen getödtet und verspeist haben; die
späteren Opfer darf er durch den rituellen Armbiss ersetzen. Mit den Menschenopfern ist
ein feierlicher, von heulendem Gesänge begleiteter Maskentanz verbunden. Die Bella-Coola
hängen mit solcher Ausdauer an dem Gebrauch der Menschenopfer, dass, als die Englische
Regierung in neuerer Zeit energische Schritte zur Unterdrückung der Menschenopfer that, die
Priester ausgegrabene Leichen verzehrten. Da indessen hierbei mehrere Priester der Vergiftung
durch Leichengift erlagen, so kam man von diesem Ersatzmittel wieder ab. Zu dem Amte
der Hametzen werden nur Kinder von Häuptlingen erzogen. Bei ihrer Weihe müssen sie
sich grossen Martern unterwerfen. Mit besonders hierzu bestimmten Werkzeugen verwunden
sie sich, und ziehen Stricke durch die durchbohrte Haut, an denen sie emporgezogen und in
schwebende Lage gebracht werden. Strenges Fasten und Vollziehung eines Menschenopfers
begleitet den Beginn ihres Amtes. Es widmen sich meist Männer, selten Frauen diesem
schauerlichen Dienste. Die Hametzen, welche auch den Namen des Specialgottes für Menschen-
opfer, Atlakotla, führen, werden vom Volke hochverehrt. Der Nimbus der Heiligkeit umgiebt sie.
Eine zweite Gattung von Priestern bilden die Aklokwala, die Zauberpriester oder
Schamanen, wegen ihrer Hauptthätigkeit, der Vertreibung von Krankheiten, von den Europäern
„Medizinmänner“ genannt. Dieser Priestergattung gehören häufig auch Frauen an. Die
Zauberpriester bereiten sich auf ihren Beruf durch Fasten und einsames Beten im Walde vor.
Das Priesterthum wird erlangt durch eine plötzlich erfolgende Inspiration des unterirdischen
Geistes Hutklolmen, welcher den von ihm Erwählten die Geheimnisse der Zauberei offenbart.
Die Heilung der Kranken suchen sie zu bewirken, indem sie, mit Fetischen, Amulets, und
dem ihnen als Abzeichen ihrer Würde eigenthümlichen, aus Bast geflochtenen, Halsringe
geschmückt, in beiden Händen Rasseln schwingend, unter heulendem Gesänge und geheimniss-
vollen Beschwörungsformeln den Kranken viermal umtanzen, und sich sodann über ihn
beugend, und den Körper desselben berührend, den bösen Geist veranlassen, aus dem Erkrankten
auszufahren. — Eine weitere Obliegenheit der Zauberpriester besteht darin, bei eintretendem
Bedarf Gegenstände zu Fetischen oder Amulets zu weihen. Auch als Wahrsager treten sie
auf. Beim Wahrsagen verfallen sie in einen krampfartigen Zustand, ebenso wie auch die
Mantik bei den Griechen mit Raserei und Krampferscheinungen verbunden war. Die Weissagung
findet überhaupt fast bei allen Völkern im ekstatischen Zustande statt. Der von den Schamanen
um den Hals getragene Zauberring erinnert an die hohe Bedeutung, welche Knoten, Bänder
und Ringe auch in den Religionen der Völker der alten Welt haben, wie z. B. die heiligen
Schnüre der Brahmanen und Parsen, die Zizith und Tephillin der Juden, die am Haupt
getragenen Binden und Fäden der Priester der alten Römer, die Stola und das Epitrachelion,
die Manipel und Epimanikien der christlichen Priester, die Eidringe, Kraftgürtel, Schicksals-
fäden u. s. w. der alten Germanen.
Die Bella-Coola glauben, ähnlich wie dies in den Religionen der alten Welt angenommen
wird, aus Vorzeichen auf den Eintritt künftiger Ereignisse schliessen zu können; besonders
bedeutsam ist das Begegnen gewisser Thiere. Auch Träume halten sie für vorbedeutend.
Sie glauben, dass die Seele des Träumenden den Körper verlässt und umherwandert. Das,
was die Seele auf ihrer Wanderung erblickt und erlebt, bildet den Inhalt des Traumes. Beim
24«
Das religiöse Leben der Bella-Coola-Indianer.
186
Tode von nahen Verwandten, vor bedeutenden Unternehmungen und grossen Festen wird
gefastet. Die -Kasteiungen sind mit heiligen Waschungen verbunden. Vor Beginn der heiligen
Ceremonien bestreuen sie das Haupt mit Adlerdaunen, welche sie bei den heiligen Tänzen
durch Schütteln des Kopfes umherfliegen lassen. Wer bei dem religiösen Maskentanze des
zu Ehren der an Kraft wieder zunehmenden Sonne gefeierten Winterfestes zu Falle kommt,
hat das Leben verwirkt und wird von den „Nutlmatl“, einer Verbrüderung, deren Einsetzung
nach Ansicht Dr. Boas’ mit der Schöpfungssage in Zusammenhang steht, vermittelst einer
nur zu diesem Zwecke bestimmten Waffe getödtet. Ob die Nutlmatl einen priesterlichen
Character haben, konnte ich nicht feststellen. Unter den Thieren gelten Rabe, Adler, W7olf,
Bär, Seelöwe, Wallfisch, Uhu und Frosch als heilig. Die Bilder derselben sind die Wappen-
zeichen (Totem) der verschiedenen Geschlechter.
Auch in dem Familienleben der Bella-Coola klingen Erinnerungen an eine uralte vor-
geschichtliche Zeit nach, in welcher die unter dem Namen des „Mutterrechtes“ bekannte
Familieneinrichtung vorherrschte. Sie leben gegenwärtig meist in Einzelehe; nur hochstehende
Personen haben bisweilen mehrere Frauen. Früher wurde vornehmen Gästen als ehrende
Auszeichnung die Frau des Hauses zeitweilig preisgegeben, Der Hausherr erkannte den
Fremden dadurch gleichsam als Bruder, als Geschlechtsgenossen, als zur Sippe gehörend, an.
Die Kinder werden dem Stamm der Mutter zugetheilt, und dürfen mit letzterem in keine
Ehegemeinschaft treten. Dementsprechend findet auch die Erbfolge nur nach der Seite der
mütterlichen Verwandtschaft hin statt. Das Kind beerbt z. B. nicht seinen Vater, wohl aber
seinen Oheim von mütterlicher Seite. Das Mutterrecht, und mit ihm die Bedeutung des
W’eibes in der Familie, tritt fast überall mit dem Beginne der geschichtlichen Zeit zurück
hinter dem Vaterrecht, wie es mit grössester Consequenz in dem römischen Rechte uns
entgegentritt. An das Mutterrecht erinnern noch die Sagen der alten Griechen von dem
Weiberstaate der Amazonen, die nach Herodot hervorragende Stellung des Weibes bei den
alten Aegyptern, das weibliche Königthum bei den Aethiopiern, der Cultus der weiblichen
Erd- und Mondgottheiten und die Gestattung der Ehe zwischen Kindern desselben Vaters,
aber verschiedener Mütter im classischen Alterthum.
Aus anklingenden Einrichtungen der Gegenwart ist die Theilnahme der Frauen an dem
Stimmrecht in öffentlichen Angelegenheiten bei den Basken zu erwähnen.
So gewährt uns die Betrachtung der Gebräuche eines kleinen Volks-Stammes an den
Gestaden des stillen Weltmeeres interessante Einblicke in das Leben des europäischen Menschen
der Urzeit, einer Zeit, aus welcher geschichtliche Aufzeichnungen nicht zu uns gelangt sind,
da gewaltige Gletschermassen noch den grössesten Theil Deutschlands, soweit es nicht vom
Meere bedeckt war, einnahmen, und der Höhlenbär den Steinwaffen der nun schon seit vielen
Jahrtausenden in den Schooss der Ewigkeit dahingesunkenen Geschlechter trotzte.
Goeken.
Die Sammlung der Schingti-Expedition.
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Die Sammlung der Sehingü-Expedition.
Von KARL VON DEN STEINEN.
Der Schingü (portugiesisch: Xingu) ist einer der letzten rechten Nebenflüsse des Amazonas
und entspringt unter i5° s. Br. in der Provinz Mato Grosso. Die im Jahre 1884 zu seiner
Erforschung unternommene Expedition, welche sich in meinem Buche „Durch Centralbrasilien”
(Brockhaus, Leipzig 1886) beschrieben findet, konnte bei dem in schmalen Rindenkanus über zahl-
lose Stromschnellen zu bewerkstelligenden Transportleider keineswegs eine so reiche ethnologische
Ausbeute heimbringen, als es unser Interesse an den noch in unberührter Steinzeit lebenden
Indianern seines Quellgebietes hätte erwünschen lassen. Bei dem genaueren Studium der
Sammlung wird man auf das Angenehmste überrascht durch die mit den ureinfachsten Mitteln
erreichte Sauberkeit und Zierlichkeit der Ausführung; nur die Yuruna des Unterlaufs, ihrerseits
in keinerlei Verbindung mit den Stämmen des oberen Schingü, standen mit den Brasilianern
in Tauschverkehr und besassen eisernes Handwerkszeug.
Die gesammelten Gegenstände rühren in der Hauptsache her von den Bakairi, welche
den Kariben der Guyanas verwandt sind, von den Kustenaü, welche zu der von mir als
Nu-Aruakstämme bezeichneten, vom Centrum des Continents bis zur Nordküste verbreiteten
Sprachfamilie gehören, von den Trumai, mit denen wir in Folge ungünstiger Umstände nur
wenige Stunden zusammen waren und Uber die wir in Folge dessen nichts Genaueres
wissen, von denSuyä, einem Mitglied der von Martius aufgestellten Gesvölker, die von mir
mit den Botokuden und Andern als die Aboriginergruppe Ostbrasiliens unter dem Namen
Tapuyastämme zusammengefasst werden, und endlich von den erwähnten Yuruna, die für
einen stark differenzirten Tupistamm zu gelten haben.
Die Baka'iri und Kustenaü wohnen an einem Quellflusse des Schingü, dem Rio Batovy,
die Trumai an einem zweiten, grösseren, dem Kuliseu, die Suya an dem Hauptstrom selbst
in seinem Oberlauf unter 110 s. B. Der Fluss tritt mit dem Martiuskatsfrakt in gebirgiges
Terrain, und eine menschenleere Trennungszone schiebt sich in einer Ausdehnung von
zwei Breitegraden ein zwischen die Völker der Steinzeit und die Yuruna, welche in einer
Reihe von Ansiedlungen vom 8. bis 4. Grade angetroffen wurden.
Da die Indianer des obern Schingü in ihrer Isolirung unter ganz andern geschichtlichen
Verhältnissen leben als die Yuruna, und dieser Unterschied auch in der ethnologischen Ver-
gleichung sehr wahrnehmbar wird, empfiehlt sich bei der Durchsicht der Sammlung eine
gesonderte Betrachtung.
A. Indianer des obern Schingü.
Lebensweise.
Die Ortschaften, einige Tagereisen von einander entfernt, bestehen nur aus wenigen
bienenkorbförmigen, hohen und sorgfältig gebauten, mit Palmstroh bedeckten Bambushütten,
in deren Innenraum sich mehrere Familien theilen. Die kleine Bevölkerung ernährt sich von
der Jagd, dem Fischfang und den Erträgnissen des Feldbaues, namentlich Mandioca, Mais,
Bataten und Palmnüssen. Keine Bananen. Das wichtigste Lebensmittel ist das in Vorräthen
aufgespeicherte Mandiocamehl.. Salz wird nicht gebraucht. Erfrischende stärkebreiartige
Die Sammlung der Schingii-Expedition.
1(88
Getränke sind beliebt, berauschende unbekannt. Tabaksgenuss massig. Kleidung ist nicht
vorhanden, doch umbinden die Trumai das Praeputium mit einem Baumwollfädchen, und
tragen die Weiber der ßaka'iri und Kustenau ein Schamblatt.
Bogen.
Katalog Nr. 1716. ßaka'iri. 15g 1. 1592. Trumai.
Nahezu 2V2 m lang (2,39—2,44 m), von gelblichem oder lichtbraunem Holz, mit einer
dicken Sehne aus gedrehter Palmfaser. Die Mitte zum bessern Fassen (14 cm breit) umwickelt;
der Strick läuft durch quere Umschnürung gesichert nach dem einen Ende, wo er zur Sehne
geschlungen wird; in der andern Hälfte des Bakairibogens sind 22 schmale Bambusringe
aufgezogen.
Von Bogen und Pfeilen trennt sich unser Indianer nur in der Hütte, wo sie starrend
das Flechtwerk der Wandung armiren. Sie dienen vor allem auch zur Erlegung der Fische.
Auf nahe Gegestände wird direct gezielt, bei entfernteren der Bogen hoch empor-
gerichtet und nur die Lothlinie des Zieles innegehalten, während das richtige Niederkommen
von der Distanzschätzung bezw. von dem Winkel des Pfeilfluges abhängt.
Pfeile.
Gesammtlänge 1,45 — 1,95 m.
Sie bestehen aus dem befiederten Schaft von Uba-Rohr (Saccharum sagittarum) und
einem in denselben eingetriebenen dünnen Holzstock, der entweder selbst einfach zur Spitze
geschärft ist, oder als Träger verschiedener Vorrichtungen für die Verwundung benutzt wird.
Der Schaft, 1,3—1,5 cm dick, nicht gegliedert (mit Ausnahme eines einzigen Trumai-
pfeils aus Tacoara [Bambus]), gelbbraun. Oberhalb der zum Einsetzen in die Sehne
bestimmten Kerbe ein Kranz zarter rother Papageienfederchen, gehalten durch eine Rohr-
umwicklung, die ein festes Zufassen der Finger erlaubt.
Zur Befiederung dienen, den Flügeln der grossen Hühnervögel Jacü (Penelope) und
Mutum (Crax) entnommen, zwei lange (2З—28 cm) Federn, deren eine zuweilen auch durch
eine gelb-blaue Ararafeder ersetzt ist. Sie sind spiralig, jede ein Viertel der Peripherie
umschreibend, sodass die obere Hälfte einer Feder mit ihrer Ebene senkrecht auf derjenigen
der unteren steht, in einer charakteristischen Weise angesetzt. Doch erweist sich jede Feder bei
genauerem Zusehen als nur eine halbe Feder: sorgsam hat man sie im Schaft gespalten. Diese
beiden halben Federn, nicht wie bei den Yuruna im Bogen abstehend, sind dem Pfeil aufgenäht;
sie werden durch eine Reihe in den letztem gebohrter Löchelchen mit einem Baumwollfaden
gleichzeitig angezogen, und nur das obere Stück, wo sich die Spule verbreitert, mit einem
grösseren Stich (5—6 cm) überspannt. Der Faden ist dann noch um die Federenden herum-
gewickelt und durch Rohr geschützt. Die Fahne der f’edern ist mehr oder minder gleich-
mässig zugeschnitten. An dem obern Ende des Pfeilschaftes, wo die Hand ihn zu umfassen
pflegt, befindet sich eine breite Rohrumwicklung.
1. Holzspitzen.
Dünne, ziemlich krumme, 3o—35 cm aus dem Schaft hervorragende Stückchen, die
noch theilweise mit Rinde bedeckt und vorne ein wenig zugespitzt sind. Drei Bakairipfeile
haben 1 dm unterhalb der Spitze einen kleinen Zahn als Widerhäkchen angebunden und ver-
harzt (Fischpfeile).
Von Karl von den Steinen.
189
2. Knochenspitzen.
a) Einfach (Bakai'ri, Suva), 4,5—5,5 cm lang, phalangenartige, kleine Röhrenknochen,
die Stockspitze durch den Knochencanal getrieben und mit Harz verstrichen.
b) Mit Widerhaken (Trumai). Ein geschweiftes, doppelspitziges Knochenstück
(6—g,5 cm), an dem der innere Canal nicht eröffnet ist, und das an der einen Spitze Spuren
des Zuschleifens erkennen lässt (allem Anschein nach Säugethierknochen), ist in das seitlich
ausgehöhlte Ende des Holzträgers so eingelassen, umwickelt und verharzt, dass von den
beiden Knochenspitzen die eine oben und die andere als Widerhaken unten vorschaut.
3. Bambusspitzen.
Die gefährliche Waffe der Suyä und Trumai, den gutmüthigeren Bakai'ri nur durch
gelegentliche Erwerbung bekannt. Für den Krieg und die Jaguarjagd. Von dem Cylinder
eines Bambusrohrs ist ein 26—35 cm langes, in der Mitte 25—36 mm breites Längsstück
von Spindelform abgeschnitten. An der Spitze und an den Seiten ist es messerscharf. Der
Stock, der die Verbindung mit dem Pfeilschaft vermittelt, ist in letzteren i5 cm tief eingetrieben
und liegt mit seinem vorschauenden spitzigen Ende in einer an der Innenseite des Messers
eingeschnittenen Rinne von 10 cm Länge. Durch Harzverschmierung und ein wenig Faden
wird das Bambussegment nur locker festgehalten, sodass es unter dem Anprall des Schusses
in dem getroffenen Körper abbricht. Wo der Stock eingeschoben ist, eine fast 20 cm lange
Rohrumwickelung. Eines der Suyämesser ist mit eingeritzten Querlinien verziert.
4. Steinpfeile.
1 Exemplar. Katalog Nr. 1674. Suyä.
Dicker (16 mm) Pfeilschaft, nur 62 cm lang. Das obere Stück ist auf 8 cm mit Baum-
wolle umwickelt und dick mit Harz verschmiert; am Ende ragt eine stumpfe Steinkuppe (aus
dem Material der Steinbeile) vor. Wahrscheinlich ist der Stein, wie leichte Sprünge andeuten,
in das zerspaltene Schaftrohr eingelassen.
5. Klingende Pfeile.
Katalog Nr. 1675a, 1675b. Suyä.
Beide Schäfte sind unterwegs abgebrochen und nur 1,60 m bezw. 1,14 m lang. In
1 m Höhe sitzt, mit Harz befestigt, eine hohle Nuss der Tucumpalme (Bactris acanthocarpa)
denselben auf, in die seitlich ein bezw. zwei Löcher eingeschnitten sind. Die Befiederung ohne
Sorgfalt; zwei bunte Papageienfedern, nicht gespalten, sind an den Enden einfach spiralig
angebunden. Der Pfeil, der zur Vogeljagd gebraucht wird, lässt im Fluge ein helles Pfeifen
ertönen. Dazu Katalog Nr. 1676 vier derartig angeschnittene Tucumnüsse.
W urfbrett.
Katalog Nr. 1662. Abbildung ,,D. Centralbras.” S. 326. Suyä.
Braunviolettes, glattes, hartes und schwarzes Holz. Von einer biconcav ausgeschweiften
Griffplatte geht ein dünner, runder Stil aus, der am Ende einen Widerhaken trägt, das Ganze
aus einem Stück. Hinten in der Griffplatte befindet sich ein Loch. Die Form ist sehr
elegant. Stiel 52 cm, Griffplatte i5 cm, insgesammt 67 cm lang. Breite der Griff platte vorn
5 cm, hinten 6,2 cm, Dicke an dem Loch i5 mm. Der Stiel ist also 372mal so lang als die
Platte. Der Widerhaken hinten, zum Einlegen in die Pfeilkerbe bestimmt, ist ein 2,5 cm
langes Stöckchen, das mit Rund- und Schlingtouren von Baumwolle an das Stielende
befestigt ist.
Die Sammlung der Schingü-Expedition.
igO
Wir haben nur dieses eine Exemplar zu Gesicht bekommen. Ein Suyä demonstrirte
uns den Gebrauch, indem er das Wurfbrett auf den rechten Unterarm — Widerhaken am
Ellenbogen — auf legte, den Zeigefinger durch das Loch steckend. Der Pfeil, hinten durch
das Häkchen gestützt, vorne auf der Platte durch die Finger lose geführt, entsauste mit
grosser Kraft.
Der Besitzer nannte die Waffe „Kagolintane” (wahrscheinlich ein Zeitwort).
Keulen.
Katalog Nr. 1668. 1669. 1670. 1671. Abbildung „D. Centralbras.” S. 326. Suyä.
Den Bakai'ri und Kustenaü unbekannt.
Sehr schwer. Holz braunschwarz, wie polirt. Nach Aussage der Brasilianer von der
Seribapalme. Platt, langgestreckt, Form ungefähr eines Schwertes, wo der Griff das einiger-
massen langovale Oberstück, die Scheide den mit einem Hals abgesetzten längeren Untertheil
darstellen würde. Alle besitzen hoch oben auf einer Seite zwei augenförmige Vertiefungen,
in die glänzende Muschelstückchen (nur an Nr. 1670 erhalten) eingelegt sind. Von den Augen
läuft an dem vollständigen Exemplar aussen je eine kurze eingeritzte Zickzacklinie
nach abwärts.
Maasse: Nr. 1668
Oberstück......................57,5 cm
Gesammtlänge..................145,5 ,,
Durchschnittl. Breite des Stiels 4,5 „
„ Dicke . . ca. 2,0 „
Augenbreite.................... 6,7 „
1669
56,5 cm
118,0 „
5,5 ,,
9,5 ,,
1670
56,o cm
145,0 „
G7 „
1671
52,0 cm
138,5 „
4,5 *,
/ ,2 ,,
Katalog Nr. U84. Abbildung „D. Centralbras.” S. 3a6. Trumai.
Von derselben Grundform wie die Suyä-Keule; kleiner, plumper in den Umrissen und
ohne künstlerische Bearbeitung. Oberstück 25 cm, Gesammtlänge 87 cm, durchschnittl. Dicke
3 cm am Stiel, 2 cm am Oval, letzteres 9 cm breit.
Es war dieses Exemplar das einzige, welches wir bei dem Zusammentreffen mit den
Trumai bemerkt haben. Es ist bemerkenswerte dass die Trumai und die Suyä, welche
übrigens untereinander in Fehde lebten, sich beide durch den Besitz der Bambuspfeile und
dieser Keule von den übrigen Stämmen unterscheiden.
Ruder.
Katalog Nr. 1583. Trumai. Genau wie das Baka'friruder. „D. Centralbras.” S. 326.
Stiel mit Krückengriff und langes, schaufelartig gehöhltes Blatt. Ersterer lang 48 cm,
letzteres lang 62 cm, breit 10,5 cm; Gesammtlänge 110 cm.
Der Fahrende sitzt, das Gesicht seinem Ziele zugewandt, zumeist ganz vorne; mit der
einen Hand den Krückengriff, mit der andern den untern Theil des Stieles umfassend, stösst
er das Ruder nahezu senkrecht neben sich ein, schaufelt dadurch, dass er den Stiel mit kräftigem
Druck nach vorne hinüberhebelt, das Wasser nach rückwärts, und fördert auf diese Weise
rasch das leichte Rindenkanu. Hinten sitzt der Steuermann, der sich ebenfalls des Ruders
bedient.
Die Kanus sind über dem Feuer zurecht gebogene lange Rindenstücke des Jatobäbaums
(Hymenaea Courbaril L.), enge, wenig bequeme Fahrzeuge, welche bei einiger Fracht kaum
daumenbreit über das Wasser hervorragen. Ich füge die Maasse eines Bakairikanus bei:
Von Karl , von den Steineil.
Länge 8 m, Breite in der Mitte oben 64 cm, unten 56 cm, Tiefe 24 cm, Breite des Hinter-
theils 63 cm, Rindendicke 11—21 mm.
Die unzulängliche Beschaffenheit dieser Rindenkanus ist nicht unwichtig für das Verständniss
der Isolirung unserer Indianer am obern Schingü. Es ist unmöglich, mit ihnen die weiter
abwärts auftretenden Katarakte zu überwinden; schon bei einigem Wind und Wellenschlag
gerathen sie in Gefahr.
Steinbeile.
Katalog Nr. 1712. 1713. Baka'iri. 1665. 1666. 1667. Suyä. Steine i663. 1664. 1714.
Suyä. Abbildung „D. Gentralbras.” S. 32Ö.
Der Stiel besteht aus einem dicken cylindrischen Oberstück, das durchbohrt ist und den
Stein trägt, und einem dünneren etwa wie ein Schilfrohr von seinem Kolben abgesetzten
Griff. Bei den Bakairiäxten ist die Durchbohrung des Kolbens nicht vollständig, bei den
Suyabeilen schaut der Stein hinten heraus.
Das Material der Steine ist Diabas (Arzruni). Sie sind flach cylindrisch, zum Theil
in der Mitte walzenrund, verjüngen sich nach hinten und enden vorne breit mit bogen-
förmiger Schneide.
Durch ihre einfache Construction können diese Steinbeile aller Befestigung durch Um-
schnürung oder Verharzung entbehren und sind nur um so tüchtigere Werkzeuge. Sie haben
in Folge des schweren Oberstücks einen wuchtigen Schlag.
Maasse:
Stiel
Stein Durchschnittl. Umfang
^ — - Gesammt- Ober- Ober-
Nr. lang breit dick länge stück stück Griff
1712 (Bakai'ri) 5,i h 3,6 2,3 41,5 20,0 22,5 ii,5
17O v • 8,5’) 5,5 3,5 47,° 16,0 15,5 10,8
1665 (Suyä) . 12,5 4,5 2,9 47,o 16,0 19,5 10,7
1666 „ Prachtexemplar . 2i,3 6,0 5,3 57,0 22,0 24,5 11,5
1667 v • 19,4 5,8 4,8 53,5 21,0 22,0 12,8
1663 11,0 5,2 3,o
1664 v • 14,0 6,8 3,8
I7I4 (Bakai'ri) ...... 4,8 3,8
Sch abme i s s e 1.
Katalog Nr. 1658. Suya. Abbildung „D. Centralbras.” S. 3a6.
An einem 17 cm langen Ubästöckchen, das zu zwei Drittel mit Baumwolle umwickelt
ist, ist ein gebogener 8 cm langer Zahn befestigt, der 4,8 cm aus der Umwicklung vorschaut
und dessen schräge natürliche Schneide zum Glätten oder Schaben dienen kann. Der Zahn
ist ein rechter Vorderzahn aus dem Unterkiefer von Hydrochoerus Capybara (Hilgendorf)
und zwar eine Hälfte desselben längs der dort verlaufenden Furche, wo er schon beim bloasen
Trocknen zu springen droht, abgespalten.
!) Länge des Steins, soweit er vorn aus dem Holz vorschaut. In i665 und 1666, wo das Ober-
stlick völlig durchbohrt ist, steht der Stein hinten beinahe i,5 cm Uber, und zwar ist er hei 1666
hier bis zu 3 cm (also auf die Hälfte der Breite an der Schneide) verschmälert.
25
ig2
Die Sammlung der Schingii-Expedition.
Spindel n.
Katalog Nr. 1705. Baka'iri. 157g. i58o. Kustenau.
Scheiben, durch die ein dünnes Stückchen gesteckt ist. An letzterem wird unten die
von den Kernen befreite rohe Baumwolle befestigt, alsdann die Scheibe rasch auf dem Ober-
schenkel gedreht und das Ganze hängen gelassen; in Folge der gleichmässigen Rotation zieht
sich die Baumwolle zum Faden aus. Dieser wird unterhalb der Scheibe aufgewickelt.
Die Baka'irischeibe, unregelmässig rund, ist aus grauem Thon. (Durchmesser 7,2 cm).
Das Stückchen, 3i cm lang, 5—6 mm dick, zeigt oberhalb der Scheibe noch Rindenreste, ist
ziemlich krumm und leicht zugespitzt. Im Vergleich dazu sind die Kustnaüscheiben elegant
zu nennen. Es sind ihrer drei vorhanden, alle aus Schildpatt, in zweien auf beiden Seiten
hübsche, wenn auch ungeschickt ausgeführte Linienmuster (Rauten und Schraffur) eingeritzt
und schwarz bemalt. Durchmesser 5,5 und 5,8 cm. Stückchen 35,5 und 44 cm, eines an der
Spitze rundum abgekerbt.
Hängematten.
Baka'iri. Katalog Nr. i582.
Aus Baumwolle, neu desshalb weisslich, durch den rothgeülten Kürper des Besitzers
gewühnlich bald schmutzig braun gefärbt. Ein ziemlich lockeres Netz, lang rechteckig, 2,3o m
zu 1,20 m.
Um zwei in die Erde gerammte Pfosten wird ein ewiger Faden vielfach geschlungen;
es bildet sich ein dicker Strang, wie ihn unsere Frauen vor sich haben, wenn sie die Strick-
wolle vom Stuhl abwickeln. Dieser Strang liefert die Längsfäden, mit leitenden Stückchen
werden die Querfäden durchgezogen. Die an den Pfosten beiderseits freibleibende Schlinge
des Strangs wird durch ein Stück Umwicklung in der Mitte zusammengehalten, sodass
einerseits eine Oese zur Aufnahme der Hängeseile entsteht, und andrerseits von hieraus das
Endbündel der (auf eine Strecke von 3o—35 cm) undurchkreuzten Längsfäden beim Auf-
spannen nach dem Netz divergirt.
Die Längsreihen sind in einem Abstand von unregelmässig 2—3,5 cm von Querreihen
durchsetzt; wo die Querfäden herziehen, sind die Längsfäden dicht aneinander geschlossen;
in den Zwischenräumen dagegen kann man bequem einen Finger durchstecken. Das Princip
des Webens ist hüchst einfach. Zwei Längsfäden, 2—3 mm dick, sind jedesmal durch die
dünneren, nur 1 mm dicken Querfäden umschlungen, und zwar sind der Querfäden vier, von
denen zwei wellenförmig vor, zwei hinter den Längsfäden herlaufen, indem sie sich zwischen
den letzteren durchkreuzen.
An den beiden Längsseiten der Hängematte zeigen sich, wo die Querfäden ausmünden,
einige 70 Knoten mit den vier abgeschnittenen Fadenenden.
Angeknotet eine Muschel mit Färbemasse, eine Knochenpfeilspitze, (meist auch der
Kamm).
In der Sammlung des Museums befindet sich (Katalog Nr. 966) eine von der Schom-
burgk’schen Reise des Jahres 1845 herrührende, als „aude” bezeichnete Hängematte der
Guyanakariben, in der genau dieselbe Methode der Maschenarbeit verwendet ist; nur die
Endbündel sind kunstreicher angesetzt. Die Baka'iri des Batovy nennen die Hängematte „aidä”.
In diesem Falle deckt sich also die Ethnologie genau mit der Linguistik, welche die nahe
Verwandtschaft der Baka'iri mit den über zwanzig Breitengrade nürdlicher wohnenden
Kariben erweist.
Von Karl von den Stfeinen.
193
Küstenaü. Katalog Nr. 1581 •
Länger, aber schmäler als die vorige. 2,68 m zu 82 cm. Sie stellt kein Netz, sondern
ein festes Tuch dar, wie ein Stück Teppichläufer, und ist Segelleinen ähnlich dicht gearbeitet.
Diese Solidität rührt von eingewebter Palmfaser her.
Nur jedoch die Längsfäden sind hier Palmfaser, dünne, etwa i,5 mm dicke, aber straffe
Fäden; die Querfäden sind weiche Baumwolle, indessen so enge zusammengerückt, dass man
in dem Tuche die Palmfaser nirgendwo bemerkt.
Die freien Endbündel der schon kokosbraunen Palmfaserfäden werden durch 6 dicke
Hängestricke, ebenfalls aus Palmfaser von 37a m Länge, die hineingeschlungen sind,
zusammengehalten.
Nur ein Palmfaser-Längsfaden ist jedesmal von zwei Paar Baumwoll - Querfäden
umschlungen, aber nicht so, dass zwei Doppelfäden wie bei den Bakairi gemeinsam den Weg
vor oder hinter den Längsfäden durchmachen, sondern es sind die Querfäden vielmehr derart
geflochten, dass abwechselnd, einmal die beiden innern, das andere Mal die beiden äussern
vor bezw. hinter dem Längsfaden herlaufen, dass also zwischen zweien der letzteren nicht
eine einfache, sondern eine doppelte Durchkreuzung der Querfädetr stattfindet.
Natürlich sind die beiden Längsseiten der Hängematte dicht mit Knoten besetzt. Nur
an den vier Ecken sind zur Zierde je zwei der Querfadenenden zu (3o cm lang) herabhängenden
Strängen verlängert und schliesslich noch vier Quästchen hineingebunden. Auch durchsetzen
das Tuch in Abständen von einigen 40 cm drei blaue schmückende Querstreifen, indem man
dreimal eine blaue Quertour mit der angefärbten alterniren liess.
Wir sahen bei den Kustenaü auch Hängematten, die ohne jede Verwendung von Baum-
wolle, rein aus Palmfaser hergestellt waren. Dieses Verhältniss bei einem Nu-Aruakstamm ist
beachtenswerth, weil auch die Aruak der Guyanas im Gegensatz zu den dortigen Kariben
ihre Hängematten aus Palmfaser machen. Die Palme, welche den ohne Hülfe einer Spindel
auf dem Oberschenkel gedrehten Faden liefert, ist die Burin (Mauritia flexuosa), am Schingü
ebensogut als am Essequibo.
Die Baumwolle-Hängematte hat die Vorzüge, dass sich weicher in ihr ruht, und dass sie,
wenn vom Regen durchnässt, rascher trocknet. Für den Europäer ist es wegen der ungünstigen
Maassverhältnisse bei beiden eine Art Kunststück, in denselben zu schlafen. In der Hängematte
der Bakairi liegt man krumm wie eine stark angezogene Schlummerrolle, aus derjenigen der
Kustenaü fällt man heraus.
Die Suya hatten eben erst begonnen, die Hängematten zu adoptiren. Der grössere
Theil derselben schlief noch nach der alten Sitte des Ges an dem Boden auf roh geflochtenen
Palmstrohmatten, ein Stück Holz zur Kopfstütze.
T ö p f e.
Katalog Nr. 1708. Bakairi.
Niedlich, niedrig, mit steil senkrechter Wandung, aussen um den Rand eine Reihe von
Zacken, von denen zwei sich durch grössere Dicke auszeichnen.
Thon: auf dem Bruche grau, aussen schwarzbraun, ohne Glasur, innen schwarz und
glatt polirt. So hübsch das Töpfchen auf den ersten Blick aussieht, so findet man doch bei
genauerer Prüfung, wie schief und unregelmässig dasselbe ist. So wechselt der Innendurch-
messer von 11,2 bis 11,5 cm, und auch die Höhe, bis 6 mm, differirt um mehrere Millimeter.
Katalog Nr. 1656. Suyä.
Derselbe graugelbliche Thon, Innendurchmesser 17,1 bis 17,4 cm, Höhe 11,3, ein scharf
25*
i94
Die Sammlung der Schingü-Expedition.
krempenförmig umgebogener Rand von 2,5 bis 2,9 cm Breite; innen und oben auf dem Rande
schwarz und. glatt polirt. Aussen auf dem Boden ist ein concetitrischer fingerbreiter Ring
aufgemalt, von dem aus rundum eine Anzahl ebenso breiter Streifen in recht mangelhafter
Sauberkeit und Gleichmässigkeit mehr oder weniger steil zu dem überstehenden Rande
emporlaufen.
Geeigneter Lehm findet sich vielfach nahe dem Ufer; unsere Soldaten benutzten ihn,
sich Tabakspfeifen zu machen. Die irdenen Geschirre werden von den Weibern mit der Hand
geformt. Zum Sieden des Mehles dienen sehr grosse unterhalb des Randes sanft eingebauchte
Töpfe, bis nahe 80 cm Durchmesser. Die Mandiocafladen (Beiju’s) werden auf flachen rand-
losen Schüsseln geröstet.
B e i j ü w e n d e r.
Katalog Nr. 1653. 1654. 1655. Suyä. Abbildung „D. Centralbras.” S. 32b.
Halbmondförmige Brettchen zum Umwenden der Mandiocafladen beim Rösten. Zwei
beiderseits mit schwarzen Linienmustern bemalt, einer mit Griff.
Siebmatte.
Katalog Nr. i65j. Suyä.
Zum Durchseihen des Mehls. Aufrollbares Stück Matte aus 54 cm langen vierkantigen
Rohrstäbchen, die durch Querreihen von jedesmal ein Stäbchen umschlingenden Fäden
zusammengehalten werden.
Schabmuscheln.
Katalog Nr. 1750. Bakairi.
Zum Schaben der Mandiocawurzel. Flache Flussmuschel. Herr Professor von Martens
bestimmt sie als eine Varietät der von Castelnau aus dem Araguay heimgebrachten Leila
pulvinata Hupe.
Reibbretter.
Katalog Nr. 15g8- 1599. 1600. Suyä. Abbildung „D. Centralbras.” S. 2o5.
Zum Zerreiben der geschabten Mandioca. Lange ziemlich plumpe Bretter, 65, 69, 77 cm
lang, ii —15 cm breit, bis 5 cm dick. Das Mittelstück der gewölbten Oberfläche ist in einer
Ausdehnung von ca. i5 cm mit kleinen harten und spitzigen Palmstacheln besetzt, die in einem
höchst zierlichen Muster angeordnet sind.
Körbe.
Katalog Nr. 1651 und i65e. Suyä.
Die Suyä sind im Flechten von Körben geschickter als die mitgebrachten beiden
Exemplare vermuthen lassen. Es sind zwei Hängekörbchen, wie sie der Indianer zur Auf-
bewahrung seiner kleinen Kostbarkeiten und Utensilien gebraucht, das eine, Nr. 1651, mehr
eine Tasche, in der seitlich von einer Palmblattrippe schmale Blätter verflochten sind, das
andere, Nr. i652, aus Rohrgeflecht mit sechseckigen Maschen.
T rag netze.
Katalog Nr. 1604. i6o5. Suyä.
Aus Palmfaserfaden, sehr fest, Maschen von i,5 cm. Spitze Beutel, die sich nach oben
henkelartig in ein breites Stirnband verlängern und auf dem Rücken getragen werden. Auf
Reisen durch den Wald enthalten sie die Hängematte, mit Bogen und Pfeilen die ganze Aus-
rüstung, deren der Wanderer bedarf.
Von Kar] von den Steinen.
T95
Reibstöcke zu m Feue r m a c h e n.
Katalog Nr. 1707a und b. Bakairi.
Zwei dünne Stöcke von gleichem Holz; a (77 cm) mit tiefen Kerben, in denen b (61 cm)
zwischen beiden Händen rapide gequirlt wird. Gewöhnlich betheiligen sich dabei zwei
Individuen, von welchen das eine den Kerbstock auf dem Boden festhält. Der losgeriebene
Staub glimmt.
Sitzschemel.
Katalog Nr. 1711. 1706. Bakairi. 1661. Suyä.
Drei interessante Entwicklungsformen der Vogelgestalt! Alle sind aus einem Stück
geschnitzt. Ein Block ist so bearbeitet, dass eine horizontale Sitzplatte auf zwei nach dem
Boden zu divergirenden Brettchen steht. Die Sitzplatte ist also zunächst gewölbeartig unter-
höhlt. Dabei sind die Brettchen auf den mittleren Theil reducirt, verlängern sich aber auf
dem Boden wieder in zwei horizontal aufliegende Schienen von der Länge der Sitzplatte.
Diese letztere entwickelt sich zum Vogelkörper, indem das Rechteck — erste Stufe — oval
wird mit schwanzartigen Ansätzen vorne und hinten — zweite Stufe — und endlich das
Vorderschwanzstück sich zu Kopf und Hals umbildet — dritte Stufe. Die „Beine” freilich
müssen der drohenden Insolidität halber Bretter bleiben, allein sie stehen doch bei Nr. III
mehr gespreizt und sind von der Aussenkante der Mittellinie des Bauches näher gerückt.
1711 (Bakairi).
Erste Stufe. Sitzplatte rechteckig, 21 mal 10 cm, leicht concav. Nur 7 cm hoch.
Ausnahmsweise kleines Exemplar.
1706 (Bakairi). Abbildung „D. Centralbras.” S. 173.
Zweite Stufe. Sitzplatte lang spitzoval mit vorn und hinten einer dreieckigen, schwanz-
artigen Verlängerung. 39 cm lang, 14,5 cm breit, 10 cm hoch.
1661 (Suyä).
Dritte Stufe. Vogelform. Schönes Stück; schwer. Die Sitzplatte ist schildförmig,
3i cm lang, vorne 17 cm fortgesetzt in Hals und Kopf, hinten, 9 cm, in einen dreieckigen
Schwanz. Gesammtlänge 5p cm. Hoch 18 cm. Grösste Breite des Schildes 20 cm. Der
Kopf, etwa dem einer Gans gleichend, hat zwei Augenlöcher und einen kleinen Schnabel, der
einem untern Fingerglied ähnlicher ausgefallen ist.
Kämme.
Katalog Nr. 1703. 1704. 1737. 1743. Abbildung „D. Centralbras.” S. 323.
Harte Stäbchen, vereinigt in ihrem Obertheil durch ein Baumwollgeflecht mit Rauten-
muster, bilden die Zinken. Entweder sind dieselben zwischen zwei quere Bambusstückchen
gelegt oder in dem Einschnitt eines Querstöckchens eingesetzt. 1703: i3 zu 8 cm, 1704: n zu
8 cm, 1737 und 1743: zu 5,5 cm.
O e 1 c u y e.
Katalog Nr. 1745. Suyä.
Eine mit einem Pfropf zu verschliessende kugelrunde Schale, von einem hübschen
Fasergeflecht, an dem sie aufgehängt werden kann, umgeben, enthält das (in einem besondern
Fläschchen, Nr. 1642 gesammelte) mit ziegelrothem Urucu (Bixa Orellana) versetzte Kokosöl,
mit welchem die Indianer sich sowohl zum Schmuck wie zum Schutz gegen die Moskitos und
kleinen Stechfliegen täglich einreiben. Die Insecten gehen mit ihren verklebten Flügeln und
Beinen rasch zu Grunde.
196
Die Sammlung der Schingii-Expedition.
Zähne zum Tätowiren. (Zwei Unterkiefer.) Kustenaü.
Nur die Kustenaü und unter ihnen nur einzelne zeigen ein Paar tätowirte Linien.
Diese sind mit scharfen Zähnen eingekratzt, wie auch viele der andern Indianer sich mit
demselben Narbenstriche zu ritzen pflegen. Die beiden mitgebrachten Unterkiefer stammen
von einem Fische, den die Brasilianer Peixe cachorro, Hundsfisch, nannten. Zoologisch erweist
sich derselbe als ein Cynodon, dem von Cast ein au in Araguay gefundenen „Cynodon scom-
beroides” nächststehend (Hilgendorf).
Schamblätter.
Katalog Nr. i65oa und b, Baka'iri und Kustenaü. Abbildung „D. Centralbras.”
S. i65.
Bekleidung der Baka'iri- und Kustenaü-Frauen. Ein langrechteckiges Stück starken
Palmblatts ist durch Umschlagen der Ecken zu einem Quadrat und dieses Quadrat wieder
in zwei Dreiecke gefaben, welche in Folge der stumpfen Umbiegung der Kanten gegen-
einander federn. Grundlinie, wo die Dreiecke zusammenstossen, 7 cm, Höhe 3 cm lang. Die
Spitze des vorderen Dreiecks setzt sich nach unten in einen schmalen Baststreifen fort, der
über dem Damm herläuft, während zwei mit ihm hinten verknüpfte Fäden durch die Leisten-
beugen gehen und die Vorrichtung nach oben angezogen halten.
Lippen scheiben.
Katalog Nr. 1649a—x. Suyä. Abbildung ,,D. Centralbras.” S. 208 und S. 204.
„Nigakoko” in der Suyäsprache; nur die Suyä tragen diesen Schmuck, über den sich die
andern Stämme sehr lustig machen, und bei ihnen auch nur die erwachsenen Männer. Wie
ein Teilerchen steht die Scheibe horizontal vor dem Munde; sie ist in ein Loch gesteckt,
welches dicht unterhalb der Unterlippe gebohrt und allmählich erweitert ist. Speichelschlürfen,
Defectwerden der Zähne, und für die Sprache sowohl eine Behinderung der Aussprache
mehrerer Laute als auch eine Beeinflussung ihres ganzen Habitus sind natürliche Folgen der
Umstülpung und Fixirung der Unterlippe.
Ans korkleichtem weissen Holz, mit weichen Contouren, als ob sie von Papier-
mache' wären.
Rundoval, grösster Durchmesser 6,3 bis 8,3 cm, kleinster an denselben Exemplaren
5,8 bis 7,1 cm. Kleine wie grosse sind gleichmässig dick: 1,7 bis 1,9 cm.
Oben und ringsum mit Urucü ziegelroth bemalt, oben schwach vertieft, ringsum derart
ausgekehlt, dass die beiden Ränder als niedrige rundliche Leisten überstehen. Die ungefärbte
Unterseite stärker tellerartig vertieft, doch erhebt sich die Mitte wieder wie ein flacher Flaschen-
boden. In die Rinne um diese Erhöhung, die letztere umgrenzend, sind concentrisch zwei
feine schwarze Kreise wie mit Feder und Tinte gezogen; meist ist dieser Ring durch vier
Tupfen in vier Theile getheilt und zwischendurch mit Punkten besetzt, bei einigen Scheiben
dagegen wird er von einer Wellenzeichnung durchschlängelt.
Alle sind mit entschiedener Sauberkeit gearbeitet und stechen in ihrer Zierlichkeit sehr
gegen die groben Naturpflöcke der Botokuden ab. Es lag übrigens auch in der komisch wider-
strebenden Art, mit der die Suyä nur auf vieles Zureden hin sie herzugeben sich bereit finden
liessen, ein gut Theil schämiger Koketterie.
Ohrrollen.
Katalog Nr. 1643—1647. Suyä. Abbildung „D. Centralbras.” S. 207.
Bandmassartig aufgerollte Blattstreifen, 7 cm im Durchmesser, von der Bacavapalme
(Oenocarpus Bacaba), die wie grosse Scheiben in dem aufgeschlitzten Ohrläppchen hängen.
Von Karl von den Steinen.
197
„Lanpö” in der Suyasprache, von beiden Geschlechtern getragen, wenn auch nicht mit
solcher constanten Regelmässigkeit wie die Lippenscheibe, die der Suyä wohl nur in der Nacht
ablegt, und die weit dauerhafter ist als der leicht in seine Bestandtheile aufgelöste Ohrenschmuck.
Er besteht aus einer Menge ca. 85 cm langer Stücke, deren Aufrollung dadurch Solidität
gewinnt, dass ein neu hinzutretendes Stück immer ein paar Umdrehungen unter dem vorher-
gehenden mitgeführt wird. Die ganze Länge der sämmtlichen Stücke summirt sich zu
i5 Metern. Der grösste Theil der Streifen ist 2—3 mm breit, nur das letzte, wiederum
80—90 cm lange Stück hat i5 mm Breite und umgiebt die Innenrolle als ein höherer Rand.
Die Aussenseite ist vielfach weiss oder roth bemalt.
Handzeichnung der Suyä.
Ein mit rothem Bleistift von einem Suyä auf ein Stück Papier gezeichnetes Linienmuster,
wie sich ähnliche S. 213 „Durch Centralbrasilien” wiedergegeben finden; derartige Muster
werden namentlich zur Verzierung der Trinkschalen verwandt.
1. Gürtelschnüre und 2. Halsketten.
Das zu denselben verwandte Material:
a) Schwarze Beeren, hart, mit gelben (1 cm) Halmstückchen abwechselnd. Nur zu 1.
dienend. Katalog Nr. 1626. 1696. 1697.
b) Horn, glänzend schwarz, schmale cylindrische Abschnitte durchschnittlich 1—3 mm
lang, 3—4 mm Durchmesser, so dicht aufgezogen, dass sie eine biegsame Schlange bilden.
1.: 1631, 2.: 1629, abwechselnd mit grösseren runden rosa Muschelplättchen.
c) Muschelscheiben, platt, durchschnittlich bis zu 1 mm dick und 3—5 mm Durch-
messer, aussen von mattem, weissgrauen bis bläulichen Glanz. Sie sind sehr regelmässig
kreisrund und haben ein deutlich konisch eingebohrtes Löchelchen. In Abständen von
einigen Centimetern pflegen sie mit Beeren oder platten rundlichen Steinen abzuwechseln, die
einen von beiden Flächen her konisch eingebohrten Canal haben.
Katalog Nr. 1623. 1628. 1694. 1694: Gürtelschnüre; 1624. 1625. 1627 theilweise auch mit
Hornringen: Halsketten. 1622 rührt von dem uns unbekannten Stamm der U an aqua her und
ist durch ein in der Mitte hängendes Stück Diabas (4.3 cm lang) von der Form eines kleinen
Steinbeils mit stumpfer Schneide ausgezeichnet. Abbildung „D. Centralbras.” S. 322.
Diese Ketten finden sich bei allen Stämmen. Die Suyä besassen ausserdem hübsche
Halsketten von
d) rechteckigen Muschelstücken, die aus einer Windung der Schale von Orthalicus
melanostonius (Prof. v. Martens) geschnitten sind. 2—3 cm lang, 1 — 1 '/2 cm breit, weiss,
gewölbt, decken sich dachziegelförmig und sind meist oben und unten durchbohrt, aber nur
oben mit Fädchen an die Halsschnur befestigt. Abbildung „D. Centralbras.” S. 322. Katalog
Nr. 1611. 1612. 1613. 1614. 1615. 1698. 1699.
e) Jaguarklauen. Katalog Nr. 1701. Bakai'ri. Abbildung „D. Centralbras.” S. 322.
Halskette.
f) Affenzähne. Katalog Nr. 1751. Kustenaü. In der Wurzel durchbohrt, stehen,
durch Querwickelung getrennt, von einander ab. Gürtelschnur.
g) Toncabohnen. Katalog Nr. 1619. Zwei Gürtelschnüre der Suyä.
In den unter c) verzeichneten Muschelscheibchen möchte ich bemerken, dass dieselben
nach Aussage eines auf Mioko in Neu-Irland ansässigen Herrn den dort als Geld gebräuchlichen,
an Schnüren aufgereihten Muschelscheiben sowohl ihrer Grösse wie ihrem Aussehen nach
Die Sammlung der Schingü-Expedition.
zum Verwechseln ähnlich sind. Tauschhandel war am oberen Schingü noch nicht vorhanden;
allein als die. Indianer im Verkehr mit uns die Idee desselben aufzufassen begannen, war ihr
erster Griff immer, wie uns sofort auffiel, nach den gewiss für sie kostbaren Muschelschnüren.
Wie solche gleichen Objecte also an weit voneinander entfernten Orten zum Gelde erhoben
werden können, wird durch diesen Vorgang klar veranschaulicht. Entstände jetzt plötzlich
das ßedürfniss nach der Einführung eines Geldes am Schingü, so wäre nichts natürlicher, als
dass die Muschelschnüre für diesen Zweck, zu dem sie sich wegen der Mühsamkeit ihrer Her-
stellung wie wegen ihrer leichten Portabilität vortrefflich eigneten, ebenso einträten, wie sie in
der Südsee bereits seit langer Zeit dafür eingetreten sind. Von allen unseren Kostbarkeiten
reizte nichts mehr die Habgier unserer Freunde als Perlen und namentlich Knöpfe, die sich
eben so hübsch wie jene Erzeugnisse ihrer heimischen Kunst auf Schnüre reihen liessen.
Baum wollstränge zur Umgürtung.
Katalog Nr. 1587- 1588- Trumal.
Rothgefärbt, an den Enden, wo sie sich in Fransen auflösen, kunstlos umbunden.
Armbänder aus Baumwolle.
Katalog Nr. 1601 a und b. Baka'iri.
Rothgefärbt, 3,5 cm breit, 29 cm Umfang, auf den Arm gehäkelt. Einfache Binden
von Blattstreifen der Buritipalme um den Oberarm oder unterhalb der Kniee waren häufiger.
Tragband für Säuglinge. Suva.
Gehäkelt, 7 cm breit, 122 cm Umfang. Ueber die rechte Schulter getragen, während das
Kind auf der linken Hüfte ritt. Ein paar ähnliche Bänder sind Katalog Nr. 1616 1617., deren
Verwendung wir nicht gesehen haben. Sie sind 5 cm breit, 120 cm im Umfang, haben ein
hübsches Kanten-Muster und sind mit einer 28 cm langen Fädentroddel verziert. Längs des
Bandes verläuft beiderseits ein an dasselbe mit groben Stichen angereihter besonderer Saum
von gewöhnlicher Häkelarbeit.
Wadenbänder mit muschelverziertem Fadengehänge.
Katalog Nr. 1606 a, b, 1607 a, b, 1608 a, b. Suya.
Offenbar für festliche Gelegenheiten. Breite 2,6, 2,7, 4 cm. Vom Unterrand des Bandes
hängen dicke 3o cm lange Fäden herab, die während des Häkelns eingeschlungen sein müssen.
In demselben finden sich eine Anzahl schmaler, zum Theil in phantastischer Form ausge-
schnittener, bis 7 cm langer Muschelstücke mit Perlmutterglanz von Unio angebunden.
Halsschnur mit Muschel- und Schalengehänge.
Von einer dreifachen Schnur von Ringen aus schwarzer Rinde (24 cm), die um den
Nacken gelegt wird, hängt nach vorne jederseits eine starke Quaste von elf dünnen, 7a m
langen Baumwollstücken herab, in der eine Reihe durchbohrter Orthalicusmuscheln (bis 6 cm
lang) und halber Nussschalen (4 cm Durchmesser) eingeknotet sind.
Fussklappern.
Katalog Nr. 1686. Baka'iri.
Ein Gehänge harter hohler Fruchtschalen, das beim Tanz um das rechte Fussgelenk
getragen wird und beim tactmässigen Aufstampfen geräuschvoll klappert, ist an einem Bande
befestigt.
Von Karl von den Steinen.
*99
Katalog Nr. 1602. 160З. Suyä.
Zwei Paar; die Schalen hängen an 5 cm langen Fäden von einem Stück herab.
Muschelgehänge.
Katalog Nr. 1640. Suyä.
Eine grössere Anzahl Orthalicusmuscheln ist an der Spitze abgebrochen und eine über
der andern auf einen (63 cm langen) Faden aufgezogen, der oben mit einem ganzen Bündel
dieser Muscheln besetzt ist, sodass beim geringsten Schütteln ein lautes Klirren und Rasseln ertönt.
Federschmuck: 1. der Ohren.
Uhrfedern. Abbildung ,,D. Centralbras.” S. З22. Katalog Nr. 1688. Bakai'ri.
Zwei weisslich gelbe i3 cm lange Federn, die durch das Ohrläppchen gesteckt werden.
Neben denselben sind
Ohrbüschel, Katalog Nr. 1687 a—d,
eingeführt, zarte Papageienfederchen, welche mit Baumwolle an die Spitze kurzer (3,7—5,5 cm)
Rohrstöckchen gewickelt sind.
Federschmuck: 2. des Kopfes.
Drei Arten sind zu unterscheiden:
a) Federkrone. Abbildung „D. Centralbras.” S. З22.
Eine Reihe ca. 18 cm langer gelber Papageienfedern, aus deren Mitte zwei mächtige
über einen halben Meter lange, blaue Araraschwanzfedern emporragen, umgeben kronenartig
den grösseren Theil des Kopfes, wie man es bei dem typischen Tabaks-Indianer sieht. Das
untere Ende des Kiels ist umgeschlagen, hier Stück für Stück umwickelt und auf eine vierfache
Schnur gebunden. Zuweilen wird, um die nackten Spulen zu verdecken, rings um den unteren
Theil der Krone ein mit zarten Federchen dicht besetztes Band gelegt.
b) Federkranz. Abbildung „D. Centralbras.” S. З22.
Bis 7 cm lange, meist kleinere breite Federn stehen vom Aussenrande eines Stroh-
kranzes ab.
c) Federhaube. Abbildung „D. Centralbras.” S. З22.
Eine Calotte von Baumwollnetz mit Maschen bis zu i,5 cm, das durch einen unten
eingereihten Faden um den Kopf geschnürt wird, enthält in jeder Masche eine Feder mit
Palmfaser angebunden. Auch hier ist der Kiel umgeschlagen. Die grösseren stehen nahe der
Mitte. Wird das Netz über den Kopf gezogen, richten sich die sammtlichen F’edern zu
einer stolzen Holle auf.
Am geschicktesten in der Bearbeitung des Federschmucks waren die Suyä. Die mit-
gebrachten Stücke vertheilen sich auf die Stämme folgendermassen:
Вakam. Katalog Nr. 16З7. Federkrone.
Trumai. 1585. Haube aus weissen, zum Theil schwarz gefleckten Reiherfedern.
Diese Art wurde am meisten getragen.
1586. Ebenso, mit einigen bunten Papageienfedern.
Suyä. 16З6. Krone. Neben den Ararafedern jederseits noch drei kleinere rothe
Federn. Dazu
Nr. 1620. Federband, prächtig, in der Mitte gelb und an beiden Seiten roth, 9 cm hoch;
am Grunde noch ein dichter Saum kurz (2 cm) geschnittener, blauschwarz schillernder
26
200
Die Sammlung der Schingü-Expedition.
Federchen vorgesteckt. Die grösseren Federn (4 cm) decken sich zum Theil in mehreren
Lagen und sind auf einem Palmfasergeflecht aufgespannt, das durch zahlreiche Baumwoll-
Quertouren durchsetzt ist.
Nr. 1731. Federband. Kunstloser als das vorige.
Nr. 1638- 1639. Kränze, der Reif aus Palmblatt geflochten.
Nr. 1633. Weisse Haube, von den Baka'iri erhalten, welche sie selbst nicht haben.
Nr. i632. Haube aus weissen und schwarzen Federn.
Nr. 1634. Bunte Haube (gelb, orange, azurblau, indischroth, smaragdgrün).
Nr. 1635. Prachtexemplar einer hohen und dichten Haube von breiten seidenweiss
glänzenden Federn. Auf der Kuppe eine vereinzelte goldgelbe Feder und ringsum fünf mit
gelbrothen Büschelchen besetzte Stäbchen, wie sie die Baka'iri in den Ohren tragen, zu diesem
Zweck aber von den Suyä, deren aufgeschlitzte Ohrläppchen zu einem langen Zügel deformirt
sind, nicht verwendet werden können.
Nr. 1621. Armband. Büschelchen bunter Papageienfederchen auf einem mit Buriti-
fasern quer umwickelten Baumwollstrang.
Rohr-Diademe.
Nur bei den Baka'iri. Katalog Nr. 1691. 1992.
Von echter Diademform. Ein Rautenmuster von abwechselnd schwarzem und natur-
farbenem Rohrgeflecbt ist zwischen zwei mit Baumwolle umwickelten Rohrreifen aufgespannt.
Kopfaufsätze der Baka'iri.
Diese wunderlichen Gegenstände fanden wir nur in einem Dorfe, wo sie in grosser
Zahl in einer besonderen Hütte aufgehängt waren. Offenbar werden sie bei Festtänzen ge-
braucht. Sie haben ein Gerüst aus Rohr, mit dem sie auf den Kopf gesetzt werden.
Katalog Nr. 1677. Abbildung „D. Centralbras.” S. 322.
Ein kugelförmiger Kürbis von ungefähr Schädelgrösse mit einem kopfgerechten Aus-
schnitt. Ein von vorne nach hinten ziehender Mittelstreif hat die natürliche braune Farbe.
Die Seitenflächen sind mit weisslichem sandigem Lehmüberzug dünn überstrichen und mit
einem in letzteren schwarz eingemalten Rautenmuster verziert. Die Bemalung hat sich, wo
der Sand abgebröckelt ist, auf der Kürbisschale noch erhalten. Umrandet werden die Seitenflächen
längs des Mittelstreifens von je einer senkrecht aufgerichteten halben schwarzen Federfahne,
deren gespaltener Schaft mit Harz aufgeklebt ist.
Um den Kopfausschnitt ist in einer Anzahl Löchelchen ringsum ein Reifen aus Buriti-
geflecht angebunden, der sich wie in wallendes Haar in eine dichte Hülle feiner meterlanger
Fasern aufgelöst.
Katalog Nr. 1678.
Eine Cylinderröhre von Baumrinde, 34 cm hoch, 5o cm im Umfang; das trichter-
artige Stützgerüst tritt unten ein. Oben schaut bis zur Brust ein grosser hölzerner Vogel
heraus, der im Innern des Cylinders mit seinen Beinen an die Spitze des Trichters befestigt ist.
Der Cylinder, roth übermalt, ist durch zwei schwarze Längsstreifen in zwei Hälften
getheilt; in jeder derselben liegen sich zwei grosse schwarze Dreiecke gegenüber, wie beim
Tric-trac-Brett mit der Spitze zusammenstossend.
Der ebenfalls schwarz und roth bemalte Vogel, insgesammt 35 cm, Kopf und Hals
12 cm lang, ist ziemlich kunstlos aus Holz geschnitzt; der Körper plattet sich zum Schwanz
Von Karl von den Steinen.
201
hin ab und verbreitert sich ein wenig. Kleine Augenlöcher, Flügel nicht markirt. Ein Stück
Rohr ist durch den quer durchbohrten Körper gesteckt und beiderseits zum zehenlosen Bein
abwärts gebogen.
Katalog Nr. 1682. 1683.
Zwei kleinere unbemalte Vögel aus leichtem Holz.
Katalog Nr. 1702. Abbildung „D. Centralbras.” S. 322.
Schwalben-Kopfaufsatz.
Der Rohrtrichter divergirt an der Spitze in vier lange Reifenstäbchen, insgesammt 60 cm
hoch. Die Stäbchen sind mit Flocken von roher Baumwolle umwickelt und mit 7 geschnitzten
kleinen Vögeln besetzt. Letztere sind durchaus als Schwalben zu erkennen und zeigen auch
entsprechende Bemalung: weiss, Kopf und Hinterhals schwarz, Bauch gelblich, wie die
Schwalben des Rio Batovy.
Buritiwamms der Baka'iri.
Katalog Nr. 1689.
Fand sich ebenfalls in der Festhütte aufgehängt. Als Kleidungsstück am Schingu einzig
in seiner Art. Es ist aus Buritiblatt geflochten. Längsbündel von zerfaserten Strohstreifen
sind in Abständen von 3—5 cm durch horizontale Quertouren aus demselben Material durch-
setzt; das Ganze hat mit den steifen, senkrecht rechteckigen Maschen ein gegittertes Aussehen.
Das Wamms besitzt fransenbesetzte Aermel und Hosen; die Längsbündel laufen vom Halse
abwärts bis in die Enden der letzteren, wo sie sich in ein Gehänge feiner Fasern auflösen.
Rumpflänge 5ocm, Aermel 40 cm, Hosen 5o cm, Aermelfransen 40 cm, Hosenfransen 20 cm.
Da das sonderbare Gewand so angezogen werden muss, dass man mit den Beinen am
Halse hineinfährt, ist der Umfang hier oben sehr weit, 1,25 m. Ein Strick zum Zuschnüren ist
eingereiht. Auch findet sich zwischen den Hosen eine schlitzartige Oeffnung, welche mit
einem dünnen Strick zugebunden wird.
Mantel aus Palmstroh der Baka'iri.
Katalog Nr. 1690.
Von einer Schnur, die um den Hals gebunden wird, hängt eine breite Schürze
ca. 5 mm breiter trockener Blattstreifen von Meterlänge herab. Ganz ähnliche Mäntel bildet
Crevaux für die Festtänze der in Guyana wohnenden und den Baka'iri nahe verwandten
Rucuyenne ab.
Holzfische der Baka'iri.
Katalog Nr. 1680. 1681. Abbildung „D. Centralbras”. S. 172.
Aus harter Rinde plump geschnitzt, 34 und 27 cm lang; platte, breite Fische mit
Flossen.
Katalog Nr. 1679.
Bandartiger, platter Fisch ohne Flossen, mit vertiefter Maulöffnung (ein Stück
abgebrochen, war ca. 45 cm lang), anscheinend einen Aal darstellend.
Alle drei zum Aufhängen durchbohrt. Wir fanden sie nur in einem Dorfe in der
Versammlungshütte an dem Mittelpfosten hängend.
Maisstrohpuppen der B a k a 1 r i.
Katalog Nr. 1709. Abbildung „D. Centralbras.” S. 172 und S. 280.
Ein 5o cm langer, grosser Vogel aus Maisblättern.
26*
2o2 Die Sammlung der Schingü-Expedition.
Katalog Nr. 1710. Abbildung „D. Centralbras.” S. 172.
Länglicher Körper mit zwei langen Armen, dem oben ein plattes Köpfchen oder
Knöpfchen aufsitzt und der unten ausgefasert ist, insgesammt 46 cm.
Diese Puppen trafen wir nur in einer Hütte des ersten Baka'iridorfes, wo sie an langen
Fäden frei von der Decke herabhingen. Sie wurden uns ohne Schwierigkeit überlassen; im
Innern enthalten sie noch den körnerbesetzten Fruchtkolben, sodass sie vielleicht nur eine
Spielerei darstellen.
Flöten. („Meni” der Baka'iri.)
Abbildung „D. Centralbras.” S. 3a6 und S. 172.
79 cm lang, 15,5 cm Umfang, Bambuscylinder, unteres Querstück mit einem Loch.
Oben ein dicker Harzpfropf, der an einer Stelle längs der Wandung durchbohrt ist. Dieser
Canal führt zu einem seitlichen viereckigen Luftloch, während in das Pfropfenloch mit einer
Haltung wie bei der Clarinette geblasen wird. Im untern Viertel vier Grifflöcher, die mit
dem Zeige- und Mittelfinger jeder Hand gefasst werden. Unten und ungefähr in der Mitte
mit Rohr umwickelt.
Katalog Nr. 1747. 1748.
Kleinere Flöten (54 cm lang, 12 cm Umfang), nach demselben Princip, ohne Rohr-
umwicklung.
Flöte der Kamayur ä.
Katalog Nr. 1644.
Uns unbekannter Stamm am Kuliseu. Von den Suyä erhalten. Meni-System. Pfropfen
und Rohr am Mundstück abgeschrägt. 101 cm lang, 19 cm Umfang. Aus braunem Holz,
platt rundlich; die Flöte ist aus zwei Längssegmenten zusammengesetzt und längs der
Aneinanderfügung mit Harz verklebt und dick überstrichen. Unterhalb des Luftlochs mit
Baumwolle sowie im mittleren und unteren Theil mit breiten Rindenstreifen umwickelt.
Pansflöten der Suyä.
Katalog Nr. i65g. Zwei Stück.
A: drei Rohre, i5z, 110 und 74 cm lang, 13,5, i3 und 5 cm Umfang; B: drei Rohre,
97, 67 und 60 cm lang, 13, 12,5 und u,5 cm Umfang. Die erstere ein mächtiges Instrument.
Alle Rohre haben im obern Theil seitlich ein rechteckiges Luftloch: oberhalb desselben
befindet sich ein 10—13 cm langes Stück Bambus aufgeklebt, das gewölbt ist, nur unten offen
steht und den hier aus dem rechteckigen Loch austretenden Luftstrom fängt.
B. Die Yuruna am mittleren und unteren Schingü.
Lebensweise.
Den Brasilianern seit etwa dem ersten Drittel des siebzehnten Jahrhunderts schon be-
kannt, haben sich die Yuruna doch völlig selbständig erhalten, durch die Wasserfälle vor
jeder intimeren Berührung gesichert. Sie sind in kleinen Ansiedelungen Uber einen grossen
Theil des Flusses verbreitet; nur die zu unterst ansässigen verkehren mit dem weissen Manne,
von dem sie gegen Mehl Handwerkszeug und Waffen eintauschen. Sie führen die Flinte
neben dem Bogen, wie sie den Schnaps, wenn sie ihn bekommen, neben dem Kaschiri,
einem durch Kauen von Mandiocateig in Gährung versetzten Getränk, zu schätzen wissen; die
Von Karl von den Steinen.
203
Männer, welche einen Zopf tragen und mit einem breiten Perlgurt geschmückt sind, gehen nackt,
die Frauen in einem selbstgewebten Hüftentuch. Auf Felsinseln inmitten des Flusses wohnend, wo
ihre Hütten kaum Platz finden, sind die Yuruna Piloten ersten Ranges. Katarakte in der Nähe
erheben das Dörfchen zu einer natürlichen Festung; sie schützen dasselbe insbesondere vor den
Angriffen der gefürchteten Karajä, die zwischen Tocantins und Schingü umherstreifen; auch
von diesen haben wir durch die Yuruna einige Sachen erhalten. Letztere haben ihre
Pflanzungen, in denen sie auch die Banane cultiviren, am Ufer und leben sonst von Jagd und
Fischfang. Von europäischen Hausthieren haben sie Hunde und Hühner; sie besitzen über-
haupt eine solche Vorliebe für gezähmte Thiere, dass die Hütte wie eine Menagerie mit denselben
angefüllt ist, und ein gewisses Zartgefühl ihnen verbietet, Hühner und deren Eier zu verspeisen.—
Von den Indianern des oberen Schingü fehlt ihnen jede Kenntniss, wie diesen von
ihnen. Wahrscheinlich sind sie in den letzten Jahrzehnten erst in eine Wanderung fluss-
aufwärts begriffen. Dass unsere Sammlung bei den Yuruna bescheiden ausgefallen ist, war in
unserer Armuth begründet. Was wir noch an Perlen und Juwelen besassen, wurde von den
verwöhnten Indianern mit einem kühlen „110 preta, camarada” (nichts werth, mein Lieber) von
der Hand gewiesen; fast alle unsere Schätze, die ihre Habgier noch reizen konnten,
mussten für die Beschaffung tüchtiger Boote verwendet werden, da unsere Rindenkanus in
dem wilden Gewässer des nahezu schon zwei Kilometer breiten. Stromes völlig unbrauchbar
geworden waren.
Bogen.
Katalog Nr. 1720.
Flach viereckig, 2,13 m lang, in der Mitte 3o mm breit und 16 mm dick. Schwarz-
braunes Holz. Palmfasersehne zum leichteren Anfassen auf eine Strecke von 17 cm mit
feinen Baumwollfäden umflochten und zwar derart, dass sich auf der Innenseite ein Rauten-
muster bildet, indem sich jedesmal fünf Fäden kreuzen.
Dieser Bogen hat also von der Technik des Bakatribogens nur die Palmfasersehne.
Pfeile.
Auch sie unterscheiden sich von den früheren in allen Einzelheiten. Der Schaft ist
dünner, zierlicher, glatt wie polirt und gegliedert; er entstammt einem Schilfrohr, das die
Brasilianer Cambaiuva nannten. Beiderseits oberhalb der Kerbe, sodass diese nicht gesucht
zu werden braucht, befindet sich ein rothes Federbüschelchen angeschnürt.
Die grossen Federn (i5—20 cm), meist von Papageien herrührend, sind ausgesucht
bunt. Spiralig gestellt, sind sie nur an den Enden befestigt und stehen deshalb leicht ge-
schwungen. vom Schaft ab. Nicht gespalten, sondern die Fahne an einer Seite abgeschnitten.
Zuerst ist ein Stück Faden aufgewickelt, dann die Feder aufgelegt und jener weiter gewickelt.
Unterhalb der Spitze Rohrgeflecht 20—25 cm.
1. Holz spitzen.
Katalog Nr. 1719 a—g. Gesammtlänge 159—180 cm, Spitze 27—46 cm.
Die Spitze, von hartem Holz, ist gerade wie eine Nadel, geglättet, verdünnt sich gleich-
mässig und ist vorne noch ein wenig besonders zugeschärft.
2. Knochenspitzen mit Widerhaken.
Katalog Nr. 1717 a—c. Gesammtlänge 1,67—1,83 m.
38—5o cm vorschauender Holzstock als Träger des Knochens, weniger sorgfältig aus-
gesucht und geglättet als bei 1.
204
Die Sammlung der Schingü-Expedition.
7—8 cm langer, flacher, schmaler Knochen, geschweift. Sehr fest angewickelt und
vertheert, ist er unten ais Widerhaken herausgeführt.
3. Bambus spitzen.
Katalog Nr. 1718 a—i. Gesammtlänge 1,45—1,85 m.
Das „Messer” 3o—55 cm lang, 25—36 cm breit. Ebenso breit als bei den Suyä, doch,
weil aus dickerem Bambus, flacher. Die Befestigung an dem Stock ist weit sorgfältiger und
die Umflechtung mit Baumwolle ausgedehnter. Wie bei dem Bogen liegen die Fäden auf
dem Rücken parallel, und kreuzen sich auf der Unterseite in Strängen von sechs Stück rauten-
förmig. An einem Exemplar die Innenfläche des Meeres mit einem einfachen Muster bemalt.
Karajäpfeil.
Katalog Nr. 1594. Gesammtlänge 1,73 m.
Sehr lange Knochenspitze, ii,5 cm; Widerhaken, mit dünnem, schwarz verharztem
Baumwollfaden umwickelt.
Der eleganteste von sämmtlichen Pfeilen. Er fällt besonders auf und unterscheidet sich
von allen andern dadurch, dass bei den Leitfedern kein Rohrgeflecht verwandt, sondern
dieses durch eine über 12 cm ausgedehnte continuirliche Umwicklung mit dünnem Baumwoll-
faden ersetzt ist. Rohr befindet sich nur, wo der Spitzenstock — übrigens so fest, dass es
dessen nicht bedürfte — eingetrieben ist. Auch an dieser Stelle sind einige rothe Papageien-
federchen angebracht. Die Kerbfedern, mit Fäden, die sich durchkreuzen, eingebunden, sind
grösser als gewöhnlich. Es sind ihrer zwei, je eine über dem Winkel der Kerbe.
Sehr schöne Schwungfedern, die eine schwarz, die andere rein gelb, mit einer auf
beiden Seiten nur wenig beschnittenen Fahne.
Keulen d e r K a r a j ä.
Katalog Nr. 1596. Abbildung ,,D. Centralbras.” S. 326.
Stabförmig, 136 cm lang, im Umfang verdickt sie sich von 9 zu 14,2 cm. Aus
schwerem, schwarzbraunem Holz. Ringsum cannelirt, scharf gerieft, oben und unten stumpf
abgekuppt; zum Anfassen mit der rechten Hand ist ein 7,5 cm langes Stück geglättet und
mit Querringen gegen die Riefelung abgesetzt.
Katalog Nr. 1597.
Etwas kleiner, 118 cm. Schmälerer Handgriff. Wir erhielten die Keulen von den
Yuruna, die sie als Spazierstöcke zu gebrauchen pflegten.
Bootmodell.
Die „Uba” (Abbildung „D. Centralbras.” S. 246 und 25o) ist aus einem Cederstamm
ausgehölt, vorn und hinten befindet sich ein horizontales Trittbrett. Maasse: Länge 10,6 m,
grösste Breite 95 cm, Tiefe 39 cm, Wanddicke 25 mm; Vordertrittbrett 1 m lang, 90 cm breit;
Hintertrittbrett 57 cm lang, 44 cm breit. In den grösseren habeu leicht zehn Personen Platz.
Rüde r.
Abbildung „D. Centralbras.” S. 326.
Paddelruder mit einem Stiel, der eine ausgeschweifte Krücke trägt uud einem sich nach
unten verbreiternden Blatt, alles aus einem Stück.
Von Karl von den Steinen.
205
Katalog Nr. 1724. Stiel 54 cm, gesammt 121 cm lang, grösste Breite des Blattes 24 cm.
•n 11 „ 65 ,, ,, 139 „ „ „ ,, ,, „ 21 „
t799 t S9 97
Krückenbreite 15,5 cm. Auf einer Seite des Blattes mit schwarzer Grecque-
Malerei bedeckt.
Hüftentuch der Frauen.
Katalog Nr. 1741.
76 cm lang, 49 cm breit. Zwei Langsfäden sind jedesmal durch einen abwechselnd
vorn oder hinter denselben verlaufenden Querfaden überspannt. Zwei Längsstreifen von
5—9 cm durchsetzen dieses einfachere Gewebe mit einem Rautenmuster. Ueber das ganze
Tuch ziehen sich braune Querstreifen von derselben Breite.
Hängematte.
Katalog Nr. 1740. Kinderhängematte.
100 cm lang, 70 cm breit. Von Baumwolle dicht gewebt in der bei der vorigen
Nummer erst beschriebenen Art und Weise, jedoch so, dass sich Längs- und Querfäden
paarweise kreuzen. Ausserdem findet sich ein braunes, schief verlaufendes Grecque-Muster
auf zwei Längsstreifen (12 und 17 cm breit) eingewebt. Für das Grecque-Ornament haben die
Yuruna eine ausgesprochene Vorliebe. Wir bekamen diese beiden Stücke nur mit grossen
Schwierigkeiten und nicht ohne feierliches Anblasen seitens der sämmtlichen Familienmitglieder.
Es gelang uns nicht, eine Hängematte von Erwachsenen mit unsern geringen Mitteln zu
erwerben.
Sitzschemel.
Katalog Nr. 1749.
Runde, ein wenig concave Sitzplatte, 23,5 cm Durchmesser, i,5 cm Dicke, 6 cm übe;
dem Boden; zwei starke, etwas divergirende Stützbretter; das Ganze aus einem Stück.
Oelcuye.
Katalog Nr. 1738a und b.
Zwei kleine, kugelrunde, gelbe Kürbisschalen mit einem auf der Frucht eingekratzten
und vernarbten Grecque-Muster.
Penisstülpehen.
Katalog Nr. 1641b—f.
Von der Form der altpreussischen Gardistenmützen; hohl und so aufgesetzt, dass die
Spitze vorne nach abwärts schaut. Sie sind aus hellgelbem, glattem Palmstroh sehr geschickt
gefalten. Höhe: vorn 3,7 cm, hinten i,5 cm.
Diese kleine Hülse ist der Eichel fest aufgestülpt und steht aufrecht vor dem Scrotum,
während die Schwellkörper des Penis grösstentheils in letzteres zurückgedrängt sind. Auf
diese Weise ist die Harnröhre verschlossen. Vielleicht soll das Eintreten von Insecten in
diese verhütet werden. Eine ebenso beschaffene, nur etwas anders befestigte und erheblich
grössere Hülse hat Roh de von den Bororö aus dem südlichen Matogrosso heimgebracht.
Halskette aus Coatizähnen.
Katalog Nr. 1732.
Sehr hübsch. Gleichförmig 3o cm lange Zähne von Nasua socialis, die von einer fest-
geflochtenen Schnur strahlenförmig abstehen.
2o6
Die Sammlung der Schingü-Expedition.
F ederschmuck.
Ohrfedern. Katalog Nr. 1729. Abbildung „D. Centralbras.” S. З22.
Lange rothe Araraschwanzfeder, an deren Spitze mit einer kirschgrossen Harzkugel das
Endstück einer schwarzweissen Sperberfeder befestigt ist. Unten ist eine Rohrhülse aufgezogen,
rings besetzt mit den zierlich krausen schwarzen Haubenfederchen von Mutüm (Crax).
Festschmuck. •
Federkrone. Katalog Nr. 17З0. Abbildung „D. Centralbras.” S. З22.
Sehr schönes Exemplar. 70 cm langer weisser Federbogen; in der Mitte vier hoch_
rothe Ararafedern (20 zu З2 cm Länge).
Federband. Katalog Nr. 17З6.
Auf einem festen Gewebe aufgezogene, hauptsächlich schwarze und rothe Federn.
Federhauben. Katalog Nr. 17ЗЗ. 17З4. 17З5.
Das Geflecht ist ziemlich dicke Häkelarbeit und nicht ein Maschennetz wie bei den
Indianern des oberen Schingu. Papageifedern, viele grüne darunter.
Katalog Nr. 1712
nicht von den Yuruna; Ursprung unbekannt. Weisse ßaumwollmütze mit bunten Papagei-
federn besetzt.
Kopfschmuck der К а r a j а.
Katalog Nr. 1595.
Bestehend aus 33 Bambusstöckchen (16 cm lang), die wie Spulen mit feinem Baum-
wollfaden dicht umwickelt sind. Aus denselben ragen oben 3 cm lange Büschelchen von
Papagei- und Mutümfedern vor, in der Mitte eine 2З cm lange blaue Ararafeder. Die
Röhrchen sind durch einen jedes derselben durchziehenden Faden untereinander verbunden,
während ein dickerer Strick am unteren Rand zur Befestigung an den Kopf dient.
Musik-Instrumente.
Katalog Nr. 1728 b.
Bambusflöte, 22 cm lang, 7,5 cm im Umfang, an einem Ende offen; unterhalb des
geschlossenen Endes ein rechteckiges Loch und gegenüber etwas tiefer ein 5 cm langer
biconcaver Ausschnitt. Mit zart eingeritzter Grecque-Zeichnung bedeckt.
Katalog Nr. 1728 a.
P ans flöte aus vier Tacoara-Röhrchen von З2, 29, 27 und 25,5 cm Länge und 7,6 cm
Durchmesser. Mit Baumwollfäden verbunden. Auf den drei grösseren Grecque - Muster
eingeritzt.
Katalog Nr. 1725 und 1726. Blas-Instrumente. Abbildung „D. Centralbras.” S. З26.
Bambuscy linder.
1725 65 cm lang, 19,5 cm Umfang. Am unteren Ende offen, die obere Querwand
durchbohrt.
1726 54 cm lang, 18,7 cm Umfang, unteres Ende offen, oberes geschlossen, darunter ein
rechteckiger Ausschnitt. Statt des letzteren ist bei 1725 eine Figur eingekratzt und schwarz
bemalt, mit einem Körper derselben rechteckigen Form, mit Armen, Beinen, Augen und
Mund, jedoch ohne Kopfumriss. An beiden Rohren ist in einer Ausdehnung von 7 bezw.
9 cm der untere Theil gleichmässig schwarz gefärbt. Die Instrumente waren in der Hütte
aufgehangen, 1725 senkrecht an einem langen weissen geflochtenen Baumwollenband, 1726
horizontal an einem schwarzweissen Bande, dessen Enden wie auch bei 1725 mit bunten
Federbüscheln verziert sind.
Afrikanische Sammlungen.
207
Resumiren wir. Wenn wir die Stämme des oberen Schingü unter sich vergleichen,
indem wir uns durchaus auf die hier verzeichneten Gegenstände beschränken und z. B. vom
Hüttenbau und manchem Andern absehen, so findet sich eine durchgehende Gemeinsamkeit
in der Technik der Waffen, der Kanus, der Hausgeräthe, des Topfgeschirres, der Gewebe,
des Federschmuckes, der Musik-Instrumente. Daneben aber sind natürlich bei den verschiedenen
Stämmen eine Anzahl von Objecten anzutreffen, welche ihren Nachbarn fehlen. So haben die
Baka'iri keine Pfeile mit Bambusspitzen, keine Keulen, keine Federhauben, keine Pansflöten,
und die Suyä ihrerseits keine Rohrdiademe, keine Hängematten. Was indessen die Baka'iri
und die Suyä, ihrem nationalen Ursprünge nach weit divergirende Stämme, überhaupt gemein-
sam haben, haben sie auch in der Technik gemein.
Die Sammlung zeigt uns also auf das Klarste, übereinstimmend mit mancherlei Beob-
achtungen auf der Reise: so deutlich die Stämme jetzt noch ethnologisch zu trennen sind,
so offenbar ist doch ein ethnologischer Ausgleich unter ihnen bereits in vollem Gange
begriffen.
Stellen wir nun eine Ueberschau der von den Yuruna des Unterlaufs heimgebrachten
Gegenstände diesem Gesammtbilde vom oberen Schingü gegenüber, so ergiebt sich zunächst
selbstverständlich der Hauptunterschied, dass wir es dort nicht mehr mit Völkern der Steinzeit
zu thun haben. Diesen aber nur geschichtlich zufälligen Umstand bei Seite, ist es ohne
Weiteres ersichtlich, dass die Yuruna sich von den Bewohnern des Quellgebietes gerade
durch das unterscheiden, was diese unter sich gemeinsam haben — die Technik im
Einzelnen.
Die Bogen und Pfeile, die Hängematten, das Topfgeschirr (von dem wir leider keine
Belegstücke vorweisen können), die Anwendung der Ornamentik am gleichen Orte, der Feder-
zierrath, die Musik-Instrumente, welche man am oberen Schingü kennt, alles das kennen die
Yuruna auch, aber die Art der Herstellung ist so abweichend, dass wir ungemein überrascht
hätten sein müssen, wenn wir ein Volk mit den Methoden der Yuruna im Quellgebiet ange-
troffen hätten.
Es wird also durch die Vergleichung nicht nur, was wir auch sonst wissen, bewiesen,
dass die Yuruna mit den Indianern jenseits des Martiuskatarakts in keiner Berührung gestanden
haben, seitdem sie selbst aus der vorhistorischen Zeit herausgetreten sind, sondern die
Sammlung bietet auch zu Gunsten einer allgemeineren Betrachtung ein interessantes Beispiel
dafür, dass schon in dem Steinalter für dieselben Dinge eine lange Geschichte der Technik zu
verzeichnen ist.
Afrikanische Sammlungen.
Zu den afrikanischen Schätzen, die im vorigen Hefte als bei dem Museum eingegangen,
erwähnt werden konnten, sind ferner werthvolle Erwerbungen kostbarster Art hinzu-
gekommen, aus den im Aufträge des Königs von Belgien unternommenen Entdeckungsreisen
des Stabsarzts Dr. Uudwig Wolf, sowie den von der Afrikanischen Gesellschaft ausgerüsteten
Expeditionen der Uieut. Kund und Tappenbeck, nebst der Dr. Büttner’s. Die erstere
Erforschung bringt Gegenstände der Baluba, Baschobe, Bakuba aus bisher unbetretenen
2o8
Ethnologische Erforschungen.
Gegenden am Kasai und Sankuru, wie ähnlich die zweite von den ßansadi, Bangala,
Tschumbiri n.s. w., während durch die letztgenannte der Weg zum Putu-Cassongo zur Vertretung
gelangt ist. Interessanter Weise bringen gerade diese am weitesten in das vorher unbekannte
Innere vorgedrungenen Züge neue Belegstücke zu dem afrikanischen Grundzug im ägyptischen
Styl, (durch genaue Seitenstücke zu dem bereits abgebildeten Becherkopf), unter den Sammlungs-
gegenständen des Stabsarzts Dr. L. W7olf, sowohl wie der Lieut. Kund und Tappenbeck.
Ethnologische Erforschungen.
Nachdem die Ethnologie seit einigen Jahren in ihr, bis dahin langsam gezeitigtes, Reife-
stadium eingetreten ist, beginnen die Knospen auf allen Zweigen aufzubrechen, und bald
wird der ganze Stamm dieser neuen Forschungsweise in voller Blüthe stehen. Vor Kurzem
erst konnten wir die Bildung des „Ethnological Bureau” in Washington begrüssen (s. Z
f. E., 1883, S. 62), und gegenwärtig wird auch von der ersten Colonial-Macht, von England, für
ihr reiches Erntefeld in Indien eine betreffs Ausnutzung dort gewährter Erleichterungen
(s. V. d. E. S. 70, Berlin 1881) mehrfach ausgesprochene Hoffnung erfüllt.
Auf Grund des im Jahre 1881 aufgenommenen Census beantragte (1884) die Regierung
Bengalens eine ethnologisch - methodische Untersuchung, und in diesem Jahre ist eine
Commission für solche Zwecke niedergesetzt, welche nach der Berichterstattung des Regierungs-
secretärs Wilson (April 1886) über den Panjab, die Nordwest-Provinzen und Central-Provinzen
auszudehnen, in Absicht liegt. Unter Berathung mit Herrn D. C. J. Ibbetson, Director des
öffentlichen Unterrichts im Punjab, und Herrn J. C. Nesfield, Schul-Inspector in Oudh, hat
Herr H. H. Risley, C. S„ zur Vertheilung ein Programm aufgesetzt, das mit den folgenden
Worten ein geleitet ist:
Extract from a Note by Mr. H. H. Risley on Ethnographical Enquiry
in Bengal.
The objects aimed at in the enquiry are understood to be partly scientific and partly
administrative. From the standpoint of the modern science of anthropology, it is hoped that it
may be possible, by careful observation and record of the social practices now prevailing in Bengal,
to arrive at fresh data throwing light on the ethnological problems on which scientific men, such as Sir
John Lubbock, Sir Henry Maine, Mr. E. B. Taylor, Ml Emile Laveleye, M. Fustel de Goulanges, and Herr
Adolf Bastian are engaged in Europe. The principal points, wich it is supposed a record of Indian
customs may help toVlear up, are the early history of marriage, the development of the fa mily, modes
of relationship, the early history of inheritance, and the growth of property in land. These are some
of the questions which European ethnologists are interested in, and a distinct hope has already been
expressed by Sir Henry Maine that something may be done to render available, for the use of
scientific men in Europe, the large body of barbarous or semi-barharous custom, both Aryan and
non-aryan, which still survives in India. It is felt that many of the ethnological speculations of
recent years have been based to exclusively upon comparatively unverified accounts of the customs
of savages of the lowest type; that the unrivalled opportunities for observation which European
officials in India possess have hitherto been imperfectly utilized; and that such results as have been
obtained have been recorded in publications not readily accessible, and without sufficient regard to
the lines of iuvestigations pursued by ethnologists in Europe. It is also apprehended that the rapid
spread of education, and the growth of practical intelligence in India may lead, within the next
generation, to the abandonment of many practices which are of special interest to ethnologists.
Besides the general problems enumerated above, there are various questions of special interest to
students of Indian history and literature, which may be rendered more intelligible by an accurate
record of the actual facts existing at the present day in respect of caste arrangements.
2. From the administrative points of view, on the other hand, many persons will set down
the proposed enquiry as practically useless. Indian administration, it will be said, it not made any
more efficient by the elucidation of historical or pre historic problems. Such researches are in
the nature of luxuries. Government may countenance them in the same way and to the same
Ethnologische Erforschungen.
209
extent as it patronizes learned societies; but they have no direct bearing upon the actual
work of administration. This view is, at first sight, plausible enough, but it ignores the
important fact that native society is made up, of a network of sub - divisions governed by
rules which affect every department of life, and that in Bengal, at any rate, next to nothing
is known about the system upon which the whole native population regulates its domestic
and social relations. If legislation, or even executive action, is ever to touch these relations in a
satisfactory manner, an ethnographical survey of Bengal, and a record of the customs of the people,
is as necessary an incident of good administration as a cadastral survey of the land and a record
of the rights of its tenants. The census of 1881 has provided the necessary statistics. The relations
of different castes to the land, their priveleges in respect of rent, their relations to trade, their social
status, their internal organization, their rules as to mariage and divorce, — all these are matters
intimately concerned with practical administration. For instance, the marriage and divorce customs
of the lower castes are constantly coming into the criminal courts, and it would be a decided
advantage to judicial officers, if accurrate information could be made available on the subject.
Again, the distribution of the various castes in each district has a direct and important bearing on
the relief of distress, as different classes of the population may require different modes of relief.
Brahmans, weaving castes, and earth-workers cannot be treated on the same lines. The same
argument applies to the working of primary village schools, and to some kinds of land questions.
Thus, the Mundas in Lohardugga and the Sonthals in the Sonthal Pergunnahs and elsewhere put
forward apparently fantastic claims to privileges in respect of land, the clue to which is probably
to be sought in some traditional customary Law peculiar to Kolarian tribes. Under the head of
marriage, again, an accurate knowledge of the practices actually prevailing among the main body
of the people, as distinguished from the literate castes, could hardly fail to be an important factor
in any influence the Government or unoffical bodies might, at any time, bring to bear with the
object of discouraging infant marriage or promoting the remarriage of widows. Finally, it is difficult
to exaggerate the advantages of the hold over the people, which even a slight knowledge of, or
interest in, these matters gives to both judicial and executive officers.
3. A large mass of information regarding the castes and customs of the people is already in
existence, but it is buried away in books not generally known, in the journals and proceedings of
learned societies, in oriental periodicals, and in official reports. These data, though of great value
as materials for an account of the castes of Bengal, are, for the most part, of a fragmentary
character, and can only be made accessible to men of science in Europe, by carefully collecting
them, recasting them in accordance with the modes of treatment adopted by modern ethnologists,
and testing them by comparison with the actual facts of the present day. This process differs
widely from mere compilation, and involves the necessity of collecting fresh data on some regular
system.
Es folgen dann in drei Abschnitten vertheilt die Informationen über die Fragestellungen
(auf 24 Seiten), so dass reiche Ergebnisse zu erwarten stehen (in zuverlässiger Material-
beschaffung).
In der Einleitung ethnologischer Erforschungen lag es den Colonialstaaten ob, voran
zu gehen, weil durch praktische Zwecke darauf hingewiesen, und so hat, allen Anderen voran,
die aus anglosächsischem Stamm erwachsene Staatenbildung auf neuer Hemisphäre, als ihre
Pflicht es anerkennen müssen, die in der ethnischen Unterlage des heimischen Bodens gestellte
Aufgabe ernstlich in Angriff zu nehmen.
Mit einer der Weite der Aufgabe entsprechenden Erweiterung der Geldmittel werden
von der Regierung der Union die zunächst dem eigenen Lande zugewandten Studien ihrer
Ethnologen unterstützt, unter Anweisung von Fonds: „For the purpose of continuing ethno-
logical researches among the American Indians, under the Secretary of the Smithsonian
Institution” (s. Annual Report of the Board of Regents of the Smithsonian Institution,
Washington 1885). Was hier seit Begründung des „Geographical and Geological Survey” in
den letzten Jahrzehnten geleistet ist, spricht genugsam aus den stattlichen Bänden der darauf
bezüglichen Veröffentlichungen, und wird, wie zu hoffen steht, als anregendes Beispiel zurück-
wirken, um eine Nachfolge im gleichen Sinne hervorzurufen (unter gemeinsamer Förderung
einer internationalen Wissenschaft).
27^
210
Maldiven.
Maldiven.
Kurz ehe die Ethnologie in dem Dahingange ihres hochverdienten Gönners Emil
Riebeck einen schwer ersetzbaren Verlust zu beklagen hatte, war Gelegenheit gegeben worden,
mit demselben eine Expedition nach den abgelegenen Inselgruppen der Maldiven und Lacca-
diven, im Interesse der Ethnologischen Abtheilung des Königlichen Museums, zu besprechen,
und in Anknüpfung daran wurde für den Reisenden eine ausführliche Information aufgesetzt
und demselben übersandt.
Mit dem beklagenswerthen Todesfall sind die damaligen Hoffnungen, nebst noch anderen
für die Zukunft, leider gescheitert, indess hat Herr Rosset, dem es gelungen ist eine reiche
und werthvolle Sammlung zu erwerben, Uber dieselbe zugleich die folgenden Erkundigungen —
(bezugnehmend auf Beantwortung der gestellten Fragen, und mehrfach in Berichtigung der
älteren Angaben entnommenen Daten) — mitzutheilen Veranlassung genommen:
Vom Malosmadulu-Atoll
Hessen sich vielerlei Arten Bemalungen der Holzarbeiten beschaffen. Die ganz grossen Holz-
schüsseln (i m breit, 5o—65 cm hoch) werden als Tifuibox sowie als Reisekoffer verwendet
(meistens nur von den Reichen).
Vom Addu- und Suradiva-Atoli:
Baumwollene und seidene Stoffe in rother, weisser, schwarzer, brauner, grauer, blauer
Farbe. Die feinen, z. B. seidenen Stoffe sind mit Gold- und Silberfäden durchzogen. Seidene
Stoffe werden meistens nur von reichen Frauen als Kopfputz und Hemden getragen. Hin
und wieder tragen die Minister seidene Kleider, aber dann sind dieselben kein Maldiven-
Fabrikat, sondern aus Malabar oder Bengalen. Stoffe mit Frangen habe ich nicht gesehen
und sollen keine auf M. gemacht werden.
Vom Tiladummati-Atoll:
Diverse Geflechte aus Gras und einer Art Schilf, woraus die Segel verfertigt werden.
Dieselben haben gleich guten Dienst wie Segeltücher.
Vom Nilandu-Atoll, auch Male-Atoll:
Dort vorkommende Schmucksachen aus Gold, Silber und Kupfer. Die aus Gold für
hohe, aus Silber für mittlere und die aus Kupfer für die niedersten Rassen. Gewöhnlich
werden 12 Stück Ohrringe am rechten und i3 Stück am linken Ohr getragen. Das Ohr ist
somit am Rande mit diesen Ringen garnirt. Die Arbeit derselben ist äusserst fein und
zierlich, gleicht der Tal-Filligran-Arbeit, mit eingelegten Edelsteinen, meistens Rubinen.
Das Tragen von Schmucksachen war vor alten Zeiten jeder Rangstufe vom Sultan
vorgeschrieben. Trug z. B. eine arme Frau einen reichen Goldschmuck ohne Erlaubniss des
Maldiven.
21 1
Sultans, so wurde die Frau bestraft und der Schmuck vernichtet. Heutzutage ist dies alles
nicht mehr. Arm und Reich können tragen was sie wollen; doch wenn die Ersteren
schönere Kleider tragen wie die Letzteren, so ist dies eine Schande für die Reichen und
jene armen Leute werden verachtet u. s. w.
Vom Nivadu-Atoll:
Fächer habe ich nicht gesehen und werden keine auf den Maldiven gemacht; nach
Aussage der Maldiven auf Male-Atoll. Hingegen über 5o Arten diverser buntfarbiger
(schwarzer und gelber) Matten im Preise von i—60 Rupee pro Stück. (Es bilden diese den
grössten Handelsartikel.)
Schöne solide Fischereigeräthe werden auf diesem Atoll gemacht.
Frauenschleier giebt es nördlich von Male nicht; überhaupt existiren keine Schleier
auf den Maldiven. Nach Aussagen der Eingeborenen haben die importirten arabischen und
türkischen Weiber vor Hunderte von Jahren die Mode mitgebracht, die aber nie von den
reinen Maldivianerinnen angenommen worden sei.
Halsbänder von reichen Frauen haben einen Werth von 5o bis i5o L.
Schirme dürfen auf den Maldiven nicht getragen werden, mit Ausnahme dreier Per-
sonen. Es sind dies: i. der Sultan; 2. der Vetter des Sultans und 3. Manifullen. Ein jeder
trägt eine andere Farbe: weiss, roth und schwarz.
Schuhe dürfen auf den Maldiven mit Ausnahme der drei oben Genannten nicht
getragen werden; ebenfalls Hüte, mit Ausnahme der Maldiven-Kopftücher.
Holzschuhe wie in Zansibar und Malabar werden von den Weibern getragen, die
reichen mit Gold- und Silberstiften als Daumenhalter und die armen aus Messing. Diese
Mode ist neu und eingeführt aus Indien.
Schwert, Schild, Lanze, Schlagstock laut diversen Spielen: Todu by Hassau Deedee,
kommt vom Ari-Atoll; das einzige Maldiven-Spiel. Malikutarra, unterm Baum, kommt von
Minikoy oder Maliku Wadchy (beim Sultan), sehr lange bevor aus Arabien?
Der Gesang gleicht dem arabischen. Die musikalischen Instrumente, wie Trommel,
Tamburie, Trompete, Flöte etc. stammen aus Portugal und Deutschland. Oefters habe ich
portugiesische und deutsche Namen auf den Instrumenten gelesen.. Auf den Maldiven
werden keine fabricirt.
Specielle Tanz-Kostüme giebt es nicht. Alle Tänzer sind Angestellte vom Sultan,
somit tragen dieselben einen speciellen Anzug, d. h. ein Unterkleid wie die Weiber und ein
buntgefärbtes baumwollenes Taschentuch um die Hüften. Die Vortänzer und einige bessere
Musikanten tragen hin und wieder seidene Taschentücher. Weder die Kleider noch die
Tücher werden auf den Maldiven fabricirt, sondern aus Bengalen (Calcutta) oder Malabar
bezogen.
Der Name Poycacan ist auf Mal. unbekannt, es müsste denn eine Verschreibung des
Wortes sein.
Ein Fest ausser den schon genannten giebt es'auf Male-Atoll nicht, vielleicht auf den
südlich gelegeneren Inseln.
Mayla-cherries (Instrumente zum Besteigen der Bänme), von denen ich mehrere mit-
brachte, werden nur von solchen benutzt,' die nicht ganz sicher im Baumbesteigen sind;
geübte Besteiger, d. h. diejenigen von Profession bedienen sich der Mayla-cherries nicht,
sondern besteigen ohne irgend einem Fusshalter die Cocosnussbäume.
212
Maldiven.
Sämmtliche Instrumente von den Juvelieren, Aikau etc., ebenso die Instrumente der
Drechsler, Steinhauer. (Sehr interessante Grabsteine werden auf den Maldiven gemacht aus
einer Art weissem Sandstein, der nur auf einer Insel gefunden wird. Die Grabsteine der
Männer haben eine andere Façon als die der Frauen. Schlösser etc. habe ich theilweis in
miniatur und im Original mitgebracht.
Messer fanden sich diverser Façon (unter Façon ist nicht die Klinge, sondern das
Heft oder der Griff der Messer zu verstehen), z. B. aus Elfenbein, Perlmutter, schwarzer
Koralle, Holz mit Perlmutter-Einlage, aus Schildpatt etc. Bei den feinsten Messern ist der
Rücken der Klinge, auch hin und wieder der untere breite Theil derselben mit Gold oder
Silber eingelegt. Das grosse Messer mit Wallross-Griff und Scheide ist das einzige, das noch
in Male aufzufinden war, aus alten Zeiten her. Es konnte mir Niemand auf Male-Atoll Aus-
kunft erstatten, wie alt jene Messer sein könnten.
Heute werden nun die Messer, besonders grosse Fischmesser, ganz nach europäischem
Muster gemacht und besitze ich welche in meiner Sammlung, von denen ein Jeder den
Unterschied zwischen einem europäischen und Maldiven-Messer nicht herausfinden kann.
Die Feuer-Erzeugungs-Apparate werden ausschliesslich auf dem nördlichen Male-Atolle
und von den Fischerleuten auf sämmtlichen Atollen verwandt. Die Eingeborenen auf den
südlichen, Addu-Suvadiva-Atoll etc., sollen die Feuer-Erzeugungs-Apparate und keine Streich-
hölzer im Gebrauch haben.
Tavidu-Amulette sind selten im Gebrauch und werden dann meistens von importirten
Maldivianern, z. B. aus Zansibar, getragen, oder solchen, von denen ich vermuthete aus
Arabien zu stammen, wie die hohen Priesterkasten auf Male, die ebenfalls vor 3o—40 Jahren
aus Mecca und andere aus Makallah (Arabien, Süd-Küste) einwanderten.
Fächer werden auf Male-Atoll nicht gemacht und man sagte mir, dass alle aus
Bengalen stammen; ob dies richtig ist, konnte ich nicht ermitteln.
„The quadrant” (digufilu) war nur noch ein Exemplar in Male, überhaupt sei dies das
einzige auf den Maldiven. Der höchste Priester, ein sehr einflussreicher Mann beim Sultan,
war der Besitzer.
Gegen hübsche Geschenke erhielt ich mit Erlaubnis des Sultans einen Quadrant. Der-
selbe ist aus Ebenholz und soll vor 20—3o Jahren noch im Gebrauch gewesen sein, mit
Hülfe einer arabischen Tabelle. Die Tabelle wurde mir versprochen, doch habe dieselbe bis
heute noch nicht erhalten.
Refila Astrolabe wird viel gebraucht und kommen dieselben aus Indien.
Girula do. aus Indien, angeblich Singasson.
Kompasse habe ich nach arabischen Vorbildern nicht gesehen, sondern nur ganz moderne.
Dieselben werden von allen Boots- und Fischerleuten benutzt.
Conis, Münzen, sind, speciell für den Kleinhandel resp. Baar-Einkäufe, folgende im
Gebrauch: Bodu lari, grosse Kupferstücke, 20—25 Stück pro Rupee = 2 M. Kuda lari,
kleine Kupferstücke, 80—iz5 Stück pro Rupee = 2 M. Rupee und Co werden für höhere
Beträge (5—100 Rp.) bezahlt; Napoleons und Sterlinge werden sehr gern genommen. Voll-
ständig ausser Cours sind die Maldiver Silber-Coins, und konnten mir selbst die höchsten
und ältesten Minister auf Male keine Auskunft mehr hierüber erstatten. Der Vetter vom
Sultan, A. Abdullhi Deedee, besass die letzten Silbermünzen und nur gegen hohe Geschenke
trat er mir dieselben ab. Es sind dies: Rihi lari, grosse Silver-Coins. Digu lari, auch Fish
hook (Fischangel). • Ruda lari, kleine Silber-Coins.
Maldiven.
2T3
Die Namen baya, lahi, naliya eu-igili als Maasse sind nicht bekannt auf Male-Atoll;
igili heisst Finger und ist kein Maass. Die Maasse sind: eggah, deggah, tingah und heisst:
i., 2., 3. Diese Maasse bestehen aus Muscheln und haben ein Gewicht von: eggah ca. V2 Kilo,
deggah ca. 1 Kilo, tingah ca. H/2 Kilo.
Tatum-Ipinn, Maschinen, habe ich verschiedene mitgebracht, doch sind alle diese alten
Maldiver Maschinen nicht mehr im Gebrauch; an dessen Stelle europäische Haschein und
Spulen aus Indien.
Modelle von Booten mit Mattensegel besitze ich drei verschiedene Arten, worunter die
Fischerboote die interessantesten sind. Die Beschreibung ist eine sehr weitläufige und werde
ich dieselbe gelegentlich beschreiben.
Kurz erwähnt sind u. A. Boote halb mit Wasser gefüllt, worin zahllose kleine Fische
eingesetzt werden. Sobald ein Fischschwarm in Sicht, wird direct darauf iosgesegelt oder
gerudert; dort angekommen, werden die eingesetzten Fische als Lockspeise aus dem Boote
mittelst sehr interessanter Netzen ausgeworfen. Tausende von den grossen Fischen schnappen
nach den Lockfischen. Zugleich werden aber auch viele an starker Schnur befestigte Angeln
ohne Lockspeise ausgeworfen; jedoch beachten die grossen Fische diese Angeln nicht, schnappen
vielmehr nach allem, ob kleine Steine oder Angel, in der Meinung, es seien welche von den
Lockfischen. Diese Täuschung nimmt allerdings ein Ende, nachdem circa 100—200 Stück
von diesen Fischen, genannt Maid. Kalu-bili-mas (vulgarly komboli-mas), Singh umbala Kada,
in ungefähr einer halben bis einer Stunde gefangen sind.
Schach wird sehr viel auf den Maldiven gespielt; leider konnte ich kein Schachspiel
auftreiben. Reiche Leute besitzen Schachfiguren aus Horn und Elfenbein, arme aus Holz
(bemalt). Erstere Figuren werden in Indien, letztere auf den Maldiven gemacht.
Auf meine verschiedenen Bitten an den ersten Minister liess derselbe ein Extra-Segelboot
nach Fua Mulaka abgehen, um die gewünschten Fragen quest, Tope oder Dagoben zu
erledigen. Als Antwort erhielt ich Bilder von Ruinen und grossen Steinen, die nach Vor-
zeigung von meinen Photographien die gleichen Bilder sind, wie meine photographischen
Aufnahmen von dem Jabahu-Tempel, Kurunegale-District, Ceylon. Betreffs der Buddah-
Tempel hat der Sultan mir leider keine Erlaubniss ertheilt, nach jenen Ruinen zureisen und
photographische Aufnahmen zu nehmen.
Ueber die Schriften und Sprachen werden specielle Berichte ertheilt werden.
214
Eine Säcularfeier.
Eine Säenlarfeier.
Als das aus sinkender Römerzeit durch die Mönche nach dem Norden überbrachte
Zerrbild des Alterthums, nachdem es im scholastischen Mittelalter, trotz arabischer Verschnör-
kelungen, Duldung erfahren hatte (unter seiner christlichen Verkleidung), dem natürlichen Instinkte
des seit Dante wiedererwachenden Dichtergeistes einheimischer Poesie unerträglich geworden
war, erkannte sich, nach Mussato’s und Ferreti’s Vorangange, durch Petrarca’s helles Auge
der Glanz der Classicität, der auf leis verdecktem Grunde dahinter strahlt, im „Triumph des
Ruhmes” für die „famae immortalis honos”.
Doch verlief die Reaction des Humanismus zunächst in der „Eloquenz”, und bei
Anstrebung höherer Ideale, (da die innerlichen der Religiosität durch orthodox anerkannten
Cultus verschlossen blieben), aus dem Enthusiasmus, für die Kunst, in die Idolatrie derselben.
Auch mit der Reform, obwohl zunächst aus humanistischen Quellen gestärkt, liess sich
kein dauernder Bund zusammenflechten, denn obwohl Zwingli geneigt war, Herkules, Numa
und ihresgleichen in den Himmel (neben Henoch, Abraham u. s. w.) zuzulassen, wurden
durch Luther die „gottlosen Heiden Socrates, Aristides, ja der gräuliche Numa” peremptorisch
daraus verwiesen.
Schon aber pulsirte in unbewussten Athmungen das Herannahen neuer Zeit in Bacon’s
Auffassung. „Wie dem Manne grössere Einsicht, als dem Jüngling, so kommt höheres Alter,
als sogenannten Alten, der späteren Zeit zu”, und es wäre schimpflich, wenn nach erweiterter
Kenntniss der äusseren Welt durch Schifffahrt und Reisen, für die intellectuelle Welt die
Schranken der antiken Vorstellungen festgehalten würden (so dass naturwissenschaftliche an
die Stelle zu treten haben werden).
Instinktmässig auch fühlte es sich voraus, dass bei solcher Einleitung naturwissenschaft-
licher Behandlungsweise (nach comparativ - genetischer Methode) der Abschluss von der
Psychologie zu erwarten sein würde, wie in seiner „Methode” von Descartes ausgesprochen,
dem Begründer der neueren Philosophie, mit dem Ausgang von der Psychologie, und damals
dann noch in den je kühner und verwegener, desto rascher zusammenbrechenden Flug-
maschinen metaphysischer Schul-Experimente, bis die nüchterne und sichere Physik zur
Geltung kam, mit Weiterführung der Psycho-Physik zur naturwissenschaftlichen Psychologie
auf ethnischer Grundlage.
Mit der Mitte des vorigen Jahrhunderts war der Geist erwacht. Die durch den seit
zwei Jahrhunderten unermüdlichen Fortgang der Entdeckungen gestärkte Induction hatte sich
ringsum, bis in weite Fernen hinaus, in eine vorher unbekannte Welt hineingeleitet, und
im Ueberdruss mit der Unbefriedigtheit der eigenen Geschichte und ihrer Resultate, wie bei dem
Zusammenbruch der europäischen Gesellschaftsverhältnisse damals schlagend zum Eindruck kam,
wandte man sich der kosmopolitischen mit desto lebhafterer Neugierde zu, um hier in neuen
Schicksalsbildern des Menschengeschlechts Seiten- und Gegenstücke für das eigene, und dessen
Betrachtung, ein Urtheil zu gewinnen.
Eine Säcnlarfeier.
215
In Deutschland kamen die in einer Geschichte der Menschheit gestellten Aufgaben l)
besonders durch die Schriften des Schweizers Iselin zur Geltung, mit der Thätigkeit der
gelehrten Gesellschaften seiner Heimath, woran sie zunächst gerichtet waren, ln England
umfangreich behandelt durch Home (1761) und Falconer (1481), erhielt das Thema weitere
Vertiefung in Frankreich durch Goguet. Dabei standen bereits bewährte Materialsammlungen
•zu Gebote in den Büchern Charlevoix’ (1766), Lafitau’s, Adair’s (1775), Bosman’s (1708),
Cranz’ (1765), Dobrizhoffer’s (1784), Roemer’s (1769), Labat’s (1728), Frezier’s (1717), Georgi’s,
Gmeiin’s, Gumilla’s, Lery’s (i58o), Hennepin’s, Steller’s (1774), Pallas’ (1771), Gage’s (1695),
Oldendorp’s (1777) u. s. w., und mit den bibliographischen Hülfsmitteln der Universität in
Göttingen stellte Meiners seinen Grundriss zusammen (178b), während Reinhold Förster, der
„Schiffsphilosoph” (auf Cooks’ Erdfahrt), Beiträge zur Völker- und Länderkunde (1781)
veröffentlichte (mit M. C. Sprengel). Dann sprach es Herder aus, sein „Grosses Thema”:
Welch ein Werk über das menschliche Geschlecht, den menschlichen Geist! Die Cultur der
Erde! aller Räume! Zeiten! Völker! Kräfte! Mischungen! Gestalten! Universalbildung der
Welt! (heisst es im Jahre 1769.) „Grosses Thema, das Menschengeschlecht wird nicht
vergehen, bis dass es Alles geschehen! bis der Genius der Erleuchtung die Erde durchzogen!
Universalgeschichte der Bildung der Welt!” Und dafür (wenn es inductive Behandlung gelten
soll) sind die Vorarbeiten der Ethnologie eine unerlässliche Durchgangsstufe (in Material-
beschaffung zunächst). „Nicht was der Mensch bei uns ist oder gar was er nach den Begriffen
irgend eines Träumers sein soll, sondern was er überall auf der Erde und doch zugleich in
jeglichem Strich besonders ist, d. h. wozu ihn irgend nur die reiche Mannigfaltigkeit der
Zufälle in den Händen der Natur bilden konnte, — das lasset uns auch als Abbild der Natur
betrachten” (Herder), unter Verleugnung „aller engen Gedankenformen, die aus der Bildung
eines Erdstrichs, wohl gar nur Einer Schule gewonnen sind” (bei Umschau über den Globus
in der Ethnologie).
In der mythologischen Weltanschauung prägt sich, (wie im physischen Habitus, dieses
Typus), die typische Denkweise ab, die linguistisch (nach äusserlich willkürlichen Sprachformen)
wechseln mag, wie die Franzosen manche Charakterzüge der Gallier bewahrt, aber die keltische
Sprache gegen eine romanische ausgetauscht haben, die Neger Haitis solche angenommen, aber
die afrikanischen Bräuche des Voudoux-Dienstes weiterüben, die Indianer, obwohl indianisch
fortdenkend, englisch reden mögen, und sonst der Mischsprachen viele bei geschichtlichen i)
i) Der prächtigste Theil in den alten Nachrichten ist unstreitig dieser: nämlich man lernt daraus
die Ordnung gewinnen und die Mittel, wodurch der Mensch sich nach und nach aus seiner
Unwissenheit gezogen hat, und man kann sich alsdann nicht genug darüber verwundern, wie
beschwerlich ein jeder Schritt, den man zur Verbesserung gethan hat, gewesen, was für Zeit
zwischen dem anderen Schritt verflossen ist und was für Glück man dazu nöthig hatte, auch nur
die uns anitzt allgemeinen Wahrheiten einzusehen. Was man aber in dieser Betrachtung in den alten
Nachrichten wie durch einen Nebel siehet, das siehet man mit klaren Augen in der Geschichte der
wilden Völker. Man findet darinnen ein neues und lebendiges Bild unserer alten und vorlängst
verblassten Vorfahren (s. Kraft). „Doch stehen nur unvollkommene Nachrichten zur Verfügung, da
die wilden Völker uns niemals recht bekannt geworden, unter Vergessen der geeigneten Gelegenheit,
was nicht genug beklaget werden kann” (1766). Als erste Sammlung von Reisen in Deutschland
übersetzte Heerwagen in Basel (1535) das italienische Reise-Magazin zu Vicenza (007) lateinisch
(s. M. C. Sprengel). Mit Försters Reisebeschreibung (1779), „ein episches Gedicht” (bei Moleschott),
wodurch das Denken der Menschen nicht nur bereichert, sondern auch erweitert wurde (s. Schlegel),
begann eine neue Aera wissenschaftlicher Reisen zum Zweck der vergleichenden Völker- und
Länderkunde (Humboldt), mit geographischen Resultaten zunächst und dann auch ethnologischen
(seit 1873 besonders, für die Sammlungen).
28
Eine Säcularfeier.
2l6
Berührungen einander ersetzen oder ändern, im Wortschatz zunächst, mit Rückgreifen der
grammatischen Construction aus denjenig tieferen Lagen derselben, wo sie sich direct mit
dem Gedanken-Ausdruck trifft (oder diesen ganz noch darstellt). Bei überwiegender Bedeutung
der psychischen Hälfte im Menschen haben wir ihn zunächst in deren Formgestaltungen zu
erfassen und erkennen, für die Gesammtheit seiner Manifestationen über die Oberfläche der
Erde hin. Und die nach allgemeinem Eindruck wiedergegebenen Umrisse in der Philosophie
der Geschichte werden sich dann, bei inductivem Ausbau derselben, mit den concret deut-
lichen Anschauungen füllen (aus thatsächlich durchforschtem Detail).
Gerade hundert Jahre sind im Zeitstrom dahingeflossen, seit unter Deutschlands
begabtesten Söhnen Einer jene prophetischen Worte verkündet, die damals idealistisch gefasst,
gegenwärtig ihre Realisation zu erhalten beginnen. In Herder’s „Ideen zur Philosophie einer
Geschichte der Menschheit” liegt dasjenige ausgesprochen, was jetzt, ein Säculum -später,
seinen inductiven Aufbau zu erhalten hat, in der Ethnologie, als „Wissenschaft vom Menschen”.
Der „Gott in der Geschichte”, den man suchte, er wird sich finden mit dem „Menschen in der
Geschichte”, für den Fassungskreis nach irdischem Verständniss.
Seit Montaigne’s Essays die Ideenwelt durcheinandergewürfelt, um allgemein leitende
Grundzüge zu gewinnen, seit Montesquien diese an rechtlichen Beweisstücken erprobt (im
„Esprit des lois”), seit La Mettrie’s „fhomme plante” und Condillac’s „Statue” auf Locke’s
„tabula rasa” den Anschluss für den Menschen an naturhistorische Beschreibungen versucht,
im Vorarbeiten des encyclopädischen Heranwälzens des in Holbach’s Schule befestigten
Materialismus, (gegen welche die aus Rousseau’s Schriften bei Hamann und Jacobi nach-
klingende Gefühlsphilosophie sich ohnmächtig erwiesen), kam im Widerstand gegen die
siegreich vordringende Induction die Philosophie noch einmal zur Ermannung mit Kant’s
titanischer Schöpfung, die für die nächsten Jahrzehnte hinaus das Geistesleben überschattete
und in dialectischen Uebungen schärfte, um, wenn die Zeit des Einblickens gekommen, den
materialistischen Torso mit seinem denkenden Haupte zu krönen, in naturwissenschaftlicher
Psychologie (mittelst der Hülfsmittel der Ethnologie).
Dass in der Zwischenzeit Herder’s zeitgemässe Worte, trotz eines vorübergehend
mächtigen Eindrucks,1) doch fast unbeachtet wieder verhallten, erklärt sich aus der Mittel-
stellung des eingehaltenen Standpunkts, die als vermittelnde eben zur Vorschau befähigte, aber
deshalb gerade keine der Parteistimmungen trafen, die nach Extremen auseinandergingen. In
Herder’s Rhapsodien klang es von Gott, zwar nicht dem Gott der Theologen, um diese zu befrie-
digen, aber doch von einem Gott, der den Philosophen nicht zu passen schien. Dieser Terminus
technicus war damals in Misskredit gekommen, und es wurde besser erachtet, ihn gänzlich über
Bord zu werfen, um die aus den Beschränkungen überwundener Cultusformen anhaftenden Miss-
deutungen der Personification los zu werden und freier operiren zu können in den Gedanken-
schöpfungen. Seit der mit dem Entdeckungsalter ermöglichten Umschau objectiver Ver-
gleichungen trat die Natur entgegen, in den Naturwissenschaften, und Naturgesetze somit,
oder etwa Weltgesetze bei kosmischer Erweiterung. Höchstens dachte man das Aeusserste
„Herrlich, wahr und erquicklich” nennt Güthe (bei Empfang* des dritten Theils der „Ideen”)
das Buch, das „erst mit der Zeit” und „vielleicht unter fremdem Namen den Menschen wohlthuen”
wird (1786). Gleim feierte in Liedern seinen „Plato-Herder”, aber die Kritik blieb kalt und abweisend.
„Der Tadel wird immer im gewohnten Jargon und ich möchte fast, als ein oft gebranntes Kind, bei
jedem Buche beinahe die Recension in dessen und dessen Seele abfassen” (schreibt Herder), und so
hat die Ethnologie von ihren Auseinandersetzungen mit der Kritik zu erzählen (bis ein selbstständiger
Gesichtskreis abgerundet sein wird).
Eine Säcularfeier.
217
gethan zu haben bei zugelassener Parität: ,,Natura sive Deus” 0Spinoza), oder durch Substituirung
der Schöpfungsgedanken für Schöpfergedanken. Auf Namen allerdings kommt es nicht an, aber
Namen mögen dennoch verwirren, aus „Krankheiten der Sprache” (M. Müller), und ihre Folgen,
bis zur Heilung, — im Ausgleich von Induction und Déduction an ihren Berührungspunkten,
zwischen „Worten” und „Sachen” (s. J. Grimm).
Für den Begriffskreis der Natur mag der Peripherien-Umfang genügend ausgedehnt
werden, um auch dasGeistige,— das Psychische als Blüthe des Physischen, — mit hineinzubegreifen,
aber wenn für die Mutterschaft der Natur nur Materiell-Körperliches, (des Anorganischen oder
Organischen), ins Auge gefasst wird, würde es bei letzter Rubrik auch für das Psychische
wieder einer Mutter oder Altvaters bedürfen, etwa eines „Ubique totus tempore in omnibus
omniquiescens ipse Deus locis”, wie in der Ode des „Atheisten, der des Atheismus wegen
verbrannt wurde” (in Theophron’s Worten).
Im Centrum der Schwere wurzelt die die Welt zusammenhaltende Kraft, als Gravitation,
durch gegenseitige Anziehung der Dinge, wobei sich dann die Praedeterminationen wahl-
verwandtschaftlich bedingen (nach harmonischem Gesetz). „L’homme moyen est dans une
nation, ce que le centre de gravite' est dans un corps” (s. Quetelet). In der Poesie der Natur-
völker hallt (für Herder) „ein einziger Laut in der poetischen Urkunde voriger Zeit” (als
„Archiv des Volkslebens”). „Cet e'tat, qui tient le milieu entre les extrêmes se trouve en
toutes nos puissances” (s. Pascal). Le grand hommg est l'harmonie de la particularité' et de
la ge'ne'ralite' il n’est grand homme qu’a ce prix, à double condition de représenter l’esprit
ge'ne'ral de son peuple (s. Cousin). „The immaterial world is a firmer reality than the material”
(Huxley), und so gilt es „spiritual laws” (s. Drummond) für das Einzelnbewusstsein im
Völkergedanken (unter kosmischen Harmonien). Nachdem bei ersten Vorarbeiten der Natur-
wissenschaften die Physiologie (noch versuchsweise umhertappend) in den Materialismus der
Encyclopädisten verfallen, begann sich die Unendlichkeit eines psychischen Lebens (auf
physischer Grundlage) zu erahnen, zunächst in die Gefühlsschwärmerei der Sturm- und
Drangperiode ausartend, bis allmählig ihre Festigung erlangend in den Wurzeln naturwissen-
schaftlicher Psychologie (mit Hülfe der Ethnologie).
Die von Herder in „früheren Jahren, als die Auen der Wissenschaft noch in all ihrem
Morgenschmuck” vorauslagen, sich selbst gestellte Frage: „Ob denn, da Alles in der Welt
seine Philosophie und Wissenschaft habe, nicht auch das, was uns am nächsten angeht, die
Geschichte der Menschheit, im Grossen und Ganzen, eine Philosophie und Wissenschaft
haben solle?” — diese in den „Ideen zur Philosophie der Geschichte” behandelte Frage wird
im gegenwärtigen Sinne naturwissenschaftlicher Weltanschauung auf dem Wege inductiver
Methode zu lösen gesucht werden (in der Ethnologie), „vielleicht am Ende unseres Jahr-
hunderts oder Jahrtausends” zu schreiben, für „hellere Gedanken in der Seele der Menschen” (1784).
So stehen wir innerhalb einer Säcularfeier für die Jahre 1784—1787, für die Geburtsperiode
idealistischer Vorschau (in idealistischer Zeit) von dem, was in realistischer sich realisiren möge.
Dass die Ideen, die eine Zeit regieren, aus ihrem Geist hervorgewachsen sind, kommt
am baldigsten zur Erkenntniss desjenigen, der sich selber fühlt, in allen seinen Gefühlen, als
Kind seiner Zeit, die um ihn webt und lebt. Und so, was die Gegenwart bewegt, hat aus der Ver-
gangenheit sich zu erschliessen, im organischen Gang der Entwickelung (auf ihre Zukunft hin).
Für uns, für heutige Weltanschauung, liegt der Ausgangspunkt in jener gewaltigsten
der Revolutionen, die je noch auf dem Erdplaneten eingebrochen ist, in der siderischen, unter
Zertrümmerung des bisher den Blick abschliessenden Firmamentes, und der geographischen
Abrundung des Globus während des Entdeckungsalters.
28*
2l8
Eine Sacularfeier.
Frei war jetzt der Ausblick geöffnet, frei in die Unendlichkeit der Sternenheere hinaus,
und frei über das Erdenrund, — frei nach allen Seiten; und bald von allen Seiten auch strömten
neue Anschauungen und Thatsachen herbei, zur Grundlegung naturwissenschaftlicher Methode
im vergleichenden Ueberblick. Bald schon lagen sie in Systemen geordnet vor, die Steine, die
Pflanzen, die Thiere, und dazwischen lugte schwankend hier und da auch das eigene
Menschengesicht hervor, ebenfalls in den Variationen aus verschiedenen Continenten verviel-
fältigt, ebenfalls nach systematischer Anordnung, nach seiner Naturgeschichte ausschauend.
Daran war damals freilich nicht zu denken. Mochte auch der Zweifel über die „quasi
homines” auf päpstliche Weisung abgeschnitten und die Indianer als „gente razional” decretirt
sein, immer erschien ihre Vernünftigkeit allzu unvernünftig, um sich viel damit zu befassen,
besonders in der Epoche selbst genügsamster Vernunft, am schöngeistig glänzenden Hofe
Ludwig’s XIV.
Doch als die Enttäuschung gekommen, als man im Licht der Aufklärung nach Paradoxen
suchte, waren die extremsten dann die willkommensten, und am schärfsten spitzten sie sich zu
auf schärfster Spötterzunge, der Voltaire’s.
Schon durch die damals kirchlichen Streitigkeiten der Jesuiten war sein Auge nach
Osten hingelenkt, und plötzlich fühlte es sich getroffen von dem wunderbaren Schauspiel
eines Riesenreichs, dass in Marco Polo’s Erzählungen bereits in das Reich des Wunderbaren
verwiesen war, das jetzt aber treuer und fasslicher entgegentrat, seine Aussagen als faktische
bekundend. Zum ersten Male erschien der eigenen Cultur, der von Aegypter und Assyrer durch
Griechen und Römer bis zur Neuzeit fortgeführten Culturgeschichte, ein zweites Seitenstück
gegenübergestellt, gleichwerthig in allen seinen Documenten für Ansprüche auf die Bezeichnung
eines Culturvolkes. „II est teme'raire et maladroit de disputer á une nation teile que la
chinoise ses titres authentiques” (Voltaire).
Ein Vorläufer schon hatte mit schlagendem Eindruck im Mittelpunkt Europas die
Aufmerksamkeit getroffen, in der siamesischen Gesandtschaft am Hofe Ludwig’s XIV, und
angeregt durch Dufresny’s „Amüsements serieux et comiques” (oder doch in Nachfolge davon),
veröffentlichte dann, im Rückgreifen auf das aus der Classicität vertrautere Beispiel, Mon-
tesquieu’s seine „Lettres persanes”, bald erweitert im Ueberblick der geographischen Provinzen
zum „Esprit des lois”. „Le genre humain avait perdu ses titres, Montesquieu les a retrouve's
et les lui a rendus,” bemerkt Voltaire, der sich selbst in seinen „Essais"’ über die Sitten und
Bräuche der Völker verbreitete, freilich die civilisirten zunächst, während die Naturzustände
der Unkultur ihren Fürsprecher fanden in demjenigen, dessen „Emil” als erstes Buch der
Kindheit, Defoe’s Robinsonade in die Hand gegeben war „die allmählige und naturwüchsige
Entwickelung des Menschengeschlechts” (s. Hettner) zu methodischer Erziehung (von den
Anfängen ab).
Als sich dann in Forster’s Reisebeschreibung (1777) auch für Deutschland die Bilder
aus der Ferne ausgebreitet, als auf Iselin’s Vorgang, Wezelin’s „Versuch” und Meiner’s
„Grundriss” sich hervorgewagt hatten, malten sich in Herder’s geistigem Auge die Umrisse
einer Philosophie der Menschheitsgeschichte, um sie durch den faktischen Bau der Thatsachen
zu stützen (in künftiger Ethnologie).
China1) als das Musterbild in Religion, Sitte und Verwaltung, lag den Franzosen des
vorigen Jahrhunderts nahe genug, als mit den zerstörenden Resultaten eigener Cultur, mit damaliger
fl „II est temps de sortir de nos e'troits horizons, de nous dire qu’un peuple de quatre cent
millions d’individus, aussi ariden que l’humanite', ne saurait etre dedaigné ni par la Science, ni par la
diplomatie,” heisst es über China im Jahre 1885 (s. Daryl).
Eine Säcularfeier.
219
Zersetzung der gesellschaftlichen Zustände vor Augen, ein grandioses Gegenstück aus fernem
Osten der Besichtigung näher zu treten begann, aber mit Erweiterung solcher Lehre für rohere
Naturzustände über alle Theile der Erde schien die klassischer Bildung schuldige Würde
Einbusse zu erleiden, so dass sich Lessing zu seinem Proteste veranlasst sah. Für Voltaire
war die hellenische Classicität durch die französiche (wie im Drama) ersetzt, so dass sich
jetzt ein freier Blick (seit aus dem Aufenthalt in England gewonnen) zum Ausblick auf
den Globus eröffnete, wogegen in Deutschland, gerade damals, der volle Eindruck des Alter-
thums zur Durchwirkung kam, während auch hier der Anschluss an das Natürliche zum
Eindruck gelangte, wie in Anerkennung Shakespeare’s (durch Lessing).
Bald jedoch lag das grossartige Gemälde von „Menschenrecht und Menschenwerth”
(s. Fichte) in der französischen Revolution entrollt, und so fand sich gleichwerthige Berechtigung
für alle Glieder des Menschengeschlechts, anfangs in kosmopolitischen Ueberschreitungen
selbst (für Schädigung des nationalen Lebens), bis dann wissenschaftliche Abgleichung her-
gestellt wurde (in der Ethnologie).
Für den bedächtigen Gang der Wissenschaft bedurfte es noch jenes Umwegs, der mit
Eröffnung „brahmanischen Weisheitsschatzes” in der Sanscrit-Literatur geöffnet ward, der so
ein drittes Culturvolk zufügte und durch die vergleichende Sprachforschung mit dem aus der
Classicität bereits vertrauten auf gemeinsamer Forschungsrichtung vereinte. Noch fielen die
Naturstämme aus, trotz des Paean, den Rousseau1) ihnen gesungen, (als er bei Umkehrung
der von der Akademie zu Dijon gestellten Preisfrage sich auf die Naturzustände geführt sah),
trotz der in dem Beschreiben der Erdumsegelung, in Bougainville’s und Cook’s Schilderungen
lieblich anmuthenden Bildern, die damals indess über die ernsten Tagesereignisse des gewitter-
artig umwölkten Himmels bald vergessen waren.
Aber sie hatten gezündet in begabtem Dichtergeist, und seinen Tiefen entströmten jene
„Ideen”, welche in einer „Philosophie der Geschichte der Menschheit” Dasjenige kündeten, was
sich hundert Jahre später realisiren sollte in einer „etwa, nach einem Jahrhundert oder Jahr-
tausend zu schreibenden Geschichte”.
So stehen wir inmitten einer Säcularfeier. Der erste Band erschien im Jahre 1784, die
Anfänge des letzten wurden 1787 an Knobel eingeschickt, wenn auch erst 1791 veröffentlicht.
Im seitdem verflossenen Säculum hat die Ethnologie ihre Vorgeschichte durchlaufen.
Ihre Zeit war gekommen, angepflanzt zu werden, gehütet und gepflegt, um auf-
zuschiessen, ein neuer Zweig am Wflssensbaum der Forschung. Dass die Wissenschaft nur
des Wissens wegen gepflegt werde, ist ein schönes Wort, und ein berechtigtes in der
Controverse mit trockenen Nützlichkeitspredigern. Aber im Grunde haben diese Recht,
wenn sie ihre Kurzsichtigkeit mit Verschärfungsgläsern bewaffnen wollen, um tiefer hinein-
zublicken in das Getriebe der Dinge.
Es erkennt sich dann, dass in jedem Idealismus, wenn gesundheitskräftig überhaupt,
Linien praktischer Tendenzen sich hindurchziehen, wie in historisch-philologischen Disciplinen
i) Mit der Preisfrage von Dijon fühlte sich Rousseau seiner Lebensaufgabe gegenübergestelli,
auf dem Wege nach Vincennes, „seinen Geist von tausend Lichtern geblendet” (1749). Dagegen
hätte Voltaire für sein Werk („Essai sur les Moeurs et l’Esprit des Nations”) von sich sagen können:
„Libera per vacuum posui vestigia princeps” (nach Lessing). In Rousseau’s Gegensatz zu den
Encyclopädisten (wie in Deutschland zu den Aufklärlern) brach (im Sehnen nach Gemüths-Inner-
lichkeit) unter Sturm und Drang (nach Naturfreiheit) die Gefühlssophistik hindurch, bis Herder
idealistisch die Gedanken aussprach, die sich in der Ethnologie zu realisiren haben (wenn die
Museen in concreten Anschauungen die Verkörperungen dessen ■ vorführen, was in den Ideen zur
Philosophie der Menschheitsgeschichte idealistisch getönt hatte).
220
Eine Säcularfeier.
dem Auge des Sachverständigen nachweisbar, und in den realistischen einem jeden zu Tag
liegend.
Der aus dem Studium der Mineralien verwerthbare Nutzen setzt sich in directe Geld-
schätzung um, aus der Botanik zehrt die Landwirthschaft und Medicin, und die Zoologie
kommt gleichfalls der Physiologie zu gute, also dem Wohlsein des Menschen.
Indem nun die Induction auf statistischer Basis zu operiren hat, verlangt die Methodik
ein methodisches Studium des Ganzen, um die auf praktisches Ziel auslaufende Richtung,
unter Anweisung zugehörigen Platzes richtig und zweckentsprechend zu cultiviren, und wenn
dann die Wissenschaft des Wissens wegen gepflegt, lohnt sie mit den Früchten praktischer
Resultate.
Aehnlich auch für die Ethnologie, die auf Mussestunden der Unterhaltung beschränkt
blieb, so lange nur Curiositäten oder Absurditäten in ihr zur Beobachtung kamen, die aber
ihre Wurzel auf praktischen Boden einschlug, mit europäischem Colonialbesitz in fremden Landen.
So zuerst in England, als Ende vorigen Jahrhunderts Indiens reicher Beuteschatz in
den Schooss gefallen und jetzt seine Millionen und hunderte von Millionen Unterthanen, um
verständig (zum Besten des Fiscus auch) regiert zu werden, zunächst ihr eigenes Verständniss
verlangten, im Studium der ethnischen Verhältnisse, social, rechtlich, religiös.
Bei den Naturstämmen gelangen wir durch die Ethnologie auf diejenigen Vorschichtungen,
in welchen die bei den Culturvölkern in alterthümlichen Ueberlebseln verknöcherte Prähistorie
noch frisch lebendig wogt, und so von sich selbst erzählend, die von der Geschichte bereits
abgeschlossen vorgeführten Stadien im Entwicklungsprocess ihres Werdens entfaltet vorüber-
wandern (und demnach innerer Wesenheit nach verstehen) lässt.
„Die Entdeckungen, welche unsere europäischen Seefahrer in fernen Meeren und auf
entlegener Küste1) gemacht haben, geben uns ein ebenso lehrreiches, als unterhaltendes
Schauspiel. Sie zeigen uns Völkerschaften, die auf den mannigfaltigsten Stufen der Bildung
um uns herum gelagert sind, wie Kinder verschiedenen Alters um einen Erwachsenen herum-
stehen, und durch ihr Beispiel ihm in Erinnerung bringen, was er selbst vormals gewesen
und wovon er ausgegangen ist’ (s. Schiller). „Nicht viel besser fanden uns Cäsar und Tacitus
vor achtzehnhundert Jahren11 (1789).
Um deshalb das eigene Dasein zu verstehen (im Bande der Nationalität zunächst),
bedarf es einer Objectivirung der ethnischen Daten für den inductiven Aufbau der Mensch-
heitslehre. Und wenn es, unter dem heutigen Ansturm des Zersetzungsprocesses, nicht in
Zeiten noch gelingt, die psychischen Originalitäten zu sichern, bleibt dem künftigen Studium
ihre Unterlage entzogen (mit dem Ausfall des Materials).
Unter sogenannten brennenden Fragen flammen eine verschiedentliche Menge in der
Gegenwart für humanitäre Zwecke, und Jeder wird selbstverständlich diejenige, worin sich
einmal sein Selbst hineingedacht und hineingewöhnt hat, als die brennendste fühlen müssen.
Soweit es sich dabei allerdings um eine vital brennende Frage, also Lebensfrage handelt,
könnte zunächst nur die mit dem Leben selbst, um noch in seiner Kürze verwirklicht zu
werden, zu voller Geltung kommen, weshalb rein wissenschaftliche aus anorganischer Natur,
3) Il n’ya pas d’événement plus mémorable parmi les hommes, que la découverte de l’Amérique
(s. de Pauw). En comparant ce que les premiers Voyageurs nous disent de l’Amérique, avec ce que
l’antiquité nous a transmis sur la manière dont tous les Peuples de notre continent avaient récu dans
les temps, qu’on regardait comme les premiers âges du Monde, on appercait la conformité la plus
frappante et le rapport le plus marqué (s. Goguet).
Eine Säcularfeier.
221
also eine immer später gleichfalls noch erfüllbare, verhältnissmässig, so dringend sie sonst
auch sein möge, zurückzustehen haben würde, bei augenblicklich dringenderem Bedürfnisse.
Sofern sich nun die Ethnologie dem Appell für brennende Fragen einreiht, im Namen
der „Humanitas” selbst, seit der Aufklärungs-Schriftstellerei, „im Vergleich mit der gänzlich
inhumanen Zeit vor ihrem Wirken” (s. Sybel), so würde hier zunächst ein massgebend
leitender Gesichtspunkt in Betracht zu stellen sein.
Das bisherige Culturleben, soweit wir es auf der Erde kennen, verlief stets innerhalb
des eigenes Volkskreises national, mit allmähliger Erweiterung zur internationalen Peripherie.
In Bossuet’s Geschichte sieht sich Nichts, als die Vorbereitung zum Christenthum, denn die
Universalgeschichte scheint lediglich geschrieben zu sein, „um zu insinuiren, dass Alles in der
Welt der jüdischen Nation wegen gemacht ist” (b. Voltaire). „Menschen, Reiche und Völker
haben nur Werth und Bedeutung, insoweit sie Werkzeuge sind für diese höchste göttliche
Absicht” (s, Hettner). Gerade damals indess, mit Erweiterung des geographischen Horizontes,
trat das Menschengeschlecht als Ganzes hinzu, in Solidarität1) der Interessen, für seine
räumliche Manifestation sowohl, wie zeitlich in Vergangenheit und Zukunft. Hier steht, zur
Vertretung, die Ethnologie für sich, allen übrigen Culturgestaltungen in bisheriger Fassung
gegenüber, und es würde also bei ihr nun gelten, entweder gänzliche Ignorirung wie bisher,
oder wenn Anerkennung gewährt wird, dann zugleich die weitreichendste, in ihrer An-
erkennung als brennendste der brennenden Fragen, weil wenn weiter brennend, Alles das
der Zerstörung anheimgebend, was für spätere Culturarbeit jetzt gerade gesammelt und
gerettet* 2) werden muss, sintemal jetzt allein dies möglich und später für solch höchste Cultur-
h Ein edles Verlangen muss in uns entglühen, zu dem reichen Vermächtniss von Wahrheit,
Sittlichkeit und Freiheit, das wir von der Vorwelt überkommen, und reich vermehrt in die Folgewelt
werden abgeben müssen, auch aus unsern Mitteln einen Beitrag zu legen und an dieser unvergäng-
lichen Kette, die durch alle Menschengeschlechter sich windet, unser fliehend Dasein zu befestigen
(s. Fr. von Schiller). „Hatte die Aufklärung eigentlich nur Individuen gekannt, die alle zu dem
homogenen Geschlecht des „animal rationale” gehören und nur zufällig in räumlich und staatlich
getrennten Gruppen geschieden sind, so erblickt Herder dagegen in einem Volk ein individuell
organisches Wesen, dessen eigenthümliches Lebensprincip alle seine Bethätigungen durchdringt”
(s. Paulsen). Chaque nation est comme un grand individu historique (s. Benloew), und so durch-
strömt das nationale Leben (mit dem Zielpunkt gemeinsamer Entwickelung). Die wesentlichen
Producte der Geschichte innerhalb des menschlichen Lebens sind die Nationalitäten (s. K. Herrmann),
und hier (s. Möser) „die gemeinen Landeigenthümer als der wahre Bestandtheil der Nation durch
alle Veränderungen zu verfolgen” (für den Durchschnittstypus). In Wiedererweckung des Volksliedes
regte Herder in einer Zeit politischen Verfalles die Entwickelung eigener Nationalität, innerhalb der
Vielfachheit ethnischer Kreise auf dem Erdball, an im einheitlichen Zusammenklang für den Ausdruck
der Menschheit.
2) Auf Petrarca’s Erkenntniss, dass zu retten, was rettbar noch (aus den Resten des Alterthums),
hat der dann durch Salutato und Giovanni da Ravenna (Schüler des Chrysolaras’) angeregte Sammel-
eifer nach literarischen Entdeckungen, die Grundlagen gebreitet, auf welche die Cultur der nächsten
Jahrhunderte ruhte (bis auf den heutigen Tag). Und in gleicher Epoche findet sich jetzt die Ethnologie
(bei naturwissenschaftlicher Umwandlung der Forschungsmethode), so dass es Pflicht wird hier zu
helfen (bei der Empfänglichkeit der Sachlage im statu-nascenti). Man kann weder den Alten, noch
den Gelehrten des XVI. und XVII. Jahrhunderts Vorwürfe darüber machen, dass sie ein solches
Gebäude der Geschichte der Menschheit nicht aufgeführt haben; beiden, besonders aberden Griechen
und Römern fehlten die Materialien zu einem solchen Werk (s. Meiners). „Was ich nicht weiss,
macht mich nicht heiss.” Jetzt dagegen, wo die volle Bedeutung der Aufgabe gegenübersteht, würde
Gleichgültigkeit zum Verbrechen werden (in den Augen der Nachwelt).
222
- ”............- ....... .
Eine Säcularfeier.
fragen') ein Nachholen des Versäumnisses unter die Unmöglichkeiten fallen würde, — so dass
verloren bleibt, was verloren (für immer und unwiederbringlich, so lange der Erdplanet
sich dreht).
Als der bis Ende des XVII. Jahrhunderts auf Universitäten (in alten Autoritäten)
bindende Magistereid sich gelockert, mit den „vernünftigen Gedanken” (Wolfs), als die „libertas
philosophandi” (bei Spinoza) ihren freien Flügelschwung regte, drohte zugleich die „licentia”
(s. Gundling), im überhastigen Wechsel der Systeme, nachdem die Vernunft als letzte und
einzige Richterin bestellt war. Es lag hier eine Selbsttäuschung zu Grunde, gleich derjenigen über
die angeborenen Ideen; und jene „tabula rasa”, wie von Locke für die individuelle Psychologie
hergestellt, hat auch betreffs des Gesellschaftsgedanken (beim Zoon politikon) zu gelten, denn die
Vernunft zieht nichts aus sich selbst, was nicht vorher in den Eindrücken vorhanden, die ihr
traditionell zugekommen, aus Autoritäten grosser oder kleiner Werthschätzung, je nach Auf-
fassung und Verständniss. Wendet man sich ab von leuchtend blendender Fackel, die als Re-
präsentant einer gesammtenCultur-Epoche, (wie der classischen für ihre Philosophie in Aristoteles),
Jahrhunderte hindurch gestrahlt, dem Dunkel und Halbdunkel zu, im weiteren Umkreis, so mochte,
je nach den hier und da aufflackernden Gedankenspähnen, die eine oder andere Vermuthung
erhellt werden, aber innerhalb des Bereichs jeder Individualität, nur soweit und nur in solcher
Weise, wie aus dem Erziehungs- oder Studiengange in Zufälligkeiten darauf geführt, durch „leves
gustus”, die in schwankem Zweifel zum nihilistischen Atheismus leichtlich weiterführen, wo-
gegen „ad religionem” bei pleniores haustus (s. Baco).
Und so für jene grossen und allgemeinen Gegensätze (s. Elelmholtz), die tagtäglich sich
ausentdecken, wird es in der Solidarität der Cultur-Interessen, stets, zum statistisch umfassenden
Ueberblick, der Autorität bedürfen, der thatsächlichen Belagstücke eben, wie sie in ethnologischer
Umschau über die Erde, als vorliegend sich bewiesen. Nicht mehr handelt es sich hier darum,
bei individuellen Autoritäten alle Subtilitäten des subjectiven Gedankenganges auszuverfolgen,
sondern die unveränderlich gleichartigen Wachsthumsgesetze sind für die Spannungsreihe
ihrer Elementargedanken festzustellen, wie sie überall und immer in der Schöpfungsthätigkeit
der Völkergedanken wirken, auf jedem der Continente, um unter dort jedesmaligen Variationen
!) Les phénomènes moraux, quand on observe les masses, rentreraient en quelque sorte dans
l’ordre des phénomènes physiques, nous serions à admettre, comme principe fondamental dans les
recherches de cette nature, que plus le nombre des individus que l’on observe est grand, plus les
particularités individuelles, soit physiques, soit morales, soit intellectuelles, s’effacent et laissent
prédominer la série des faits généraux en vertu desquels la société existe et se conserve {s. Quetelet).
„La société renferme en elle les germes de tous les crimes, qui vont se commettre” (1869), in patholo-
gischen Beobachtungen, die hier, weil auffälliger, und praktischer Tragweite näher liegend, die Auf-
merksamkeit früher geweckt haben, als die physiologischen des normalen Gesundheitszustandes (wie
in der Medicin). Dabei werden die über das Individuum hinweg gesellschaftlich erweiterten Beob-
achtungen fernere Aufklärung erhalten, wenn unter den Variationen der geographisch verschiedenen
Gesellschaftskreise auf der Erde, (also nach den zur Vergleichung gebotenen Differenzen), betrachtet,
vom Standpunkt der anthropologischen Provinz, innerhalb des ethnologischen Horizontes (in geschicht-
licher Entwickelung). Appliquons aux sciences politiques et morales, la méthode fondée par
l’observation et sur le calcul, méthode qui nous a si bien servi dans les sciences naturelles, n’opposons
point une résistance inutile et souvent dangereuse, aux effets inévitables du progrès des lumières
(s. Laplace). „Le Tout - Puissaut a établi le monde physique et moral sur des lois invariables, con-
formes à sa nature éternelle, tandis qu’il a laissé à l’homme individuel l’usage le plus libre et le plus
entier de ses facultés, mais en maintenant la majesté de ses lois, qui ne sont nullement effacées par
l’action des déterminations .individuelles,” heisst es (s. Quetelet) in Prinz Albert’s Ansprache des
Congrès international de statistique (1860).
Ëine Säcularfeier.
223
der geographischen Provinzen, für logische Berechnung der Differenzen einen Anhalt zu
gewinnen an den Daten (bei der Cognitio ex datis), statt ziellosen Verlaufes in Ursprungs-
fragen (zur ßuÖtaig tig aneiQOv').
Im prägnanten Gegensatz zu den Deductions-Systemen der Philosophie, deren jedes
für Erreichung letzten Abschlusses befähigt zu sein prätendirt, liegt in der Induction der Trieb
unbegrenzten Fortschritts, und so hört sich bei Herder auf jeder Seite die Klage eines ersten
Beginnes erst: in geographischer Ethnologie, in physischer Geographie, in der Theorie der
Erdrevolution, in der Anthropologie u. s. w., — ein Klagen zwar, aber hoffnungsvolle Zuversicht
zugleich, das einstens die Kenntniss gewonnen sein würde, wie seitdem thatsächlich theilweis
eingefügt ist; freilich nur als Ausgangspunkt wieder, für ferner neues Schaffen, ein unend-
liches im Unendlichen.
„Es ist das Gebrechen und der innere Widerspruch aller sogenannten Gesichtsphilosophie,
wie aller sogenannten Naturphilosophie, dass sie in ihrem ungestümen Drängen nach dem
letzten und höchsten Gesetzen die Frucht pflücken will, ehe sie reif ist” (s. Hettner), und so
bedarf es vorher der Materialbeschaffung (für die Ethnologie), um dadurch die Einheit herzustellen,
zwischen Natur und Geist, oder Einbegriff dieses unter die Naturgesetze (eines harmonischen
Kosmos). „Der Gott, den ich in der Geschichte suche, muss derselbe sein, der in der Natur
ist” (s. Herder), und zunächst der „Mensch in der Geschichte” gesucht werden (für den
„Gott” desselben).
Die erste Erschaffung (und ursprüngliche Entstehung) liegt ausserhalb der Grenzen der
Geschichte und diese findet ihren eigenthümlichen Anfangspunkt „in dem zweiten Schritt des
Menschen, der zunächst steht an jenem verhüllten Ursprung und aller Geschichte vorangehendem
Anfang, und unmittelbar auf denselben folgt” (s. Fr. Schlegel).
Im Gegensatz zu Kant’s Kriticismen, wo Natur und Freiheit sich sondern, suchte Herder
nach einer Einheit beider (der Objectivität zum Induciren). „In dem Element der Anschauung
wird das Etwas als ein Gegebenes Inhalt des Bewusstseins” (s. Cohen). Der Charakter der
Anschauung ist die reine Gegebenheit, also die conditio-sine-qua-non für allen Anfang der
Objectivirung (durch den Denkprocess).
Die Induction benöthigt ihrer Bausteine in thatsächlichem Material, um die comparativ-
genetische Methode zur Verwendung zu bringen, für vergleichenden Ueberblick sowohl (über
den Globus hin), wie für allmälige Entwickelung (vom Wildzustand zur Cultur). „Um das
Schicksal der Menschheit aus dem Buche der Schöpfung zu lesen, bedarf es eines allgemeinen
Ueberblicks unserer Wohnstätten und eines Durchganges der Organisationen, die unter und
mit uns das Licht der Sonne gemessen” (s. Herder). Mit Licht im Herzen (das beim Ein-
bringen in den Verstand erlischt) bedurfte es „stets einer Wahrheit, die nicht mein Geschöpf,
sondern deren Geschöpf ich wäre” (in Jacobi’s Worten). Dans la plupart des phénomènes
sociaux, qui dépendent uniquement de la volonté humaine, les faits se passent avec le même
ordre et quelque fois avec plus d’ordre encore, que ceux qui sont purement physiques
(s. Quetelef). „Die Kindheit ist uns eine ganz unbekannte Sache” (s. Rousseau), und so in der
Geschichte aus der Ethnologie zur Kenntniss zu bringen (bei den Naturstämmen). Dabei
mag, in Erforschung der Kindesseele der (spiritistisch) Kindische noch kindischer werden, und
gegen die Cultur, — zunächst ein blosses Erscnlaflungsmittel (bei Pestalozzi), •— wurde ein
„Ekelbegriff” (s. Göthe) erregt (durch vorhundertjährige Sentimentalität).
„Die Geschichte der Menschheit würdigt gerade die Wilden und Barbaren aller Erd-
theile, die in den Schicksalen des ganzen Menschengeschlechts nicht die geringste bemerkbare
Veränderung hervorgebracht haben, ihre vorzügliche Aufmerksamkeit, weil oft eine einzige
29
224
Eine Säcularfeier.
kleine Horde von Wilden und Barbaren zur Kenntniss der menschlichen Natur mehr Beiträge
liefern kann-, als die glänzendsten Nationen, die mehr als einen Erdtheil unterjocht und ver-
wüstet haben” (s. Meiners). Wie die Kryptogamen (trotz praktischer Bedeutungslosigkeit)
den Leitungsfaden für die Zelltheorie gewährt, so sind die Naturstämme zu verwerthen (für
das Verständniss der Cultur).
Für die Menschheit, als einheitliches Ganze, wäre eine Entwickelungsgeschichte der
Religion, mit welcher das psychische Leben für seine inneren Bedürfnisse sich umhüllt, eben-
sowenig, oder doch ebensoweit nur zu schreiben, wie eine Entwickelungsgeschichte der Be^
kleidung, für die Umhüllung des physischen Körpers. Sie liesse sich schreiben in den
Einzelnfällen jedes ethnischen Kreises, unter Rückgreifen auf die bedingenden Ursächlichkeiten
aus der geographischen Provinz1), und den durch historische Wechselwirkungen eingeleiteten
Ablenkungen, unter dem Detail wechselnder Moden, aber Aneinanderreihung auf einen
chronologischen Faden, über die gesammte Erdoberfläche hindurch, wäre schon deshalb von
vornherein abgeschnitten, da verschiedene Geschichtswege nach getrennten Richtungen ver-
laufen, wenn sie auch mit der neuerdings beginnenden Ausbreitung des internationalen Verkehrs
allmählig später vielleicht gemeinsamen Zielen mögen zugeführt werden.
Unter solchen Beobachtungen bleibt jedoch eine Reihe normaler Grundzüge, an Natur-
bedingungen angelehnt, und dadurch deshalb gesetzlich markirt, wie in der Bekleidung je
nach den Körpertheilen, die dem Körper an sich inhäriren, und so für den Geisteskörper in
Beantwortung derjenigen allgemein durchgängigen Fragen, wie sie überall und immer vom
erlösungsbedürftigen Menschengemüth gestellt sind, und dann in scheinbar oft weit variirender
Form verwirklicht, je nach dem an der Oberfläche schillernden Effect der geographischen
Provinz (aus ethnischem Horizont), obwohl auf gleichartiger Unterlage psychologischen
Wachsthumsprocesses (wenn die prüfende Sonde bis dorthin hindurchdringt). „Die Mythologie
eines jeden Volkes ist ein Abdruck der eigentlichen Art, wie es die Natur ansäh” (s. Herder),
und bildet somit das geeignetste Beobachtungsfeld für die typische Weltanschauung (im jedes-
maligen Völkergedanken). „Man halte die grönländische mit der indischen, die lappländische
mit der japanischen, die peruanische mit der Neger-Mythologie zusammen, — eine völlige
Geographie der dichtenden Seele” (s. Herder), und hier wird es das Studium der Differenzen
gelten (nachdem die Spannungsreihe der Elementargedanken festgestellt ist). „Viele Mythen
ohne geschichtlichen Zusammenhang sind nur aus der Gleichheit der menschlichen Organisation
entstanden” (cf. W. von Humboldt), und in dem „aus allen Continenten gleichartig entgegen-
l) In gewissem Betracht ist jede menschliche Vollkommenheit national, säculär, individuell,
man bildet nichts aus, als wozu Klima, Bedürfniss, Welt, Schicksal Anlass geben (s. Herder). „Je
tiefer Jemand in sich selbst, in den Bau und Ursprung seiner edelsten Gedanken hinabstieg, desto
mehr wird er sagen: Was ich bin, bin ich gewordeu, wie ein Baum bin ich gewachsen, der Keim
war da, aber Luft, Erde und alle Elemente mussten beitragen, den Keim, die Frucht, den Baum zu
bilden” (im physischen Organismus). „So verschieden die Zeiten sind, so verschieden muss auch die
Sphäre des Geschmackes sein, obgleich immer einerlei Regeln wirken” (bis in die Denkgesetze hinaus).
Ce qu’il faut, que le genre humain connaisse de la verite selon les temps et les lieux, se revele
toujours selon les temps et les lieux (s. Pezzani). „Erziehung ist Offenbarung, die dem einzelnen
Menschen geschieht, nnd Offenbarung ist Erziehung, die dem Menschengeschlecht geschehen und
noch geschieht” (s. Lessing), wenn der Naturbann durchbrochen (in der Freiheit der Kultur). L’influence
des lois est en raison de leur harmonie avec les moeurs (s. Matter). Zwischen Rousseau, mit dem
Naturzustand als Ideal, und Hamann mit dem Göttlichen als sein Ideal, vertritt Herder den vermittelnden
Menschen, aber noch in Gemüthsstimmungen befangen, während kraft der Inductionsmethode deutliche
Anschauungen anzubahnen sein werden, in naturwissenschaftlicher Psychologie (durch die Ethnologie).
Eine Säcularfeier.
225
tretenden Gedankengang” sind die Gesetze des psychischen Wachsthums zu studiren (im
organischen Entwickelungsgang der Cultur).
Der Mensch in seiner Ganzheit, mit deutlicherweis auf die psychische Seite fallendem
Schwerpunkt, erscheint in der Ethnologie als Gesellschaftswesen, und während die physische
Hälfte im Anschluss an das Thierreich, mit diesem auf dem dunkel verlaufenden Urgrund
der anorganisch anschliessbaren Schöpfung (oder Entstehung) des Organischen zurückgehen
könnte, steht für den Gesellschaftsmenschen der Ausgang deutlich gegeben vor Augen, nach
den Differenzen der geographischen Provinzen reflectirt, über die Erde hin. Die allgemein
waltende Schöpferkraft eines hypothetisch zu setzenden Anfangs (in unendlichen Reihen)
manifestirt sich hier fortwirkend in den solaren Beziehungen, aus deren Wechselverhältniss
zu dem planetarischen der Effect der geographischen Provinz sich realisirt.
In geregelter Ordnung periodischen Umlaufs ergeben sich in den geographischen
Differenzen, die Bestimmtheiten als av/j.ßeßrjxuTa neben den ovoicu (bei Aristoteles), um im
Anschluss also an die (nicht nur materielle) Substanz des Dinges, als „Dasjenige, durch dessen
ununterbrochene Veränderung das Dasein eines Dinges in der Zeit verläuft” (s. Bergmann),
um hier aus unendlichen Reihen zu integriren (im Calcul wissenschaftlicher Psychologie),3)
und indem der Wechsel in den Accidentien eine Veränderung der Substanz zur Voraus-
setzung hat”, mögen hierin (für die Frage der Accidentien, als momentan „determinirende
Bestimmtheiten”) auch Ursprungsfragen (zeitlicher Existenz) angenähert werden (im methodischen
Gang der Untersuchung), unter Feststellung des Individualcharakters, als „Substanz, inwiefern
dieselbe in allen ihren Veränderungen doch dieselbe Substanz bleibt”, damit der Induction die
Anschauung deutlich gegebener Thatsachen vor Augen gelegt sei (gleichartigen Ausspruchs
unter gesetzmässig geschlossenen Wechseln, auch für den psychischen Wachsthumsprocess).
In der Ethnologie ist deshalb der Mensch seiner Gesellschaftswesenheit nach, (das
Gesellschaftswesen typisch menschlicher Art), zum Object der Beobachtung gegeben (im Zoon
politikon), und während die geographischen Varietäten auf physischer Gestaltung nur vor-
übergehend diejenige Ovaiu berühren, welche sich (im „regressus ad infinitum”) in das Dunkel
eines unabsehbaren Ursprungs verliert, — indem die Naturforschung (des Materiellen) „sich
der Erkenntniss eines einheitlich letzten Grundes auch nicht einmal zu nähern vermag”
(s. Wigand), — würden sich bei der psychischen Existenz in gegenseitig bedingter Ver-
wirklichung (aus Inhärenz) die Fäden durcheinanderschlingen (aus dem '¡diov tdv oVroe,
als allgemeinst „mit dem Dasein als solches verknüpftes Accidenz”) und im logischen
Rechnen auseinanderzulegen sein (bei einer aus naturwissenschaftlicher Grundlage hervor-
spriessenden Psychologie). Beim Wegdenken sämmtlicher Accidentien, einschliesslich der-
jenigen der Substantialität, tritt dann in Plato’s ¡.nj oV, oder (bei Maori) Kore, der Zustand
des Noch-Nicht-Seins ein, aus welchem dem dialectischen Process die Möglichkeit gegeben
ist, das Ding (bei seiner Schöpfung) zu construiren, sobald, mit richtig genügendem Einblick in
die Gesetzlichkeiten, der Zusammenhang durchdrungen ist (wie aus experimenteller Controle
') Die aus dem Influxus physicus im Denken fortwirkende „Potentia activa” wird für ihre
Zeugungen in psychischer Welt auf „Potentia obedientalis” umgesetzt (unter Schöpferkraft), und reicht
zurück auf das von dem Organismus, labil (in gegenseitiger Anpassnng), hergestellte Gleichgewicht
mit seiner Umgebung, um durch Störung des Ruhezustandes die Spannkraft oder potentiale Energie
als „Energie der Lage” (s. Gutlerbet) hervortreten zu lassen, bei Wirkungsäusserung der Kraft, mit
dem Uebergang in Bewegung, — oumag ßkv yap ~ä<rrjg ysvsmg iauv (s. Aristoteles), — längs der Ent-
wicklungsspirale, die ins Unendliche hinüberreicht (und so einer Infinitesimalberechnung bedarf im
logischen Rechnen, naturwissenschaftlicher Psychologie).
2 9*
226
Eine Säcularfeier.
zu beweisen), und eine Disjunction entgeht dem Widerspruch der Unvereinbarkeit, (durch
contradictoris'ches Gegentheil), wenn im organischen Wachsthumsprocess gesetzlich sich ein-
fugend (also auch dem psychischen).
„In seiner Kritik der reinen Vernunft eröffnete Kant dem Blick die Einsicht in die
ganze Welt des Geistes, Herder berechnete, wie Gelegenheit und Anregung dazu aufforderten,
immer einzelne Geistesbahnen und überliess die Zusammensetzung der Harmonie des Ganzen
seinen Lesern. Dies ist eine Methode, die dem späteren Culturhistoriker eine sehr dankens-
werthe und interessante Nachlese gestattet, aber es ist nicht die Art und Weise, in den Zeit-
geist einzugreifen, das rollende Rad des Augenblicks anzuhalten und umzuschwingen”
(s. H. Boehmer). Indess „war die Controverse zwischen Kant und Herder der erste that-
sächliche, wenn auch noch keineswegs ins Bewusstsein gedrungene Zusammenstoss jener
Weltanschauung, die man heute unbedingt als die kritisch-idealistische und die naturwissen-
schaftliche bezeichnen würde”, und gegenwärtig ist „Herder’s Geist wieder in einer Weise
näher gebracht”, um seine Sätze als „Anticipationen unserer eigenen Weltansicht erscheinen
zu lassen” (1872), mit Aufnahme der Psychologie unter die Naturwissenschaften (vermittelst
der Ethnologie). Die nach der allgemeinen naturwissenschaftlichen Methode bearbeitete
Psychologie1) ist dem grössten Theile nach eine ganz neue Wissenschaft (b. Beneke), „eine
festbegründete Naturwissenschaft vom Geistigen” (s. Dressier), mit Zutritt des ethnischen
Materials (aus der Gesellschaftswesenheit des Menschen).
Mit W. v. Humboldt wurde die von Herder geförderte Zeitströmung, für abgeschlossen
beschränktere (und deshalb schon beherrschbarere) Peripherie, in linguistische Richtung gelenkt,
zur Aufrichtung eines wissenschaftlich durchgearbeiteten System’s (mit national concentrirter
Kräftigung durch die Ernte der Brüder Grimm), aber noch fehlte im „Kosmos” die Psychologie
(als Naturwissenschaft). „Ein physisches Naturgemälde bezeichnete die Grenze, wo die Sphäre
der Intelligenz beginnt und der ferne Blick sich senkt in eine andere Welt; es bezeichnet die
Grenze und überschreitet sie nicht” (Alex, von Humboldt). Zunächst bedurfte es einer
Materialansammlung (psychischer Bausteine aus den Völkergedanken der Ethnologie), ehe die
Arbeit der Induction beginnen konnte (nach comparativ-genetischer Methode).
Herder zuerst (als dem Begründer der „Philosophie der Geschichte”) ging der grosse
Gedanke auf, dass die Geschichte der Menschheit nicht die Geschichte der Kriege und des
Blutvergiessens, sondern die Geschichte der geistigen Ideen und der sittlichen Entwicklung
bedeute” (s. F. Hirsch). Neben der Erweiterung der „Staats- und Kriegsgeschichte” zur
„allgemeinen Welthistorie” trat mit Schlözer und Gatterer die Culturgeschichte heran, „nicht
der stützende Grund und krönende Abschluss der politischen Staatengeschichte, sondern nur
ein dürftiger Nebenbau” (s. Hettner), und im Gegensatz zu Rousseau suchte Iselin in der
Geschichte der Menschheit (mit fünfter Auflage seit 1760), sowie der „Vermuthung” darüber,
das Ideal nicht in der Vergangenheit, dem Naturzustand eines goldenen Zeitalters, sondern in
l) Die empirische Psychologie ist ein Zweig der Naturwissenschaft, eben weil sie empirisch
ist, die Gesammtheit der empirischen Gegenstände aber unter einem umfassenden Begriffe, dem
der Natur vereint werden muss (s. Burdach). Das leibliche Leben steht unter dem Gesetze, das
psychische hingegen giebt sich sein Gesetz selbst, denn das Gesetz kann nur aus dem Geiste stammen
(s. Heinroth), wie bei Rückkehr aus objectiver Forschungsarbeit subjectiv bewusst zu klären (in
naturwissenschaftlicher Psychologie), durch logisches Rechnen (im Addiren und Subtrahiren). Zu
dem ev, im Ansatz am Gegebenen, tritt das srspo», als rd aXXa (b. Parmenides), um für pythagoräische
ouag aopuTTog (s. Plato) das Zählen zu beginnen mit der Drei, zum Vielen der Vier (Polet-uuk in
Australien u. s. w.).
Eine Säcularfeier.
227
der Zukunft (teleologisch). Möser fasste die Geschichte, als Naturgeschichte der politischen
Staatsverfassungen (in concentrirter Detailbetrachtung der Heimath), und aus dem Reiz der
neuen Entdeckungen gingen die Robinsonaden (seit Defoe) hervor, als eine „Art von Philo-
sophie der Geschichte” (s. Hettner). „Die Naturgeschichte des Geschichtsverlaufs im Gegensatz
zu jeder Deutung desselben nach Endzwecken darzulegen” (s. Haym) beabsichtigte Herder (in
den „Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit”). „Die innerer, auch freierer
Bewegung zu Grunde liegende Gesetzmässigkeit wird die Wissenschaft zu suchen haben, und
erst, wenn sie gefunden, die Geschichtsphilosophie eine Wissenschaft heissen können”
(s. Rocholl). „Wenn wir eine gesetzliche Harmonie in dem Leben des Geistes und der
Natur überall treffen, so muss eine hohe Einheit auch in der Geschichte aller Zeiten herrschen,
da sie ja die Offenbarung der geistigen Bewegung im Grossen ist, und zwar muss dies auf
eine erkennbare Weise der Fall sein” (s. Ennemoser), mit dem „Horoskop in der Welt-
geschichte” (I860), um auch „Vorhersagen zu können” (bei Mill). „La Philosophie de
l’histoire comprend deux choses, premierements les faits, secondement l’explication des faits”
(s. Gerbet). „Die Philosophie der Geschichte wird den Mittelpunkt der grossen Discussionen
bilden, welche im Gesammtleben der Wissenschaften die nächste bedeutende Wendung
bezeichnen werden” (s. Bona Meyer). „Die Eroberung der Geschichte für den Geist, die
Auffassung des historischen Stoffes, als eine auf nothwendigen Gesetzen beruhende Natur-
wissenschaft des menschlichen Lebens, war das bereits der Hegel’schen Philosophie der
Geschichte zu Grunde gelegene Element gewesen” (s. K. Herrmann). Die Anthropologie
(mit Einbegriff der Ethnologie) hat „die Naturgrundlage der Geschichte zu erörtern” (s. Waitz).
„Wie der Blick des menschlichen Geistes erst dann scharf zu sehen beginnt, wenn die
Stärke seiner leiblichen Augen abzunehmen anfängt, so tritt auch im Grossen, geschichtlich,
die Philosophie der Geschichte immer da hervor, wo der Lebenstag der Völker sich seinem
Abend zuneigt, und wo zwei Zeiten einander begegnen, eine untergehende und eine auf-
gehende, die funkenwerfend die eine in die andere überspielt” (s. Lasaulx).
Und da in steter Verjüngung des organischen Lebens, wir die Alten, als die Jungen
sprossen auf dem zeugenden Stamm des Alterthums, wird bei den, mit der Umschau des
Globus, neu herantretenden Anschauungen jetzt der Blick sich schärfen für die Einzelnheiten,
um auf thatsächlich gefestigtem Gerüste das Inductionsgebäude emporzuführen (für die Lehre
vom Menschen).
Vollgestaltet in der Fülle ihrer Zeit, als gereifte Frucht derselben, ist die Ethnologie
ins Dasein getreten, übermächtig ausgreifender Erscheinungsweise —: ihren Wurzeln nach
eingesenkt in das Geäder des nationalen Lebens, ihren Leib verwirklicht in den rechtlichen
Institutionen menschlicher Gesellschaft, mit ihren Gliedern erstreckt durch die Weite der
fünf Continente, und im Haupte die Ideen bewegend, wie sie unter der Mannigfaltigkeit ver-
gleichender Religionsphilosophien von jeher die Herzen durchwogt haben, durch alle Zeiten
und alle Völker hindurch.
Die Ideen zu einer Geschichte der Menschheit redeten im Gewände der Philosophie
von den das geistige Leben bewegenden Gesetzen, die in den Sammlungen eingekörpert
gegenwärtig anschaulich vor Augen liegen, um durch inductive Contrôle geprüft und (im
Fortgang der Studien) festgestellt zu werden (mittelst der Ethnologie, als Rüstzeug einer
naturwissenschaftlichen Psychologie).
Mit nationaler Wiedergeburt verband sich die culturelle, deren Anfänge zurückreichen
bis auf das Jahr 1848. „Drei naturwissenschaftliche Ideenkreise” beherrschten damals :~
eminenten Sinne des Wortes die Geister und schlugen mit den politischen Wogen zusamr
228
Eine Säcularfeier.
ihre gewaltigsten Wellenkreise. Zunächst der Ideenkreis des organischen Stoffwechsels, durch
Liebig im Aftfange der vierziger Jahre so glänzend eröffnet, nun durch die ausgezeichnetsten
seiner Schüler, unter denen sich nur Lehmann und Moleschott zu nennen brauchen, erfolgreich
weiter geführt; der Ideenkreis der organischen Entfaltung, die Cellulartheorie, von Schwann
um dieselbe Zeit angeregt, von Schleiden auf die Pflanzenphysiologie angewandt, von Kölliker
grossartig erweitert, von Anderen auf die Entwickelungsgeschichte, Zootomie und vergleichende
Anatomie übertragen, von Virchow im Jahre 1858 in der Cellularpathologie zum Abschluss
gebracht, und drittens der physikalische Ideenkreis, durch physikalische Analyse der meteoro-
logischen Processe an seinen Grenzen von Dove unermesslich erweitert und durch Begründung
des Gesetzes von der Erhaltung der Kraft auf einen neuen Ausgangspunkt zurückgeführt, der
erst in den folgenden drei Decennien dieser Wissenschaft einen damals noch ungeahnten
Impuls des Fortschritts ertheilen sollte. Neben all diesen positiven Resultaten des reinen
Naturwissens entwickelte sich nun auch bereits schon eine neue Art von Naturphilosophie,
der früheren romantischen in allen Stücken sehr unähnlich, aber doch nicht mehr vermögend,
durch einen in die Masse des empirischen Materials einschlagenden philosophischen Gedanken
der Weltanschauung eine neue Gedankenrichtung zu ertheilen” (1872). Der eigentliche Begründer
dieser Naturphilosophie im grösseren Umfange ist unstreitig Lotze; es gehört aber zum
Inventar dieser Philosophie im Allgemeinen die ganze Polemik gegen die Annahme einer
Lebenskraft u. s. w. (s. H. Boehmer).
Als somit die Induction auf ihrem unaufhaltsam fortschreitendem Siegeszuge auch die
Physiologie bemeistert hatte, stand sie an der Grenze der Psychologie und hier demgemäss
begannen nun die Conflicte mit der Philosophie, welche, zum ersten Male für die Natur-
wissenschaft, zu einer Niederlage führten, in dem kläglichen Fiasco des Materialismus, — und
deshalb zwar, weil die Naturwissenschaft zum ersten Male hier ihrem eigenen Princip, dem
geheiligten Palladium ihrer Weltaufgabe, untreu geworden, weil sie hatte bauen wollen, ohne
vorher die Bausteine beschafft zu haben, mit Luftbausteinen also, auf welche sich die Meta-
physiker besser verstehen (und so den Physikern naturgemäss sich überlegen erwiesen). Um
auch die Psychologie den Naturwissenschaften anzureihen, bedarf es ihrer inductiven Be-
handlung, bedarf es demnach des Materials thatsächlicher Bausteine, und sie können bei der
Subjectivität individueller Psychologie nicht aus solcher selbst, für objective Umschau, beschafft
werden, sondern nur durch die Hülfsmittel der Ethnologie in den Variationen des Völker-
gedankens, da dieser, gemäss der Gesellschaftswesenheit1) (des Zoon politikon), als primärer
voranzustehen hat, da dieser ausserdem, in typischer Schöpfungskraft jedesmal geographisch-
’) Wem unter allen Geschöpfen der Erde allein das Wort verliehen wird, der ist eben damit
zum Herrn und Beherrscher eingesetzt worden (s. Fr. Schlegel), und im Band der Sprache knüpft
sich der Gesellschaftscharakter (als Zoon politikon). Der Mensch in dem ihm eignenden Typus als
Gesellschaftswesen, charakterisirt sich in der Reihe des Thierreiches, als Animal rationale (ZwÖv
Xoyr/.ov) gegenüber den „Bestiae et pecora” (ftrjpia xal xr>jvoj). „Der Stamm des psychischen Lebens ist
überall derselbe, und die qualitative Verschiedenheit nur darin enthalten, dass die T hätigkeit, welche
im Thier bloss auf die Objecte bezogen wird, im Menschen zur Reflexion und zum Gegensatz des
Individuellen gegen das Universelle kommt” (1828), in der Seelenlehre, „als wirkliche Erfahrungs-
wissenschaft” (s. Burdach). „Der Naturzustand des Menschen ist der Stand der Gesellschaft” (s. Herder)
und die Geschichte ihr Entwickelungsgang (in Entfaltung der Gesellschaftswesenheit). Die ganze
Menschheit als ein organisches Wesen hat immer einen aus der Tiefe ihrer ursprünglichen Substanz
hervorquellenden gemeinsamen Lebensprocess (s. Lasaulx), als ein grosser Organismus, Ein „Gesammt-
wesen” (1856), mit „der Sprache göttlichen Ursprungs im Urbaren” (s. Hamann) (als Vorbedingung der
Gesellschaftswesenheit).
Eine Säcularfeier.
229
historischer Umgebung wurzelnd, aus der Wechselwirkung mit physikalischen Agenden sich
gekräftigt emporschwingt zu freien Willensthaten (im Leben der Culturgeschichte), wenn zum
Bilde der Menschheit entfaltet (beim Ueberblick des Erdenrunds).
In der Deduction, mit welcher — (unter analysirender Zerlegung der fertig gegenüber-
stehenden Idee)1) — die Thätigkeit des Menschengeistes nothwendigerweise zu beginnen hat,
lebt derselbe ein gläubiges Traumleben, (im dichterischen Schwünge während der Jugend der
Classicität, oder in seniler Verknöcherung des Scholastizismus). Zum Aufrütteln bedurfte es
jener Doppelrevolution am Ende des Mittelalters (in Astronomie und Geographie), um zum
neuen Tage erwacht, eine völlig verändert umgestaltete Weltanschauung um sich zu sehen,
mit der Bahn der Induction zur Forschungsrichtung fortab vorgezeichnet. Die Grundlage
ist in der Vergleichung gegeben, denn die Induction, im Aufbau vom Einzelnen zum All-
gemeinen, basirt auf der Controle thatsächlich gegebener Anschauungen, wie zum logischen
Rechnen erforderlich, und bald war, mit den Erdumseglungen und Entdeckungsreisen, das
Rohmaterial aus allen Variationen geographischer Kreise zusammengeströmt, um den Boden
für naturwissenschaftliche Forschung zu fundamentiren, bis zur Physiologie hinauf, (an der
Grenzlinie der Psychologie).
Die genetisch-comparative Methode der Induction wird indess auch auf die organischen
Processe im Geistigen anzuwenden sein, wie im Bereich des Körperlichen, aber trotz des, von
diesem aus, in der Psycho-Physik aufgesteckten Vorposten, fällt im Uebrigen, für ihre Beob-
achtungsobjecte, die Psyche in ein völlig neues Feld, das auf der Grundlage der gesellschaft-
lichen Atmosphäre seine eigenartigen Keime treibt, die dann erst secundär wieder, durch eine
Verkettung von Rückschlüssen, bis auf den allgemeinen Urgrund auslaufen, dessen Vor-
stellungsart selbst erst aus dem Ueberblick der Völkergedanken vorher zu klären wäre. Der
genetische Weg ist hier durch die Naturstämme geboten, wogegen er in der individuellen
Psychologie ausfällt, wegen der Unmöglichkeit, „die ersten psychischen Entwicklungen des
Kindes in den Bereich der Beobachtung zu bringen”, und dies fällt unter den drei Hinder-
lichkeiten einer naturwissenschaftlichen Psychologie „in die Armuth und Lückenhaftigkeit
ihrer Erkenntnissmaterialien” (s. Beneke), neben der „Unvollkommenheit der Auffassungsweise,
durch welche die Grundlage ihrer Erkenntniss gewonnen werde” und den „ungünstigen Ver-
hältnissen, welche sich für Verarbeitung und für wissenschaftliche Erklärung darbieten”,
wogegen mit der objectiven Betrachtung des Gesellschaftsgedanken in den ethnischen
Kreisungen, die psychischen Bausteine, wenn in einer Gedankenstatistik angesammelt, gleich-
weis gegeben sein werden, (wie in den übrigen Disciplipen der Naturwissenschaft ihre
Materialien).
Bei der „Incommensurabilität des Psychischen mit dem Somatischen” kann an eine
„Ableitung des Einen aus dem Andern in keiner Weise gedacht werden” (bei naturwissen-
j) Während das Werden, zugleich Nichtseiendes oder Unerkennbares bietend, nicht Object
der Erkenntniss im eigentlichen Sinne sein kann (b. Plato), „giebt es ein Gebiet des Erkennbaren,
in welchem jene Eigenthümlichkeit nicht stattfindet, nämlich das der allgemeinen Begriffe, die da
existiren, sowohl von den Einzelndingen, als auch von den von ihnen ausgesagten Merkmalen; diese
Begriffe, sofern sie von einer Vielheit gleichnamiger veränderlicher Einzelndinge als das ihnen
Gemeinsame abstrahirt sind, stellen sich dar als das beharrliche Object der Erkenntniss” (s. Siebeck)
im Sinne „höherer Erkenntnissweise” (der ¿-Hmfj/jrj), während es historisch gilt, aus dem Werden
das Gewordene zu verstehen (s. Droysen) in der Entwicklung (zur Vermittlung der realistisch- natur-
wissenschaftlichen und historisch-philosophischen Richtung, bei inductiver Behandlung der Psychologie).
230
Eine Säcularfeier.
schaftlicher Psychologie) und worauf es „ankommt ist nur die Begründungs- und Ver
arbeitungsweise, die Begründung lediglich auf sicherer Erfahrung, und die Verarbeitung der-
selben in den Formen der Induction, der Hypothese und ähnliche, deren sich die Erforschung
der materiellen Natur mit so unzweifelhaften Erfolgen bedient hat” (s. Beneke). Die Phantasie
bringt nach denselben Gesetzen, wie die Natur wirkend, das Gleiche in andern geselligen
Verhältnissen ausbildend, die lebendige Metamorphose der Organismen zur sinnlichen An-
schauung (J. Müller), nach „spiritual laws” (b. Drummond), aber in der psychischen Atmo-
sphäre des Gesellschaftswesens (mit dem Völkergedanken).
„Nur das genaueste und vielseitigste historische Detailstudium vermag” auf dem
Gebiete der Ethnologie („an die Geschichte des Menschengeschlechts selbst” herantretend)
„wissenschaftliche Auskunft zu geben” (s. Waitz), und so bedarf es der Materialbeschaffung
als erster Vorbedingung, die allen andern voransteht, um aus den Völkergedanken die Lehre
vom Menschen aufzubauen, — und in der Gegenwart den Anforderungen des Zeitgeistes zu
entsprechen (für die Studien der Zukunft).
Wie den übrigen Naturwissenschaften für ihre wissenschaftlichen Zwecke hat auch in
denen der Ethnologie, — (für die Psychologie, als Volker-Psychologie) —, die Aufstellung
allseitig umfassender Sammlungen als unerlässlich erste Vorbedingung zu gelten, und
seitdem jetzt das Fundament derselben fest gezimmert gegeben ist (in dem Museum für
Völkerkunde), möge auf derartig vorbereitetem Boden die neue Wissenschaft gedeihlich
emporblühen, mit der „Lehre vom Menschen”, (wie in altem Orakelworte bereits gefordert).
A. B.
Tafel - Erklärung.
Tafel I.
Fig. i. Maske aus Erlenholz, den Masmasaläni^ darstellend: das Gesicht ist hellgraublau, die
Nasenflügel und der von ihnen auslaufende, die Wangen theilende Streifen ist rot; die Flecken auf
der Stirne und unter dem Munde sind hellgraublau mit rotem Rande; die Zwischenräume weiss
(holzfarben). Die Brauen und der Bart ist schwarz, der Mund roth.
Fig. 2 a, b. Maske, beweglich, den Donnervogel Saiötl darstellend; die Wangen, die Stirne,
das Kinn sind schwarz; der Mund, die Brauen und die Nasenflügel sind schwarz und mit flimmernden
Glimmerstückchen beklebt; die Umgebung der mit aufgenagelten blanken Kupferplättchen her-
gestellten Augen ist roth; die Streifen, welche die Augenbrauen umgeben, sowie die oberen Zacken,
welche das Kinn schmücken, sind weiss. Rothe Cederrindefasern umrahmen den Kopf, der nur in
der Seitenansicht (b) ein wenig Vogelähnlichkeit zeigt.
Fig. 3. Maske, den Qomoqoa darstellend: das Gesicht ist mit Graphit geschwärzt, so dass die
Farbe flimmert; die Augenbrauen und der Mundrand sind stumpfschwarz bemalt; die Brauen
umgiebt ein weisser Rand; der innere Mundrand und die Nasenhöhlung sind roth, ebenso zwei
Einschnitte zwischen den Brauen; an den Wangen laufen rothe Streifen herunter, der Rand ist
schwarz, weiss und roth gestreift. Auf die Mundhöhlung ist blankes Kupferblech genagelt.
Fig. 4. Maske eines schreienden Waldgeistes von schwarzer silberflimmernder Graphitfarbe;
Mund und W'angenflecken, welch letztere die Form von Wappenplatten haben, sind roth. Das
Haar ist dichtes, schwarzes Pferdehaar.
Tafel II.
Fig. 1. Nui/emafZ-Maske, den „Lachs” vorstellend: das Gesicht ist von matt graublauer und
durch Graphiteinreibung flimmernd gemachter Farbe, welche die Farbe der Fischhaut gut wieder-
giebt; die Flecken um die Augen, auf der Stirn und auf dem Kinn sind dunkler blaugrau mit rothem
Rand; das Mittelstück der Na^e und der Mund ist roth; die Haare sind braun; der Rand der Maske
roth und blaugrau.
Fig. 2. Nui/ema/7-Maske, einen Fisch darstellend: die Hauptfarben sind schwarz und weiss;
schwarz ist Kinn und Nase (leider nicht auf der Zeichnung angedeutet!) und die vortretenden Augen,
welche oben rothen Rand und unten rothe brillenförmige Umgrenzung haben; roth ist die Zunge,
der Mund und der mittlere Fleck Uber der Stirne; die übrigen sind schwarz; die Federn sind schwarz
und weiss gesprenkelt.
Fig. 3. Maske, den Windgott vorstellend: das Gesicht ist schwarz; die Brauen, der Mund und
die Krone sind weiss (holzfarben); die Scalphaare schwarz.
Fig. 4. Maske eines Medizinmannes (das Wort Hametze beruht nach neuen Erkundigungen
von Dr. Boas auf einem derben Missverständniss, und muss aufgegeben werden); die Maske ist mit
weisser Farbe bemalt; die Bemalung um die Augen ist roth, die Brauen und Wangenflecken sind
schwarz, die Stirnflecken schwarz mit rothem Rand; die Haare sind rothbraune Scalphaare.
Fig. 5. NmZemaiZ-Maske, einen Fisch darstellend: das Gesicht ist schwarz; die Augen, Augen-
brauen, der Mund und das Kinn weiss (holzfarben).
I
3o
INHALT.
Heft I.
Vorwort.
Verzeichniss der Sammlung von Dr. Nachtigal’s Reisen (in den Jahren 1869—1874).
Verzeichniss der Sammlung von der Oster-Insel (bei dem Besuche S. M. Kb. Hyäne), nebst anderen
Sammlungen aus der damaligen Reise (in der Südsee).
Todtenbestattung auf den Pelau-Inseln (J. S. Kubary).
Mittheilungen Uber die Sammlungen des Reisenden Rhode in Südamerika.
Verzeichniss einer taoistischen Bildersammlung von dem Directorial Assistenten Dr. Grube.
Notizen zur lamaistischen Ikonographie von dem Directorial-Assistenten Dr. Grünwedel.
Vocabular aus Costarica, vom Bischof Thiel zusammengestellt (E. Seler).
Heft II und III.
Einleitung.
Ueber die ethnologischen Sammlungen aus der Südsee von Dr. O. Finsch.
Ethnographische Sammlung von Süd- und Ost Borneo von dem Reisenden Grabowski.
Die Verbrechen und das Strafverfahren auf den Pelau-Inseln. J. S. Kubary.
Die ethnologische Ausstellung der Neu-Guinea-Gompagnie. Dr. O. Finsch.
Notizen zur lamaistischen Ikonographie von dem Directorial-Assistenten Dr. Grünwedel. (Schluss.)
Sammlung aus Baffin-Land von Dr. F. Boas.
Afrikanische Sammlungen aus den Reisen Dr, Pogge’s (1877), Lieutenant Wissmann’s (1883), Lieutenant
von Francois’ ( 1885).
Sammlung aus Ost-Afrika, übersandt von den Reisenden der Afrikanischen Gesellschaft.
Verzeichniss der in Afrika im Jahre 1884 gesammelten ethnographischen Objecte von Dr. Wilhelm Joest.
Die Fabrication der jütländischen Töpfe, vom Director E. N. Ritzau in Kopenhagen eingesandt.
Die Holzschuh-Fabrikation in Dänemark (von demselben).
Hochzeitsgebräuche der transsilvanischen Zelt-Zigeuner, beschrieben von Dr. Heinrich von Wlislocki.
Sibirische Kurganographie.
Indianerstämme von Venezuela. Von S. Jorge Hartmann.
Nachwort. (Prof. Dr. Bastian, Dir,)
Heft IV.
Schlusswort.
Mittheilungen über die Vil^ula-Indianer (von Dr. F. Boas).
Das religiöse Leben der Bella-Coola-Indianer (von Goeken).
Die Sammlung der Schingu-Expedition von Karl von den Steinen.
Afrikanische Sammlungen.
Ethnologische Erforschungen.
Maldiven.
Eine Säcularfeier. (Prof. Dr. Bastian, Dir.)
Berlin, Druck von W. Büxenstein.
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ORIGINAL-MITTHEILUNGEN
AUS DER
ETHNOLOGISCHEN ABTHEILUNG
DER KÖNIGLICHEN MUSEEN ZU BERLIN
HERAUSGEGEBEN
VON DER
VERWALTUNG
ERSTER JAHRGANG — HEFT i
BERLIN
VERLAG VON W. SPEMANN
1885
PREIS DES JAHRGANGES (— 4 HEFTE VON JE 7—8 BOGEN UMFANG) 16 MARK
Im Verlage von W. Spemann in Berlin erschienen folgende amtliche Spezial-Kataloge
der Königlichen Museen:
Führer durch die Königlichen Museen...................................Preis M. —.5o
Beschreibung der Pergamenischen Bildwerke.............................. „ M. — .10
Beschreibung der Wandgemälde in der ägyptischen Abtheilung, von
R. Lepsius..................................................... „ M. —.3o
Verzeichniss der ägyptischen Alterthümer und Gipsabgüsse, von
R. Lepsius..................................................... „ M. —.60
Verzeichniss der Gipsabgüsse. Kleine Ausgabe........................... „ M. —.50
Verzeichniss der in der Formerei der Königl. Museen käuflichen Gips-
abgüsse .............................................................. „ M. —.40
Beschreibendes Verzeichniss der Gemälde, von J. Meyer, cart............ „ M. 4.—
Beschreibung der Gipsabgüsse der in OLYMPIA ausgegrabenen Bild-
werke ................................................................ „ M. —.20
Verzeichniss der antiken Skulpturen mit Ausschluss der Pergamenischen
Fundstücke..................................................... „ M. 1.—
Das Königl. Münzkabinet, von Friedländer und v. Sallet, geb.................. „ M. 5.—
Die Wandgemälde in der Abtheilung der ägypt. Alterthümer. З7 Tafeln in
Fol. nebst Erklärung von R. Lepsius.................................. „ M. 6.—
Geräthe und Broncen im alten Museum (Kleinere Kunst und Industrie im
Alterthum), von C. Friederichs....................................... „ M. 8.—
Die Gipsabgüsse antiker Bildwerke (Bausteine), von C. Friederichs, neu
bearbeitet von P. Wolters............................................ „ M. 12.—
Beschreibung der Vasensammlung im Königl. Antiquarium, von A. Furt-
wängler. 2 Bände, geh........................................................ „ M. 20. —
Berlin, Druck von W. Büxenstexn
ORIGINAL-MITTHEILUNGEN
AUS DER
ETHNOLOGISCHEN ABTHEILUNG
DER KÖNIGLICHEN MUSEEN ZU BERLIN
HERAUSGEGEBEN
VON DER
VERWALTUNG
ERSTER JAHRGANG — HEFT 2/3
BERLIN
VERLAG VON W. SPEMANN
1886
PREIS DES JAHRGANGES (= 4 HEFTE VON JE 7-8 BOGEN UMFANG) 16 MARK
Im Verlage von W. Spemann in Berlin erschienen folgende amtliche Kataloge der
Königlichen Museen:
Führer durch die Königlichen Museen..................................Preis M. —.5o
Beschreibung der Pergamenischen Bildwerke ............................ „ M. —.10
Beschreibung der Wandgemälde in der ägyptischen Abtheilung, von
R. Lepsius................................................. „ M. —.3o
Verzeichniss der ägyptischen Alterthümer und Gipsabgüsse, von
R. Lepsius.................................................... „ M. —.60
Verzeichniss der Gipsabgüsse. Kleine Ausgabe.......................... „ M. —.50
Verzeichniss der in der Formerei der Königl. Museen käuflichen Gips-
abgüsse .............................................................. „ M. —.40
Beschreibung der Gipsabgüsse der in OLYMPIA ausgegrabenen Bild-
werke ................................................................ „ M. —.20
Verzeichniss der antiken Skulpturen mit Ausschluss der Pergamenischen
Fundstücke................................................... ,., M. 1.—
Beschreibendes Verzeichniss der Gemälde, von J. Meyer, cart........... „ M. 4.—
Nachtrag zum beschreibenden Verzeichniss der Gemälde (1885) .... „ M. — .5o
Verzeichniss der im Vorrath der Galerie befindlichen, sowie der an
andere Museen abgegebenen Gemälde............................. „ M. 4.—
Führer durch die Sammlung des Kunstgewerbe-Museums.................... „ M. —.40
Das Königl. Münzkabinet, von Friedländer und v. Sallet, geb.................. „ M. 5.—
Die Wandgemälde in der Abtheilung der ägypt. Alterthümer. 37 Tafeln in
Fol. nebst Erklärung von R. Lepsius . ............................. „ M. 6.—
Geräthe und Broncen im alten Museum (Kleinere Kunst und Industrie im
Alterthum), von C. Friederichs....................................... „ M. 8-—
Die Gipsabgüsse antiker Bildwerke (Bausteine), von C. Friederichs, neu
bearbeitet von P. Wolters............................................ „ M. 12.—
Beschreibung der Vasensammlung im Königl. Antiquarium, von A. Furt-
wängler. 2 Bände, geh. . . „ M. 20.—
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Berlin, Druck von W. Büxenstein.
ORIGINAL-MITTHEILUNGEN
AUS DER
I '
ETHNOLOGISCHEN ABTHEILUNG
DER KÖNIGLICHEN MUSEEN ZU BERLIN
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ERSTER JAHRGANG — HEFT 4
BERLIN
VERLAG VON W. SPEMANN
1886
HERAUSGEGEBEN
VON DER
VERWALTUNG
(A. BASTIAN, DIR.)
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PREIS DES JAHRGANGES (= 4 HEFTE VON JE 7-8 BOGEN UMFANG) 16 MARK
Im Verlage von W. Spemann in Berlin erschienen
Königlichen Museen:
folgende amtliche Kataloge der
Führer durch die Königlichen Museen .............................Preis M. —.5o
Beschreibung der Pergamenischen Bildwerke.........................„ M. —.10
Beschreibung der Wandgemälde in der ägyptischen Abtheilung, von
R. Lepsius ................................................ „ M. —.3o
Verzeichniss der ägyptischen Alterthümer und Gipsabgüsse, von
R. L e p s i u ...............................................
Verzeichniss der Gipsabgüsse. Kleine Ausgabe..........................
Verzeichniss der in der Formerei der Königl. Museen käuflichen Gips-
abgüsse ..............................................................
Beschreibung der Gipsabgüsse der in OLYMPIA ausgegrabenen Bild-
werke ............................................................... .
„ M. —.60
•¡i M. .50
„ M. —.40
„ M. —.20
Verzeichniss der antiken Skulpturen mit Ausschluss der Pergamenischen
Fundstücke.................................................... „ M. 1.—
Beschreibendes Verzeichniss der Gemälde, von J. Meyer (1883). cart. . „ M. 4.—
Nachtrag zum beschreibenden Verzeichniss der Gemälde (1885) .... „ M. —.5o
Verzeichniss der im Vorrath der Galerie befindlichen, sowie der an
andere Museen abgegebenen Gemälde...................... „ M. 4.—
Führer durch die Sammlung des Kunstgewerbe-Museums............ „ M. —.40
Das Königl. Münzkabinet, von Friedländer und v. Sallet, geh. . . . .• „ M. 5.—
Die Wandgemälde in der Abtheilung der ägypt. Alterthümer. Tafeln in
Fol. nebst Erklärung von R. Lepsius................................ „ M. 6.—
Geräthe und Broncen im alten Museum (Kleinere Kunst und Industrie im
Alterthum), von C. Friederichs..................................... „ M. 8.—
Die Gipsabgüsse antiker Bildwerke (Bausteine), von C. Friederichs, neu
bearbeitet von P. Wolters.......................................... „ M. 12.—
Beschreibung der Vasensammlung im Königl. Antiquarium, von A. Furt-
wängler. 2 Bände, geh. . . ................................. „ M. 20.—
Berlin, Bruck von W. Biixenstein.
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