Ethnologisches Notizblatt.
Herausgegeben
von der
Direktion des Königlichen Museums für Völkerkunde
in Berlin.
Heft 1.
Mit 41 in den Text gedruckten Abbildungen und einer
farbigen Tafel.
BERLIN 1894.
Um sich ganz nach dem jeweilig vorhandenen Material richten zu
können, wird das Ethnologische Notizblatt iil zwanglosen Heften von
verschiedenem Umfange und Preise erscheinen. Doch werden diese aus
Gründen des buchhändlerischen Vertriebes in Serien (ä 6 oder 12 Nummern)
zusammengefasst werden. Genaue Mitteilung darüber erfolgt später.
Subskriptionen nehmen alle Buchhandlungen des In- und Auslandes
entgegen.
Das Ethnologische Notizblatt wird sich vorwiegend auf die Ethno-
logische Abteilung des Museums für Völkerkunde beschränkt halten.
Für Mitteilungen aus der Prähistorischen Abteilung (Dr. A. Voss,
Direktor) dienen die ,,Nachrichten über deutsche Alterthumsfunde“ (Bei-
lage zu der „Zeitschrift für Ethnologie“).
Ethnologisches Notizblatt.
Heransgegeben
von der
Direktion des Königlichen Museums für Völkerkunde
in Berlin.
Heft 1.
Mit 41 in den Text gedruckten Abbildungen und einer
farbigen Tafel.
BERLIN 1894.
Verlag von Emil Felber.
Inhalt.
Vorbemerkungen............................................
König Manamé..............................................
Über eine chinesische Bildrolle...........................
Neue Erwerbungen aus Hinter-Indien........................
Die grossen Steinskulpturen des Museo Nacional de México
Über die Pfeifen der Bali.................................
Ein Bronzegerät aus China.................................
Die Dolmen auf Tonga......................................
Purrah-Maske..............................................
Miszellen.................................................
Bücherschau...............................................
Betreffs der Ethnologischen Sammlung des Kamerun-Comités .
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Y orbemerkungen.
Im Anschluss an die »Veröffentlichungen des Königlichen Museums
für Völkerkunde« liegt es in Absicht, in zwanglosen Heften, je nachdem
das Bedürfnis hervortritt, Notizen über neue Erwerbungen herauszugeben
für vorläufig kurze Kenntnisnahme, vorbehaltlich späterer wissenschaft-
licher Durcharbeitung, wofür die Hefte der seit dem Jahre 1889 heraus-
gegebenen Museumsschrift bestimmt sind.
Eine Vermehrung periodisch erscheinender Publikationen für litte-
rarische Besprechung beeinträchtigt leichtlich die Bequemlichkeit des
sachlich interessierten Leserkreises, da Abhandlungen, deren er zum Nach-
schlagen bedarf, aus unübersichtlicher Zerstreuung zusammenzusuchen, mehr
kostbare Zeit oft kostet, als der Mühe wert war, (wie experientia docet).
Betreffs litterarischer Nachweise ist der Ethnologie eine ausnahmsweis
weite Umschau aufgezwuugen über fast sämtliche geographische Zeit-
schriften, viele medizinische, die biologischen und anschliessenden unter
den Naturwissenschaften, die philologisch-linguistischen und archäologischen
für mancherlei Rücksichtnahmen, kunstkritische, technische, volkswirt-
schaftliche, die der vergleichenden Rechtskunde u. s. w. Um so mehr
wird in facbgenossentlich engerem Kreis eher Hinneigung zur Konzen-
trierung gefühlt werden, oder eine Fusion, wie sie neuerdings zwischen
leitenden Blättern sich vollzogen hat, zur Empfehlung kommen (für
die Benutzung). Gleichem Zwecke dienlich, ist von den beiden Or-
ganen, welche die zugehörige Fachwissenschaft vertreten, — in ihrem all-
gemeinen Charakter und dem hiesig lokalen Zweig (das Archiv für An-
thropologie und die Zeitschrift für Ethnologie), — von deren Gründungsbe-
ginn ab ein (durch das Korrespondenzblatt vermitteltes) Zusammenarbeiten
hergestellt und festgehalten worden für die deutschen Mitglieder und
deren Leserkreis, während durch das internationale Archiv (auf dem
neutralen Boden eines Koloniallandes) weitere Vereinigungen ange-
bahnt sind; obwohl daneben dann allerdings der ethnische Poly-
glottismus zur Aussprache kommt in den vielsprachigen Zeitschriften,
die durch die Bedürfnisse der Zeit aus jedem Kulturlande der beiden
Hemisphären hinzugezogen werden müssen, und auf dem neuen Boden der
Neuen Welt besonders einen rasch erstarkenden Litteraturzweig hervor-
VI
gerufen haben, der alljährlich mit reichen Gaben wohlausgereifter
Früchte die Forscherthätigkeit ernährt (aus den auf heimischem Bodeu
gefüllten Speichern).
Bei derartig, aus der Sachlage, unvermeidlichen Zersplitterung der
periodischen Publikationen liegt kein Verlangen vor nach mehr, ausser, wenn
sich im Hinblick auf die internen Angelegenheiten der Museen untereinander
ein Sprechsaal errichten Hesse für Mitteilungen über Dublettenaustausch,
Katalogisierungsweisen, Kundgebung von Novitäten etc., und es wird der
geeignete Zeitpunkt, einem solchen Unternehmen näher zu treten, in der
Hauptsache von der Fertigstellung der im Bau begriffenen Museen ab-
hängig zu bleiben haben. In der Zwischenzeit wäre eine provisorische
Aushilfe geboten durch Ausgabe loser Blätter, je nach dem lokalen Be-
dürfnisse der einzelnen Museen.
Der Pflicht prompter Mitteilung über neu einlaufende Erwerbungen,
deren Kenntnisnahme den auf gleichem Forschungsfelde beschäftigten
Mitarbeitern dienlich sein würde, kann selten nur nach Wunsch genügt
werden; denn selbst hier in Berlin, wo bei dem Bestände unserer an-
thropologisch-ethnographischen Gesellschaft die Vorlage in den Mouats-
sitzungen ermöglicht bleibt, stösst der direkte Anschluss der Publikationen
aus redaktionellen Gründen manchmal auf Schwierigkeiten, die der Sach-
lage nach nicht wohl zu mindern sind.
Solch’ unvermeidliche Hinzögerungen kommen besonders störend zur
Empfindung, so oft durch wertvolle Erwerbungen die Verpflichtung zu
baldiger Rücksichtnahme auferlegt ist, zumal wenn es gilt, hochsinniger
Gönnerschaft die Anerkennung zu zollen, die für Förderung wissenschaft-
licher Bestrebungen möglichst unverzüglich geschuldet wird. Im Unter-
schied von solchen Instituten, die sich in der Hauptsache durch ge-
schäftliche Ankäufe zu komplettieren pflegen, sind die ethnologischen
Museen, gleich anschliessend naturhistorischen, auf die wohlgeneigte Thätig-
keit der Sammler vornehmlich hingewieseu, da nur durch ihre, aus eigenem
Antrieb geleistete, Mithilfe die für den induktiven Aufbau der Menschen-
und Völkerkunde benötigten Materialien unter den, deren Brauchbarkeit
für wissenschaftliche Verwertung garantierenden, Kautelen sich beschaffen
lassen.
Bei dem in rapiden Progressionen gesteigerten Hinschwinden der
ethnischen Originalitäten kann nicht oft genug der Mahnruf wiederholt
werden an rasche Handanlegung, um wenigstens das in letzter Stunde
noch zu retten, was hier und da aus der fortbrausenden Zerstörung übrig
sein mag, um dann das glücklich etwa Gesicherte fernerem Risiko zu
entheben und ohne Zeitverlust dort niederzulegen, wo (vor Verzettelung
und Verschleppung durch Aussenstehende, die den intrinseken Wert der
VII
Sammlung nicht kennen, geschützt) solche Wertstücke, ihres Wertes
würdig, unter kompetente Hut gestellt sind, — in denjenigen öffentlichen
Anstalten nämlich, welche zu dem Zwecke errichtet sind, um diese Doku-
mente der Menschheitsgeschichte in ihren Schatzhäusern dauernd zu
bewahren. Was seitens des Eigentümers für Reiseerinnerung gern bewahrt
zu werden pflegt, wird eine wesentliche Beeinträchtigung nicht zu fürchten
haben, da die derartige Wünsche befriedigenden Schaustücke den Museen
durchschnittlich bereits genugsam in Besitz sind. Stets aber ist es ratsam,
die heimgebrachten Privatsammlungen Sachkundigen zur Durchsicht zu
unterbreiten, weil gerade ein für Laienaugen unscheinbarstes Stück
Kleinodien kostbarster Art oftmals einschliessen mag für wissenschaft-
liche Ausbeutung.
So oft ein Reisender als Pfadfinder auf neuen Entdeckungsbahnen
in ein, ethnographischer Kunde bisher entzogenes, Terrain gelangt, muss
er voll und ganz von der Bedeutung der Aufgabe durchdrungen bleiben,
deren Lösung durch die Gunst des Geschickes in seine Hände gelegt
ist. Im Augenblicke des Kontaktes entscheidet dort das Schicksal,
welcherlei Kunde über den neu entschleierten Teil der Erde den Annalen
des Menschengeschlechtes für künftighin einverleibt bleiben wird, ob der
Völkergedanke in typisch echter Prägung oder einer Entstellung, die
niemals wieder in integrum restituiert werden kann. Denn der Reisende,
der als erster Weisser unter einem bisher abgeschlossenen Wildstamme
erscheint, hat in das, was er als organisch sprossendes Naturprodukt
psychischer Schöpfungen vor sich sieht, mit der für den Zweck seiner
Sammelthätigkeit beginnenden Berührung nun auch schon den Zersetzungs-
keim hineingeworfen, sodass es fortab dahin ist auf immer, wenn an
dem Massstab ursprünglicher Originalität geprüft, auf ungetrübte Echtheit
hin. Es handelt sich vom Standpunkt arischer Kultur vornehmlich darum,
dass dieser einverwachsen angehörige Leitungsrichtungen in einen Ge-
daukengang hineingetragen werden, der dadurch in demjenigen typischen
Charakter geschädigt wird, unter welches Fortbewahrung, als reines Ver-
gleichungsobjekt, der komparativen Methode wertvollste Dienste hätten
geleistet werden können.
Mit einer in Ursprungsfragen verlaufenden Ursprünglichkeit hat solche
Betrachtungsweise nichts zu thun; ob und welcherlei Wandlungen der
von dem Entdeckungsreisenden (in bisher dem Gesichtskreis entrückter
Abgelegenheit) angetroffene Stamm bereits eingegangen haben mag, bleibt
vorläufig, insofern (unter allen Vorbehalten) noch indifferent bei der Moment-
aufnahme des Gesamtverhaltes zur Zeit einer ersten Registrierung des psychi-
schen Barometerstandes, wie aktuell vorgefunden. Von der Zuverlässigkeit
solcher Notierungen wird es dann unabänderlich abhängig bleiben, ob und
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inwieweit weiterhin den Deutungen im Detail wird nachgegangen werden
können, bei richtiger Führung.
Unter solchen Gesichtspunkten haben ethnologische Studien vornehm-
lich dem ersten Pionier auf wissenschaftlichen Fahrten die höchste Befrie-
digung zu gewähren.
Was der Entdeckungsreisende aus dem von ihm erschlossenen For-
schungsgebiete als Erstlinge seiner Ernte heimbringt, wird in der Republik
naturwissenschaftlicher Disziplinen überall ehrfurchtsvoll entgegen genommen
und als Weihgeschenk niedergelegt werden in den Sammlungen der
Zoologie, der Botanik, der Mineralogie oder welch anderer. Erklärlicher-
weise wird jedoch der Nachfolger dessen, der die erste Lichtung geschlagen
hat, bequemere Wege, unter Erleichterung der Transportmittel, bereits
vorfinden und also, wie zu vermuten steht, Gelegenheit haben, zoologische,
phytologische, mineralogische, geologische Sammlungen auf umfang-
reicherer Grundlage und in sorgfältigerer Präparierung zu beschaffen als
sein Vorgänger, der mit grösseren Schwierigkeiten zu kämpfen hatte für
ersten Fussauftritt. Unter den Sammlungen der Museen werden also die
späteren zur Unterlage wissenschaftlicher Bearbeitung vorzugsweise heran-
gezogen werden müssen, und obwohl die frühesten Originalstücke in
pietätvoller Erinnerung stets und gern bewahrt bleiben werden, haben
sie betreffs praktischer Benutzung doch zurückzutreten vor den jüngeren
Ankömmlingen, die mit jedem folgenden Schube sich verbessern werden,
durch Ausbesserung soweit vorhandener Defekte.
Für ethnologische Sammlungen gilt das Gegenteil. So gering sie
dem Umfange nach auch scheinen sollten, werden die ersten stets die
wertvollsten, vielleicht die einzig wertvollen überhaupt im Sinne der
Originalität, zu verbleiben haben und für immer unschätzbar da stehen
ihrem Eigenwerte nach, weil alles später Hinzugekommene überragend,
obwohl wahrscheinlich zurückstehend bezüglich des Umfanges und der Viel-
seitigkeit der Beschaffung. Hierauf hat nun das weitere Augenmerk der
Sammelthätigkeit sich zu richten, (zumal wenn bei längerem Aufenthalt
auf Stationen eine systematisch geordnete Durchforschung eintreten kann),
daraufhin nämlich, dass die Einsendungen unter genauen Detailangaben
notiert und mit all’ den Erkundigungen versehen sind, die zu ihrer
Illustrierung dienen können, in all’ ihre kleinsten Einzelheiten hinein,
um dem ethno-psychischen Bildungsprozesse bis in seine äussersten Ver-
stecke nachspüren zu können.
Um die verschiedentlichen Hinweisungen, die hier vornehmlich zur
Betrachtung kommen, im konkreten Falle zu verdeutlichen, wird bei der
gegenwärtig beabsichtigten Veröffentlichung geeignete Gelegenheit ge-
boten sein, durch Anknüpfung an konkrete Fälle, besser als durch Frage-
IX
bogen, bei welchen, wenn nicht mit behutsamster Vorsicht ausgefertigt,
leicht die Gefahr »leitender Fragen« sich einschleicht (für praktisch noch
ungeschulte Reise-Erfahrung).
Mit ähnlichen Flugschriften oder Extrablättern ist bereits das
Leydener Museum vorangegangen, dem aus holländischem Kolonialbesitz
reichste Quellen fliessen und somit am häutigsten Veranlassung gegeben
ist, an zuströmendem Überfluss auch ferner Stehende partizipieren zu
lassen. In dankbarer Erinnerung solcher Gaben mag auch bei hier ge-
botener Gelegenheit die Hoffnung aufgefrischt werden, dass dem wieder-
holt ausgedrückten Wunsche Gerechtigkeit widerfahre und den kostbaren
Schätzen, die auf jenem ethnischen Stapelplatze lagern, das monu-
mentale Gebäude errichtet werde, dessen sie würdig und bedürftig sind.
Kein anderes Arbeitsfeld in der Ethnologie verspricht so ergiebige Ernten
wie der indische Archipel, wo auf deutlich umschriebener Räumlichkeit die
insularen Differenzierungen zusaramengedrängt sind, hinauserstreckt in die
Weiten ozeanischer Inselwelt, während sie anderseitig (infolge lang
andauernden Verkehrs) mit archäologischen Erinnerungen, die aus
ältesten Kulturzentren hineingeblitzt haben (aus Indien und China), in
ihren monumentalen Werken durchzogen stehen, und so die ethno-anthro-
pologische Forschung naturwissenschaftlicher Disziplinen mit den historisch-
philologischen zusammeuführen auf gemeinsamem Arbeitsfeld, zu gegen-
seitiger Ergänzung ihrer Studien (unter Wechsel weiser Kontrolle).
Denkmale, die aus der Vorzeit ihre Zerstörung überdauert haben,
sollten, da solche jederzeit hereinbrechen kann, in methodischer Forschung
unverzüglich diejenige Niedernahme finden, deren Bedeutung, auf gegen-
wärtigem Standpunkt wissenschaftlicher Studien, denselben zum vollen Ein-
druck gelangt ist, und ebenso thut Eile not bei den Kryptogamen des Men-
schengeschlechts, bei den Wildstämmen, hier mehr noch fast bei unvermeid-
lichem Austilgen* 1) durch rapide Steigerung des internationalen Verkehrs.
So hängt an einem schwachen Fädchen manches von dem, was über
die künftige Ausgestaltung der Kulturgeschichte zu entscheiden hat, und
einer kritischen Phase unterliegt die heutige Ethnologie insofern gerade,
als sie der Theorie nach auf treu echte Originalitäten hingewiesen ist,
in Wirklichkeit aber fast überall nur Zersetzungsstadien eines schon ein-
getretenen Verlaufes ab- oder aufwärts antriflft. Auch diese können
willkommene Objekte des Studiums bieten, aber, für nutzbare Auswertung,
') »When a species lias once disappeared from the face of the earth, we have no
reason to believe that the same identical form ever reappears“ (s. Darwin), und so ist
jeder Untergang einer ethnischen Originalität als Totalverlust zu beklagen, wenn nicht
1echtzeitig fixiert, weil dann eine Lücke klaffen bleibt, in dokumentarisch zu begründender
Geschichte des Menschengeschlechts (zuin Abschluss der „Gedankenstatistik“).
X
dann erst, wenn sie an mustergültigen Standardtypen zu rektifizieren sind,
um sie in den Verhältnis werten des jedesmalig erreichten Niveaus abzu-
schätzen; sonst sind sie häufig kaum mehr als nutzloser Überschuss, »Neger-
plunder und Indianertand«, wie einer Beachtung nicht wert, oder doch
ihrer Kuriositäten wegen nur, in den früheren Raritätenkabinetten, aus
denen sich ein junger Phönix entpuppt hat, seitdem die Ethnologie zum
Bewusstsein ihrer Aufgaben erwacht ist. Wie die Ammenmärchen der
Kinder dem Erwachsenen nicht schmecken, aber einen bedeutsamen
Rang unter den Gegenständen historisch-philologischer Gelehrsamkeit
beanspruchen dürfen, wenn sich von dem Hintergründe altersgrauer Edden
abhebend, so misst sich der Wert einer Sammlung in der Hauptsache
danach, ob und wie sie in der Fixierung eines bestimmt definierbaren
Entwicklungsgrades zu datieren bleibt, und dann ausserdem zugleich nach
der Autorität dessen, der sie überbracht hat. Sorgloses Sammeln kann
mancherlei Unheil anrichten, denn überall bereits droht die Gefahr der
Fälschung, indem nicht nur in Europa, sondern auch in Australien, Amerika,
Neuseeland, Indien, China die Zahl der für Anfertigung von Falsifikaten
bestimmten Fabriken stetig wächst und wachsen muss, da in gleichem
Progressionsindex, wie die Museen wachsen, die Originalitäten (mit welchen
sie gefüllt sein sollten) verschwinden, in entgegengesetzten Raten des Zu-
und Abnehmens demnach, sodass also aus Notwendigkeit gewissermassen
billiger Ersatz geschafft werden muss (bei voraussichtlich unerschwing-
licher Steigerung der Kennerpreise). Wieweit diesem Notstand viel-
leicht durch gegenseitigen Verkehr der Museen untereinander mag ab-
geholfen werden, bleibt der Überlegung anheimgestellt, in welcher Aus-
dehnung Nachbildungen in Anspruch zu nehmen seien neben denjenigen,
die bisher zweckmässigerweise für Gipsabgüsse üblich gewesen oder, um
das hei dem Ankauf lahm gelegte Kapital zu sparen, für Objekte aus Edel-
metallen (in bereits wohlbewährter Technik, naturgetreuer Reproduktion).
Eine eigentlichste Lebensfrage der Ethnologie liegt deutlich genug in der
gesicherten Begründung derjenigen Stützen, die ihr künftiges Lehrgebäude
tragen sollen, also in zuverlässig fest bestimmten Sammelstücken, be-
sonders auf solchen Arealen, die bei dem vollzogenen Untergange der
psycho-ethnischen Originalitäten von nachträglich späterer Verbesserung
ausgeschlossen bleiben. Der Stolz der ethnographischen Museen muss
nicht in der Quantität der Sammlungen, sondern ihrer Qualität gesucht
werden, in qualitativ echt bewährter Güte, zumal die quantitative Massen-
haftigkeit ohnedem von selbst schon aufgedrängt ist, aus der noch fast
unübersehbaren Vielfachheit bunt zersplitterter Arbeitsfelder.
In den unsicher und unbestimmt, häufig genug positiv falsch oder
verfälscht (einer Kontrolle entzogen), notierten Sammlungen, wie sie
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aus Rückwirkung früher mangelnder Detailkenntnis in den Museen durch
die älteren Kataloge derselben umherschwirren, von Händlern angekauft,
im Geschäftsbetrieb (ohne sachkundige Aufsicht) oder durch touristische
Reisende für Beschenkung aufgerafft hier und da (vielleicht aus dritter
oder vierter Hand, sodass der Faden der Tradition abgerissen oder doch
nicht bis zum Urquell verfolgbar ist), bedroht ernstliche Gefahr, der es
im allseitig gemeinsamen Interesse ratsam gilt durch Ummauerung mit
den angezeigten Kautelen beizeiten vorzubauen, da, wenn zweifelhaft
unsicheres Schwanken in einer noch in dem Entwickelungsstadium be-
findlichen Periode bereits einzureissen beginnt, die Konsequenzen in
Weiterfolgung von vorn herein zu chronischer Krankheitsanlage entartet
sein würden (in Permanenz).
Die ethno-historischen Areale, wie zu kartographischer Illustration
dienlich, haben im jedesmalig zusammengehörigen Komplex die Territorien
geographischer Provinzen, im Umkreis der dieselben nach verschiedenen
Richtungen hin durchziehenden Geschichtswege, einzubegreifen unter
engeren und weiteren Begrenzungen des Horizonts, je nach der lokal-
typischen Bedingung geographisch-historischer Ursächlichkeiten. Der
Ansatzpunkt ist in dem vorhandengegebenen Angetroffenen zu nehmen,
unter Ausschluss zugleich jeglicher vorgefassten Theorie, und Absehen
vornehmlich also von »qualitates occultae«, wie sie in der Rassenfrage
noch verschleppt werden, oder für die hypothetischen Ursprungsherde in
deren Ur- und »Ungrund« stecken, da solcher in der Wurzellosigkeit seiner,
zum Ausgangsthor gewählten, Wurzel blossgestellt steht und sie durch
das Spinngewebe mythischer Dichtung nicht länger versteckt halten
kann, wenn der im Laufe der saecula saeculorum aufgehäufte Staub
weggefegt wird durch die Arbeit am hellen Tageslicht (und die dafür
verlangte Säuberung der Beobachtungsobjekte). Leicht fährt der Finger
über die Landkarte dahin, um den Ausgangspunkt der Wanderungen
anzudeuten; aber um den Nagel auf den Kopf zu treffen, würde er
passlich genau in dasjenige Loch hineinzugleiten haben, aus dem der
erste Mensch, oder Itsikamakidis (gleich Jarbas oder Tuisco), herauf-
gestiegen sei (aus Höhlen der Navajos oder anderer Troglodyten), oder wenn
es sympathischer anmutet: auf denjenigen Fleck, wo er (oder sie, eine iroke-
sische Ata-ensik oder die auf Hawaii Gefallene) aus dem Himmel ge-
fallen, und zwar dem blauen, seitdem Trennung ausgesprochen ist, um
die Umarmung mit der Erde (einer Gäa oder Papa) endgültig zu lösen,
und da, wenn sie sich dreht in ihrem Rund, alle Wanderungsrichtungen
über den rundlich rollenden Globus schliesslich auf den Anfang wieder
zurückzuführen hätten, bei konsequentem Ausverfolgen, dürfte es kaum
der Mühe lohnen, all’ den Irrgängen hinterher nachzutraben, da sie
XII
schliesslich auf den Standort des Ausgangs zurückzukommen hätten.
Nicht auf frei (im Schwung der Phantasie) gezeichneten Luftwegen sind
die Völker gewandert, sondern überall und stets längs der geographischen
Geschichtswege einzig und allein, wie sie unabänderlich dem Globus
eingegraben sind (oro- und hydrographisch).
Wenn in deduktiver Vergangenheit rationellerweise nach dem Zentrum
gesucht werden konnte, um für systematisch weiterverfolgbare Sonder-
richtungen den aus generalisierenden Abstraktionen hergeleiteten Ursprung
einer arischen oder semitischen Rasse etwa [soweit unter kritischen Prü-
fungen die Wechselbeziehungen unter ihren (philologischen oder kranio-
logischen) Gleichungsformeln proportionsgemäss sich bewährt erwiesen
hätten] zu überschauen, würde dagegen, in naturwissenschaftlicher Sprech-
weise, (um auf keinen Widersinn zu stossen) untersagt bleiben müssen, von
einem Ursprungsort solcher Rasse zu reden, sowenig der landwirtschaft-
liche Zoologe nach dem der das Rennpferd (oder das Elektoral-Schaf) charak-
terisierenden Vollblutrasse suchen (oder fragen) würde, statt dies kom-
plizierte Züchtungsprodukt auf die Stammbäume seiner Komponenten
zurückzuführen (und diese für ihre Ineinauderwirkungen durchzuprüfen).
Was, unter Rückweisung auf Dishley, aus »small«, »large white« und
»middle breed« hervorgegangen, kann der Kultur für ihre Mitbethätigung
die gebührenden Anteilscheine ausstellen, versenkt sich aber vor dem
darüber hinausschauenden Blick in die, im Wildstand eingebetteten,
Wurzelfasern (und deren Einverwebung in meteorologische und tellurisch-
klimatische Agentien). Erst mit historischen Ansätzen beginnt die Chrono-
logie ihre Zahlenreihen zeitlicher Datierung, welche in der Ewigkeit der
Natur entschwinden, wenn deren Schöpfungen dem Studium vorliegen (auf
ethno-anthropologischem Arbeitsfelde oder welch’ anderem).
Indem vorläufig, um das vor dem Entdeckungsalter versagte Gleich-
gewicht herzustellen, der Induktion eine zeitweise Hegemonie zugestanden
werden muss, bleibt jede Ineinandermengung induktiver und deduktiver
Terminologie behutsam zu vermeiden, weil dadurch diametrale Gegensätze
beim Widerspiel kontradiktorischer Aufhebung miteinander (unter Simul-
taneität addierender und subtrahierender Rechnuugsoperationen) in einen
unentwirrbar durcheinanderplappernden Jargon geführt sein würden, der
erst, wenn der Zeitpunkt der Reife gekommen, zu verständlichem Aus-
druck sich klären könnte, und dann allerdings zu höchst offenkundig
deutlichstem, weil in Prüfung durch doppelte Kontrolle apodiktisch be-
währt (im Zusammenarbeiten von Deduktion und Induktion).
Dass durchschnittlich die Mehrzahl der Kunstausdrücke ihre deduktive
Färbung fortzubewahren haben, zumal wenn das psychische Gebiet ge-
streift wird in den Naturwissenschaften, ist eine aus dem überkommenen
XIII
Erziehungskursus unabweislich fliessende Folge. Umsomehr jedoch wird man
sich die Ambiguität der Wortgebilde und sprachlichen Hilfsmittel, deren
nicht entraten werden kann (und die Zweischneidigkeit des Schwertes,
womit man ficht, in Wortfechtereien allzu oft), dauernd vergegenwärtigt
zu halten haben, so oft induktive Gesichtspunkte als leitende gelten sollen
auf dem eingeschlagenen Untersuchungsgange, und hier allein zunächst
die soweit gültigen Richtungsweisen vorschreiben.
Der Volks- oder Völkergedanke, wie einfach durchsichtig markiert
innerhalb der geographischen Provinzen (nach allgemein durchgehenden
Grundzügen psychischer Primärorgane), kommt in den durch Wechselbe-
ziehungen eingeleiteten Völkerverwandtschaften für die im historischen
Wachstum gezeitigten Manifestationen zum nationalen Ausdruck, nachdem
das Kulturvolk im engeren Kreisbezirk der ihm zugehörigen Weltgeschichte
mit volkstümlich geprägten Charakterzügen sich umschrieben hat, und
eingeschrieben in die Universalgeschichte einer international-kosmo-
politisch anzubahnenden Zivilisation für die Aufgaben (des Menschenge-
schlechtes oder) der Menschheit in ihrer »Humanitas«, ein »communis
humanitatis corpus«, für jeden einzelnen zugleich denjenigen Gesellschafts-
kreis (um- und) begreifend, worin er sich selbst zu integrieren hat (zum
eigenem Verständnis).
Wie auf dem geographischen Areal der ethno-geographischen Pro-
vinzen die im Gesamtbegriff des Klimas zusammentreffenden Faktoren
ihre Effekte zeugen, bieten für die Völkerbeziehuugen unter- und mit-
einander die im Gezimmer des Erdballs vorveranlagten Geschichtswege
zuverlässige Leitungsfäden für ein komparativ-genetisches Studium, das
bei den durch Ähnlichkeiten veranlassten Fragestellungen, nachdem das
in dem psychischen Wachstumsprozesse voraus bedinglich Gleichartige
eliminiert ist, prüfend sodann fortzuschreiten hat, um für rückbleibeude
Analogien die gemeinsame Herkunft aufzusuchen; denjenigen Bahnen
folgend, welche mit wohlkonstatierten Thatsachen gangbar gepflastert
sind. Und wo solch bequemer Strassenbau noch nicht gelungen sein
sollte, mögen (und müssen oft) für Seitenwege experimentelle Lichtungen
geschlagen werden, nicht jedoch, wie ratsam bleibt, allzuweit in den Ur-
wald hinein aufs Geratewohl, sondern unter stetigem Festhalten der
Orientierungsrichtungen, damit (wenn es allzu wild und bunt werden
sollte in verführerischen Hypothesen) der Rückgang auf die offene Heer-
strasse offen und ermöglicht bleibt, um mit frischen Atemzügen am
hellen Tage diejenige Nüchternheit wiederzugewinnen, die bei streng
exakten Untersuchungen nicht entbehrt werden kann, (wenn brauchbar
verwendliche Resultate in Absicht stehen).
Wenn nach dem Forschungsgang der phyto-physiologischen aus-
XIV
verfolgt, haben die psychischen Wachstumsvorgänge, die auf der Sphäre
der (die Individualitäten einbegreifenden) Gesellschafts Wesenheit in deren
Denkreflexen entfaltet stehen, mit ihren Endwurzeln auf psycho-physische
Verflechtungen zurückzuführen, (für anthropologisch anknüpfende Frage-
stellungen, und für erdkundliche weiterhin, auf dem Mutterboden der
Erde — die gemeinsame Basis sämtlicher Forschungszweige in natur-
wissenschaftlicher Ausgestaltung).
Unter den Aufgaben der Gegenwart ergiebt sich als brennendste
Fragestellung die soziologische, die aus der Gesellschaftswesenheit des
Menschen auf die Individualität zurückführt und so jeden einzelnen auf
sich selbst in letzter Instanz.
Hier ist es, wo die in einem bestimmten Rahmen umschlossenen Arbeits-
grenzen der Ethnologie und Anthropologie hinüberstreifen in die »Lehre vom
Menschen«, um an deren induktivem Aufbau zur Abrundung einer momentan
zerrissenen Weltanschauung mitzuhelfen, sofern nun dem naturwissen-
schaftlichen Zeitalter, durch Zutritt einer ethnisch-naturwissenschaftlichen
Psychologie, die mangelnde Ergänzung gewährt werden könnte: auf no-
etischer Sphäre, wo jener Logos redet, der bald in religiösen bald in
philosophischen Ausdrucksweisen sich gekündet hat, je nach den Phasen
des Geschichtslaufs.
Indem nun derartige Probleme —- (wie alle, die für deduktive Herleitung
sich einst gestellt fanden) — seitens der Induktionsmethode in Angriff zu
nehmen waren, hatten auf dem dahin eingeschlagenen Wege Allgemein-
begriffe hervorzutreten, die der Sprache ihrer »termini technici« nicht ent-
raten können, der »vocabula quibus utuntur artifices quasi privatis ac suis«
(ciceronianisch), sodass sie in diesem Falle, wie in jedem andern, mit
mehrweniger befremdlichem Klange dasjenige Ohr zu treffen pflegen, das
sich mit dem, was sie sagen wollen, noch nicht befreundet hat und dafür
weder Veranlassung noch Neigung finden sollte, wenn durch die Kunst-
ausdrücke eigener Disziplin genugsam bereits beansprucht.
Für die in näherer Vertrautheit Beteiligten handelt es sich darum,
innerhalb solcher Allgemeinbegriffe, soweit sie sich in prinzipieller Verwen-
dung bewährt haben, genauere Erklärung in Einzelheiten zu schaffen
durch Austausch der Ansichtsverschiedenheiten in den Kontroversen, die
sich stellen.
Und hierbei empfiehlt es sich, die Grenzen der Arbeitsteilung durch
Umziehungslinien zu markieren, damit nicht bei undeutlichem Verwischen
der Teilstriche Forschungsweisen, die getrennt zu halten wären, inein-
ander verlaufen mit den daraus folgenden Missverständnissen.
Es gilt dies vornehmlich für dasjenige Studium, worein die Ethnologie
mit dem rasch gesteigerten Entwicklungsgänge der jüngst verflossenen
XV
Dezennien, eingetreten ist und wo vielfach neue Perspektiven auf ver-
wandtschaftlich benachbarte Arbeitsfelder ausgeöffnet sind, ohne dass
sich die Tragweite derselben bereits ermessen liesse, weil eben mit un-
ermessbarer Steigerungsfähigkeit geschwängert für die seit dem Ent-
deckungsalter eingeleitete Umgestaltung der Weltanschauung, wie von
den Bedürfnissen der Neuzeit verlangt*
Wenn hier, zum Anschluss an die Naturwissenschaften, die Psycho-
logie den Ausgangspunkt zu bilden hätte, in ethnologischer (oder ethnischer)
Fassung der Gesellschaftsgedanken, unter Fortführung derselben auf
historisch-geographische Modifikationen in den Völkergedanken (und deren
Konstituenten in gleichartig durchgehenden Elementargedanken), so ver-
bleibt alles dieses allerdings in unauflöslich innigster Beziehung zur
Ethnologie, (durch welche die thatsächlichen Unterlagen der Belegstücke
beschafft worden sind), darf jedoch mit den lockenden Verführungen
zu einem ßtog ftecoprjxixbq nicht von demjenigen ablenken, was der
Ethnologie oder Ethnographie zur Bewältigung ihrer Arbeitslast für
lange hinaus noch obliegt in nüchtern strenger Detailforschung,
&£(i)prjTir?jQ phv yäp rsAoq aArjdeia. npaxnx^g o epyov (bei damalig peri-
patetischer Fundamentierung des Wissensgebäudes), und erst, wenn das
Werk, (das epyov), gethan, kann Lohn einstens winken in dXrj^eia, oder
doch eine Annäherung dahin sich merkbar machen, (soweit die Alyta
und Adyta sich zugänglich erweisen).
Dieser praktische Charakter der Ethnologie tritt am überzeugendsten
vor Augen innerhalb der für ihre Zwecke begründeten Museen, wo das
vergleichungsfähige Material aufgehäuft liegt, um durch die komparative
Methode in gegenseitigen Bestätigungen sicher Gefestigtes zum Einschlag
zu benutzen, für Fortwebung an jenem cpdpog peya re xai xakov (nenoixdpevov),
der über die Eiche (oder einen mit Yggdrasils Wurzeln im Weltenbau ein-
geschlagenen Schöpfungsbaum) gebreitet, besungen worden ist, die psychi-
schen Wachstumsprozesse hervortreibend, das All zu umgreifen (mit dem
Verständnis, soweit es reicht). Was hier melodisch einst gesummt hat
zum Klange orphischer Leier, leiert sich ab im Bänkelsängerton auf dem
Tagesmarkt im Geschäftsbetrieb des Lebens, wo das Gebot der Arbeit
herantritt, wie zugefallen im Erdenlos, — eine hart saure bei soziali-
stischen Schäden, aber eine fröhlich lustige für den Arbeitslustigen, der
in ihr seine Lust zu finden weiss (aus der Arbeit Lohn).
Je scharf bestimmter die monographischen Detailarbeiten sich ab-
grenzen, desto reichbelohnender wird die Forschung sein beim Nieder-
graben in die Tiefen der abstufenden Schichtungen. Die mustergültigen
Abhandlungen, die in solcher Hinsicht während der letzten Jahre hervor-
getreten und in steter Mehrung begriffen sind, legen genügendes Zeugnis
XVI
ab, dass in Deutschland vor allem eine wohlgerüstete Streiterschaft fertig
steht, eine Phalanx gründlich geschulter und durcherprobter Forscher, um auf
dem Bereiche der Geistes Wissenschaften der Induktionsmethode ihre Rechte
zu erkämpfen im ununterbrochen allmählichen Fortgang, wo mit jedem
weiteren Schritt neues Terrain hinzugewonnen ist für den Siegeszug der
neuen Weltanschauung, wie er sich auf dem Gebiete der Kunst, der ver-
gleichenden Rechtskunde, der Technik u. s. w. in glänzenden Erfolgen
bereits proklamiert hat und so von allen Seiten her der Ethnologie
wiederum zu gute kommt (zum besten ihrer eigenen Arbeiten, in besitz-
ständiger Fachdisziplin). Und vor allem markiert sich diese in dem
altüberlieferten Charakter der Ethnographie, als Hilfswissenschaft zur
Geographie und Geschichte, in politischer Geographie (oder biologischer
neben Pflanzen- und Tiergeographie), um innerhalb chorographischer
Umrisse die rechtlichen, religiösen, technischen und sonst soziologischen
Bilder zu schildern, unter welchen das jedesmalige Volksleben verläuft,
im engeren oder schon entfernten Anschluss an die Naturheimat, die
»tellurische Lebensmitte des individuellsten Gedeihens, gewissermassen das
Paradiesesklima« (s. K. Ritter), je nach den geographischen Provinzen
(in der Umkreisungssphäre ihres geschichtlichen Horizontes).
Ähnlich wie die Anthropologie der naturgemässen Verflechtung mit
der medizinischen Fachwissenschaft ihre verhältnismässig frühere Pflege
verdankt, die wiederum eine sekundäre Stütze für die Ethnologie geliefert
hat, wird sich diese zur Ausverwertung auf diejenigen Leitungsbahnen
hingewiesen finden, auf welchen ihr aus bereits begründeten Fachwissen-
schaften der Linguistik die Einströmung ernährungsfähiger Lebenssäfte in
Erwartung stehen darf. Dadurch wird die indische Abteilung der ethno-
logischen Museen mit einem hervorragend beachtenswerten Charakter be-
kleidet; weil die, aus den (mit philologischer Kritik durchsichteten) Texten
entnommenen, Kulturergebnisse sich einerseits in den Abstufungen graduellen
Ausentwicklungsganges zurückprüfen lassen bis auf die den gleichen Boden
noch bewohnenden Wildstämme und andrerseits aus den, durch Ein-
wanderung angepflanzten, Abzweigungen fortverfolgt werden können bis
auf den Grundstamm fremder Zivilisationen, woraus entsprossen. So
schürzen sich hier aus einer Vielfachheit der Faktoren komplizierte Pro-
bleme, deren Rätsellösung, wenn glücklich gelungen, mit einer Flut neuer
Belehrungen mehrfach bereits überschüttet hat.
Auch für Chinas uralte Kultur gewährt die sinologische Fachwissen-
schaft eine festbegründete Unterlage, um daraufhin in den chinesischen
Sammlungen eines ethnologischen Museums die sozialistischen Bilder des
Mittelreiches in ihren verschiedenen Schattierungen vorzuführen (nicht nur
auf dem herrschenden Niveau der Gegenwart, sondern auch aus den Epochen
XVII
historischer Vergangenheit) und einen Anhalt zugleich für die Verzwei-
gungen längs derjenigen Leitungsfäden, welche über die Grenzmauern
hinaus in die fernen Weiten Zentralasiens verlaufen, auf dortige Zivili-
sationen hin (oder deren Trümmerreste oftmals nur), bis in unterste
Schichtungen primären Wildzustands (unwirtlicher Oden).
Überall, wo es sich um schriftlose Wild- oder Naturstämme handelt,
fällt deren Behandlung, ihrem Gesamtumfange nach, in die Domäne der
Ethnologie, da bei ihnen die im Museum vereinigten Sammlungen die
Texte repräsentieren und also alles dasjenige, was sich überhaupt an
Hilfsmitteln bietet, um daraus das ethnische Geistesleben herauszulesen
unter Entzifferung der symbolisch verkörperten Völkergedanken.
Hier gewährt Ozeanien den Vorzug insularer Differenzierungen, gruppen-
weise zerstreut über einen weitesten Flächenraum hin, während in Afrika
kulturhistorische Abscheidungen und Rückwirkungen statthaben, wie bei
den Küstenländern des Mittelmeerlandes, in den vom Nil bewässerten
Kulturarealen ebenfalls auch, oder bei denen, welche im Flussgebiete des
Nigers (und am Südrande der Wüste) Keimansätze für kulturellen Geschichts-
beginn aufweisen, hervortauchend aus dem mehrweniger gleichähnlich
gebreiteten Niveau der Unkultur (weitesten Unterbaus).
Unter einem eigenartig gedoppelten Charakter treten im ethnologischen
Museum die amerikanischen Abteilungen auf, gedoppelt in nördliche und
südliche Hemisphäre und auf jeder derselben gedoppelt wieder in Wild-
stämme und Kulturvölker, wobei hier nun auch die letzteren für die
Totalität ihrer Beziehungen in den Bereich der Ethnologie hinein geh Ören,
da die Deutungen der in Hieroglyphen verschlossenen Bilderschriften (oder
sonstigen Schriftsubstitute) nur innerhalb des ethnologischen Studienkreises
ihre wissenschaftliche Behandlung soweit erfahren* haben.
Für die Probleme, die in menschlicher Kulturgeschichte gestellt sind,
werden wichtigste Hilfsmittel geliefert sein, durch die in historisches
Werden vertieften Einblicke, welche aufzuöffnen beginnen, mit zunehmen-
der Einzelkenntnis derjenigen Kulturen, die durch die Entdeckungsschiffe
auf transatlantisch isolierter Welt angetroffen wurden, um — auf diesem
Boden einer neuen, unserer alten daheim — objektiv reingezüchtete Seiten-
und Gegenstücke zu liefern: in komparativer Methode also verwendbare
Parallelen, wie für den Fortgang auf induktivem Forschungsweg in Vor-
bedingung verlangt (zu gedeihlicher Förderung desselben).
Die Verquickung der in Menschen- und Völkerkunde neu entfalteten
Lehren mit einer Neuen Welt liegt offenkundig zu Tage, da sie erst seit
Entschleierung derselben ihren Geburtstag datieren und nun auf solchem
Boden neuerdings zuerst genügend ausgestattet worden sind, auf Grund eines
durch Staatsdotierung selbständig gemachten Wissensfaches in der res-
M. f. v.
2
XVIII
publica erudita, als »bureau of ethnology«, dem gleichwertige Parallelen
die Alte Welt noch keine aufweist, abgesehen vom Anschluss anthropo-
logischer oder ähnlicher Institute an wissenschaftliche Vereine (privater
Initiative).
Darin liegt, im übrigen, der naturgemüsse Gang der Dinge aus-
gesprochen, wie er nach Natur derselben nicht anders sein konnte, da
in amerikanischer Naturgeschichte der Mensch ebenfalls als Naturobjekt
figuriert, soweit innerhalb der Kulturstaaten im Wildzustande noch
überlebselnd, und deshalb auch vom Staatshaushalt diejenigen Rücksicht-
nahmen heischend, wie sie in den Ländern europäischer Kultur nur bei
den transmarin kolonialen Filialen in Betracht kommen könnten.
Die überall dem Menschen als Endziel der Forschung hingestellte
Kenntnisnahme von seiner eigenen Wesenheit setzt für ihre Inangriffnahme
eine über die Gesamtfläche des Globus gebreitete Basis voraus, da der
Mensch über fünf Kontinente dahin wohnt und deshalb das in ihm (sich
selbst) gestellte Problem nicht in dem bruchstückartigen Teilganzen gelöst
werden konnte, worin es bisher die einzelnen Kulturvölker, ein jedes für
sich, gesucht haben (innerhalb jedesmalig zugehörigem orbis terrarum).
Um nun zugleich nach dem Postulat der genetischen Methode, beim An-
setzen vom Einfachen für den aufklärenden Fortschritt zum Zusammen-
gesetzten, den primärst gegebenen Ausgangspunkt zu gewinnen, bieten
sich, in den Kryptogamen des Menschengeschlechtes, die Wildstämme, deren
Behandlung der Ethnologie oder Ethnographie erbeigentümlich übertragen
worden ist, seitdem sie zuerst als Hilfswissenschaft der Geographie und
Geschichte anerkannt wurde, um die der Universalhistorie bedürftige
Arbeitsteilung vorzubereiten. Unter den Aspekten ihrer heutigen Epi-
phanie steht sie auf dem Boden der geographischen Provinzen, um längs
der geographisch dem Globus eingegrabenen Geschichtswege die organischen
Wachstumsprozesse der Kultur auszuverfolgen, wie sie zu wechselnden
Entfaltungen gelangt ist, in sämtlichen Wandlungen des Menschen-
geschlechts auf dem Erdenrund (unter gleichartig durchgehenden
Grundzügen biologisch psychischer Gesetzlichkeiten).
Betreffs ihrer Aufstellung*) haben die ethnographischen Museen, vorder-
hand, die topographische festzuhalten für Unterbreitung faktisch gesicherter
Grundlagen, während kulturhistorische Gruppierungen innerhalb scharf
‘) Unter den durch die Schrankanordnung gebotenen Ausnutzungen kommt (soweit die
Raumverhältnisse erlauben) eine Trennung der Sammlungsobjekte nach dem Stoffmaterial zur
Empfehlung, auch in Anbetracht der Konservierungsmethoden, worüber experimentell bewährte
Erfahrungen willkommenen Anlass zu Erörterungen bieten werden, um die praktisch er-
langten Resultate in Vergleich zu stellen. In älteren Beständen der Museen hat manch’
kostbares Wertstück derartigen Verfall erlitten, um eine Ausrangierung zu benötigen,
XIX
umgrenzter und streng durchsichteter Areale mitunter (auch jetzt bereits)
haben gewagt werden dürfen, und hier möchten besonders Erleichterungen
sich anbahnen lassen durch Austausch der Erfahrungen (und hervor-
gerufenen Ansichten) mittelst litterarischer Erörterungen in dem Sprechsaal
einer gemeinsamen Museumsschrift, oder, ehe eine solche bereits zu
praktischer Ausführung gelangen kann, in den lokalen Publikationen der
einzelnen Museen (wie oben bemerkt).
Und so mag die vorliegende Veröffentlichung als Experiment dienen;
denn »Probieren geht über Studieren«.
A. B.
und indem jetzt chemische Künste zu verbessernden Aushilfen herbeigezogen werden,
bliebe zugleich in Betracht zu ziehen, wieweit momentan günstig erwiesene Präparie-
rungen eine Garantie bieten für die Zukunft. Neben den archäologischen Gegenständen
monumentalen Dauerbestandes erweisen sich die dem Tagesleben entnommenen (in der
Ethnologie) als mehrweniger ephemere Gebilde, — Eintagsfliegen, die gehascht sein
müssen, wie sie vorüberstreifen, gleich den psychischen Originalitäten der Wildstämme,
(und abzuheben mit zarter Hand, damit nicht im Akt des Sammelns selber schon das
feinere Geäder geschädigt sei). Für Kostümfiguren wird die anatomisch richtige Unterlage
des Gerüsts durch zunehmende Geübtheit anthropologisch geschulter Reisender in Her-
stellung von Abgussformen verbessert werden, und was durch die Verbesserung der
photographischen Verfahrungsweisen erreicht ist, verbleibt mit lebhaften Bildern in Er-
mnerung derer, welchen die Rückschau bis auf erste Anfänge hinausreicht. Wenn, wie
m Aufträgen für die Reisenden bereits in Betracht genommen war (obwohl ohne prak-
tisches Resultat bis soweit), ein Schrank mit Phonogrammen sich den ethnologischen
zwischenfügen liesse, würde dies auch der Linguistik zu gute kommen. Die europäische
Abteilung der ethnologischen Museen führt auf das Kapitel der Volkstrachten, als
anachronistisch verknöcherter Moden, und die Aufschlüsse, die dadurch im Geschichts-
gewoge des Kulturlebens gewährt werden, über die Stimmungslaunen der ihren Gischt
aufspritzenden Tageswellen, worüber die Geschichtswogen gesetzmässig geregelt dahin-
ten. Für geeignete Illustrierungen haben die Etikettierungsweisen an den gesamten
kchrankinhalt sowohl, wie an die Einzelstücke sich anzuschliessen, unter zugefügten
Erklärungen, zur Vervollständigung der Angaben im „Führer“, (bis zur Herstellung eines
»Catalogue raisonne“). Die geographische Orientierung wird durch Einlegen von topo-
graphisch lokalen Kärtchen erleichtert werden, und die Welt- oder Erdkarte muss stets
m der Aula ausgehängt sein (bei dortigen Demonstrationen). In der angeschlossenen
Bibliothek bedarf es neben den zur Hand gestellten Hand- und Lehrbüchern (und eines
Aufliegens der für die verschiedenen Fachabteilungen massgebenden Zeitschriften) aus-
reichender Vorsorge, um mit den im Fortgang neuer Entdeckungen hervortretenden Pu-
blikationen gleichen Schritt zu halten und (innerhalb der Sammlungen für deren Anord-
nungen) auf dem Laufenden zu bleiben, während (und solange) direkt persönliche
Auskunft von den Gewährsmännern noch erlangbar ist, damit die aus bisher unbekannten
E^gionen hinzutretenden (oder verbleibenden) Fragestellungen rechtzeitig sogleich richtig
gestellt werden können, zumal wenn die Reise-Ergebnisse unter verschiedenen Ankäufen
'belleicht verteilt und zersplittert worden sind. Für all’ diese und ähnlich anschliessende
Unkte dürfte es sich als angezeigt erweisen, dass, seitdem die Fundamentierungsarbeiten
eines neuen Wissensgebäudes begonnen haben, die dafür Berufenen in das Konklave ihrer
^bezüglichen Bau-Kommission zusammentreten, sei es in Jahresversammlungen oder beim
usammentreffen in dem Sprechsaal einer periodischen Publikation, die den inneren Ange-
egenheiten der Museen im besonderen gewidmet ist (und zwar je eher, desto besser).
2*
König Maname.
Maname ist nach Orientalist I, 1884, S. 184 ff. der Name eines
sinhalesischen Königs, welcher in einer Episode des Kölan-kavipota
eine Rolle spielt. An der genannten Stelle wird der ganze Vorgang aus-
führlich erzählt; ganz kurz ist es etwa folgendes: König Maname und
seine erste Königin verirren sich auf der Jagd. Sie geraten in das Gebiet
der Väddä (Vädirata), der König derselben kommt hinzu und tötet den
Maname, während die Königin sich in ihn verliebt. Sie folgt ihm, aber
auf ihrem Wege nach der Höhle der Väddä treffen sie auf einen Fluss,
Welchen sie überschreiten müssen. Der Väddä-König beredet die Königin,
ihm Kleider und Schmuck zu geben, er werde sie hinüber tragen, dann
zurückkehren und sie selbst holen. Aber der Väddä lässt die Königin
auf dem anderen Ufer sitzen und flieht mit dem Schmuck und den Kleidern
iu den Wald. Während die untreue Königin im Grase sitzt, kommen
Qakra, Mätali und noch ein Deva vom Himmel herab; Mätali in Gestalt
eines Habichts, £akra in Gestalt eines Fuchses mit einem Stück Fleisch
im Maule und der dritte Deva in Gestalt eines Fisches. Der Fuchs
lässt das Fleisch fallen und springt ins Wasser, den Fisch zu holen.
Das Fleisch fasst der Habicht und fliegt fort damit; der Fisch entkommt
dem Fuchse leicht.
Vom Fuchse verspottet, stirbt die Königin am »gebrochenen Herzen«.
Unter den zum Kölannatanavä gehörigen Masken, welche das
Königliche Museum für Völkerkunde besitzt, — die Erwerbung derselben
wurde angebahnt bei Gelegenheit der Reisen des Direktors dürften nun
die nebenbei abgebildeten Masken zur Darstellung der beschriebenen Scene
dienen. Die Nummern 2, 3, 5, 7, 10 bilden eine ältere, gut bezeichnete
Druppe, welche durch gütige Vermittlung des Herrn Freudenberg erworben
^urde, die Nummern 1, 4, 6, 8, 9 eine jüngere, von weniger guter Aus-
I
2
stattung, welche Herr Dr. Riebeck dem Königlichen Museum überwies.
Ob die Nummern 5, 8 der Legende zuzuweisen sind, ist, wie mir scheint,
weniger sicher, als es bei den anderen Nummern ist. Die Riebeckschen
Masken waren ursprünglich nicht benannt, die Bezeichnungen erhielten
sie nachträglich durch freundliche Beihilfe des Herrn Freudenberg
durch nach Ceylon gesandte und dort etikettierte grosse Aquarelle.
Fig. 1. Nachträglich in Ceylon als »the Queen« bestimmt, vgl. unter
Fig. 4. Ein Sinhalese der Karawane Hagenbeck benannte die Maske
»Vesi-muna«.
Höhe des Originals: 28 cm.
Farben: Gelb: Gesicht, die untersten Gehänge der Ohren (mit
hochrotem, kreisförmigem Fleck), die Ränder der ausgehängten Ohrlappen
(mit dunkelblauer Perle), das herzförmige Ornament in der Krone (mit
hochroter Mittelspange). Hochrot: der Mund, Ränder und Lappen der
weissen Ohren, die Konturen der schwarzen Bügelverzierungen der Krone.
3
Fig. 2. Ursprüngliche Bezeichnung: »Maname rajjuruvo« = »King
Maname«.
Höhe der Maske: 62 cm.
Farben: Gelb; Gesicht und Ohren, die breiten, aufwärtsstehenden
Blätter der Krone, der darunter liegende mit rotem Blattmuster verzierte
Stirnreif, die freigelassenen Parallelstreifen in der Kronenkappe (die
schraffierten sind grün), die kugelförmigen Ornamente auf den Wülsten
Unter der hochroten, knospenförmigen Kronenspitze; die Folie dieser
Wülste ist rot, die Punkte der Kugeln grün. Hochrot: die breiten, auf-
steigenden Hohlkehlen der Kronenkappe, die Konturen des unteren
(weissen) Stirnbandes. Die darin erscheinenden Kugelornamente sind
dunkelblau.
Fig. 3. Originalbezeichnung: »The Queen of King Maname«.
Höhe des Originals: 37 cm.
Farben: Gelb: Gesicht (mit roten Konturen), Ohrringe (mit roter
spitzer Perle), der ganze untere Teil der Krone ist gelb mit roten Kon-
turen; ferner die Blattornamente in den Zacken der Krone. Grün: die
Zacken der Krone (mit zwei gelben Strichen). Hochrot: die kleinen
schwarzgeränderten Zacken unter den grünen.
Fig. 4. Nachträglich in Ceylon bezeichnet: »Maname-raja saha
devi-ge kölam« = »King Maname and Queen« (Fig. 1).
Höhe des Originals: 29 cm.
Farben: Gelb: das Gesicht, die Mittel-Ornamente der Krone,
Bochrot: der Mund. Alles übrige: weiss.
4
Fig. 5. Ursprüngliche Bezeichnung: »Säkkramuna, the Indra«, Qakra.
Höhe des Originals: 24 cm.
Farben: Gesicht hochrot mit dunkelblauen (fast schwarzen) und
gelben Strichen, welche neben den dunkelblauen herlaufen. Augen (Iris)
Haar, Brauen dunkelblau, Augenwinkel hochrot.
Fig. 6. Nachträglich in Ceylon bestimmt: »Amäptyayä (vgl. Fig. 9) des
Väddä-Königs«.
Höhe des Originals: 27 cm.
Farben: Grün: Gesicht; Hochrot: Mund, die Konturen der auf die
drei Blätter der Krone gezeichneten Schlange, der schraffierte Rand der
Kronenblätter. Weiss: die Schlange, die Ränder der Krone.
Fig. 7. Ursprüngliche Bezeichnung »Narimuna Maske (»Gesicht«) des
Fuchses«.
Länge des Originals: 23 cm.
Farben: rotbrauner Kopf; Gelb: zwei Querstriche auf der Zunge,
der schmale Rand des Rachens und drei (aufgemalte) Nasenborsten; rot:
Rachen, Zunge, Adern im Auge.
Fig. 8. Unbezeichnet, vermutlich identisch mit Fig. 9 und 10.
Höhe des Originals: 55 cm.
Farben: Grün: das Gesicht. Weiss: die Ornamente des Stirnreifs
(mit dunkelblauen und roten Linien), die Füllungen der Kronenblätter über
der kahnartigen Unterlage ebenfalls rot gegliedert mit dunkelblauen ösen-
förmigen Zeichnungen; weiss ferner die kahnförmigen Ornamente über dem
Mittelreif der Krone, die Füllungen über den Blättern sind dunkelblau.
Hellblau mit dunkelblauen und roten Strichen: der Reif in der Krone.
Gelb: die kabnförmigen Ornamente der unteren Kronenblätter, die auf-
steigenden, schotenförmigen Blätter, sämtlich mit hochroten Konturen;
die Spitze der Krone mit roter Folie der schwarz gestilten Ornamente.
5
6.
Fig. 9. Nachträglich bezeichnet mit Fig. 6 als »The Yeddah king
and his minister«: »Yädiraja saha amäptyayä«.
Höhe des Originals: 58 cm.
Farben: Grün: das Gesicht, die äussere Hälfte der beiden grossen
Blätter der Krone, die beiden pyramidal aufsteigenden Blätter zwischen
den vorigen; die äussern Konturen der auf dem Stirnreif gebildeten
Muster. Gelb: der Stirnreif, die grossen Seitenklappen, die Mittelteile
der grossen Blätter und die spiraligen Seitenbügel der Krone, ferner das
büschelförmige Ornament über dem Stirnreif. Hochrot: Mund und
Ohrrand, die gitterförmigen Ornamente der Ohrklappen (dazwischen
schwarze Punkte), die Spitzen der gelben Kronenhlätter, die Konturen der
grünen Blätter und der linearen Ornamente des Stirnreifs; die Adern
*b Auge.
Fig. 10. Originalbezeichnung: »The king ofthe archers Vädirajjuruvo«.
Höhe des Originals: 68 cm.
Farben: Grün: das Gesicht, die über dem Stirnreif stehenden
Klappen, das grosse Mittelstück der Krone, welches mit Gitterornamenten
verziert ist; Gelb: die Grundfarbe der Krone, die Striche unter den
Augenhöhlen, unter der Nase und auf dem Kinn, die Ränder der Ohren,
^e Ornamente auf der grünen Kuppel. Hochrot: Mund, Linien im
6
Weissen des Auges, Ornamente auf dem Stirnreif, den Ohrenplatten, den
nicht schwarz ausgedeckten Teilen des Kronenkegels, ferner der innere
breite Randstreif des Rückenschildes. Blaugrün: die dunkel gezeichneten
Schuppen auf den Seitenklappen, die dunkel gezeichneten Kugelfelder auf
dem Stirnreif, der Rand des Rückenschildes. Hellblau: die Iris der
Augen.
Die oben erwähnte Erzählung mit der Einschaltung (Fuchs und
Fleisch) ist eine in Ceylon lokalisierte Variante einer in der indischen
Litteratur vielfach ausgeführten Fassung der alten Fabel; vgl. die achte
Erzählung des Pantschatantra (in Benfeys deutscher Übersetzung I. S. 310
und II. § 191 S. 468). Hierher gehört auch die von A. Schiefner aus-
führlich behandelte nordbuddhistische Fassung (Suijröni) in Melanges
Asiatiques, St.-Petersbourg 1876, VII. 737.
Albert Grünwedel,
Über eine chinesische Bildrolle.
Unter den im Jahre 1889 von dem damaligen kaiserlichen Gesandten
m Pekiug, Herrn von Brandt, erworbenen chinesischen Bildern befindet
sich eine Rolle, welche durch das hohe Alter des Originals, durch das
kulturgeschichtliche Interesse des dargestellten Gegenstandes, sowie
durch die Feinheit und Schönheit der Ausführung besondere Beachtung
verdient. Das Bild ist auf Seide gemalt und diese auf weisses Papier
aufgezogen; einschliesslich der Montierung hat es eine Länge von
11,72 m und eine Breite von 40 cm; das Bild selbst (excl. Montierung)
ist 6,15 m lang und 29V2 cm breit. Es trägt die Aufschrift: »Nach
dem Originale des Tse-tuan1) kopiert von Ch'ou Ying Shih-fu«. Dem
Bilde ist eine Nachschrift beigefügt, welche nicht nur durch die Person
des Verfassers, sondern auch durch die in derselben berichteten Schicksale
des Originales von Interesse ist.
Das Schriftstück lautet in deutscher Übersetzung folgendermassen.
»Der Flussverkehr am Ch'îng-mîng-Feste2)«.
Das von dem Meister der Akademie der Sung-Dynastie Chang Tse-
tuan gemalte Bild: »Der Flussverkehr« stellt eine Sitte jener Zeit dar,
welche dem heutigen Brauche des Gräberbesuches entspricht; daher die
lebendige Fülle. Das Bild, welches keinen vollen Fuss breit und
d Klafter lang ist, ist bewundernswert; die Menschenfiguren erreichen
kaum einen Zoll, die kleinsten darunter nur 1 bis 2 fen, und alle übrigen
Gegenstände sind in entsprechendem Verhältnis gehalten. Nach Mass-
gabe der grösseren oder geringeren Entfernung ist die Zeichnung bald
di Lmrissen, bald in detaillierter Ausführung gehalten. Von den Vor-
°rten und Feldern führt sie auf den Marktplatz der Stadt. Die Berge
sind teils gewaltig und hoch, teils sanft geneigt und niedrig, teils ausge-
waschen und gehöhlt; von den Gewässern sind einige sanft und ruhig
b Ich bediene mich der für die Aussprache des Pekinger Dialektes gemeinhin adop-
herten Schreibweise.
dem
2) „Ch'ing-rning shäng-ho'.
Flusse als auch an demselben.
Shàng-hô bedeutet hier sowohl den Verkehr auf
8
dahin fliessend, andere ausgedehnt und tief, manche in Windungen lang
sich hinziehend, manche rasch strömend und sich überstürzend; die
Bäume sind bald kahl und ohne Laub, bald in reichem Blütenschmuck,
bald so hoch und üppig, dass man ihr Ende nicht zu erblicken vermag.
Was die Menschen und Tiere anlangt, so sind da Beamte, Gelehrte,
Ackerbauer, Händler, Arzte, Wahrsager, Bonzen, Tao-sse, Schreiber,
Ruderer, Bootsleute, welche ihre Fahrzeuge an Tauen ziehen, Frauen und
Mädchen und Sklaven; die einen gehen, andere sitzen, fragen, antworten,
geben oder nehmen etwas, rufen hin und wieder, reiten im Trab oder
im Galopp, tragen Lasten auf dem Kopf oder auf dem Rücken, ziehen
oder schleppen; einige rufen ihre Vordermänner an, andere tragen Äxte
und Sägen, fegen Unrat in Körben zusammen, tragen Becher und Krüge;
andere wiederum halten die entblösste Brust dem kühlenden Winde ent-
gegen; diese sind ermüdet und haben sich zum Schlafe niedergelegt,
während jene erschöpft die Glieder recken; da wärmen sich einige an
Kohlenbecken, und andere lugen hinter Vorhängen hervor; diese schieben
auf dem Festlande den räderlosen Karren vor sich her, während jene
die schwerbeladene Barke stromaufwärts ziehen und mit äusserster An-
spannung ihrer Kräfte nur Zoll für Zoll vorwärts dringen. Auf der
hohen Böschung der rundgewölbten Brücke staut sich die gaffende Menge
zu beiden Seiten: Alles scheint zu drängen und zu lärmen, und aus
hundert Kehlen gemeinsames Geschrei zu schallen. Da giebt es Esel,
Maultiere, Pferde, Ochsen, Kamele: die einen liegen und schlafen, andere
ziehen Fuhrwerke; diese trinken, jene treten an die Futtersäcke heran
und kauen ihr Heu, den Kopf bis zur Hälfte in den Sack hineinsteckend.
Unter den Bauwerken finden sich die Gebäude der Behörden, Dorfhütten,
Tempel buddhistischer und taoistischer Klöster; da sind Thüren und Fenster
mit Schirmen und Vorhängen, Einfriedigungen von Zäunen und Mauern,
die, wenn man zwischen ihnen hindurchblickt, reihenweise vortreten. Die
Verkaufsläden, in denen Wein, Esswaren, Spezereien, Heilmittel, ver-
mischte Waren und allerhand Sachen feilgeboten werden, tragen sämtlich
Aufschriften und Firmenschilder, und die Pinselstriche sind so fein, dass
man sie kaum unterscheiden kann, — selbst einem Kenner wäre es
kaum möglich, sie zu unterscheiden. Die Pinselführung ist leicht, die
Ausdrucksweise lebendig, und bei den mannichfaltigen Gestalten des Ver-
deckten und des Hervortretenden, bei der gleichmässigen Behandlung der
Vorder- und Rückseite (der Figuren) ist keine Beeinträchtigung durch
Spuren von Änderungen oder Korrekturen bemerkbar, — »es bleibt nicht
um eines Haares Breite ein Gefühl der Unzufriedenheit zurück«, mit Tu
Shao-ling1) zu reden. Hätte er nicht Tag für Tag geschaffen und Nacht
b Der unter dem Namen Tu Fu berühmte lyrische Dichter aus der Zeit der T'ang-
Dynastie (714—774).
9
für Nacht gegrübelt — er wäre nicht imstande gewesen, diesen Höhe-
punkt der Vollendung zu erreichen. Sollte man das nicht als eine
schwierige Leistung bezeichnen dürfen?
Das Bild muss vor der Regierungsperiode Hsüan-cheng (578) ent-
standen sein, im Zeitalter des Feng-ting und Yü-ta1). Die am Anfänge
der Rolle stehenden fünf (sic!) Zeichen: yü ling shöu chln2), sowie
das kleine Siegel mit dem Drachenpaar3) sind in dem Huä-p'ü (einem Traktat
über Malerei) nicht enthalten. Während der Regierungsperiode Ta-ting
der Chin (Kin)-Dynastie (1161—1190) kam das Bild in die Schatzkammer
(chen-tsäng, Raritätensammlung) des Chang-chu in Yen-schan. Das Shü-
kuä-chi des Hö-shi sagt, derselbe gehöre samt dem Hsi-hcü cheng-piäo-
t'ü (Darstellung des Gefechtes auf dem See Hsi-hu) zu der Klasse der
genialen Werke (shen-pcin). Unter der Yüan (d. h. Mongolen)-Dynastie
kam das Bild wieder in die Kaiserliche Bibliothek (pi-fü), aber während
der Regierungsperiode Chih-cheng (1341—1368) wurde es von einem
Beamten, der es aufzuziehen hatte, durch ein gefälschtes ersetzt und an
einen hochgestellten Beamten namens ClTen Yen-lien aus Wu-ling ver-
kauft. Diesem war es sehr um dasselbe thun; als er jedoch erfuhr, dass
der Leiter (sc. der Bibliothek) wieder zurückgekehrt sei, geriet er in
Angst und wagte nicht, es zu behalten. Darauf erwarb Yang Chun das
Bild für einen hohen Preis. Zugleich will ich berichten, dass sich aus
den Stempeln des Wu-shi und Chou-shi (späterer Besitzer des Bildes)
keine Ortsangaben entnehmen lassen. Im Jahre hsln-mäo der Regierungs-
periode Chia-ching (1535) habe ich gemeinsam mit meinem Freunde
Shih-fu das Original kopiert, um das berühmte Kleinod der Nachwelt zu
überliefern. Ist das nicht erfreulich ? Hiermit habe ich das wichtigste
zusammengefasst.
Wen Cheng-ming aus Chcang-chou.»
Aus der obigen Darstellung geht zunächst hervor, dass die in Rede
stehende Kopie nicht, wie man nach der Aufschrift annehmen sollte, von
Ch'ou Ying Shih-fu allein, sondern unter Mitwirkung seines Freundes
und Berufsgenossen, des berühmten Kalligraphen Wen Cheng-ming
(1470—1559), des Verfassers der Nachschrift, angefertigt worden ist.
über das Alter des Originales scheinen sichere Angaben zu fehlen,
da nur gesagt wird, es sei vor der Regierungsperiode Hsüan-cheng
0 Über diese beiden Namen vermag ich keine Auskunft zu geben.
2) Hier liegt offenbar ein Schreibfehler vor, da das Citat nur aus vier W oiten be-
steht. Übrigens ergeben die Worte auch keinen zusammenhängenden Sinn.
3) Sonst die angeführten Zeichen, als auch das Siegel fehlen auf der vorliegen-
den Kopie.
10
entstanden, welche der nördlichen Chou-Dynastie angehört und dem
Jahre 578 n. Chr. entspricht. Da jedoch es T-tuan gleich zu Beginn
des Textes als Mitglied des Süng-h'an-lin bezeichnet wird (es ist hier
natürlich die kurzlebige Sung-Dynastie des Hauses Liu gemeint), so kann
man jener allgemeinen Angabe die nähere hinzufügen, dass das Bild vor
dem Jahre 479 entstanden sein müsse. Demnach wäre das Original bereits
über 1000 Jahre alt gewesen, als unsere beiden Maler dasselbe kopierten.
Es fragt sich nunmehr jedoch, ob die vorliegende Kopie echt, d. h. ob
sie die im Texte erwähnte, im Jahre 1535 angefertigte ist. Leider lässt
sich diese Frage keineswegs ohne weiteres bejahen; die im Texte zitierten
vier Worte verraten sich schon durch die Bezeichnung »fünf Worte«
als ein bedenklicher lapsus calami, der wohl eher auf einen flüchtigen
Kopisten als auf den Verfasser des Nachwortes zurückzuführen sein dürfte.
Auch ist das kurze Gedicht, welches auf das Nachwort folgt und aus
gereimten Versen von je sieben Worten resp. Silben besteht, nicht gerade
geeignet, unsern Glauben an die Echtheit der Kopie zu stärken, denn
gleich im zweiten Verse ist dem Schreiber das Missgeschick widerfahren,
den Reim an die vorletzte Stelle zu setzen. Und wenn schliesslich die
verschiedenen der Bildrolle aufgedrückten Siegel eine auffallende Ähnlich-
keit in Stil und Farbe zeigen, so ist auch dieser Umstand nicht ganz
unverdächtig, selbst wenn man zugeben will, dass hier vielleicht der
Zufall mitgespielt habe. Natürlich wird durch die hier geltend gemachten
Bedenkeu der Inhalt des Textes keineswegs entwertet; vielmehr liefert der-
selbe einen durchaus nicht uninteressanten Beitrag zu unserer leider noch
sehr lückenhaften Kenntnis der Geschichte der chinesischen Malerei. Dass
wir es übrigens in keinem Falle mit einer modernen Fälschung zu thun
haben, dafür bietet der Zustand des Bildes sowohl wie der Montierung
die sicherste Gewähr.
In betreff des dargestellten Gegenstandes sei zum Schlüsse noch er-
wähnt, dass das Chcing-ming-Fest in China bis auf den heutigen Tag
als Frühlings- und zugleich Totenfest in voller und allgemeiner Geltung
ist. Eine lebendige und anschauliche Schilderung dieses in die erste
Hälfte des dritten Monates fallenden Festes giebt de Groot in den Annales
du Musee Guimet, t. XI, S. 230 flgde.
W. Grube.
Neue Erwerbungen aus Hinter-Indien.
[Vorbemerkung. Die folgenden Zeilen sollen einen kurzen Überblick über
die von Herrn 0. Ehlers von seiner Reise durch Hinter-Indien mitgebrachten
und dem Königl. Museum für Völkerkunde freundlichst überlassenen Objekte
bieten. Eine eingehende Beschreibung der zum Teil sehr wertvollen Gegen-
stände kann hier nicht gegeben werden, zumal nur wenige authentische er-
läuternde Angaben (von Eingeborenen bezw. lange im Lande Ansässigen) zu
diesen Objekten vorhanden sind. — Die Abbildungen sind Herrn Prof. Dr. Grtin-
wedel zu verdanken. Die auf den letzteren vorkommenden hinterindischen
Wörter enthalten einige Namen und Bezeichnungen, die im Kontext erwähnt
Werden. Der Unterzeichnete hat diese Gelegenheit benutzt, sie hier in ein-
heimischer Schreibweise1) mitzuteilen, weil so die Abbildungen, trotz des etwas
bunten Aussehens, einen schwachen Reflex von dem wirklichen Gewirr von Kul-
turen, Sprachen und Schriftsjstemen in Hinter-Indien auch dem Laien bieten
Und damit die Schwierigkeit vor Augen führen, auf diesem Gebiete etwas für
die Ethnographie Erspriessliclies zu leisten. —
Alles von dem Unterzeichneten Herrührende ist durch Klammern [ ] ge-
kennzeichnet.]
Lao.
[Läo ist der einheimische Name eines Teils des Tai-Thai-Volkes. Es
nicht der Name eines Landes, (letzteres heisst müöng läo Land
der Lao), sondern eines Volkes. Man kann also nicht sagen. »Moi in
Laos«, wie z. B. noch 1893 (Zeitschrift f. Ethnologie, p. 217) geschehen.]
Objekte:
»Shan Violine, Laos Staaten«, [sic! — Vergl. Abbild. I, No. .
^ie die Saiten ursprünglich befestigt gewesen sind, ist nicht mehr
ersehen.]
*) [Ancb im Text sind die vorkommenden V81k^' ^“^etorgtnan^An-
eutgegen der beliebten Nachlässigkeit auf diesem worden.]
schluss an die einheimische Schreibweise angegeben und bespro
12
»Phen Low«, Lao-Orgel, Siam [lies phen oder phän Läd. Der Wohl-
klang dieser Rohrorgeln, auf denen die Lao nicht müde werden, ganze
Nächte hindurch zu musizieren, ist schon von verschiedenen Reisenden
gerühmt worden und dieses Lob ist, wie man sich überführen kann,
durchaus zutreffend. Die Grösse dieser Rohrorgeln ist übrigens sehr
verschieden. Von den im hiesigen Museum vorhandenen sind einige
etwa armlang, andere übermannshoch. Abbild. I, No. 2.]
Pfeife [aus Bambus. Abbild. I, No. 7. Vergl. den Artikel Lawa].
Viehglocke, »Baw-Plateau«.
Körbe [mit Deckeln und Holzfüssen. Sie waren ohne Provenienzangabe,
stammen aber nach den an den Füssen befindlichen Aufschriften in Lao-
Schrift offenbar aus dem Lao-Gebiete].
Packsattel.
1 2 3 4 5
Abbild. 1.
13
Sclian.
[Birmanischer Name eines Volkes, wel-
ches sich selbst Tai nennt. Von den Kat-
schin Snm genannt.]
Objekte:
Dolch [mit Silberbeschlag und Schnur.
Vergl. Abbild. III, No. 2].
Hülse für einen Dolchgriff.
Fünf »dha’s«. [Einer derselben — Griff
aus Elfenbein, Scheide mit Silber verziert —
ist abgebildet auf Abbild. IIT, No. 5. Dhä
ist birmanisch und bedeutet: Messer, Schwert.
Diese eigentümlichen langen Messer kehren
auch bei den Schan und Siamesen wieder
und tragen dort auch ähnlich lautende
Namen. Alle diese Wörter: birmanisch:
dhä, siamesisch: däp, Schan: läp, sind
wohl verwandt, wenn nicht identisch, mit
chinesisch: tao, in annamitischer (also
älterer) Aussprache: dao oder djao.]
Fünf Kleiderstoffe [ohne genauere An-
gaben. Es sind zumeist Geschenke von
Schaufürsten an Herrn Ehlers. Von der
reichen Stickereiverzierung giebt Abbild. II,
welches in starker Verkleinerung das Ende
eines Shawlähnlichen Tuches zeigt, eine
Probe].
Zwei Tragetaschen.
Zwei Ledersandalen.
Pfeife [mit Silberbeschlag. Vergl. Ab-
bild. I, No. 8].
Pincetten und Nadeln [an einem Ring
hängend].
»Spiel der Shans und Burmesen, pre-
sented by Moung Shway Hlay, Main-
loungyee«. [Mhäing-löng-gyi. — Das Spiel
ist weiter nicht erklärt.]
»Schan-Bibel aus Kan-tung« [Buddhis-
tischer Text, wohl aus Keng tüng =
Tchleng tung stammend].
Schan-Handschrift.
3
14
„Sclian in Maintlia“.
[Maing#ä (in englischer Orthographie: Maingtha) ist die birmanische
Aussprache von Schan: Müöng scä.]
Zwei Dha’s. [Vergl. Abbild. III, No. 3 u. 4. No. 3 in halboffener
Scheide. No. 4 gleicht dem Typus der Khamti-Schwerter.]
Tragedoppeltasche.
„Shan Tayoks“.
[Dieser Name bedeutet: chinesische Schan, v. birman.: San = Tai,
u. birman.: tayök = Chinese. Von den birmanischen Schan werden
sie Tai khä genannt (tai — Schan, khä = Chinese), weil sie unter chine-
sischer Oberhoheit standen und zum Teil noch stehen.]
Objekte:
»Wasserpfeife der Shan Tayoks, Chieng Hung«. [Letzteres ist die
von den Schan: Keng hung, von den Siamesen: Tchieng rung, von den
Chinesen: Tschhe-li genannte Ortschaft. Cfr. T oung Pao 1892, p. 21. —
Die Pfeife ist ganz aus Bambus, und mit Rotan-Reifen umwickelt. An
einer Schnur hängen daran: eine grüne und eine blaue Glasperle und
18 chinesische Sapeken aus den Regierungsperioden Tao-kwang 1821—1850
und Hien-fung 1851—1861. — Yergl. Abbild. I, No. 5.]
»Wage aus Chieng Hung«. [Kleine Taschenwage nach Art der chine-
sischen Schnellwagen, in einem Holzfutteral.]
»Hut aus Chieng tung«. [Schan: Keng tung, siam.: Tchieng tung.]
»Umhängetasche aus Moung Oo«.
„Miau-tsu“.
[Miäo-ts'i ist der chinesische Name für die Aboriginer im südlichen
China. Sprachlich gehören die mit diesem Namen bezeichneten Völker-
schaften ganz verschiedenen Stämmen an. So gehören die Tschung Miao
sicher, die Thsing Miao und An-schun Miao vielleicht, zu den Tai.]
Obj ekte:
»Musikinstrument der Miau-tsu, Tapin-Plateau, Tonkin«. [Vergl.
Abbild. I, No. 3. Das Instrument ist ein Mittelding zwischen dem Scheng
der Chinesen und den Phän der Lao. In einem dem hiesigen Museum
gehörigen chinesischen illustrirten Manuskript über die Miao-ts'i sind zwei
dem Stamme der »schwarzen Miao« angehörige Wilde abgebildet, welche
dieses Instrument blasen. — Ähnliche Instrumente sind abgebildet bei
A. R. Hein, die bildenden Künste bei den Dayaks, 1890, p. 116.]
15
„Muong im Gebirge von Tonkin.“
[Bekanntlich ist Müöng (genauer: miöng) nichts anderes als das
Tai-Wort müöng = Stadt, Reich, und dadurch entstanden, dass die
Annamiten den steten Beginn von Tai-Ortsnamen: müöng x (= Ort-
schaft x) für den Namen eines Volkes hielten und, da auch im An-
ttamitischen der Genetiv nachfolgt, übersetzten: die Müöng’s von x, die
AT. von y usw. Lefevre-Pontalis ist freilich im Recht, wenn er bemerkt,
»qu’on n’a pas plus le droit de prendre le mot Muong pour le nom d’une
Population, que le Piree pour un homme« *), aber dieser Name2) hat
nun einmal im Annamitischen Bürgerrecht erhalten und bezeichnet in
dieser Sprache eben die Tai sprechenden Grenzstämme.]
Objekte:
»Hackmesser« [Abbild. III, No. 1. Scheide aus Bambus hergestellt
uud halboffen].
»Doppeldolch der Muong in Phong Tho, Tonkin.«
„Paulong.“
[Wahrscheinlich sind die Paloung — von den Schan: Palöng ge-
nannt — gemeint/]
Objekte:
Bauchringe, angeblich für Frauen.
„Karen.“
[Von den Siamesen: Karieng, von den Birmanen: Kayin, von den
Schan: Yäng genannt.]
Objekte:
Tabakspfeifen.
Kleider.
„Karenni.“
[Von den Birmanen: Kayin ni (= rote Karen), von den Schan:
Yäng läng (== rote Karen) genannt. Sie nennen sich selbst: Ka-ya.]
Objekte:
Grosse Bronzetrommel. [Nach einer mündlichen Mitteilung des Herrn
Ehlers wurde diese Trommel umgekehrt als Wasserbehälter in einem Kloster
') Toung Pao, Archives pour servir ä l’etude de l’histoire, des langues etc. de
1 Asie orientale, edd. Schlegel et Cordier, 1892, p. 39. — Vergl. ebenda, p. 18.
2) Das annaraitische Schriftzeichen dafür befindet sich unter Abbild. III, No. 1.
3*
16
benutzt. — Ähnliche Trommeln sind abgebildet bei A. ß. Meyer, Alter-
tümer ans dem Ostindischen Archipel und angrenzenden Gebieten, 1884,
p. 15—21, Tafel 16—18, (von Saleier, Luang, Rotti, Letti, Jawa —
Hinterindien, Bangkok, den Karennees, China).
Vgl. ferner: F. Hirth, Über hinterindische Bronzetrommeln, in: T'oung
Pao I, p. 137—142. Neuerdings sind noch zwei dieser grossen Bronze-
trommeln von Baron van Hoevell auf der Insel Kür (»Koer«, Kei-Inseln)
Abbild. 3.
1 2 3 4 5
aufgefunden*) und beschrieben. Da van Hoevell die europäische Litte-
ratur über diese Objekte nicht kannte, so erklärte er diese Pauken für
»offertafelen of altaren, gewijd aan zonnecultus«. Auch die schon von
Riedel* 2) richtig als »Keteltrom van oost-Aziatisclien oorsprong« benannte
Pauke von Leti (vergl. a. A. B. Meyer 1, c.) ist für van Hoevell — und
seit seinem Besuch dieser Insel vielleicht auch für die Eingeborenen —
ein Sonnenaltar. »Het kostte mij veel moeite de inlanders te bewegen
het voorwerp om te keeren3). Ik voorspelde hun, dat het er dan ge-
heel anders zou uitzien en zij »Oepoe lera« [upu = Grossvater, lera
= Sonne] zouden zien verschijnen. En werkelijk toen het altaar was
1) Vergl. Tijdschrift voor Indische taal-, land- en volkenkunde etc., Deel XXXIII,
1889, p. 153-155.
2) Sluik — en kroesharige rassen, 1886, plaat XXXV.
3) Bekanntlich stand die Pauke bis dahin umgekehrt auf dem Boden und ist
auch so von Meyer und Riedel abgebildet worden.
17
°mgedraaid, kwamen en het beeid vau de zon met twaalf stralen in
t midden van ’t bovenvlak en de vier kikvorschen en relief voor den dag.
De verbazing der Letineezen was groot, toen zij mijne voorspelling be-
waarheid zagen .... Het vinden van dit voorvverp in een land, waar
11 u nog de vereering van Oepoe-lera in volle kracht is, maakte mijn ver-
moeden tot zekerheid, dat ik hier werkelijk te doen hat met een altaar
°f offertafel, gewijd aan zonnecultus, en dat vroeger, toen de kunst-
vaardigheid op deze eilanden nog grooter was, dergelijke altaren gebezigd
werden voor het doel, waarvoor nu de groote platte steenen onder den
heiligen waringinboom zijn bestemd. Mogelijk werden zij ook wel door
Brahmanen op Java en Bali vervaardigd en lierwaarts overgebracht«’).]
Katscliin.
[Birmanischer Name eines Volkes, welches sich selbst Tschinpä (=
Menschen) nennt. Die Grenzstämme von Assam nennen dieses Volk
Singfo, eine Verstümmelung aus Tschinpä* 2).]
Objekte:
Prauenjacke.
Frauenrock.
Frauenkopftuch aus Bhamo. [NB. Dieser Ortsname ist in dieser
fehlerhaften Form bei uns eingebürgert, die Birmanen schreiben und
sprechen Bammä, die Katschin: Mau ma, die Schau: Man' mä'].
Taschen.
Schwert.
Lawa. [Schan: Lawa, Siamesisch: La:wä].
[Über den Volksstamm der Läwä vergl. Bastian, die Völker
des östlichen Asien, 1866, Index s. v. Lava. Neuerdings hat Conrady,
Beschichte der Siamesen, 1893, p. 17, die Läwä zu den Tai ge-
rechnet. Dem gegenüber ist es nicht überflüssig, an die folgenden Be-
merkungen Cushings, des bekannten Tai-Forschers, zu erinnern: »The
Lewas [d. h. Lewa, Läwä] who inhabit the mountains of the territory
mentioned [d. h. »the vicinity of Kaingtung«] are wild savages, only a
part of whom have been brought to pay any tribute to the Tsawbwa of
D aingtung . . . Their language is entirely distinct from the Shan . . .
The Shan ... of Kainghong and the adjacent districts called themselves
’) Tijdschrift etc. 1889, p. 211—212.
2) Yergl. Symington, Kachin vocabulary 1892.
18
Leu [sprich: Li, Lü], The confounding of Lewa and Leu doubtless arose
from the fact that the vowel eü [d. h. i] does not exist in Burman and
a Burman interpreter would use au [d. h. 5] as an equivalent in speaking
of the Leu and call them Lau. Both the fact of the Tai Leu and the
Lewa living to the north, and the similarity of Lau and Lewa in sound
probably helped to produce the mistake .... The Lewa have no more
connexion with the Shan than the Kakhyeng etc«. British Burma
Gazetteer 1880, I, p.176—177.]
Obj ekte:
Zwei Pfeifen [s. Abbild. I, No. 4 u. 6. Beide aus Bambus. Eine
Anzahl No. 6 u. 7 fast gleichender Pfeifen, von den Bönöng(»Beunong«)
stammend, sind im hiesigen Museum vorhanden. No. 4 ist wohl chine-
sischen Ursprungs, wenigstens finden sich in der Formosa-Sammlung
zwei ähnliche vor. Mundstück und Ende von No. 4 sind aus Silber
hergestellt].
Schlingen zum Taubenfang.
Schleuder.
Viehglocke.
[Auf die aus Birma, Siam und Tongking herrührenden Gegenstände
werde ich noch gelegentlich zurückkommen.]
F. W. K. Müller.
Die grossen Steinskulpturen des Museo
Nacional de México.
Unter den Staaten, die in besonders hervorragender Weise an der
historisch-amerikanischen Ausstellung des Jahres 1892 in Madrid sich
beteiligt hatten, muss die Republik Mexico in erster Linie genannt
Werden. Nicht weniger als fünf grosse Säle hatte dieser Staat mit
Altertümern und Modellen gefüllt, die von den verschiedenen Kulturen,
die auf dem Boden des alten Mexico erwachsen sind, ein ziemlich an-
schauliches Bild gaben. Unter anderem hatte für diese Ausstellung die
Verwaltung des Museo Nacional de Mexico von den grossen Stein-
skulpturen, die teils auf dem Boden der alten Stadt Mexico selbst, teils
anderwärts im Lande gefunden sind, und die jetzt einen der grössten
Schätze des Museo Nacional de Mexico bilden, Abformungen in Original-
grosse aus Papiermache anfertigen lassen, die mit der natürlichen Farbe
des Steins bemalt alle Einzelheiten der Originale in vorzüglicher Weise
^dedergeben. Von diesen Abformungen ist es gelungen, einen Teil für das
Königliche Museum für Völkerkunde zu erwerben. Seit einen Jahre sind
diese in dem grossen Oberlichtsaal ausgestellt.
Drei der grössten und schönsten Stücke der Sammlung des Museo
Kacional de Mexico entstammen, wie Antonio de Leon y Gama in dem
bekannten Buche »Descripción Histórica y Cronológica de las Dos
hiedras etc.« (2. Ausg. México 1832) des Näheren beschreibt, den
Kanalisationsarbeiten, die in den Jahren 1790 und 1791 auf dem grossen
Klatze von México vorgenommen wurden. Es sind der sogenannte Kalender-
stein (calendario azteco), der sogenannte quauhxicalli des König
Vi$oc und die Kolossalstatue der sogenannten Teoyaomiqui. Das
Modell des Kalendersteins gelangte leider in zerstörtem Zustande nach
Madrid. Die beiden andern sind wohl angekommen. Und sie befinden
s*ch auch unter den Stücken, die für das Königliche Museum erworben
Worden sind.
Über den sogenannten Kalendersteiu, von dem in den Anales del
Museo Nacional de México, Vol. II. eine allerdings wohl nicht ganz zu-
20
verlässige Abbildung gegeben ist, ist viel geschrieben und viel phantasiert
worden. Kalenderdaten sind auf ihm angegeben. Aber richtiger ist er
als Sonnenstein zu bezeichnen. Die Skulptur zeigt ein Sonnenbild,
aus einem verzierten Ring und zweimal vier Strahlen bestehend, zwischen
denen augenartige Gebilde eingeschaltet sind. Dieses ist umgeben von
zwei Feuerschlangen, zwischen deren Schwanzenden das Zeichen mat-
lactli omei acatl = 13 Rohr angegeben ist. Die Schlangen sollen
ohne Zweifel ein Jahr bedeuten. Und »13 Rohr« ist, wie wir aus der
»Historia de los Mexicanos por sus pinturas« wissen1), das Jahr, in
dem nach der Meinung der Mexi-
kaner die gegenwärtige Sonne
geboren ward. Dem inneren Ringe
des Sonnenbildes sind die zwanzig
Tageszeichen eingeschrieben. Und
der Ring umschliesst eine Figur, die
in einem Anagramm die vier prähis-
torischen Sonnen oder Weltalter und
die fünfte gegenwärtige Sonne oder
das historische Zeitalter zur Anschau-
ung bringt. (Fig. 1.)
Die Figur zeigt nämlich das
Datum na ui olin »vier Bewegung«,
das als Zeichen der gegenwärtigen Sonne, als der für ihr Geschick be-
stimmende Tag galt. Und auf den Flügeln desselben sind die Zeichen
der vier prähistorischen Zeitalter eingeschrieben: — rechts oben naui
ocelotl »vier Tiger«, das Zeichen der Erd- oder Tigersonne; links oben
naui eecatl »vier Wind«, das Zeichen der Windsonne, links unten
naui quiyauh »vier Regen«, das Zeichen der Feuerregensonne, rechts
unten naui atl »vier Wasser«, das Zeichen
der Wassersonne2).
Im Centrum des Bildes ist das Gesicht des
Sonnengottes zu sehen — kenntlich insbeson-
dere durch die zwei Linien, die den äussern
Augenwinkel umziehen, und die genau in gleicher
Weise bei dem Sonnengott des Tonalamatl der
Aubin-Gonpilschen Sammlung und des Codex
Borgia zu sehen sind (vgl. Fig. 2). Die vier Sym-
bole, die in die Zwickel neben die vier Flügel
Anales del Museo Nacional de Mexico II. p. 90.
2) Statt der betreffenden Bilder sind in der beigegebenen Abbildung Fig. 1 nur die
Ziffern I—IV den Flügeln des olin eingeschrieben.
21
des Olin-Zeichens eingeklemmt sind, sind nicht alle in ihrer Bedeu-
tung klar. Neben der Erd- oder Tigersonne (rechts oben) sehen wir
das Zeichen ce tecpatl »eins Feuerstein«. Das ist das auf »13 Rohr«
(das Geburtsjahr der Sonne) folgende erste Jahr der gegenwärtigen Sonne
oder des gegenwärtigen Weltalters, d. h. das erste historische Jahi.
Von ihm aus rechnen daher auch die Historien der Mexikaner. In
dies Jahr verlegen die Geschichtsbücher den Auszug aus der Urheimat
Aztlan. Neben der Windsonne (links oben) ist die Krone und die
Brustplatte des alten Himmelsgottes, des Feuergottes zu sehen.
Links unten, neben der Feuerregensonne das Zeichen ce quiyauh »eins
Regen«. Rechts unten, neben der Wassersonne ein Zeichen, das mir
allerdings nach den Photographien nicht ganz deutlich ist, das vielleicht
chicome o^omatli »sieben Affe« zu lesen ist.
Der zweite der grossen Steine, der sogenannte quauhxicalli des Königs
Ti^oc, ist in klassischer Weise von Manuel Orozco y Berra in dem ersten
Bande der Anales clel Museo Nacional de Mexico beschrieben worden.
Während frühere Beschreiber durchgängig geneigt gewesen waren, in
diesem Stein einen temalacatl zu erkennen, d. h. den Stein, auf welchem
am Tlacaxipeualiztli, dem Feste Xipes, das sogenannte Sacrificio gladiatorio
stattfand, sieht Orozco y Berra in ihm ein quauhxicalli, d. h. den auf
seiner Oberseite napfartig ausgehöhlten Stein, der bei gewissen Opfern
an die Sonne eine Rolle spielte. Als ausschlaggebend für Orozco y Berra
ist der Umstand, dass der temalacatl, seinem Namen »steinerner Spinn-
wirtel« entsprechend, übereinstimmend nur in der Mitte durchbohrt be-
schrieben wird, und dass durch dieses Loch in der Mitte das Seil(aztamecatl)
geführt worden sein sollte, das den auf dem Steine kämpfenden Ge
fangenen am Fusse fesselte. Ich gebe indes zu bedenken, ob nicht die
eigentümliche Rinne, die auf dem Steine Th^ocs, das Sonnenbild auf dei
Oberfläche durchschneidend, genau an der Hiuterseite desselben, d. h. der
Relieffigur des Königs gerade entgegengesetzt, angebracht ist, vielleicht
als Führung für ein Seil zu denken ist, für ein aztamecatl, das dem
auf dem temalacatl mit unbewehrten Waffen kämpfenden Opfer erlaubte,
nach vorn (von wo vermutlich doch der Angreifende kam) bis an den
Rand des Steines vorzugehen. Die Beschreibung, die Torquemada von
dem temalacatl giebt, passt in mancher Beziehung recht gut auf unseren
Stein. Temalacatl und quauhxicalli waren Genossen. Beide sind
rund, flach walzenförmig, mit dem Bilde der Sonne oder auf sie bezüg
liehen Darstellungen geschmückt, augenscheinlich als Bilder der Sonne
gedacht, als das Idol, das bei bestimmten Ceremonien die Opferpapiere
und die Papierkleider der Opfer, bei anderen Ceremonien das Blut und
die Herzen der Geopferten und wieder bei anderen die Opfer selbst in
22
Empfang nahm. Um das Blut und die Herzen aufzunehmen, musste das
Bild napfartig gestaltet sein, aber um so stärker napfartig, je kleiner das
Werkstück selbst war.
Quauhxicalli und temalacatl und der Stein Tigocs gehören
demnach in eine ganze Klasse von Altertümern, von denen eine nicht
Fig. 3.
ganz geringe Zahl erhalten ist. Zwei grössere beschreibt Jesus Sanchez
in dem III. Bande der Anales del Museo Nacional de Mexico (pag. 127
und 296). Kleinere sind in verschiedenen Sammlungen zerstreut. Einen
kleinen Napf dieser Art besitzt auch das Kgl. Museum für Völkerkunde
aus der alten Uhdeschen Sammlung. Alle sind auf der Oberfläche oder
23
in der Peripherie oder dem Boden der Vertiefung mit dem Bilde der
Sonne, auf dem Cylindermantel mit x4ugen und Steinmessern, d. h. mit
Augen und Strahlen, den Elementen des Sonnenbildes geschmückt. Und
viele tragen auf der Unterseite das Bild der Nacht, des das Steinmesser,
d* h. die Sonne, verschlingenden Ungeheuers.
Der Stein Tiroes ist hervorragend durch die Ornamentation des
Zylindermantels. Fünfzehn Gruppen sind auf demselben dargestellt. Jede
besteht aus einem Krieger, der einen Gefangenen am Schopf hält. Hinter
^em letzteren steht die Hieroglyphe einer Stadt. Der Gefangene reicht
bern Sieger als Zeichen der Unterwerfung seine Waffe, das Wurfbrett,
^ar‘ Das Wurfbrett ist von Orozco y Berra nicht erkannt worden. Er
hielt das Instrument für ein Opfermesser. Der Sieger ist in den Gruppen
in die Tracht Te zcatlipocas gekleidet, mit dem eigentümlichen, in
24
Rauchwolken umgewandelten Fuss, der das Bild dieses Gottes in den
Handschriften kennzeichnet. Der Gefangene erscheint augenscheinlich in
der Tracht der Gottheit der betreffenden Stadt. Das ist namentlich
deutlich in der Gruppe, welche die Unterwerfung von Xochimilco dar-
stellt (Fig. 3) und in der ähnlichen (au zweiter Stelle ihr vorhergehenden)
Gruppe, welche die Unterwerfung von Colhuacan darstellt. Hier hält
der Sieger ein Weib am Schopf, das durch ihre Attribute, insbesondere
durch das mit dem Totenkopf geschmückte Webemesser (tzotzopaztli),
das sie in der linken Hand hält, als die Erdgöttin Ciuacouatl, die
Göttin von Colhuacan und Xochimilco, gekennzeichnet ist. Diese Dar-
stellung der Eroberung und Unterwerfung einer Stadt ist typisch. Sie hat
ihre letzten Ausläufer in den Valientes des Codex Mendoza, die eine
besondere auszeichnende Tracht erhalten, weil sie einen oder mehrere
Gefangene gemacht haben. Eine genaue Parallele zu den Skulp-
turen des Steines Tigoc’s existiert in Felszeichnungen des Peñón de
los baños, des Tepetzinco, der ehemals inmitten der Wasser des Sees
von Mexico aufragte. Auch hier ist der Sieger (vgl. Fig. 4) in die Tracht
Tezcatlipocas gekleidet. Auf dem Stein TÍ90CS halten die Besiegten
die Wbirfspeere in der linken Hand hinter sich und reichen mit der
Rechten das Wurfbrett dar. Auf dem Peñón de la baños reicht der
Besiegte die Speere dar und hält mit der andern Hand das Wurfbrett
hinter sich.
Auf dem Stein TÍ90CS ist der eine der Sieger, der an der Vor-
derseite, genau gegenüber der Stelle, wo auf der Oberseite die Rinne
das Sonnenbild durch schneidet, in reicherer Tracht dargestellt. Er wird
durch die hinter seinem Kopfe angebrachte Hieroglyphe als Ti90c oder
Ti^ocic, der siebente der mexikanischen Könige (1483—1486), gekenn-
zeichnet. Der Gefangene, den er am Schopf hält, ist der König oder
der Gott der Matlatzinca d. h. der Leute von Toluca. Wir wissen aus
der Crónica mexicana des Tezozomoc, dass König TÍ90C in der That ver-
hältnismässig glücklich mit dieser Nation kämpfte. Dies und die andern
Hieroglyphen sind in der oben genannten Arbeit Orozco y Berras in be-
friedigender Weise erörtert worden. Ich begnüge mich daher, hier
darauf zu verweisen. Einige der Hieroglyphen lese ich allerdings anders.
Ich lese von vorn nach rechts fortschreitend: Matlatzinco, Tochtlan
(s. Andres Tuxtla), Auilizapan (Orizaba), Auexoyocau, Colhuacan,
Tetenanco, Xochimilco, Chalco, Tama9olapan, Acolman, Tepet-
lapan, (undeutlich), Tonatiuhco, Poctlan (Mixteca baja), Cuetlacht-
lan (Cotastla).
Der dritte der grossen unter dem Pflaster der Hauptstadt Mexico
gefundenen Steine ist die Kolossalstatue, die allgemein unter dem Namen
25
Teoyaomiqui geht. Der Name ist falsch und irreleitend. Die dar-
gestellte Person ist die Erdgöttin der Mexikaner, die an verschiedenen,
Orten unter verschiedenen Namen verehrt wurde, — als Teteoinnan
oder Toci, Ciuacouatl, Couaxolotl, Quilaztli, Coatlicue
Tonantzin, Tla^olteotl — und dementsprechend auch verschieden
dargestellt wurde, je nachdem eben die eine oder die andere Seite ihres
Wesens besonders beachtet wurde.
Die Erde war den Mexikanern, wie allen Völkern, die grosse Mutter,
die alles Lebendige aus ihrem Schosse gebiert, dem Himmel als Vater
gegenübergestellt. Aber sie war auch, und diese Seite ihres Wesens tritt
bei den Mexikanern besonders in Vordergrund, das Ungeheuer, das die
Sonne verschlingt, das Himmelswasser versickern lässt und allem Lebendigen
ein Grab bereitet, die Göttin des Tlillan, des Reiches des Dunkels. In
dieser Auffassung wurde sie mit Totenkopf dargestellt und mit Todes-
symbolen ausgestattet. So sehen wir sie in dem Steinbild von Tehuacan,
das ich in Fig. 7 wiedergegeben habe und auf das ich gleich zu sprechen
kommen werde. Und diese Form der Erdgöttin führt auch das Kolossal-
bild der sogenannten Teoyaomiqui vor Augen. Das Steinbild von
Tehuacan (Fig. 7) ist geradezu der Schlüssel für die Deutung der Teoyao-
uiiqui. Beide Figuren stimmen zunächst überein in der Haltung, die
bei der Figur von Tehuacan deutlich die eines zum Sprunge bereiten
Raubtiers ist. Beide haben Tigertatzen, Beide sind um die Hüften mit
einem aus Schlangen geflochtenen Gewand umgeben — eine deutliche
Illustration des einen Namens der Erdgöttin: Couatlicue »aus Schlangen
besteht ihr Rock«. Aber der Kopf ist bei der Kolossalstatue von Mexico
abgeschnitten gedacht. Die Wundränder, die in den Bilderschriften
regelmässig mit besonderer gelber Farbe abgesetzt und mit lappigem
Rand gezeichnet werden, sind hier im Stein ebenfalls besonders abgesetzt
und mit einer gekerbten Ornamentation versehen. Aus der offenen
Wunde schiessen an unserer Statue, wie die Blutströme aus den beiden
-Porten, zwei Schlangen hervor, die seitlich hervorbrechend, ihre Köpfe
nach der Mitte biegen und in der Mitte sich mit den Schnauzenenden
berühren. So entsteht gewissermassen als ein neuer Kopf ein Schlangen-
Roppelgebilde, das vorn und hinten denselben Anblick gewährt und ein-
heitlich erscheint, weil das Auge und die Zähne der beiden Schlangen
sich symmetrisch verteilen, und die Hälften der gespaltenen Zungen
ebenfalls zu einer Schlangen-Doppelzunge sich zusammenschliessen. Das
ganze Gebilde ist augenscheinlich eine Illustration eines andern Namens
der Erdgöttin: Ooua xolotl »Schlangendoppelgehilde«, der in Torquemada
2 Rap. 58 angegeben wird, und aus welchem mit geringer Umbildung
der Name Quaxolotl das »Kopfdoppelgebilde« auch ein Name de)
26
Erdgöttin — entstanden zu sein scheint. Was den Umstand betrifft,
dass die Kolossalstatue von Mexico die Erdgöttin geköpft darstellt, so
erinnere ich daran, dass hei allen Festen, wo der Erdgöttin eine Frau
als ihr Abbild als Opfer dargebracht wurde, diese geköpft und darnach
geschunden wurde. In ähnlicher Weise wie der Kopf, sind an unserer
Statue auch die Hände abgeschlagen gedacht, und aus den Wundrändern
schiesst je eine Schlange hervor. Von dem Steinbild von Tehuacan (Fig. 7)
unterscheidet sich die Kolossalstatue von Mexico ferner durch den Um-
stand, dass die Tigerfüsse mit Adlerfedern bedeckt erscheinen, — eine
Darstellung, die auch in den Bilderschriften nicht selten beobachtet
wird, und durch einige Trachtbesonderheiten. Die Kolossalstatue trägt
um die Handgelenke Ringe aus Fell, von denen zwei lange Riemen
herabhängen. Um den Hals trägt sie eine aus Schlangen geflochtene
Schnur, auf der abgeschnittene Hände und ausgerissene Herzen aufgereiht
sind, mit einem grossen Totenkopf als Mittelstück. Endlich hat sie noch
hinten ein besonderes Trachtstück, eine Art Schurz aus geflochtenen
Riemen, an deren Enden Schneckengehäuse hängen, am oberen Ende, da
wo der Schurz am Gürtel befestigt ist, mit
einem Totenkopf geschmückt. Dieses Tracht-
stück ward citlalin icue »Sternenrock«
genannt und war ein besonderes Abzeichen
der Erdgöttin. So ist es z. B. in der
Figur der Erdgöttin zu sehen, mit welcher
im Codex Telleriano Remensis das Och-
paniztli, das Besenfest, das Fest der
Erdgöttin, bezeichnet wird (Fig. 5). So
ist es deutlich auch an der Ciuacouatl
in der Gruppe »Eroberung von Xochimilco«
auf dem Steine Tifocs (Fig. 3) zu erkennen.
Würde nichts weiter an der sogenannten
Teoyaomiqui auf die Erdgöttin hin-
weisen, dies eine Trachtstück wäre aus-
schlaggebend. Die Schneckengehäuse an diesem schurzartigen Riemen-
behang brachten beim Gang ein rasselndes Geräusch hervor. An anderer
Stelle habe ich darauf hingewiesen, dass dieser Schurz ein huaxtekischer
Trachtbestandteil ist. Die huaxtekischen Krieger trugen einen solchen,
um durch das Geräusch beim Gang dem Feinde Schrecken einzuflössen.
Und die Erdgöttin trägt ihn, weil sie im Küstenlande der Huaxteca hei-
misch gedacht wurde.
Ich gehe nun zu den beiden aus weissem Trachyttuff gearbeiteten,
zum Teil mit kostbaren Steinen inkrustierten und bemalten Figuren über,
27
die ans Tehuacan (an der Strasse nach Oaxaca) in das Museo Nacional
de Mexico gekommen sind. Vgl. Figg. 6—8. Sie sind schon von
Chavero richtig als Feuer-, d. h. Himmelsgott, und als Erdgöttin gedeutet
Worden. Eine andere Deutung hat Hamy in seinen Decades Americanae
versucht. Hamy ist der erste, der die Aufmerksamkeit auf die Hiero-
glyphen gelenkt hat, die auf dem Hinterkopf dieser Figuren angebracht
sind, und die augenscheinlich die dargestellte Person kennzeichnen sollen.
Hamy stützt seine Interpretation auf diese Hieroglyphen. Er hat aber
dieselben nicht richtig gelesen und geht deshalb in seiner Deutung fehl.
Hie beiden Hieroglyphen (vgl. Figg. 9 und 11) geben je ein Tages-
datum, aber nicht die Tage »acht Tod« und »vier Schlange«, wie Hamy
liest, sondern »acht Drehkraut« (chicuei malinalli) und »vier Kro-
kodil« (naui cipactli). Das ist ohne weiteres klar, wenn man die
betreffenden Zeichen mit den Bildern von malinalli und cipactli ver-
gleicht, die ich in den Figg. 10 und 12 nach dem Codex Telleriano
Hemensis wiedergegeben habe.
Fig. 6.
Fig. 7.
Fig. 8.
bei ihren Nachbarn, den Leuten von Tehuacan, beobachtete Sitte, die
Es war bei den Zapoteken
Fig. 9. Fig. 10. Fig. 11. Fig. 12.
bei den Zapoteken und Mixteken, und so jedenfalls auch
28
Personen mit einem Datum zu bezeichnen, das bei den irdischen Per-
sonen wohl das Datum ihrer Geburt war. In gleicher Weise wur-
den nun aber auch die Götter mit einem Datum bezeichnet, und in
den Bilderschriften mythologischen Inhalts, die aus diesen Gegenden
stammen, finden wir daher regelmässig neben den göttlichen und son-
stigen Figuren ein Datum als ihre Namenshieroglyphe angegeben. Eine
der wichtigsten dieser Bilderschriften ist der Wiener Codex. Und hier
glaube ich auch die Figuren von Tehuacan nach ihren Hieroglyphen be-
stimmt erkennen zu können. Allerdings nicht mit dem Namen »acht
Drehkraut«, sondern mit dem Namen »neun Drehkraut« (chiconaui
malinalli) kommt in dem Wiener Codex eine Göttin vor, mit Totenkopf
und Todessymbolen, die augenscheinlich ein Analagon des Steinbildes Fig. 6
ist. Ich habe in Fig. 13 eine der Stellen, wo diese Göttin in der Hand-
Fig.113.
Schrift vorkommt, wiedergegeben. Es ist ihr gegenüber daselbst ein Priester
gezeichnet, der mit schwarzer nächtlicher Farbe gemalt ist und die
Perrücke des Todesgottes trägt. Er bringt der Göttin eine Wachtel als
Opfer dar. Cbiconaui malinalli ist dadurch als Göttin deutlich gekenn-
zeichnet.
Unter dem Namen Nani cipactli ist im Wiener Codex ein Gott
gezeichnet, der mit heller Farbe gemalt ist, und dessen Gesicht aus dem
anfgesperrten Rachen eines Krokodils (cipactli) hervorsieht. Ei ist auf
Blatt 13 dieser Handschrift auf dem Sternentkron stehend dargestellt, und
ihm gegenüber bringt ein Priester eine Wachtel als Opfer dar. (Fig. Io.) Ohne
Zweifel ist es der alte Himmelsgott, der Tonacatecutli oder Ometecutli
der Mexikaner, im Wesen identisch mit dem Feuergott. Und diesen stellt
ohne Zweifel auch das Steinbild von Tehuacan (Fig. 6 u. 8) vor. Im engeren
Sinne dürfte der Gott als Camaxtli oder Mixcoatl bezeichnet werden,
denn auf den Beinen und Armen ist eine rote Längsstreifung sichtbar,
genau der entsprechend, mit der in den Bilderschriften der Gott
Camaxtli oder Mixcoatl dargestellt ist. Allerdings ist in den
Bilderschriften diese Streifung ausnahmslos verbunden mit einer tief-
schwarzen halbmaskenartigen Bemalung um das Auge. Von diesei
an dem Steinbild von Tehuacan keine Spur, oder keine Spur mehr vor-
handen zu sein. Ein besonderes Attribut ist noch zu erwähnen, welches
das Steinbild von Tehuacan an einer um den Hals gehenden Schnur auf
dem Rücken trägt. Das ist natürlich kein Ajate oder Netzmantel, wie
Hamy will, sondern ein bestimmtes Attribut. Es ist die Devise des
Feuergottes, der Xiuhcouatl, den der Feuergott als Abzeichen auf dem
Bücken trägt. Das zeigt der Vergleich mit dem Xiuhtecutli des Saha-
gun-Manuskriptes, den ich in Fig. 14 wiedergegeben habe. An dem Stem-
hilde fehlt der Drachenkopf. Aber der Leib mit den winkligen Absätzen
ond dem spitzen Schwanzende ist genau in gleicher Weise angegeben.
Von den andern Figuren erwähne ich noch das aus rötlichem Stein
gefertigte Bild Fig. IG, weil das bisher noch nicht bestimmt agnoszier
Worden ist. Die Figur ist auf einem augenscheinlich aus Holz geschm z
^en Stuhle sitzend dargestellt. Arme und Beine sind mit Bilden
Blumen in verschiedenen Formen (vgl. Fig. 18) geschmückt. Vom
ZUr Brust herab hängt ein mit Tierkrallen geschmückter
öüt Tierkrallen besetzter Ring umgiebt die Knöchel. Über Sc
Zacken fällt eine am Rande mit Federn besetzte Kapuze, au er eigen
Üimliche Symbole (vgl. Fig. 19) angebracht sind. Bemerkenswer w ,
(lass die Ausarbeitung deutlich eine das Gesicht bedeckende
Fennen lässt. Diese Figur scheint Macuilxochitl »Fün ^
einen an der Grenze des Zapotekenlandes, wie es scheint, emheimisc en
m. f. y. 4
— 30
Gott (Gott des Spiels, Gesangs und Tanzes) — oder einen seiner Ge-
nossen darstellen zu sollen. Beweisend ist dafür, neben der Blumen-
ornamentik, vor allem das Symbol Fig. 19, das auf der Kapuze, und auch
auf dem Stuhl, auf dem er sitzt, angebracht ist, das eines der wesent-
lichsten Embleme Macuilxochitls und seiner Genossen ist (vgl. Fig. 17)
und das der aztekische Sahagun-Text als tonalli-Emblem bezeichnet.
Macuilxochitl und seine Genossen führen den yollotopilli, den Stab
mit dem Herzen, über dessen Symbolik ich an anderer Stelle gesprochen
habe. Ein paar solcher Stäbe scheint auch das Steinbild Fig. 16 in den
Händen gehalten zu haben. Sitzende Steinbilder dieser Art, mit einem
yollotopilli in der Hand, waren in Mexico auf der Plattform des grossen
31
lempels, zu beiden Seiten des Doppelsacrariums angebracht. Das ist aus
dem Bilde dieses Tempels in dem Atlas zu der Ausgabe der Geschichte
des P. Duran zu ersehen, und deutlicher in einem Grundriss desselben,
der in dem aztekischen Manuskript des GeschichtsWerkes des P. Sahagun
111 der Biblioteca del Palacio in Madrid gegeben ist. Die beiden Bilder
werden hier als Macuil cuetzpalin und Macuil calli »Fünf Eidechse«
Ur)d »fünf Haus« bezeichnet. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass auch
das Bild Fig. 16 einem gleichen Zwecke diente.
Seler.
4%
Über die Pfeifen der Bali.
(Vorläufige Mitteilung.)
Durch grössere und beinahe systematische
Aufsammlungen Dr. Zintgraffs und des Frh. von
Steinaecker ist das Museum in den Besitz einer
reckt beträchtlichen Sammlung aus dem Bali-Lande
gelangt, jener Gegend im Hinterlande von Kamerun,
die eine Zeit lang als der künftige eigentliche und
natürliche Mittelpunkt uuserer westafrikanischen
Kolonie erschienen war, jetzt aber dem Vernehmen
nach wieder aufgegeben, bezw. ohne europäische
Aufsicht gelassen werden soll.
Unsere Bali-Sammlung wird daher — von ein-
zelnen Stücken, die jetzt da und dort in Deutschland
zerstreut sind, abgesehen — voraussichtlich lange
Zeit völlig vereinzelt bleiben und bei der nun einmal
eingeleiteten Zersetzung der ursprünglichen Verhält-
nisse des Bali-Landes für alle Zeiten ein wichtiges
Denkmal seiner primitiven Zustände vor dem Auf-
treten der ersten Europäer bilden, wie es in gleicher
Unverfälschtheit aus derselben Gegend wird nie-
mais wie der beschafft werden können.
Eine ausführliche Veröffentlichung dieser wert-
vollen Sammlung erscheint daher mehrfach er-
wünscht und wird wohl in nicht allzu langer Frist
ermöglicht werden, inzwischen werden einige der
Pfeifenköpfe nebenstehend abgebildet, welche für
das Bali-Land besonders bezeichnend sind.
33
Die Veröffentlichung erfolgt freilich meinerseits als eine gänzlich im-
provisierte und während meiner Abwesenheit vom Druckorte; ich be-
schränke mich daher auf einige Zeilen zur Erklärung der Tafeln.
Die Pfeifenköpfe der Bali, von denen aus einer hundert weit über-
steigenden Zahl eine Auswahl getroffen ist, bestehen meist aus einem sehr
weichen, brüchigen und schlecht gebranntem Thon von grauer oder grau-
brauner Farbe. Die Oberfläche ist meist schwarz oder ziegelrot gefärbt,
nur einzelne Stücke sind grau oder schmutzig graubraun, auch dunkle Be-
malung auf hellerem Grunde ist nicht selten; alle haben eine lackartig
glänzende Oberfläche die anscheinend nicht bloss mechanisch geglättet ist.
bhe schwarzen Stücke sind häufig nach der Fertigstellung noch mit Fett
Und feinem Rotholzpulver eingerieben, so dass alle Vertiefungen rot er-
scheinen.
Es giebt ab und zu völlig einfache, unverzierte Stücke; viele tragen
mehr oder weniger reiche geometrische Verzierungen, die meisten aber
haben die Form eines menschlichen Kopfes oder einer menschlichen
bigur, häufig mit einem phantastischen Kopfputz, der an Korbgeflechte
männert oder aus Affenköpfen zu bestehen scheint. Auch Gruppen von
zwei und drei Figuren kommen vor, aber selten; ebenso ist ein wenig
häufig vorkommender Typus der Bali-Pfeifen jener, bei dem Kopf und
Und Rohr aus demselben Stück geformt sind, wie bei gewissen hollän-
34
dischen Pfeifchen; weitaus die meisten
haben einen hinten unter sehr spitzen
Winkel abgehenden, cylindrischen Hals,
der gewöhnlich ebenso lang ist, als der
Kopf selbst, nicht selten auch mit diesem
zu einem Körper zusammengewachsen
erscheint und zur Aufnahme eines
Rohres dient. Dieses ist aus Holz, ent-
weder einfach cylindrisch und mit Rot-
holz gefärbt, oder durch Kerbschnitt ver-
ziert, manchmal auch mit Stanniol über-
zogen, der »aus dem Norden« gebracht
und angeblich dort aus der Erde ge-
wonnen wird, aber wohl sicher in letzter
Linie aus Europa stammt. Die Länge
des Rohres schwankt von 0,10 m bis
zu 1 m und darüber; manchmal ist es
oben einfach konisch verjüngt, meist
trägt es oben noch ein besonderes Mund-
stück, gewöhnlich ein eisernes Röhrchen,
zwischen 0.10 und 0.15 m lang, das
sehr roh aus gehämmertem einheimi-
schen Eisen zusammengebogen ist.
v. Luschan.
Ein Bronzegerät aus China.
Das hier abgebildete IV2 m lange ßronzegerät wurde seiner Zeit
dem Museum mit der chinesischen Bezeichnung lama-chia-tsze, »Lamastütze«
übersandt. Da diese Bezeichnung keinen rechten Sinn giebt, lag es nahe,
dieselbe in la-pa-chia-tsze zu korrigieren, was »Trompetenstütze« bedeuten
^ürde, eine Annahme, deren Richtigkeit mir durch den inzwischen ver-
storbenen Prof. Pander bestätigt wurde, freilich mit der Bemerkung, dass
er nie ein ähnliches Stück gesehen habe. Posdnejew erwähnt jedoch in
seinen Schilderungen aus dem buddhistischen Klosterleben in der Mongolei,
k- 388, dass die Bläser der langen, üker-bürije genannten Posaunen, die
letzteren auf Prozessionen auf besondere Stützen zu legen pflegen, die
v°n je zwei Mönchen getragen werden. Offenbar haben wir es hier mit
einer derartigen tragbaren Trompetenstütze zu thun.
W. G.
Die Dolmen auf Tonga.
Der Dolmen, dessen aus Tonga eingesandte Photographie in letztlicher
Sitzung der Gesellschaft für Anthropologie und Ethnologie zur Vorlage
kam (cf. Zeitschrift für Ethnologie, 1894 S. 163), fiudet sich neben den
Grabmonumenten der Tuitonga, von denen ebenfalls photographische Auf-
nahmen zugegangen sind (die in späterer Beifügung folgen werden).
Die Errichtung des Haamoga-Maui wird dem Heros zugeschrieben (beim An-
landen aus Bolotu). Für das Priesterkönigtum cf. «Archiv für Anthropologie«
Bd. XV. (1884) »Grundzüge der allgemeinen Ethnologie«, S. 116 u. a. 0.
37
Purrah - Maske.
(Hierzu die farbige Tafel.)
Für das aus den zusammengekommenen Belagstücken in seiner
°tlmisetien Bedeutung hervorgetretene Institut der Geheimbünde knüpft
sich eine älteste Reminiscenz in ethnologischer Litteratur an Erwähnung
des Purrah, und seine (der Freundlichkeit Herrn Konsul Vohsens zu dan-
kende) Vertretung, die in der Juni-Sitzung der Gesellschaft für xAntbro-
pologie und Ethnologie zur Vorlage kam (cf. Verhdlg., Zeitschrift für
Ethnologie, 1893 S. 317), hat deshalb doppelt schätzbar zu gelten.
»Die fünf Völkerschaften der Fulhas-Susus oder Susos bilden eine
verbündete Republik unter der als Purrah bezeichneten Einrichtung, in-
dem jede Völkerschaft einen Bezirkspurrah hat, unter dem obersten Purrah,
der sich beim Kriege auf neutralem Gebiet versammelt, um Einhalt zu
8ebieten« (unter Aussendung von Geheim-Emissären zur Vollziehung der
gefällten Urteile); aus den Ältesten der Bezirkspurrah werden die Mit-
glieder des Ober-Purrah gewählt (s. Golberry). La société secrète (chez
E peuples des bords du Rio-Nunez) a un chef, qui est magistrat et que
38
l’on nomme le Simo; il dicte les lois, elles sont mises à exécution par
ses ordres; cet homme se tient dans les bois et reste toujours inconnu
à ceux, qui sont étrangers à ses mystères; il a pour acolytes des jeunes
gens, qui ne sont qu’en parties initiés dans ses secrets (s. Caillié). Wie
Egungun, (mit Botschaft aus dem Totenland), auf den Strassen Yoruba’s
tanzt (als Popanz), schwirrt es mit der (auch in Australien und Amerika)
bekannten Stimme des Bull-roarer’s (oder Rhombos) aus den Wäldern
hervor, wenn die Logen der Ogboni oder (bei Yebus) Ogbosho ihren
Oro-Tag proklamieren, unter der Grossmeisterschaft des Alafin, der, obwohl
ein Alaye oder «Owner of the world« (s. Ellis) desspektierlichste Be-
handlung zu erdulden hat, vor der Krönung, unter Prüfungen, wie dem
Thron-Kandidaten des Zipa auferlegt (und vielfach sonst). The whole of
the old Calabar country is governed (under the Duke, as Eyamba) by
tbe Egbo laws (in the Egbo-Assembly), witli the degrees of Abungo,
Aboko, Makaira, Bakimboko and (as the step, bought with the highest
price) Yampoi (cf. Rechtsverhältnisse, Berlin 1872, S. 402).
Für ausserdem Zugehöriges ist zu vergleichen:
Der Fetisch an der Küste Guineas, Berlin 1884, S. 8 u. ff.
Besuch in Sau Salvador, Bremen 1859, S. 294.
Allgemeine Grundzüge der Ethnologie, Berlin 1889, S. 29.
Controversen, II, Berlin 1894, S. 30, u. A. m.
Die Mitteilungen der im Jahre 1879 in San Salvador begründeten
Mission bestätigen aus Bentley’s Veröffentlichungen (»Dictionary and
Grammar of the Kongo language«) über den Geheimbund Ndembo oder
Nkita fast wörtlich genau dasjenige, was auf kurzer Durchreise im Jahre
1857 in Quindilu erkundet war (cf. Besuch in San Salvador, S. 82), nach
dem Autreffen des Versteckes auf dem Wege zur Hanptstadt (cf. S. 50).
Von der Geheimsprache der Nkimba heisst es: »Until quite lately no
white man could get any collection of words, but now we are in
possession of more, them 200 words and some sentences« (1887), was
eine willkommene Ergänzung abgeben wird, zu dem aus der Geheim-
sprache der Quimbe bei Borna (im Jahre 1873) Aufgezeichneten (cf.
»Deutsche Expedition der Loango-Küste« II. S. 21). a. B.
Miscellen.
*
Zufolge einer Mitteilung Herrn Dr. Uhles, der im Aufträge des Museums
tar Völkerkunde durch die schätzbare Unterstützung des Ethnologischen
Hilfs-Komitee’s für seine archäologische Reise ausgerüstet worden ist, wird
derselbe einen Abklatsch von dem auf Tafel 35 des von ihm und Herrn
kta A. Stübel (auf Grund der durch dessen Forschungen beschafften Vor-
tagen) herausgegebenen Werkes — (»Die Ruinenstätte von Tihuanaco im
Hochlande des alten Peru«, eine kulturgeschichtliche Studie auf Grund
selbständiger Aufnahmen, von A. Stübel und M. Uhle) — abgebildeten Stein-
kopfes (der sich gegenwärtig im Museum zu La Paz befindet) nach Berlin
übersenden, wofür ursprünglich (nach den von Herrn Künne im Jahre 1879
eingeleiteten Schritten) das Original bestimmt gewesen war, aber zwischen-
getretener Hindernisse wegen nicht hat rechtzeitig beschafft werden
können. Schon bei Anwesenheit Herrn Dr. Hettner’s, der im Jahre
1888/89 für das Museum dort thätig war, zeigte es sich zu spät, da
die Überführung nach Bolivien bereits stattgehabt hatte.
Der letzte Brief des Reisenden, Herrn Vaughan Stevens, den das
Museum (ebenfalls durch die vom Ethnologischen Hilfskomitee gewährten
Mittel) mit Erforschung der Halbinsel Malakka hat beauftragen können,
datiert soweit Juli 1894, und stand er damals im Begriff auf sein Arbeits-
tal d zurückzukehren, so dass eine Fortsetzung seiner wertvollen Sammlungen
llud Berichte entgegengesehen werden kann, im Anschluss an die bis-
herigen Verarbeitungen derselben, in den Veröffentlichungen des »Museums
für Völkerkunde« (Heft II, 3/4).
»Anliegend beehre ich mich, Ihnen Zeichnung einer Trommel,
*ie ich sie bei Stammeshäuptlingen im Togogebiet gesehen habe, zu
übersenden.
40
»Ich bemerke ausdrücklich, dass diese Trommeln nur im Besitze von
Stammeshäuptlingen sich befinden, nicht der Dorfhäuptlinge und nur
mit den Schädeln im Kriege getöteter Feinde geziert sind. Meist sind in
Togo im westlichen Gebiete die Trommeln mit Schädeln erschlagener
Aschantis geschmückt.
»Da der Aschanti-Krieg (1869/74) die letzte grosse Sklavenjagd im
südlichen und westlichen Gebiete darstellt, sind daher meist nur aus
dieser Zeit Kriegs-Trophäen in Form von Schädeln vorhanden.
»Nach drei Jahren 1874 war Ruhe im Laude, die lediglich 1888 durch
den englischen Tafieve-Krieg gestört wurde. Aus diesem Kriege brachte
der Häuptling Kwadjo De von Peki Schädel-Trophäen heim. Ich sah
Trommeln von der Art der in der Zeichnung gegebenen bei den Stammes-
häuptlingen von Ho und Nkonya.«
(Aus eiuem Briefe des Herrn Hauptmanns Herold, April 14., 1894.)
»Besagte Trommel in Ho habe ich sehr oft gesehen; sie ist mit
9 Menschenschädeln behängen. Die Hoeer haben diese im Aschantekrieg
(1868 — 1874) erbeutet, daher Eigentum des Ho-Stammes.
»Nicht alle Stammeshäuptlinge besitzen eine derartige Kriegs-Trophäe;
auf meinen vielen Reisen (in Nkonya war ich nicht) habe ich nie eine
zweite gesehen. Die Hoeer haben im Aschantekrieg tapfer gekämpft und
sind sie dadurch in den Besitz eines noch anderen interessanten Musik-
instrumentes gekommen. Dies ist nämlich eine Trompete mit 18 Menschen-
kiefern (9 untere, 9 obere) geschmückt.«
(Aus einem Briefe des Missionars Herrn Fies in Bremen, Juni 6., 1894.)
41
Zu dem aus dem Dünensand bei Tanger ausgewellten Thonkopf, im
Mexikanischen Typus (des Gottes Xipe), der bei letzter Sitzung der An-
thropologischen Gesellschaft (Juli 1894) zur Vorlage gelangte, ist seitdem,
hei Anwesenheit Herrn Dr. Seler’s auf dem Amerikanisten- Congress
eine interessante Illustration von den Pueblos (durch Güte des Herrn Prof.
Ketzius in Stockholm) hinzugekommen. Anschliessende Abbildungen werden
folgen (mit weiteren Mitteilungen darüber).
Die graphische Darstellung des buddhistischen Weltsystems, die Herrn
De Zilva Wickramasinghe zu danken ist, findet sich, in Uebersetzung der
Mi Original englisch eingesandten Erklärung (Indonesien, Heft V), den Ver-
handlungen der Anthropologischen Gesellschaft beigefügt (April 1894).
ho der aus Anuradhapura (Januar 17., 1893) datierten Anzeige der Ueber-
Sendung heisst es: »The drawings were executed with much care and
labour under the constant supervision of an eminent Pali Scholar. He
drived all the information contained in the Text and in the drawings by
fading through many commentaries on the Buddhist scriptures in their
0riginal Pali«, so dass hier einer authentischen Unterlage vertraut werden
kann (für die genauere Durcharbeitung, welche an schliesslich in Hand zu
Oehnien ist). Bei gegenwärtiger Anwesenheit Herrn de Zilva s in Europa,
vvird die Gelegenheit, auf diese für das Verständnis der buddhistischen
Kosmologie bedeutsame Forschungsfrage eingehender zurückzukommen,
voraussichtlich schon baldigst geboten sein (unter seiner Mitarbeit).
42
Durch gütige Mitteilung Herrn Dr. Johann Janko’s, Direktor des
Ethnologischen Museums in Buda-Pesth, geht aus dem ungarisch er-
schienenen Werke (»Von den Gefilden der nordischen Vogelberge«, Her-
ausgeber Otto Hermann) eine Übersetzung zu, das archaistische Über-
lebsei einer beim Walfischfang fortgebrauchten Armbrust betreffend, und
findet sich weiteres darüber in der norwegischen Zeitschrift »Naturen«,
1887 (S. 1) und 1889 (S. 161).
Das ethnologische Museum zu Buda-Pesth besitzt eine umfangreiche
Sammlung von Fischereigeräten, und darunter ist auch diese Armbrust
vertreten, worüber die übersandte Zuschrift das Folgende besagt:
»In die zu dem Distrikte Bergen gehörige Skopsväg-Bueht pflegt sich
je ein Zwerg-Wal in Intervallen von 2—3 Jahren zu verirren, und
geschieht dies, so spielt sich eine Scene ab, die wahrhaftig nur eine
Neubelebung des prähistorischen Walfanges ist.
»Fassen wir zuerst den Lokalaugenschein. Die Bucht trägt echt
norwegischen Landschaftscharakter, ihr Ende stösst an ein mächtiges
Urgebirge, deren Schichtungen sich schon längst ihrer Plüllen entledigt
und nun nackt zum Himmel starren. Am Übergange der Bergfüsse
entstand eine Lokalität aus lauter gesprengten Kieseln und Steinen be-
stehend, die eventuell von der zurückweichenden Gletscherperiode in
diesen Schlund zusammengepfropft wurden: dies ist die »heilige Stätte«,
an der nicht gerauft werden darf; dieselbe dient aber zugleich auch als
Landungsplatz der Zillen. Die Mündung der Bucht ist schmal und mit
Kähnen leicht verschliessbar, eben deshalb ist dieselbe auch zur Ver-
folgung des in die Falle geratenen Wales besonders geeignet.
»Zeigt sich in der Bucht ein Wal, so wird sie von den Fischern, die
selben zuerst wahrgenommen haben, verschlossen und dann erst benach-
richtigt man hiervon auch die Fischer der Umgebung. Kommt eine solche
Nachricht, so ergreift Mann für Mann Armbrust und Pfeile, steigt in
seine Zille und rudert nach Leibeskräften bei Nacht und Nebel an den
bezeichneten Ort, unterwegs auch die älteren aufnehmend, die an der
»Heiligen Stätte« zu thun haben werden.
»Der Kolben der Armbrust besteht aus zwei Hälften, auf der einen
befindet sich die Pfeilrinne und die Spannrune, in welche die Bogensehne
gelegt wird — von der anderen, der unteren Hälfte, die in einem
primitiven rechten Winkel bewegbar ist, greift ein Hahn zur Spannrune
hinüber, dass er von dort die Sehne hinausdrücke — dieser Hahn ist
also analog mit dem Hahne am Feuergewehr. Am Kopfe des Kolbens
halten den Bogen Knebelschnüre fest, weiter unten streckt sich eine
Leiste in die Quere an beiden Seiten des Kolbens, auf welche sich das
Spannholz stützt, um die Bogensehne in die Spannrune hineinzuschieben.
43
Her Kolben der Armbrust besteht aus Eichenholz und hat eine Länge
von 94 cm; die Bogenlänge beträgt 1,33 m und ist der Bogen aus auf
steinigem Boden gewachsenen berundeten Haselstöcken verfertigt, nur ein
Wenig reifeuartig abgeschält, in der Mitte 9 cm dick (breit); die Darm-
saite des Bogens ist von der Dicke des kleinen Fingers und ist dieselbe
in der Mitte, also an der Spannstelle durch Umhüllungen verstärkt. Die
Spanngabel ist in der Mitte gebogen, die Zweighölzer sind ebendaselbst
dünner und wird die Sehne durch das sich so bildende Kinn in die
Spannrune geschoben.
»Die Pfeilrinne ist 4 cm breit, halbrund gehöhlt und mit einer gewissen
Sorgfalt zubereitet, damit der Pfeil nicht stecken bleibe oder aus seiner
geraden Richtung abgelenkt werde. Der Pfeil gehört unter die gefiederten
Pfeile, die Fahne besteht aber nicht aus Federn, sondern aus Holz;
■Körper und Fahne bestehen aus Fichtenholz, die Länge beträgt 33 cm,
die grösste Dicke 3,5 cm, die Länge des Eisens = 13 cm, die lanzett-
förmige Spitze ist 3 cm lang. Das Verhältnis zwischen Holz und Eisen
ist derartig gewählt, dass im Falle eines Fehlschusses der ins Meer
fallende Pfeil nicht untergehe. Am Schafte, wie auch am Eisen befindet
sich ein Zeichen, ein Reifen, ein Kreuz, meistens die Anfangsbuchstaben
des Namens ihres Besitzers; manchmal ist das Zeichen am Schafte ein
anderes, als das am Eisen, z. B. wie das auf dem Bilde ersichtlich ist.
Mit dieser auf alle Fälle erwähnenswerten Waffe ausgestattet, versammeln
sich sodann in der Skopsväg-Bucht 50—100 Fischer, um den verirrten
Wal
zu erlegen.
»An der heiligen Stelle sich versammelnd, nehmen die älteren die
Kfeilzeichen zu Gesicht, aufzeichnend, welcher Pfeil wem gehöre und
dann beginnt die Hatz. In den Körper des atemholenden Wales bohren
sich hundert und aber hundert Pfeile ein und die Schleuderkraft der
Armbrust ist so stark, dass die Pfeile bis zur Fahne eindringen. Doch
aüe diese Schüsse dringen nicht zum Lebendigen, denn die Speckschicht
lst dick — und nur der sehr selten gelingende Augenschuss ist wirklich
zerstörend. Aber dieses 24 oft 36 Stunden hindurch andauernde Spicken
^ait den schmutzigen und rostigen Pfeilen verursacht nach den Unter-
teilungen Hausen Amaner’s Blutvergiftung, die dann den Wal tötet.
»Und dann erhellt die ethische Bedeutung und der Sinn der Heiligen
Stelle als eine Frucht grosser Weisheit. Der ausgelittene Wal wird so-
dann auf die Heilige Stelle geschleppt, wo sich die Älteren der Reihe nach
aufstellen und die Pfeile so aufzählen, wie sie sich in den Körper des
Wals eingebohrt. Man bestimmt, wie viele Pfeile in die empfindlichsten
Körperteile eingedrungen sind, und welcher von diesen am tiefsten.
Letzterer bekommt den grössten Anteil. Ging der Pfeilschaft verloren,
44
was schadets, das Eisen mit dem Zeichen ist ja dort und daraus der
glückliche Schütze augenblicklich ersichtlich. So bestimmen die Alteren
die ganze Qualifikationsliste und folgt das Speckabstreifen und die Aus-
teilung nach Verdienst. Und da diese Prozedur äusserst heiklich ist und
den ganzen Egoismus der Fischer wachruft, ist die Stelle für heilig
erklärt, an der nicht gerauft werden darf. Auch verzeichnet die Chronik
keinen Fall, dass ob der Teilung Händel erstanden wären.«
Auf der diesjährigen Nordlandsfahrt Sr. Majestät des Kaisers hatte
Herr Prof. Güssfeldt die Freundlichkeit, in dem ethnologischen Museum
zu Bergen Nachsuchungen anzustellen, und da sich die Armbrust in ver-
schiedenen Exemplaren vorfand, ist eine derselben, durch Güte des Herrn
Direktor Brunherst, dem hiesigen Museum überlassen worden, und bereits
eingetroffen.
Sie erweist sich, als ein, unter analogen Bedingnissen gleichartig ge-
schaffenes, Seitenstück zu derjenigen Armbrust, welche für die Fan cha-
rakteristisch ist, und da mehrfache Doubletten im hiesigen Museum vor-
handen sind, wird eine derselben für den Austausch geeignet sein. Betreffs
dieser afrikanischen Armbrust cf. Verhandlungen der Anthropolog. Ges.
(Zeitschrift für Ethnologie), Bd. X (S. 96) auch Bd. VI (S. 264) u. A. a. 0. p.
Eine andere Parallele für elementar gleichmässig durchgehende Grund-
züge, bietet sich (aus dem obigen Bericht) in Erwähnung dessen, was bei
einer leicht zu Streitigkeiten führende Ceremonie, als Friedensruheplatz (ein
»Malae totoa« der Samoaner) proklamiert wird, dem »Heau« entsprechend,
wo (auf Hawaii) das kosmogonische Lied rezitiert wurde (cf. »Heilige Sage
der Polynesier«, 1880), als Pule (»religious Service«) Heau, »name of the
place, where fishermen set the baskets for catching fish; the place was
artificially built« (s. Andrews), — dem auch dort hervorragenden Rang
der Fischerkaste gemäss (an Küsten nämlich, die auf den Fischfang vor-
wiegend, für-Beschaffung des Lebensunterhalts hingewiesen sind).
Bücherschau.
Albert S. Gatschet. The Kl amatb Indians of Southwestern Oregon.
(Contributions to North American Ethnology. Vol. II. P. 1.2. Washington
1890.)
Ein schon seit längerer Zeit in Vorbereitung gewesenes Werk, das aber
Nunmehr in vollendeter Gestalt der wissenschaftlichen Welt geboten wird, ein
Denkmal deutschen Geistes, deutschen Fleisses und deutscher Gründlichkeit.
b>er Indianerstamm, der hier behandelt wird, nennt sich selbst Maklaks, ein
^ort, das aber, mit leichter Veränderung der Aussprache, einen Menschen über-
haupt, einen Indianer beliebigen Stammes, bedeutet. Sie bewohnen die hochge-
legenen, seenreichen Thäler im Quellgebiet des Klamath River und scheiden sich
ln zwei grosse Gruppen, die Eukshikni oder „an dem See lebende Leute“ und
hie Möatokni (verkürzt zu Modoc), das sind „die im Süden lebenden Leute“.
haben ohne Zweifel lange Zeit isoliert in diesen Gegenden gelebt, haben
aber keine geschichtliche Erinnerungen. Denn bei schwerer Strafe ist es bei
hiesen Völkern verboten, den Namen eines Verstorbenen zu nennen. Mit den
heissen sind sie auch erst um die Mitte dieses Jahrhunderts in nähere Berührung
gekommen. Ein paar Worte ihrer Sprache wurden schon im Jahre 1841 von
hforatio Haie aufgenommen. Weitere Woi’tsammlungen 1855 von Lt. Williamson,
1864 von W. M. Gabb. All diese Sammlungen waren aber blosse Vokabulare
^üd enthalten zahlreiche Irrtümer. Durch das vorliegende Werk, das Resultat
langjähriger mühevoller Aufnahmen und Studien ist diese Sprache auf einmal
Zu einer der bestbekanntesten nordamerikanischen Sprachen geworden. Der
Erfasser giebt in dem vorliegenden Werk zunächst (pag. 1—CVI) einige allge-
meine Bemerkungen über Wohnsitze, Verwandtschaft, geschichtliche und ethno-
graphische Verhältnisse. Dann folgen p. 1—197 Texte mit Interlinearüber-
setzung und erklärenden Noten. Der Inhalt ist sehr verschiedener Art: —
geschichtliche Erinnerungen, die, wie erwähnt, bei diesen Indianern nicht weit
Ztlrückgehn, und im Wesentlichen sich auf die Berichte der Kämpfe mit benach-
barten Indianerstämmen und mit den Weissen um die Mitte dieses Jahrhunderts
tlnd den Modoc-Krieg in den siebziger Jahren beschränken. Dann folgen ein
haar Lebensschilderungen. Dann Berichte über Regiment, Gesetz, Sitten, Proze-
^üren gegen Zauberer, Tänze, Beschwörungen, Kuren, Zeitrechnung, Spiele,
blader, Totenklage und Bestattung, endlich Götter- und Schöpfungsmythen und
eiöe ganze Anzahl Tierfabeln. Weiter folgen Dialoge, Namen und Beschreibung
v°ß Orten, von Tieren, von essbaren Pflanzen, endlich Zauberformeln und Be-
schwörungen in grosser Zahl und verschiedene Gesänge. Wie man sieht, ein
leiches Material, das über den Charakter der Sprache sowohl, wie über Geist und
M. f. v. *
46
Art des Volkes, in befriedigender Vollständigkeit Aufschluss zu geben im Stande
sein wird. Der Verfasser hat sich aber nicht darauf beschränkt, dies Material
zu sammeln und zu erläutern, sondern er hat es selbst in gründlichster Weise
durchgearbeitet und klargelegt, pp. 199—711 des ersten Bandes enthalten eine
Grammatik der Sprache, in der die phonologischen, morphologischen und syn-
taktischen Verhältnisse dieser Sprache in ihren zwei Dialekten eingehend be-
leuchtet werden. Die Sprache zeigt, nach dem Urteil des Verfassers, alle
Charaktere einer agglutinierenden Sprache. Nomen und Verbum sind unter-
schieden, obwohl die meisten Substantiva als Nomina verbalia betrachtet
werden können. Eine wirkliche Personalkonjugation existiert nicht. Die Affixe
sind zahlreich, die Suffixe überwiegend. Reduplikation ist wohl entwickelt und
bildet einen der hervorstechendsten Züge dieser Sprache. In ihrem syntaktischen
Bau neigt diese Sprache zur Analyse, indem hauptsächlich Konjunktionen zum
Ausdruck der verschiedenen Verhältnisse zur Verwendung kommen. Mit der
Grammatik schliesst der I. Band des Werkes. Der II. enthält auf p. 13—491
ein stattliches Klamath-Englisches Wörterbuch, mit Hinweisungen auf die Texte
des ersten Bandes. Auf p. 493 —701 ein Englisch-Klamath Wörterbuch. So
bietet das Werk ein vollständiges Ganze, das alle Anforderungen erfüllt, ein
„Standard work“ im wahrsten Sinne des Wortes.
James Owen Dorsey. The Dhegiha Language. (Contributions to North
Amei'ican Ethnology. Vol. VI. Washington 1890.)
Id. — Omaha andPonkaLetters. (Smithsonian Institution-Bureau of Ethno-
logy. Washington 1891.)
Dhegiha nennt Owen Dorsey die Sprache der beiden verwandten zur Dakota-
Familie gehörigen Stämme der Omaha und Ponka.
In den vorliegenden beiden Werken sind eine grosse Zahl von Texten —
Mythen, Erzählungen, Tierfabeln, historische Berichte, Sittenschilderungen und
238 Briefe — im Original, mit Interlinearübersetzung und erklärenden An-
merkungen gegeben. Eine Grammatik und ein doppelsprachiges Lexikon sollen
nachfolgen.
Stephen Return Riggs. A Dakota English Dictionary. (Edited by
James Owen Dorsey.) Contributions to North American Ethnology.
Vol. VII. Washington 1890.
Im Jahre 1852 wurde von dem zuerst genannten Autor ein Wörterbuch
der Dakotasprache veröffentlicht, das aber im Wesentlichen nur auf dem einen
sogenannten Santeedialekt des Dakota beruhte, der von den Mde-wakang-tong-
wang gesprochen wird. Dieses Wörterbuch ist im Laufe der Zeit vermehrt
worden durch Wortsammlungen, die der Verfasser selbst und seine zwei Söhne
unter den Mde-wakang-tongwang, die Missionare W. J. Cleveland und J. P.
Williamson unter den Tetong und Yanktonai Dakota veranstalteten. Dieses
erweiterte und vervollständigte Lexikon ist hier veröffentlicht. Ein Englisch-
Dakota-Lexikon, Grammatik, Text und ethnographische Skizze der Dakota sollen
nachfolgen.
47
James Mooney. Sacred Formulas of theCherokees VII. Annual Report
of the Bureau of Ethnology. Washington 1891, p. 305—397.
Sprachlich und ihrem Inhalt nach sehr wichtige Dokumente, die es dem
Verfasser gelang, während eines Aufenthalts in der Cherokee Reservation im
Sommer 1887 von verschiedenen indianischen Doktoren oder ihren Angehörigen
zu erwerben. Sie sind in dem eigentümlichen Alphabet geschrieben, das im
Jahre 1821 von dem Tseroki-Indianer Sikwäya für die Laute seiner Sprache
erfunden ward. In der Hauptmasse sind es Zauber, bestimmt Krankheiten zu
bannen, daneben Liebeszauber, Jagdzauber und Zauberformeln für Kriegsglück.
Lie ersteren kommen zur Verwendung als Begleitformeln für eine medizineile
°Jer sonstige Kurbehandlung. Verfasser giebt eine Liste von 20 Pflanzen, die
bei den Kuren eine Rolle spielen. Nur der geringste Teil derselben hat aber
wirklich medizinische Qualitäten. Gelbe Wurzeln oder Pflanzen mit gelben
Lltiten werden gegen Gelbsucht gegeben. Die fleischigen Stengel der Portulaca,
die in Form und Konsistenz an Würmer erinnern, werden gegen Würmer ge-
geben, und ähnliches mehr.
Lranz Boas. Notes on the Chemakum Language. (Am. Anthropo-
logist. V. p. 37—44.)
Während George Gibbs von diesem am Puget Sound in der Nähe von Port
Jownsend wohnenden Selis-Stamme noch 90 Individuen zählte, soll es jetzt nur
drei Personen geben, die diese Sprache sprechen. Boas gelang es, im Sommer 1890,
die eine derselben, „Louise“, die als Waschfrau in der Nähe vom Port Gamble
Wohnt, ausfindig zu machen. Von ihr stammt das Material, das Boas in der
vorliegenden Skizze verarbeitete. Bemerkenswert ist vor allem die Unterschei-
dung eines männlichen und weiblichen Geschlechts durch Possessivpräfixe, wie
sie ähnlich auch bei den andern Selis-Stämmen im Westen der Cascade Rouge
und an der Küste von British Kolumbien vorkommt. Der Tempuscharakter
Litt zwischen das Subjektpronomen und das inkorporierte Objektpronomen. Die
Nomina erscheinen zum grossen Teil in zwei Formen, einer unabhängigen und
einer in Zusammensetzungen eintretenden.
James Owen Dorsey. „Siouan Onomatopes“. (The American Anthro-
pologist. V. Jan. 1892.)
Verfasser definiert ein Onomatopoietikon als „Wort oder Wurzel, den
Laut wiedergebend, welchen der bezeichnete Gegenstand selbst hervorbringt .
Lie angeführten Beispiele zeigen in der That die Lautmalerei fast alle in der
Wurzel. Die Beispiele sind der Hauptsache nach dem Dhegiha, der Sprache dei
Omaha und Ponka entnommen.
J- N. B. Hewitt. Polysynthesis in the Languages of the American
Indians. Am. Antropologist. VI. p. 381—407.
Vf. wendet sich gegen die zuerst von Peter S. Duponceau aufgebrachte An-
sicht, dass die amerikanischen Indianer einen besonderen, von dem dei altwelt-
Lchen Sprachen abweichenden Bau besässen, den er als polysynthetischen odei
Syntaktischen bezeichnet, und der darin bestehen sollte, dass eine ganze Anzahl
verschiedener Ideen in einem einzigen Worte zusammengedrängt seien.
48
An Beispielen, die der Irolcesenspraclie entnommen sind, weist er nach, dass
die gesamte Entwickelung, die diese Sprache aufweist, in erster Linie auf dem
wohlbekannten Prinzip der Juxtaposition und der mehr oder minder weitgehenden
Verschmelzung dor Elemente beruht.
Myron Eelis. Ab original Geographie Na mesintheStateofW ashington.
— American Anthropologist. V. p. 27— 35.
W. Matthews. Meaning of the Word „Arikara“. (Am. Anthropol. V.
p. 35.)
Der einzige Name, mit dem vor 26 Jahren die Arikara sich selbst benannten,
war Panani. So wurden sie auch von den benachbarten Dakota und Assiniboin
genannt. Nur die Mandan nannten sie Arikara. Der indianische Händler
Gérard, der von Kindheit an unter den Arikara gelebt und damals der einzige
Weisse war, der ihr Idiom geläufig sprach, hielt das Wort Panani für gleich-
deutend dem Arikara-Wort sä’nis, welches einfach „Mensch“ bedeutet.
J. W. Powell. Indian Linguistic families. VII. Annual Report Bureau
Ethnology. Washington 1891 p. 1—142.
58 Sprachfamilien werden aus dem Gebiet vom nördlichen Eismeer bis zum
Golf von Mexico und zum Rio Grande, den Grenzen der Republik Mexico, be-
schrieben und auf der begleitenden Karte dargestellt.
J. D. Mc Guire. On the evolution of the art of working in Stone.
Am. Anthropologist. VI. p. 307—319.
Vf. wendet sich gegen die Annahme, dass das Zeitalter der geschlagenen
Steinwerkzeuge (paläolitbische Periode) der der geschliffenen (neolithische
Periode) vorangegangen sein soll. Ob ein Steinwerkzeug durch Hämmern
(battering), Schleifen (grinding) oder Zurechtschlagen (chipping) berzustellen sei,
hänge im wesentlichen von dev Beschaffenheit des Materials ab. Der letztere
Prozess aber sei um soviel schwieriger, dass es schwer glaublich sei, dass der
Mann, der geschlagene Stein Werkzeuge herzustellen verstand, nicht auch solche
zurechtzuschleifen gewusst hätte.
Joseph D. M’Gufre. Materials, Apparatues and processes of the
Aboriginal Lapidary. Am. Anthropologist. V. p. 165—176.
Versuche, prähistorische Steinwerkzeuge nach prähistorischen Arbeitsweisen
zu erzeugen.
W. H. Holmes, Studies in Aboriginal Decorative Art. I. Stamped
Ornament of South-Appalachian earthenware (Am. Anthro-
pologist. V. p. 67—72).
W7eit verbreitet in Georgia, Nord- und Süd-Carolina, Alabama und
Tennessee werden Gefässe, meist von grossen Dimensionen und offener Kesselform
gefunden, die ziemlich dunkelfarben, aus stark mit Sand vermengtem Thon ge-
fertigt und ringsum auf der ganzen Fläche mit eingedruckten Ornamenten ver-
ziert sind. Holmes weist nach, dass diese Ornamente mit einem Stempel auf-
gebracht wurden, der vermutlich mit Handgriff versehen war, denn ähnlicher
49
•öffelförmiger Stempel bedienen sich noch heute die Tseroki. Von dem Muster
Zoomit natürlich nur der mittlere Teil voll zum Ausdruck. Holmes giebt nach
Abreibungen vier solcher Muster, unter denen namentlich eins, eine Hakenkreuz-
l°orm bemerkenswert ist. Nach Holmes hat diese Art der Verzierung nicht nur
ehien dekorativen, sondern auch einen technischen Wert, da durch das Klopfen
dem Stempel Unebenheiten in der Thonwandung ausgeglichen werden
Mussten.
JE The rocking stamp or roulette in pottery deeoration (Am. Anthro-
pologist. V. p. 149—152).
Gefässe aus dem oberen Mississippi-Gebiet werden beschrieben, bei denen
eine eingedrückte Punktverzierung augenscheinlich durch Bewegung eines Zahn-
es über die Fläche des Gefässes hervorgebracht ist.
J°hn Murdoch. Ethnological Results of the Point Barrow Expedi-
tion. IX. Annual Report of the Bureau of Ethnology. Washington 1892,
p. 1—441.
Verfasser, der als Naturforscher und Beobachter an der Internationalen
1 °larexpedition nach Point Barrow in den Jahren 1881—1883 teilnahm, beschreibt
hißr das reiche Material, das diese Expedition an Gegenständen und Beobachtungen
lnit nach Hause brachte. Es ist eine höchst sorgfältige und gründliche Arbeit,
(Ke ein nahezu vollständiges Bild der Lebensverhältnisse dieser den äussersten
■Worden des festländischen Amerikas bewohnenden Stämme giebt und reiht sich
wÜrdig der schönen Beschreibung an, die Dr. Boas in dem VI. Annual Report
v°n den Eskimos von Baffin-Land und Umgebung gegeben. Auch das sprach-
liche Material ist sorgfältig gesammelt worden, ist aber noch besonderer Bear-
beitung Vorbehalten. Zu bedauern ist nur, dass der Verfasser nichts Genaueres
über die Feste und die Bedeutung der Masken erkunden konnte. Im ersten
^ inter waren die Amerikaner noch zu wenig mit den Eskimos und ihrer Sprache
Vertraut. Und im zweiten Winter fanden, verschiedener Todesfälle halber, keine
i'änze statt. Der Name Uglaamie oder Oo’glaamie, der auch in verschiedene
Karten (z. B. die Kiepert-Wandkarte u. a.) übergegangen ist, ist nichts andeies
Es die falsche Aussprache des Eskimodorfes Utkijavwing, in dessen Nähe die
Expedition ihr Lager hatte.
’James Deans. Legend of the Fin-Back whale Crest of the Haidas. Queen
Charlotte’s Island. B. C. Journ. Am. Folklore. V. p. 43 47.
J-ranz Boas. Sagen aus Britisch Kolumbien, Zeitschrift für Ethnologie
XXIV. (1892) p. (32)—(66), p. (314)—(344), p. (383)—(410), XXV.
(1893), p. (228)-(265), p. (430)—(477).
In Fortsetzung seiner im Band XXIII p. (532) und (628) gegebenen Mit
Teilungen, teilt Dr. Boas hier weitere Sagen der Qatlölt^, der Uahüs, Tlaa men,
Keksen, Pentlats, Nutka, Lekwiltoq, Nimkis, Kue/sot’eno/, Kwäkiutl, Tlatlasi-
hoala, Naqömgyilisala, Awikyeno/, Heiltsuq mit, ein umfassendes Material, das
über die religiösen und kosmogonischen Vorstellungen dieser Völkei und ihie
zu denken und zu dichten, den vollständigsten Aufschluss giebt,
Charles E. Woodruff. Dances of the Hupa Indians. (Am. Anthro-
pologist. Y. p. 53—61).
Vier Tänze werden genannt: 1. der Spechttanz, bei dem die Tänzer mit
Spechtfedern geschmückt sind. Er wird, scheint es, zum Zweck der Gesundheit
und des Wohlergehens aller getanzt, und eine Art religiöser Unterweisung
findet dabei statt. 2. Der weisse Hirschhauttanz, bei dem die Tänzer mit weissen
Hirschhäuten geschmückt sind. Es scheint eine Art Dankfest zu sein und wird
in Misswachsjahren nicht gefeiert. 3. Der Feuertanz, zum Zweck der Heilung
eines Kranken getanzt und 4. der Blumentanz, beim Eintritt der ersten Men-
struation eines Mädchens. Endlich 5. noch eine Art Bittgang, an einem grossen
Felsen oberhalb Hupa Valley gefeiert, um günstiges Wetter für die Saaten zu
erlangen.
Frederick Vernon Coville, The Panamint Indians of California. Am.
Anthropologist V. p. 351—361.
Sehr dankenswerte Mitteilungen über den Shoshoni-Stamm dieses Namens,
der in den Panamint-Mountains, an der Westseite des Death-Valley in Jnyo-
County in Kalifornien wohnt.
Dr. W. J. Hoffmann. The Mide’wiwin or „Grand Medicine Society“
of the Ojibwa. VII. Annual Report of the Bureau of Ethnology.
Washington 1891 p. 143—304.
Schon in dem grossen Werke von Schoolcraft ist eine ganze Menge mitge-
teilt über die Schamanen der Odjibwe, ihre geheimen Gesellschaften und die
Bilderschriften, die als mnemotechnisches Hilfsmittel dienen für die Gesänge, in
denen die geheime Wissenschaft dem Schüler übermittelt wird. In der vorliegen-
den Arbeit des ausgezeichneten deutsch-amerikanischen Ethnologen werden all diese
Verhältnisse sehr eingehend und sorgfältig beschrieben, eine ganze Anzahl Bilder-
schriften in Bild und Text, mit Übersetzung und erläuternden Anmerkungen
veröffentlicht, sowie auch ein paar der merkwürdigen auf Birkenrinde geritzten
Karten, gewissermassen Diplome, die die Grade veranschaulichen, die der Be-
sitzer in der geheimen Wissenschaft erlangt hat.
George Bird Grinnell. Early Blackfoot History. Am. Anthropologist. V.
p. 153-164.
Die Stammsage der Siksikäho oder Blackfeet, nach der Erzählung eines
alten Indianers dieses Stammes „Crazy Dog“, wonach diese Indianer aus S. W.
von jenseits der Berge in ihr Land gekommen sein wollen. Aus den spärlichen
historischen Nachrichten scheint dagegen hervorzugehen, dass die Blackfeet in
umgekehrter Richtung aus den bewaldeten flussabwärts und östlich gelegenen
Landschaften in ihre spätere Heimat gelangt sind.
George Bird Grinnell. Development of a Pawnee Myth. Journ. Am.
Folklore V. p. 127-134.
Die Erzählung von Tikewäküsh, dem Manne, der den Bison rief.
51
George Bird Grinnell. A. Blackfoot Son and Moon Myth. Journ. Am.
Folklore VI. 44—47.
LK Pawnee Mythology. Journ. Am. Folklore VI. p. 113—130.
John Maclean. Black foot Mythology. Journ. Am. Folklore VI. 165—172.
J* N. B. Hewitt. Legend of the Founding of the Iroquois League.
(Am. Anthropologist. VI. p. 131—148.)
Die berühmte Sage von der Gründung des Irokesenbundes, die der Dichter
Longfellow in seinem Hiawatha verarbeitet hat, ist hier in Übersetzung eines
Originaltextes gegeben, der von dem Onondaga Häuptling Skanawäti dem Vf. in
^i® Feder diktiert wurde. Bemerkenswert ist hierbei, dass in diesem Bericht
Gaiyonghwathä’ (d. i. Hiawatha) durchaus nicht die erste Rolle spielt, die
Jnn in den gewöhnlichen Erzählungen zugeschrieben wird, und dass insbesondere
Jie Wundertbaten, die Geschichte vom weissen Kanu, von der Reinigung der
Flüsse von hemmenden Hindernissen und von Ungeheuern, nicht ihm angehören,
sondern dem Himmelsgott Tharongliyawä’kong. — Zum Schluss werden acht
'Wampumgürtel-Berichte gegeben über das, was gethan worden war, um alle
Indianer (die Shawnee, Algonquin, Miami, Ottawa, Sacs, Wyandot, Cheroki) in
e)nem grossen Friedensbunde zu vereinigen.
J- Owen Dorsey. Two Biloxi Tales. Journ. Am. Folklore VI. p. 48—50.
Die Biloxi gehören zur Dakota-Familie und sind den Tutelo, Hidatsa und
Lwapa nahe verwandt. Die Erzählungen behandeln die Streiche, die das
Kaninchen einmal einem Weissen (Franzosen), das andere Mal einem grauen
Laren spielte.
W- M. Beauchamp. Onondaga Tales.
^d. Notes on Onondaga Dances. Journ. Am. Folklore VI. p. 173—180,
p. 181—184.
Die Geschichte von der Grossmutter Onehatah, der Mutter Ookwae und dem
verlorenen Sohn.
Albert S. Gatschet. Some mythic stories of the Yuchi Indians. Am.
Anthropologist. VI. p. 279—282.
Die Entstehung des Festlands aus etwas Schlamm, der von dem Boden des
^aggers heraufgeholt wird, wird erzählt, und die Tötung eines Zauberers, der
'Le aufgehende Sonne bedroht. Der Verfasser erhielt die Erzählungen von einem
Zögling der Missionsschule in Wialaka am Arkansas River.
Küeien Carr. The Mounds of the Mississippi Valley, historically con-
sidered. (Annual Report of the Board of Regents of the Smithsonian
Institution. Washington 1893.) p. 503—599.
Abdruck der in den Memoirs of the Kentucky Geological Survey vol. II. 1883
Veröffentlichten Abhandlung, in der zum ersten Mal der Nachweis zu führen
Versucht wurde, dass die unter dem Namen „Mounds“ bekannten Eidweike
'ücht einer rätselhaften Moundbildernation, sondern den Vorfahren dei in histo-
rischer Zeit in diesen Gegenden lebenden Indianerstämme zuzuschieiben ist,
52
Gerarg Fowke. Some interesting Mounds. (American Anthropologist. V.
p. 73—82).
Eine Anzahl von dem Schreiber persönlich untersuchter Mounds in Penn-
sylvanien, Mississippi und Ohio und ihre Inhalte werden beschrieben.
Gerard Fowke. Aboriginal Remains of the Piedmont and Valley
Region of Virginia. Am. Anthropologist. VI. p. 415—422.
Erd- und Steinmounds werden beschrieben, die Lage der Skelette und der
Beigaben.
W. H. Holmes. Notes upon some geometric earth works with con-
tour maps. Am. Anthropologist. V. p. 363—373.
Eine erste auf genauen Vermessungen beruhende Darstellung einiger dieser
merkwürdigen Erdwerke.
J. Walter Fewkes. A Few Summer Ceremonials at Zuni Pueblo.
(Journal American Ethnology and Archaeology I. Boston 1891.)
Der Verfasser, der gegenwärtige Leiter der Hemenway Southwestern Ar-
chaeological Expedition, beschreibt die Tänze, die er während eines Sommerauf-
enthalts in Zuni beobachtete. Dieselben beginnen ungefähr um die Zeit der
Sommersonnenwende, deren Eintritt von dem ersten Priester sorgfältig mittels
einer Art natürlichen Gnomons festgestellt wird, und dauern bis gegen Ende
August. Acht solcher Tänze werden gefeiert, in den verschiedenen Jahren in
ähnlicher, aber nicht in ganz gleicher Weise. In den ersten dieser Tänze spielen
die Käkä die Hauptrolle, mythische Wesen, die im Westen, in den Tiefen des
Geistersees hausen. Diese ersten Tänze haben augenscheinlich den Zweck, das für
das Gedeihen der Feldfrucht nötige Wasser von den Göttern zu erflehen. Die
letzten Tänze werden von Frauen aufgeführt und stellen ein Dankfest oder Ernte-
fest dar. Der Verfasser hat die bei diesen Tänzen gesungenen Weisen phono-
graphiseh aufgenomraen. Die Melodien werden in einem Anhang zu dem ge-
nannten Aufsatz wiedergegeben und besprochen.
J. Walter Fewkes. A Few Summer Ceremonials at the Tusayan
Pueblos. Journal American Ethnol. Archael. II. Boston 1892. p. 1—159.
Das bei den Zuni begonnene Werk setzte Verfasser bei den Hopi oder
Moqui fort, und er hat eine ungeahnte Fülle des interessantesten Materials zu-
sammengebracht. Nahezu jeder Monat hat bei diesen Indianern sein besonderes
Fest. Ein höchst merkwürdiges und höchst ausgebildetes Ceremoniell kommt in
ihnen zur Verwendung. Die ganze Feier und die ihnen zu Grunde liegenden
religiösen Vorstellungen erinnern entschieden an dasjenige, was uns von den
alten Kulturvölkern Centralamerikas berichtet wird. Verfasser beschreibt hier
zunächst die verschiedenen Geheimbunde oder religiösen Gesellschaften und einige
vorbereitende Ceremonien (Anfertigung und Weihen der Gebetstöcke und der
Sumykoli-Scbilder) und geht dann zur Beschreibung der Feste selber über. Was
bei den Zuni die Käkä, sind bei den Hopi die Kätsinä.
Verfasser beschreibt die Humis-katsinä und Anakatsina in Walpi, die
Mälo katsina in Sipaulovi, die Soyöhim Katsina in Misönginovi, die Niman
53
Katsina oder den Abschied der Katsina in Walpi und die Lenyätikibi oder
Jfe Flötenceremonie, die abwechselnd mit dem berühmten Schlangentanz ge-
feiert wird.
Walter Fewkes and J. G. Owens. The Läläkönta. A Tusayan
Dance.
J- Walter Fewkes and A. M. Stephen. The Mamzraüti. A Tusayan
Ceremony. (Am. Anthropologist. Y. p. 105—129, p. 217—245.
Diese beiden Abhandlungen stellen eine Fortsetzung dessen dar, was in der
vorherbesprochenen, im Journ. Am. Ethnol. Arch. beschriebenen Abhandlung be-
richtet worden war. Es werden hier in höchst eingehender Weise zwei Weiber-
ccremonien beschrieben, die in Walpi im Herbst gefeiert werden, die ähnlich,
vvie die zu gleicher Zeit in Zuni gefeierten eine Art Ernte- oder Dankfest dar-
sfellen. Die zweite dieser beiden Ceremonien ist eingestandenermassen von einem
andern Pueblo, dem Pueblo Awätobi, das im Jahr 1700 von den Hopi zerstört
wai'd, übernommen worden.
J* Walter Fewkes. A Central American Ceremony which suggests
the Snake Dance of the Tusayan Villagers. Am. Anthropologist
VI. p. 285—306.
Das Kapitel des Geschichtswerks des P. Sahagun, in welchem das alle acht
Jahre gefeierte Fest Atamalqualiztli beschrieben wird, bei dem die Ma^ateca
Schlangen mit den Zähnen fassten und verschluckten, wird im Originaltext nach
«fern ¿¡er Biblioteca del Palacio in Madrid abgedruckt. Abschrift des Textes
und Übersetzung desselben, sowie eine Kopie des begleitenden Bildes und Er-
läuterungen zu demselben wurden vom Schreiber dieses Dr. Seler gegeben. Der
Wrfasser erörtert die Parallelen, die sich hierzu in dem berühmten Schlangen-
tänze der Hopi oder Moqui ergeben und weist dann weiter auf die merkwürdige
Übereinstimmung hin, die der Bälülükong der Hopi, die „Federschlange“, mit
Federschlange der Mexikaner und den das Wasser in sich bergenden oder von
sfeh ausströmenden Schlangenfiguren der Maya Codices zeigen.
Walter Fewkes. The ceremonial circuit among the village Indians
of Northwestern Arizona. Journal of American Folklore V. p. 33 42.
Nachweis, dass die Hopi in ihren Ceremonien immer die Ordnung Nord
Wegt — Süd — Ost befolgen.
J> Walter Fewkes and A. M. Stephen. The Nääcnaiya. A Tusayan
Initiation Ceremony. Journ. Am. Folklore V. p. 189 221.
Eine Ceremonie, mit der im November die winterliche Festsaison ei öffnet
wil'd. Die Einführung und Aufnahme der Novizen in den priesterlichen Genossen-
schaften oder Geheimbünde. Komplizierte Ceremonien, unter denen ein ceiemo
nielles Hauptwaschen und das Etreiben neuen Feuers die hervorragendste Rolle
spielen.
54
J. Walter Fewkes and A. M. Stephen. The Pälülükongti. A Tusayan
Ceremony. Journ. Am. Folklore V. p. 269—284.
Wird im Februar gefeiert und hat augenscheinlich den Zweck, Feuchtigkeit
und Schnee für die Saaten herbeizuzaubern. Sieben Bilder der gehörnten (Feder-)
Schlange, die die Mutter der Gewässer ist, werden dabei produziert, ein Kampf
mit der Schlange und lebendige Bewegungen derselben aufgeführt.
J. Walter Fewkes. On certain personages who appear in a Tusayan
Ceremony. Am. Anthropologist. VII. p. 32—52.
Gewisse Figuren, die in den Tänzen der Hopi auftreten, werden mit gewissen
mexikanischen Kriegermasken verglichen.
J. Walter Fewkes. „A Few Tusayan Pictographs“ (Am. Anthropologist.
V. p. 9—26).
Aus den zahlreichen Felsinschriften, die in der Nachbarschaft der Moqui
Mesa Vorkommen, werden eine Anzahl Bilder beschrieben, die mythologische Per-
sonen darstellen, und für die eine Erklärung aus den noch gegenwärtig geübten
religiösen Ceremonien möglich ist.
G. Nordenskiöld. The Cliff-dwellers of the Mesa Verde, South-
western Colorado. Their pottery and implements. Stockholm.
P. A. Nordstedt & Söner.
Ein Prachtband, mit zahlreichen Illustrationen, die meisten davon in photo-
graphischer Reproduktion. Die Mesa Verde ist ein ausgedehntes dicht mit Wald
bestandenes Plateau, nordöstlich der Navajo Reservation, im Quellgebiete des Rio
Mancos, eines nördlichen Nebenflusses des Rio San Juan, der der südliche Haupt-
quellfluss des Rio Colorado ist. Er ist von zahlreichen Canonen durchschnitten,
die eine Menge jener interessanten Felsendörfer (cliff-dwellings), runde Türme
und andere Reste alter Ansiedelungen bergen. Der Verfasser, Sohn des
berühmten schwedischen Gelehrten, hat diese Thäler durchwandert, Pläne und
Ansichten der Ruinen aufgenommen, Ausgrabungen vorgenommen und eine ganz
stattliche Sammlung an Schädeln, Thongefässen, Gegenständen aus Stein, Holz
Knochen, Gewebe u. a. in. zusammengebracht, die in dem vorliegenden Pracht-
werke vorzüglich abgebildet und eingehend beschrieben sind. In einem besonderen
Schlusskapitel bespricht Prof. H. Retzius die in der Sammlung enthaltenen
menschlichen Reste.
J. Walter Fewkes. A reconnoisance of Ruins in or near the Zuni
Reservation. Journ. Am. Ethnolog. Ai'chäol. I. p. 95—132.
Achtzehn Ruinen wurden vom Verfasser besucht und beschrieben. Die
Namen von elf anderen erhielt er, die er nicht besuchte. Sie sind augenscheinlich
sehr verschiedenen Alters. Die ältesten scheinen die runden Ruinen. Sie finden
sich ausnahmslos in den ebenen Teilen. Auf der Höhe des Mesas und auf den
Hügelspitzen wurden nur viereckig gestaltete Bauwerke bemerkt. Solche giebt
es auch in der Ebene, scheinen hier aber jünger zu sein als die runden.
55
J* Walter Fewkes. An Archaeologicae Yerification of a Tusayan
Legend. Am. Anthropologist. YI. p. 363—375.
Gegen Ende des Jahres 1700 ward das Dorf Awätobi wie aus kirch-
lichen Berichten hervorgeht, von den Hopi oder Moqui zerstört, und seine Ein-
wohner erschlagen. Die Hopi haben die Erinnerung daran bewahrt. Nach ihnen
Waren die Bewohner massakriert worden, weil es Zauberer gewesen seien. Nur
einige wenige wurden geschont, und durch diese sind besondere Oeremonien, die
eigentlich in Awa’tobi heimisch waren, nach dem Hopidorfe Walpi gekommen.
^ei’ Verfasser beschreibt die Ruinen des Dorfes und weist nach, dass die Einzel-
heiten derselben dem, was die Tradition berichtet, entsprechen.
Walter Fewkes. On the present Condition of a Ruin in Arizona
called Casa Grande. Journ. Am. Ethnolog. Archaeolog. II. p. 179 193.
Von dieser südlich des Rio Gila gelegenen Ruine wird ein Plan und An-
sichten gegeben, und die einzelnen Räume derselben beschrieben.
Victor Mindeleff. A Study of Pueblo Architecture Tusayan and
Cibola. VIII. Annual Report of the Bureau of Ethnology. Washington
1891 p. 1—228.
Resultate von Studien, die seit dem Jahr 1881 in Zuni (Provinz Cibola) und
'len Dörfern der Hopi oder Moki (Provinz Tusayan) unternommen wurden. Ein-
gehende Beschreibungen der bewohnten Dörfer und zahlreicher Ruinen, begleitet
v°n Plänen, photographischen Reproduktionen und Zeichnungen in grosser Zahl.
Neben der Aufnahme der vorhandenen Baulichkeiten wurden auch die Traditionen
gesammelt, die auf die Wanderungen und früheren Wohnsitze dieser Indianer
Bezug haben, eine Sammlung, für welche der Vf. in den seit vielen Jahren auf
^er Hopi-Reservation ansässigen Herrn M. A. Stephen eine ausgezeichnete Kraft
gewann. Aus den Aufnahmen und aus den Traditionen geht bestimmt hervor,
dass zum mindesten einige der Dorfruinen, und auch einige der Cliff-dwellings
Wüi den Vorfahren der gegenwärtigen Pueblo-Indianer erbaut und bewohnt
Worden sind, und zwar zum Teil noch in einer in die geschichtliche hineinragenden
^eit. Während im allgemeinen eine grosse Übereinstimmung in der Architektin,
in der gesamten Kultur der sprachlich verschiedenen Bewohner der ge-
kannten beiden Provinzen besteht, zeigt sich ein Unterschied doch insofern, als
die Hopi, die Bewohner von Tusayan schon in früheren Zeiten aut die Höhe
getrieben worden sind, während die Zuni im wesentlichen I halbewohner ge
^lieben sind. Bei den einen und den andern sind die besonderen bezeichnenden
^dge in der Architektur nicht so sehr durch die Beschaffenheit der Umgebung
Und das vorhandene Material, als durch die Notwendigkeit der Verteidigung
ektstanden.
^irs. Tilly E. Stevenson. The Religious Life of the Zum child.
(Fifth Ann. Rep. Bureau of Ethnology, Washington 1887 p. o33 555.)
Die Tradition der Zuni verknüpft die Käkä, die mythischen Wesen, die
Westen, in der Region der Wasser hausen, mit den Geistern dei veistorbenen
Stammesangehörigen, die in der Tiefe des Geistersees leben. Alle vier Jahre
56
wird ein grosses Fest gefeiert, an dem die in dem vergangenen Zeitraum ge-
borenen Knaben den heiligen Athem dieser mythischen Wesen empfangen, in
den Bund aufgenommen werden, der den Stamm mit seinen verstorbenen An-
gehörigen und den mythischen Wesen, die das Gedeihen der Feldfrucht ver-
bürgen, verknüpft.
J. G. Owens. Natal Ceremonies of the Hopi Indians. Journal Am
Ethnology Archaeology. II. Boston 1892 p. 163—175.
Verfasser, der Dr. Fewkes, den Leiter der Hemenway-Expedition, bei seinen
Studien in den Dörfern der Hopi oder Moqui assistierte, beschreibt hier die
Geburtsceremonien dieser Indianer, die im Wesentlichen in Reinigungsceremonien
für Mutter und Kind, Taufe und Namengebung, und Präsentation des Neu-
geborenen der Gottheit, der Sonne, bestehen.
Frank Hamilton Cushing. Manual Concepts. A Study of the In-
fluence of Hand-usage on culture Growth. Am. Anthropologist. V.
p. 289—317.
Der Vf. will in der Entwickelung des Menschengeschlechts drei Perioden
unterscheiden, die biotische, die manuelle und die mentale. Als überkommenes
Material aus der zweiten dieser Entwickelungsperioden bespricht er die Ein-
wirkung der Hand auf die Ausbildung von Zahlbenennungen und Zahlzeichen,
auf Kerbstöcke und Knotenschnüre. In dem letzteren Abschnitt wird ein
ingeniöses System der Zahlbezeielmung durch Knotenschnüre beschrieben, das bei
den Zuni in Gebrauch ist.
Frank Hamilton Cushing. A Zuni Folk-tale o f th e Und er world. Journ.
Am. Folklore V. p. 49—56.
Wie die beiden Zwerge, die Zwillinge Ahaiyüta und Mätsailöma, die Götter
des Kriegs- und Spielglücks und Stammgötter der Zuni, in die Unterwelt stiegen
und was sie da erlebten.
Ad. F. Bandelier. An Outline of the Doeumentary History of the
Zuni Tribe. Journ. Am. Ethnol. Archaeol. III. p. 1 —116.
Die erste Entdeckung durch die Spanier (Fray Marcos von Nizza 1538 und
1539) wird beschrieben, die Geschichte des Stammes unter der Herrschaft der
Spanier bis zu dem grossen Aufstande im Jahre 1680 wird nach spanischen
Dokumenten erzählt.
Adolf F. Bandelier. The „Montezuma“ of the Pueblo Indians. Am.
Anthropologist. V. p. 319 — 326.
Der Name des letzten mexikanischen Königs Motecuhzoma, von Bernal Diaz
verstümmelt zu Montezuma, ist unter den Indianern des heutigen Mexiko
und auch von Neumexiko und Arizona Bezeichnung geworden für alles, was der
alten Zeit angehört. Die Puebloindianer nennen jede alte Ruine einen Monte-
zuma. Im Jahre 1846 wurde in Mexiko eine Erzählung zusammengeschrieben,
die noch in einer Anzahl handschriftlicher Exemplare in Neumexiko existiert, wo
Mythen, die dem Pose-yemo oder Pose-ueve, dem Kulturheros der Tehua
angekören, von Montezuma erzählt werden, und weiter berichtet wird, wie dieser
Mexiko eroberte, und endlich wie er seine Tochter Malinche an Cortes ver-
heiratete. Diese Schrift, deren Inhalt seither zu dem Märchenschatz der Pueblo-
Indianer gehört, wurde vermutlich aus politischen Gründen verfasst. Denn in
^er Zeit handelte es sich um die Abtretung der neumexikanischen Gebiete an
die Vereinigten Staaten. Die Indianer des Pueblo Jemez bewahren noch heute
aIs grössten Schatz ein Buch auf, das bisher nur der Erzbischof von Santa Fe
Zu sehen bekommen hat, und das dieser als ein Exemplar der von Lorenzana
herausgegebenen Briefe des Cortez erkannte.
herman F. C. ten Kate, Somatological Observations on Indians of
the Southwest. Journ. Am. Ethnology. Archaeology III. p. 119 —144.
Körper- und Schädelmasse von Pirna und Papagos, Maricopa, Zuni und von
Skeletten aus den Ruinen des Salado-Thals im südwestlichen Arizona.
^r- Washington Matthews. The Human Bones of the Hemenway
Collection in the United States Army Medical Museum at
Washington. National Academy of Sciences. Vol. VI. Seventli Memoir.
Die von der Hemenway-Expedition unter Cushings Leitung 1887
^sammelten, aus verlassenen Dörfern der südwestlichen Arizona stammenden
Schädel werden beschrieben und ihre Eigentümlichkeiten erörtert. In einem
besonderen Aufsatz wird versucht, die Eigentümlichkeiten des Zungenbeins bei
Verschiedenen Stämmen und seinen Wert für klassifikatorische Zwecke festzustellen.
W- M. Stephen. The Navajo. Am. Anthropologist. VI. 345 — 362.
Die jetzigen Wohnsitze und die jetzige friedliche Lebensweise dieses Stammes
aE> Schafzüchter und Schafhirten, ihre Sitten, Gebräuche, Techniken, religiöse
Ulld sonstige Vorstellungen.
Washington Matthews. A Study in butts and tipe. Am. Anthro-
pologist. V. 345—350.
Dr. Washington Matthews, dem wir die eingehende Beschreibung der
Zeremonie Dsilyidje gaQal „Berggesang“ verdanken, in der die Stammessage
Navajo dargestellt wird (Fiftb Annual Report of the Bureau of Ethnology.
Washington 1887), macht in der obigen Abhandlung auf den Unterschied auf-
merksam, den die Navajo-Schamanen mit grosser Sorgfalt bei allen Ceremonien
zWischen dem unteren und dem oberen Ende eines Gegenstandes machen, und
'lass sie bei allen Ceremonien immer von unten nach oben, nie umgekehrt, fort-
mbreiten. So sprengen sie Pollen auf eine Maske von unten nach oben
bmtschreitend, auf die Nase derselben aber von oben nach unten, denn die
J^ase hat oben ihre Wurzel und unten ihre Spitze.
^arnes Stevenson. Ceremonial of Hasjelti Dailjis and Mythical Sand
Painting of the Navajo Indians. VIII. Annual Repoit of the Buieau
of Ethnology. Washington 1891. p. 233 285.
Eine sorgfältige Beschreibung der Ceremonie, die bekannter unter dem Namen
yebitcbai ist. Farbige Abbildungen erläutern die Masken und das sonstige Zu-
58
behör. Farbige Reproduktionen werden auch von den Sandbildern gegeben, die
bei dem Feste angefertigt werden. Zum Schluss werden die Mythen erzählt, die
auf die bei dem Feste erscheinenden Götter Bezug haben.
John G. Bourke. The Medicine-men of the Apache. IX. Annual Report
of the Bureau of Ethnology. Washington 1892. p. 443—603.
Der bekannte Verfasser des Buches: „The Snake Dance of the Moqui Indians
of Arizona“ beschreibt hier die Medizinmänner der Apache, ihre Ausrüstung und
ihre Ceremonien, überall zum Vergleich die Kultur- und Naturvölker Amerikas
und der alten Welt heranziehend. Über die Berechtigung dieser Vergleiche wird
man freilich in der grossen Mehrzahl der Fälle streiten können. Seler
Journal of the Buddhist Text Society of India. Edited by Sarat
Candradäs C. I. E. Calcutta 1893. Vol. I und Vol. II. Heft 1.
Der erste Jahrgang dieser für die Kenntnis des nördlichen Buddhismus
wichtigen Zeitschrift liegt fertig vor, obwohl nur wenige der in den Notizen
(„Appendix“) angefangenen Materialien einen eigentlichen Abschluss erhalten
haben. Diese „Appendix“-Partien, welche massenhaft wertvolles und neues
Material aufspeichern, begleiten den eigentlichen „Text“, welcher in der Repro-
duktion von Tibetischen und Sanskrit-Original-Texten, welche fast durchweg von
englischen Übersetzungen begleitet sind, besteht. Auch Pâlitexte haben Auf-
nahme gefunden: so Teile des Dhammapada mit Kommentar, durchweg in
Nägarx gedruckt. Von dem Visuddhamagga des Buddhaglxosa ist der Anfang
mit Sanskritübersetzung mitgeteilt: ein Unternehmen, welches die Frage anregen
dürfte, wann wohl der ganze umfangreiche Text dieses wertvollen Werkes, das
jetzt in einer vorzüglichen sinhalesisehen Ausgabe zugänglich ist, im „Journal“
erscheinen wird. Unter den Appendix-Partien sind besonders wertvoll die
Mitteilungen' über die Bonreligion, welche übrigens die ungemeine Dürftigkeit
an selbständigen Ideen dieser Religion so recht klar machen. Eine Anzahl
etwas bengalisierter Bilder begleiten diese Notizen, der Gott dVa-ga-pa auf
Taf. II (es muss dVu-gu-pa heissen) ist deutlich eine Nachahmung des Typus
des Yamäntaka der Lamaisten. Von besonderem Interesse sind ferner die Mit-
teilungen über das Kloster bKra-shis-lhunpo und seine Lehranstalten etc.; die
biographischen Notizen über Atisa, Kamalaslla, S’äntirakshita, mKhas-grub-rje,
Brom-ston etc., das Resumé über buddhistische und brahmanische Höllen, über
die Göttin Kâli, und über die Nâga’s (im 1. Heft des zweiten Bandes).
Grünwedel.
Variétés sinologiques. No. 1. L’ile de Tsong-ming à l’embouchure du
Yang-tse-kiang. Par le P. Henri Havret, S. J. Chang-hai 1892. No. 2.
La province du Ngan-hoei (avec 2 cartes hors texte). Von demselben-
ibid. 1893.
Es sind dies zwei topographische Studien auf Grund einheimischer Quellen
Die grosse Belesenheit des Verfassexrs und die ausserordentlich sorgfältige Be-
nutzung des Quellenmaterials verleihen diesen beiden Monographien einen hohen
59
wissenschaftlichen Wert. Der Verfasser beabsichtigt, der topographischen Be-
schreibung der Provinz Ngan-hoei eine historische folgen zu lassen, deren Er-
scheinen hoffentlich bald begrüsst werden darf.
Leon de Rosny, le Taoïsme. Avec une Introduction par Ad. Franck, Paris,
Leroux. 1892. 8°.
Das kleine Buch behandelt in acht Kapiteln den Ursprung des Taoismus,
^as Leben des Lao-tse, den Text des Tao-teh-king und seine Geschichte, die
Kommentatoren, die Definition des Terminus täo, die Philosophie des Lao-tse,
'Ke Moral und Politik des Tao-teh-king, die unmittelbaren Nachfolger des Lao-tse
Ußd endlich den Taosseismus, unter welcher Bezeichnung der Verfasser die
Volkstümliche Form versteht, welche der Taoismus als religiöser Glaube und
Kultus angenommen hat. Des Neuen bringt das Buch nicht viel, sein Haupt-
Vorzug liegt vielmehr in der gewandten Darstellungsweise, welche demselben eine
Weitere Verbreitung über die engen Grenzen des fachmännischen Kreises hinaus
sichern dürfte. Recht befremdend ist, dass der Verfasser Giles’ Remains of
Lao-tzu (Hongkong 1886) nicht mit einem Worte erwähnt. Wenn man über
Textkritik des Tao-teh-king redet, sollte eine so scharfsinnige Untersuchung
ftieht mit Schweigen übergangen werden, auch wenn man mit den Schlussfolge-
rten ihres Verfassers nicht übereinstimmt. Das interessante Gebiet des
»Kaosseismus“ wird auf 13 Seiten abgethan. Welchen Zweck die Einleitung des
Kerrn Franck hatte, vermag Referent nicht anzugeben. Grube.
Kilis. The Yoruba Speaking Peoples of the Slave Coast of West-
Africa. London 1894
111 Ergänzung zu den vorangegangenen Bänden
The Ewe Speaking Peoples (1890) und
The Tshi Speaking Peoples (1887),
s°dass in diesem Gesamtwerk jetzt eine wertvolle Unterlage für anschliessende
Studien geboten ist, und zwar auf einem Arbeitsfelde gerade, das wichtigste Ei-
•^ebnisse verspricht (für Kenntnis der Nigritier).
CUüow. Die Verwandtschafts-Organisation der Australier. Stuttgart
1894.
Dies Buch reiht sich denjenigen an, welche die zu ihrer Vollentfaltung her-
rreifende Entwickelungsperiode der Ethnologie illustrieren, seitdem die ethnische
Lin sch au (in soweit allgemeinen Umrissen) eine Abrundung anzunähern beginnt
betreffs der Elementargedanken und ihrer Statistik).
Zum deutlichen Eindruck kommt es jedem, der bis auf die Anfänge dei
Generation, woran er durch seine Mitarbeit beteiligt war, zurückzublicken vei
auf das jahrelang mühselig auferzwungene Materialbeschaffen, auf das Um
K°i'blinken neu überraschender Erscheinungsformen, nach deren Leitungsfäden
Leitungspfaden (bald hier, bald da) umherirrend gesucht wurde, unter dem
Experimentieren mit (stets wiederholt benötigten) Vergleichsversuchen (hin und hei
Schoben in monoton oftmals ermüdendem Geduldspiel), besonders auch in dem
Kapitel über die Ehe-Verhältnisse. Eine erste Etappe war mit Morgan s umfang
1-eich methodisch angelegtem Werk erreicht, auf vorläufig gebreiteter Unterlage, so-
60
dass die anschliessenden Theorien1) objektiver Prüfung unterzogen werden konnten,
um, wenn bewährt erwiesen, fortverfolgt zu werden oder demgemässe Umgestaltung
in der Erklärungsweise zu erhalten, durch die in weiter hinzutretenden Belag-
stücken veränderte Beleuchtung. Manch’ solche Lichtstrahlen sind dem (durch
mehrfach erörterte Ursächlichkeiten) verzögerten, aber deshalb gerade desto durch-
schlagenderen Aufschluss Central -Australiens zu verdanken, und die von dort
durch eine von Beamten und Reisenden rüstig ausverfolgte Thätigkeit allmählich
eingeernteten Sammlungen erhalten ihre systematische Zusammenstellung in der
hier vorliegenden Durcharbeitung (auf sachkundige Litteraturkenntnis gestützt).
Bei induktivem Aufbau unserer „Lehre vom Menschen“ gilt als erstes Pflicht-
gebot, die durch die komparative Methode bedingten Kautelen in Erinnerung zu
bewahren, vornehmlich also: dass die Erörterungen auf ihre durch die Relations-
begriffe gesteckten Grenzen eingeschränkt zu halten sind, und jede irrationelle
Transcendenz vermieden werde (solange die Psychologie ihrer naturwissenschaft-
lichen Durchbildung noch ermangelt).
So oft deshalb von Ursprünglichkeit geredet werden sollte (mit dem „Ur“
und seinen Zusammensetzungen gehurt wird), ist dieses Wort desjenigen meta-
physischen Charakters zu entkleiden, der in den deduktiven Epochen der Kultur-
geschichte voranzustehen pflegte (als vorzugsweise favorisiert für sentimentalen
Kitzel), statt das Ursprüngliche (als echt in Originalität) da entgegenzunehmen,
wo es sich im Einklang mit den Naturbedingnissen antrifft.
Wann — (und wo) immer wir auf jene „Mista (oder Mysta) prima“ gelangen,
die zur Scheidung von alchimistischem Wust (eines von Nacht der Unwissenheit
umlagerten Okkultismus) eingerammelt wurden (seit Boyle’s Skepsis), auf „Ele-
mente“ und „Prinzipien“ also, ist Halt geboten vorderhand, um jetzt wieder auf-
wärts zu wandern, an der ödöq ävio xal xdno, sei es in Ascendenz, sei es in De-
scendenz, jenachdem der konkrete Fall für die eine oder andere Entscheidung
aussagen mag, im Herabsinken oder Aufsteigen (und im Emporsteigen wieder
aus dem Herabgesunkenen vielleicht).
Zur Übersichtlichkeit bedarf es eines Entwurfes schematischer Diagramme,
obwohl diesen nun zwar, in aktueller Verwirklichung, nur diejenige Reinheit zu-
') Wenn in umfangreichen Sammlungen faktische Belegstücke der Benutzung aus-
gebreitet liegen, braucht beim Herausfischen der nahrhaften Brocken die hinzugeschüttete
Sauce (der Theorien) nicht mitgenossen zu werden, so oft in unhaltbare Hypothesen
auslaufend, in — bio- (zoo-)logisch sowohl, wie soziologisch widerlegter — Promiskuität,
in (den Inzest einschliessender) Blutsverwandtschaftgenossenschaft, in (linguistischen
Deutungen unterstellten) Gruppenehen, im euphemistisch (anstelle einer Frauenknechtschaft
des Wildzustands) simuliertem Mutterrecht (mit seinen die Regel bestätigenden Ausnahmen),
bis auf die „Patria potestas“ (politischer Vollkultur). Dann reiht sich (in Conferreatio)
die monogamische Ehe an, aber Monogynie durchzieht schon die Vorstadien (sofern nicht
Schutzbedürftigkeit das Herdentum zusammentreibt), und neben der Polygynie in ihrem
Doppelcharakter, den Luxus begünstigend oder (andrerseits) die Erwerbsfähigkeit (mit
hygienischen Vorschriften), findet sich dann die Polyandrie, unter solchen Isolierungen
gerade, wo das Warum präzis sich erklärt (im konkret gegebenen Fall). Cf. Grundz.
der allg. Ethn. (S. 48 u. a. a. 0.).
61
Seoiutet werden darf, wie sie theoretisch verlangt sein würde (bei Hinzeichnung
^er geometrischen Umschliessungslinien).
Betreffs der bewegenden Motive sind (in mechanischer Weltanschauung)
8°lche auch biologisch (und soziologisch weiter) festzuhalten, wie sie sich durch
strenge Erprobungen anorganisch bewährt haben (in ihren Kräftewirkungen).
Voran steht das Recht’) des Stärkeren, das sowenig eines Kommentares
Bedarf, wie der Satz, dass Zwei mehr ist, als Eins, Drei mehr als Zwei u. s. w.
Gü der Arithmetik des logischen Nachweis). Auch hier zwar ist es (erklärlich-
es) sogleich der konkrete Fall, von dem das Folgende abhängt (im Gang der
Untersuchung). Je nach mathematischer Anwendung der abstrakten Zahl mag
'U0 Eins doppelt oder zweihundertfach schwerer wiegen, als die Zwei, diese drei-
hundert- oder dreitausendfacher, als die Drei (und wie es sich sonst ergiebt). Immer
30doch bewahrt sich sein Recht das Stärkere-Recht, je nachdem dabei die Quali-
tät oder Quantität zum Austrag zu kommen hat (ob eben so oder so). In der
Primären Horde liegen die Gewichtsverhältnisse offenkundig vor, ein (schon dem
tarnen nach) stärkeres Geschlecht und ein schwächeres, sowie Gliederung der
-Altersklassen, mit dem Schwerpunkt in der vollgereiften (der „Soldatenkaste“,
öack indianischer Fassung), cf. Kontroversen II (S. 12 u. a. a. 0.).
Das Gleiche fliesst in einander, im Gleichaltrigem zusammenhockend; nach
Geschlechtern getrennt, die Männer auf der einen, die Frauen auf der anderen
Seite (und jede Altersklasse in den Gleichaltrigen).
Freilich wird solch’ schematische Zeichnung in der rauhen Welt der Wirk-
lichkeit ihre Ecken allzusehr abstossen, um in theoretischer Säuberlichkeit die
’) Das sogenanten „jus fortioris“ gilt zunächst körperlich materiell, mit der Wucht der
^annesfaust niederfallend, bis dann die Frau etwa herrscht, im Haus, — und in solch
ruhig friedlichem Regimenté nach dem Regime sexueller Konstitution, sich kongenialer
tühlen wird, als wo zum Schutz, unter den Stürmen des politischen Lebens, Regimenter
Zu marschieren haben, oder auf den Tribunen Wortschlachten sich liefern, mit blutigen
Verwundungen oft, wenn ins Herz treffend (und das weiblich zarter besaitete rascher
Zerreissend). Wenn das eine Geschlecht (seinem Berufe gemäss) mit der Executive betraut
lst> brauchen die Rechte des anderen um so weniger verkümmert zu werden, je mehr
sich bei verständigem Durchblick (wohl organisierter Konstitution) das Interesse der Ge-
willtheit darin gerade erkennt, dass jeder Bruchteil möglichst unbehindert auf seiner
^gentümlich zugehörigen Rechtssphäre sich entfalten möge (zu fröhlich gesundheitlichem
Gedeihen). Immer aber gilt (und dominiert) das Recht des Stärkeren, im Grossen und
1111 Kleinen, im Allgemeinen und im Einzelnen, im Ganzen und jeglichem Teil, ob brutal,
r°h (in der Wilde), ob veredelt idealisiert (in den Ausverfeinerungen der Civilisation).
Als Stärkster muss sich (klardeutlich) der beste Rechenmeister erweisen, weil eben aufs
r'chtige Ziel hineintreffend, bei Richtigkeit des logischen Rechnens, und das Richtige
^ die Richtschnur zu bilden (in Klarheit und Wahrheit). Richtigkeit (in Aufrichtigkeit,
^hrlich gemeint) entscheidet, wie objektiv in der Natur überall, so für die subjektive
assung, und der Fälscher bricht desto unfehlbarer seinen Hals, je mehr im 1 rauen
ai|f seine Schlauheit in die anwachsenden Komplikationen hineingejagt, von den Göttern
^ht Bethörung geschlagen, durch ärt] (Zeus älteste Tochter), — vom Himmel heiab-
SWchleudert auf die Erde, unter die Irrsale, die dort bedrücken, bis die Megga ge-
funden sind, dem Erlösungszug zu folgen, (oder ethnisch sonst entsprechende Weges-
Rchtungen).
M. f. v.
6
62
Augen zu treffen, da diese vielmehr, bei radikal feindlichem Gegensatz der für
Vereinigung bestimmten Geschlechter, vonvornherein in ein leeres Nichts hin-
ausschauen müssten, worin, mangelnden Nachwuchses wegen, das Ganze zu ent-
schwinden hätte.
Obwohl jedoch im Gange der Dinge das schwächere Geschlecht vor dem
stärkeren schliesslich stets zu erliegen hat, lassen sich doch — aus der (durch
Erschlaffung der auf aktiven Lebenserwerb hingewiesenen, Männer in halbeulturellem
Schwelgen) zeitweis hervortretenden Superiorität der Frau, in (amazonisch) gynai-
kokratischen Zuständen (am Kongo z.B. oder im Amazonenland des Maranon, unter
klassischen Reminiscenzen etc.), bei dem durch Widernatürlichkeiten verursachtem
Herabsinken,— Barometerstände entnehmen, woraus auf tiefen Stadien der Unkultur
noch eine Art Gleichgewicht der Geschlechter herauslesbar wäre (wie bei den Kurnai
z. B. mit Vögelabstammung), unter striktestem Vorbehalt wiederum, hinsichtlich der
(für den konkreten Fall jedesmalig etwa gültigen) Erklärung, bei sociologischen
(oder biologischen) Parallelen, zum Ankristallisieren isomorpher Körper gleichnisweis
(aus chemisch verschiedenen Mutterlaugen). Wie bei den am Gabun sexuell gegen-
überstehenden Geheimbünden, wird überall dem Reisenden die Kenntnisnahme
mehr noch, als bei den männlichen, bei denen des andern Geschlechtes erschwert, und
so lässt sich, in dem gelegentlich dem Frauenconvent (in mikronesischen Clöbber-
göll u. dergl. m.) zustehendem Recht, die Fortgabe zur Verheiratung (deren
Verletzung bei australischen Fluchtversuchen durch die Yamsstöcke gerächt
werden mag) noch weniger genugsam durchblicken, als das, was sich anderer-
seits wieder, bei männlichem Aneignen der Frau, konstatiert zeigt (in über-
wiegenderem Durchschnitt).
Innerhalb des als Einheit umschliessenden Stammesleben ringt sich der Ein-
zelne zur Individualität empor, für volle Befriedigung der innewohnenden Be-
dürfnisse, auch auf religiöser Sphäre (aus den, auf untersten Stufengraden mehr-
weniger bereits regsamen, Voranlagen geistigen Hungergefühls).
Hier schafft der „Angang“, als Pagar (wirbelnder Steinchen, auf Sumatra)
den (zum Fetisch geschnitzten) Souman (Guinea’s) im (nagualistischen) Totem,
bei Verfolg des Thieres, oder auch aus dem Pflanzenreich für den Kobong (und
seine Analogien vielfach). Der Nigritier nimmt es gleichmütig schlaffer (wenn etwa
nicht die Rache stachelt, zu böswilligem Schaden), wogegen die Gefahren der
Jagdfahrten einen umständlichen Vorbereitungskurs angeraten haben (beim
indianischen Pubertätstraum), und bei (australischen) Jünglingsweihen lässt sich
das Ceremonial en bloc absolvieren (wie bei der Konfirmation in Quimbes u. dgl. m.),
während dann auf fortgeschrittenen Entwicklungsstufen solche Einigungen statt
haben mögen, wie sie in die Mysterien der „Medizinlogen“ sich zurückziehen (und
Konventikel aller Art).
Wie nun immer der Patron — (wenn kein „genius natalis“, aus „ideae in-
natae“), tfeoc yäp ns lv ijpb (b. Euripides), als animus (s. Cicero), rfior ydp äv&pwno>
da.ip.wv — erlangt sei, antreffen wird er sich stets, unter der einen oder anderen
Modifikation seiner Attribute für entsprechende Äquivalente; bis auf den Gottes-
begriff hinauf, längs dämonischer Zwischenstufen (nach ihren Mittelwerten).
63
Wird nun, schematisch, die Stammesfamilie im engsten Kompass gefasst, so
dominiert hier der Totem des Vaters vom Patriarchen her, unter den (mit der Ent-
fernung) vergrösserten Umrissen (zum Ahnenkult ausweitend) bis auf Unkulunkulu
Wer Bantu). Mangelt dem Sohne das Strebergefühl zu selbstständiger Unab-
hängigkeit (oder fehlt ein Anlass), so adoptiert er den Totem des Vaters oder
findet sich bereits in dessen Bereich bequemlich hineingewachsen, wie die Tochter
°hnedem (ohne um ihren Willen viel befragt zu sein). Da fortgesetzte Inzucht, weil
Wi extremis) zum Aussterben führend, mit solchem Absterben der Betrachtung ent-
^°ben ist, hat sich diese den connubialischen Erweiterungen zuzuwenden, für die
fixogamie, und hier beginnen nun die Totem zu kreuzen, da die Frau bereits deu
Trigen mitbringt, bei Vereinigung mit der männlichen Hälfte, und je nach den
Aussprüchen eines Vater- oder Mutterrechtes (unter dessen, oft widersprechendster,
f iktion bei Knechtschaft der Frau) haben sodann die Regulationen für die Kinder
hervorzutreten, in allzu bunt durcheinanderlaufender Mannigfaltigkeit, als dass
lrgend welche Generalisationen bereits gewagt werden dürften, ausser für den
Jedesmalig konkreten Fall (innerhalb der Kreissphäre seiner Realisationen), wenn
fie benötigten Vorlagen gegeben wären, um ihn unter all’ den mitsprechenden
^edingnissen zu erörtern, für die faktisch besondere Sachlage (die als Pensum
V0l’liegen sollte).
In izpö\rnpi$ (ßwota (fucnxrj xou xa&oAou) mag der Sachverhalt als realer accep-
fiert werden, (soweit sich in fiktitiver Abstraktion eine Fühlung bewahren lässt).
Auch zwischen zwei Totem genügen die Kreuzheiraten noch nicht, weil die
Fügungen wiederum innerhalb des höher geschlossenen Einheitsbegriffes ver-
reiben würden. Es muss also für die Kinder (zu einer Zeit bereits, ehe die
Pubertät die Aneignung eines selbstständigen Totem’s überhaupt ermöglichen
würde) vorgesorgt werden, durch die Klassen, worin sie verteilt werden, nach
fiteren oder jüngeren (oder als Knäbchen und Mädchen). Die Wurzeln der Kau-
^fiität (die „wurzellose Wurzel“, um in der Sprache der Sankhya zu reden)
taHen vorläufig über den Gesichtskreis deutlicher Sehweite hinaus, (embryologisch
u°ch verhüllt aus ihrem Mutterschosse) unter die Vorbedingungen sozialer Existenz,
wie durch die Specificität der historisch-geographischen Provinz, im praktisch
ailfgestellten Exempel, gegeben; sie bilden also noch keine Rechnungsaufgabe
die Induktion, welche stets erst von den realen Daten des vorhanden Ge-
gebenen auszugehen hat, wobei es sodann den Ergebnissen anheimgestellt bleibt,
wieweit Rück- (oder Vor-)schlüsse gestattet sein mögen (in Anticipation).
Bei Verwendung von Termini technici, wie Endogamie und Exogamie, darf
Relativität dieser Begriffe nie übersehen werden, da sich ihr Ziffernweit
Rainer aus dem speziellen Sonderfalle erst fixieren lässt (für gültige Schätzung),
die Rechnungsoperationen sich nun komplizieren, beim Fortschreiten zu
aillphiktyonischen Verbänden (im sozial-historischen Wachstum u. dgl. m.). Je
*rich Erweiterung des allgemein umschliessenden Einheitsbegriffes ändert sich
deiögemäss die Fassung dessen, was für den in Betracht gezogenen Specialfall
eüdogamisch oder exogamisch abzuschätzen wäre (nach relativ gültigen Pro-
h°rtionsverhältnissen).
6*
64
Das Heiratsverbot für den Totem (der Gens) ist selbstgegeben nahegelegt
(bis auf die Erweiterungen zur Phratrie hinaus), und bei territorialen Fixierungen,
aus genealogischem Verbände, haben dann die entsprechend abändernden Modifi-
kationen hinzuzutreten (wie bei Kleisthenes’ Reform).
Bei der lokal typischen Zersplitterung der australischen Stämme ist bei
ihnen demgemäss das Phänomen der Klassenheiraten zu charakteristischer Durch-
bildung gelangt, und muss somit ebenfalls nach den durchgängig mitwir-
kenden Faktoren (der wechselsweisen Geschlechterstellung im Nebeneinander und
der Altersgliederungen im Nacheinander) in Betracht gezogen werden, zumal wenn
(bei weiterem GestafFel) gleichaltrige Generationsschichtungen Anrecht auf ein-
ander erhalten, oder (wie bei Dieyerie, in den Noa der Pirauru) schon eine
„selection raisonnee“ für kulturelle Züchtung statt hat (gleich einer lace-
dämonisch geübten Auswahl).
Im Verhältniss zu der politisch fester geschlossenen (vornehmlich betreffs der
Irokesen literarisch bekannten) Organisation der Indianer, wo sich der ganze Prozess
(der Hauptsache nach) im Umbegriff des Totemismus abzuwickeln vermag, fällt
für australische Klassenheiraten das Eigentümliche des Charakterzugs in ärmliche
Zerstreuung auf unwirtlichen Boden (dem Gepräge dortig geographischer Pro-
vinz gemäss).
Der Verfasser hat den durch die Induktionsmethode angezeigten Weg ein-
geschlagen, im Durchwandern der thatsächlichen Beweisstücke, um zunächst ein
auf gesicherten Stützen ruhendes Gerüst zu errichten, für die fernere Beweis-
führung. Mit eingehendem Verständnis des ethnischen Gedankenganges verbindet
sich die des historischen Entwicklungsganges ethnologischer Forschung, um den
Missgriffen seiner mit noch unvollkommenerem Material arbeitenden Vorgängern
die volle Entschuldigung angedeihen zu lassen, die in der Natur der Sache be-
gründet liegt, während es an scharfer Polemik nicht fehlt, wo Fehler hätten
vermieden werden können, bei gründlicherer Vertiefung des Studiums.
Die in Geschlechtertrennung und Altersgliederung spielenden Faktoren sind
in den Hauptpunkten richtig erkannt, doch dürfte für deutlichere Klarlegung
ihres Ineinandergreifens, zunächst noch eine strengeres Auseinanderhalten an-
gezeigt ratsam sein, in objectiv getrenntem Ausverfolg, da sich die Berührungs-
punkte dann von selbst zu ergeben haben, im Gang der Untersuchung (nach
organisch eingesäeten Keimanlagen). Die Arbeit ist eine mustergültige in ihrer
Art und desto dankeswerter, weil auf einem Forschungsfeld unternommen, das
durch die Fremdartigkeit seiner Anschauungsweisen den darauf geworfenen
Hinblick leicht verwirrt, wenn nicht (zur Orientierung über die leitenden
Gesichtspunkte) zuverlässiger Führung gefolgt werden kann, zum Anhalt an
den, einer Nachprüfung zugänglichen, Aussagen des thatsächlichen Materials, wie
ausgiebig hier geboten, über die Organisationsform der Kamilaroi (Kap. 1), der
Kurnai und Gournditschmara (Kap. 4), der Narrinyeri und Turra (Kap. 5), der
Kolor-Kurndit und Kurnhopan not-Kurndit (Kap. 6), der Dieyerie etc. (Kap. 7).
Das letzte Kapitel wendet sich den neueren Publikationen über das gleiche
Thema zu und ihrer Kritik (den gegenwärtigen Stand dieser Forschungsfrage
präzisierend). A. B.
65
Für die Kenntnis Polynesiens sind, durch gütige Vermittlung des Rev.
Grill in Sydney, eine Reihe lehrreicher Separat-Abzüge eingegangen, wie folgt:
^ev* George Pratt: The Genealogy of the Kings and Princes of Samoa.
Transactions of the Australasian Association for the Advancemt of Science.
Melbourne Meeting 1890.
^ev. 6. Pratt with Notes by John Fraser: Some Folk-Songs and Myths
from Samoa. Read before the Royal Society of N. S. Wales, July 1, 1891,
(Nov. 5, 90).
^ev. G. Pratt with Notes by John Fraser: Some Folk-Songs and Myths
from Samoa. Read before the Royal Society of N. S. Wales, Septb. 2,
1891.
^ev. G. Pratt with Notes by John Fraser: Some Folk-Songs and Myths
from Samoa. Read before the Royal Society of N. S. Wales, Octob. 7,
1891.
^ev. G. Pratt with Notes by John Fraser: Some Folk-Songs and Myths
from Samoa. Read before the Royal Society of N. S. Wales, Decernb. 2,
1891.
John Fraser: The languages of the New-Hebrides. Read before
the Royal Society of N. S. Wales, July 5, 1893.
^he story of Tu and Rei, a Manihikian Myth (Mangaid), by Rev.
W. W. Gill, LI. D. Transactions of the Australasian Association for the
Advancement of Science, Melbourne, 1890.
^he languages of the New-Hebrides, by Sidney H. Ray, Londres, revised by
Dr. John Fraser, Sydney (read before the Royal Society of N. S. W.,
July 5, 1893).
Aus der durch das Kamerun-Comité veranlassten Expedition der
Herren v. Uechtritz und Passarge ist eine wertvolle ethnologische
Sammlung zurückgebracht, welche an das Königliche Museum für Völker-
kunde in Berlin überwiesen worden ist, von diesem aber nur in den-
jenigen Stücken aufgenommen wurde, welche zur Ergänzung früheren
Besitzes aus den Sammlungen des Reisenden Flegel sich angezeigt ergaben.
Es schien wünschenswert auch anderen der einheimischen Museen
die Möglichkeit zu lassen, aus einem fiir die Kolonialgeschichte bedeu-
tungsvollem Unternehmen Erinnerung zu bewahren, durch Einfügung der
Ergebnisse in den Sammelbestand.
Nachstehend folgt die Liste der zur Verfügung stehenden Gegenstände,
sämtlich im besten Zustand der Erhaltung und mit genauen Lokalan-
gaben versehen.
Da dies im nationalen Interesse eingeleitete Unternehmen unter Mit-
hülfe freiwilliger Beiträge ausgerüstet worden ist und zur Deckung der
Unkosten also auch die Sainmlungs-Resultate herangezogen werden müssen,
sind die Gegenstände als Zahlungswerte zu schätzen und werden sie, wenn
von dem Käufer seinerseits kein Angebot eingeht, nach dem Massstabe
des von dem hiesigen Museum für seinen Anteil gezahlten Durchschnitts-
preises valuieret werden (vorbehaltlich derjenigen Bestimmungen, welche
das Comité darüber treffen sollte).
Speer, vergiftet. Däckawa.
Däckawa.
11
19
11
Bute. 12. —13.° 0. L. 7.—8.° N. Br.
Lacka. 8.—9.° N. Br. 15.0 0. L.
11
Baya.
Djikum, Mutschi.
Baya.
11
11
91
11
11
11
11
91
99
11
19
67
Speer, Mutschi, Djikum.
” 11 11
ii ii ii
Lanzenspitze. ?
Köcher mit Pfeilen. Von den Bubandjidda. Typische Fullah. Von den
Durru gemacht.
Köcher mit Pfeilen. Von den Heiden gemacht.
Köcher mit Pfeilen. Fullah.
Köcher mit Pfeilen. Mutschi.
Fullah.
Wurfeisen. Lacka.
„ Yangere.
„ Devera. längere.
Spannmesser. Djikum.
Armring. Mutschi.
„ aus Eisen. Baya.
,, ,, ,, Lacka.
Verschlussspirale zu einer Felltasche. Heidenstämme. S. v. Gasa. Yangere.
Armring. Lacka.
^ Eisenzwingen.
Kriegspfeife. Yangere.
Klöte. Baya.
^ Kalebassenlöffel. Baya.
Spindel. Haussa. Fuebe.
Köcher. Mutschi.
Schild. Deckawa.
Kriegsflöte. Tengelen.
„ Deckawa.
Annspirale. Baya.
Armring mit Tauschirarbeit. Djikum.
68
Armringe. Mutschi.
Speerspitze. Lacka.
Fusseisen, Sklavenfessel. Fullah.
Handschellen. „
Messingarmring. Benue. Djikum.
Fulbepfeile, von den Reisenden durchschnitten; vergiftet.
Köcher dazu. Fullah.
Für weitere Auskunft über Einzelheiten sind Anfragen zu addressie-
ren an die
Verwaltung des Königl. Museums für Völkerkunde
Berlin
(und werden demgemäss, im Einverständnis mit dem Comité, beantwortet
werden).
Druck von A. Haack, Berlin NW., Dorotheenstrasse 65*
Für
»Betrachtungen liber offene Fragen in der Ethnologie“
Werden (unter Beteiligung von Freunden der Völkerkunde) Streifblätter zur Ausgabe
kommen, je nach der Veranlassung dafür, und eine, nachstehend, erste Nummer ist diesem
Heft der „Ethnologischen Notizblätter“ als Beilage zugefügt (aus gleichem Verlag).
Randglossen zur musealen Ethnologie,
Es hat sich bei Einrichtung von Museen die Frage gestellt, wieweit
ahf Abtrennung einer, öffentlichen Zwecken dienenden, Schausammlung
Bedacht zu nehmen sei, oder auf Ausscheidung eines, zum täglichen
Gebrauche handlichen, Lehrapparates, neben dem für fachgerechte Be-
nutzung und Verarbeitung angesammelten Gesamt-Material (im Besitzstand).
In den Kunstmuseen werden die Schausammlungen voranstehen (zum
Hauptaugenmerk in der Anordnungsweise), da sie, obwohl im richtig
korrektem Sinne des innewohnenden Wertes nur von der (auf sich be-
Sebränkten) Oligarchie der Sachkenner vollgemäss abschätzbar, doch durch
*bre Anschau eben anregend und belebend wirken sollen auf die grosse
Menge des Publikums, um etwaig latent darin schlummernde Talente zu
decken.
Die naturhistorischen Sammlungen sind im Hinblick auf wissenschaft-
liche Zwecke zusammengebracht, werden indes innerhalb eines übersicht-
lich abgeschlossenen Systems die Schaustellung eines Lehrapparates leicht-
Hcli gestatten, um dem Durchschnittsmass der Gebildeten im weiteren
Sreis für Belehrungen zugänglich zu sein.
Auch die prähistorischen Museen, welche, bei Ausschürfung eng um-
effcnzter Areale, ihr Rohmaterial (fast gleichartiger Dubletten oftmals) in
§rösseren Massen anhäufen mögen, als bei vorhandener Raumbeschränkung
^ir die Aufstellung gerade wünschenswert ist, werden manches magazinieren,
^as erst dann hervorgeholt wird, wenn für Erschöpfung einer speziellen
Fragestellung monographische Durcharbeitung bis auf scharfgenaues Detail
111 Zugriff genommen wird.
Bei den ethnologischen Museen steht es anders, denn die reichsten
derselben, die den profanen Blick mit dem Eindruck der Überfülle be-
^t. f. y. l
2
drücken (uud erdrücken) mögen, sind bettelarm für das Kennerauge, das
in dem sporadischen Flick werk die abgerissenen Fetzen erkennt, aus
welchen (nachdem ein haltbarer Einschlag gewonnen sein wird) das
majestätisch überwältigende Totalbild, (das der Menschheit selber), wiederum
zusammenzuweben, noch lange (eine gar lange) Zeit noch in Anspruch
nehmen wird, sodass in weiteste Ferne also entlegt verbleibt, wofür
unsere Generation begonnen hat, die ersten Bausteine zusammenzutragen:
zum Aufbau jener Tempelkathedrale künftiger Äonen, woran die Nach-
kommenden weiterzuarbeiten haben werden. »Cito consummabitur tur-
ris«, meinte man, als Hermas’ Engel, a^y](xan noipevixa), seine Herden hütete.
Dass es länger dauern wird, wissen wir jetzt besser, seitdem (in der
Anthropologie) auf eigene Arbeit hingewiesen, und diese unter den Händen
wächst, mit fortschreitendem Eindringen in Einzelheiten, die für ihre
Bewältigung frisch herantretende Kräfte erwarten.
Unter solcher Sachlage leidet frühzeitiges Abscheiden einer Schau-
sammlung unter mancherlei Bedenken, um nicht der Einführung präjudi-
zierender Irrtümer Vorschub zu leisten; obwohl andererseits die Herstellung
eines Lehrapparates hier und da sich ganz wohl ausführbar erweisen mag.
Das älteste der Museen, das alexandriniscbe, zentrierte in seiner Biblio-
thek, als ein Thesaurus historischer Dokumente. Aus Zufügung des
Schmucks und allmählicher Überwucherung desselben, (bis schliesslich
völliger Verdrängung der Bücherschätze), erwuchs das medicäische Kunst-
museum in Florenz, dem (im Vatikan) das römische zur Seite trat, während
für niederländisches Gemeinwesen die Stadthäuser das Material ansammelten,
und dann wurden akademische Anstalten geschaffen, in denen »Wissenschaft
und Kunst1) praktisch neben einander getrieben wurden« (s. Stark), wie am
normalsten von den archäologischen Museen ausverfolgt, innerhalb des
orbis terrarum klassischer Geschichtsumschreibung. Und nach den hier
gebotenen Musterbildern würden nun die ethnologischen Museen, kraft
der von der Naturwissenschaft entlehnten Induktionsmethode, den Globus
zu umwölben haben, um die Geschichte des Menschengeschlechts, (der
Humanitas, in der Menschheit Bild), vorzuführen, wenn einstens die Zeit
dafür gekommen sein mag. i)
i) „Wahrhaftig steckt die Kunst in der Natur, wer sie heraus kann reissen, hat sie“
(gleich Albrecht Dürer). Aus systematisch gepflegten Pflanzschulen, um einen Künstlerstand
heranzuziehen, werden sich auch solch’ pathologische Verzerrungen aufziehen lassen,
wie sie in modernen Kunstausstellungen dem Laienauge Entsetzen einjagen, und obwohl
sie pikant prickelnder Sinneslust zu frönen, Genüge leisten mögen, bliebe daneben
doch die Frage, ob des Geldes wert, das sie beim Zusammenrechnen gekostet haben (im
Erziehungskurs). Wie der Dichter muss auch der Künstler geboren sein, und selbst
wenn ohne Hände (wie von Raffael gesagt ist), wird die Natur ihn über seinen Beruf
belehren, während es mit pädagogischer Kunst seinen Haken hat, wenn frühzeitig ge-
krümmte Häkchen krumm und schief fortkümmern (und -wimmern).
»Veniet tempus, quo posteri nos tarn aperta nescisse mirentur«, kam
zum Eindruck, als »ex Oriente lux« erste Streiflichter warf auf westlich
^toschattetes Hesperien, wo der Ozean seine »vincula« durchbrechen sollte,
zuia Auföffnen neuer Welten (»nec sit terris ultima Thule«). Jetzt steht
*Ke Sonne im Zenith, und bald wird kommen die Zeit, wo bittre Klagen
Wvorbrechen müssen, wenn zur Fundamentierung künftiger Studien die
gesicherten Unterlagen ermangeln. In grimmem Zorn wird man rasen
v°r Wut und Schmerz, dass sorglos versäumt sei, die ethnischen Origi-
llaHtäten zu retten, die vor sehenden Augen aus dem Dasein ausgetilgt
s^nd, dahingesunken in das Nichtsein (oder Nichtmehrsein); dass (trotz
^(jährlich vermehrter Warnungszeichen) die Zuschauer gleichmütig hin-
§eblickt auf die ringsum verheerende Feuersbrunst; dass die Ethnologie im
spielerischen Getändel kostbarste Zeit verspielt hat, statt durch das Brennende
cler Frage aufgestachelt und auferweckt zu werden, zu der Bedeutsamkeit
hör Rolle, die ihr zugefallen ist (in der Geschichte des Menschengeschlechts).
Diejenigen freilich, die aus eigenen Erfahrungen die kritischen
Momente der Übergangsperiode zu durchleben hatten, verstehen die
Schwierigkeiten, die bei dem plötzlich unvermittelten Einbruch der
Katastrophe, einer den Wünschen genügenderen Vorsorge praktisch ent-
§egenstanden, und werden sich demnach zufrieden geben mit dem, was
dankenswerterweise geschehen, um auch den Fremden und Armen (im
Volker verbände) eine Heimstätte zu bereiten (beim Durchwandern der Erde).
In der Enge des Wildstammes bewohnt der mit eigener Namens-
gebung ausgesprochene »Mensch« (Hhaukoin, als »rechter Mensch«) seine
(für ihn umschlossene) Welt, abgegrenzt von den Nicht-Menschen (Amanut)
insular benachbarter Areale, den Fremden (als Feinden), und auch das
Kulturvolk thront am Nabel der Erde, auf einem das Menschenhaupt (odei
scin ozeanisches Prototyp, die Kokosnuss) bergenden Kapitol, ob im Heilig-
em eines Hierosolyma oder in der Sonnenstadt Cuzco, unter den Stiahlen
hes Sonnengottes, — der freilich seine Schützlinge, bei der Katastrophe
her Conquista, vor brutaler Entwürdigung nicht bewahrt haben würde, wenn
ihnen nicht die Rechte des Vernunftswesens (»gente de razon«) zurückgestellt
Worden wären, aus derjenigen Machtvollkommenheit, welche über die terri-
torialen (und leibeignerischen) Besitzesrechte, kraft ihres (beim Teilungs-
strich der Erde zwar nicht) unfehlbaren Plein-pouvoirs (eines jus fortioris)
aütokratisch verfügt hatte (nach dem in Caxamarca erlassenen Manifest).
Indem durch die anatomischen Merkmale die Einheitlichkeit des
Menschengeschlechts konstatiert ist, nach Urteilsfällung induktiv ge
s°hulter Naturforschung, würden dadurch nun auch einige dei, skrupulöser
Gewissenhaftigkeit (zeitweis mit Fug und Recht) aufgedrängten, Bedenken
(in Punkten der Terminologie) als im voraus erledigt gelten dürfen, um
l*
4
unbehinderter schalten zu können, wie die Wortbezeichnungen sich bequem
erweisen, zumal das ztpcozov (peodoQ, aus dessen Versteck ein vergiftender
Einbiss gefürchtet war, noch nicht mit der Spezies zu beginnen braucht,
sondern (etymologisch) erst mit nächst höherer Gattung, des Genus, in
Sachen der Abstammung (und dorthin ablenkender Ursprungsfragen).
Mit solch metaphysisch fraglichen Einmengungen hat jedoch die, bei
ihrer helllichten Tagesarbeit, am vorhanden Gegebenen ansetzende Natur-
forschung vorderhand überhaupt nichts zu thun — (jedenfalls auch das
mindeste nicht, solange noch nicht einmal die Psychologie auf ihre
naturwissenschaftliche Behandlungsweise hat geprüft werden können) —,
und alles das, was aus den neblig umwölkten Spekulationen einer zrpcozrj
(fdoao<pia in den heutig vollen Mittag noch hineinhängt, mit klar ent-
schiedenem Bruche, ein für allemal abzuthun, hat als unverletzliches
Axiom zu gelten, in der Biologie ebensowohl, wie in der Chemie, seitdem
ihr durch Boyle die Grenzen der Elemente gesteckt sind; bei Anbruch des
durch die entscheidungsvolle Doppelrevolution eingeleiteten Morgen, mit
dem unsere Neuzeit am Horizont der Umschau heraufgezogen ist (im
»naturwissenschaftlichen Zeitalter«). Die »wahren Elemente der Körper
sind die chemisch unzerlegbaren Atome« (s. Richter), in elementaren
Substanzen (als »individua sui generis«). Die Fragestellungen uralter Rätsel
verbleiben ungeschwächt, in der Chemie (oder Biologie), wie überall, wohin
wir blicken, unter den Arcana des Alls (oder in »animi secreta« hinein),
sie mögen ausverfolgt werden von demjenigen, der eine »Vita contem-
plativa« sich gewählt hat, soweit ihm seine (spirituellen oder materiellen)
Mittel dies erlauben, wogegen der Naturforscher, dem zum Besten des
sozialen Gemeinganzen (in olxovopia) seine Laboratorien erbaut und einge-
richtet sind, in praktisch nutzbarer Arbeit zu schaffen hat, zza.aa didvoia
7r¡ TTpaxzixrj 7j TiorrjTixrj SecoprjTrxrj (zé/og Sk v7f pkv 7iocr¡zixr¡Q imazrjpyjQ zo epyov).
Ob und wie sich in der Spannungsreihe der Elemente ihre Zahlen über-
sichtlicher einspannen möchten [je einfacher desto besser, zu erleichternder
Übersicht, also zum »profit au clair«], ob etwa ein Versuchsschritt in
Kraftzentren hinüber gewagt werden dürfte, ob sich (unter Zugeständnis
einer physikalisch verwandten Schwesterwissenschaft) die Aushilfen des
Äthers zuziehen Hessen, ob sich die Eigenschaften der Elemente, als
periodische Funktionen der Atomgewichte, ergäben (nach dem Gesetz der
Periodizität) — alles das und Anschliessendes sind berechtigt offene Fragen
in der Chemie, bleiben aber für den »Homo diurnus« auf solche Papiere
geschrieben, die er in seinen Mussestunden durchblättert. Denn wenn sich
seinem Tagewerk beständig wieder die Verlockungen zu Metallwandlungen
(als Seitenstücken zu den durch Evolution hervorgezauberten Metamor-
phosen) zwischen schieben und aufdrängen wollten, dann wäre der alche-
5
Eßtische Wust, den man glücklich los zu sein meinte, baldigst wieder
üa, in schönster (Ordnung oder) Unordnung (wie sie aus dem Okkultismus
fast schon einzureissen droht).
Und Ähnliches gilt auf dem biologischen Arbeitsfeld, wo wir das
Menschengeschlecht zunächst in der ganzen Buntheit all’ der Variationen
entgegenzunehmen hätten, unter welchen es, bei Umschau über den
Globus, aus demselben entgegentritt, oder vielmehr entgegentreten wird,
Nachdem die Entschleierung (für allgemein gültige Landmarken) als ab-
geschlossen sollte gelten können (im rasch geförderten Fortgang der Ent-
deckungen). Dass solange ein Ganzes in seinem Gesamtumfang (wenigstens
den allgemein begrenzenden Umrissen nach) nicht bekannt ist, an seine
Rationelle Einteilung nicht gedacht werden kann, weil in das Bereich
d®r Unmöglichkeiten (unter die »Sünden gegen den heiligen Geist«, strik-
tsten Verbotes, im »Calculus ratiocinator«) fallend, bedarf keiner Be-
merkung. Ob der Neger oder Indianer vom Reisenden kurzköpfig oder
fangköpfig angetroffen wird, mag (für die Weiterfolgerungen) von bedeut-
samster Tragweite sich erweisen, betreffs der lokalen Studien an Ort und
Melle, hat aber zu einem hypothetischen Ursprungsherd des Menschen,
(des »Homo sapiens« oder »Bimanus«), auch nicht die entfernteste Be-
gehung, da die anatomische Einheitlichkeit des Menschengeschlechts auf
dem gegenwärtigen Niveau der Naturforschung aprioristisch an sich bereits
festgestellt (und festzuhalten) ist.
Wenn man sich (unter den, durch den Begriff des Organismus, bereits
Prasumierten Korrelationen) das Charakterbild des Indianers oder Negers
entwirft, für seinen physischen Habitus (unter Einschluss also der kranio-
f°gischen Aussagen) — und zwar nach dem, aus dem Total anatomisch-
physiologischer Funktionen, gezogenem Fazit —, so ergiebt sich überall
Und stets eine (nahezu deutlich schon) bedingende Wechselbeziehung zu den
kWato-geographischen Agentien des Habitus, je nach der, [seit etwaigei
(mitunter auch chronologisch schon, längs verfolgbarer Geschichtswege,
aachzugehenden) Einwanderung], erweislichen Dauer der Akklimatisation,
üad demgemässe Anpassung an die »surroundings« oder »environments«,
fm »Milieu« der geographischen Provinz (für den Organismus, als »Klimato-
meter« zum Indes, nach erfolgter Naturalisation).
Die Gesamtheit der in der Epiphanie hervorspielenden Attribute bleibt
Überschattet von dem »Individuum« (nach Ausdruck des geographischen
Reformers), dem sie in Gliederungen angehören, aber jeder Kontinent
Miedert sich dann wieder in eine Vielfachheit spezifisch umschriebener
Äreale nach (historisch-) geographischen Provinzen, (unter vertikaler oder
horizontaler Zonenverteilung, wie im gegenseitigen Zusammenwirken beider
modifiziert), und in Afrika z. B. wäre die Sonderheit der Nigntier,
6
unter scharf gezeichneten Strichen, zusammenzuhalten, weil durch den
Zonengürtel selber bereits abgetrennt, nach Norden und Süden (sowie
betreffs der Verkehrsbeziehungen am östlichen und westlichen Küstenstreif),
und wenn hier sodann, neben den an sich anderssprachigen Stämmen,
linguistische Gleichartigkeit über solch geographische Grenzen (bei den
Bantu) hinausgreift, stellen sich damit historische Aufgaben, welche separat
zu behandeln sind, um nicht die unter den Arbeitsteilungen fächerweise ver-
schiedentlichen Forschungswege wirrig durcheinander zu mengen, zu beider-
seitiger Störung, wogegen, wenn sie objektiv nebeneinander herlaufen,
die naturgemässen Kreuzungen (zu gegenseitigen Ergänzungen) von selbst
dort angezeigt stehen werden, wohin gehörig (aus naturgesetzlichen Vor-
ausbedingungen). Auf äquatorialen Hochgebirgen, wo sich die ganze Er-
streckungsweite in bequemlich zusammengeschobener Übersicht rascher
durchwandern lässt, fällt der für Hervortreiben von Geschichtsblüten
günstige Kulturboden wiederum in dortig gemässigte (Zonen-) Breiten
(nach der Elevation), und die durchschnittlich sonst, durch das längs der
Flussläufe (von Quelle zur Mündung) ändernde Niveau, (für weiterzeugende
Wechselwirkungen) gebotenen Differenzen finden dann in den Abstufungen
der Bergterrassen ihre entsprechende Vertretung, mit gleichzeitig — enger,
als an Furten (anderswo) — an Passübergängen (unter Hinwendung auf
zentrale Binnenseen meist) historisch vorgezeichneten Wanderungswegen,
also in mehr orographischem, als hydrographischem Charakter, obwohl (wie
überall) im kreuzenden Zusammenspiel beider Richtungslinien, wie voraus-
bedinglich im Gerüst des Erdgezimmers derartig schon begründet.
Bei der noch völlig unübersehbaren Massenhaftigkeit der Detail-
fragen, welche in der Menschen- und Völkerkunde (für endgiltige Lösung)
zu entwirren wären, — zunächst allerdings nur in rohest ungefährem Zurecht-
schnitzen (obwohl schliesslich dann bis in letzte Dezimalstellen hinein,
um den Anforderungen der Induktionsmethode zu genügen) —, wird (unter
Abweisung frühreif schädigender Theorien) an rein monographischer Be-
handlungsweise vorläufig festzuhalten sein, um dort, wo das Umflimmern
einer Peripherielinie merkbar zu werden scheint, nun auf das dadurch
umgriffene Terrain die Aufmerksamkeit hinzurichten, um es nach allen
Richtungen hin zu sondieren und explorieren, bis in sämtliche Einzelheiten,
die hier, in einer oder andern Weise, sich zur Fragestellung bieten köuntem
In erster Linie hätte, bei dem für sämtliche Naturwissenschaften
(zur Verwendung ihrer komparativen Methode) gemeinsam gebreiteten
Mutterboden der Erde, der Anschluss an die geographischen Provinzen
(und der geographisch dem Globus eingegrabenen Geschichtsbahnen) zur
Empfehlung zu kommen, wie in Phytographie und Zoologie, auch in der
Anthropologie (und dann der Ethnologie weiterhin).
Wenn (bei vorläufigem Absehen von »wilden Urrassen«) die Kenn-
zeichen der »natürlichen Rassen« (geographischer Begründung), mit ihrer
kulturellen Entwicklung, in der neu typischen Form der Kulturrassen zu
eutschwinden beginnen, unter dem »Sieg der Individualitäten« über die
■Kasse (nach »Leitung der Lebensfunktionen«), dann benötigt sich für die
Schematische Darstellung«, (wie bisher dem »zoologischen System« ent-
sprechend), ein »anderes Fachwerk« (s. Nathusius) in der Terminologie,
dem Hinblick auf landwirtschaftliche Zwecke gemäss, und so arbeitet der
Historiker innerhalb eines^ andern Gesichtskreises, wenn er die anthropo-
logisch durchforschten Rassen in seine Fachwissenschaft übernimmt, obwohl
dieselbe (auf ihrer, zur Anbahnung einer Universalgeschichte eingeschlagenen,
V' egesrichtung), bei den durch ethnologische Umschau angezeichneten Zer-
legungen, einer »philosophia ethnographica« (s. Schlözer), nicht wird ent-
ruten können, um die Bemeisterung der gigantisch bereits angehäuften
(und, mit Vertiefung ins Detail, beständig noch vermehrten) Stoffmassen
zu ermöglichen (kraft der durch die Induktionsmethode gelieferten Hilfs-
mittel). »Divide et impera!« in Arbeitsteilungen auf dem Mutterboden
der Erde, der vielbrüstigen, zur Pflege der Naturwissenschaften (xXjjCere
ftO-Tepa rdiav). Und dann weht es an, mit Fragen aus hzsxEtva zvjQ odataq
(oder rod voo), wenn nep'i perscopcov Betrachtungen kommen (und über
Vervollständigung des den Globus umschlingenden Netzes der Stationen).
Um an dem zum Aufbau des Systems vorausbenötigten Gerüst auf- und
uiederzuklimmen, ist jeder (zum Abschluss tendierenden) Fachwissenschaft
Dogma unerlässliches Erfordernis, um den Fussauftritt zu stützen bei
Provisorischer Staffellegung, welche jedoch in thunlichst freier Schwebe zu
kalten ist, zum temporären Gebrauch (kürzerer oder längerer Dauer).
Henn indem es sich um einen lebenskräftig forttreibenden Entwicklungs-
prozess handelt, muss anachronistischer Verknöcherung vorgebeugt werden,
damit an den Knotenschürzungen periodisch kritischer Wendepunkte die
zßitgemässe Reform (in organischer Fortbildung) Platz greifen kann (die
Katastrophen gewaltsamer Revolution zu ersparen).
Was in linguistischer Dogmatik, als gemeinsamer Kapitalbesitz der
Hidogermanen vor ihrer »Trennung« (auch unter Erweiterung der Generali-
^ationen bis über Semiten, oder hamitische Zwischenfragen), zusammenzu-
°rdnen sich zu empfehlen schien, wird vor dem mit der Lupe genetisch-
komparativer Methode bewaffneten Auge als gross- (und hoch-)mächtiger
V^achstumsprozess emporblühen, um, auf begünstigtem Areal terrestrischer
Heschichtsfelder gepflegt, dort mit Ansetzung des Reifestadiums in voller
Majestät entfaltet zu stehen (bei jedesmaliger Akme), wenn (bei Portweben
arQ international-kosmopolitischen Verbände der Geschichtsvölkei) die »Uni-
Versalhistorie« in den Fokus des Gesichtskreises sich einstellt, als (umver-
8
selle) Weltgeschichte (weil von der »Welt des Menschen« erzählend, in der
Vorstellungswelt, einer Manushaloka).
»La région, dans laquelle une race prend naissance soit par l’action
seule du milieu, soit par suite du croisement ou sous ces deux influences
réunies, est ce que l’on peut appeler le centre ou l’aire de formation,
de caractérisation de cette race« (s. Quatrefages). Und dies ergäbe sich
dann als die historische Horizontsphäre der geographischen Provinz, im
Umschluss der ein- und auslaufenden Geschichtswege (wie erdkundlich
bekundet). Wie (gleich den Farben auf Schwingungszahlen) die Quali-
täten der Elemente auf Quantitäten zurückzuführen sind, so die »qualitas
occulta« in der Rasse auf das, was sie erhellen wird (im sichtlich Vor-
handenen darin), als Eidos in leiblicher Form und als Idee in anschaulicher
Verkörperung der Gesellschaftsgedanken (unter den ethnischen Bildern
der Völkergedanken).
Was auf einem einheitlich verwandten Sprachgebiet philologischer
Durchprüfung unterzogen wird, vermag die Unterlagen zuverlässiger Text-
kritik auf einem fertig bereits gebreiteten Kultur-Niveau erst zu liefern,
für dessen Hervorrufung nun jedoch eine Reihe, soweit embryologisch noch,
verhüllter Entwicklungsstadien vorausbedinglich (vorher schon) durchlaufen
(und abgelaufen) sind. Von dem, was im derartig vorhanden Gegebenen
(als provisorisches Schlussresultat) angetroffen wird, ist ein Vernunft- (und
natur-) gemässer Ausgangspunkt (für sachliche Einregistrierung) zu nehmen,
aber dann handelt es sich nicht mehr um hypothetische »Trennung« in
mystisch (oder mythisch) umwölkten »Urzeiten«, sondern von dann ab
liegt vielmehr der zeitliche Verlauf (nach räumlich angezeichneten
Richtungsbahnen), wenn auch nicht überall in durchsichtiger Klarheit
schon, doch mehrweniger deutlich erkennbar —, vor den Blicken ausgebreitet,
unter chronologisch fixierbaren Daten (soweit es bereits vielleicht gehen mag).
Im Kreise autoritativer Majorität beginnt es, wohl einstimmig schon,
zum Ausspruch zu kommen, dass paläolithische Funde mit Hinneigungen
zu einer Evolutionstheorie (und anschliessenden Hypothesen) besser nicht in
gegenseitig hinderliche Verantwortlichkeit zu bringen wären, und derartig
zeitweis beliebte Vermutungsfragen hätten rationellerweise überhaupt nicht
gestellt sein sollen (während der Debatten eines nutzlos langen Streits). Für
eine (innerhalb des ihr jedesmalig gezogenen Gesichtskreises ausver-
folgbare) Entwicklungstheorie beruht in innigster Eingliederung ihrer Ver-
kettungen die denselben einwohnende Lebenskräftigkeit oder Lebensfähig-
keit, und deshalb ist ein hilfloses Zusammenbrechen vorauszusehen, so oft
vor dem Wagesprung über die durch kontrollierbar bestätigte Thatsachen
gesteckten Grenzen nicht zurückgeschreckt werden sollte.
Der Forschungsgang der Induktionsmethode darf keinen Fussbreit
9
v°n dem auf gesicherten Stützen ruhenden Boden abweichen, weil sonst in
jenen Bythos stürzend, der in Zeiten gnostischer Kühnheit manchen der vom
Linken hohen Lohns (um etwa den »Urmenschen« leibhaftig zu greifen)
bethörten Taucher verschlungen hat, der dagegen, seit agnostische Ent-
nüchterung eingetreten ist, an den Randumgrenzungen scharf genau zu
explorieren sein wird (psycho-physisch), um für die Staffeln einer Noetik
(oder ethnisch-naturwissenschaftlichen Psychologie) zuverlässige Ansatz-
punkte zu finden, und sodann an der bdbq ävw хас хаты auf- und
uioderzusteigen, auf den Stufenleitern der Entwicklung (in der Geschichte
des Menschengeschlechts).
Neben den zoologischen Begriffen der Spezies (in Erweiterung der
zur Gattung) und Varietät (nach anatomischen Kennzeichen), kommt
bei denjenigen Tier-Erscheinungen, die in eine lebendige Umwandlung
gezogen sind (durch differenziert gestaltete Auswirkung physiologischer
bunktionen), aus Beziehung zum Menschenreich, der Ausdruck »Rasse«
zur Verwendung, auch ethno-anthropologisch (in der Völkerkunde).
Es entspricht das der, dem Menschen — nach der Ansprache des
^Schöpfers« (in Pico della Mirandola’s Worten) — zukÖmmlich eingefügten,
Eigentümlichkeit als »eigner freier Bildner« (der Übersetzung gemäss), in
Mitte hingestellt zwischen »Tier« und »Engel« (»Du allein hast eine Ent-
wicklung, im Wachsen nach freiem Willen, du hast die Keime eines all-
artigen Lebens in Dir«).
Den Ausgang der Betrachtung hätten die (je nach den »Fundorten«)
^ehrweniger bodenständigen Rassen zu bilden, als »natürliche« (s. Na-
bbusius), in soweitig geographischer Begrenzung zunächst entgegentretend,
*it Ausverlauf, an äusserster Peripherie, in (»rassenlose«) Verwilderung,
l1nter den Zeichen der Verkümmerung »mehr Seniles, als Fötales«
(s- Virchow) zeigend, in »Kümmerformen«, (hypothetische Fingierung einer
Wilden »Urrasse« leichtlich vortäuschend).
Wenn als Paradigma der australische Kontinent genommen wird, zeigt
süh geographisch einheitliches Gepräge zersplittert in lokale Schläge, die,
obwohl an begünstigten Lokalitäten (wie am Murray) zu höheren Stufen
Ansteigend, doch auch darin dann wieder in stabiler Stagnation ver-
bleiben, während bei Zuwanderung mehr fremdartig fernerer Elemente,
Aiiter Einführung und Pflege durch »la sélection raisonnee«, (wie bei
Einführung arabischen Blutes etwa in das englische Vollblutpferd,
cbinesischen oder tonkinesischen in Sus Scrofa macrotis barcheriensis etc.)
Weitere Entwicklung einsetzt, ähnlich (vergleichsweise) dem Auftreten
^er tabuierten Adelsklassen unter den Kanaka, (der Byamha am Irawaddi,
bogenkämpfender Xatrya u. s. w.), und hier beginnt nun (für den
Unteren Sieg der Individualität über die Rasse) der Einfluss der »In-
10
zucht« (aus Vererbung) unter individuellen Umgrenzungen kastenartiger
Klassen und genealogisch verzweigender Stämme (mit Ständegliederungen
u. dgl. m.), für die Ansätze zu höherstrebenden Vervollkommnungen, aber
auch mit drohendem Rückschlag bei »Überbildungen«, wenn nicht durch
rationelle Auswahl überwacht, bei der »Domestication« (in den Haustier-
Rassen), an deren Stelle somit (Darwins) »natural selection« (»the preser-
vation of favourable variations and the rejection of injurious variations«)
zu treten hätte (in geschichtlichem Walten).
Am kompliziertesten würde hier das Problem in sog. arischer Rasse
gestellt sein, für deren Auseinanderlegung (um in ein Verständnis des
Wachstumsprozesses einzudringen) jetzt rührig fortgearbeitet wird, auf
allen Forschungsfeldern der Anthropologie (kraniologisch, paläontologisch,
linguistisch, prähistorisch; und kulturhistorisch überhaupt). Und also »rüstig
weitergearbeitet« (wie in bestberufener Stimme des Generalsekretariates
ausgesprochen ist). Vor allem bedarf es der Vertiefung in minutiöses
Detail eines stets »wiederholten Vergleichens« (in der Mahnung dessen,
der im letzt verflossenen Vierteljahrhundert so manch’ neues Forschungs-
thor geöffnet hat), um zuverlässige Daten anzusammeln, im thatsäch-
lichen Material zur Fundamentierung des Unterbaues, auf welchem sicher
und fest geschlossene Systeme aufsteigen mögen, wenn theoretisch abge-
leitete Deduktionen zu gegenseitiger Kontrolle gelangen mit dem, was
induktiv bewiesen steht.
Durch detaillierende Forschungsarbeit, unter Verschärfung des Ein-
blicks in die umgebenden Fragestellungen, differenziert sich die Gedanken-
thätigkeit, sodass üppig vollgefüllter, im Hervorblühem, die mit geistiger
Nahrung gefüllten Kelche sich entfalten, ausgebreitet im Blumenkranz
schöpferisch neuer Mannigfaltigkeiten, innerhalb der, den unbehindert
freien Ausblick, umschwebenden Horizontfassung des Einheitsbegriffes.
Mit abstrakter Kontemplation verflacht sich die Fernschau in Ver-
ödungen leerer Spekulation (wenn es braut, und graulich graut, in grauer
Hirnsubstanz), mit mystischer wird die Einschau verengt (im pietistischen
Herzkrampf), sodass die (im Gewinsel schluchzender Stossseufzer) mit
»Heulen und Zähneklappern« dröhnenden, Ohren (betäubt erschlaffend) die
aus bittrer Pein hervorgerungenen Seufzer derer überhören, denen ge-
holfen sein möchte (aus materieller Not). »En deux mots, on peut dire
ceci contre les dévots: La vie est si courte, l’éternité si longue. Pour
quoi prendre sur la partie trop courte, en faveur de la partie trop longue V
Ne vaudroit-il mieux faire le contraire, si cela se pouvoit?« (s. d’Argenson)«
Nach allen Richtungen hin suchen die »Gottessucher« nach Substituten
für die einst bewährten Stützen der Kultur, die modrig zusammenzubröckeln
beginnen (trotz ethisch wohlgemeinter Flickversuche). Die Philosophie,
11
1111 Bombast pomphafter Kunstsprache, ist zum Kinderspott geworden
111 des Spötters Munde, die Religion, wenn in gnostische Vertakelungen
emgeknäuelt, mit kühner Entschlossenheit den gordischen Knoten durch-
hauend, sieht sich entnüchtert zum Agnosticismus, und so verbleibt unbe-
friedigend, was das »naturwissenschaftliche Zeitalter« bringt, solange
ihm seine beste Hälfte noch fehlt: solange nämlich, zur Vermählung
ßlit dem Materialismus, die Psychologie in ihr naturwissenschaftliches
Bewand noch nicht eingekleidet ist (aus dem ethnisch beschafften Material).
Nachdem dies geschehen sein sollte, wird, im Hinblick auf praktische
Resultate, zunächst ihre Mitarbeit an den Heilsbestrebungen sozialistischer
Schäden erwartet werden dürfen.
Der Stärkere bezwingt den Schwächeren, im »struggle for existence«
(seit des Gottes Fee vorweltlichem Walten, in samoanischer Kosmogonie)
nach dem in der Natur begründeten Stärkeren - Recht, das überall und
hmner zur Geltung gelangt, brutal und roh in Zuständen roh materieller
Brutalität, idealistisch veredelt in der (mit Regung höherer Bedürfnisse)
ln ihren Sehnungen (und Segnungen) verklärten (ge- und erklärten)
Idealität (geistigen Aufschwungs).
Auch der, durch die sozialistisch hervorschwirrenden Schlagworte
hethörte, Haufe liegt hilflos in den Sklavenfesseln derer, die, weil als
pfiffige Köpfe früher aufgestanden, jetzt an der Spitze stehen und das grosse
^ort führen, — sei es in Unbewusstheit derer, die »nicht wissen, was
thun« (als »betrogene Betrüger«), sei es in der Schandbarkeit des
Trugs und Betrugs (pur sang).
Hier nun hätten den unteren Schichtungen der Gesellschaft die oberen
zu helfen. Aber da, wo es sich wandelt auf den sonnigen Höhen ästhe-
tischer Feinfühligkeit, blickt man nicht gern hinab in tief dunkelnden
Schlund da drunten (wo es unheimlich brodelt und gärt im wüsten Ge-
fühl), oder doch mittelst der Kulturbrille nur, aus deren optisch entworfenen
Bildern dann schönrednerische Lehren gedrechselt werden, deren (ethisch
vielleicht achtungwertest moralischen) Wert das ungeschult arme Ohr
^icht zu schätzen weiss, weil nichts davon verstehend, (oder sie missver-
stehend gar, als verletzende Beleidigungen).
Erst wenn dem Gebildeten, im Bildungsgänge seines pädagogisch vor-
gesehenen Erziehungskurses, die Gelegenheit geboten sein wird, sich mit
fiem ethnischen Gedankengang (nach den, die psychischen Wachstums
v°rgänge markierenden, Eigentümlichkeiten desselben) eingehendei vertraut
Zu machen, erst dann wird dadurch die Möglichkeit gewährt sein, auf seine
Urigebildeten Staatsbrüder bildungskräftig einzuwirken, und dann werden
8ie, unter des Stärkeren Recht, durch die zu seiner Ausübung legitim Be-
dienen, am Gängelbande zu leiten sein, bis herangezogen zu der Fähig-
12
keit selbständigen Fortschrittes, im Takt und Kontakt mit den übrigen
Bannerträgern, je nach den Sonderinteressen des Gemeinwesens, im ein-
heitlichen Marsche (auf der Bahn der Zivilisation, voran).
Der Wildstamm rüttelt kaum an den Ketten, worin er von Jugend
auf hineingewachsen ist, unter dem Banne seiner Schamanen und Wongtcha
(oder sonstigen »Medizinmänner« vieler), welche als »kluge Leute« (fiöl-
kunnigr und wizagön) den heimischen Gedankeugang am besten verstehend,
denselben auszunutzen wissen, nach bestem Wissen und (oft auch
schlechtestem) Wollen, im Geschäftssinne, für den Gewinn zeitlichen oder
ewigen Lohnes (je nach nervöser Veranlagung).
Da nun in den Unterschichtungen der grossen Massen (innerhalb
jedes zivilisatorischen Staatsgebäudes), auf einem mit dem Durchschnitt
der Wildstämme gleichartigem Niveau, identische Elementargedanken
wühlen, wird das, beim Studium dieser (nach den in vielfachen Variationen
gebotenen) Vergleichungen, erleichterte Verständnis, zu Gunsten der im
eigenen Hause erziehungsbedürftigen Menge verwandt werden können
(ehe die Sorgen um eine »Erziehung des Menschengeschlechts« zu kommen
brauchten).
»Ehrlich währt am längsten«, und sofern best-ehrliche Absichten
leiten, wird Bestes bald und leicht geschaffen sein, im Fortgang ethnischer
Klärung, — unter Voraussetzung freilich einer gediegen gründlichen
Kenntnis der thatsächlich vorliegenden Beweisstücke (im fachkundig
richtigen Verständnis); denn sonst rechnet es sich falsch, im logischen
Rechnen (und dann stünde es schlimmer noch, als bevor).
Wie in jeder Entwicklung, liegt in kultureller Glied auf Glied einge-
gliedert miteinander, in organischer Verkettung. Wenn die allmählich
herangereiften Stadien zum Aufbrechen im Blütezustand drängen, stehen (in
mächtig ergreifender Geschichtsbewegung) neue Ausblicke eröffnet, durch-
glüht in den abdunkelnden Volksmassen mit jenem (leicht zu fanatischen
Exzessen fortreissenden) Enthusiasmus religiöser Färbung, deren Wider-
schein bei den auf erhabeneren Terrassen Einbehausten nachblinkt
in philosophischen Flugversuchen, die dann freilich, wenn in metaphy-
sische Leere hinausgejagt, bald zum Sturze bringen, solange nicht bereits
auf naturwissenschaftliche Stützen gestetigt (durch voran gegangene In-
duktionsarbeit).
Soweit (»in abstracto«) die »Okkupation« einer »res nullius« erlaubt
sein sollte (beim Hinausschieben der »Heiden« aus dem Gunstbereich
des Völkerechts), würde die Pflanzung einer Kolonie (nach dem Wortsinne
schon) Kolonisten voraussetzen, die in der römischen »Respublica« (militäri-
schen Sinnes) hinausgesandt wurden, um durch »propugnacula imperii« die
Grenzen zu festigen, wogegen, wenn die Gründer auf Abenteuerzügen oder in
13
sektiererischer Begeisterung fortgetrieben sind — puritanistische »Pilgrims«
nach New-England (nicht so sehr, weil verfolgt, sondern um gegen Anders-
gläubige Verfolgungen zu üben), die Quäker nach Pensylvanien, im Heimat-
Mnd bedrückte Katholiken nach Maryland, (zu Seiten des von der Higli-Clurch
besiedelten Virginien u. s. w.) —, die natürlichen Grenzen unbestimmt ver-
schoben sein werden, bei Ausnutzung der vorher, weil als »de non provecho«
(durch die auf Sättigung ihres Golddurstes allein bedachten Conquistadores)
erachtet, unbenutzt gelassenen Gegenden nicht nur, sondern daneben
aüch durch Anlegung von »tropical farms« vielleicht, deren Bewahrung
113an jedoch mit »last-posts« zu belasten hätte, sofern die Handelsbilanz sich
aU eine ungünstige erweist, und nicht zugleich eine, nach kolonialer Ab-
schätzungsweise kostbare, »Perle» gefunden wäre, das Defizit dessen zu
decken, was des »Prestige« wegen die Besetzung erzwang (in Insulinde).
Mit dem internationalen Verkehr kommen hier jedoch noch andere
Gesichtspunkte zur Geltung, und dass die kolonial-politische Richtung,
°bwohl über die Vorstadien klimakterischer (und klimatischer) Entwicklungs-
bi’ankheit noch nicht hinausgelangt, doch in bedeutsamer Weise der
^eitaufgabe einer ethnisch-naturwissenschaftlichen Psychologie zu gute
gekommen ist, kann jedenfalls behauptet werden (und in den musealen
Sammlungen durch den Augenschein bewiesen). Auch der schlechteste
Mfind weht gut, dem einen oder dem andern, und stets so für die
*Saat in Gott gesäet, dem Tag der Garben zu reifen» (im kulturgeschicht-
lichen Entwicklungsgänge des Menschengeschlechts).
Indem die ethnologischen Museen in der Mitte stehen zwischen natur-
wissenschaftlichen und artistischen (zwischen (pöoiQ und riyyrj), wären sie
Wenfalls zunächst nach naturwissenschaftlicher Exhaustionsmethode zu
Ordern (mutatis mutandis), betreffs des Menschen als Naturobjekt, neben
®teinen, Pflanzen, Tieren etc. Wenn Middendorf auf dem Gebiete seiner
Forschungsreise die Mäuse besser bekannt fand, als die Menschen, ist
•fies erklärlich genug, aus dem naturhistorisch verfolgbaren Geschichts-
gaüg, hätte aber (wie schon zu Herders Zeit) überraschend zu treffen, bei
Rücksichtnahme auf den Satz: »The proper study of mankind is man«
(fö Vielfachheit polyglottischer Versionen).
Um die Reste untergegangener Tiergeschlechter zu beschaffen, um
^as im sibirischen Eise erfrorene Mammut wissenschaftlich festzunageln,
Werden dankenswerte Kosten aufgewendet, unter der Leitung fachgemäss
^Schulter Gelehrten, aber die, unter dem Sonnenbrand des internationalen
Verkehrs, rings um uns her, verwelkenden Geistesblüten auf etbmsch-
f>sychischer Sphäre (mit widerstandslos dahinsinkenden Kryptogamen des
Menschengeschlechts) einzusammeln, regt sich keine Hand, obwohl es sich
aüch hier um ein organisch heraufwachsendes Naturprodukt (endemischer
14
Art) handelt, in den Regionen des »third kingdom« (b. Drummond) oder
einem »Règne humain« (s. Quatrefages), für die »Humanitas« (in echter
Humanität).
Was die dortigen Lustgärten schmückt, in gefüllten Kulturblumen
(aus historischen Augelungen), wird eifrig nachgesucht, aber obwohl
solch’ liebliche und liebenswerte Gebilde zur Verschönerung des Lebens
dienen mögen, wird zugleich doch auch, um sie vor pathologischen Stö-
rungen zu wahren (oder bei denselben zu heilen), das Studium der physio-
logischen Entwicklung verlangt sein, mit Rückgang auf primäre Anfänge
im Zellwachstum (seitdem sich die Botanik mit ihrem szientifischen
Charakter bekleidet hat).
Für »eine der naturwissenschaftlichen analoge Methode in Betrach-
tung der Kunstwerke« (1873), rückt jetzt der Zeitpunkt heran, bei In-
angriffnahme der »Anfänge« (»der Kunst«), und indem die »eifrige Pflege
der Kunstbestrebungen zu den wichtigsten Kulturaufgaben des Staates«
(s. Springer) zu zählen ist, werden die auf Menschen- und Völkerkunde
gerichteten Bestrebungen den für sie benötigten Aufwand um so voller
rechtfertigen, weil die zu störungsloser Leitung des internationalen Ver-
kehrs gelieferten Hilfsmittel zweckdienlich zur Verwendung gelangen
werden, um bei den für Zerstörungswerkzeuge notgedrungen auferzwun-
genen Kosten Ersparnisse herbeizuführen; zumal nachdem 'Vorkehrungen
getroffen sein werden, die im Laufe der Neu-Entdeckungen gemehrten
Sammlungen ethnischer Lehrstücke für die dadurch ausnutzbaren Lehr-
zwecke zu verwerten.
Das Festhalten an topographischer Aufstellungsweise empfiehlt sich
aus solcher Vielfachheit praktischer Gründe (in den ethnologischen oder
ethnographischen Museen), dass dadurch bereits, zu ihren Gunsten, die
altverschleppte Kontroverse entschieden sein würde, wenn sie ohnedem
sich nicht in gegenseitigem Zugeständniss schlichtete, da der kulturhistori-
schen ihre Anerkennung zu bewahren bleibt, als anzustrebendes Endzieh
freilich ein in noch weiter Ferne liegendes (bei jetzig erstem Beginn).
Ausserdem bietet sich dadurch eine schlagendste Illustration für die
Wirkungsweise der geographischen Provinzen auf der psychischen Sphäre
der Gesellschaftsgedanken (in deu historisch-geographischen Wandlungen
des Völkergedankens), und da, was der Augenschein lehrt, durch zwingende
Überzeugungskraft jeden zweifelnden Einwurf besiegt, entscheidet hier ein
erster Augenblick, beim Auf- und Anblick, wenn der mit gesunden
Augen Begabte den Blick auf diejenigen Schränke der Museen richtet, bei
deren Anordnung (soweit unter mechanischen Hindernissen ausführbar)
die Vergleichspunkte offenkundigst hervortreten. Es liessen sich da-
für z. B., im hiesigen Museum, im Saal VII Schränke 124—129 auf der
15
eiuen und Schränke 139—143 auf der anderen Seite zur Probe Vor-
schlägen.
Auch bei Einrichtung anthropologischer Museen dürfte Ähnliches zur
Berücksichtigung zu kommen haben, im Anschluss an die Rassen-
Physiologie (cf. »Zur Lehre von den geographischen Provinzen«, S. 155 u. flg.)
Der Natur der Sache nach, bleibt die Anordnung in den Museen
zunächst ohnedem von dem vorhandenen Material abhängig, was allmäh-
Üch (unter mehr weniger zufälligerweise gebotenen Gelegenheiten) anzukaufen
0(ler beschaffbar gewesen. Oftmals finden sich weiteste Territorien durch
ein paar vereinzelte Stücke nur repräsentiert, welche dann irgendwo
^uterzuhringen sind, in nicht allzu widerstrebender Nachbarschaft, während,
Wenn Eröffnung geeigneter Schleusen möglich geworden, die Materialien-
Sammlungen rasch zu strömen beginnen, aus dort fliessenden Quellen, und
dann oft, für sich allein, lange Schrankreihen füllen, um in den Zer-
teilungen all’ ihrer Details demonstriert werden zu können.
Um mit vollgenügend nutzbaren Sammlungen ausgestattet zu sein,
dürfen die ethnologischen Museen nicht länger, wie bisher, auf zufällig
gegebene Gelegenheiten sporadischer Erwerbungen allein angewiesen sein.
haben ihre eigenen Reisenden *) auszusenden, mit entsprechenden
9 Unter den Reisenden stehen im ersten Range diejenigen, welche die Methode
uaturhistorischer Sammlungen in die ethnologischen übertragen und zur Verwendung
Spracht haben. Indem die ethnologischen Museen hinüberzuleiten haben aus den
naturwissenschaftlichen auf die kunsthistorischen (soweit für die Kunstwissenschaft eine
'nduktiv gefestigte Basis sich breitet), haben sie von jenen ihren Ausgangspunkt zu
nehmen, so lange es sich in frühster Vorbedingung noch um thatsächlich gesicherte
K°nstatierun g der Sammlungen zu handeln hat, nach topographischer Anordnung.
Wie Zoologie und Botanik, wird die Geologie für die Ethnologie in Erinnerung verbleiben,
(furch das, was Koryphäen dieser Fachdisziplinen zu ihren Gunsten geleistet haben; und
'u langer Reihe Hessen sich verdienstvolle Namen aufzählen aus dem durch die Mediziner
gelieferten Kontingent (mit anschliessender Förderung anthropologischer Studien).
Unter den Entdeckungsreisen steht vereinzelt die Karls von den Steinen, welche
l|usere psychologische Methode, gerade als sie zum Abschluss gekommen war, sogleich
l'Ueni „Experimentum crucis“ hat unterwerfen können, unter geeignetst dafür gebotenen
edingungen, uml mit günstigster Entscheidung für die neue Ära, welche dadurch
<:|öffnet worden ist: mit weitester Tragweite in Amerika besonders, bei dem Reflex
er lebend noch angetroffenen Wildstämme in den archäologischen Sammlungen
'jutergegangener Kulturen. Die Epoche der in Afrika geographisch entscheidungsvollen
Aufdeckungen ist für die damals ihres Bürgerrechtes noch entbehrende Ethnologie
lneist resultatlos verlaufen. Von Livingstone, Barth, ßurton, Speke, Grant, Baker
sonst gefeierten Namen spricht selten ein Stück in den ethnologischen
^ Useen, und desto bedeutungsvoller treten deshalb diejenigen Sammlungen hervor, welche
ereits aus ersten Pionierzügen heimgebracht wurden, durch soldatisches Pflichtgefüh
^Uienigen Reisenden, welche aus dem Offizierkorps in die Dienste der Afrikanischen
^Seilschaft übergetreten waren, nämlich durch Wissmann und seine Begleiter, Kundt,
tlPpenbeck, Wolf u. A. m. Neben solch praktisch bewährten Ergebnissen des
atugorischen Imperativs (mit dessen Geboten streng ernstlichst sich abzufinden in all’
eu soziologisch herantretenden Anforderungen, eines jedens Gewissen anheimgestellt
16
Instruktionen versehen, für methodische Durchforschung des zugewiesenen
Arbeitsfeldes, und sie bedürfen deshalb eines Reisefonds, der dem Etat uni
so mehr zu gute kommen wird, weil dann billig und gut erworben werden
kann, an Stelle dessen, was, obwohl (wenn auch nicht gradezu schlechter
Qualität, dennoch) als ungenügend (wenigstens nicht vollgenügend) lücken-
haft meist sich erweisend, trotzdem manchmal für teuere Preise anzukaufen
ist (faute de mieux). Was durch methodische Aussendung planmässig
ausgerüsteter Expeditionen geleistet werden kann, liegt genugsam bereits
bewiesen vor, in den durch die Thätigkeit des ethnologischen Hilfs-Comites
dem hiesigen Museum für Völkerkunde gewährten Aushilfen, wodurch
geschickt erfundene Reisende mit den entsprechenden Instruktionen ver-
sehen werden konnten, um ihre Aufgabe befriedigend zu lösen.
In betreff solchen Reisefonds vornehmlich würden durch gemeinsames
Zusammengehen der Museen gewichtigste Resultate erzielt werden können.
Nach gegenwärtiger Sachlage der Ethnologie sind die ihr benötigten Samm-
lungen entweder überhaupt nicht mehr zu beschaffen (aus solchen Arealen,
bleibt), läuft nebenher mancher Abenteuerzug, der durch Unternehmungslust (oder Gewinn-
sucht) getrieben, in bisher unbekannte Gebiete überstreifend, aus materiell ungenügenden
Mitteln in Notstände geriet und so zur Befreiung daraus auf krumme Wege vielleicht ver-
leitet wurde, die von dem Massstab korrekter Richtigkeit abgleitend, auf dubiöse Nach-
denklichkeiten weiterleiten würden, wenn der, weil in goldigerer Wiege geboren, vor den Fall-
stricken ähnlicher Situationen bewahrte Magister morum seine Hände rein genug fühlt, den
Stein der Jamra zu werfen (gegen Iblis, den Versucher). Wieweit, was hier als soweit etwa
Einzigstes, aus genauer Kenntnis noch entfallendem Gebiet, überbracht wird, als Sühne
für das, was etwa gefehlt sein sollte, zu betrachten wäre, bliebe „in casum Casus“ jedes-
maligen Einzelfalles, wo Privatansichten einspielen, ein „Casus conscientiae“, um Kolli-
sionen zu vermeiden, die von der Kasuistik enthusiastisch angelegter Amateure leichter auf
die leichte Schulter genommen werden (wie auch Grabstörung, heiligsten Weihesprüchen
zum Trotz, lobenswert gelten kann, berechtigterweise, um den Wissensdurst zu stillen,
wenn in to h> adou (r/jhoq Kerzenlicht fällt). Immerhin dient es dem allgemeinen Interesse,
den zur Mehrung wissenschaftlicher Kenntnisse vorgeschriebenen Anweisungen zu folgen
und, was als belehrungsreiche Reliquie gerettet ist, zweckdienlicher Ausnutzung zu bewahren,
in den dafür bestimmten Instituten, wo es „non ölet“, wie der auf das Wohl seines staat-
lichen Gemeinwesens bedachte Kaiser meinte. Unter solchen mitunter unliebsamst misslicheu
Transactionen oder auch (und dann desto schmerzlicher noch) bei, ceteroqui, legitimer ge-
führten Verhandlungen, trifft es besonders empfindlich, wenn einem Museum, (wie dem
unsrigen verschiedentlichst passiert ist), dieFrüchte umständlich ausgearbeiteter Instruktionen
entzogen bleiben, indem die auf Grund derselben hergestellten Sammlungen anderswohin
zugewendet werden. Sofern sie dabei innerhalb des Bereiches der Museen verbleiben, mag
es allenfalls noch hingehen, wenn sich ohnedem doch nun einmal nichts daran ändern
lässt, zumal nachdem ein gegenseitig einheitliches Zusammenarbeiten eingeleitet sein
wird (was auch aus diesem Gesichtspunkte desto dringlicher zur Empfehlung kommt).
Und da hier die Thätigkeit der Reisenden in Bezug auf die Museen in Erwähnung
gebracht wird, sei dankbar aller derjenigen gedacht, die sich als Förderer und Wohl-
thäter der Ethnologie in deren Geschichte dauernd eingeschrieben haben (aus altbewährter
Gönnerschaft). Die in den Annalen des hiesigen Museums für Völkerkunde verzeichneten
Namen finden sich (bis zum Jahre 1892) im „Führer“ Auflg. 5 aufgeführt (S. 58).
17
über welche der Sturm der Verheerung bereits dahingefegt hat) oder sie
bieten sich in der Möglichkeit jeder beliebigen Zahl an Dubletten, wo
noch aus Lebendigem geschöpft werden kann (produktiv forttreibend). Für
archäologische Funde allerdings gilt die selbstgegebene Einschränkung, sofern
es sich bei ihnen um Unica1) handeln könnte, oder um ein systematisch
0 Permanent begründete Staatsanstalten haben in zuwartender Stellung fern zu
stehen, wenn unter den Agitationen der auf Konjunkturen spekulierenden „Kunst-
niakler“ der Marktpreis (am Handelsmarkt) in Haute und Baisse umhergetrieben wird
ln seinen Preisschwankungen, unter „unberechenbaren Schwankungen“, bis zu einer Höhe,
■welche ob „schwindelnd oder schwindelhaft“ zu nennen, das Urteil des Kunsthistorikers
dahingestellt sein lässt (1886). Der Kunstliebhaber, dem sein „heidenmässig viel Geld“
(das, wenn den Heiden in Missionen gespendet, bei Verbindung des Missionars mit den
Reisenden, aus den Reiseergebnissen den Sammlungen zu gute kommen mag) jeder
Laune zu frönen erlaubt, mag sich auch einen „fancy price“ erlauben (besser in
diesem Glückspiel nobler Passionen, als in manch’ anderen), um das begehrte Wert-
objekt in zugemessener Lebensspanne noch zu geniessen. Die Museen dagegen sind
langlebige Institute, die den günstigen Moment des Ankaufs abwarten können, und so-
weit nicht der „point d’honneur“ einer Museumsfrage in Mitberechnung kommt, brauchen sie
sich in die leidenschaftlichen Aufregungen rivalisierender Konkurrenz untereinander nicht
hineinziehen zu lassen, da ein, den Unsicherheiten des Privatbesitzes entzogenes, Kunst-
‘Werk damit dann seinen gesicherten Aufbewahrungsort gefunden hat und also den Studien
zugänglich bleibt. Dass freilich Fälle eintreten können, wo es zu kaufen heisst „coûte
Qui coûte“, wird mit der Vorsorge für ethnologische Museen beauftragten Verwaltungen
dann als Zwangsgebote aufgedrängt sein, wenn es sich etwa um eine Sammlung handelt,
welche, weil ersteinzige eines neu entdeckten Volkslebens, als alleiniger Repräsentant
echttreuer Originalität zu gelten hat, und also, um gegen eine, späterhin (vielleicht) unausfüll-
bar klaffende, Lücke vollgesichert vorgebeugt zu haben, dort einzusetzen ist (und festzuhalten
beim Angebot). Darüber kann schliesslich die Praxis allein nur endgültig entscheiden,
Und sachlich begründete Vertrautheit mit all’ den hineinsprechenden Faktoren (um das Fazit
richtig zu ziehen). Hier mögen Erleichterungen im Austauschverkehr geboten sein. Doch
bleibt der Begriff der Dublette freilich den Bedingnissen des jedesmal konkreten Falles
unterstellt und verlangt für seine Definierung behutsame Vorsicht, da sich, zumal bei
längeren Serien, die Einzelfragen, die im Laute der Durcharbeitung herantreten mögen,
nicht im voraus übersehen lassen. Wie in solcher Hinsicht, werden sich in der Aula
eines „Sprechsaals“ (nachdem in einer Museumspublikation das geeignete Organ gefunden
Ist) Besprechungen einleiten lassen über die Verifizierung unsicher bestimmter Stücke.
Es berührt das einen „wunden Punkt“ unseres Forschungszweiges, dem, solange mit den
Vorarbeiten seines Begründungsstadiums noch beschäftigt, das Selbstvertrauen der, in
sicher bewährter Abrundung geschlossenen, Fachwissenschaften (und das dadurch ge-
währte Recht, dogmatisch zu reden) nicht zu frühzeitig kommen darf. Ehe ein unter
zweifelhaften Angaben eingelaufener Gegenstand den Sammlungen zwischengefügt wird,
kann die Neigung gefühlt werden, ihn überhaupt lieber nicht dem Besitzstand ein-
registriert zu führen. Empfiehlt er sich durch Vorzüglichkeit technischer Ausführung oder
Eigenartigkeiten, die nach ihrer Erklärung begierig machen, mag dies als kiagezeichen
aufgestellt werden, für eine Beantwortung, die sich späterhin bieten könnte, durch
Reisende, die ihn erkennen, (oder aus Vergleichung mit den in andern Museen voihan
denen Seitenstücken). Und derartige Fragestücke Hessen sich in einen Frageschiank ver-
einigen, der dann geneigter Berücksichtigung der Besucher zu empfehlen wäie, für solche
Auskunft, die gewährt werden könnte. Dies würde erleichtert sein, wenn Abbildungen
Zirkulation gesetzt wären (innerhalb des Leserkreises der Museumsschrift). Der-
M. f. y. 2
XT'iPi
— 18 —
in sich zusammenhängendes Sammelbereich, das nicht zerrissen werden
darf, aber bei dem Gros der ethnologischen Sammlungen werden die
dem Durchschnittsmass des gewöhnlichen Lebens entnehmbaren Samm-
lungen, solange dieses überhaupt lebendig fortpulsiert in noch lebens-
kräftiger Stammeseigentümlichkeit, daraus dann auch, je nach Bedarf, er-
langt werden können, sodass jedem der partizipierenden Museen eine
gleich vollständige Series zugewiesen werden kann. Und da die Aus-
gabe für die Reisekosten nur eine einmalige ist, vermindert sie sich also
dementsprechend, je nach der grösseren Zahl der Teilnehmer daran. Es
würde für solchen Zweck, und anschliessende Besprechungen, eine Jahres-
zusammenkunft in Aussicht zu nehmen sein, um den jährlichen Feldzugs-
plan festzustellen, damit die ethnischen Bezirke auf dem Globus alle nach-
einander ihre geziemende Repräsentation in den Museen erhalten, um den
Menschen (der Menschheit) in seinem wahren Charakter vorzuführen, unter
Gesamtheit der Variationen seiner Erscheinungsweisen auf dem Erdball.
Wieweit sich dieses dann etwa bis auf geographische Museen fort-
führen liesse, um die anthropogeographische Provinz innerhalb der Umrisse
ihrer (geologischen, botanischen, zoologischen) Bedingnisse abzuzeichnen,
würde weiteren Überlegungen anheimgestellt bleiben und (wie immer) einer
Opportunitätsfrage zunächst über praktische Ausführungsmöglichkeit dessen,
»quod erat in votis«. Immerhin wird die Hoffnung auf ein günstiges
Votum bewahrt werden dürfen, wenn nach Vollendung der gegenwärtig
im Bau begriffenen Museen Deutschlands die Umfrage gestellt werden
sollte, ob und wie ein einheitliches Zusammenwirken am geeignetsten
werde vereinbart werden können.
Sofern koloniale Bedürfnisse in Betracht kommen, würde ein Verlauf
in Handelsmuseen statt haben, vor allem aber entsprechende Vorkehrung
einzuleiten sein, dass der im nationalen Interesse bedenklichen Anomalie
baldigst abgeholfen werde, durch welche schwere Schädigungen bereits sich
merkbar gemacht haben, wenn hochverautwortliche Stellungen, deren Be-
setzungen sonst überall (im zivilisatorischen Haushalt) streng rigorose
Prüfungen vorherzugehen haben, auf gänzlich unvorbereitete Kandidaten
übertragen und von diesen übernommen werden müssen, da, bei dem
urplötzlichen Einbruch neuer Anforderungen, die Übergangsstadien aus-
fielen, um im allmählichen Entwicklungsgang dasjenige ordnungsge-
mäss herbeizuführen, für dessen Rücksichtnahme früher ernstliche Ver-
anlassung gefehlt hatte. Der für entsprechende Instruktionen benötigte
Kursus, um zum zweckdienlichen Verkehr mit exotischen Völkerstämmen
in deren Gedankengang einzuführen, würde einen nächstliegenden Anschluss
artig Ähnliches wird mancherlei anschlüssig zur Empfehlung kommen, wie aus der
Praxis praktisch hervortretend.
19
die ethnologischen Sammlungen der Museen manchmal ratsam machen,
Solange andere Aushilfen fehlen.
Für dieselben wird, bei der weit zerteilten Vielseitigkeit der ethno-
^°gischen besonders, im deutlichen Interesse derselben, eine Zentralisation
zür Empfehlung kommen, um von dieser aus, unter allgemein hergestellter
Übersicht, im ununterbrochenen Kontakt mit den übrigen Instituten zu
Reiben, wo je nach speziellen Schwerpunkten, in den bei ihnen faktisch
v°rhandenen Sammlungen, das jedesmal Zugehörige am geeignetsten an-
Wstallisiert, sodass die Studienreisen nach methodischem Plan angelegt
^erden könnten, aus vorheriger Orientierung darüber, wo an Ort und Stelle
das dort Mustergültige anzutreffen und in Benutzung zu ziehen sei.
Auch dafür wird im litterarischen Verkehr der Museen untereinander
O geeignete Gelegenheit geboten sein, diejenigen Besprechungen in
zu setzen, durch welche das zum gemeinsamen Besten Richtige
sich selbstgegeben zu ergeben hätte, weil offenkundig, im Interesse der
Gesamtheit, auch das einer jeden darin einbegriffenen Einzelheit betreffende,
s°dass ein nutzbares Zusammenwirken ohne Schwierigkeiten herstellbar sein
dürfte, wenn das bisher erfreuliche Einvernehmen in solcher Hinsicht sich
bewahrt, — dauernd gestärkt und bestärkt im machtkräftigen Anwachsen
eiQes mit entwicklungsschwanger keimfähigem Sprossen anschwellenden
^orschungszweiges, (der seine neuen Verheissungen zu entfalten beginnt).
Ein bei den im Handelswege zugehenden Sammlungen stereotyp
Oederkehrender Passus verlangt den Ankauf en bloc, da die Sammlungen,
Oe die Redewendung geht, nicht zerrissen werden dürfen, obwohl
klarlich genug ein Zerreissen nur statthaben kann, wenn vorher ein
0rganisches Ganze da war, nicht wenn es sich nur in demjenigen Auge
spiegelt, womit der Reisende seine Sammlung betrachtet. Für die
Gesehäftspraxis also (wenn man, zu ihrem Gunsten, die Bequemlichkeit
Os Einzelverkaufs den durch Korrespondenzhäufungen benötigten Zeit-
bßanspruchungen aufopfern will) empfiehlt sich eher ein Teilverkauf, da
Oe verschiedenen Museen verschiedene (und also verhältnismässig höchste)
reise zahlen können (nach ihren Sonderbedürfnissen). So würde hier
§Eichfalls dem Geschäftsverkehr der Museen eine im Kreise derselben
Okulierende neue Publikation zu gute kommen (in der als zweckdienlich
Achtbaren Form).
Berlin. August 1894.
A. B.
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Hervorragende Werke zur Volks- und Völkerkunde
aus dem Verlage von EIMIL EELBEB in Berlin.
Bastian, A., Ideale Welten nach uranographischen Provinzen in Wort
und Bild. Ethnologische Zeit- und Streitfragen, nach Gesichtspunk-
ten der indischen Völkerkunde. 3 Bde. Lex.-8°. 45. —- M.
In der XXIII. allgemeinen Versammlung der deutschen anthropologischen Gesellschaft in TJlm 1892 von
Professor Dr. loh. Ranke als „das bedeutendste Werk der modernen Völkerkunde“ begrüsst.
— — Vorgeschichtliche Schöpfungslieder in ihren ethnischen Elementar-
gedanken. Ein Vortrag mit ergänzenden Zusätzen und Erläuterungen.
Mit 2 Tafeln. 3.— M.
— — Wie das Volk denkt. Ein Beitrag zur Beantwortung sozialer
Fragen auf Grundlage ethnischer Elementargedanken in der Lehre
vom Menschen. 5.— M.
Beiträge zur Volks- und Völkerkunde.
Bd. I. Wlislocki, Dr. H. v., Volksglaube und Volksbrauch der Sieben-
bürgen Sachsen. 5.— M.
Bd. II. Achelis, Th., Die Entwicklzmg der Ehe. 2.60 M.
Bd. III. Büttner, C. G., Lieder und Geschichten der Suaheli. 4.— M.
Handtmann, E., Neue Sagen aus der Mark Brandenburg. Ein Beitrag
zum deutschen Sagenschatz. 3.— M., geb. 4.— M.
— — Was auf märkischer Heide spriesst. Märkische Pflanzen-Legen-
den und Pflanzen-Symbolik. 3.— M., geb. 4.— M.
Kaegi, Adolf, Der Rig-Veda, die älteste Literatur der Inder. 2. Auflage.
4.— M.
Kern, Heinrich, Der Buddhismus und seine Geschichte in Indien. Vom
Verfasser autorisierte Übersetzung von Hermann Jacobi. 2 Bände.
Mit einer buddhistischen Karte. 17.— M., geb. 18.— M.
Pantschatantra. Ein altes indisches Lehrbuch der Lebensklugheit in Er-
zählungen und Sprüchen. Aus dem Sanskrit neu übersetzt von
Ludwig Fritze. Geb. 6.— M.
Percy’s Reliques of ancient english poetry. Nach der ersten Ausgabe von
1765 mit den Varianten der späteren Originalausgaben herausge-
geben und mit Einleitung und Registern versehen von Dr. M. M.
Arnold Schröer. 2 Bände. ' 15.— M., geb. 17.— M.
Trumpp, Ernst, Die Religion der Sikhs. 3.—- M., geb. 3.50 M.
Wilken, G. A., Das Matriarchat (Das Mutterrecht) bei den alten Arabern.
Autorisierte Übersetzung aus dem Holländischen. 2.— M.
Wlislocki, Dr. Heinrich v., Aus dem inneren Leben der Zigeuner. Ethnolo-
gische Mittheilungen. Mit 28 Abbildungen. 6.— M.
Wünsche, Dr. August, Der babylonische Talmud in seinen haggadischen
Bestandteilen, wortgetreu übersetzt und durch Noten erläutert.
2 starke Bände in 5 Abteilungen. 43.— M.
Zeitschrift für Kulturgeschichte. Herausgegeben von Dr. Georg Stein-
häusern Jährlich ein Band in 6 Heften. 10. — M.
Zeitschrift für vergleichende Litteraturgeschichte. Herausgegeben von
Prof. Dr. Max Koch. Preis des Bandes von 6 Heften 14.— M.
Erscheint seit 1886. Berücksichtigt Volkskunde in hervorragender Weise.
Ethnologisches Notizblatt.
Herausgegeben
von der
Aktion des Königlichen Museums für Völkerkunde
in Berlin.
Heft 2.
Mit 12 in den Test gedruckten Abbildungen, einer farbigen
und drei schwarzen Tafeln.
1895.
Druck und Verlag von A. Haack,
Berlin.
Die Zeitschrift wird in zwanglosen Heften erscheinen, von den«11
je drei einen Band von ca. 25 Bogen bilden werden, wobei die Erschei'
nungsfrist innerhalb eines Jahres, vom Erscheinen des ersten Heftes an
gerechnet, möglichst innegehalten werden wird. Der Subskriptionspreis
hierfür wird sich auf IG Mk. stellen, und bleibt derselbe auch bei Übel"
schreiten genannter Bogenzahl unverändert, während der Einzelpreis füf
jedes Heft je nach dem Umfange und den beigegebenen Illustrationen
wechseln wird. Da das erste Heft bereits erschienen ist, wird für die
Besitzer desselben der Subskriptionspreis für Heft 2 und 3 des ersten
Bandes hiermit auf 11 Mk. festgesetzt, und die Erscheinungsfrist voO
dato an gerechnet werden, (obwohl wahrscheinlich kürzer erledigt, da das
dritte Heft sich bereits in Vorbereitung findet).
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Ethnologisches Notizblatt.
Herausgegeben
von der
Direktion des Königlichen Museums für Völkerkunde
in Berlin.
Heft 2.
Mit 12 in den Text gedruckten Abbildungen, einer farbigen
1895.
Druck und Verlag von A. Haack.
Berlin.
Inhalt.
Aber zwei alte Canoe-Schnitzwerke aus Neu-Seeland (Tafel I) . . .
Notizen über Indisches..............................................
Der Weltberg Meru nach einem japanischen Bilde......................
■Anzeige neu eingegangener siamesischer Bücher und Handschriften
Anthropologisches Stiftungsfest.......................................
Das siamesische Prachtwerk Trai-Phüm..................................
Zur Farben-Tafel......................................................
Aus Briefen Herrn Dr. Uhle’s (Tafel III)..............................
Jahresberichte des Ethnologischen Bureaus in Washington...............
Journal of the Anthropological Institute..............................
Deutsche Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte
......................................................................
Altertümer aus Guatemala (Tafel II) . . .
Sammlung chinesischer Volksgötter aus Amoy
^ on der jüngsten Durchquerung Afrikas . .
1
6
12
16
20
27
34
41
71
76
80
84
90
91
93
Risley (the Gazetteer of Sikhim), Pleyte (Bataksche vertellingen), Haddon
(The decorative art of British New Guinea), Schmeltz (Schnecken und
Muscheln im Leben der Völker Indonesiens und Océaniens), Brinton (On
the words Anahuac and Nahuatl), Brinton (Nagualism), Brinton (The Na-
tive Calendar of Central America and Mexico), Cyrus Thomas (The Maya
year), Cyrus Thomas (Are the Maya Hieroglyphs phonetic), Valentini (Ana-
lysis of the Pictoral Text inscribed on two Palenque Tablets), Parry (The
Sacred Maya Stone of Mexico and its Symbolism', Parry (The Sacred Sym-
bols and Numbers of Aborigiûal America in Ancient and Modern Times),
Brinton (A Primer of Mayan Hieroglyphs), Saville (A Comparative Study
of the Graven Glyphs of Copan and Quirigua). Rhode (Psyche, Seelenkult
und Unsterblichkeitsglaube der Griechen), Garbe (Die Samkhya-Philosophie),
Oldenberg (Die Religion des Veda), Jahrbuch der internationalen Vereini-
gung für vergleichende Rechtsrvissenschaft und Volkswirtschaftslehre (Bern-
höft und Meyer), Mitteilungen der Gesellschaft für vergleichende Rechts-
und Staatswissenschaft (Beneke und Kekulé von Stradonitz), Geographische
Zeitschrift (Hettner), Baessler (Südseebilder), Mason (The Origins of Inven-
tion), Schurz (Das Augenornament), Steinmetz (Ethnologische Forschungen
zur ersten Entwicklung der Strafe), Bulletin de la Société Royale de Géo-
graphie d'Anvers (Wauvermans), Journal of the Polynesian Society (Welling-
ton, N. Z.).
Sammlungen, die von den Eigentümern (für Ankäufe) zur Ansicht gestellt sind,
(aus Peru, Japan, Ost- und Westafrika, Neu-Guinea etc.)...........................
Königliches Museum für Völkerkunde.
Direktor: A. Bastian.
Ethnologische Abteilung.
Prof. Dr. A. Grünwedel
Prof. Dr. W. Grube
Dr. F. von Luschan
Dr. W. Seler
Direktorial-Assistenten.
Hilfsarbeiter.
Dr. Preuss, Volontär.
Für die Bibliothek: Herr Sinogowitz.
Für Mitteilungen der Prähistorischen Abteilung dienen die »Nach-
richten über deutsche Altertumskunde« (als Beilage zur »Zeitschrift für
Ethnologie« ausgegeben).
Dr. Voss, Direktor.
Dr. Götze, Direktorial-Assistent.
Kandidat Brunner, Hilfsarbeiter.
Dr. Poppelreuter (für die Schliemann-Sammlung).
Konservator: Herr Krause.
Die Veröffentlichungen aus dem M. f. V. erscheinen band weis
(à 4 Hefte).
Uber zwei alte Canoe-Schnitz werke
aus Neu-Seeland.
(Hierzu Tafel I.)
Der besonderen Zuvorkommenheit von Sir Walter Buller, dieses
um die Naturgeschichte von Neu-Seeland so hoch verdienten Gelehrten
verdankt das Königl. Museum f. Völkerkunde neben vielen und wert-
vollen Zuwendungen an kleineren Schnitzwerken, Steinwerkzeugen und
anderen ethnographischen Kostbarkeiten, jetzt auch die Möglichkeit, zwei
ganz besonders grosse und hervorragende Proben alter Maori-Kunst aus-
stellen zu können.
Es sind das Bug und Stern eines Kriegsbootes, von dem Sir Walter
Buller das Nachstehende mitteilt:
»This canoe was built on the supposed model of the traditional
■drawa Canoe, in which the forefathers of the present Maori people came
to New Zealand, and in early days of the colony it had a great fame
unaong the tribes. It was used for the last time in 1857, when the
Araua people conveyed Sir George Gray as Governor across the Roto-
uiahana-Lake.«
Wir haben also hier die Reste eines jener berühmten alten Maori-
Kriegsboote vor uns, welche schon das Staunen und die Bewunderung
von Cook erregt haben. Dieser hat im März 1770 ein solches gemessen,
das 687a' lang, 5' breit und tief war. »Der Boden war spitzig
uiit geraden Seiten, folglich wie ein Keil gestaltet, und aus drei Stücken
der Länge nach zusammengesetzt, die bis auf ungefähr 2 oder 11/2 Zoll
dick ausgehöhlt und durch starkes Flechtwerk an einander befestigt
Waren. Jede Seite bestand aus einem einzigen Brette, das 63' laug,
10—12" breit und etwa 1" dick war: diese Seitenwände waren sehr
geschickt auf den Boden gefügt und an denselben befestigt. Eine be-
trächtliche Anzahl von Querhölzern lief vom oberen Rande einer Seite
bis zur anderen hin, war an beiden wohl befestigt und diente zur Ver-
markung des Bootes. Das verzierte Vorderteil ragte 5—6' über den
Körper des Kahnes hinaus und war ungefähr 4l/2' hoch; am Hinterteil
'Var gleichfalls ein Zierstück befestigt, wie der hintere Plosten eines
2
Schiffes auf dem Kiel; es war ungefähr 14' hoch, 2' breit und andert-
halb Zoll dick. Beide Zierstücke waren in erhabener Arbeit geschnitzt...
Auch waren öfters die Seitenbretter am oberen Rande nach einem selt-
samen Geschmacke ausgeschnitzt und mit weissen Federbüschen geziert,
die auf einem schwarzen Grunde angebracht waren.«
Cook giebt eine grosse Abbildung *) eines solchen Bootes, die vielfach
reproduziert worden ist und eine ganz gute Vorstellung von dem allge-
meinen Charakter dieser Boote giebt, aber freilich für die Einzelheiten
der Schnitzwerke nicht ausreicht. Keines dieser Boote ist ganz auf uns
gekommen; nur wenige Museen besitzen wenigstens einige geschnitzte
Zierstücke von Bug und Stern derselben, und einige Sammlungen sind
auch so glücklich, kleine Nachbildungen solcher Boote zu besitzen, die
aus sehr früher Zeit stammend, gewöhnlich als »Modelle« bezeichnet
werden, während es wohl richtiger wäre, sie mit dem Totenkult* 2) in
Beziehung zu bringen. Aber dieser kleinen Boote kennen wir weniger,
als die Finger einer Hand, und auch was von den grossen Schnitzwerken
alter Maori-Boote in die Museen gelangt ist, gehört zu dem kostbarsten
Besitze derselben. Die beiden Stücke, die im folgenden beschrieben
werden sollen und auf Tafel I abgebildet sind, verdienen also ganz be-
sondere Wertschätzung.
Eine genauere Datierung der Stücke ist freilich nicht möglich, und es
ist nicht ausgeschlossen, dass sie erst in den Zeiten Cooks oder vielleicht
sogar noch etwas später entstanden sind, aber sie sind jedenfalls völlig
unberührt von jedem europäischen Einflüsse, und haben sogar eine Art von
archaiischen, man möchte beinahe sagen, hieratischen Charakter, der gut
zu der von Sir Walter Buller mitgeteilten Überlieferung stimmt, dass
der Kahn, zu dem sie gehörten, eine Nachbildung des mythischen Arawa-
Bootes gewesen sei3).
*) Hawkesworth, III. Bd. Taf. 46.
2) „Nicht nur Götter und Geister, auch die Seelen der eben Gestorbenen werden
vom Kahn in das Jenseits getragen. Daher findet man auf Neu-Seeland in manchen
wahi tapu kleine Kähne mit Segeln und Rudern, damit der Geist sicher in die andere
Welt gelange (Angas, Savage life in Austr. and N. Zealand II. 71). Wenn auf Bulotu
der Gott Hikuleu nach den Männern von Tonga verlangt, so sendet der Baum Akaulea
einen Kahn: der Tod mäht den Erwählten, der unsichtbare Kahn führt in hinüber
(Lawry, Miss, visit. I. 114).“ Diese und ähnliche weitere Belege für die Beziehung
kleiner Kähne zum Totencult siehe S. 110 bei Schirren, Wanderungen der Neu-See-
länder, Riga 1856.
3) Für die in der polynesischen Mythologie weniger Bewanderten sei hier bemerkt,
dass in diesem Arawa-Boote die ersten Ansiedler nach Neu-Seeland gekommen sind.
„They then felled a tree in Rarotonga, which lies on the other side of Hawaiki, that
they might build the Arawa from it. The tree was felled and thus the canoe was when
out from it and finished. The name of the men, who built this canoe were Rata, Wahie-
roa, Ngahue, Parata and some other skilful men, who helped to hew out the Arawa
3
Natürlich wird niemand im Ernste glauben, dass der Arawa wirklich
so ähnlich (und so durchaus neuseeländisch) ausgesehen haben könne, aber
os ist ebenso einleuchtend, dass die Erbauer des Bootes und besonders die
Künstler, die unsere beiden Stücke geschnitzt, sich an die ältesten ihnen be-
kannten Vorbilder und an alte Traditionen gehalten haben, so das ihr
Werk naturgemäss nicht nur im ganzen altertümlich gerieth, sondern auch
wirklich im einzelnen echte alte Züge aus jetzt vergessener Vorzeit ent-
halten kann.
Die Bugzier, welche auf der Tafel I rechts in zwei übereinander stehen-
den Figuren abgebildet ist, besteht aus drei Teilen, einem horizontalen,
Ginem aufrecht stehenden Querteile und einem weit nach vorne ausladen-
den Längsstück. Von diesen ruhte der erste, der horizontale, in der
Ausdehnung von genau 1 m auf dem spitz zulaufenden Bug des Bootes
auf, mit dem er durch Schnüre, für die noch die Löcher vorhanden sind,
fest verbunden war; er ist hinten 0,38 m breit, läuft nach vorne ganz
Spitz zu und endet da in einen rund vortretenden grossen reich täto-
wierten männlichen Kopf mit Haliotis-Augen. Besonders bemerkenswert
sind aber die beiden Schmalseiten dieses Teiles. Nach hinten zu tragen
sie zunächst jederseits je eine menschliche Fratze mit Haliotis-Augen,
dann aber, in demselben flachen Relief eine Reihe von Zeichen, auf deren
■Deutung ich hier nicht eingehen kann, und deren genauere Beschreibung
ich mir für eine spätere Mitteilung Vorbehalte, die aber, wie schon die
Abbildung zeigt, eine gewisse Ähnlichkeit mit den Hieroglyphen der
Osterinsel nicht verkennen lassen.
Eingefalzt in diesen horizontalen Teil, und auch untereinander durch
einen Falz verbunden, sind die beiden vertikalen, das Querteil und das
ausladende Längsstück. Das erstere besteht aus einem dicken massiven
Krette von etwa einem halben Meter Höhe, das nur an seinen beiden
freien Schmalseiten und in der Mitte seiner nach hinten gewandten Fläche
Kilderschmuck trägt; an dieser, weit und fast in Rundsculptur vortretend,
eine ganze, menschliche, wie die Tätowierung des Gesichtes zeigt, männ-
kche Figur mit übergrossem Kopfe und den typischen dreifingrigen Händen,
frside freie Schmalseiten des Brettes sind stark ausladend und tragen in
Kundsculptur jederseits zwei übereinanderstehende fratzenhafte Figuren, von
denen die obere noch mit Sicherheit als menschenähnlich zu erkennen ist,
während die untere fast bis zur Unkenntlichkeit verzerrt ist. Auch an
den Händen der oberen Figuren sind die drei grossen Finger und der nur
radimentär angedeutete Daumen bemerkenswert.
ail<l to finish it“ heisst es in der uns von Sir George Grey überlieferten Maoii-Legende
Poutini und Whaiapu. Vrgl. über den Arawa auch A. Bastian, Inselgruppen in Oceanien
Berlin 1883.
1*
Weitaus den reichsten Schmuck trägt der dritte Teil der Bugzier,
das nach vorne ausladende Längsstück; es ist ganz durchbrochen (ä jour)
geschnitzt, enthält eine auf den ersten Blick fast verwirrende Menge von
einzelnen und doppelten sowie von (ungefähr in der Art des Triquetrums
und der Swastika angeordneten) drei- und vierfachen Spiralranken, sowie
eine Reihe von anderen Darstellungen, die teilweise auf Thier- oder auf
sehr verzerrte menschliche Figuren zurückzuführen sind, auf denen
wiederum die dreifingrigen Hände mehrfach auffallen. Das ganze endet
in einer grossen Fratze, deren Augen ursprünglich wohl auch aus Haliotis-
scheiben gebildet waren, gegenwärtig aber, ebenso wie die anderen Augen
dieses Brettes mit weisser Ölfarbe bemalt sind.
Das zweite grosse Stück, siehe die beiden Abbildungen links auf der
Tafel, ist der Sternschmuck, taurapa, des Bootes; er ist 3,27 m hoch,
aus einem einzigen Brette ä jour geschnitzt und war, wie die vorhandenen
Löcher zeigen, mit Schnüren an dem Hinterteil des Bootes befestigt. Die
Rankenornamente des aufsteigenden Astes erinnern an die der Bugzier,
und sind wie diese zweifellos als fein empfundene Darstellungen von Wellen
und Wellenschaum aufzufassen; der kurze horizontale Ast hat auf der Steuer-
bordseite dieselben an die Bilderschrift von Rapanui gemahnenden Darstel-
lungen, die wir auf dem horizontalen Teile der Bugverzierung gefunden
haben. In dem Winkel aber, zwischen dem aufsteigenden und dem horizon-
talen Ast sitzt, deu Ruderern zugewandt, abermals eine grosse menschliche
Figur, das ganze Gesicht und auch die Oberschenkel reich tätowiert, natür-
lich wieder mit der typischen Bildung der Hände, aber mit einem sonder-
baren Aufsatze auf dem Kopfe, den ich nicht deuten kann, aber am ehesten
nur als eine ungewöhnliche Behandlung des Haupthaares auffassen möchte.
Beide Stücke, Bug- und Sternschmuck sind verhältnismässig sehr gut
erhalten und nur an wenigen Stellen etwas vermorscht; beide Stücke sind
gegenwärtig mit derselben braunroten Farbe überzogen, mit der die
heutigen Maori die alten Schnitzwerke ihrer Urväter zu überpinseln
pflegen. Die beiden grossen menschlichen Figuren und das menschliche
Gesicht sind rein weiss bemalt, die Tätowierung tief schwarz; wie
schon früher bemerkt, sind die anscheinend mehrfach in Verlust
geratenen Scheiben aus Haliotis für die Augen durch weisse Bemalung
ersetzt.
Soviel heute über diese beiden kostbaren Reliquien einer verschwundenen
Kultur; ich behalte mir vor, noch einmal ausführlicher auf sie zurück-
zukommen und neben Federzeichnungen einzelner Details auch Grundrisse
und Durchschnitte zu veröffentlichen; ich möchte das im Zusammenhänge
mit der genauen Publication eines ganz kleinen aber überaus prächtigen
und sorgfältig gearbeiteteu neuseeländischen Bootes thuu, welches das
5
Koni gl. Museum schon 1846 von dem Herrn Tischlermeister Levien als
Geschenk erhalten hat*).
Hoffentlich gelangen dann auch bald die Canoe-Schnitzereien der
anderen Sammlungen zur Veröffentlichung, besonders auch die grossartigen
Schätze der Wiener Sammlung, die erst in den letzten Jahren wieder
durch den Erwerb der Reischeck’schen Prachtstücke eine wesentliche
Vermehrung des einschlägigen, meist Hochstetter zu dankenden Bestandes
erfahren hat. Hoffentlich aber gelingt es auch noch in letzter Stunde,
emen der alten einheimischen Freunde von Sir George Grey zu einer
authentischen Deutung all dieser Bildwerke zu veranlassen; denn dass je
ein paJceha auch bei aller Vertiefung in die Mythologie der Polynesier
selbständig zu einem völlig befriedigenden Verständnis ihrer Sculpturen »
gelangen wird, ist kaum anzunehmen.
Zum Schlüsse sei noch darauf hingewiesen, dass die im obigen be-
schriebenen Bildwerke auch durch eine persönliche Beziehung wertvoll
S1nd, da sie von einem Boote stammen, das bei einer festlichen Gelegenheit
Sir George Grey getragen, diesen in jeder Beziehung ausgezeichnet
llnd hervorragend gewesenen General-Gouverneur von Neu-Seeland, Sir
George Grey, den »Mann, den die Eingebornen, als er vor Jahren in
schwieriger Zeit die Zügel der Neu-Seeland-Regierung führte, zum Range
Jhrer höchsten Häuptlinge erhoben, den sie mit der tiefsten Verehrung
ihren Vater nannten und dessen Andenken sie in zahlreichen Liedern
Und Sprüchen bewahrten; den Mann, der ihre Sprache spricht, wie seine
Muttersprache, der ihre Anschauungen und Gefühle kennt und der den
Maoris bewiesen hat, dass er nicht bloss ein gutes Herz besitzt, sondern
auch einen starken Willen«2).
Dies war der Mann, an den jetzt unser Herrmann von Wissmann
erinnert, Sir George Grey, der sich in seiner Polynesian Mythology ein
s° unvergängliches Denkmal gesetzt hat. Möge sein Beispiel jetzt in
Mlen Deutschen Schutzgebieten Nachfolge erwecken.
Erklärung der Tafel I.
hinks: Sternzier eines alten Maori-Bootes, Vis d- D- Gr.; daneben Detail desselben, ‘/7 d.n.Gr.
Rechts: Zwei Ansichten der Bugzier desselben Bootes, etwa 1/li d. n. Gr.
b Ein kleiner Holzschnitt desselben nach einer von mir zur Verfügung gestellten
Photographie befindet sich in der neuen Auflage von Ratzels Völkerkunde, I. 163.
G>ass dort auf derselben Seite von „Doppelkähnen“ die Rede ist, in denen die ersten
Wanderungen nach Neu-Seeland erfolgten, beruht vielleicht auf einer Verwechslung; ich
kenne wenigstens keinen älteren Beleg für Doppelkähne in diesem Zusammenhänge.)
2) Hochstetter, Neu-Seeland, 499. T .
v. Luschan.
Notizen über Indisches.
I. Pasten aus Pagan, Oberbirma.
In der grossen Sammlung birmanischer Altertümer, welche Herr
Dr. Noetling dem Königlichen Museum zum Geschenk gemacht hat,
finden sich eine Reihe von interessanten alten Pasten mit Darstellungen
Gautama Buddhas, von welchen hier ein paar Skizzen folgen als Vor-
bericht zur Bearbeitung der ganzen Sammlung, welche in den »Veröffent-
lichungen des Königlichen Museums« erscheinen soll. Es handelt sich
um zwei Typen von Buddhadarstellungen, welche unter Fig. 2 und Fig. 3
abgebildet sind und welche deutlich inbezug stehen zu einer von H. Rivet-
Carnac in Buddhagayä in Indien gefundenen unter Fig. 1. Die Mittel-
figur ist jedesmal Gautama in sehr reinen guten Formen vor einem
Tempel — dem Gayä-Tempel — in Fig. 2 freilich nur zu einem Aureol
abgekürzt, um die Figur herum stehen in Fig. 1 und 2 kleine Stüpas,
7
^ährend auf Fig. 3 rechts und links das Masterpaar (Moggaläna und
Säriputta, wie man sie wohl mit Sicherheit benennen kann), in betender
Stellung knieen. Hinter dem Tempel sieht man den Bodhibaum zu Gayä
durch ein paar Zweige angedeutet. Auf der Rückseite der Pasten vom
Typus Fig. 3 findet sich in Charakteren, welche eher Laotisch als Barma-
ttisch sind, die Inschrift »namo Buddhäya« roh eingekratzt. Unter der
Fig. 2. Grösse des Originals 12 : 972 cm-
Totusblume von Fig. 1 und 2 (auf der Vorderseite) waren Inschriften,
Welche jetzt völlig zerstört sind. Vermutlich war es die bekannte
Formel: ye dharmä etc.
Von Interesse ist nun, dass die Pasten selbst die Form eines Feigen-
^attes haben und so den als Andenken oder Reliquien aufbewahrten
Original blättern nachgebildet sind.
Inbezug auf das im »Handbuch 4: buddhistische Kunst« Ausgefühlte
ist darauf hinzuweisen, dass wir auch hier wieder die rituelle Weiter-
bildung der indischen Idee in Tibet vorfinden; nämlich in dem heiligen
im Kloster Kum-bum zu Am-do, welcher das Bild des Tson-ka-pa
oder wenigstens (tibetische) Inschriften auf seinen Blättern zeigt. Vgl.
Huc und Gabet, Souvenirs d’un voyage dans la Tartarie, le Thibet et la
Chine, Paris 1850; 2, 113. Eine spielerische Weiterbildung derselben
Auf der
Rückseite.
Idee liegt vor in der chinesischen Malerei, welche Fig. 4 darstellt. Diese
ist einem grossen Bande entnommen, welcher auf gepressten Blättern in
sehr feiner Ausführung gemalte Darstellungen buddhistischer Religiösen
(Arhant’s) enthält.
Über die Frage, wie diese Gayä-Pasten nach Birma gekommen sind,
hat A. Cunningham die Annahme geäussert, in Gayä hätte eine Manu-
faktur solcher Pasten existiert, welche die Pilger mit derartigen Andenken
9
versah. Die Pilger hätten sie dann nach ihrer Heimat mitgebracht und
dortigen Heiligtümern übergeben. Vgl. alle einschlägigen Notizen jetzt
bei R. C. Temple, Notes on Antiquities in Ramannadesa (the Talaing
country of Burma) Bombai 1894, Separatabdruck aus Ind. Antiquary,
S. 34 und die Abbildung auf Tafel XV Fig. 2.
Fig. 4.
2. Parnaka; Kapardin.
In der Väjasaneyi-Samhitä wird in der Liste der Opfermenschen
unter denen, die an die achte Säule zu binden sind, ein Parnaka er-
mähnt, welcher »den Tönen« (svanebhyah) geopfert werden soll; vgl.
Albrecht Weber, Über Menschenopfer bei den Indern in der vedischen
Zeit, Indische Streifen 1, 81. Weber übersetzt dort das Wort parnaka
uiit »einen federgeschmückten Wilden«, eine Übersetzung, welche auch
bi H. Zimmers Buch: Altindisches Leben übergegangen ist, S. 119,426.
bedergeschmückte Wilde giebt es im heutigen Indien nur in Asäm. Auf
die reich mit Federn ausgeputzten Nagä’s die Stelle zu beziehen, ist
ganz unmöglich.
10
Das Petersburger Wörterbuch giebt s. v. parnaka nach Mahidhara
die Erklärung bhilla d. h. ein Bhil. Dass diese Angabe die richtige sein
dürfte, ergiebt sich aus folgender Thatsache. Unter den Miniaturen der
inohammadanischen Periode ist ein sehr beliebtes Motiv eine nächtliche
Gazellenjagd, ausgeführt durch nackte Wilde, welche Blätterschürzen
tragen. In den Darstellungen — drei solche Miniaturen sind im Museum
vorhanden — geht eine Frau voran mit eiuem Glöckchen und einer
Fackel, ein Mann mit Bambusbogen folgt ihr, seinen Pfeil auf die über-
raschten Thiere anlegend; ein zweiter Mann trägt ein getötetes Thier.
Für alle diese Bilder liegt die Angabe Bhil vor. Parnaka dürfte also
einen Mann mit Blätterschürze bedeuten. Dass die Blätterschürzen eine
sehr häufige und einstens wohl die allgemeine Bekleidung der »wilden
Stämme« in Indien gewesen sind, ist ja bekannt genug; es genügt an die
Pätüa’s Tschhötä Nägpur’s, und an die Koragaru Südindiens zu erinnern.
Ob die Art der Jagd — mit einem Glöckchen — mit der Angabe
svanebhyah in Zusammenhang gebracht werden darf, wage ich nicht zu
entscheiden. Die Erklärung Säyana’s zu der Stelle (bei Weber 1. c. in
der Note 11) parnakam savisham parnam jalasyopari sthäpäyitvä matsya-
grähinam hat wenigstens die korrekte Erklärung von parna als Blatt.
Säyana’s Note aber scheint mir im Übrigen zur Erklärung nichts we-
sentliches beizutragen. Dass man in Indien durch giftige Blätter, welche
ins Wasser geworfen werden, Fische tötet, ist eine bekannte Thatsache:
man benutzt dazu die Blätter von Randia dumetorum, Croton tmlium etc.
Kapardin. Unter den Eigenschaften, welche im Rigveda dem Gotte
Rudra und dem Gotte Püshan — auch den Väsishtha’s gegeben werden,
erscheint das Wort kapardin, welches Wort in der Regel übersetzt wird:
»dessen Haar in Form einer Muschel aufgewunden ist«. Vgl. Grassmann,
Rigveda-Wörterbuch und das Petersburger Wörterbuch s. v. s. v.
Nach dem letzteren wird kaparda durch »Cypraea moneta« genauer
bestimmt. Es handelt sich also um die Cowrie-Muschel, deren Name
kauri aus dem Maräthi stammt und eine regelmässige Ableitung aus dem
Sanskritworte zulässt. Es ist nun sehr schwer sich vorzustellen, wie eine
Haartracht aussehen soll, die die Form einer so kleinen Muschel wieder-
geben könnte. Ganz gewöhnlich aber ist es im heutigen Indien, Haar-
flechten, Strähne von Schnüren, die auf dem Kopfe getragen werden, mit
Kauri’s zu besetzen; vergl. die entsprechenden Schmuckstücke einer Bau-
järä-Frau im Museum. Es liegt also der Gedanke nahe, kapardin zu er-
klären als »mit kauri’s geschmückt« und kaparda als »kauri« und »Haar-
zopf, der mit kauri’s besetzt ist«. Dass zum tierischen Schmuck in Indien
neben Hörneraufsätzen etc. Schnüre mit Muschel- und Perlschmuck ge-
hören, zeigt jede Sammlung; so würde sich auch zwanglos erklären,
11
"'arum im Rigveda der Stier ebenfalls kapardin »kauri- besetzte Strähne
fragend« heisst, »cätushkaparda« bedeutet dann: »vier kauri-besetzte
Strähne (Zöpfe) tragend«, »dakshinataskaparda«: »solche Zöpfe nach der
Achten Seite tragend.
3. Padmasambhava-Legenden in Lepcha-Sprache.
In General Mainwairings Grammar of the Rong (Lepcha) Language,
Calcutta 1876 wird inbezug auf die Religion des interessanten Bergvolkes
der Lepcha gesagt, die Tibeter, welche vor etwa dreihundert Jahren in
kikim ein drangen, hätten die alten Bücher des Volkes gesammelt und
zerstört: they translated into Lepcha parts of their own mythological
works under the name of Tashi-sung: History of Tashi, thus giving the
Pore and unsullied name of Tashi which single and invisible God the
Lepchas had hitherto worshipped with all the simplicity and purity of
children to a foul and fabulous incarnation, whose pretended life they
Published and this with the indoctrination of a host of other deities they
Pleached to the Lepchas as gospel. Die richtige Form des Namens giebt
Lev. Graham Sandberg, Grammar of the Sikim Bhutia 1. als »bKra-sis
suri«; er nennt es die Lepcha-Übersetzung eines Bhutiya-Werkes. Nach
laugen Bemühungen, um dies Werk zu erhalten, gelang es Herrn Dr.
ährenreich dafür zu interessieren. Ihm war es möglich, eine Original-
Handschrift für das Museum zu erhalten, mit deren Bearbeitung Bericht-
erstatter beschäftigt ist. Es ergiebt sich dies Buch als die freie Übersetzung
eines tibetischen Werkes, welches den Titel Pad-ma’i tcan-yig führt und in
Jäschkes Bibliothek vorhanden war. Es enthält die fabelhafte Lebens-
geschichte des Guru Padmasambhava aus Udyana, welcher um die Mitte
Hes 8. Jahrhunderts n. Chr. geboren, von König Kri-srong de u tsan
Uach Tibet gerufen wurde, um dort »die bösen Daemonen, welche das
Land beunruhigten, zu bändigen« und das Kloster Sam-ye (Sam-yas) zu
gründen. Vgl. jetzt darüber L. A. Waddell, The Buddhism of Tibet or
Lamaism, Lond. 1895, S. 166, 380 ff. — Eine eioene Litte a
haben die Lepchas vor dem Eindringen der Tibeter sicher nicht besessen.
Grünwedel.
Der Weltberg Meru nach einem japanischen Bilde.
Als Seitenstück bezw. als Ergänzung zu dem von Georgi (alphabetum
tibetanum 1762) zuerst veröffentlichten tibetischen Weltbild (repro-
duziert von Waddell, the Buddhism of Tibet, 1895 p. 79), sowie zu
dem von Leon Feer publizierten chinesischen Weltbild1) und zu den
auf Grund von Päli-Texten rekonstruierten Zeichnungen Vagi^varas* * 3)
möge das beifolgende, einem japanischen Buche3) entnommene Bild
des Meru — japanisch: Shumi sen oder Someiro san (Shumi oder
Someiro = sanskrit: Sumeru, sen oder san — Berg) — dienen.
Die Abbildung zeigt den aus dem Wasser aufragenden Weltberg
an der Basis von sieben Felsgürteln umgeben, die durch Meere von ein-
ander getreunt sind. Die Namen der Felsgürtel lauten in der Über-
setzung (von unten an gezählt):
1. Nimindara-Berg (Transcription4) des indischen Namens: Nemini-
dhara) Höhe: 625 yujun (= sanskrit: yojana = indische Meilen).
2. der Elephantenrüssel-Berg (= Yinataka) Höhe: 1 250 yujun
3. der Pferdeohr-Berg (— Ai^vakarna) Höhe: 2 500 yujun
4. der überall zu sehende Berg5) (= Sudaryana) Höhe: 5000
yujun
5. der Jambubaum-Berg (= Karavika) Höhe: 10 000 yujun
b Les étages célestes et la transmigration, traduit du livre chinois Lou-tao-tsi
in: Annales du Musée Guimet V, p. 529.
*) Diese bildlichen Darstellungen wurden auf Veranlassung des Herrn Geh.-
Rat Bastian während seiner letzten Anwesenheit in Colombo angefertigt. Sie wurden
von dem Letztgenannten veröffentlicht in: Verhandlungen der Berliner anthropologischen
Gesellschaft, Sitzg. vom 21. April 1894.
3) Bi-tai dai-zassho ban-reki dai-sei, ein "Werk kalendarisch-astrologischen Inhalts,
zuerst gedruckt 1842; Neudruck vom Jahre 1856 in der Bibliothek des Museums:
I D. 11408.
4) Das vierte Schriftzeichen des Namens ist im Original falsch geschrieben.
5) Statt des ersten Schriftzeichens fu (= überall) ist das ähnlich aussehende
Zeichen zen (= gut, sanskrit su-) einzusetzen. Der Name ist auf der älteren Dar-
stellung in der Encyklopädie Wakansansaizue (gedruckt 1713) richtig mit zen geschrieben-
13
6. der die Achse haltende Berg (= Ishädhara) Höhe (wörtlich:
ragt aus dem Wasser) = 20 000 yujun
7. der das Paar haltende Berg (— Yugamdhara) Höhe: 40 000
yujun.
Die zwischen den Felsgürteln und dem Sumeru befindlichen Meeie
haben keine besonderen Namen, sondern sind gleichmässig als »wohl-
Der Weltberg Meru nach einem japanischen Bilde.
14
riechendes Wasser« [Gandhasägara?] bezeichnet. Die Breite dieser Meere
ist von unten an gezählt bezw. 1 250, 2 500, 5000, 10 000, 20 000,
40 000, 80 000 Yojanas. Aus dem innersten Meere erhebt sich der eigeut-
liehe Berg Meru, der unten breit sich nach der Mitte zu verjüngt und
nach oben wieder verbreitert. Auf der Zeichnung sind auf dem unteren
Teil des Berges die Höhenangaben einiger »Seitenberge« (3000, 4000,
8000, 10 OOO etc. Yojanas) vermerkt. Die in der mittleren Höhe des
Berges angebrachten kleinen Paläste bezeichnen den Aufenthaltsort der
Shi tennö (Caturmahäräjas), deren Namen und Synonyme wie folgt auf
dem Bilde angegeben sind.
1. Tamonten (der vielhörende1 Gott) = der Götterkönig Bishamon
(— Vaigravana)
2. Kwömoku ten (der weitäugige Gott) = der Götterkönig Biruha-
kusha (= Yirupäksha)
3. Zöchö ten (der wachsende Gott) = der Götterkönig Biroro-
kusha (= Virüdhaka)
4. Jikoku ten (der das Reich haltende Gott) — der Götterkönig Dai-
zuraital 2) (oder Jizuraishi) (= Dhrtaräshtra).
Die über dem Aufenthaltsort der vier Weltkönige angebrachten
Inschriften besagen: »Der Someirosan ragt 80 000 Yojanas aus dem
Wasser und taucht um ebensoviel in dasselbe ein. Ein anderer Name
[des Meru] ist: der wunderbare hohe Berg«. — Auf dem Gipfel des Berges
befindet sich der Himmel Töriten (Trayastrinn^at-Himmel). Die auf
und an dem Gipfel befindlichen Inschriften lauten: »Die Lebensdauer
beträgt tausend Jahre. Hundert Jahre [sind in dieser Welt] eine Mond-
nacht. Jm Nordosten ist der runde Lebensbaum [der indische Pärijäta].
Im Osten ist der weisse Silbergipfel, im Süden der Vaidürya3)-Gipfel,
im Westen der Sphatika4) [Krystall]-Berg, im Norden der gelbe Gold-
gipfel. Im Südwesten ist die Halle der guten Lehre [Sudharma]«. Ausser-
dem ist an den Seiten des Töri-Himmels viermal der Name »Diamanthand«
(Vajrapäni) wiederholt.
Rechts und links vom Meru sind Sonne und Mond abgebildet mit
der Beischrift: »Umkreis: 5000 Yojanas«. Ferner sind auf der linken
Seite des Berges eine quadratische und eine runde Figur, rechts eine
l) Im Original Schreibfehler: mon (Thor) statt mon (hören).
s) Die Namen der 4 Welthüter sind im Original fehlerhaft geschrieben, ich habe
mich deshalb nach der älteren Vorlage im Wakansansaizue gerichtet, obwohl auch
diese nicht fehlerfrei ist.
3) Statt des fehlerhaften sui ist zu lesen bi, wie auch im Wakansansaizue steht.
4) Statt zu ist das ähnlich aussehende Zeichen ha zu setzen. Die richtige
Form steht im Wakansansaizue.
15
^ondförmige und eine längliche Figur dargestellt. Es sind dies die vier
Weltteile, die im Meer um den Berg Meru herum liegen, links oben
(Quadrat): Uttarakuru, unten (Kreis): Aparagodäna, rechts oben (mond-
förmig): Pürvavideha, unten (die längliche Figur): Jambudvipa. Der
Inhalt der Beischrift rechts oben ist: »Shumi no shi shu [= die 4 Dvipas
des Meru]:
Tö shöshin shu [= Osten: die Insel der Siegesgötter1) == Pürva-
videha dvipa], Lebensdauer: 500 Jahre,
Nan z embu shu [= Süden: die Jambuinsel = Jambudvipa], Le-
bensdauer: 100 Jahre,
Sai gyuga shu [— Westen: Kubgeschenk-Insel = Aparagodäna
dvipa], Lebensdauer: 250 Jahre,
Hoku guro shu [= Norden: Guro-Insel2) — Uttarakuru dvipa],
Lebensdauer: 1000 Jahre«.
Die Zeilen in kursiver Schrift rechts oben besagen, dass der Norden
des Someiro gelb, der Süden grün, der Osten weiss, der Westen scharlach-
rot sei.
Die Inschrift links oben lautet: »Dieser Berg Sumeru ist der grösste
aller Berge. Alle Länder der Welt liegen auf seinem Umkreis. Sonne
ünd Mond umkreisen den Berg und scheiden Tag und Nacht. Auf dem
Gipfel des Berges sind vier Spitzen; auf jedem der vier Bergspitzen sind
acht Deva [oder Himmel: ten]. Indem man die 32 Deva mit dem Gotte
Ifidra zusammenzählt, erhält man 33 Deva [= Trayastrim^at]. Die Ent-
fernung der Sonne und des Mondes von der Erde beträgt 40 000 Yojana.
Hie Höhe des Trayastrinit^at-Himmels beträgt 80 000 Yojana. 1 Yojana
soll = 40 Ri sein.« Diese Erklärung ist zum grösseren Teil dem Kommentar
2üm Kongökyö entnommen, wie ein Vergleich mit der Encyklopädie
Wakansansaizue lehrt, Heft 56, p. 19b.
Die rechts am Rande in der Mitte stehende Notiz bezieht sich auf
dfe Sterne, ist aber durch Schreibfehler unverständlich geworden. Nach
der richtigeren Lesart im Wakansansaizue ist zu übersetzen: »Der kleinste
^fern ist 1 Kro£a [— l/4 Yojana oder nach Eitel Vs Yojana] gross, dei
№ste 16 Yojana«. t F w K Müller.
0 Die chinesische Bezeichnung ist demnach nicht die Übersetzung von videha, son
dern yon einem anderen Namen, welcher als Bestandteil vijaya ( Sieg) enthielt
2) Guro ist das indische Wort Kuru.
Anzeige neu eingegangener siamesischer Bücher
und Handschriften
im Königlichen Museum für Völkerkunde.
Phixai song'khram hin'du boran .... rieb rieng doi nai roi ek
Ji, J, Jerini — the art of war, military Organisation, weapons and political
maxims of the ancient Hindus . . . . by G. E. Gerini. Bangkok 1894.
1 Bd. 12°. Siamesisch mit Abbildungen. Geschenk des Herrn Gerini.
Mettraiphhtthaphajakon (Maitreyabuddhavyäkaranam, paricche-
da 21). Abschrift eines Abschnittes aus der Pathamasambodhi. 23 Seiten
Fol. — Durch gütige Vermittelung des Herrn Gerini erlangt.
Path amasbm'phöthivivahambngkli alakatha ( Pathamasambo-
dhivivähamangalakatha dutiya pariccheda). Abschrift eines Abschnittes
aus der Pathamasambodhi. 14 Seiten Fol. — Durch gütige Vermittelung
des Herrn Gerini erlangt.
Träiphum. Die berühmte für König Pbaja Täk (1767 — 1782)
verfasste bildliche Darstellung des buddhistischen Weltalls. Das nur in
diesem einen Exemplar vorhandene Werk verdiente eine eigene Mono-
graphie. Durch Vermittelung des Herrn Gerini in Bangkok erworben.
Sadeng'kirchanükir. 1 Bd. kl. 8°. Geschenk des Herrn Gerini.
Das bekannte Werk des Phrarja Tbipakon, aus dem Alabaster in-
»the wheel of the law« eine Reihe höchst interessanter Auszüge mitgeteilt
hat. — Als Probe der Darstellung dieses Werkes möge die folgende
Stelle dienen, welche einer Unterredung des Phra : ja Thipakon mit einem
Missionar entnommen ist: »Ich fragte: Gott, der (nach eurer, der Christen
Meinung) Alles was überhaupt existiert hervorgebracht hat, hat auch die
Menschen hervorgebracht. Warum hat er dann die Götter der Siamesen
die der Brahmanen, der Muhammedaner entstehen lassen? Er liess zu,
dass es verschiedene Religionen giebt, so dass die Menschen nicht die
(christliche) Lehre vom Schöpfer verehren, sondern anderen Lehren
folgen und dann damit bestraft werden, dass sie in die Hölle kommen.
Warum handelt er so? Wenn er nur eine Religion hätte entstehen
lassen, würde das nicht gut gewesen sein? Dann würden die Menschen
alle zusammen in den Himmel gelangt sein«, (p. 173 des siam. Textes.)
17
Nang'sü'rü'öng phra : räxäphöngsävadan krung kao~. Ge-
schichte der Könige der alten Hauptstadt Siams, von König
Û thong (1350 n. Chr.) bis König Som'dëF Phra : Narai (1657—1682).
1 Bd. 8°. Gedruckt in Bangkok von Bradley. Der dazu gehörige erste
^ed des Phöngsavadan fehlt. Geschenk des Prof. W. Joest. Inbetreif
des Inhalts vgl. Pallegoix, grammatica linguae thai 1850, p. 160—164,
Und Phra : Alak, the kings of Siam bei Bastian, Geschichte der Indo-
chinesen 1866, p. 547—549.
Nang'sii' rü'öng phra : chaö ràxathïràt. Geschichte der
Könige von Pegu. 1 Bd. 8°. Gedruckt in Bangkok von Bradley.
Einige Stellen daraus sind mitgeteilt bei Bastian, Geschichte der Indo-
chiiiesen 1866. — Als Probe des siamesischen Chronikenstiles möge die
folgende Übersetzung des Anfangs dieses Werkes dienen:
[p. 4 des siamesischen Textes:]
Es gab einst einen Mahathera, der die Arahatschaft erlangt hatte,
Namen Kha: vämbodi (Gavampati). Er war ein Pegnaner aus der
ü'tadt Sathöm\ Der Heilige besass die Eigenschaften eines Arahat,
dämlich die sechs Abhinnä und die vier Sambliida. Als nun die Mutter
des Gross-Thera gestorben war, da sah der Heilige mit »Götterauge«
(der Fähigkeit, alle Wesen und Welten mit einem Blick zu überschauen),
dass seine Mutter noch nicht in der Welt der Götter, sondern unter den
Menschen herumirrend zu der Zeit im Lande der Peguaner (Râmannapradeça)
^iedergeboren war. Da empfand derHeilige den Wunsch, seiner Mutter nützen
können, sowie den Herrschern, Setthi’s, Gahapati’s, Brahmanen, sowie
ailch allen männlichen und weiblichen Bewohnern des Königreichs. Darauf
Vei’senkte er sich in die Meditation, welche die Abhinnä als Grundlage (bât)
h&t (also das vierte Jhäna, durch welches die Abhinnä und die Zauberkraft
Iddhi — erlangt werden). Nachdem er aus der Meditation heraus-
^otreten war, bewies er übernatürliche Macht, indem er in der Luft bis
Zllr Stadt Säthöni' wandelte. Der König Açoka sah die Macht und die
ausgezeichneten Arabat-Eigenschaften des Heiligen. Da fragte er den
^ahäthera: »Als der erhabene Weltenlehrer noch am Leben war, hat er
^a irgend eine Buddha-Prophezeiung gethan?« Der Mahathera sprach
darauf eine Segnung aus und erzählte den Thatsachen gemäss die folgende
Buddha-Prophezeiung (buddhavyäkaranam) *):
Zur Zeit, da der Erhabene noch am Leben war, kam er einst in
diese Waldgegend (aranyapradeça)2), die Pa Mo:ta:mä: ) (der Wald
') Der folgende Absatz befindet sich auch bei Bastian, Geschichte dei Indochinesen,
P* 256.
r., 2) nAranja-prathet-tani “ bei Bastian l. c. p. 256. Der mir vorliegende siamesische
hat räranjapra: thèt thi ni = die Waldgegend hier.
3) Haswell, grammatical notes and vocabulary of the Feguan laugua0e,. an^oon
87E P- XV: „the Peguan name for Martaban ist Moo-t'maw, Stony point. oo
M. f. y. 2
18
von Martaban) heisst. Dort gab es acht Gross-Jakschas; diese sahen
Buddha, den Herrn, in seiner überaus lieblichen und schönen Gestalt.
Ein Lichtglanz von sechs verschiedenfarbigen Strahlen drang aus seinem
Körper hervor1). Als die acht Gross-Jakschas das sahen, freuten
sie sich frommen Sinnes. Darauf sammelten sie acht Phluong (Baumart)-
Blätter und machten daraus eine Unterlage. Ferner brachten sie einen
Felsblock von weisser Farbe und machten daraus einen Sitz. Dann luden
sie Buddha, den Herrn, ein, hinzugehen und sich auf dem weissen Fels-
sitz niederzulassen. Ferner suchten sie Phava (Baumart)-Früchte und
machten daraus ein Getränk* 1 2), welches sie Buddha, dem Herrn, über-
reichten. Endlich brachten sie ihm Ol für die Lampe. Buddha, der
Herr, unterwies darauf die acht Gross-Jakschas im Gesetz, bis sie im
Zufluchtnehmen (säränakhöm) und in den fünf Pflichten (sin — çila) fest-
geworden waren. Dann sprach er zu den acht Gross-Jakschas: »Das
religiöse Verdienst, das ihr euch erworben habt, indem ihr jetzt eure
Verehrung dem Tathagata darbrachtet, wird euch Früchte tragen, indem
ihr in zukünftiger Zeit Götter- und Menschenmacht erlangen werdet.
Nach langer Zeit werdet ihr acht wiedergeboren werden als gewaltige
Grosskönige mit unvergleichlich hervorragender Macht und dieses Wald-
land wird einen Grosskönig haben, der herkommen und eine Hauptstadt
bauen wird, die den Namen Mo:ta:mä: (Martaban) führen wird.« Nach-
dem Buddha, der Herr, die Gross-Jakschas in der Lehre unterwiesen
hatte, ging er von dannen um allen Wesen die Lehre zu Teil werden
zu lassen. Als der Erhabene das Alter von achtzig Varscha’s erreicht
hatte, ging er in das Nirvana ein.3)
Was nun die acht Gross-Jakschas anbetrifft, so wurden sie nach
ihrem Tode wiedergeboren als Göttersöhne im Himmel.
Lange Zeit nachher lebte ein Grosskönig, mit Namen Fürst Alang'
khächosü (Alangacasu4), der in der Stadt Phukam (= Pagan) herrschte.
Der Fürst Alängkhüchosü hob ein Heer aus, kam herabgezogen und eroberte
die Stadt Säthöm', nahm die Einwohner gefangen und führte sie weg-
being nose or point, t'maw being rock or stone“. — ibid. p. 105 s. v. muh = the nose
the end of a cape; p. 72 s. v. tmâ = a stone, a rock. — Der peguanische Name
lautet also: Mu h tmâ.
1) khàng la:va = ?
2) nam. at'thâban — huit espèces de liquides que les talapoins peuvent boire hors
des repas, comme le thé, l’eau de coco etc. Pallegoix, dict. s. v.
3) Bis hierher die excerpierte Stelle bei Bastian 1. c. p. 257. — Der gedruckte
Text hat übrigens nibbäna, nicht parinibbana wie bei Bastian 1. c. p. 257.
4) Dies ist der König von Pagan (birmanisch: PUKAM, siamesisch: VUKÂM
geschrieben): „Alaungcesu“ oder „A’iaiik'acosu“ (bei Bastian, Geschichte der Indo-
Chinesen p. 540, 537, 240), „A-lüng-tsi-thü“ oder „Alaungsithu“ (bei Phayre, history of
Burma, 281, 305, 39, 46, 49). Er regierte von 1085—1160 n. Ohr.
19
darauf zog er wieder hinauf und blieb in der Stadt Phukam. Einst giug
der Fürst in dem Wald spazieren, der Pat~thavan (Padavana) heisst.
Dabei gelangte er an die Stelle, die der Wald von Mo:ta:mä: heisst.
Dr betrachtete den Ort und sah, dass er friedlich, gleichmässig und gut
war. Da schien er ihm geeignet zur Erbauung einer Hauptstadt. Der
Fürst Alangkhachosü liess darauf an jener Stelle eine Stadt bauen.
Nachdem der Bau beendet war, machte er den Älimamang, einen der
obersten Beamten (kha lüong döm), einen Fremden (oder: Muhamme-
daner: khek~) zum Herrn von Mo:ta:mfi:. Im Norden grenzte die Herr-
schaft von Mo:ta:mä: bis zum Reiche Tongpu, im Westen bis zu den
Dörfern (? tö bän), im Osten bis zum Reiche der Siamesen, im Süden
bis zum Reiche Satöng'. Darauf kehrte der Fürst Alangkhachosü
wieder nach Phukam zurück. — Im Jahre 630 SalFkarät starb Fürst
Alangkhachosü1). Sein Sohn, der Kronprinz Chat'taveti (Cattaveti),
übernahm die Herrschaft seines Vaters in Phukam unter dem Namen
Ananthaxai (Anandajaya). Ananthaxai gab nun dem Älimamang,
dein Herrn von Mo:ta:mä:, einen königlichen Auftrag. Letzterer wider-
setzte sich aber und kam nicht zu Hofe. Der Fürst Ananthaxai geriet
io Zorn und befahl dem Sihäsuräsena, dem Saming' (eine peguanische
Würde), als General ein grosses Heer zu versammeln und Mo:ta:mä: zu
erobern. Dies geschah und Älimamang floh nach der Stadt Hari-
Phunxai2). Der Saming' Sihasürasena liess den At taja, einen
Dhrarja, zur Bewachung von Mo:ta:mä: zurück. Im dritten Jahre, 632
^Sk'kärät, hatte der vertriebene Älimamang ein gewaltiges Heer von
Dao-leuten zusammengebracht. Er kehrte nun zurück, eroberte Mo:ta:m ä:,
lotete den Phra:ja At~taja und erlangte so die Herrschaft wieder. Der
Ort, an dem At'taja phra:ja starb, heisst bei den Peguanern Khao
At taja phratja (Berg des A.) bis auf den heutigen Tag.
Ende des ersten Kapitels.
9 „Alaungsithu“ f 1160, nach Phayre 1. c.
2) Vielleicht zu vergleichen die Rebellion des „Aliramä“ in Martaban, dieselbe fand
aber 1281 statt. Phayre 1. c. p. 52.
F. W. K. Müller.
2*
Altertümer aus Guatemala.
(Hierzu Tafel II.)
In dem 1. Hefte des IV. Bandes der Veröffentlichungen aus dem
Königlichen Museum für Völkerkunde sind eine Anzahl Altertümer, haupt-
sächlich aus dem Qu’ekchi-Gebiet der Gegend von Cohan stammend, näher
beschrieben worden, die dem Königlichen Museum von Herrn Dr. Sapper
als Geschenk überwiesen worden waren.
In jüngster Zeit hat Herr Dieseldorff, der schon seit Jahren in
diesem Gebiet in höchst erfolgreicher Weise Ausgrabungen vorgenommen
hat und darüber zu wiederholten Malen in der Zeitschrift für Ethnologie
berichtet hat, durch Vermittlung des Herrn Dr. Schellhas dem König-
lichen Museum eine Anzahl Thonsachen als Geschenk zugehen lassen,
die seinen neueren umfangreichen Ausgrabungen in Chajcar, drei Stunden
östlich von S. Pedro Carchä bei Coban entstammen, und die nicht nur
durch die hohe künstlerische Vollendung beachtenswerth sind, die sie
aufweisen, sondern vor allem dadurch, dass die nahe Beziehung, die, wie
ich schon in dem vorhergenannten Aufsatze auseinander gesetzt habe,
zwischen den Verfertigern der Altertümer des Qu’ekchi-Gebietes und den
Erbauern der Monumente von Copan bestanden haben muss, in diesen
Stücken noch in viel klarerer Weise zum Ausdruck kommt.
Auf der diesem Hefte beigegebenen Tafel II sind die von Herrn
Dieseldorff geschenkten Thonsachen in Lichtdruck wiedergegeben.
Fig. 7 ist in jeder Beziehung ähnlich
dem Abguss der Thonform der Dr. Sap-
per’schen Sammlung, die in Fig. 29
Seite 34 des 1. Heftes des IV. Bandes
der Veröffentlichungen aus dem König-
lichen Museum für Völkerkunde wieder-
gegeben ist. Der Figur dort aber fehlen
die flügelartigen Federschmucke, die
hier dem Kopf angesetzt sind. Letztere
scheinen allerdings auch in dem vorlie-
genden Stück nicht unmittelbar im Zu-
sammenhang mit der Figur angetroffen
worden zu sein, und unterscheiden sich
21
auch von der Mittelfigur durch die Farbe des Thons, der viel hel-
ler rot ist.
Interessant sind dann vor allem die Köpfe Fig. 1, 3, 4, 6. Fig. 1
und 3 sind voll, 4 und 6 in
Relief gearbeitet. Diese Köpfe
zeichnen sich durch eine in
merkwürdige Auswüchse ver-
laufende Nase aus. Sie stellen
eine mythologische Person
dar, die auf den Monumenten
vonCopanund anderwärts un-
gemein häufig vorkommt. In
dem westlichen Hofe der Tem-
pelanlage von Copan ist ein
Steinrelief gefunden worden,
das diesen Gott in ganzer Ge-
stalt darstellt, umgeben von
sich kräuselnden Gebilden
(Wolken, Rauch oder Feuer),
«g die paarweise nach den vier
ib Himmelsrichtungen von ihm
ausstrahlen (vergl. Fig. 15).
Auf derStelaDvon Copan, die
eines der künstlerisch vollen-
detsten Monumente dieser
Ruinenstätte und vielleicht
von ganz Centralamerika ist,
ist die Figur dieses Gottes
mehrfach, insbesondere in dem
Ranken werk der Westseite
der Stela vertreten, in gan-
zer Figur und aus dem geöff-
neten Rachen von Schlangen
hervorsehend, die von oben
herunter und von unten her-
auf durch das Figurenwerk
sich ziehen. Ferner in ausge-
Xeichneten Hieroglyphenformen auf der Rückseite und der '
derselben Stela. Entsprechende Hieroglyphenformen erkennt man auc
»eben den Relieffiguren der Altarplatten von Palenque. Die en 1 a a
dieser Bilder mit den Thonbruchstücken Fig. 1, 3, 4, 6 wir unsc wer
erkannt werden.
22
In clen Handschriften kommt diese Figur nicht so häufig vor. Sie
fehlt indes nicht ganz. Der Gott mit der proliferierendeu Nase (vergl.
Fig. 16), von dem ich seinerzeit glaublich zu machen gesucht habe, dass
er dem Ah bolon tz’acab, der für die kan Jahre auf den Thron ge-
setzt wurde, entspricht, ist ohne Zweifel ident mit der auf den Skulpturen
von Copan dargestellten Gottheit. Ah bolon tz’acab heisst „Herr der
neun Generationen“. Es ist eine interessante Thatsache, dass die obeu er-
wähnten Hieroglyphenformen der Stela D von Copan und auch der kursiven
Hieroglyphen dieser Gottheit, die in den Texten der Copan-Skulpturen
Vorkommen, (die übrigens in einem wesentlichen Merkmal mit der Haupt-
hieroglyphe des Gottes mit der proliferierenden Nase der Handschriften
übereinstimmen), vielfach mit der Ziffer neun verbunden sind.
Auch die Bruchstücke Figg. 8, 9 erinnern auffallend an gewisse
Details der Copan-Skulpturen. Auf der Stela N, die durch die Fülle
der von ihrem Fuss bis zur Spitze verteilten Tier- und Menschenfiguren
ausgezeichnet ist, sind gegenüber den quastenartigen Enden von Band-
schleifen, Tierfiguren dargestellt, die in den hauptsächlichen Details
mit unseren Figuren 8 und 9 vollkommen übereinstimmen (vergl. Fig. 17).
Diese Figuren sollen Fische darstellen. Das lehrt schon der Augenschein,
und das wird noch klarer erwiesen durch einen Vergleich mit Altar T,
wo den ganz ähnlichen quastenartig erweiterten Enden der Band-
schleifen, die dort um die Hand- und Fussgelenke des reptilartigen
Ungeheuers geknüpft sind, ganz unverkennbare Fischfiguren als Anhängsel
23
§egenüberstehen (vgl. die untere Hälfte von Fig. 17). Was diese Figuren
an dieser Stelle bedeuten, ob vielleicht kleine goldene Fischfiguren ge-
^issermassen als Schellen an den Enden der Bandschleifen getragen
wurden, oder ob — was wahrscheinlicher ist — eine mythologische Be-
gehung vorliegt, lässt sich zur Zeit noch nicht mit Sicherheit sagen.
Weniger bestimmt kann ich, so weit meine Erfahrungen reichen,
das Bruchstück Fig. 2 an die Typen der Copan-Skulpturen anreihen.
Hier ist man zunächst versucht, mexikanische Reminiscenzen zu erkennen,
die drei Spitzen, die von der Peripherie des unvollständigen Kreises aus-
sUahlen, erinnern frappant an die vier Strahlen des mexikanischen
Sonnenbildes. Das Gesicht auf der Fläche mit den runden von Kreisen
ußizogenen Augen und dem über die Lippen herabhängenden eingerollten
Streifen könnte man ohne Weiteres für ein Tlalocbild nehmen. Eine
buchtende Scheibe soll ohne Zweifel hier dargestellt sein. Ich möchte
lrides eher an einen Vergleich mit den Schildformen der Maya-Hand-
Schriften denken (vgl. Fig. 18), wo wir, wie bei den mexikanischen
Hieroglyphen für Spiegel, Türkis und Smaragd, vier im Kranz gestellte
augenartige Gebilde dargestellt, also Strahlen nach den vier Himmels-
Achtungen angegeben finden. Insbesondere möchte ich den dritten der
111 Fig. 18 wiedergegebenen Schilde zum Vergleich heranziehen, wo ich
das auf der Fläche angegebene Zeichen i’k für »Feuer« nehme. Den
ganzen Schild also gewissermassen als Hieroglyphe für K’a’k u pacal
*feuerschild« deute — ein Wort das im Chilam Balam de Chumayel
Und in einer handschriftlichen Relacion des Ortes Motul als Name eines
kriegerischen Häuptlings, im Cogolludo in der etwas entstellten oder um-
§edeuteten Form K’a’k u pacat »Feuerblick, Feuergesicht« als Name
eines Kriegs- und Schlachtengottes erwähnt wird.
Sehr interessant sind dann endlich noch die Bruchstücke Figg. 12
14. Gleich den auf Seite 36 des ersten Heftes des IV. Bandes der
Ä Veröffentlichungen aus dem K. Museum für Völkerkunde« abgebildeten
Heliefbruchstücken der Sarg’schen Sammlung, bildeten auch diese Stücke
(las Untergestell sitzender Figuren. »Resonanzböden« nennt Herr Diesel-
24
dorff diese Untergestelle, wohl weil sie hohl sind, und vielleicht auch
weil gelegentlich Einschnitte in denselben Vorkommen, wie in den Unter-
gestellen der Figurengruppen der Dr. Camargo-Strebel’schen Sammlung1).
Es sind ohne Zweifel Nachbildungen holzgeschnitzter viereckiger Sitzge-
stelle. Die stufenförmig ausgeschnittenen Füsse derselben, wie sie das
Bruchstück Fig. 14 zeigt, erinnern ganz an die geschnitzten Stühle auf
denen im Codex Borgia, Vaticanus B u. a. die Götterfiguren sitzend dar-
gestellt werden. Als teo-icpalli würden wir, mit einem mexikanischen
Wort, auch diese Bruchstücke bezeichnen können.
Was nun die Reliefs betrifft, so mache ich zunächst darauf auf-
merksam, dass auch die beiden hier dargestellten Figuren, gleich den
oben erwähnten Bruchstücken der Sarg’schen Sammlung bärtig sind. Die
b Vgl. Strebei, Alt-Mexiko. Erster Teil. Tafel II, Fig. 20 u. 24.
25
ZUr Erde sich neigende Person auf dem Bruchstück Fig. 14 hat einen
deutlich entwickelten Schnurr- und Kinnbart. Die sitzende Figur des
Bruchstückes Fig. 13 wenigstens einen deutlichen Kinnbart. Merkwürdig
lst der Gegenstand, den Fig. 14 im Arm hält: ein länglich viereckiger
Körper, an dessen beiden Enden ein phantastisch ausgestalteter zähne-
starrender Reptilrachen angegeben ist. Der ganze Gegenstand erinnert
ln der Form auffallend an die grossen in Fig. 19 wiedergegebenen Stücke,
die die grossen weiblichen Idole der Stelen A. und B. von Copan als
Halsschmuck tragen. Nur ist in unserm Bruchstück die Fläche des
Gegenstandes einfach kannelliert, während auf dem Brustsckmuck der
Stelen bald ein Matten gefleckt, bald die Symbole der sogenannten Him-
nielsschilder angegeben sind.
Die auf den Füssen dieser Sitzgestelle verzeichneten Hieroglyphen
stimmen in ihrer Form durchaus mit den Hieroglyphen der Copan-Skulp-
tui en überein und sind in der Mehrzahl mit bestimmten derselben direkt
zu identifizieren. So ist die grosse
oberste Hieroglyphe des rechten Fusses
in Fig. 14 ident mit der ersten, bezw.
zweiten der drei Hieroglyphengruppen
von Copan, die ich in Fig. 20 wieder-
gegeben habe. Sie scheint dort in be-
stimmter Beziehung zu einer der 20
bezw, 16 Priester- oder Königsfiguren
zu stehen, die in sehr übereinstimmen-
der Weise auf verschiedenen der Monu-
mente von Copan dargestellt sind. Ver-
Wandt oder ident mit ihr ist die Haupthieroglyphe des Quetzalvogels
der Handschriften (vgl. Codex Dresden 16c; Codex Tro 19*.c; 3*. c;
^1- c.).
Die zweite Hieroglyphe auf dem rechten Fusse ist die des Gottes
des Nordens, die dritte ist undeutlich.
Der linke Fuss hat dieselben Hieroglyphen wie der Fuss Fig. 12.
11 oberst und links sehen wir das Zeichen im ix. Rechts davon eine
Hieroglyphe, die innerhalb des calculiformen Umrisses die Ziffer 8 und
‘-Gröber die Ziffer 5 zeigt. Die beiden unteren Hieroglyphen sind nicht
£anz deutlich.
Diese neuen Funde des Herrn Dieseldorff sind also eine weitere
FACE. OF STEP
iw NMI.
JLJl
aLTAR.R .R.7.
Fig. 20.
öestätigung dessen, was schon die früheren Ausgrabungsergebnisse der
iIerren Dieseldorff und Sapper mehr oder minder bestimmt erkennen
llessen, dass das heute von den Qu’eckchi eingenommene Gebiet unter
dei*i unmittelbaren Einfluss der Kulturnation stand, deren hervorragendste
26
Schöpfungen wir in Copan bewundern. Herrn Dieseldorff fiel das um
so mehr auf, als ihm die Skulpturen von Quirigua einen Stil aufzu-
weisen scheinen, der von dem der Copan-Skulpturen abweicht. Mir ist
das Material von Qurigua leider nicht genügend bekannt. Doch möchte
ich glauben, dass es sich hier nur um Variationen innerhalb desselben
Typus handeln kann, die in ihrer Ausschlagsweite die Variationsgrösse
nicht überschreiten, die auch für die Qu’ekchi-Funde gegenüber den
Copan-Skulpturen thatsächlich bestehen.
Das Königliche Museum ist Herrn Dieseldorff zu besonderem Danke
verpflichtet, dass er diese hervorragenden und interessanten Stücke dem
Königlichen Museum überwies.
Dr. Ed. Seler.
Sammlung chinesischer Volksgötter aus Amoy.1)
2.
3.
4.
5.
6.
dienende Knaben des Keh sing-ong.
I. Die Gruppe des Keh sing-ong.
Kuoh sheng-wäng (Amoy-Dialekt: Keh sing-ong), Schutzgott
der Provinz Fuh-kien.
ü T Kuoh tung - tsi |
M T Kuoh tung - tsi ^
3E Sheng-wäng-mä, Gemahlin des Keh sing-ong.
^ Hoäng täi-wei, der Gouverneur Hoang, Adjutant des Keh
sing - ong.
CKen tsiäng-kiün, der General Ch'dn, Adjutant des Keh sing-ong.
II. Die Gruppe des Stadtgottes.
7- M№i$ CK eng -hoäng-ye, der Vater der Mauern und Gräben, Schutz-
gott der Stadt Amoy.
8 IEJ|® Cheng -li-sKi, erster Amtsdiener des Stadtgottes.
9- MiJ M ® Fu-li-shi, zweiter Amtsdiener des Stadtgottes.
I0- A m k Wdn -p an - huan, Civilrichter.
Wu -pcdn - huan, Kriegsrichter.
MF-fl Äi-tsi-Tcuei, »Zwergteufel«, welcher die sündigen Seelen vor
das Tribunal des Stadtgottes führt.
n
12.
13- iffi
hü*
14
Wu-cKäng, Spion des Stadtgottes.
) I berittene Boten des Stadtgottes, welche zu beiden Seiten
5- -ii® Mä-sKi ^ cles Tempelthores stehen.
>. x) Sämtliche in dieser Sammlung enthaltenen Götterfiguren sind auf Grund einer
. des Herrn Prof, de Groot durch gütige Vermittlung des Kais. Konsuls Heim ieindel
f! ^liloy angefertigt worden. Es ist mir eine angenehme Pflicht, Herrn Konsul Feindei
Ur seine liebenswürdigen und unermüdlichen Bemühungen, den Wünschen des Museums
j)lch jeder Richtung hin gerecht zu werden, an dieser Stelle öffentlich den \erbindlichsten
auszusprechen.
28
Hierzu kommen 12 göttliche Würdenträger, welche zu beiden Seiten des
Tempelhofes aufgestellt sind und den Stadtgott bei der Ausübung seiner Funktionen
unterstützen:
16. m ■dh* n
17. F m Hl
18. & S]
19. *1 № b)
20. B]
21. ü W BJ
22. S ig BJ
23. m BJ
26- bB Ä öj
26- ÄÜHj
27-
Endlich 8
gestellt sind:
Tien-shöu-si.
Tsi - sün - s'i.
Wei - chen - s'i.
Füh - teh - s'i.
Kuei-lüh-si.
Shü-shou-s'i.
Fü - shün - s'i.
Süh -pdo - s'i.
Fü - tsih - s'i.
Ki-lüh- si.
Tän - oh - s'i.
Wei - liäo - s'i.
Liktoren und Henker, welche ebenfalls im Tempelhofe auf'
28.
29.
30.
31.
32.
33.
34.
35.
TM5M
& m #i m
ts # m
m ig m m
ü. #1@
Tsi - sün -pcai - fdu.
Wei - chen-pcäi - t on .
Fien - shou-pdi - fdu.
Fü - shün -pc di - fdu.
Suh-pdo -pcdi - fdu.
mm
mm
si# m
Fü - tsih -p‘äi - fou.
Tän - oh -p di - fdu.
Wei - liäo-p di -fdu.
III. Die Götter des himmlischen Heeres.
36. JÜ W Tü-fvng-ye, der Anführer des himmlischen Heeres.
37. Ppf Epf Chüng -kiün-fü )
r > die beiden Adjutanten des Vorigen.
38. PFf fpf jfvj' Chüng-Jeiün-fu \
39. F DP Pf. Li Nä-cFa, oberster Befehlshaber des himmlischen Heeres.
40.
41.
42.
m v m
flt ü A
Die 36 Generale des himmlischen Heeres:
Liü - sheng - che.
Teng - fien - kiün.
Kf äng - she -jen.
29
Chang - sheng - che.
Siao - sheng - che.
№ Tdo - hdi td - tsiang.
Y, m £ M Yuh - leh - km - furig.
fft J|p{ <r]T* Wii-hien-ti.
15 K ± F Ym - 77« o ¿‘a* - ¿sf.
SS 7C № Kao yuan-shuai.
Chi - kuei td - tsiang.
^ K # tien-kiun.
.(!} f)lll H MA-kia-16.
it # ® # 6'A/A -fu - ,s7i« - c‘Z( i?.
^ iiffl HI Hii-kia-lo.
Mi 7C № Sie yuan-shuai.
■SI W M £ Md- ming tsun - wang.
itttti Lung - shi - wang.
^-fliiM Li sien-ku.
It ft № Kang y uan - shuai.
jlf Iioung - sien-kuan.
WlflllM Kin sien - ku.
IE fill M Ki sien-ku.
Wen tai-shi.
Kiang sien-kuan.
$ If ^ 7C № Chung-tan Li yuan-shuai.
№ Tun - tsmg -td- tsiang.
Wen tai-pao.
iHt IjjS Lien-sheng-che.
Kiang - lung - kuan.
rr.
Ill
7V № Yah yuan - shuai.
'0.
t-shan td-tsiang.
® fc № Chao yuan - shuq,i.
ft 7C № Jen yuan-shuai.
Ngu yuan-shuai.
Ho sien - ku.
30
IV. Die Götter des Höllentempels.
76. Tüng-yuJi-shen, Höllengott.
77. F'M Td-ye, »der grosse Vater«, auch J$SB# P'äi - föu - tie (Amoy'
Dialekt päi-fäo-tia), »der Vater mit der Tafel«, genannt, Adjutant des
Höllengottes (nach de Groot des Stadtgottes).
78. IpL Fan-tsiäng-kiün, der General Fan, Gehülfe des Höllengottes.
79. Wen -]/dn - kuan, Civilrichter der Hölle.
80. ä m w Wu-p'dn-kuan, Kriegsrichter der Hölle.
81. j|f dfd tsiäng-kiün, »General Pferd«, auch ^II j|J| Mä-fou-yßi
»Vater Pferdskopf«, genannt, Begleiter des Höllengottes.
82. TW? IVAi tsiang-kiün, »General Rind«, auch -j— j|J| IWu-tou-yh
»Vater Rindskopf«, genannt, Begleiter des Höllengottes.
83. A A Ü Fu-jen Md, Höllengöttin, herrscht über den Blutpfuhl, in
welchen die Frauen, welche im Kindbette sterben, versenkt werden-
84. A® Niu-shi, »weiblicher Bote« j
> Begleiterinnen der Vorigen.
85. Jx, Niu-sln, »weiblicher Bote« )
86. Ißfr pfj Süh-päo-si, »der flinke Vergelter«, der erste Beamte des
Höllengottes.
87. iik M 3E Ti-tsdng-wäng, Gott der Unterwelt (buddhistisch).
Die Könige der 10 Höllenregionen:
88. Ä 3E Ts'in - kuäng - wäng
89. Ä /x T Chu - kiäng - wäng.
90. T T Sang - ti - wäng.
91. iE 3E Wu - kuan - wäng.
92. IS) H T Yen -16- wäng.
93. t I Pien - cli eng - wäng.
94. m xU 3E T ai - shdn - wäng.
95. 2(£^ I Fing - (eng - wäng.
96. * 3E Tü-shi-wäng.
97. Iw 3E Chuen - lun - wäng.
Die Trabanten der 10 Höllenkönige:
98 — 99. Ts'in -kuäng -wäng yih-tien tsiäng -kuan, n10
beiden Trabanten des Ts'in- kuäng -wäng.
31
100 — 101.
102-
/X 3E _____* Hx |V CKu-kiang-wäng erl-tien tsiang-kuan, die
beiden Trabanten des Ch'ü-kiäng- wäng.
103. * tü- 3E = № № W Süng-ti-wäng san-tien tsiang-kuan, die
beiden Trabanten des Süng-ti-wäng.
•04 — 105. 'jfj XV X [7j| Hx '|ff XV Wu-kuän-wäng si-tien tsiang-kuan, die
beiden Trabanten des Ngü-kuän- wäng.
106 — 107. X' JL Hx {V Yen-16-wäng ngu-tien tsiang-kuan, die
beiden Trabanten des Yen-16-wäng.
108 — 109. tilküi'l Pien - di eng - wäng liüh - tien tsiang - kuan,
die beiden Trabanten des Pien-ch'eng-wäng.
11° Hl* ¡djS jjj j- jg |V Tdi - shan - wäng tsTh - tien tsiang-kuan,
die beiden Trabanten des Tcäi - shän - wäng.
-113. X' /V Hx t|% XV P‘ing-teng-wäng pah-tien tsiäng-kuän,
die beiden Trabanten des Pdng-teng- wäng.
^ 115. X|X Jh Hx >|^f XV Tu- sM-wäng km-tien tsiäng-kuän, die
beiden Trabanten des Chuen-lün-wäng.
llG 117. ]jii|i jjfjjjj J Hx >fsr£ XV Chuen - lun - wäng sinh - tien tsiäng - kuän,
die beiden Trabanten des Tü-shi-wäng.
,18- Hf Pf Ho-län, der oberste Befehlshaber der niederen Hölleninächte.
^9- -122. j|L Tsäo-li, 4 Gerichtsdiener.
• 23. |||J Kuei-tsi-shou, 2 Henker.
I24- mmnnm
125‘ ^ Ym-cKah-siü-Unq \ Höllenthor be-
|I? 01 m R y > wachen.
rr , ,, Al A , t \ die beiden Hollen-
A uan - ti - nun -men- tsianq -kiun / .... , , ,
* * f gotter, welche das
V. Götter der Litteratur.
12e- X H ^ ff Wen-diang ti-kiün, Schutzgott der Litteratur.
—128. ^ Xff Y7en-cKäng tüng-tsi, dienende Knaben des Vorigen.
129- Kuan fu-ts'i, »»der Philosoph Kuän«, der Kriegsgott Kuän-ti
in seiner Eigenschaft als Schutzgott der Litteratur.
^6. jHj -Xfj^ Kuän P'ing-ye, Sohn und Begleiter des Kuän fü-tsi.
^ 1 • jXf| LfiT Ghou Tsäng-ye, Gefährte des Kuän fü-ts’i.
32- § till Ä Im-sien-tsu, »der Patriarch Liü«, Schutzgott der Litteratur,
gehört gleichzeitig zu den »acht Genien« (päh-sien).
l33. jjjjjj Liii-shen, »der Weidengott«, Trabant des Liü-sien-tsü.
131 htiji Täo-shen, »der Pfirsichgott«, Trabant des Liü-sien - tsü.
135, fed
K\iei-smg, Schutzgott der Litteratur.
Chü-i, »Rotrock«, Schutzgott der Litteratur, repräsentiert zugleich
den glücklichen Zufall im Hinblick auf das Examen; daher das Zeicnen
Fj=J chüng, »bestanden«, auf der Rolle, welche er in den Händen hält.
Tsieh-pao-shen, der Gott des Sieges (im Examen).
VI. Gottheiten der Gewässer.
iK ii 'S* Ta Yii-ti, »der grosse Kaiser Yü«.
Spf zE CJi u-pa-wäng Hidng Yü, Hidng Yü, der Usurpator
von Chcü (3. Jahrhundert v. Chr.), als Gott der Gewässer verehrt.
© ft & Lu Pan-kung, als Schutzgott der Boots- und Zimmerleute
bekannt.
141 — 142. ;g M i1 Lu fung-tsi, dienende Knaben des Vorigen.
143. iip ^ Wh Tsi -siü oder 15. M Wü Yun (lebte im 6. Jahrhundert
138.
139.
144 VII.
v. Chr.), als Gott der Gewässer verehrt.
\ JÜÜ K‘iüh Yuan, der Dichter des Li-sao, lebte im 4. Jahrhundert
v. Chr., als Gott der Gewässer verehrt.
VII. Diverse.
145. m № w- Mä-tsii-p'ö (Amoy-Dialekt Md-tsd-pd), Schutzgöttin der See-
fahrer und der Wöchnerinnen.
146. V M Bk Tsien-Vi-yen, »Tausend-Meilen-Auge«, Trabant der Ma-tsü-p'ö.
147. Shün-feng - erl, »das Ohr des günstigen Windes«, Trabant
der Mä-tsü-pco.
08. T № w< Chü-sheng-nidng-niäng, »die lebenbestimmende Göttin«,
von der die Schicksale der neugeborenen Kinder abhängen.
149— 150. icfE Niu-shi, »weibliche Boten«, 2 Trabantinnen der Chü-
sheng - niäng - niäng.
151 — 152. Säo-tsie-mü, 2 Gehiilfinnen der Chü-sheng-niäng-
niäng, welche die Kinder von der Geburt an bis zum 16. Lebensjahre
leiten und schützen.
153. T'ien-kuan, Gott des Himmels.
154. ^ Ti-kuän, Gott der Erde.
155. Shüi-kuan, Gott des Wassers.
156. '/fif |j{| p* Tüng-häi lüng-wäng, der Drachenkönig des östlichen
Meeres.
157. [ttj -p St-häi lüng-wäng, der Drachenkönig des westlichen
Meeres.
33 —
158.
159.
160.
161.
162.
163.
164.
165.
166.
167.
168.
169 —
171.
172—
174.
175.
176.
177.
178.
179.
180.
181.
pf'J ^ H|| Nän-häi lüng-wang, der Drachenkönig des südlichen
Meeres.
m II3E Peh-häi lüng-wang, der Drachenkönig des nördlichen
Meeres.
Chung-häi lüng-wang, der Drachenkönig des mittleren
Meeres.
HUIs A# Feng-pü tien-kiün, Gott des Windes.
Pff \\ Yü-pü tien-kiün, Gott des Regens.
iURA# Lei-pü tien-kiün, Gott des Donners.
*0$ ?C Yun-pü tien-kiün, Gott der Wolken.
£ ATf- Timen - tien shäng-ti, »der Gott des dunklen Himmels«,
auch Hiuen-wu shdng-ti, »der dunkle Krieger«, genannt.
MS Chäo Kuany-meng, Trabant des Tung-häi lüng-wang.
ifC K‘ung fsiäny-kiün, »der General K'ang«, Trabant des Tüng-
häi lüng-wang.
va idi IE Fän-sien-tsu, »der Patriarch Fan«, deifizierter Litterat des
11. Jahrhunderts n. Chr., als Gott der Träume verehrt.
-170.
M Fan-sien-tung, dienende Knaben des Vorigen.
Hoä-fd, berühmter Arzt des 2. Jahrhunderts v. Chr., als Gott der
Medizin verehrt.
U3. mmp- Hod-tung-tsi, dienende Knaben des Vorigen.
ßro ylfC Lin-shüi-fü-jen, Göttin des Wassers, auch ^
Km fü-jen, »Frau Kin«, genannt.
{5^ Lin-shui-fü-jen, Göttin des Wassers, auch
CFen fü-jen, »Frau Ch'en«, genannt.
Sä 7K A A IAn-shüi-fu-jen, Göttin des Wassers, auch MA
Li fü-jen, »Frau Li«, genannt.
iik Chäo Tsi-lüny oder Chäo Yün, ein Kriegsheld aus
der Zeit der drei Reiche (3. Jahrhundert n. Chr.), wird in den Tempeln
des Kriegsgottes verehrt.
Chang Shun oder tjjj Chang Sinn, ein Held aus der Zeit der
T'äng- Dynastie.
ikC Hiü Yüän, ein Held aus der Zeit der T'äng-Dynastie.
-ml Pf fj§^ Län Tsi-yun, Begleiter des Chang Shun.
^ Lei Wan - cFwn, Begleiter des Hiü Yiiün
W. Grube.
'¡Pf
in
f. V.
3
Von der jüngsten Durchquerung Afrikas.
Dem Ruhmeskranz der deutschen Afrikaforschung ist mit der erfolg-
reichen Durchquerung des dunklen Weltteils von Ost nach West durch den
Grafen von Götzen ein frisches, unverwelkliches Blatt hinzugefügt worden.
Trotz der überraschenden Schnelligkeit der Reise — die Expedition nahm
nur elf Monate in Anspruch — sind die Resultate in geographischer,
geologischer, botanischer und nicht minder in ethnologischer Beziehung
von hohem Wert und grosser Bedeutung. Besonders gilt dies für den
Teil der Reise zwischen dem Kagera und dem obern Congo, wo mit der
Erschliessung des sagenhaften Landes Ruanda wiederum ein weisser Fleck
auf der Karte von Afrika getilgt worden ist, nachdem Stanley jenes ge-
heimnisvolle Land in weitem Bogen umgangen hat und 0. Baumann nur
knapp in die Grenzprovinz gelangt ist. Mit der Entdeckung und teil-
weisen Befahrung des Kivu-Sees und der Besteigung des thätigen Virunga-
Vulkans der vielbesprochenen Mfumbirogruppe ist die Erforschung des
grossen centralafrikanischen Grabens bis auf einen räumlich geringen
Teil, nämlich die Verbindung zwischen Kivu-See und Tanganyika ent-
gültig durchgeführt worden.
Die Schnelligkeit der Reise und das Vorwalten des geographischen
Interesses hat es mit sich gebracht, dass die Ethnographie nicht in dem
Masse berücksichtigt werden konnte wie Graf Götzen es wohl selbst ge-
wünscht hätte. Umfangreiche, besonders aber systematisch angelegte
Sammlungeu lassen sich nur durchführen bei der Müsse eines langem
Aufenthalts an ein und derselben Lokalität; ein unaufhaltsames, eiliges
Weitermarschieren ergiebt meist nur die flüchtige Gelegenheit, dem
Reisenden ein vereinzeltes, dem Zusammenhang des ethnographischen
Gesamtbildes entrissenes Stück in die Hände zu spielen. So sind denn
auch die Sammlungen des Grafen Götzen unvollständig und lückenhaft
geblieben, nichts destoweniger aber stellen sie für Ruanda und das
westlich davon sich erstreckende Hügelland Butembo eine äusserst wert-
volle Bereicherung der Schätze des Museums für Völkerkunde dar, dem
Graf Götzen in anerkennenswerter Munificenz seine ganze Sammlung als
willkommenes Geschenk kürzlich zu überreichen die Liebenswürdigkeit
gehabt hat.
35
Die Sammelthätigkeit des Reisenden setzt erst in der Landschaft
Meatu im östlichen Ussukuma ein. Das Museum besass aus den durch
0. Baumann zusammengebrachten Sammlungen des deutschen Antisklaverei-
Komitees bereits ein Paar jener alten Wataturu-Speere mit ornamentiertem
Blatt und verziertem Schaft, die in Baumanns letztem Werke »Durch
Massailand zur Nilquelle« p. 172 abgebildet sind. Diese Speere werden
Immer seltener und sind in den Händen der völlig versprengten Wataturu
kaum noch zu finden. Um so dankenswerter ist die Bereicherung unseres
Bestandes durch Graf Götzen durch einige gute Exemplare.
Ebenfalls aus Meatu stammt eine eiserne Speerspitze, zu der ein
Analogon aus Ostafrika im Berliner Museum nicht vorhanden ist. Sie ist
mittelst eines Domes in den Schaft eingelassen, der in der in Ost- und
Südafrika so sehr verbreiteten Weise durch das übergezogene Fell eines
Tierschwanzes gegen das Aufsplittern geschützt ist, verbreitert sich dann
zunächst zu einem geränderten schmalen Blatt, darauf zu einem
Sehr breiten, um dann plötzlich zu einer schlank zulaufenden Spitze
abzusetzen. Der soeben erst aus Ostafrika zurückgekehrte Reisende
0. Neumann besitzt in seiner Privatsammlung einige ganz ähnliche
Stücke aus derselben Gegend, über deren wahren Zweck der Besitzt!
leider nicht unterrichtet ist. Es liegt nun die Vermutung nahe, dass
sie, ähnlich den »Mähi« genannten Lanzenspitzen des obern Nils, hier
im Südosten des Victoria Nyansa als Wertmesser dienen oder in
früherer Zeit gedient haben. Berührungspunkte zwischen den Völkern
dieses Gebiets mit den Stämmen am Bahr el Gebel und Bahr el Ghasal
smd ja genugsam vorhanden; es sei nur erinnert an die jembe genannten
Backenblätter der grossen Karawanenstrasse und an den Melot (Loggo)
der Bongo, Djur und anderen Stämme des östlichen Sudans; ferner an
die Schlagstöcke und Parierstäbe der Dinka, die sich in nur wenig modi-
fizierter Form bei den Wanyaturu wiederfinden, und schliesslich an die
Sanz gleiche Form der hölzernen, ausziehbaren, vergifteten I feilspit
kolbenförmig verdickter Gestalt, die für die Wasandawi geradezu
sind und auch bei den Bari am obern Nil so ungemein häufig auftreten. Km
Scbärferes Augenmerk auf diesen Gegenstand zu richten, wild
W Aufgabe für künftige Reisende in diesen Gebieten sein.
Unter den übrigen ziemlich zahlreichen Stücken aus Ussukuma siiu
llea nur eine Kollektion von Ohrpflöcken und einige Halsketten. ie
kfiöcke bestehen meist aus Holz, einer aus Elfenbein. Sie haben durchweg
f^e Gestalt einer oben und unten konkav ausgehöhlten Scheibe von
Barchmesser; die 1-1.5 cm hohe Peripherie ist zum Zweck des bessern
Balles im Ohrläppchen ausgekehlt. Als besondern Zierrat tragen
6i*er Seite eine sorgfältig aufgelegte Platte aus dünnem Staniol oder
36
Kupferblech. Die Halsketten sind Bastschnüre mit dunkelblauen und
wasserfarbenen Glasperlen von scheibenförmiger Gestalt, dazwischen gereiht
sind die teueren hellblauen und weissen Perlen von der Grösse und
Gestalt eines Taubeneies. An einem andern Exemplar folgen Messing-
perlen, walzenförmige, schwarz-weiss gestreifte Glasperlen und geschliffene
Muschelstückchen von halbkreisförmiger Gestalt aufeinander. Die Trag-
schnur geht durch ein parallel der geraden Kante gebohrtes Loch, für
die benachbarten grossen Perlen sind aus dem verdickten Rande genau
passende Lager ausgeschliffen. Bei einem weitern Stück besteht der
ganze Schmuck aus dem auf einen Lederriemen gezogenen Boden einer
Muschel; schliesslich kehrt auch hier die in Afrika so häufige Halskette
mit kreisrund geschliffenen Stücken aus Strausseneischale wieder.
Erwähnenswert aus Ussukuma ist eine Tanzrassel. In Unyamwesi
fand P. Reichard 1883 aus Kürbisschalen bestehende, Kapepe genannte
Rasseln von der Grösse und Gestalt eines massigen Strausseneis. Diese
Rasseln wurden in der Art verwandt, dass die Frauen sie beim Tanz
von einer Hand in die andere warfen, wobei der aus Hirsekörnern
bestehende Inhalt ein rasselndes Geräusch hevorbringt. Das vorliegende
Stück ähnelt jenen Kapepe sehr, ist aber grösser und mit ca. 40 cm
langem Holzstiel versehen, der am obern Ende der Frucht herrausragt.
Die Schale selbst ist mit zahlreichen feinen Löchern durchbohrt; den
Inhalt scheinen, dem Klange nach zu urteilen, kleine Steine zu bilden-
Nicht neu für das Museum, aber sehr hübsch gearbeitet ist einer
jener in Unyamwesi nicht seltenen und auch in Ussukuma getragenen
Kriegerkopfputze aus Grashalmen und weissen Federn. Auf einer aus
Bast geflochtenen Miniaturkappe sind viele etwa 10 cm lange Grashalme
mit einem Ende derart verknotet, dass sie mit jeder Formveränderung
der Kappe auch ihre gegenseitige Stellung verändern. Im gewöhnlichen
Zustande fest aneinandergeschmiegt eine Art Walze bildend, gehen sie,
wenn das Käppchen durch eine Kinuschnur fest auf dem Kopf des Trägers
befestigt wird, nach allen Richtungen divergent auseinander und bilden
so eine Art Glorienschein, dessen phantastisches Aussehen zu erhöhen
kleine weisse, in jede obere Halmöffnung gesteckte Federn sehr geeignet sind-
Aus der französischen Missionsstation Uschirombo im Gebiet der
Wasumbwa, wo Graf Götzen sich mehrere Wochen aufhielt und wo er
eine grössere Anzahl von Gebrauchsgegenständen der Wasumbwa zusammen-
brachte, verdienen nur eine Tabakspfeife, ein aus mit Strichmustern ver-
ziertem Kürbis bestehender Resonanzboden eines leider nicht mit ein-
gegangenen Musikinstruments und ein Paar Armringe erwähnt zu werden-
Diese Armringe bestehen ans steinhart getrockneter Elephantensehne, die
zu dem Umfange eines sehr schlanken Handgelenks zusammengebogen ist'
37
Sie sind durchscheinend und dienen paarweise als Jagdtrophäen, indem
der Jäger für jeden erlegten Elephanteu sich zwei solcher Ringe um das
Handgelenk legt.
Hiermit verlassen wir bekanntes Gebiet und treten mit dem Reisenden
in die unerforschten Länder jenseits des Kagera ein. Graf Götzen schildert
das Land Ruanda als ein völlig baumloseg, aber das prächtigste Weide-
land bietende Hochplateau von 2—3000 m Seehöhe, wo nur die Hänge
der tiefeingerissenen Thalschlueilten mit ungeheuren Bananenhainen bedeckt
sind. Fremdartig wie die Scenerie des Landes sind auch seine Bewohner.
Hoch oben über den Wolken, 3000 m über dem Meere, hauste der
Beherrscher des Landes, der Kigeri Luabugiri in neuerrichteter Residenz, die
er, ein echter Nomade, alle zwei Monat wechselt. Als unverfälschter Mhuma
ragte er riesengleich über die Menge seines Volkes hinaus, mit den etwas trun-
kenblickenden Augen und dem grünen Blätterkranz auf dem Haupte einem
vom Gelage heimkehrenden römischen Imperator nicht unähnlich, wie Grat
Bötzen sich ausdrückt (Verh. d. Ges. f. Erdk. 1895 Heft 2 pg. 113).
Aus der nur kleinen, aber wegen ihrer Neuheit wertvollen Ruanda-
Sammlung sei hier nur das Wichtigste hervorgehobeu.
1. Das Prunkstück der Sammlung ist eiu Fellschurz, wie ihn die
vornehmen Wanyaruanda bei festlichen Gelegenheiten tragen. Der Schurz
besteht aus Ziegenfell, reicht annähernd ein und einhalbmal um die Hüften
and ist an einem Ende 40, am andern 25 cm breit. Am breiten Ende läuft
der Schurz nach unten in eine Reihe 60—70 cm langer, aus je 2 dünnen Zie-
genfellstreifen geflochtener Schnüre aus. Umgelegt wird er so, dass diese
Schnüre vorn herunterhängen. Er ist ein Geschenk des Kigeri an Graf Götzen.
Die Technik seiner Ausführung ist von ungewöhnlicher Feinheit
and Eleganz. Den räumlich grössten Teil der Schurzfläche nimmt ein
schwarz-weiss gesprenkeltes Ziegenfell ein, zwischen dessen einzelnen
teilen lange Streifen rotbraunen Felles ein genäht sind, so zwar, dass die
letzteren nach beiden Enden zu spitz zulaufen. In die obere Hälfte des
Vorderteils sind viele, je kaum 0.5 cm breite Streifchen roten Fells in
das ebenso fein zerschnittene schwarz-weisse Fell hinein genäht. Der
Zwirn ist tierische Sehne, die Nath tadellos.
2. Kriegskopfschmuck der Unterführer. Kopfring, aus gebleichtem
and geschwärztem Bananenblatt sauber und regelmässig geflochten. Darauf
schräg nach aussen und oben ragend zwei aufeinanderruheude Lagen von
2—--2.5 cm langen Rohrenden, deren obere Öffnung mit je einer schwarzen
^rncht verschlossen ist.
3. Leibgurt der Wanyaruandaträger. Gedrehte Bastschnur, 1.60m lang,
aafgereiht darauf je 1—2 cm lange Stückchen von Stachelschwemborsten.
4. Drei Unterleibsschnüre eines in dem Nachtgefecht am Kivu-See
38
(a. a. 0. pg. 114) gefallenen Mhuma. Um einen Kern von Gras oder
Palmblatt ein feines Geflecht von Palmblattstreifen.
5. Halskette aus kreisrund geschliffenen Schalstückchen einer Muschel.
Ähnliche Halsketten finden sich im ganzen Zwischenseeengebiet wieder
und sind besonders häufig bei den Stämmen am obern weissen Nil.
6. Mehrere Schmuckstücke für den Hals, auch in Urundi häufig.
An einem Lederriemen, der in einem Fell nach unten in eine wirre Masse
geflochtener Fransen ausläuft, ist die zierlich zugeschliffene Spitze eines
Elephantenzahns, oder der zubearbeitete Zahn eines Flusspferdes, oft auch
der Hauer eines Warzenschweins befestigt.
7. Drei hohle, mit schwarzer Masse gefüllte, schlanke Eisentrichter
von 7—10 cm Länge. Oben endigen diese in einer Öse, vermittelst
deren sie aufgereiht als Amulet um den Hals getragen werden.
8. Zwei Amulette eines in dem erwähnten Nachtgefecht erschossenen
Mhuma. Das wirksame Prinzip des Amulets ist eine schwarze, feinkörnige,
fettig sich anfühlende Masse mit starkem Geruch, die in Eiform in Ficus-
bast gehüllt ist. Dieser Bast wird an den Enden des Ballens durch Raphia-
bast zu einer Schnur zusammengefasst und läuft als solche um den Hals
des Trägers. Im Museum existiert bis jetzt nichts ähnliches.
9. Langgestieltes Haumesser, 87 cm. lang. Der Griff ist ein Holz-
cylinder, der in hoher technischer Vollendung mit abwechselnden Spiralen
von vierkantigem Eisen- und Kupferdraht umwickelt ist. Der lange Stiel
ist sechskantig, im Querschnitt höher als breit zur Erhöhung der Wider-
standsfähigkeit beim Hieb. Am Schlagende geht der Stiel in eine stark-
rückige Messerklinge über, die zunächst nach vorn gebogen ist, aber plötzlich
zurücktritt und in Sichelform endet. Nach übereinstimmenden Angaben
von 0. Baumann (a. a. 0. pg. 84) und Graf Götzen ist das Messer bei
den Wanyaruanda allgemein im Gebrauch; Baumann hatte, schon bei seinem
kurzen Aufenthalt an der Grenze Gelegenheit, sich davon zu überzeugen.
Die Form dieser Hiebwaffe wiederholt sich in Afrika mehrfach.
Aus Nkole (Ankori) besitzt das Museum ein ähnliches Stück als Geschenk
des Grafen Schweinitz und ein fast genau gleiches ist ein Geschenk des
Majors von Wissmann, das von den Wakinga am Nordende des Nyassa
stammt. Im Grunde genommen ist auch das Hackmesser der Konde am
Nyassa nichts anderes als diese Waffe, eine Vorrichtung zum Schneiden
und Aufreissen der Wunde zugleich.
Als letztes Stück aus Ruanda sei ein vom Sammler als Frauenkopf'
schmuck bezeichneter Messinggegenstand erwähnt, der jedoch in Form und
Technik soweit von allem Afrikanischen abweicht, dass vorläufig an seiner
Authenticität starke Zweifel obwalten müssen, wenn auch andrerseits
nicht geleugnet werden kann, dass, wie das Haumesser zeigt, das technische
Können der Wanyaruanda auf einer hohen Stufe steht.
39
Mit dem Aufstieg aus dem grossen Graben nach Westen verlassen
wir Ostafrika und treten in das Stromgebiet des gewaltigen Congo ein.
Ethnographisch macht sich dieser Übergang dadurch bemerkbar, dass hier
111 Butembo die Bogensehne aus Rotang zum ersten Male auf dem Weg
nach Westen auftritt. Butembo ist nach Graf Götzen ein infolge der
Manyema-Razzien dünnbevölkertes Land, dessen Bewohner sich scheu zu-
rückhielten. Es war somit schwer, über die anthropologische Stellung der
Watembo ein Urteil zu gewinnen. Aus der übereinstimmenden Kleinheit
des Wuchses der Walegga und Watembo scheint Graf Götzen geneigt,
beide zueinander zu rechnen, womit allerdings nur soviel gewonnen wäre,
dass man die Watembo den von Stuhlmann so benannten Waldbantu zu-
zuzählen hätte. Der Verbreitungsbezirk der Wahuma scheint in Ruanda
endgiiltig seine westliche Grenze gefunden zu haben, wenigstens spricht
Graf Götzen in Butembo nicht mehr von jenen auffallenden, schlanken
Gestalten, die für das ganze Zwischenseengebiet so ungemein charakteristisch
sind. Ethnographisch liegen noch mehrfach Berührungspunkte mit
den östlichen Völkern vor, wie aus der Form einiger Schmucksachen
hervorgeht. Dagegen ist alles übrige westafrikanisch: die Bogensehne
aus Rotang, das Holzgefäss mit dem aus dem Vollen geschnitzten
Stiel, schliesslich ein Paar mehrspitziger Wurfwaffen. Diese sind von
Graf Götzen als Speere zum Rattenfang bezeichnet und bestehen aus
einer ursprünglich etwas über meterlangen Raphiablattrippe als Schaft,
dem in einem Fall 2 mit je einem Widerhaken besetzte Eisenspitzen, im
andern 3 mit je 2 ausgeschnittenen Widerhaken versehene Holzspitzen
emgesteckt sind. Besonders die letztgenannte Waffe erinnert stark an die
dreispitzigen Fischpfeile der südlichen Zuflüsse des Congo.
In dem grossen centralafrikanischen Urwald hat der Reisende, wie dies bei
der gänzlichen Entvölkerung dieses Gebiets infolge der Araber- und Ma-
Uyemazüge zu erwarten war, nichts gefunden als ein paar gewebte, buntge-
musterte Stoffe aus Raphiablattstreifen, die in der Manyema-Ansiedlung des
Kaware-ware mitten im Urwald auf einheimischen Webstühlen gefertigt worden
Gnd. Sie gleichen auffallenderweise den Stoffen aus Kamerun aufs Genaueste.
Mit dem Betreten der Ufer des Congo hatte die Expedition ihre
Üorschungsmission erfüllt, reiste sie doch von da an unter Verhältnissen
Leiter, die regelmässige Dampferverbindung bis zu den Stanleyfällen auf-
wärts aufzuweisen haben. Dennoch rühren vom Mittellauf des Congo
üoch ein paar Stücke her, von denen besonders das eine von hohem Interesse
*st. Es ist dies eine Summe Geldes, dargestellt durch 10 offene Kupfer-
Gage, die an drei an ihrer Innenseite laufenden Holzstäbchen derart mit-
Gnander verschnürt sind, dass das Ganze ausserordentlich handlich und
^Unfalls zweckentsprechend ist. b. Weule.
Anthropologisches Stiftungsfest.
Seit dem Erscheinen des ersten Heftes (vom »Ethnologischen Notiz-
blatt«) hat die 25 jährige Stiftungsfeier der Gesellschaft für Anthropologie,
Ethnologie und Urgeschichte stattgehabt, worüber der anschliessende Bericht
in der Zeitschrift für Ethnologie veröffentlicht ist (Nov. 1894).
Die historische Verknüpfung der Anthropologischen Gesellschaften
Deutschlands mit den Internationalen Gesellschaften ist in der Festrede
bei der 25jährigen Stiftungsfeier von dem dieselbe als Vorsitzendem
leitenden Ehrenpräsidenten dargelegt, von demjenigen also, dessen that-
kräftigem Eingreifen dieser Erfolg, — wie alles, was weiter daraus für das
Vereinsleben gefolgt, — vornehmlich zu danken ist, in Geschichte der An-
thropologie und (Vorgeschichte der) Ethnologie, die am Stamm ihrer früher,
und (weil in fertig bestehender Fachdisciplin) vom Beginn ab (unter medizi-
nisch sachkundiger Hut) gesichert bereits begründeten Schwester sich empor-
gerankt hat; und ihres eigenen Besten wegen wohl thun wird, diese
innige Einigung zu bewahren, auch wenn für den Umfang ihrer Spezial-
arbeiten die so bezügliche Ablösung ermöglicht scheinen sollte (nachdem
für eigene Selbstständigkeit deren Lebensfähigkeit sich erprobt haben wird)-
Wie das rasche Gedeihen der anthropologischen Congresse aus dem
damaligen Zeitbedürfnisse hervorgerufen wurde, so schwebte gleichzeitig
Mancherlei sonst in der Luft, wodurch ethnologische Vorausahuungen
eingeatmet wurden, und bei den Colloquien im Kreise der sog. »Kleinen
Geographie« war (nach Begründung einer geographischen Sektion auf
der Naturforscher-Versammlung zu Breslau) unter den Mitgliedern der
hiesigen »Gesellschaft für Erdkunde« (bei damaligem Vorsitz) die Abzwei-
gung einer ethnologischen Filialgesellschaft zur Besprechung gekommen,
als im Jahre 1868/69 die Herausgabe der »Zeitschrift für Ethnologie«
in Überlegung genommen wurde.
Als indes das auf derNaturforscher-Versammlung zu Innsbruck erlassene
Programm mit Ausschlag gebender Entscheidung die Zeitfrage formuliert
hatte, geschah der Anschluss der in geographischen Kreisen dafür
Interessierten um so selbstverständlich naturgemässer, da an der Spitze
des Aufrufs neben dem künftigen Vater der deutschen Gesellschaft für
41
Anthropologie auch der Bibliothekar der Gesellschaft für Erdkunde genannt
stand (unter den bei der Entschlussfassung Anwesenden).
Nachdem eine Kommission niedergesetzt war zur Beratung der
Statuten (Virchow, Steinthal, Koner, Kiepert, Hartmann, Braun, Beyrich,
Bastian), fand dann die Konstitutions-Sitzung statt (Nov. 17) zur Wahl
des Vorstandes1); der die des Ausschusses folgte im Dezember (cf. Zeit-
schrift für Ethnologie, Bd. I, 1889, S. 400).
Die Monatssitzung (Dez. 11) wurde durch einen \ ortrag des Vor-
sitzenden eingeleitet und mit der Wiedergabe begannen dann die fortlaufen-
den Referate Bd. I, (S. 480).
Der rasche Aufschwung, den neben den anthropologisphen Studien (mit
ihrem Anschluss an die prähistorischen) auch die ethnologischen sogleich
gewannen, beweist ihre in die Zeitbedürfnisse eingeschlagene Wurzel,
wie sich bei einem Überblick der Neugeschichte ohnedem aus der Sach-
lage selber erklärt, unter den durch historische Entwickelung geschürzten
Konjunkturen.
Eine weltgeschichtlich kritische Epoche spitzt sich zu im Heute, am
»fin de siècle« ; am Ende unseres unter dem Abendschatten eines Ragnarökr
gleichsam umdämmerten Saeculum, da mit derartigem Auslauf der stets
durch die Gefahren eines Umsturzes bedrohte Übertritt aus einem Zeitalter,
das als vergangenes zurücksinkt, in das neue, aus der Zukunft Schoss
euiporsteigend, sich zu vollziehen hat.
Solches Schicksalsloos ist den »homines hujus aetatis« (in mitlebender
Generation) zugefallen, aus dem Abklingen ihres im tuskischen Sinne (als
Menschenalters) gefassten, »Saeculums«, das bei Erneuerung der »ludi saecu
Wes« (s.Festus) auf »centum annorum spatium« (saeculum habetur) berechnet
wurde, das aber für die Gegenwart seit der die Neuzeit herbeiführenden Doppel-
Revolution des Entdeckungsalters datiert, also etwa 3—4 Jahrhunderte.
Damals als der komparativen Forschungsmethode ihr Arbeitsmaterial
zusammenströmte, konnte zum ersten Male, so lange auf dem Planeten Tellus
die Bühne der Menschenwelt aufgeschlagen steht, praktischer Ernst gemacht
werden (beim Überblick des Globus) mit der von der Induktion angezeigten
Methode, im Unterschied von (oder im Gegensatz zu) der deduktiven Ver-
') Virchow, Bastian, Braun, Hartmann, Kunth, Voss, Deegen (cf. Z. f. B
Ber Vorsitz ist ein permanenter verblieben, indem nur um der statutarisch 3
ütäten wegen, wodurch nach drei Jahren ein Wechsel vorgeschiieben ist, die "V
seits angenommen wurde (in den Jahren 1873, 1876, 1880), und als, unter den amtlichen
Geschäftsbeziehungen zu der Gesellschaft (betreffs ihres Einzugs in das - 1 ’
Ausscheiden aus dem Vorstand bedingt war, trat Beyrich ein (1884), canü ei
ünd (Wie gegenwärtig) Waldeier (1892), während dazwischen Virchow, er f
Vorsitzende unserer Gesellschaft, fungierte (1869-1872, 1873 1 ,
1880—1883, 1885 -1887, 1889-1890, 1893-1895).
%
42
fahrungsweise, unter deren Maximen sich die Geschichtstragödie des
Kulturvolkes abzuspielen pflegt (innerhalb zugehörigen Orbis terrarum oder
seines Heimskringla).
Als (in Epakme kulturellen Wachstums) die höchste (aber schon
bald bereits die Symptome vergreisender Paraknie bekundende) Akme ihre
Blüten entfaltete (in der Klassicität), kam mit Plato’s dichotomischem
Urteil unabgeschwächt die Deduktion zum Ausspruch, mit den Reden
seines XoyoQ (an Stelle einer äm<pavGig), um durch kühn spekulative Flug-
versuche hinüberzuflüchten in idealistische Höhen des Jenseits (in die
durch der Dhyana Kunst erreichten Rupaloka, im Buddhagama).
Der Wunsch war Vater »to the thought« (oder der That), aber der
materielle Niederzug leider stärker, im Leid des Lebens, und so um dem
(roh und barsch seine Anerkennung fordernden) Sachverhalt Rechnung
zu tragen, gelangte Aristoteles auf die, mit Stolz als die seinige gerühmte,
Erfindung des Syllogismus — (jzap'i dk zoo aüTlojiCßaftai TtavreXcoc, oddev aus
Vorzeit der Sophoi oder Sophisten und Philosophen) —, und zwar diä rqc,
£7tay(oy^g, also kraft eines Vermittelungsversuches mit der Induktion, der
allerdings, weil damals zeitgemäss, sich lebenskräftig erwies, denn seine
Herrschaft (obwohl nach Cartesius’ Vorgang von Locke angezweifelt) hat
in der Hauptsache (abgesehen von der Controverse über die »Quantification
of the predicate«, unter dem Prioritätenstreit zwischen Bentham und Ha-
milton) fortgedauert bis zum heutigen Tag, da unter den von dorther ent-
nommenen Diktaten, aus den Schuljahren der Jugend, zum Weben und
Wirken in der sozial umgebenden Atmosphäre, wdr alle noch erzogen
sind, die gemeinsam miteinander durchlebt haben, wie diese seitdem durch
den Zeitgenius (das »saeculi ingenium«) iuduktiv durchhaucht worden ist
und so für ihre psychischen Bedürfnisse materieller gesättigt psychische
Speisung verlangt, (als durch meta-physisches Luftgebäck).
Und daher nun also die Konflikte einer als zerrissen empfundenen
Weltanschauung (»doppelter Buchführung«). Keine Halbheit kann nützen,
im Schwanken zwischen Fisch und Fleisch, am wenigsten bei Durchein'
anderrechnen zweier Methoden, die, diametral entgegengesetzt, sich Wechsels-
weis aufheben in allen Denkoperationen, die eine addierend, die andere
subtrahierend (progressiv und regressiv), obwohl sie anderseits grade des-
halb wieder tr elf liehst sich geeignet zeigen, um miteinander prüfende Kontrolle
zu üben, wenn, getrennt marschierend, es vereint zu schlagen gilt, unter
Abschluss des (in den Xenien noch als zu früh erachteten) »Bündniss«
zwischen Idealisten und Realisten, im Humanismus, (wie bei der »Erziehung
des Menschengeschlechts«) zu pflegen. Und deshalb: klar deutliche
Scheidung fortab (für »die Restauratio magna«, die bevorsteht), da mit Aü'
schloss der ethno-noetischen Psychologie an die Reihe der übrigen Natur-
43
Wissenschaften Garantie gewährleistet ist gegen jene Verluste, die durch
Materialistische Versumpfung temporär gefürchtet waren, von den übersinnlich
Verfeinerten (oder, bei Masshalten in der Reinzüchtung, rationellerweis Ver-
ödelten).
Perfekt geworden auf pythagoräischer Rechentafel, durch Übung an
'len Elementar-Unterlagen, wie durch die Wildstämme geboten, wird [in
die geistige Sphäre (oder Atmosphäre) der Kulturvölker übertretend] das
logische Rechnen jetzt bald zur Erfindung einer »höheren Analysis« (für
Üemeisterung der Variationen und Fluxionen, im Infinitesimalcalcul) ge-
langt sein, um auch den schwärmerisch ausschweifendsten Sehnungen gerecht
2u werden, und sie nach hygienisch erprobten Grundsätzen aufzufüttern,
(gesundheitlich normal).
In der vorläufig verbleibenden Zwischenzeit eines, seine kritische Ent-
scheidung annähernden, Übergangszustandes wird es nun freilich ohne
Konflikte und Kontroversen schwerlich abgehen können. Davon gellen die
Ohren, von den Schlagworten anarchistischer Gedankenvertakelung, die
Je wilder hin- und herfahrend, im heiss erbitterten Streit der Parteien,
desto wirriger zu jenem Knäuel sich hineinverstricken, das dem an Lösung
des gordisch geschürzten Knotens verzweifelnden Pessimisten zum Hänge-
sfrick dienen kann (für seine »Verneinung des Lebens«).
Im Vertrauen indess auf unseres Kosmos harmonische Gesetze darf an
dem Hoffnungsanker festgehalten werden, dass es schliesslich so schlimm nicht
(und vielmehr besser) werden wird, in der Fülle der Zeit, die, nach dem
beschleunigten Tempo der Elektrizität und Dampfkraft rasch heran-
reifend (im internationalen Verkehr), allüberall in fröhlichen Knospen aus-
schlägt auf ethno-anthropologischem Arbeitsfeld, so dass bald die Ernte
fertig stehen wird, in voller Üracht (mit Annäherung des Reifezustandes
für den Krystallisationspunkt).
Auch anbetreffs solch ethno-anthropologischer Forschung erheischt
Momentan eine trennende Streitfrage ihre Erledigung über die richtige
Kehandlungsweise, welche wir dem »genus humanum« anzugedeihen lassen
üaben werden, um, seit seiner Umschau durch Raum und Zeit, das in der lerne
Erschaute durch Überführung in deutliche Anschauungsbilder bekannt
machen (und im Besitzstand des Wissens zu inventarisieren), um also an
Schliessend sodann aus der Menschheit Bild auf den Menschen zu kommen
(wie er selber sich versteht).
Es handelt sich dabei zugleich um das, was über »Einteilungsweisen« in
Polemischer Fehde umstritten wird, von schlagfertigen Kämpen in feind
Kch gegenüberstehenden Lagern, ohne dass jedoch vorher die nächst
liegende Vorfrage eines »Cui bono« in Betracht gezogen zu sein scheint
(flnbetrachts einer Einteilung überhaupt).
44
Sobald, durch Ausspruch fachmännischer Autorität, die (wie physische,
auch psychische) Gleichartigkeit des Menschengeschlechts einheitlich fest-
gestellt ist, als durchgängig gültig anerkanntes Dogma, kann von einer
Einteilung nicht wohl mehr die Rede sein. Die Eins, qua Eins, wenn
als logischer Ansatzpunkt konstituiert, lässt sich nicht wieder ein-teilen
(weil sonst in Negation sich selbst annullierend), obwohl in Bruch-
stücken zerteilbar, wie tautologisch schon besagt, durch den Lehrsatz der
Identität, so oft das Ganze seinen Teilen gleichgesetzt wird. Der An-
thropologie, als zu naturgeschichtlicher Mitarbeit berufen, waren ihre Ein-
teilungspläne nahe gelegt durch Hinblick auf Pflanzen- und Thierreich,
wo indes die Analogie auf die Species oder Art führen würde, und wenn
die Botanik auf schwankende Varietäten, und die Zoologie z. B. in ihrer
Klassifikation aus den Felidae auf Felis leo gelangt ist, hört weitere Ein-
teilung damit auf, im Zurücktreten vor lokalen Schlägen (im landwirt-
schaftlichen Sinne), zur Konstatierung ^tatsächlichen Sachverhalts (für
die Umzeichnung geographischer Provinzen).
Wie immer die Species sich mit ihrem Genus oder den Variationen, je
nach der Fassung, abfinden mag, bleibt der unter den hinzugetretenen
Transmutationen wandelnden Betrachtungsweise vorläufig noch überlassen.
Immerhin darf jedoch der Kampf zwischen Polygenie und Monogenie
für die letztere als entschieden gelten, seit jenem blutigen Bürgerkrieg,
in welchem, eines blutsverwandtschaftlichen Prinzipes wegen, viel Blut
geflossen ist.
Der Wildling, seinem endemischen Boden (mythologisch) entsprossen,
ist sich selbst der Mensch (wie meist im Stammesnamen schon ausgedrückt),
und was als Alienigena eines befremdlich fremden Feindes unter Wald-
teufeln und Nichtmenschen (oder Amanut), in mehrweniger menschenähn-
licher Gestalt, in der Nachbarschaft haust und dort umherspukt, er-
hält keine Gleichberechtigung, sowenig wie (in gleich schroffer Versagung)
das Barbarentum im hellenischen Selbstgefühl, und den aus (Zipangu’s)
Indiern missverstandenen Indianern musste das Patent einer »gente de
razon« durch infallibles Decret erst ausgestellt werden, obwohl sie auch
dann noch der Ehrenrechte entkleidet blieben — vom Inquisitionsgericht
gerichtet zu werden — ohne Aussicht also auf aktiv persönliche Mitwirkung
am Pomp eines Auto-da-fe, um seiner Illumination (im Holocaust) Ver-
brennungsstoff zu liefern (in »gloriam domini«).
Zu erster Einteilung boten sich die den Augen auftreffenden Färbun-
gen, im Augenschein des weissen Menschen, bei Hinblick auf den schwarzen,
seinen hamitisch verstossenen Bruder, dem allmählich allerlei Gevatter
(in Vetterschaft) sich anhängten, rot, braun, gelb (und nach den Detaillie'
rungen der Farbenskala weiter). Im Grunde war hiermit dem Einteilen
45
üicht viel geholfen, ausser zum objektiven Referieren des Thatbestan-
ües (da der kausale Einblick in die Wirkungsweise des Milieu noch
entfiel).
Was mit Haaren (lockend verlockend) sich lockt und kräuselt (unter
ülotrichen) oder schlicht verbleibt (bei Lissotrichen), wäre durch histolo-
gische Mitwirkung zu schlichten, und wenn die rhinale Protuberanz (im
iJndex nasalis“) zum principium divisionis gewählt werden sollte, hätte
(unter Lang- und Kurznasigen) die Ästhetik sich zugleich mit den in
ihrer Blütezeit gefeierten Stumpfnasigen abzufinden (für naseweise Fragen).
Auf substantiell unterbreitetes Arbeitsmaterial dagegen basiert die
kraniologische Einteilung, die providentiell gewissermaassen bei der unter
den Skelettstücken gebotenen Auswahl die cerebrale Bedachung bevorzugt,
iu den [seit den Decaden (1790) Ende vorigen Jahrhunderts] gemehrten
^iusterwerken, und deren aus vollberufener Meisterhand dem Aufbau einge-
iügten Ecksteinen (in steter Mehrung noch begriffen).
Und daneben begann nun die Linguistik zu reden, mit einer aus
Philologischer Quelle geschöpften Gelehrsamkeit, unter stetiger Erweiterung
durch polyglottisch verschiedene Zungen, denen dann die Theorien leicht
auf der Lippe lagen (zum Anschmiegen der Hypothesen an verändernden
Thatbestand).
Durch diese beiden Einteilungsweisen, die kraniologische und lin-
guistische sind (zumal iu gegenseitiger Ergänzung miteinander) vornehm-
hch zuverlässige Resultate beschafft bei dem, was zur Vorfrage steht in
Anthropologie und Ethnologie, den aus gemeinsamer Wurzel hervorge-
sprossten Stammesstützen, worauf ein neuer Forschungszweig in der »Lehre
v°№ Menschen« sich zu entfalten hat.
Allerdings kommt dafür jedoch zunächst in Überlegung, wie und wo die
Verwendung in Arbeitsteilung miteinander Platz zu greifen hat. Mit wert-
v°Usten Keimanlagen für Bereicherung des Wissensschatzes geschwängert,
auf topographischem Terrain dafür geschürft wird, müssten Theorien,
wenn zu Spekulationen über Entstehung des Menschengeschlechtes ver-
flüchtigt (in den von Bacon schon abgewiesenen Finalfragen) eher sich
hinderlich erweisen, sofern in vorschnellen Satzungen, aus temporären
flinteilungsmethoden, trennende Schranken zwischen schiebend, die bei
fortgemehrter Kenntnis des Sachverhalts dann erst wieder wegzuräumen
'vären, um objektiv freie Umschau nicht zu beeinträchtigen.
Wenn auf amerikanischer Insel (Hayti und San Domingo benannt,
heimischen oder ausländischen Tonfall) eine afrikanische Bevölkeiun0
^er> Jargon europäischer Sprachen redet, oder der Anglo-Sachse die
Seine auf Britanniens keltischem Boden, mit gallisch-französisch-noimannisch
^manischer Zuthat, bleibt die Entscheidung, wohin zuerst zu lauschen, eine
46
(für allgemeine Übersicht) derartig intricate, um die Verschiebung auf
monographische Spezialstudien vorziehbar zu empfehlen.
Als in die von Blumenbach entworfenen Allgemeinumrisse der Kranio-
logie unter Mehrung des Materials, zu schärferer Detaillierung desselben,
die Komplikationen nach Retzius1 System hineingetragen wurden, kam
allzu offenkundig das Disparateste durcheinander, als dass unter sobezüg-
licher Inkongruenz an eine Verwendung zum Einteilungsprinzip gedacht
werden konnte, da ohne irgend praktischen Nutzen, um die Ansichten
über die Verteilung des Menschengeschlechts zu klären, vielmehr Ver-
wirrung angestiftet worden wäre (durch Verschiebung der richtigen
Perspektiven).
Ahnlicherweise könnte man, wie hier die körperliche Einbehausung,
was von bewohnlicher bekannt geworden, in Hausmodellen zusammen-
stellen, etwa vierekigen, rechteckigen, rundlichen u. dergl. m., wie in
mehrweniger entsprechenden Formen aus allen Kontinenten bekannt, und
wenn für die Geschichte der Architektonik vergleichungsfähiges Arbeits-
material allenfalls daraus zu entnehmen wäre, bleibt es dembezüglich zur
Verfügung gestellt. Für ethnographische Völkerverwandtschaft dagegen ge-
winnen die Studien über den Hausbau ihre (ergebnisreichst erwiesene)
Bedeutung erst dann, wenn sie in den Grenzscheidungen zwischen
schwäbischen, fränkischen und baierischen Hausbau etc. auf dortige Be-
rührungspunkte kommen, und auf die topischen Bodenverhältnisse, die
dafür unter (klimatisch) geographischen Bedingnissen (mit Rückblick auf
die, gleichzeitig, geschichtlich eingeleiteten Verschiebungen) zur Aus-
wirkung gelangt sind, so dass hier wiederum die Gesichtspunkte der
geographischen Provinzen (innerhalb der in historischer Umgebung
schwankenden Peripherielinien des Horizontes) als ausschlaggebende reden, um
(mit zunehmender Erhellung) die den Fragestellungen bedürftigen Antworten
zu gewinnen (und also den Wissensschatz durch positive Bereicherungen
zu mehren). Und so sind die Meisterwerke kraniologischer Fachdisziplin
aus Benutzung des auf deutlich umschriebenem Areal vorliegenden Materiales
ans Licht getreten (um all die Lichtblicke zu verbreiten, die ihnen zu
danken sind).
Bei Begründung auf der Unterlage der geographischen Provinzen
ist der ethnologische Studienplan auf einen unerschütterlich gefestigten
Boden gestellt, da in Entgegennahme des vorhanden Gegebenen natur-
wissenschaftliche Erscheinungen aufgedrängt sind, wie sie sich bieten, und
anders überhaupt nicht sein können (der Sachlage nach).
Obwohl aus dem Weben der Gehirnfäden manch verführerische (und
bei verständiger Masseinhaltung oft temporär ganz annehmliche) Theorie
der HjTpothesen sich hervorspinnen lässt, bleibt dies doch stets ein
47
schwach gebrechliches Menschenwerk nur, woran beständig geflickt und aus-
gebessert werden muss, um mit dem Fortschritt der Kenntnisse (bei deren
steter Vermehrung, unter Erweiterung der Umschau oder Vertiefung des
Einblicks) Schritt zu halten (und die neu zutretenden Thatsachen zwi-
schenzufügen, wo sie, vermutungsweise, provisorisch hineinzupassen hätten).
In demjenigen dagegen, was die geographischen Provinzen lehren,
reden die immanenten Naturgesetze selber, und die dadurch gewährten
Resultate sind somit als gesichertes Erb- und Vererbungsgut (zur dokumen-
tarischen Geschichte des Menschengeschlechts) zu betrachten, sobald für
die Ablesung des Index [an der Phämonenologie (und Phänologie) des
üfganimus] in wandelnden Metamorphosen ein richtig berichtigter Kanon
gefunden ist.
Vorderhand (wo zur Durchforschung dieses Arbeitsfeldes die Ein-
taittsschwelle kaum erst erreicht ist) steht nur gar Weniges zuverlässig
schon fest, wie unbedenklichst eingestanden werden kann, ohne Vertuschung
lrgendwie, in vollster Bereitwilligkeit, gerade weil (und indem) beständig
die Möglichkeit der Rektifikationen offenbleibt, bei kontrollierender Über-
wachung, die in letztgültigen Endergebnissen nicht täuschen kann, bei
Rückführung eben auf naturgesetzliche Grundlagen, bei denen es sich für
^chlussprüfung nicht um ein Meinen und Scheinen (in Doxilogien) handelt,
sondern um einfaches Ja oder Nein, im jedesmalig konkreten Falle der
Beweisführung (auf Apodeixis hin). Und nachdem dann sämtliche Separat-
^ ota abgegeben sind, zieht sich das Fazit von selbst (für die, in ihrer
Beherrschung, Anerkennung erzwingende Gesetzlichkeit).
Zunächst, als unerlässlich evidente Vorbedingung (wie oftmals
erwähnt) benötigen sich ausreichend erschöpfende Parallel-lveihen, die geo-
öleteorologischen (wie von einem über den Globus ausgespannten Stationen-
Eetz zu liefern) und die korrespondierend organischen aus den Berichter-
stattungen phytologischer, zoologischer und anthropologischer Experimental-
Beobachtungen, damit auf der Basis solcher Gleichungsformeln das logische
Rechnen sich befähigt fühlen darf, seine Operationen zu beginnen, im
Vertrauen auf die Richtigkeit rationeller Proportionen (um demgemäss
(Re Korrektheit der Resultanten verbürgen zu können).
Der Weg ist weit zum fern gesteckten Ziel. Doch was kommt es
^tarauf an, bei einer Kulturarbeit der Menschheit, zur Errichtung ihres
Universell umwölbenden Doms, woran die kommenden Generationen fort
zübauen haben.
Nicht mehr (wie bei Herrnas’ Abrundung des Beobachtungsfeldes)
finden wir ängstlich uns pressiert durch chiliastisch kurze U1 ist, (in »an
^Ustiae temporis«), denn vor uns (bei Unendlichkeit des Alls) öffnen sich die
Ewigkeiten uns, bei traiiscendentem Übertritt in die Naturgesetzlichkeiten
48
eines (nicht mehr Wider-, sondern) Über-Natürlichen, von dem es tönt,
aus des Kosmos harmonischen Gesetzen. Und auch wenn wir (vorsichtig)
vorläufig noch auf demjenigen Boden verbleiben, der in materialistischer
Unzerstörbarkeit des Stoffes gebreitet liegt (unter Erhaltung der Kraft),
ist uns in der sachkundig garantierten Entropie ein ganz hübsches
Stückchen Zeit zur Verfügung gestellt, innerhalb welcher sich wohl
mancherlei Erkleckliches wird zu Stande bringen lassen.
Für die empirische Psychologie (psychologischer Handbücher) gilt
als einzig unmittelbare Quelle die Selbstbeobachtung, da schon die Beob-
achtung Anderer einer Deutung aus dem bedürfte, was der Beobachter
an sich selber wahrgenommen, und Hirn quäl ereien darüber führen dann
leicht zu »Kopfverwirrung« (des kritischen Reformers), oder zur Mystik
in pietischen Conventikeln sowohl, wie in theosophischen »Cercles«, wenn
nicht (ausserdem noch) zum Gescliwärm (und Gewürm) des schmutzstarren-
den Asketen, in dessen erschwärmter Welt viel Ungeziefer krabbelt (aus
embryononalem Denkverknäuel).
Immerhin mag die Selbstbeobachtung der Psychologie (bei richtiger
Schulung im logischen Rechnen) als ihre »Hauptquelle« zugestanden werden,
aber nicht um aus ihr berauschenden Trank zu schlürfen, sondern um
sie für fruchtbringende Berieselung der Arbeitsfelder nutzbar zu machen,
auf denen (neben der Individualpsychologie) die objektiv (ethnisch und
ethisch) angepflanzten Anschauungsbilder zu pflegen sind (auf Sphäre einer
Gesellschaftsschichtung).
Bei genau detaillierten Verhältniswerten zwischen Reizen und An-
lagen (s. Beneke) wird Kant’s schroffe Abweisung der »rationalen Psycho-
logie« eine Milderung erhalten können, aus dem »mechanischen« Wachstum
(in Herbarts Schule), wenn organisch entfaltet (mit kosmischer Gesetz-
lichkeit).
»Die Psychologie bildet, als Physik der Seele, einen Gegensatz mit der
Logik und Ethik« s. Harms), und als die Psychologie zur Metaphysik
geworden, rüttelte der Skeptizismus auf (aus dogmatischem Traum), aber
aus Hegel’s Evolutionslehre (im absoluten Werden) könnte die »Phänomeno-
logie des Geistes« fortgelten, wenn materialistisch gesättigt (aus den
Thatsachen ethnischer Materialbeschaffungen).
Ein jedes Kulturvolk erzählt (in zugehöriger Weltgeschichte) die, unter
schwankendem Orbis terrarum erweiterte, Volksgeschichte periodenweiser
Epochen: die der Chinesen nach dem Wechsel der Dynastien, die unsrige
nach Altertum, Mittelalter, neue und neueste Zeit, aber die Geschichte
der Menschheit kennt nur Eine Teilung, die zwischen Sein und Nichtsein
(sozusagen), oder die Periode ihres Verborgenseins (in Krypsis) und die
des Hervortretens, in die Möglichkeit der Existenz.
Dieser Trennungsstrich fällt für westliche Chronologie in das Ent-
deckuugsalter, in die Epoche jener die Welt (-Auffassung) umgestaltenden
Doppelrevolution, einer astronomischen und geographischen, während welcher
der Globus umsegelt wurde, uud so die erste Vorbedingung (betreffs einer
Kenntnis des Menschengeschlechts) erfüllt war, nämlich die unterliegende
Basis zu gewinnen, für eine Gesamtüberschau des vorhanden gegebenen
Daseienden.
Hiermit wurde, durch die aus allen Kardinalpunkten imgleichschallenden
Echo wiederhallenden Ähnlichkeiten (in Analogie), der Grund zu den Natur-
wissenschaften gelegt, kraft der aus Vergleichungen (komparativ-genetisch)
aufbauenden Methode der Induktion, zum Unterschied von der Deduktion,
®ait welcher die Geschichte jedes Kulturvolkes beginnt, weil eben dann erst,
Wenn die, in träumerisch dahingeflossener Nacht der Kindheit fertig
gestellten, Ideale genügende Stärke erlangt haben, um durch ihren Reiz
zu erwecken und zur Zerlegung des intuitiv Geschauten anzuregen.
Andererseits setzt die induktive Methode au von den im elementar Ein-
fachsten deutlich klargestellten Anschauungen aus, und schreitet nun voran,
(mit der, in Minima gesetzten, Eins des Anfangs), um nach atomistischer
Theorie (der Chemie) aus (mineralogisch vorliegendem) Stoff (und darin
wirkenden Kräften, der Physik) zu Zellen (als Elementar-atom oder Molekül
organischer Ausentwicklung) zu gelangen, wie in der Biologie für Botanik
uud Zoologie — oder (und ebenso) in der, beide sodann gemeinsam durch-
dringenden, Physiologie, —zu naturwissenschaftlicher Ausgestaltung gebracht.
So war induktiv vorgesorgt, für Steine, Pflanzen und Tiere, sowie für
den Menschen im (physisch-physiologisch) somatischen Anschluss (des
anthropologischen Individuums als psycho-physischen), während seine
geistige Hälfte der, aus metaphysischen Regionen deducierenden, Philo-
sophie überlassen blieb, sowie was sprachlich redete (auf gesellschaftlicher
Schichtung des Zoon politikon) der (philologisch) historischen Disziplin
(soweit in eine Kulturgeschichte hinübergreifend).
Nach vorandeutlichender Namenstaufe (durch Gasmann und Hunt)
kam die (im philosophischen Systeme nebensächlich beiseit gestellte) An-
thropologie zu selbständig erster Begründung mit den, auf angesammeltem
Ärbeitsmaterial kraniologischer Unterlagen, basierenden Messungen, also im
somatischen Zusammenhang mit (vergleichender) Anatomie, unter Er
Weiterung des (einheimisch umgriffenen) Menschen über seine Variationen in
den Rassen (wie sie bei Durchfahrung der verschiedenen Zonen des Erdballes
a11 mäh lieh zur Kenntnis gelangt waren).
Gleichzeitig (und aus gleicher Veranlassung) machte sich dieBezeichnung
Ethnographie (oderEthnologie) hörbar, um der als »universale« umbenannten
^clt-Geschichte eine geographische Ergänzung zu gewähren, füi das, was
M. f. y. 4
50
über die (von dem Perihelium bisherigen Orbis terrarum umschlossene)
Sehweite hinweg, undeutlich noch schwankte, oder (im Darüberhinaus) nah
solcher Undeutlichkeit sporadisch die Weiten des Erdballs zu durch"
schwanken begann; in Menschenähnlichkeit mehrweniger oder (besten
Falls doch) in untergeordneten Abstufungen des Barbarentums.
Von diesem, synchronistisch ungefähr geborenen, Zwillingspaar schlug
die Anthropologie rasch und kräftig eine feste Wurzel ein, in der medi-
zinischen Fachdisziplin (unter deren sachkundiger Pflege), während die
Ethnographie heimatlos umherirrte, aber nun deshalb auch grade (weil
nicht fachwissenschaftlich monopolisiert) bei dem allgemeingebildeten
Publikum (in Liebhaberei der Amateure) hier und da Aufnahme finden konnte
(zumal unter Rousseau’s paradiesischer Bewandung), so dass die Begrün-
dung ethnologischer Gelehrten- (oder Dilettanten-) gesellschaften der der
anthropologischen voranging, in Frankreich sowohl, wie in England (1843)*
Die Ethnographie übte ihre besondere Anziehung auf den Laien deshalb
schon aus, weil sie in den (damals freilich unter dem Raritätenkram
der Kuriositäten verbleibenden) Mitteilungen über Sitten uud Gebräuche
bei fremdartigen Völkern allerlei und bunterlei, (im Phantasiegespiel
mancherlei), zu denken gab (über das, was später in der Ethnologie seinen
exakter formulierten Ausdruck finden sollte).
Im Übrigen war der Tag für die Ethnologie noch nicht gekommen,
schon wegen Mangels an ausgiebig genügendem Material, wie den übrigen
Naturwissenschaften sonst, in den Sammlungen ihrer Museen geboten, vorlag*
Und ohnedies traten ihre (halbdilettantischen) Vereinsgesellschaften in den
Schatten zurück, als die der Anthropologie (durch den Zutritt prähisto-
rischer Entdeckungen verstärkt) mit hellleuchtendem Glanze emporstiegen
(zunächst in der »Société d’anthropologie«, unter Broca’s Leitung).
Was hier in weittragenden Resultaten erlangt war, proklamierte die
Triumphe der Induktion (im ununterbrochenen Erobernngszug von einer
naturwissenschaftlichen Disziplin zur andern), ihren siegreich bestandenen
Kampf um die Physiologie (Mitte des laufenden Jahrhunderts) und den
glorreich sogleich gelungenen Vorstoss auf das psychologische Gebiet
(durch Annektierung der Psycho-Physik). Die bisher vorwiegend somatische
Anthropologie erhielt dadurch ihre spirituelle Erweiterung des Horizontes
(für das Individuum), und indem die prähistoristorischen Funde (untei'
Niederstieg in geologische Vorschichtungen) gemeldet wurden, hatten die
(in Ossificationen oder Petrefakten) mitgefundenen Knochen an das koi»'
petente Urteil der Anthropologen zu appellieren, und die Entscheidungen
derselben beanspruchten ein allgemein weiteres Interesse vornehmlich,
soweit die »historische Anthropologie« (s. R. Wagner) betreffend, für die
(mit, und in dem Altertum, aus solchen Reliquien) nachweisbaren Volke1"
51
Verwandtschaften. So gewann die Anthropologie in stetiger Mehrung ihrer
Jünger an Popularität auf den Versammlungen, die sich um die »Congres
d’anthropologie et d’archeologie prehistorique« gruppierten.
Dies war die Sachlage im soweitigen Status-quo, der eine »doppelte
Buchführung« verlangte, innerhalb einer Weltanschauung, die um so
vitaler als zerrissene (oder doch gespaltene) zur Empfindung kam, nach-
dem von einer mit klarem Blick in das Walten der Naturkräfte hinein-
blickenden Autorität das Wort vom »naturwissenschaftlichen Zeitalter«
ausgesprochen worden war.
Ein zündend treffendes Schlag wort, mit sympathisch weitem Wieder-
ball durch die Welt der Gebildeten (der Kernmasse im Stamm der
Civilisation, nach dem Durchschnittsmasse
Der grossartige Bau der Naturwissenschaften stand fertig, unzerstörbar
Uleinander gefügt durch die gesamte materielle Natur hindurch, bis an die
Grenzmarken des Immateriellen, und auch dariuhinein lagen die Fühl-
fäden bereits ausgestreckt, mit psychophysischen Experimentalversuchen
umh ertastend.
Manches stimmte melodisch zusammen; anderes freilich nicht. Indes
durch die Erfolge eines drei Jahrhunderte hindurch unwiderstehlich fort-
geführten Feldzuges entschuldbar berauscht, fanden enthusiastisch an-
gelegte Heisssporne sich angestachelt, weiter vorzudringen, in das psychische
Terrain hinein, um vielleicht die ganze Psychologie mit einem kühnen
Handstreich hinzuzunehmen, und so das »naturwissenschaftliche Zeitalter«
zUm naturgemässen Abschluss zu bringen, nachdem unter den auf mate-
rieller Hälfte der Natur vollzogenen Eroberungen jetzt auch die imma-
terielle hinzu annektiert sein sollte.
Hier nun stiess der Materialismus auf entschieden eingelegten Protest.
Hie im mehrtausendjährigen Weisheitssinnen weislich ergraute Philosophie
trat in geschlossener Phalanx entgegen, mit der ganzen Wucht ihrer
^0gischen Argumente, unter deren Keulenhieben diejenigen des Materialis-
mus, der sich in diesem Falle hatte verführen lassen, die seinigen gleich-
falls, aus windigen (oder winzigen) Gedankenfäden zu weben, in Wind
1111 d Spreu zerstäuben mussten.
Die bedauerlicherweise erlittene Niederlage bleibt nicht zu ändern,
Erweist sich indes als selbstverschuldete, weil die Naturforschung gegen
*br heiligstes Grundprinzip (das eigentliche Geheimnis ihres Erfolges)
Jamals versto ss en hatte; gegen den Lehrsatz nämlich: niemals, im schritt
"mis bedächtigen Vorgehen, den festen Boden der Thatsaclien, wie von der
Hbysis selber im physisch materiellen Hypokeimenon gebreitet, unter den
Müssen zu verlieren, niemals also einen transcendentierenden Schritt
J^Über hinaus zu wagen (in meta-physisch blaue Luft hinein), sondern
52
wenn (sofern und sobald), mit Verlängerung der Vorschau, klar umrahmte
Anschauungsbilder, an denen (als festem Anhalt) sich messen und zählen
lässt, der deutlichen Sehweite (unter verschwimmender Auflösung ihrer Um-
risse) zu entschwinden beginnen, dann nun eben vorläufig Halt zu machen,
bis etwa die genügenden Verbesserungen an den Präzisions-Instrumenten
erfunden sein würden, um fernere Experimentalversuche zu rechtfertigen
(oder vor Allem zunächst das Abeitsmaterial selber genügend angesammelt
sei). Sobald die Naturforschung, mit nüchterner Besinnung, aus solcher
Apostasie zu ihrem angestammten Grundsatz zurückgekehrt ist, wird der
Sieg, wie stets, (früher und immer), an ihre Fahnen gefesselt bleiben.
Der Kern der Kontroverse, in dem zwischen naturwissenschaftlichen
und historisch - philosophischen Disziplinen (zwischen realen und idea-
listischen) umstrittenen Objekt, lag offen zu Tage, in der (zweifelnd umher-
geworfenen) Frage um die »Psychologie als Naturwissenschaft«.
Darum nun eben hätte es sich zu handeln, ob, nachdem die gesamte
Natur, welche ihre charakteristische Definition als materialistische zu-
erteilt erhalten hatte, ob, (nachdem sie naturwissenschaftlich exploriert
und in Besitz genommen war), jetzt auch die (in dem ihr zugewiesenen
Gebiete des Immateriellen darüber schwebende) Psychologie nach gleich
naturwissenschaftlicher Methode würde in Behandlung genommen werden
können; und da in solchem Sinne nicht die, in Mehrzahl philosophischer
Systeme ihrer logischen Rubrik angegliederte, Psychologie gemeint war
[auch nicht die sensualistisch beschränkte, die mit den Vervollkommnungen
der Nervenphysiologie (seit Bell) psycho-physisch eben abgethan warjt
sondern vielmehr die in den Identitätsphilosophien (des Real-Idealismus
oder Ideal-Realismus) das metaphysische Gesamtgebiet vertretende Psycho-
logie, und somit die ganze Philosophie (mit Haut und Haar): Alles
demnach, was philosophischer Hut noch reserviert und überwiesen ge-
blieben war (da zur vollen Abrundung des »naturwissenschaftlichen Zeit-
alters« seine Aspirationen bis zu den äussersten Grenzen der durch Wissens-
thätigkeit erschöpfbaren Möglichkeiten fortzuschweifen hatten) —, so würde
also, mit naturwissenschaftlicher Proklamierung der Psychologie, der ent-
scheidende Schlag gefallen sein, und der Weltanschauung eines solch »natur-
wissenschaftlichen Zeitalters«, in monistischer Einheit (oder Einfachheit^
ihr Abschluss sich hergestellt haben. Freilich würde damit dann auch
in unabweislicher Konsequenz eine durchgreifende Änderung der mit'
redenden Nomenklatur zugelassen werden müssen. Indem nämlich die
Naturwissenschaft — im Wissen von der [auf kosmischem Standpunkt
auch das vom Widernatürlichen (in Leibniz’ Definition) abgeschiedene
Übernatürliche hinzunehmenden] Natur — neben der soweit mate-
rialistischen Klassifikation (wie für Arbeitsteilungen erforderlich), auch eine
53
unmaterielle Rubrik zugefügt erhalten hätte, so würde der deuibezüglich
einbegriffenen die philosophische Namensbezeichnung wiederum zu vin-
dicieren gewesen sein, um als spezifisch typische Fachwissenschaft die Reihe
derjenigen, welche sich [in den Konklaven der Chemie, Physik, Minera-
logie und Geologie (mit Palaeoutologie), sowie biologischen (in den Unter-
abteilungen der Botanik und Zoologie) mit deren (auch anthropologisch
bis an die Grenzmarken der Psycho-Physik) gütigen Physiologie um-
schlossen] durch die Gesamtdehnung des Materialismus hindurch erstreckten,
als letztes Endglied abzuschliessen, auf dem, bis auf das Abstrakte hinaus
(unter Ausverlauf der, in relativen Proportionen balancierten, Gleichungs-
formeln) entschwindenden, Areal des rein Psychischen xax (oder
Poetischen, wenn man so will).
Das, wie gesagt, war (oder ist) die Zeit- und Streitfrage, und sie
kommt ohne viel Umschweife (klipp und klar) auf die kurze Frage-
stellung hinaus, ob die für die Naturwissenschaften charakteristische (und
io ihren Erfolgen bewährte) Methode der Induktion, auch in der
Philosophie (mittelst ihres psychologischen Handwerkszeuges) als mass-
gebende Grund-Maxime, zur Verwendung gebracht werden könnte.
Dass die (im synthetischen Aufbau) addierende Induktion stets, (ihrer
eigenen Kontrolle wegen), der in (Substraktionen) zerlegend analysierenden
Deduktion nicht entrateli kann (auf dem Sdòg uveo xai xáxeo, progressiv
Und regressiv) bedarf keiner Bemerkung (bei logischer Schulung). Der
iu Spezifikation markierend charakteristische, (bei oberflächlicher Anschau
einen Gegensatz oftmals simulierende) Unterschied fällt in den Ausgangs-
punkt, ob von den Minima (im einfachst durchsichtig Elementaren) ge-
uommen, oder vom bereits Komplizierten (in Maxima), und sofern also
uueh in der Psychologie die Induktion zur methodischen Anwendung ge-
bracht werden könnte; dann würde sie als den Naturwissenschaften ein-
gegliedert, gleich bewandet mit den übrigen und ihnen (als naturwissen-
schaftliche Fachdisziplin) angehörig zu betrachten sein, obwohl ihren
Porschungsfeldern nach, zur Bearbeitung derselben, einer Sonder-Disziplin
ubergeben, die sich (nach wie vor) als philosophische bezeichnen Hesse,
(oder etwa nur als psychologische, qua solcher, je nach Entscheidung der
^urin Besserwissenden).
Dass von der Philosophie die hier zur Überlegung gelangende Iiage
sich selber bereits gestellt war, ist aus den Geschiehts- (und Hand )
PGehern derselben jedermänniglicli bekannt, aus Herbarts Schule (die den
^ulass gab zu dem, was in den verdienstlichen Bestrebungen der Völkei
Psychologie erreicht werden sollte), aus Fries und Apelts Anthropologie (.m
P°stüm des Philosophenmantels) sodann, und aus den in Namensgleichheit
Kreits übereinstimmenden Publikationen Beneke’s und Waitz’s (die »Psycho-
logie als Naturwissenschaft«).
54 —
Warum diese wohlgemeinten (und mit Scharfsinn durchgeführten) Ver-
suche scheitern mussten, liegt auf der Hand, aus der ungenügenden Menge
thatsächlich verfügbaren Materials [ohne welches die (aus Vergleichungen
aufbauende) Induktion selbstverständlich lahm gelegt ist]; denn die aus
Kinder- und Tierseele, und pathologischen Erscheinungen im Irrsinn (oder
in sonst nervösen Störungen) gebotenen Variationen des normal Psychischen
reichten nicht aus, eine rein nivellierte Basis zu breiten, und die Haupt-
masse der (in subjektivistische Versenkung fallenden) Beobachtungen (auf
philosophischem Bereich) hatte (trotz all der wertvollen Goldkörner, die
darin versteckt liegen) für das, worauf es in diesem Falle ankam, als
unausnutzbar zu gelten (in subjektivischer Immanenz); und war zunächst
also noch bei Seite zu lassen, so lange die Notwendigkeit der (für induktive
Behandlungsweise geeigneten) Objekte in klar deutlich umschriebenen
Anschauungsbildern vorbedinglich dringlicher voranstand (in erster Linie).
Hier wird nun der Wendepunkt markiert durch das ethnographisch
(für die Ethnologie) beschaffte Material aus dem Bereiche des Gesellschafts-
gedankens [der (bei zoopolitischer Fassung des Anthropos) dem Einzel-
gedanken (bis auf spätere Reintegrierung desselben) voranzugehn hat], in
den Differenzierungen der Völkergedanken aus dem Index geographischer
Provinzen (unter ihrer Modifikation durch historische Konstellationen), um
den Forschungsbeginn an die Attribute (oder Accidenzen) einzuhaken, zum
Hinstreben auf die Ousia, oder was sich sonst verbirgt im »Ding an sich«
(seit kritischer Reform der Philosophie, in der Erkenntnistheorie).
Ohnedies war der in Ländern der Kultur gepflegten Civilisation seit
Umschiffung des Globus (im Entdeckungsalter) die erste Möglichkeit über-
haupt erst geboten, für die Gesamtanschau (oder Weltanschauung) eines
Volkes, (sein idealistisch-konstruiertes Weltsystem, wie es leibt und lebt),
reine Beobachtungsobjekte (parallel analoger Gegen- und Seitenstücke) zu
erlangen, in derjenigen ungetrübten Reinheit nämlich, welche von der
komparativ-arbeitenden Methode als wertvollstes Hilfsmittel zu schätzen
ist, um in (experimentellen) Versuchen der Annäherungen und An-
passungen, (Hineinpassungin ihr Geduldspiel, um das Problem zu erproben),
das Operieren mit den Vergleichungen zu erleichtern (in den Gleichungs-
formeln des logischen Rechnens).
AVas innerhalb des eigenen Kulturkreises in selbständig gezeichneter
Weltauffassung zur Betrachtung gelangt, ist nirgends von dem Ver-
dachte frei, mit inoculierten oder copulierten Zügen zersetzt zu sein, die
im historischen Durcheinanderwogen hängen geblieben oder herumgetriebeu
sein mögen, um der Physiognomie einen veränderten Ausdruck zu leihen-
Aufwärts, von den (mit vorzeitlich grauem Nebelgewölk umschleierten)
Kulturansätzen in Mesopotamien oder am Nil anhebend, sind des Altertums
55
tfalisch-griechische Geschichtswellen fortgespült bis über das germanisch-
stavische Europa hin, bald in voller Durchtränkung des autochthonen Bodens,
bald ihn nur netzend hier und da, aber überall in den Nachwirkungen
spürbar verblieben (bis auf den modernsten Tag).
Gegenwärtig erst, wo im internationalen Verkehr-die Schranken des
^gehörigen Orbis terrarum durchbrochen sind, treten aus dem Jenseits
ihres Horizontes die (im Detail deutlich ausgemalten) Geschichtsbilder
derjenigen Nationen entgegen, welche die Cyclen ihres Kulturlebens, ab-
schlossen von dem unsrigen, durchlaufen haben. Auch hier stehen mit-
ünter altzurückdatierende Ein- und Ausströmungen in Vermutung. Sofern
denselben indes, während einer seitdem in längerer Dauer wieder eingetre-
teneu Abtrennung, Zeitgenüge gewährt war, um in das (ethnisch) nationale
htepräge umgearbeitet zu werden, hat der Gesamtwert desselben nicht nui
Ungeschmälert zu gelten, sondern selbst mit erhöhtem Intel esse insofern,
Weil sich Veranlassung bietet, der Herkunft der (in ihren Folge Wirkungen
spürbar vermuteten) Propfreiser nachzugehen. Und ähnlich auf tieferem Ni-
veau. Acht getreue Originalität (trotz früherer Zutaten etwa, wofür
die Nachweisbarkeit ausfällt) trifft sich bei dem Wildstamme da, wo er
sich voll und rein in die beschränkte Localität seiner geographischen
Provinz (unter Erschöpfung sämtlicher Agentien derselben) hineinverwachsen
(und eingewoben) findet, während bei dem ersten Moment des Kontaktes (mit
einer, gleich der arischen, überwältigend mächtigen Geistesmacht) zugleich dei
Keim der Zerstörung hineingeworfeu ist, und dessen tief zerrüttenden böigen
wird (während der kurzenSpanne, diedannnoch vomUntergangscheidet)kaum
Je Zeit genug geschenkt sein, um neues Gleichgewicht herzustellen, aus.'e
soweit dies unter Veredlung (bei resistenzfähigem Kern in begünstigten
Katuranlagen) statthaben sollte (bei Hineinziehung eben in
irische Erziehung). Aber auch mit solchem, für den Kulturzweck an-
strebsamem Resultat würde dann derjenige Dienst verloren gegangen
Seiu, welchen der hier typische Völkergedanke dem, das menschliche Ge-
'Wkenleben aufklärenden, Studium hätte leisten können, wenn recl g
Wrt in originaler Charakteristik. Und in solcher Hinsicht mögen die
^ildstämme sich folgerichtig ausnutzbar erweisen, in naturwissensc
ficher Psychologie, wie für die Phytophysiologie die Kryptogamen, die es-
fialb zwar nicht zur Zier in Schmuckgärten weiden gioss gezo0ei
aW dem verständigen Kunstgärtner manch praktische Winke lie ’
Soine hortologischen Zöglinge vor pathologischen Störungen zu wa
s°lche auszuheilen, wo vorhanden). . ,
Was als Lückenbüsser der Texte von schriftlosen Stämmen in musea en
Sammlungen vergleichungsfähig zusammenströmt, spricht aus ’
träten noch anklebenden (oder darinnen steckenden), Psye
56
Schöpfungsstoffes), in den technischen Künsten (der Technologie). Was
in rechtlichen Institutionen (sowie in Sitte und Brauch, nach traditionellen
Überlieferungen), aus Voranlagen sozialer Existenz, bei den WildstämnieB
sich bekundet (aus den Berichten der Reisenden), lehrt die Soziologie als
Lehre von der Geselligkeit (oder die Ethnologie bei dem Gesellschaftsbegriff,
als Volk), und die mythologisch unterhaltenden Phantasiebilder streben in
religiösen Sehnungen hinaus (bei den Fragen über das Woher und Wohin)*
Ein gleichartig psychischer Wachstumsprozess tritt (aus elementar ge-
regelter Gesetzlichkeit) unter den Phasen verschiedener Erscheinungsweisen
zu Tage, wie etwa der pflanzliche in Rindenbildung (zum Schutz, bei
den, durch die Werkzeuge verlängerten, Gliedmassen), aus den Blättern
in stattlicher Belaubung (zu staatlicher Behütung, wie recht und gerecht)
und im Schmuck der Blumenkronen, wenn die Gedanken sich entfalten,
zu den Idealen, die aus ihrem Reflex herniederstrahlen, um religionsphilo-
sophischen Trost zu spenden, dem armen Herzen, das bang und ängstlich
bebt (unter den Schauern des Unbekannten ringsum).
»Zweck sein selbst ist jedes Tier«, und so liegt im Zweckbegrift
das Bedingende, bei Anregung des (einem organischen Wachstum inner-
lichen) Entwickelungstriebes, in der seiner Bestimmung zugewandten Ziel-
richtung, um mit der sich selber lebenden Denkthätigkeit das Selbstver-
ständnis anzustreben, aus den in fasslichen Anschauungsbildern (ethnischen
Sammlungsmaterials) manifestierten Gesetzlichkeiten sozial (oder zoopolitisch)
reflektierter Denkgebilde (aus menschheitlichem Gesellschaftsgedankenkreis),
und um so, bei solcher Incarnation denkschöpferischer Ursächlichkeiten, aut
ihre, aus den (individuell dem Gesellschaftskreis integrierenden) Denkthätig-
keiten mitwirkende, Betheiligung des Einzelnen und dann auf diesen selber
zu gelangen, (für selbständigen Abschluss der Eigentlichkeit im Selbst)*
Das Plasma cellularer Vorbildungen (oder Vorveranlagungen) wogt
in den aus psycho-physischen Wurzeln der Individuen quellenden Sprach-
regungen, um zusammenzuströmen in den, die begrenzende Peripherielinie
jeglich spezifisch markierten Gesellschaftskreises (ethnischer Färbung) um*
fliessenden, Okeanos (»in des Wissens unendlichemMeer«, nach orientalischer
Hyperbel).
Als Primär-Element (ein abzö xaft kaozo gleichsam) tritt aus der-
artigen Mutterlaugen das Kausalitätsbedürfnis (mit der, ihre Beantwortung
heischenden, Fragestellung) hervor, in einem durch gleichwertige (weil gleich-
artige) Anschlüsse rasch gemehrten Elementargedanken, der früh bereits
das Gepräge des ethnisch charakteristischen Typus trägt, der ihn he1
aktueller Verwirklichung aufgedrückt verbleiben soll (an den zum Studium
gebotenen Objekten).
Die aus dunkelm Mutterschoss der Erde in die meteorologisch frel
57
erhellte Atmosphäre hinaustretende Eigenart des Pflanzlichen basiert
bereits auf einem (mehrweniger) starr verholzten Stamm, so dass die aus
den klimatologischen Umgebungsverhältnisseil auftreffenden Agentien (der
geographischen Provinzen) nicht mehr ortsändernd umgestaltend (mit der,
hypothetisiertenSchöpfungscentren zugeschriebenen, Ursachskraft) zu wirken
vermögen, sondern nur in Effektuierung (oder Auswirkung) derjenigen (phäno-
logischen) Transmutationen, welche (je nach der Permanenz) in den Varie-
täten — als ausgewirkte Folgen der aus Reizwirkungen einfallenden (oder
auftreffenden) Effekte — eine in sich bereits gefestigte Stammesart (transi-
torisch) zu umspielen pflegen (bei Überschau des vorhanden Gegebenen,
im Daseienden des Pflanzenreichs).
Anders im ethiio-anthropologischen (Reich oder) Bereich [eines »Regne
humain« (bei Quartefages) oder (bei Drummond), ,,third Kingdom“], wo
die (in sozial praeconditionellen Vorveranlagungen keimende) Existenz (des
Zoon politikon) sich effektiv am Tageslichte erst aktualisiert (aus dem
dovd/jiei du der Potentialitäten), aber getragen allerdings von (seit ihrem
In-Entstehung-Treten) bereits materialisierten Stammesträgern in den
psycho-pbysisehen Individuen, welche deshalb die dem somatischen Habitus
(für dessen Schwankungen) gesteckte Variationsweite nicht zu über-
schreiten vermögen (ausser soweit die aus sexueller Spaltung ermöglichten
Akkommodationen zwischengreifen möchten, in Akklimatisation oder dein-
en tsprecheuder Naturalisation).
Die auf ethnischer Gesellschaftsschichtung schwellenden Wogen dagegen
vermögen in den (aus ihrem geographisch-historischen Milieu) chaiakteristisch
gefärbten Eigenarten (nationaler Stempelung) sich zu einen und verquicken
(je nach wahlverwandtschaftlichen Affinitäten) mit den aus geschieht
licher Bewegung zum Kontakt herbeigeführten, so dass bei zunehmender
Steigerung des internationalen Verkehrs ein einheitlicher Abschluss als oevor
stehend erachtet werden darf, damit aus der Menschheit die Menschlichkeit
rede; die Humanitas, wie ihm geziemend: dem genus humanum (dem
Menschen demgemäs, im Bilde der Menschheit).
Wenn so die „Lehre vom Menschen“, oder (Blumenbach’s) »Naturge-
schichte des Menschen« (im naturwissenschaftlichen Anschluss) in (Menschen
oder) Volks- und Völkerkunde auf klassisch gekürzte Terminologie zuruck-
zuführen sich empfehlenswert erweisen sollte, würde nicht die (in den
Resultaten ihrer Vermittlungsrolle absolvierte) Ethnologie zur Namens
Bezeichnung, sondern eher die (wie den Ausgangspunkt beginnenden Anfangs,
so die auslaufende Zielrichtung kennzeichnende) Anthropologie zu wählen
sein, während im Eutwicklungsstadium des gegenwärtigen Status quo
(Bei jener „Lehre vom Menschen“) der Antbropos das pyscho-physische In-
dividuum zu repräsentieren hätte (in der, auch prähistorisch ausverfolgten,
58
Anthropologie), während das Zoon politikonim Gewände der Ethnologie, mit
dem gesellschaftlichen Charakter des Volkes (oder Ethnos) sich bekleidet,
um bei den primitiven Niveauschichtungen desselben (unter den Wild-
stämmen) zunächst vornehmlich ins Auge gefasst zu werden; und so, auf
dem der Induktion (vom Einfachen zum zusammengesetzt Schwierigeren)
angezeigten Wege, die Kräfte (im methodischenÜbungskurs) zu stählen: für
Bewältigung der höheren Probleme, wenn mit dem Fortgang entziffernder
Lesungen mehr und mehr die das Menschenleben beherrschenden Denk-
gesetze sich enthüllen (aus komparativ kontrollierten Differenzierungen des
V ölkergedankens).
Von solchem Gesichtspunkte aus würde demnach die „Lehre vom Men-
schen“ im Anthropos das pj^scho-physische Individium zu umgreifen haben,
sowie das Zoon politikon, oder Ethnos (auf gesellschaftlicher Schichtung).
Da für des Menschen erbeigentümliche Wesenheit die gesellschaftliche
(als Gesellschafts-) Wesenheit vorausbedinglich steht, bildet sie eine erst-
primäre Einheit (im Gesellschaftskreis), worin die Einzel-Individuen als
Bruchteile, oder Teilganzen des Total, im Gesamtganzen figurieren, einer
np(brr] odoia (in auvouaia oder ooaraoiq).
Dieses zoopolitische Individuum (der im Gesellschaftskreis incarnierte
Mensch) erscheint zunächst in der Dreiheit der Familie (Vater, Mutter
und Kind) mit kollateralen Auszweigungen in der Verwandtschaft, sowie
Erweiterung des gentilicischen Geschlechts (oder der Gens) zum Clan
(unter Adoption zugehörigen Gesindes), bis zum Abschluss im Stamm,
der dann (unter amphictyonischen Bündnissen, wie durch Wandlung des
»hostis in hospes«, vom Gastrecht, eingeleitet) zum Volk heranwächst, unter
national weiterer Entfaltung (mit sprachlich gemeinsamem Umschluss).
In solchem (auf dem Niveau des Stammes) einheitlich (auch für
rechtliche Verpflichtungen) agierenden Ganzen (worin sich neben den sexuellen
Unterschieden die der klimacterischen Jahre markieren, als Altersklassen) be-
ginnt, mit dem (durch individuell bevorzugte Veranlagungen erworbenen)
Überschreiten des kommunalen Eigentums durch Privatbesitz, fortab
die Individualität zu reden, unter Beanspruchung von Sonderrechten, die
(timokratisch) durch Ehrungen (wie aus Freigebigkeit erkauft) geschmeichelt,
rasch zu substantieller Macht prätendieren, in dem, leibliche und geistige
Bedürfnisse (weltliche und geistliche, auf historischer Bahn) vertretenden,
Priesterfürstentum zunächst.
Je mehr nun unter Ständegliederungen die Individuen, zugehöriger
Rechtsphären, in Verschiebungen mit einander gelangen, desto mehr be-
darf es (zum Abgleich im Ganzen) der Moralvorschriften, die aus dem
Logos (sprachlicherGesellschaftsschichtung)— der <puyj] loyioxirrj (inlogischen
Darlegungen) — reden, gleichzeitig aber auch im d-upog (der Seelenteilungen),
59
als Tjd-oQ', und da tj&oq z<p äv&pa)TC(p daiptov, beginnt nun (mit Stimme eines
daipoviov) das Hineinreden des Dämonischen, zum Göttlichen verklärt
{inexeiva rou uou), wenn der in sein Jenseits projizierte Logos (aus mütter-
licher Sophia geboren) von dorther wieder herantritt (e&äsv), mit seinen
Offenbarungen (eines narqp ävwvupos) und ethischen Geboten (aus dem
Echo religiöser Atmosphäre).
Beim Festhalten der in der Natur der Sache wurzelnden Grundtypen
wird viel leeres Gerede gespart sein, wie beim Moralisieren darüber, wenn
der (sich als den Menschen qua solchen bezeichnende) Stamm den, weil füi
das Selbsterhaltungsprinzip (der eigenen Genossen) suicidisch anathe-
öiatisierten, Mord dem zauberisch bösen Un- oder Nichtmenschen*) draussen
gegenüber als geheiligte Pflicht auferlegt oder (in hochentwickelten Kultur-
stadien) zum Tod auf dem Feld der Ehren begeisternd, in nationalen
Kämpfen, die Begeisterung durchdringt (auch vielleicht ein »point. dhon-
Qeur« sich zuspitzt, bis zum Abbrechen der Überspitzung).
In den träumerisch unbewusst (prähistorisch insofern) hingedämmeiten
(und dahingeschwundenen) Zeitläuften liegen die Wurzeln dessen versenkt,
was -— in primitiv einfachster Kunstsphäre (soweit unerlässlich zur Ver-
längerung der Gliedmassen durch Werkzeuge) und den (als "Voranlagen
sozialer Existenz präconditionellen) Institutionen — am geschichtlichen Licht
zu Tage getreten ist, und wo [indessen (mit organischer Iortentwicklung
gemehrter) Helle] Anknüpfung sich zeigt an eines Erfinders Namen,
diente derselbe als Sprachrohr für den Logos, der aus den mit kulturellen
Entfaltungen die Atmosphäre durchschwebenden Schwängerungen redet,
von dem, was sie zu künden haben (wenn hervor brechend im Reife
Stadium des Wachstums).
»The unfolding of tlie genius of the age has been the evolution of
iuvention from the beginning« (s. Mason), und an der Spitze jeder kultui
geschichtlichen Epoche erscheint die Gestalt desjenigen, unter dessen Namen
vornehmlich erinnert wird, was in der »indoles tempons« ausgesprochen
liegt oder (nach D. F. Strauss’ Bestätigung sprichwörtlicher Ausdrucksweise):
was »aus der Luft gegriffen« ist (aus den darin schwebenden Ideen).
Für das anthropologische Individuum mag die Sprache erlernt
(oder angelernt) gelten, für das Zoon politikon dagegen bildet sie
ebenso unabweisliche Vorbedingung realer Existenz, wie für den physischen
^fganismus seine Arme und Beine, und wenn sich dieselben durch II 0
*) Ein Frag ist, von wenen wunderliche Menschen kumen, che zu latein Mons
gissen, ob sj von Adam seien kumen (s. Megenberger), odei räa ^ , Brutum
historische Verwertung). Das Animal (den Menschen einbegrei en ) W1 , ^
gegenübergestellt (b. Sperling). Die Thiere sind von Gott „zu/ 6 ^ den In-
Eebrmeister hingestellet“ (in Frey’s) Biblischem Tierbuch (flypofhßto»), wie de
dauern (aus dem Schutzgeist des Totem).
60
vervollkommnen mögen bis zu Jongleurkunststücken, fehlt solche Befähigung
nun gerade auch der Sprache am wenigsten, bei den Metaphern ihrer
»Idola fori«, wenn im Wirrsal des Un- (oder Miss-) Verstandes die
Schlagworte sich kreuzen (des Parteigezänks, in der »licentia temporis«).
Die leitend bedingende Zielrichtung (als zo ob evexa) stellt die Frage
des »Cui bono« für zweckentsprechende Beantwortung.
Was im Zeitalter der Aufklärung teleologisch erklärt sein sollte,
war subjektivisch auf den Menschen (als »Maass der Dinge«) bezogen,
und wenn die, als conditio sine qua non (der Existenz überhaupt) voraus-
zusetzende, Übereinstimmung des Organismus mit den IJmgebungsVerhält-
nissen ein ursächliches Prinzip (bei der Akklimatisation) eingefügt er-
hielt (s. Lamark), wurde dadurch die Entwicklung (als Aus- oder Fortent-
wicklung vom vorangestellten Ausgangspunkt) über die von den Relationen
umzeichneten Grenzen in das Gebiet des (vor ausstehender Durchbildung
des logischen Rechnens) Undenkbaren herausgeführt, von wo es nur in
dichterischen Metamorphosen (Goethe’s) zurückschimmern konnte (statt
Ovid’s mythologischen).
Mit der (in J. Müller’s Schule) fortschreitenden Detailkenntnis der
Physiologie (in funktionellen Einzelheiten) kam dann, auf Grund des von
Darwin angesammelten Beobachtungsmaterials, die Anerkennung der Trans-
mutationen (unter klimatischen Bedingungen) zur Geltung und hier, wrenn
dem Abgleiten auf schiefer Ebene der Descendenz [unter ihren (in
Rockenphilosophien gedrechselten) Hirngespinnsten] vorgebeugt wird, öffnet
sich der Weg in die Lehre von den »Geographischen Provinzen«1), [unter
der Horizontweite der (nach tellurischem Gezimmer) zugehörigen Geschichts-
bahnen], und auf solch kulturell gedüngtem Boden hätten dementsprechend
geadelte Züchtungsprodukte ihre in des Kosmos Unendlichkeit verlän-
gerten Gedankenreihen überzuführen auf die von dort harmonisch zu-
rückklingenden Gesetzlichkeiten, (für ein psychologisches Verständnis der-
selben, weil mit hineinverwoben in eine das All des Daseienden umgreifende
Fassungsweise, naturwissenschaftlicher Forschung).
‘) Gleichzeitig mit dem Hervorsprossen der Botanischen Provinzen aus A. von Hum-
boldt’s intuitiver Vorschau, hatte Karl Ritter’s „Erdkunde im Verhältnis zur Natur und
zur Geschichte des Menschen oder allgemein vergleichende Geographie als sichere
Grundlage des physikalischen und historischen Wissens“ die Unterlage gebreitet,
worauf in höchster Entwicklungsstufe ausgesagt wurde, dass ohne Anschauung des
Bodens und Himmels von Hellas weder Religion oder Leben noch die Geschichte der
Hellenen verstanden werden könne (b. 0. Müller), wie in Curtius’ glänzendem Ge*
mälde geschildert, und hier hat der induktive Forschungsgang von den Anfängen aus-
zugehen, in den Geographischen Provinzen (der Wildstämme), mit zugehörigen Annexen
der Geschichtsbahnen (zum Sprossen der Kultur). Dass die Menschen, wie der Samen»
zum Boden gehören, lehrte Cyrus seinen Persern, den Patriotismus anfachend (»u*
dem Mutterhoden des Vaterlands).
61
Hier sind manch’ nutzlos störende Missverständnisse dadurch herbei-
geführt, weil [unter bester Absicht (und Befähigung) naturgesetzlich gültige
Methoden auszufolgen] durch subjektiv ausgebrütete Zuthaten widerstrei-
fende Verquickung mit schwankenden Theorien statt hatte, wodurch in Ent-
stellung der naturgemässen Physiognomie abstossende Züge zwischenge-
mengt wurden, die Streit provozierten, wo es nichts eigentlich zu streiten
gab (bei einfacher Einhaltung der natürlich gebreiteten Unterlage).
Der aus Allgemeinheiten auf vereinzelnde Sonderungen schliessen-
den Deduktion ist die Grenze ihrer Maxima bereits gezogen, wogegen
betreffs der bei den Minima ansetzenden Induktion [eines materalistisch-
uaturwissenschaftlichen Zeitalters, am Aufdämmen seiner (in den Natur-
wissenschaften) materialistisch gefestigten Zeitfassung] sich noch nicht
sagen lässt, wohin sie mit ihrem Aufbau kommen mag, unter vorsichtig
geübter Kontrolle (an dem deduktiv bereits gewährten Leitungsfaden,
aus ideal gepflegten Kulturergebnissen der durchlaufenen Saecula).
Behaglich lebte es sich für die, (gleich Kalyanaphuttajana) mit »ideae
mnatae« angeboren, Geborenen (in platonischer Zeit) und sensationell
Uaf deshalb der sensualistische Satz vom „Nihil est in intellectu, quod non
prius fuerit in sensu“, so dass die armen Sinne von Sinnen gekommen
sein würden, ohne den prästabilistiscli harmonisierenden Zusatz: „nisi in-
fellectus ipse«, und wenn diesen nun ausverfolgend, als »nisus formativus«
lln Wachstumstrieb, werden wir auch für den psychischen einstens auf
geregelte Gesetzlichkeiten zu gelangen vermögen (unter denen eines har-
monischen Kosmos).
So lange das populäre Denkrechnen beständig gegen die Elementar-
sätze der Logik verstösst, kann es mit dem Fortschritt nicht gross vorwärts
kommen, beim Drehen in schwindligem Circulus vitiosus, weil zurück-
fallend in uraltes Gestreit um Huhn (oder Ei) und Henne (der Teile
and ihres Ganzen, im »totum divisum«), rj upa tu xadölou pdllov haovqxd rj
xutu. pspog, uTTonecxTU- apa puXkov tu xattoXoo, und so hatte es die Deduktion
(des Studierstübchens) bequemer, als die Induktion, auf mühsame Sammel-
arbeit hingewiesen (oft gar »sauer in Hitz und in Kalt«), »Die Pflanze
bildet die Zellen«, ist in moderner Botanik zur Diskussion gestellt; über
Schöpfungsgedanken vielleicht, denn betreffs einer Entstehung hat die In-
duktion nun eben von den Zellen auszugehen, soweit es sich um ihre
Methode handelt. Und soweit (oder wieweit) es um Schöpfung oder Ent-
Mehung sich zu handeln hätte, bleibt denen überlassen, die davon bereits
k-twas zu verstehen meinen, ehe das logische Rechnen seine »höhere Ana-
lysis« (auch entfernt nur) angenähert hat (in ethnischer Psychologie). Vor-
läufig sitzen wir (die »ejusdem temporis homines« und »coheredes«, oc xad
^®s) noch in der Klippschule (als kaum zehnjährige Buchstabierschützen).
Um so dringender wird es erforderlich sein, diejenige Lücke auszufüllen,
welche von Tage zu Tage sich fühlbarer macht, im staatlichen Unterrichts-
wesen, das zwar, seit den realistischen Zugeständnissen und Angliederungen
naturwissenschaftlicher Museen an die Universität, nichtmehrvom »klassischen
Dogma« allein beherrscht wird, aber für die schon in den »Ideen zu einer
Philosophie der Geschichte der Menschheit« verwundert aufgeworfene
Frage, weshalb neben den für Steine, Pflanzen und Tiere errichteten
Lehrstühlen derjenige fehle, der vom Menschen zu sprechen hätte, eine
Antwort noch nicht beliebt hat.
Um junge Staatsbürger heranzuziehen, die, in allen Sätteln gerecht,
auf ihrem Schlachtross sich umsichtig ausgerüstet finden, um im »Kampf
des Lebens« streitfertig sich zu tummeln, dürfen nicht länger mehr (oder am
wenigsten grade) die Lehrfächer fehlen, welche in diejenigen Kenntnisse
einzuführen haben, wie sie von den Ansprüchen des internationalen Welt-
verkehrs verlangt werden, um im eigenen nationalen Interesse dominierend
zwischenzugreifen, mit der durch das Wissen verliehenen Macht (»knowledge
is power«).
Da im kommerziellen Wettbewerb (um zahlungsfähige Kunden) der
Kundigere den Rang abläuft, wird sich die Staatskasse, die vornehmlich
aus dem Handelsstande gespeist ist, je intelligenter dieser, um so besser
füllen, und das für sobeziigliclie Unterrichtsanstalten angelegte Kapital
also bestens verzinst haben.
Dass, während der Ausübung jedes verantwortlichen Berufs ein strenges
Rigorosum der Prüfung voranzugehen hat, dies für Installierung der Ko-
lonialbeamten ausfällt, war (bei unvermittelt jähem Einbruch der
kolonialen Zeitströmung) in den ersten Jahren entschuldbar genug, wäh-
rend die zum Wiederwettmachen der durch Missgriffe und Missverständ-
nisse augerichteten Schäden benötigten Kosten sich im starken Anwachsen
des Budgets bereits allzu drückend fühlbar machen, um nicht im allseitigen
Interesse Massnahmen anzuraten, solche Last zu erleichtern.
Wie sehr im diplomatischen Verkehr, der, wenn durch das Umgarnen
mit einem Intriguen-Netz bedroht, zum vorteilhaftesten Herauswinden
aus demselben, auf Erfolge um so besser hoffen darf, je korrekter der
Blick geschärft ist zum Eindringen in das Detail gesellschaftlicher Ver-
schlingungen, einer vorbereitenden Kenntnisnahme von denselben nicht ent-
raten werden darf, (ehe man ein, weil schlüpfrig, gefährliches Terrain be-
treten will), hätte sich vornehmlich bei all1 denjenigen fühlbar zu machet
die, weil durch das bis dahin übliche Lehrwesen im Stich gelassen,
nachträgliche Informationen sich zu beschaffen, auf Schwierigkeiten stossen
müssen; und mit der in Ostasien urplötzlich auftauchenden Grossmacht würde
es z. B. um so bedenklicher sein, den Fehdehandschuh ungerüstet aufzti-
63
heben, weil die dortigen Unterrichtsanstalten schon Jahrzehnte laug (seit
1876) darauf bedacht sind, sich mit all denjenigen Kenntnissen auszurüsten,
welche den westlichen Grossmächten zu Gebote stehen (und auf den Lections-
katalogen der Universitäten und Schulen allseitig volle Berücksichtigung
erhalten).
Und wie dort im Osten für Fragen praktisch weittragendster Be-
deutung, tritt für theoretisch-wissenschaftliche eine Konkurrenz im Westen
auf, bei unseren transatlantischen Vettern, die dem europäisch mehrweniger
bereits fast gleich nivellierten Unterrichtssystem in Universitäten und
Akademien, jetzt im »Bureau of Ethnology« (seit 1879) ein oberes Stock-
werk noch hiuzugefügt haben, dem bis jetzt kein diesseitiges Paroli
geboten werden kann. Die dortigen Gelehrten sind zielbewusst an der
Arbeit, in voller Thätigkeit. »They have in this a clear duty set before
fhem, and they are doing it in a splendid style«, bemerkt (auf der Ver-
sammlung d. B. A. f. the A. of Sc. in Oxford) der Präsident der Anthropo-
logischen Sektion (1894), unter dem Ausdruck des Bedauerns, dass sich
tticht das Gleiche von seiner meerumgürteten Heimat sagen Hesse. Und
üoch weniger wohl von den meisten Ländern des Kontinents, wo jeder mit
sich selbst darüber abrechnen mag, was am vorteilhaftesten sich in Rech-
nung stellt, um aus dem Wettkampf der Nationen als Sieger hervorzu-
gehen. Da sich für solche Zwecke auch der Schulmeister als mitredend
erwiesen hat, sollte sein Anteil am wenigsten verkümmert werden, gegen
den von dem »Donner der Kanonen« beanspruchten; der freilich den letzten
Ausschlag zu geben hat, wenn es zur »Ultima ratio« kommt, aber sofern es
zu solcher, aus dem Rat verständiger Schulung, nicht zu kommen braucht,
dann um so lieber entbehrt bleiben wird, in einem die friedliche Ver-
brüderung der Erdenbürger inaugurierendem Zeitalter (der Humanitas).
Im psychischen Wachstum walten elementar gleichartige Denkgesetze,
die für ihre Folgewirkungen freilich in die Verschiedenheiten des ethnisch
Jedesmal charakteristischen Gedankenganges auseinandergeheu (denDifferen-
tierungen der Völkergedanken gemäss), aber, bei Reduktion auf primäre Zell-
Prozesse, diesen (wie in vegetativischen Wachstumsprozesseu) einen gesichert
auknüpfbareu Leitungsfaden zu entnehmen vermögen, um sich unter den
•^rgängen der, an der Oberfläche täuschenden, Maskierungen zu orientieren.
Des Wildstamms Denken im engsten Bereich, zeigt sich in desto
strenger geschlossene Bande seiner Logik eingescblossen, obwohl nun,
Was dadurch zu Stande gebracht wird, als elendiglich schwaches Produkt
erwiesen steht, im Verhältnis zu der artistisch durchgestalteteu Maschinerie,
einer kulturell geschulten Denkthätigkeit zu Gebote steht (um dialektisch
^amit zu arbeiten).
Wie leicht also wäre hier die Beherrschung, kraft des (auch ideal
gültigen) »Stärkeren Rechtes« (im jus fortioris); und die armen Wilden, die
den Gaukelpossen ihrer Schamanen und Fetizero’s schon hülflos preisge-
geben sind, ins Sklavenjoch besserer Belehrung (für eigenes Beste in »Er-
ziehung des Menschengeschlechts«) einzuspanneu, müsste doch wahrlich
ein Kinderspiel sein für die mit dem luxuriösen Aufwand der Hochschulen
grossgezogenen »Weltweisler« unserer Civilisation.
Und so wird es sein, sobald einer Lehre von Steinen, Pflanzen und
Tieren sich die vom Menschen angereiht haben wird, im gleich natur-
wissenschaftlichen Sinne (humanistischer Studien). Die für solche Behand-
lung (der Steine, Pflanzen und Tiere) berufenen Gelehrten stehen auf einer
Warte universeller Umschau über den Globus, und der Geologe sowohl,
wie der Botaniker und Zoologe, findet sich gleich familiär vertraut auf
jedem der fünf Kontinente (soweit die, seit Erschliessung derselben ge-
lieferten, Materialien für das Detail bereits ausreichen).
Wie nun mit denjenigen Berufsklassen, denen von unserm Kulturstaat
die Pflege des Menschen übertragen ist in philosophischen oder philologisch-
historischen Disziplinen? (den humanistischen bezeichnenderweise, für das
»genus humanum«).
Ihnen ist die Welt noch mit Brettern vernagelt, innerhalb der
Schranken des klassischen Orbis terrarum, und wo derselbe seine trans-
atlantische Erweiterung erhalten hat, trägt die moderne Übertlinchung
um so mehr dazu bei, die endogenisch vertieften Schichtungen aus den
Augen zu halten.
Die den Höhen sonnbestrahlter Reflexionen und Spekulationen zu-
gewandten Blicke der Philosophen schweifen weit erhaben hinweg über
das Nachtgedunkel, worunter das Getriebe der am Boden kriechenden
Wildstämme lagert, und der Philologe, je grundgelehrter, vertieft sich
desto tiefer in die Minutiositäten seines Specialfachs, zum Besten desselben
(wie recht und billig für das Detail der Teilarbeit). Seitdem auf den
Verzweigungen des arischen Sprachstammes fortgeführt nach Indien, hat
der Sanscritist wertvollste Schätze dort gehoben, aus dem, was die Texte
lehren, soweit litterarisch fixiert, aber das bunte Marktgewühl des sozial
lebendig pulsierenden Lebens, wie aus Vielfachheit der Stammes- und
Stäudegliederungen durcheinander drängend, pflegt in böhmischen Wal'
dern und Dörfern zu verbleiben, soweit nicht neuerdings zu deutlicheren
Anschauungen gelangt (durch museale Aufstellungen).
Den Historikern ist seit dem Anlauf zu einer »Universalgeschichte«
(in den Sammelwerken des vorigen Jahrhundert’s) das Bedürfnis ihrer
Kulturgeschichte gekommen, die indes grösstenteils nur zwittrige Miss'
geschöpfe gezeugt hat, ohne genügende Lebensfähigkeit, um z. B. eine11
Organismus, gleich dem aus China’s uralter Kultur erwachsenen, bis in das
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feinere Geäder seiner physiologischen Funktionen zu durchspähen, in den
Wechselnden Phasen seiner Kunst-, Litteratur- und Rechtsgeschichte, (und
der politischen ausserdem), so dass alle die aus vergleichenden Parallelen
eutnehmbaren Aufklärungen unausgenutzt verbleiben [und der Verwertung
entzogen, wo ihre Kenntnis, wie wissenschaftlich, auch praktisch, (im diplo-
matischen Verkehr etc.) zu Gute kommen konnte].
Statt den neuen Wein in alte Schläuche zu füllen, bedarf es einer
Neuanlage für das »Novum Organon« der Zukunft, und zwar in einem
dem Umfang seiner Bedeutung würdig entsprechenden Stil, da es hier zum
ßrsten Male (in Wahrheit und eigentlichem Wortsinn) dem Menschen um
sich selbst sich handelt, um sämtliche Variationen des Menschengeschlechts
a«f der Erdoberfläche, nicht mehr nur das kulturelle Teilganze l) allein, in
derjenigen Weltgeschichte, die ihm seine Welt umgriff (unter demgemässer
Erweiterung der Volksgeschichte).
In heutiger Welt schwärmt und summt es mit dem Radgetriebe
des internationalen Verkehrs, und jeder thut wohl, mit dieser komplizierten
Maschinerie sich eingehend vertraut zu machen, um nicht etwa von ihr
zermalmt zu werden, wenn (zur Mitarbeit gedrängt) sich durch Fehlgriffe
versehend.
Und so im Concerte der Gross- und Kleinmächte würde der in Gleich-
giltigkeit des Nichtwissens unbekümmert Verbleibende diejenigen Melodien
ßachzupfeifen haben, die besser hineinstimmen in den Gesamtrhythmus, wes-
halb es sich klärlicherweise dem Staatshaushalt vorteilhaft erweisen dürfte,
die (nach pädogogisch durchgängiger Bescheidenheit) in mässigsten Grenzen
Verbleibenden Mittel für ethnologische Schulbildung zu gewähren vor-
teilhafter und billiger, als die (bei Ermangelung derselben) bedrohenden
Missgriffe durch teures Reugeld nachträglich wieder gut machen zu
Müssen, (so lange die bösen Folgen abzuwenden überhaupt noch im Be-
rich der Möglichkeit verbleiben sollte).
*) Nach dem Principium dividendi werden (im Totum divisum) die Membra divi-
Ri°nis (oder Membra dividentia) eingeteilt, und dann gehen die Subdivisionen weiter,
synthetisch (von Gattungs- zu Artbegriffen fortschreitend) oder analytisch (bei Zerlegung
der gegebenen Arten in ihre Merkmale), für die Topik (oder miuxa), in Yersefizierung
v°n Aphthonius’ Chrie (b. Daries) für die Rhetorik (ciceronianisch), bis zur „Grossen
Eunst“ (in Lullus’ Maschinerien), die Liebhabern überlassen bleibt, da es ihrer mecha-
aischen Umständlichkeit nicht bedarf, um die contradictio in adjecto (in einer den
^aubsten „ad absurdum“ führenden Paradoxie) zu erweisen, wenn Einheitliches (m Arten-
des Menschen) wiederum eingeteilt werden soll (statt die Forschung auf rationa
b^oportionelle Zerlegungen hinzurichten). Die „logical division“ hat (neben „physica
Vision“ oder partition) auch die „metaphysical division“ (s. Jevons) einzubegreifen,
Jachdem objektiv konkrete Anschauungsbilder gewonnen sind (in den ethnischen Mam-
estationen der zu Völkergedanken differenzierten Primalitäten, aus psychischer Ele-
öleütaranlage).
Mi. f. v.
5
Ohnedem braucht die scheinbare Unennesslichkeit der Aufgabe, welche
eine Durchwanderung des gesamten Globus in all’ seinen Windungen
und Verschlingungen zur Pflicht hinstellt, keineswegs abzuschrecken,
denn seitdem es glücklich gelungen ist, die Spannungsreihe der Elementar-
gedanken festzustellen, rechnet der Ethnologe mit Logarithmen, so dass
sich die Denkprobleme gleich spielend lösen, ob auf das Niveau des
Wildzustaudes gestellt, ob aus den Kulturschöpfungen höchster Geschichts-
blüte (einheimischer oder fremder). Das braucht nicht in das Gedächtnis
derer zurückgerufen zu werden, die wir als Leidensgenossen die schwere
Zeit eines zwanzigjährigen Frondienstes mit einander durchlebt haben,
unter Zusammenschleppen des Rohmaterials aus allen Ecken und Enden,
in lästig bedrückender Handlangerarbeit, (die indes nicht gespart werden
durfte, wenn etwas Ehrliches werden sollte; aus dem Werk, das bevor-
stand). Desto froh leichter kann jetzt aufgeatmet werden, wo die Fun-
damente gelegt sind, auf unerschütterlich gesichertem Boden der Natur-
gesetzlichkeiten, die zu ihrer organischen Ausgestaltung um so rascher ge'
langen werden, je weniger durch frühreife Eingriffe gestört.
Und hier mag ein Wörtchen hinzugefügt werden, für die jung
herantretende Generation, die, auf den Schultern der Voran gegangenen
stehend, weiter blickt und klüger zu sein verdient, wenn veruunftgemäss
wirtschaftend mit dem Erbgut, das ihr überlassen bleiben wird (zu
bester Verwertung).
Die Reihen derer, die im Anbeginn zusammenangetroffen wurden,
lichten *) sich von Jahr zu Jahr. Kaum ist noch der Eine oder Andere
übrig, aus frühestem Kreis, um zurückzublicken auf jene Tage,
die Ethnologie in ihrer Wiege gebettet lag, als ihrer Vorgeschichte
Dämmerungsstunde den heraufziehenden Morgen kündete. Seitdem, mit
Anbruch desselben, ihre geschichtliche Epoche einsetzte, haben sich
rasch die Reihen der Mitarbeiter gefüllt, denen (bei ernstgesinnter
Hingabe an den, durch den Ruf der Zeit geheischten, Dienst) diejenige11
Erfolge zu danken sind, wodurch jetzt der Boden gebreitet und vorbe-
reitet liegt, für unbehinderten Fortbau an dem Lehrgebäude unserer »Lehre
von Menschen«.
Und erfreulichst tritt jetzt (zur Ergänzung und Ablösung) ein neue1“
Nachwuchs heran, eine bereits vorgeschulte Streiterschar, so dass es bald
gelungen sein wird, die zeitgemäss begründeten Rechte der Ethnologie za *
b Als Mancher, wie der „mit den Ältesten dem Herrn gedient“, begraben ^
(am Berge Gaas), „und auch Alle, die zu der Zeit gelebt hatten, zu ihren Vate1'1
versammelt waren, kam nach ihnen ein anderes Geschlecht auf, das den Herrn nid1
kannte, noch die Werke, die er gethan hatte“ (und es diente Baalam); bis dann, mitFhU0
der Zeit, wiederum Propheten berufen werden mussten (von der Wahrheit zu zeuge®)’
allgemeiner Anerkennung zn bringen. Jetzt, im vollen Schuss der Ent-
nickelung, bedarf es keiner Stimulantien mehr, eher vielleicht einer Ab-
schwächung des enthusiastisch fortreissenden Eifers, um kühlem Ver-
stand esgebrauch seine trockene Nüchternheit zu bewahren.
Der »geheime Bau trieb« (vor dem der materialistische Geschichts-
, Schreiber warnt) prickelt auch hier. Gearbeitet sei schon genug, man
könne nun wohl an das Erklären gehen. Was der Himmel nicht wolle!
I denn dann: »Ga man hen, se sitt all weder in’n pissputt« (unsere lieb’
Frau Ethnologia).
Aus wüst chaotischem Massen material hat sich, binnen wenigen
Dezennien, genugsam geklärt, um Erklärungen zu gewähren, in über-
raschendster Hülle und Fülle, aber diejenigen Erklärungen eben, die auf
naturwissenschaftlichem Arbeitsfeld ungesucht sich aufdrängen und auf-
zwängen aus Belehrungen der Natur; und sie (durch die, ihr selber abge-
lauschten, Geheimnisse) sodann in des Menschen Hand gegeben hat, ihm
Ihrerseits zu dienen (in jeder fachgerecht durchgestalteten Disziplin), um
fortab beherrscht zu bleiben, durch seines Geistes Macht (soweit sie reicht).
^Vas sich dagegen die »Ritter vom Geist« aus [Geist (oder Gischt) sprudeln-
den] Hirngespinnsten zusammenweben wollten, würde nichts anders erklären,
als dass sie bereits bei ihrem Altweibersommer angelangt sind, während
der Jugend gerade zum Eindruck zu kommen hat, dass kaum eines
frühesten Frühlings erster Lenz erst angebrochen ist für diejenige Wissen-
schaft, an deren Tempel fortan weiter zu bauen sein wird (in der Geschichte
der Menschheit).
Die ihre Bestimmung aussprechende Zielrichtung des Menschen, zum
^weck und für Aufgabe seines Daseins, ist in Kenntnis seiner selbst ge-
stellt, durch das Gebot des yvco&i aeaozov, (oder gleichlautender Sprüche
vieler) und indem die Grundursache des Schmerzes in der Unwissenheit
(Avixa) wurzelt, weist das »Vierwort« auf Anstreben des Wissens hin, zur
Erlösung (unter Aufhellung umlagernden Dunkels).
Die Selbsterkenntnis führt auf die Selbstbeobachtung, deren nach
fronen gerichteter Blick indes, je tiefer versenkt, desto dunkler sich um-
Schleiert, weil in die dem Physischen (eigener Leiblichkeit) eingebetteten
Wurzeln des Psychischen auslaufend.
Und so gilt es also die Anschau des Draussen (im deutlich erhellten
^flex des innerlichen Gedunkels), um aus dem Zusammenhang des Ganzen
en Teil zu verstehen, der mit des Menschen Wesenheit zwischen
steht.
Hier setzt nun der naturwissenschaftliche Forschungsgang ein, die
^frge, wie sie vorhanden, durch Verständnis zu bemeistern, in Aibeits
teifrng nach einander, und die, demgemäss auf das Endziel hin aufge-
ch denjenij
^freingefügt
6*
68
öffnete, Strasse baut sieh aus Vergleichungen auf, die empirischer Er-
fahrung entnommen sind, in den Beobachtungen kontrollierend geprüfter
Experimente.
So arbeitet der Chemiker in den Versuchen, mit denen er experimentiert,
unter erprobender Änderung derselben (bis es stimmt, im Resultat), so
der Biologe im Variiren des Standpunkts, von dem aus die vor den
Augen ablaufenden Vorgänge in Betracht zu ziehen sind (um sie nach allen
Richtungen hin umschaut zu haben).
Und so, auf gleichem Wege, wäre nun also, nach Durch Wanderung
der den Steinen, Pflanzen, Tieren zugehörigen Reiche, das des Menschen
in Behandlung zu nehmen für seine physische Hälfte nach den bereits
festgelegten Grundsätzen der Physiologie, und für seine psychische daneben,
im Operieren mit den Anschauungsbildern, die aus eigenem Innern an dem
Horizont der Gesellschaftswesenheit (in ethnischen Kreisungen) projiziert,
von dort sich reflektieren werden, um zu lehren, was der Logos redet.
Dies also wären die Offenbarungen, denen die Sehnungen zugewaudt
sind. »Alles, was wir von dem Gott, der es allein ist, mit Gewissheit
erkennen können, beruht auf seiner Selbstoffenbarung durch den heiligen
Geist« (formuliert V. v. Strauss die theologische Fassung). »Gottes1 Wesen
ist sein Leben« (s. Eckart), in frommer Freundeswahl (abrahamitisch).
Nachdem im Fortgang des, auf Stützen der in ethnischer Psychologie
thatsächlich angesammelten Daten voranschreitenden, Forschungswegs das
Gesamtgebiet der Denkmöglichkeiten erschöpft ist, — in den Wandlungen
der Elementargedanken unter den Differenzierungen der Völkergedanken,
worin der Gesellschaftsgedanke sich ausspricht, als gemeinsamer Mensch-
heitsgedanke —, muss damit dann dem Besitzstand des Wissens ange-
eignet sein, was dem Menschen auf tellurischer Laufbahn zu wissen be-
schieden sein kann, um zu eigner Erkenntnis hindurchzudringen, im Selbst
eines Jeden (soweit es sich ihm versteht); aus innerlich hörbarer Stimme,
im Einklang mit des Kosmos harmonischen Gesetzlichkeiten.
Das Denken lebt sich in der Kausalität (dem Kausalnexus von Ur-
sache und Wirkung), demjenigen Wachstumstrieb (eines nisus formativus)
entsprechend, der (vegetativisch) aus vis vitalis (der Spiritus vitales) auf
chemische Umänderungen zurückgeführt ist (in Diallaxis und Mixis); und
im Suchen nach der »Causa sufficiens« als »principe de la raison determinante
ou süffisante« (bei Leibniz), wird eine Beantwortung angestrebt für die
Fragen, die sich stellen, mit einfallendem Reiz, wodurch demgemäss
entsprechende Reaktion provoziert wird, im lebenden Organismus sowohb
wie aus wahlverwandtschaftlichen Affinitäten durchweg (unterbeherrschenden
Gesetzlichkeiten).
Aphoristisch angeboren (b. Kant), kommt die Kausalität (b. Huvne)
69
aus gewohnheitsmässigen Erfahrungen zum Verständnis, da als »Grundgesetz
des Denkens« (s. Kirchner) der Satz gilt: »Kein Ding ohne Ursache«,
soweit aus Relationsbegriffen eruierbar (durch logisches Rechnen).
Und nachdem alle die Rechnungsaufgaben, die im Gange der
Forschung heranzutreten haben, erledigt sein werden (unter gewissenhaft
prüfender Kontrolle jeder einzelnen), verbliebe dann in Erwartung: Was
weiter? (wenn das logische Rechnen bis auf Unendlichkeitsrechnungen
gelangt, im Infinitesimalcalcul).
Für die in der Gegenwart mit ihren Pensum Beauftragten genügt
die Überzeugung, sich auf dem richtigen Wege zu befinden, der unter
Wegweisung der Zeit zum Ziele führen muss —, schon deshalb, weil es einen
anderen überhaupt nicht mehr giebt, unter all’ denen, die nach jedmöglicher
Richtung hin versucht worden sind, solauge auf dem Erdplaneten die über-
schaubare Geschichte des Menschengeschlechts ihre Rolle abgespielt hat.
Und so spricht auch hier ein »kategorischer Imperativ« der Pflicht, dem
gerecht zu werden, was mit Fug und Recht verlangt wird, im Interesse
der Humanitas (nach jedem Sinne, der diesem Worte innewohnt).
Die stolze Überhebung über das humanistische Normal-Niveau (in
den Humaniora) hat sich als verfrüht erwiesen, doch fügt sich vielleicht
naturgemäss dem Komparativ sein Superlativ einstens hinzu, wenn statt
des »Gott« in der Geschichte, der »Mensch« darin gesucht werden sollte,
von ihm selber eben, um aus der Menschheit Bild sich selbst zu finden
(mittönend im Einklang des All-Einen).
Nie, so lange die Erde sich gedreht hat, ist eine Epoche gleich er-
eignisvoller Katastrophen, in kürzeste Fristspanne zusammengedrängt,
innerhalb der Menschheitsgeschichte durchlebt worden, als wie von heutiger
Generation.
Wie verschieden für die, welche um Mitte des Jahrhunderts zu
klimakterischen Jahren der Mannheit anstiegen, — wie verschieden die
"Welt, die ihre Wiege beschien, von der derjenigen, die jetzt, nach Über-
schreitung der, im Namen der Sexagenarii schon ausgedrückten, Scheidungs-
üüie, von dem Schauplatz abtreten (nach einander).
Der seit dem Entdeckungsalter eingeleitete Fortgang der Naturwissen-
schaft hatte nach Durchforschung der chemischen auch die physikalischen
Kräfte, —- des Dampfes, durch Bemeisterung der aus solarer Quelle
strömenden Wärme und der aus tellurisch magnetischen liefen zu Aus-
sagen gezwungenen Elektrizität —, menschlicher Kunst zu Diensten gestellt.
Unter zeitlichen Ersparnissen rücken die räumlichen Entfernungen zu-
sammen, die Bedürfnisse physischer Existenz werden durch allüberall auf-
springende Erfindungen verschönert und erleichtert, und dei primär tech-
nische Ausgang der Feuererzeugung, — der (obwohl Gabe uialt mythischer
Kulturheroen) in primitivsten Anfängen stecken geblieben war (die Jahr-
tausende der Vergangenheit hindurch) — wird Schlag auf Schlag verbessert,
von Jahrzehnt zu Jahrzehnt, um hell und heller aufzuleuchten im blenden-
den Licht, wie die Metropolen der Gegenwart bestrahlend, und Wohl-
behäbigkeit fördernd, in jedem Haus (bis in die Hütte des Ärmsten).
Unter solch veränderten Konstellationen erwacht (mit dem Wechsel
der Saeeula) auf der Weltenbühne das fernerhin zum historischen Ab-
spielen der ihm zugewiesenen Rolle berufene Geschlecht (im Geschichts-
drama der Menschheit).
Wie anders also der geistige Reflex des Gesellschaftsgedankens, dem
sein Primat zuzuerkennen ist, seitdem die naturwissenschaftlich synchro-
nistischen Triumphe auf biologischem Gebiet, psycho-physisch (in der
Physiologie der »Physis«) gefestigte Stützpfeiler eingerammt haben, um
die im idealen Schwünge der Psychologie emporstrebenden Regionen zu
tragen, wo aus elementar gleichartigen Unterlagen die Völkergedanken
sprossen, in den Differenzierungen buntester Variationen über den Globus
hin (durch Raum und Zeit).
Hier also gilt es jetzt die Lösung des in dem Menschen selbst ge-
schlungenen Rätsels, um das, was des Kosmos’ harmonische Gesetzlich-
keiten durch waltet, mit seinem Verständnis zu durchdringen, soweit es
reichen wird, in deutlich aufgeöffneten Zielrichtungen (um der, aus ihnen
gesteckten, Bestimmung genug zu thun).
Und hier also geh’ es gedeihlich voran, mit frisch froher Arbeit auf
allen Forschungsfeldern der Anthropologie und Ethnologie (für unsere
»Lehre vom Menschen«), um baldigst zu vernehmen, was sie ferner noch
zu lehren haben wird — über das Genus Homo, oder des »emporschauen-
den« Anthropos, Humanität (im vollsten Sinne dieser, die vorliegenden
Aufgaben kennzeichenden, Wortbedeutung).
A. B.
SS
Das siamesische Prachtwerk Trai-Phüm.
(Die „Drei-Welt“.)
Bei meinem Aufenthalt zu Bangkok im Jahre 1862 wurde mir im
Verfolg der, mit dem gelehrten König Mongkut (der damals auf dem Thron
Siam’s sass) geführten, Gespräche der Zugang zu der Bibliothek des könig-
lichen Palastes eröffnet, und neben Geschichtswerken, die zu Auszügen für
Übersetzungen benutzt wurden (cf. V. d. östl. Ab. I. S. 289 u. flg.), fand ich
dort ein illustriertes Kunstwerk, auf das buddhistische Weltsystem bezüglich,
aus dem gleichfalls einige Absätze kopiert sind (cf. V. d. östl. As. III, S. 353).
Mein Wunsch einer genauen Kenntnisnahme konnte damals nicht
realisiert werden, doch hat sich derselbe in späterer Erinnerung oftmals
erneuert und zu mancherlei Korrespondenzen geführt, mit denjenigen
Adressen in Bangkok, die anderer Zwecke wegen für das Museum sich
thätig erwiesen hatten.
Lange blieben die Nachfragen ohne Erfolg, da das Buch in der Palast-
Bibliothek nicht länger auffindbar erschien, und erst im vorigen Jahre
ermöglichte ein glücklicher Zufall eine Spur wieder zu erlangen, dank der
gütigen Bemühungen des durch seinen langen Aufenthalt in Siam, und ein-
gehender Studien der einheimischen Verhältnisse mit denselben bestver-
trauten Herrn Gerini, Direktors der Ivadetten-Anstalt (Military College,
Bankok).
Die Resultate ergeben sich aus den beifolgenden Mitteilungen letzter
Briefe darüber (aus dem Englischen übersetzt).
Bangkok, 8. März 1894.
Geehrter Herr!
Es macht mir grosses Vergnügen, Ihren sehr freundlichen Brief
vom letzten Januar zu beantworten, in welchem Sie mich um Nachricht
in betreff des Trai-Phüm und anderer Stoffe befragten.
Bald nach Empfang desselben lieh ich das berühmte Trai-Phüm-Buch,
Welches einst dem König Phyä Так gehörte, und schickte an Dr. Haase
eine Mitteilung, dass er herkommen und es ansehen möchte und alsdann
seine Meinung an Sie berichten. Ich hoffe, dass sie seinen Brief vor
diesem erhalten haben. Ich würde, als ein genauer Kenner des Gegen-
standes, den Ankauf dieses einzigen Werkes für Ihr Museum sehr em-
pfehlen, da ich sicher bin, dass, wenn nicht die gegenwärtig günstige
Gelegenheit ergriffen wird, es vorteilhaft zu erwerben, irgend einer sonst
das Buch kaufen wird.
72
Dr. Haase *) wird, wie ich hoffe, Ihnen Mitteilung gemacht haben
von dem Umfang des Buches, von der Schönheit und Frische der Illustra-
tionen und der durchweg sehr guten Erhaltung (das Alter betreffend) einer
jeden Seite. Ich werde einige wichtige Einzelheiten noch hinzufügen.
In erster Linie habe ich Sie davon zu unterrichten, dass dieses Werk
keineswegs den Text des Trai-Phüm enthält; es umfasst dagegen die Illu-
strationen der einzelnen Teile jener Abhandlung, mit einigen erklärenden
Worten auf jeder Seite, die in modernen siamesischen Charakteren ge-
schrieben sind. Zu Anfang des Buches und gelegentlich weiter hin finden
sich einige Seiten Text in Siamesisch und einige Teile in Pâli, die aus
dem Text des Trai-Phüm ausgezogen sind. Die auf der ersten Seite
eingeschriebene Vorrede sagt wie folgt (die Übersetzung ist meine eigene
und ich garantiere für ihre Richtigkeit): »In dem 23178ten Jahr der
buddhistischen Zeitrechnung, heute, Dienstag, 12ten Mond-Tag des llteD
Monats der Chular-Zeitrechnung des Jahres 1138, Jahr des Affen, kam
der König (Phyâ Tâk Siii) heraus, um in der Thronhalle, inmitten des
Königlichen Palast’s, in der Hauptstadt Tönburi Çrî Mahâ Sämud (Bangkok)
gelegen, einer zahlreichen Versammlung von Edelleuten und Beamten
Audienz zu geben. Nachdem er dort den Text des Trai-Phüm geprüft hatte,
entsprang der Wunsch, dass alle seine Unterthanen die drei Aufenthalte
(bhümi) und die fünf Lebensbedingungen (gati) aller Wesen, ob himmlisch,
menschlich, ob den unteren Regionen angehörig, (in asuras, prêtas) etc. kennen
lernen sollten, und so befahl er dem ersten Minister Chân Phrayâ Çrî-Dhakma-
dhirây, ein zusammenlegbares Buch erster Güte zu besorgen und es
zeichnungskundigen Männern zu übergeben, um mit allen notwendigen
Figuren in der Residenz der Shanga-räja bemalt zu werden, welche mit der
Inschrift des Textes und der Erklärungen, in Übereinstimmung mit den ge-
heiligten Pâli (Schriften), versehen sein werden, so dass es als ein Modell
für die Zukunft dienen kann«. Gezeichnet (in Unterschrift):
Luang Phetyavakan
Nai Nan
Wir
Nai Buntsa
Nai Riong
Nai bunga
Nai jet
Nai Son
Nai thong kam
(zu des Königs persönlichem Gebrauch).
wir
haben gemalt die
Illustrationen
als Schreiber (alak-shanas),
haben d. Text geschrieben
‘) Dieser für königliche Dienste im Palast zu Bangkok beschäftigte Natur-
forscher ist seitdem aus dem Lehen geschieden (nach hier eingegangener Trauer-
nachricht).
73
Dieses ist, textmässig, die Inschrift der ersten Seite, welche Ihnen
sofort zeigen muss, dass wir uns hier einem Musterwerk von der wirk-
lich ersten Klasse gegenüber befinden. Ich kann hinzufügen, dass dieses
das einzige Werk seiner Art ist, welches in Siam, ja sogar in der Welt,
zu finden ist; sogar die Bibliothek des Königs besitzt nicht eine so schön
illustrierte Kopie desselben Werkes; und es steht in Voraus fest, dass, wenn
iuan dort von dieser Kopie wüsste, sie sofort verlangt werden würde. Die
gegenwärtige Besitzerin ist eine Palastdame, von der Familie des Königs
Phyä Täk abstammend; und da sie das Buch als eine Familien-Erinnerung
besitzt, so würde sie um keinen Preis dazu beistimmen, sich von ihm zu
trennen. Aber ich überredete einen ihrer Verwandten, mit welchem ich
in bester Freundschaft lebe, sie zu veranlassen, das Buch an mich zu
verkaufen, da dasselbe, nach meinen Darlegungen, an ein europäi-
sches Museum gesendet werden sollte, um dort als ein ewiges Muster
siamesischer Darstellungs-Kunst vergangener Jahre aufbewahrt zu werden.
Da ich ein grosses Interesse daran habe, dieses seltene Buch nicht in
den Händen sorgloser Eingeborenen zu lassen (denn es ist zu fürchten, dass
es eines Tages verloren gehen oder zu Schaden kommen wird), so habe ich
»lieh entschlossen, für Sicherung desselben in einem europäischen Museum,
die Erwerbung sobald als möglich zu veranlassen, weil ich sehr besorgt
bin, dass entweder die Eigentümerin anderen Sinnes werden mag, oder
das Buch in fremde Hände übergehen kann.
Ich würde viele Seiten gebrauchen, um Ihnen nur eine trockne Liste
des Inhaltes der 128 illustrierten Seiten (in einer Grösse von 0,51 X 0,27 m)
des Buches zu geben. Mag es genügen zu sagen, dass ausser Scenen der
drei Welten und der verschiedenen Wesen, welche sie bewohnen, ferner
üoeh dargestellt sind zahlreiche Scenen aus dem Leben Buddhas und auch
aus seinem früheren Leben als eines Boddhisatta, welche aus den Jätakas
»»d spezieller noch aus den letzten zehn Jätakas entnommen sind, welche
von den Siamesen in der höchsten Verehrung gehalten und die grossen
genannt werden. Diese Geschichten haben Sie sicherlich auf den Mauern
der siamesischen Tempel illustriert gesehen, aber gewiss sind sie in keinem
derselben, nicht einmal in dem neu erbauten königlichen Tempel so ge-
sandt, ja sogar so künstlerisch schön gemalt als in diesem Buch. Und ich
bann hinzufügen, dass der Stil der Malerei in diesem Buch von dem heut-
zutage üblichen verschieden ist; und die dazu gebrauchten Farben sind
alle von ächtem siamesischen oder chinesischen Ursprünge, so wie sie von
Mtersher gebraucht wurden. Heutzutage gebrauchen siamesische Künstler
Malerei-Materialien europäischer Manufaktur. Es würde einen sehr ge-
glückten modernen Künstler verlangen, um eine Kopie des Werkes zu
Aachen; und alsdann würde es weit hinter dem Original zurückstehen,
74
und die Kosten würden den dafür geforderten Preis übertreffen. Die
meisten der Figuren sind vergoldet und die Vergoldung ist überall voll-
kommen unberührt.
Das Buch kann seiner ganzen Länge nach (ungefähr 10 Meter) ent-
faltet werden, und da es auf beiden Seiten bemalt ist, würde es, wenn
es in einem Glasschrank aufgestellt wäre, einen der grössten Anziehungs-
punkte eines ethnologischen Museums bilden. Au und für sich ist es
vollständig genügend, eine vollkommenere Vorstellung von buddhistischer
Weltlehre und Schriftlehre zu geben, und keine bessere lässt sich denken,
als man aus einem Durchlesen der Seiten des Trai Phüm-Textes selbst ent-
nehmen kann.
Ich muss hier zu Ihrer Information hinzufügen, dass kein Original-
Text des Trai Phüm in Pâli existiert. Das Werk, Trai Phinn!) genannt,
ist in der Siamesischen Sprache geschrieben und war auf Befehl desselben
Königs Phyâ Täk zu ungefähr derselben Zeit mit dem illustrierten oben
beschriebenen Buche, aus Pâli-Werken zusammengesetzt, von Kommen-
tatoren der buddhistischen Schriften kompiliert. Solche Werke werden
von modernen siamesischen Buddhisten als nicht kircliensatzlich be-
trachtet. Unter ihnen kann ich die folgenden erwähnen:
1. Lokadhipaka.
2. Loka santhäna pannatti.
8, Okâsaloka, etc.,
welche noch in dem ursprünglichen Pâli in Siam existieren und, obgleich
mit einiger Schwierigkeit, verschafft werden können.
Das hier von dem verehrten Korrespondenten über Siam Bemerkte
stimmt mit dem betreffs Birma Gültigen überein, wo ich verschiedene Bücher
dieser (dem Litteraturkreis der Purana etwa entsprechenden) Veröffent-
lichungen erwerben konnte, und gewinnt sich aus ihnen erst ein Einblick in
die Schaffensthätigkeit des volkstümlichen Denklebens, während das Interesse
an den orthodox-gelehrten Texten lebhafter vou denjenigen gefühlt ist,
die sich dieselben monopolisiert haben (zunächst für philologische Zwecke)-
Dass dieses Werk, wie der verdienstvolle Wiederauffinder desselben
schon bemerkt, als ein Unicum zu betrachten ist, als eine Art „Codex
argenteus“ (obwohl mehr golden als silbern und somit etwa „aureus“) des
Buddhismus (der ältesten und weitverbreitetsten Religion auf der Erde)*
bedarf für den Kenner ostasiatischer Verhältnisse keiner Auseinander-
setzung. Was sich Ähnliches in China oder Japan antreffen möchte,
wäre immer nur die Darstellung einer Schule (und von parteiischer
‘) Der korrekte siamesische Titel ist; Trai Phùm Vinijjhai.
75
Polemik rasch dann zerfetzt), während derartig tibetische Analogien auf
den Klosterbesitz beschränkt bleiben würden (und in dessen Umbereich
nur gültig).
Der dem Hinajana heilige Centralsitz seines Glaubens auf Lanka (wo-
hin die Palladien des Buddhismus von Buddha Gaya geflüchtet waren),
liegt allzusehr in einem Mittelpunkt des internationalen Verkehrs, als
dass Zersetzungen hätten fern gehalten werden können, zumal seit der
dortige Boden theosophisch überwuchert ist (unter dem Zwischenfall
dichterischer Phantastereien aus dem »Light of Asia«). Diese innerhalb
eines Jahrzehnts vollzogene Umwandlung hat sich mir deutlich genug
ergeben aus Vergleich der Gespräche vom Jahre 1890 mit denen des
Jahres 1880, und weitabstehend diese schon von denen, die im Jahre
1861/62 in den Klöstern Birma’s und Siarn’s geführt werden konnten,
in diesen beiden Ländern lag die offizielle Vertretung in der Hand des
Staatsoberhauptes selbst, indem sowohl König Mendu-min (wie von früher
verwalteter Provinz benannt) in Birma, wie (in Siam) König Mongkhut
an der Spitze der buddhistischen Hierarchie stand, als gelehrtester
Repräsentant derselben. Das Gleiche galt zur Zeit Phaya-Tak’s, des
Wiederherstellers der nationalen Unabhängigkeit der Thai, und was damals
in einheimisch-technischer Vollendung hergestellt werden konnte, würde
jetzt aus dem Bereich irgend welcher Möglichkeit liegen, infolge der
seitdem bereits zur Durchwirkung gelangten Einflüsse aus unserm arischen
Kulturkreis (unter raschen Steigerungen fremdländischen Handelsverkehrs,
von Jahr zu Jahr).
Schon dass ein ähnlicher Plan nochmals gefafst werden sollte, gehört
zu den Unmöglichkeiten, da Birma ohnedem, mit Verlust seiner nationalen
Selbständigkeit (unter englischer Herrschaft) zu streichen wäre, und in
Siam, das allein übrig bliebe, sich heutzutage selbstverständlich kein
Kunstprodukt schaffen liesse, das einem hundert Jahre älteren die
Rnorität bestreiten könnte.
Und so lässt sich ohne Widerspruch als faktisch konstatieren, dass
vom Buddhismus unter seinem populären Durchschnittscharakter (also
für kulturhistorisches Volksleben bedeutsamsten) die einzig beste Kopie
(°der der eigentlich einzige Originaltext gewissermassen) fortan im hiesigen
Museum aufbewahrt bleiben wird (zum Besten der Fachstudien).
A. B.
9
Im »Ethnologischen Bilderbuch« (Berlin 1887) findet sich (auf
Tafel V) eine bildliche Darstellung1) des Nirvana, als Sunya, in der Leere
(und Lehre) des Mahayana, während hier aus dem Hinayana ein Seiten-
stück geboten wird, in der einem himmlischen Jerusalem (der Apokalypse)
entsprechenden Myang (Stadt) Niphan (den Illustrationen des Trai-Phum
entnommen), cf. Vlkr. ds. östlch. As. (Ill, S. 353).
Die Vielfachheit weit differierender Definitionsweisen des Nirwana
folgt, erklärlich genug, wie mehrfach bereits bemerkt, aus den in Gefühls-
strömungen schwankenden Umrissen, worunter Eschata, die über jede
Begrifflichkeit transcendierend hinausliegen, versinnbildlicht werden sollen,
und ein in den Ländern der Civilisation umhergesandter Fragebogen be-
treffs der von den verschiedenen Gesellschaftsklassen (und bei den Ein-
zelnen wieder in diesen) über das Himmelreich2) und seine vielen Wohnungen
herrschenden Vorstellungen, würde voraussichtlich eine bunteste Musterkarte
liefern, mit uranographischem Anschluss vielleicht an eine »pluralite des
mondes« (im Stile buddhistischer Chiliokosmen). Wie der Inder, je nach den
Favoriten in der Trimurti, den Hofstaat in Kailasa oder Vaikuntha, hat
der Islam den Thronsitz seines Allah mit stereotypen Zierstücken ausge-
schmückt, dogmatisch verbindlich für den Glauben, während bei (oder
auf) dem Buddhagama, als religiös-philosophischem System, die Dialektik
das grosse Wort führt, und zwar zunächst mit den der Psychologie ent-
nommenen Argumenten, weil den seelischen Interessen, die hier in Betracht
kommen, nächstliegend (auch in den »seelenlosen« des Abhidharma).
‘) Nieh-pan Jiien-tsing (reine) Ruhe (Tsing) abgerundet (jiien) in Nirvana 3
Einheit (in Friedensruhe) oder Nehan Enjoh (japanisch).
*) Die in den Himmel Aufgenommenen schauen unverhüllt den droieinigen Gott,
meritorum tarnen diversitate, alium alio perfectius (nach dem Concil von Florenz), mit
Fürstentümern und Herrschaften (aus der Epistel an die Epheser) in den Himmel0
allen („omnes coeli“), über dem dritten (paulinischen Paradieses), wo der messianiscb©
Hohepriester an der axrp-q (der Stiftshütte) fungiert, unter (apokalyptischer) Gottes
herrlichkeit im ewigen Jerusalem (mit Psalmengesängen einer „divina comoedia“)'
Aus dem (b. Matth.) geöffneten Himmel fallen (b. Marc.) die Sterne (am Weitend©)'
Die genauere Ausmalung wird vom Pfarrer Oberlin systematisiert, in seiner „Ural10
graphie“ (J. W., III, S. 30).
Und indem es sich hier nun um einen logisch geschlossenen (dem-
nach also kontrolierbaren) Gedankengang handelt, kann insofern von
demjenigen gesprochen werden, was der Orthodoxie als richtig normal zu
gelten hätte.
Die sobezüglich vorgeschriebene Zielrichtung hat unter dem Wechsel-
spiel der Ayatana und Aromana, beim Aufsteigen zu den Meditationsterrassen
der Dkyana, auf Grand der (Manas und Dhamma verknüpfenden) Korrespon-
denz, in »Asangkhata-Ayatana« auszulaufen, beim Hinübertritt aus den, zu
den Phala leitenden, Megga in Akasaloka’s Nitya, wenn für des Neibhan
oder Nirvana’s Erlösungswort das Ohr geöffnet steht (im Vollgenuss der
langersehnten Friedensruhe).
Unter Avidya’s dunkel um nächtender Vergessenheit lag die Wurzel
verborgen, für all das Unheil, das unter der Wiedergeburten Qualen im
Leid des Lebens zu tragen gewesen war, und jetzt strahlt es in der Panja
Lichteshelle, seit hei dem Umbegriff Asangkhara’s auf festgelegten Stützen
(Ayatana) Sangkhara’s Nichtigkeit entschwindet (als der Maya täuschender
Trug), da die Durchschau gewonnen ist mit Verständnis des Dharma (bei
Einheitlichkeit des physischen und moralischen Gesetzes).
Diese seit ausführlicher Formulierung — (1871), cf. Z. f. E. (S. 240)
in den nachfolgenden Abhandlungen über den Buddhismus ausverfolgte
Definition des Nirvana, als »Asangkhata-Ayatana« bedarf keiner noch-
maligen Wiederholung (zumal da mir bei letztem Aufenthalt in Indien
nochmals bestätigt).
Aus der bildlich durchgeführten Darstellung ergiebt sich für die
üranographischen Provinzen ihre schematische Anordnung, um den Meiu,
im Mittelpunkt des Weltsystems gruppiert. Die Kalpe des Windes reicht
bis zum dritten Dhyana, in die Region der Subhas oder Reinen hinauf,
die des Wassers bis zum zweiten Dhyana [die Lichtgötter (mit den
Abhasvaras) einbegreifend], während der des Feuers, wie die Freudenhimmel
(der Deva), auch die Meditationsschichtungen der Brahmas verfallen (im
eisten Dhyana).
Beim Anbruch gegenwärtiger Periode, — welcher die (typhonische) Zer-
störung durch Sturm in (Cyklonen oder) Hurrikanen (antillisch, ihren mexika-
nischen Tonatiuh korrespondierend) voraufgegangen —, hätte die Bühne also
»ait dem vierten Dhyana allein noch übrig (in Adrishta) zu eröffnen,
nnd dort auf unterster Terrasse weilen die Vrihatphala, als Verdienstvollste,
deren thätigem Eingreifen (kraft solch’ überschüssigen »Thesaurus
nmritorurn«) die Wiederherstellung zu danken ist, denn über ihnen machen
8ieh schon die Vorwehen eines in thatloser Friedlichkeit abgeglichenen
Ruhezustandes (für den Ausgang in Nirvana) merkbar, mit den in Schlummer
78
versenkten Asandjnisattwas, den Atapas (oder Schmerzlosen), den in
Schönheit Schauenden (Sudr^as) oder den darin (mit abschliessender Voll-
endung der Form oder »Rupa«) ansgestaltet (als Sudar^anas) Erscheinen-
den (bei Idealisierung des »Eidos«), und dann, von Heimstätten der Höchsten
oder Akanishtas, zweigen die Megga (Pfade) ab (für ihre Früchte oder
Phala).
Die Vorschöpfung aus dem Unsichtbaren (oder, in Adrishta, Unge-
sehenen) setzt also ein (am Erstbeginn) mit Wiederherstellung der wegen
(durchsichtiger) Reinheit ebenfalls noch nicht gesehenen Rupaloka (der
Subhas), und unter der hier von den Vrihatphalas ausgehenden Initia-
tive macht sich ein Nachzittern merkbar bis auf das Niveau der Atapas
hinauf, wodurch derjenige abgleitet, der erst in der Brahmaloka zum
Stehen gelangt, um Tapas zu üben (für demiurgische Schöpfung). Der-
selbe ist (im allzuraschen Schuss) dem dazwischen gebildeten Lichtbereich
hindurchgefallen, und aus diesem, (also aus höherer Rangstufe), stammt
nun die (durch irdische Gelüste) in Manushaloka (auf Djambudvipa) fest-
gehaltene Menschlichkeit ab (aus den Abhasvaras nämlich), wie (bei den
Maori) die Heimat der Menschenseelen in Autoia — nächst zu Aukumea
(unterhalb des Geistigen der »Wairua«, aus Rehu’s Sitz) — über die der
Nga-tauira (oder »Götterdiener«) steht, (für Ausströmung der Lebensquelle
in »Hauora«) auf dem Niveau der Engel (gleich Sanjang, der Dajak).
Die durch Eingehen des Buddha (in Nitya’s Okasaloka) in (eines Auto-
kineton) Bewegung gesetzten Schwingungen. Akasa’s, welche die ganze
Weite der Rupaloka mit dem Streben nach oben durchdringen (bis zur
Höhe der Megga umziehend, in Ajatakasa), haben unter (stoischen) Ele-
mentar Wandlungen, aus (feuriger) Luft in Wasser umgesetzt, dort (nach
unten hin) sich im Erdstoff [mit Djambudvipa an des (daselbst kosmischen)
Okeanos’ äussersten Rand] niedergeschlagen, und so, wenn an tiefster Grenze
kontemplativer Gedankenwelten, der Schöpfungsprozess beginnt, für den
xúxXos yeveaecoc (des Entstehens und Vergehens) anhakend (in Genesis),
erscheint an Spitze derselben (in Vaiwaswatti) der Todesgott oder Mara
(als »Herr dieser Welt«), dessen (in Maya spukende) Gaukeleien von den
Nimmaravati fortgesetzt werden, bisUnbefriedigtheit mit denselben (im leeren
Spiel) den ernsten Entschluss zur Incarnation erweckt (zum Künden des
Heils Wortes, durch den Phaya-alaun), und da fortab die Wege des Guten und
Bösen (in Kusala oder Akusala geschieden) abtrennen, vollzieht sich das
Gericht in Yama’s Wolkensitz, mit unterweltlicher Spiegelung (im Tar-
taros), wie aus Wechselbeziehung zwischen Nangaburra und Mangarara,
bei Larrikia, während [die, schlimm aus Naraka (zur Empörung) auf-
gährenden, Gelüste zügelnde] Ordnung durch Indra (in Tavatimsa) er-
79
halten wird, den Vajra schwingend, »über des Frevlers Haupt« (in Tus-
kien), gleich den Heno (indianisch) oder Njaro (auf Borneo), Shango (in
Yoruba), Perkunas, Thor, den Donnervogel (der Eweer sowohl, wie Atha-
pasker) u. A. m. (in vielfacher Wiederholung gleicher Elementargedanken,
unter ethnisch differenzierten Variationen).
Der ganze Erlösungsplan (als Rechtfertigungsgrund des Daseins)
centriert um Manushaloka auf Djambudvipa, worunter (bis zur Erweite-
rung in Awitchi) die Naraka gelagert sind, während die (bis zum Unab-
sehbaren aufsteigenden) Meditationshimmel im (geistigen) Auge getragen
werden, um dann als Maya zu verschwinden, wenn durch Asangkhata-
Ayatana die eigentliche Realität erlaugt ist (in der Wesenheit eigenem
RrvlU-J-'W
Aus Briefen Herrn Dr„ Uhle’s.
(Hierzu Tafel III.)
Im Interesse der amerikanischen Sammlungen des Königlichen Museums
für Völkerkunde zu Berlin wurde mit Herrn Dr. Uhle eine archäologische
Reise in Südamerika besprochen, wofür seitens des Ethnologischen
Comite’s Geldmittel zur Verfügung gestellt worden sind.
Mit dem Ausgangspunkt von Buenos-Ayres und archäologischen
Forschungen in den nördlichen Provinzen überschritt der Reisende die
Cordilleren, um seine Studien in Bolivien fortzusetzen, mit Hinblick be-
sonders auf die Monumente von Tiahuanaco, worüber von ihm das Pracht-
werk: Die Ruinenstätte von Tiahuanaco bearbeitet worden ist, in Verbin-
dung mit Herrn Dr. Stübel, und auf Grund des von dem Letzteren bei
seinem dortigen Aufenthalt beschafften Materials (wodurch zunächst die
gesicherte Unterlage für ein wissenschaftliches Studium dieser, für alt-
amerikanische Kulturgeschichte hochbedeutsamen Lokalität gebreitet
worden ist).
Eine Reihe wertvoller Sammlungen aus den verschiedenen Lokalitäten,
die von dem Reisenden berührt worden sind, ist bereits eingelaufen, und
gegenwärtig werden die Arbeiten (im Aufträge eines amerikanischen
Museums) am Titicaca-See fortgesetzt.
Einer der Ende vorigen Jahres in Berlin eingelaufenen Sendung von
Altertümern war die interessante Beigabe der hier mitgeteilten Quipus
zugefügt, worüber in der Korrespondenz gesagt wird:
»Erklärung der Quipus eines Schafhirten (von Challa, Titicaca-Insel)-
1. Los corderos y las ovejas, que estan en cuidado del pastor.
Weisser Hauptfaden bedeutend brauner Hauptfaden: die Machos,
die Hembras
190 Stück
200
190
100
100 Ver-
100 10 10 10 10 10 10 10 10 10
/'"S O Ö o o o o o o Ò
o
o •
o
1 9j que el
Neben-
1 ¥ faden lo
. J. ________
1 * mismo :
li 15 ovejas
pastor ha
gastado
\
bindungs-
knoten
im
Ganzen i
206
hembras
81
2. Weisser Hauptfaden: machos.
rnis m weiss
A 1 10 Ö
A 1 l ffl 13 junge
Weisser A 1 1 SB Corderos
Nebenfaden Al i A erhalten
19 junge Ai 1 , in einem
Corderos A i anderem
erhalten in A i Monat
einem Monat A i
t‘
Ol weisser
io OJ Faden
1 ffl „ | 15 junge Corderos,
1 № blauer , erhalten in
1 № i A > Neben- einem dritten Monat.
i A i i faden
\)
3. Weisser Hauptfaden: hembras.
[0 O io Q 1 weiss 10 Q> 0 10 o
15 junge A i 1 ® „ 1 17 junge ! Weisser Nebenfaden,
ovejas erhalten A i A i weisser l m > Neben- 1 * gelber ovejas erhalten 11 junge ovejas
in einem Monat A i A i 1 r i i A faden _ i 1 99 i A i A, > Neben- faden im zweiten Monat Monat.
Quipus 2 und 3 repräsentieren die Zahl der crias, machos y hembras,
welche der Hirt in drei verschiedenen Monaten von einem Hirten, welcher
eine andere tropa hütete, und welcher zu gleicher Zeit die madres der
betreffenden crias an die Queseria weiter lieferte, erhalten hat. Tn der
Queseria muss man die Quipus der erhaltenen madres auch haben. Der
ändere Hirt wird die gleichen Quipus haben über die crias, welche er an
den ersten Hirten abgegeben hat und die Quipus über die an die Queseria
äbgegebenen madres, so dass sich die verschiedenen Quipu-Reiheu zugleich
gegenseitig kontrolieren.
Ich habe somit das Vergnügen, 3 Quipus, wie sie bei den hiesigen
Hirten landesüblich sind, zu übersenden. Es gelang mir nicht beim
ersten Ansturm solche zu erhalten. Bei einem befreundeten Finca-
besitzer in der Nähe von Santiago de Huata weilend, konnte ich die
erhofften Quipus und die zugehörige Belehrung infolge des Misstrauens
des sich mehr mit Schafen als mit Ausländern verstehenden Hirten nicht
erbalten. Erst in Challa, der Finca von Miguel Garces gelang mir dies,
nnter Mithilfe des dortigen alten Administrators, Namens Machicado.
leb übersende Ihnen beigehend die 3 Quipus (Quait’u »Baden«) nebst dei
^gehörigen Erklärung, vermutend, dass ich einen vielleicht kleinen, abei
doch jedenfalls einen gewissen Fortschritt in der Erklärung dei alten
Qüipus damit mache. Was aus den beigehenden Quipus hervoigeht, ist
^nächst dies, dass die Stellen sich ziemlich genau ergeben, an welchen
Knoten 100 oder 10 oder Einer bedeutet, ferner, dass eventuell durch
Ve,,schiedene Farben verschiedene Gegenstände bezeichnet werden, dass
M. f. v. 6
ferner, wenn Fäden zur Hand waren, soweit es möglich war, Einer-
schnüre mehrfach mit andern Farben als die 10 er und 100 er Reihen
ausgedrückt wurden, dass ferner das ganze Quipus-System, wie es jetzt
existiert, im Grunde nur ein mnemotechnisches Hilfsmittel, und ahgesehen
von der Zahl und der Verteilung der Zahlen der Gegenstände, also ab-
gesehen vom arithmetischen Teile, im Grunde eigentlich nicht lesbar
waren. Vielleicht überschätze ich den Wert meiner erworbenen Beob-
achtungen. Aber es scheint mir, dass dieselben vielleicht in Bezug
auf den arithmetischen Teil der Lesbarkeit der alten Quipus eventuell
einen kleinen Fortschritt bedeuten.
Ferner übersende ich Ihnen eine Doctrina christiana in der Art
»Schrift«, von welcher schon Tschudi in seiner wertvollen Reiseschilderung
so verdienstliche Angaben gemacht hat. Was ich Ihnen übersende ist
eine Art bunter Fibel, die Rückseiten der einseitig bedruckten Blätter
dienten dem Indier als das billiger erreichte Material für seine Art
»Niederschriften«. Die Zeichen sind rot, der Angabe nach mit Sulfurin,
welches in Copacabana, auf der Plaza eventuell, gekauft werden kann,
hingemalt. Ich erhielt diese neue Art »Doctrina christiana« in Sampaya
von einem der dortigen hervorragenderen Indier, welcher in der Kapelle
beim Kultus als Art Musikant, in der Doctrina-Belehrung und in der
Abnahme der Konfessionen den anderen Indiern als Doctrinero dient und
gewissermassen von der Klerisei von Copacabana in dieser Bethätigung
bestätigt ist. Er heisst Serapio Chuquimisa. Wie er mir sagt, hat er
auf das Begehren anderer Indier für dieselben im Orte mehrfach der-
artige gemalte Doctrinas herzustellen. Sie werden schnell wahrnehmen,
dass auch diese Art Schrift ein ähnliches kümmerliches mnemotechnisches
Hilfsmittel ist, wie in anderer Weise die Quipus sind und waren. Von
einem wirklichen schriftlichen Ausdruck der Worte, oder einem guten
der auszudrückenden Gedanken ist keine Rede. Wenn einer die Kapitel
der Doctrina nicht schon halb im Kopfe hat, wird er, glaube ich, niemals
diese Art Schrift so zu sagen »lesen« können. Sie werden die einzelnen
Abschnitte leicht ausschneiden und vielleicht durch Zusammenkleben auf
einer Tafel für die Ausstellung im Museum zu vereinigen vermögen. Dass
es sich um dieselbe »Schrift-« Art handelt, wie die, über welche Tschudi
Notizen gegeben hat, versteht sich von selbst. Felle mit solcher Schrift
bemalt scheinen nicht mehr recht aufzutreiben, wie es zu Tschudi’s
Reisezeit der Fall gewesen zu sein scheint. Die Erinnerung, dass man
früher mit solcher Schrift Felle bemalt, existiert wenigstens noch bei der
Klerisei von Copacabana. Von Copacabana an giebt es wenigstens bis
Sampaya und Challa auf Titicaca immer noch einzelne Indier, welche von
dieser Art Schrift wissen oder sie verstehen.
83
In den nächsten Monaten kann ich Ihnen vielleicht noch eine Probe
einer anderen figürlichen Art von Gedanken-Expression schicken, welche
dem Charakter phonetischer Schrift schon weit näher kommt, wenn sie
auch vielleicht dem Charakter platter Niederlegung von Gedanken auf
gleichförmigem Material, wie der gewöhnlichen Schrift auf Papier, oder
durch Knotenreihen auf Schnüren etwas ferner tritt. Ich werde Ihnen
seinerzeit das Betreffende genau explizieren. Wenn Sie die hier Ihnen
übersendeten Quipus und die Probe der neuer entstandenen Figuren-
» Schrift« (analog etwa den Rebusfiguren im unteren Teil des Frieses des
grossen Monoliththores in Tiahuanaco) mit kurzen Bemerkungen gelegent-
lich der anthropologischen Gesellschaft vorzuzeigen die Güte haben wollten,
so, glaube ich, würde vor der Hand vollkommen zweckentsprechend auf
die erwähnten interessanten Gegenstände mehrseitig das Augenmerk
gelenkt sein (cf. Z. f. E., Yrhdlg. Jan. 1895).
In mancher Beziehung benötigt das Lesen der Bildschriftart die
Kenntnis des Aimara, wie ich mir zugleich anzufügen erlaube. So ist
das Wort für »erstens« z. B. »naira«, welches zugleich das Wort für
Auge ist. In dem Fall drückt das Bild des Auges zugleich »erstens« aus
(kommt mehrfach vor). Hier ist also schon etwas wirklich Bildschrift-
artiges vertreten.
Ferner werde ich in ein paar Wochen andere Quipus - Beispiele,
mindestens eines schicken können. Die Frau Subpräfektin (Subpräfekt
Dr. Cuenca der Provinz Omasuyus unterstützt mich gütigst wirksamst
durch Empfehlung) hat mir Quipus über die Kartoffelerntenabrechnung
der Indier versprochen, und diese Quipus sollen vielleicht noch hübscher
sein!« —
Die bisher eingegangenen Quipus finden sich in der amerikanischen
Abteilung des Museums für Völkerkunde aufgestellt (wo auch die übel
bewahrt wird), und würde die in Aussicht gestellte Vermehrung höchst
schätzbar sein, da die Erforschung der hier gestellten Frage niemals noch
in der Hand eines gleich gründlich geschulten Forschers gelegen hat, wie
jetzt in der Herrn Dr. Uhle’s, der mehrere Jahre hindurch in der ame-
rikanischen Sammlung des hiesigen Museums thatig, und durch lange
Zusammenarbeit schon seit früher mit Herrn Dr. Stübel verbunden ge-
wesen ist, in dessen Namen das soweit fachgerechte Wissen von den
dortigen Ruinenstätten ausgedrückt liegt (weil aus den durch die Re
Zitate seiner Reise beschafften Materialien aufgebaut).
A. B.
6*
Die Jahresberichte des Ethnologischen Bureaus in Washington — wahre
Monumenta oder „fundamina“ Ethnologiae prima — bestätigen mit jedem neu
hinzutretenden, dass das durch Begründung dieses wissenschaftlichen Instituts
markierte Reifestadium der Völkerkunde zum vollen Austrag ihrer Ernte
gereift steht.
Die Phasen ethnologischer Entwickelungsgeschichte kennzeichnen sich durch
wenige Teilstriche, denn aus kurzer Spanne mitlebender Generation vermögen
wir noch hinüberzublicken in eine Vorzeit hinaus, wo Nichts nocli war.
Als in Annäherung der Geburtsstunde die ersten Wehen sich regten, war
die ethnologische Litteratur ein leeres Blatt, abgesehen von dem, was etwa unter
Meiner’s und Klemm’s Namen verzeichnet stand, oder aus Bertuch’s geschäftlichem
Betrieb; zumal da, was in Indien geschehen war — durch Logans „Journal of the
Indian Archipel“, den „Asiatic Researches“ oder Verhandlungen der batavia’schen
Gesellschaft — über Singapore, Kalkutta oder Batavia kaum hinauskam und
europäische Vereinsschriften auf die sporadischen Blätter der „Société d’Ethno-
logie“ in Hauptsache beschränkt blieben (neben dem, was etwa französischen und
englischen Ethnographien, auch ethnologisch, zu entnehmen war).
Waitz’ Anthropologie der Naturvölker erschien in demselben Jahre (1859/60),
als die Drucklegung für den „Mensch in der Geschichte“ begonnen hatte, und
wenige Jahre später bereits (1871) erhielt das unbehülflich anwachsende Roh-
material eine erst provisorische Sichtung durch Tylor’s bahnbrechende Arbeiten,
während gleichzeitig die Entpuppung ethnologischer Museen begann, aus dem
Raupencocon der Raritätenkabinette.
Die nächste Etappen station fällt in das Begründungsjahr des „Bureau of
Ethnology“ (im Jahre 1879/80), und da während seiner Thätigkeit der funda-
mentierende Untergrund festgelegt ist, wird das methodische Studium der
ethnischen Differenzierungen (in den Völkergedanken) seinen methodischen Fort-
gang nehmen können, auf dem Mutterboden der geographischen Provinzen (unter
den Schwankungsweiten des historisch zugehörigen Horizontes).
Und solche Anpflanzungen werden auf dem Brachfeld einer neuen Welt,
wo die Überlebsei ethnischer Stammeseigentümlichkeiten lebendig noch vor Augen
stehen — (und diese zugleich aus archäologischen Funden die Wunder einer unter-
gegangenen Kulturepoche vor sich sehen) — ihre systematische Pflege am geeignet-
sten in demjenigen Kreis erhalten, der in den Namen seiner Fachgelehrten eine für
die Arbeiten im Feldlager der Expeditionen sowohl, wie in der Stille der Studier-
stube gleich wohl geschulte Elite verzeichnet (unter den Mitarbeitern des Ethno-
logischen Amtsbereichs). In ihrer „neuen Welt“ wird unsere neue Wissenschaft desto
85
unbehindert üppiger zur Entfaltung einportreiben, denn in diesem Falle vor
Allem gilt des Dichters Wort:
„Amerika, du hast es besser
Du hast keine verfallenen Schlösser“,
die uns daheim gar manch’ wertvolle Kulturschätze zwar bergen, aber für
neumodisch moderne Hinzu-Erwerbungen sich langsamer nur öifnen, als die Kürze
der Frist gestatten will.
Noch ist es Tag, da rühre sich der Mann
Bald ist es Nacht, wo Niemand wirken kann.
Längst schon hat die elfte Stunde geschlagen; und was bei dem unter (und
über) den ethnischen Originalitäten dahinrasenden Grossfeuer nicht eben gerade
jetzt, im Augenblick des „Nun“ gerettet wird (in den Sammlungen), ist dahin
dann auf immer, so lange ferner dem Menschengeschlecht sein Dasein auf der
Erde beschieden sein mag: weil, — wenn später man heulen wird, vor Schmerz
und aus Wut (über das, was durch Gleichgültigkeit verloren gegangen) — keine
Schätze der Welt zum Wiedergutmachen helfen können: nachdem es „zu spät“
geworden.
Der jüngste neue Band („Eleventh Report“) bringt wiederum neues Material
in reicher Fülle, — nagelneues zum Teil, und dennoch sämtlich (so zu sagen) altbe-
kanntes, da jeder Charakterzug sich stillschweigend einordnet in die Rubriken der
elementaren Spannungsreihe (psychischen Denkstoffs), wie sie sich durch thatsäch-
lieb aufgedrängte Aussagen hergestellt hat (seit letztem Decennium). Bei solch’ aus
ununterbrochener Mehrung durch objektive Kontrolle akkumulierend verstärkter
Bestätigung der Überzeugung, dass ein erst statistischer Abschluss in Umschau
über die ethnischen Denkmöglichkeiten erreicht ist, bleibt jedes zum Kommentar
hinzugefügte Wort (in überflüssiger Abschwächung) besser erspart.
Der mit dem Detail vertraute Sachkenner trifft auf den ersten Blick den
springenden Punkt, und der im Studium Heranwachsende wird für die bevor-
stehenden Aufgaben, wenn er durch emsiges Bemühen die Übung des Zwischen-
den-Zeilen-Lesens erworben hat, sich für die weiter bevorstehenden Aufgaben
gründlicher geschult erweisen, als wenn auf den Nürnberger Trichter wartend,
der ihm fremde Hirnweisheit einzuträufeln hätte. Denn da es sich um natur-
gesetzlich festgestellte Elementargedanken handelt, werden sie eben auch ihm
wieder sich manifestieren müssen, ob früher oder später, und dann die Probe
der Richtigkeit nochmals wiederum desto besser (und gesicherter) bezeugen, als
Wenn die Überredungskünste missionaristischer Bekehrungssucht zwischenhinein
gespielt hätten. Seitdem im Laufe des letzten Jahrzehntes Alles so trefflich in
Gang gekommen ist, wird einem vollendeten Ausreifen der Früchte mit desto
vollerer Zuversicht entgegengesehen werden dürfen, je weniger die normal orga-
nische Entwicklung durch subjektives Zwischengreifen abgelenkt oder überhastet
^t. Am gemeinsamen Werk der Menschheitsgeschichte werden die kommenden
Generationen fortzuarbeiten haben und wer einen brauchbaren Baustein hinzu-
getragen, hat damit seine Schuldigkeit gethan, wenn aufliegender Pflicht ge-
fügt ist, (nach Mass der zugemessenen Kraft).
In Anbetreff der kritischen Sachlage der Ethnologie, auf dem Ubergangs-
terrain zweier Geschichtsepochen (mit dem einen Fusse hüben, dem andern drüben)
schliesst dem ersten Artikel (The Sia, by M. C. Stevenson) der Direktor des
Bureau of Ethnology (Major Powell) zutreffende Bemerkungen an:
„Even since the observations were completed, the introduction of agricultural
art and the invasion of civilized influences have materially modified the aboriginal
condition of the Sia, and this record must accordingly become a standard of reference
concerning these people for all future time“, unter den monumentalen Denk-
mälern, wie verlangt durch dieZeichen der Zeit (als Grenzpfähle; die Scheidung
markierend zwischen dahin schwindender Vergangenheit und neu anbrechender
Zukunft).
„Both students and laymen will undoubtedly be surprised at the elaborateness
of religious and ceremonial detail among a people almost unknown ') and of whom
only a remnant exists, their life rivalising in mystical features that of ancient
nations as recorded in sacred and secular literature“, heisst es weiter im „Report
of the director“ (Powell).
Man realisiere also, was dies besagen will. Dasjenige, was wir bisher, so
lange die Erde sich dreht, nur einmal vor Augen gehabt haben (ein jedes Kultur-
oder Wildvolk innerhalb seines Heimskringla), die ethnische Weltanschauung näm-
lich (das psychische Gemälde des zoopolitischen Organismus also) —• dieses An-
schauungsobjekt wird gegenwärtig (bei geographischer Überschau des Globus)
der Induktion dargeboten, für ihre komparative Behandlungsweise, zwar (zeitlich)
einmal nur (in kürzester Frist für Anschau und fixierende Aufnahme), aber (räum-
lich) in unzählbaren Vervielfachungsfällen; denn auf dem amerikanischen Kontinent
allein werden sich, mit Eintreten ins Detail (sofern ohne Versäumnis rechtzeitig
noch geschehend, ehe dafür zu spät) hundert- oder (wenn man will) tausendfache
Beobachtungsobjekte in abgeschlossenen Zirkeln bieten, wie die der Sia hier (denen
schon im Kreisumbegriff der Pueblo eine Vielheit anderer zur Seite steht). Und
wenn, was hier dem Studium sich bietet, primitiv einfach erscheint, im Vergleich zu
den grandioseren Schauspielen, wie von den Geschichtsvölkern vorgeführt, so
liegt darin gerade der dringendste Ansporn zu methodisch genauer Durch-
forschung, um aus dem Einfachen das Zusammengesetzte zu verstehen: um aus
x) „ While cultured nations are constantly engaged in perpetuating the memory of
their thoughts and achievements by means of some alphabetic or syllabic system of
writing, the uncivilised hunting or fishing tribes possess none, or only the most imperfect
means of recording their affairs. All of them possess mythic tales, traditional history,
and songs for various incidents of life; not a few are even originators of didactic
folklore, of proverbs, and of versified rythmic poetry. Many of these mental produc-
tions are remarcable for artistic beauty, others for a most interesting variety of detail;
but all of them will, if collected with accuracy and sound jugdment, throrv a profusion
of light upon the physical and mental characteristics of the natives and on their past
and present condition“ (s. Gatschet), und auf die ethno-psychischen Wachstumsgesetze,
die aus elementar gleichartigen Unterlagen den Menschheitsgedanken durchwalten, — wie
durch die vergleichungsfähigen Differenzen des (unter geographisch-historischen Be-
dingnissen variierenden) Völkergedankens ans Licht gestellt, seitdem dieses emporge'
leuchtet ist (für den induktiven Forschungsgang in der „Lehre vom Menschen“).
den Wildstämmen nun eben, als Kryptogamen des Menschengeschlechts, für
Kenntnis der allgemein durchwaltenden Denkgesetze, dieselben Aufklärungen zu
gewinnen, wie sie der Botanik zu Gute gekommen sind, seit ihrem (vom biologischen
Niederblick in die Zellprozesse datierenden) Eintritt unter die, genetisch (ge-
und) erklärten, Naturwissenschaften (denen auch die Psychologie sich anzureihen
haben wird, im ethnischen Gewände).
Die zweite Abteilung des zweiten Bandes (Lucian M. Turners „Ethnology
of the Ungava district, Hudson Bay territory“) liefert (neben anderen schätzbaren
Materialien) mancherlei Ergänzungen zu dem, was aus Egede und Crantz über
das Geistesleben der Eskimo bekannt war, besonders zu dem, was (nach deren
Berichten) der Innerterirsok verbietet (der auch den Athapasken einen Niess-
brauch nur dessen erlaubt, was zum Lebensunterhalt erforderlich zu gelten hat).
Indem das Denken die hn Persönlichkeitsgefühl gelebte Fassung des Selbst
in die Dinge (des Nicht-Ich) hinausverlegt, beleben sich ihm die Naturgegen-
stände (nach menschlicher Analogie), und so steckt überall der Haltia (der Finnen)
oder Shin (ehinesich), in Gana (der Dajak), Kelah (der Karen), Kla (in Guinea),
Nant-e-na oder Okki (indianisch) etc. Wenn nun aus den unter Oberherrlichkeit
Tung-ak’s(Torngarsuks) stehenden Elementargeistern (der Innuit) der „special guar-
dian“, (each person is attended by), sich als „malignant in character“ erweist (s. L.M.
Turner) oder (bei den Naskopie) „all spirits are by nature bad“ (der „patron spirit“,
als Einsitzer in „every objeet“), so erweist sich solche Schlussziehung (aui den cpftwos
der Götter) ebenso nahegelegt (aus dem Leid des Lebens), wie das Streben, die
schlimmen Folgen abzuwenden, dadurch: dass der Natur ihre Geheimnisse ab-
gelauscht werden, um sie zu beherrschen, kraft des Wissens Macht (im magisch
vornaturwissenschaftlichen Sinne); und der Eskimo sucht dies nun zu erreichen
(,,to learn the secrets of Tung-ak“), durch ekstatische Steigerung seiner psychischen
Thätigkeiten mittelst „fasting and abstinence“, in Einsamkeit, um „supernatural
powers“ zu erlangen (Tung'-ak is supposed to stand near and reveal these things,
while the person is undergoing the test). Wird es solchem „Zauberlehrling
dann Angst über die Geister, die er gerufen, so ergiebt er sich lieber dem Bösen
selbei*, ehe von ihm der Hals gebrochen wird (und so kommt dann auch hier der
Teufelsspakt zum Abschluss). Flectere si nequeo superos, Aclieronta movebo (im
klassischen Hexentum).
Es ist also wieder die alte, aber ewigneue Geschichte, die (beim „Schachspiel
zwischen weisser und schwarzer Magie“) in Loango sich dahin verschiebt, dass
der Endoxe wieder vom Ganga ablauscht, obwohl derselbe selbst auch schon
keineswegs abgeneigt zu sein braucht, seinen theurgischen Künsten goetische zu
substituieren (bei Doppelschneidigkeit des Pharmakon, in Milongo ebenfalls), und
andererseits der Ganga selbst als Abtrünniger gilt, vom Standpunkt des Endoxe
(cf. D. E. a. d. L. K. II, S. 161). „Wundern heisst übernatürliche Kräfte heilsam,
zaubern sie schädlich oder unbefugt verwenden“ (s. J. Grimm), und so hatten
die constantinisehen Decrete ihre liebe Not mit der Legitimität (um saubeie
i’eilungsstriche zu ziehen).
Auch die dritte Allteilung („A study of Siouan cults by Doisey) bringt
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dem ethnologischen Gourmand ein Menu hochpreislicher Delikatessen (für Intel-
lektuelles Schwelgen). Die alle Naturgegenstände durchdringenden Gana (des
Dajak) spitzen sich in der Seele des Menschen (dem Persönlichkeitsgeiuhl des-
selben zu genügen) zur Hambaruan zu, die beim Abscheiden ihre, in der
(dem mythologischen System eingebauten) Liau-Lewu, zudurchlaufenden Ge-
schicke durch das Tiwah-Fest vorbereitet erhält.
Den Seelenteilungen (der Dacotah) fehlt (gleich den homerischen) einheitlicher
Abschluss unter einem (stoischen) Hegemonikon, dem Tso (der Karen) oder (bei
Verbrüderung mit genialischem Schutzgeist) dem Ming-Khuan (oder Chom-Kuan)
der Thai entsprechend, aber auch hier, wie (s. Matthews) für Idalii (der Hidatsa)
gilt der Satz, dass: „Even the commonest sticks and clays have a spiritual essence
attached to them, which must needs be reverenced“ (no object, liowever trivial, but
has its spirit) und so kann der auf das Seelische geworfene Schatten in seinen Nach-
schattierungen nicht ausbleiben. Dass „the spirit of the body (unter den vier
Seelen) „dies with it“ (s. Lynd), folgt sachverhältlich bei Aufhören der temporär
— aus der [von Uthlanga’s Lebensquelle (bei Bantu), mit Bewegung eines (peri-
patetischen) npwrov xwow] hervorsprudelnd, allgemein (durchweg) vivificierenden
Durchströmung — abgetrennten Sonderheit: bei Aufhören eben dessen, was für
solche Zwecke (im pulsierenden Leben) bewegt wird (vom rückläufigen Kreisab-
schluss, im xuyJjjq Trjq ysviffeojq). Die zweite Seele „remains with or near the body“,
nach Art der bis zur vollendeten Verwesung fortspukenden Gespenster (gleich
der Sisa in Guinea), aus der während irdischen Daseins unvermeidbar eintretenden
Kontamination (durch das Ankleben der Upadhi, trotz reinlichstem und ernstlichstern
Hinstreben der „Kevala“ zur Isolierung, nach Lehren der Sankhya). Diejenige
Seele, „which accounts for the deeds of the body“, würde mit dem Hantu
Khubur (der Blandass) Übereinkommen (aus Nachhall der Dekrete eines Karman),
und wenn die vierte „always lingers with the small bündle of the hair of the
deceased“, so ist ihr dort (unter verwandtschaftlich pietätsvoller Hut) der [von
den Papua in Kreidefiguren, wenn nicht im Schädel (eines Korwar) schon, hergestellte]
Ausruhesitz eines Ka (in pharaonischen Sarkophagen) vorbereitet, was in chine-
sischen Hauskapellen zu einem „Ahnenkult“ weiterführen mag, beim Beschreiben der
Tafeln (mit dem Preis- oder Ehrennamen). Die (metempsychosische oder meta-
somatische) Kontroverse über „a fifth soul“ (which enters the body of some animal
or child after death) findet ihre komparativ aufklärenden Parallelen in der Bla
(der Odschi), und würde (wie in den mancherlei Excentrizitäten der Couvade) iß
die (patristische) Polemik über den „tradux“ sich hineingezogen finden, mH
all’ dem, was weiter sich anscliliesst (für historische Tragweite unter Kultur-
völkern).
Bei Durchsichtigkeit der auf dem Niveau des Wildzustandes offengelegten
Elementaranlagen überschauen sich diese Verhältnisse spielerisch leicht, unter
ihren allgemein (generalisierend) gültigen Umrissen.
Ehe indes nun würde gewagt werden dürfen, in Details einzutreten (zu Diskus-
sionen darüber), wäre vorher (mit strengst genauer Gründlichkeit) minutiöse Ei'"
Schöpfung jeder dieser Einzelheiten, in Spezialitäten (und Spezialisationen) er-
forderlich, durch monographisch fach- und sachgerechte Behandlung derselben
(unter voller Beherrschung der thatsächlich soweit zur Verfügung stehenden
Daten), denn nachdem die „Maxima“ markiert sind, im logischen Rechnen, können
die nächsten Gleichungsformeln desselben (für proportionell korrekte Verwendung)
erst wieder an „Minima“ (die bis auf letzte Dezimalstelle richtig gestellt sind)
ansetzen (zum vorsichtig graduellen Emporbau), und Alles dazwischen ist vom
Übel, auf dem Terrain eines „Meinens und Schemens“, das in zielloses Hin- und
Herreden verläuft, zumal wenn blässeste Ahnung schon (oder noch) fehlt von
der Massenhaftigkeit des (binnen kürzest bemessener Frist in Rohstoffen auf-,
über-, in- und durcheinander gehäuften) Materials, dessen Bewältigung (durch
kritisch sichtende Austeilung) in erst vorbedinglicher Aufgabe gestellt ist; so-
fern nämlich die Ethnologie dahin aspiriert, als gleichberechtigte Fachwissenschaft
zugelassen zu werden, im Haushalt der Gelehrtenrepublik, auf Grund syste-
matisch durchgeführter Ordnung musealer Sammlungen (deren überzeugende
Beweiskraft zwingend aufgedrängt ist). Denn für das im Kuriositätenkram der
Raritätenkabinette stecken verbliebene Missgeschöpf konnte (weder, noch durfte),
eine Anerkennung irgendwie nicht beansprucht wei’den (ausser soweit vielleicht
ffer sensationell blasierte Modegeschmack jüngster Tage davon gekitzelt wurde).
Der (rationelle) Schluss (aus Ratiocinatio) ist als apodiktischer zu erweisen, oder
sonst überhaupt noch nicht zu ziehen, im naturwissenschaftlichen Sinne, und
also auch nicht auf dem Bereich ethnologischer Forschung, sofern das dort dem
Anbau eröffnete Arbeitsfeld dafür eben bestimmt erachtet werden soll, der
brennendsten Zeit- (und Tages-) frage zu genügen: in Abrundung unseres „natur-
wissenschaftlichen Zeitalters“ durch Fortführung der Induktion bis auf idea-
listisch transcendentierendes Gebiet (und dortige Kontrolle mit der Deduktion).
Für die Aussagen des hier redenden Logos gilt nun freilich zwar zunächst
wohl noch der Spruch des „Skoteinos“ (unter den Philosophen): rou X6you roü8\
£ovto? det, ä^uvEzot avß-p(onoi yiyvovrai, aber untei’ dem hier (auch heute noch) um
lagernden Dunkel beginnt es aufzuhellen mit fröhlichen Hoffnungen, wenn Jahr auf
Jahr die mit ausgeschürften Wissensschätzen schwerwiegenden Bände des „Bureau
of Ethnology“ ihre stattliche Reihe verlängern (in der Bibliothek ethnologischer
Museen). t
Beim Rückblick auf das, was binnen wenigen Decennien erfolgreich beschafft,
ist, darf voll darauf vertraut werden, dass es mit dem (aus naturwissenschaftlich
Ungeschlagenen Wurzeln sprossenden) Aufwachsen der, im Zeitaltei dei Elek
frizität und des Dampfes gebornen, Ethnologie rascher vor sich gehen wild, als
bei den übrigen Fachwissenschaften, (historisch-philologischer oder philosophischer
Disziplinen), die Jahrhunderte (oft Jahrtausende) bedurft haben, um das aktuelle
Stadium vollendeter Durchbildung zu erlangen.
Seitdem die Spannungsreihe ethnologischer Elementargedanken festgeleöt ist,
üleibt die „Gedankenstatistik“ nur noch eine Frage der Zeit, und dann mit
u*iversaler Umschau, unter Erschöpfung der Denkmöglichkeiten (m solcher
Dxhaustions-Methode), ist der Tag gewonnen, da die kosmischen Gesetze, die
hier walten, sich selbst zu proklamieren haben, im „Lobgesang dei Sphäien
90
wenn man so will; oder jedesfalls doch im harmonischen Einklang mit dem,
was im eigenen Innern tönt (für einen Jeden, der es so verstehen will).
A. B.
Im Heft Nr. 91 (May 1895) bringt das „Journal of the Anthropological
Institute", unter einer Reihe bedeutsam wichtiger Arbeiten, die Basii H. Thom-
son’s über die „Ancestor Gods (Kalou-Vu) of the Eijians“, eine Abhandlung,
voll der wunderbarsten Überraschungen, Hesse sich sagen, wenn dieselben nicht,
seit dem mit Feststellung der Elementargedanken gewonnenem Einblick, — auf
einfachst klare Unterlagen reduziert wären: derartig selbstverständlich, dass sie
sich stillschweigend fast zu erledigen hätten.
Der auf dem Totenweg Nakauvadra’s Gipfel zuwandernde Abgeschiedene
untergeht eine bunte Reihe von Abenteuern, genau (ihren psychischen Elementar-
anlagen nach) denjenigen entsprechend, die bei den Dajak erwarten (unter den durch
die Differenzierungen oceanischen und indonesischen Völkergedankens bedingten
Variationen). Wenn (in Borneo) den Anstieg am Goethal (s. Bock) beginnend,
beim Annähern reinerer Äther-Regionen das Gefühl kommt, der Erde nicht länget’
anzugehören (wie der vom letzten Stein rückblickenden Seele in Tahiti), so wird
(auf Viti-leva), beim Anlangen am Trostwasser (Wai-ni-dula) die letzte Bürde
fortgeworfen, als ob dann der Buddha seine Siegeshymne anstimme über letzt
gebrochene Fesseln (bei jetzt frei eröffnetem Einzug zum Nirwana).
Der aus Virgil (neben Abrahams Schoss der Semiten) übernommene „Limbus
infantum“, der als Tingha-Howi (der Blandass) abseits liegt vom Wolkensitz
(kelongson-awan) des Herrn („Tuan“), wird in Fiji längs des Seelenpfades
passiert, gerade vor dem Einzug zur letzten Ruhestätte, und hier wird die recht'
fertigende Erklärung dadurch zugefügt, dass die [gleich Fledermäusen an den
Zweigen des Baumes (zu Naililili) hängenden] Kinderseelen ihre Mütter erwarten
(zur Führung). Dass das unerfahrene Kind den Weg allein zum Seelendoi'f
(unterweltlicher Prairien) nicht finden kann, weiss auch die indianische Mutter,
und schickt deshalb einen Hund zum Begleiter mit, sofern nicht etwa gleich-
zeitig ein älterer Verwandter abgestorben wäre, der sich mit dem Geschäft
beauftragen Hesse.
Betreffs des Fährmanns (Ceba) und des Lethe-Stroms weist schon der Vet~
fasser hin auf die „coincidences with Greek mythology“ (S. 354), wie sie unter
den ethnischen Markierungen der Elementargedanken überall sich anzutreffen
haben, auch bei den Wildstämmen, und gerade bei primärer Einfachheit oft am
durchsichtigsten (auf gegenwärtigem Standpunkt unserer Kenntnisse davon), trotz
Kürze der Zeit, seit welcher ein methodisches Studium erst begonnen hat.
Wie genau die „Despoina“, welche die neunmalig von „alter Schuld“ (^
Pindar) gereinigte Seele wieder heraufsendet (für die „Wege des Zeus“ nach des
„Kroniden Burg“ auf „Insulae fortunatae“) in der (mit Miru der Maori korrespon-
dierenden) Genowie Lanyut sich spiegelt, ist mehrfach bereits besprochen-
Der gereinigt Heraufgesendete erfreut sich zunächst der (chiliastisclien) Selig-
keiten auf denPulo-Buah oder Frucht-Inseln, bis abgeholt durch einen „Freund“ zum
91
Wohnen bei den „Herren“ (Tuan). Bei den Idaan muss, statt der Hand eines
® Bundes, die eines Sklaven hinweghelfen, beim kritischen Sprung über scheidende
Kluft, welche sonst (bei Parsi sowohl, wie bei Melanesiern etc.) auf einer Brücke
passiert wird (zum „Brückengericht“), und dann folgt all dasjenige weiter,
Was — in (schliesslich monotonen) Wiederholungen, die ethnologischen Sammelwerke
der letzten Jahre füllend — jetzt (den Zeitverlust zu mindern) einer nochmaligen
Erwähnung erspart werden darf, seit die Gesetzlichkeiten festgestellt sind, die,
wie überall das All, auch das psychische Wachstum organisch durch walten (aus
ethnischen Gesellschaftsgedanken). A. B.
Im Korrespondenzblatt der „Deutschen Gesellschaft füi Anthropologie,
Ethnologie und Urgeschichte“ findet sich eine Mitteilung Herrn Di. von
Luschan’s, auf dem in Innsbruck abgehaltenen Kongress, über liiolei Gürtel in
einer sonst nur von amerikanischen Indianern bekannten lechnik ) (in ihiei
Stickerei mit Federstreifen oder kleinen Hystrix-Staclieln).
Sofern diese Technik in Tirol erst nach 1830 aufzutreten schien, so lag
es nahe, sie in Zusammenhang mit den tirolischen Bergleuten zu luingen, welche
nm diese Zeit sehr zahlreich aus Amerika in die alte Heimat zurückkehlten.
So wäre damit ein durchschlagendes Beispiel geliefert, wie das naturgemass
dem Erdgezimmer eingebaute Gerüst der die geographischen 1 lovinzen umkiei
senden Geschichtsbahnen, durch den gewaltsam plötzlichen Eingiifi, in Steigerung
6es internationalen Verkehrs, zwischen und durcheinander gewoifen sei, zm Be
stätigung demnach des in der Gegenwart kritischen Augenblicks, der bald
dieser, bald auf jener Lokalität die Möglichkeit methodischer Forschung jah ab-
Schliessen wird, und dieselbe ethnisch zuverlässiger Kenntnis füi immei des .
verloren gehen lassen muss, wenn rechtzeitig nicht die Belegstücke eines be\w
kräftigen Materials eingesammelt sind (ob im kleinen oder im. grossen, da solcher
&atz für beides gilt).
In der Zwischenzeit aber scheinen betreffs dieser Verfertigungswerse als einer
in Tirol bekannten, Beweisproben aus einer über die mit obigem Datum (um .
ungefähr) markierte Grenze hinausliegenden Zeit bekannt geworden zu sein,
und die Abbildung eines kürzlich vom Museum erworbenen Exemplars og
anbei (freilich aus dem Jahre 1836). . ,
Es mag auch bei dieser Gelegenheit darauf hingewiesen werden, dass es sic i
*eder in diesen Fällen, noch in sonst ähnlichen irgendwie, um die mitunter dann
gesuchte Kontroverse zwischen „Völkerverwandschaft und Völkergedanke an e n
kann, — zwei auf durchaus verschiedenen Arbeitsfeldern thätige ois »
2Weige, die sich gegenseitig zwar vielfach eigänzen, niemals
^O^er seitdem mit Herrn Stolpe (in Stockholm) eingeleiteten ^responden^
hat sich herausgestellt, dass Stickereien mit Streifen von Pfauenfe er gich
v°rkommen (für Gürtel und sonstiges Ledergerat), m msigenfler Gebrüder
^wei ledergestickte Stücke aus Chamba (eines derselben auf die R
^chlaginweit hinweisend).
92
stören können. Durch Einführung fremder Zuthaten werden die immanent inne"
wohnenden Wachstumsgesetze, wie auf heimischem Boden angepflanzt, in keiner
Weise alteriert, und wenn sich infolge einer (in Spiel weite normaler Gesundheit)
bewältigungsfähigen Assimilation die Akkomodations-Möglichkeit erwiesen hat,
wird dadurch das Problem zwar ein komplizierteres, aber, gerade weil schwereres,
nun eben ein desto anziehenderes zugleich.
Das Kontroversiale, das vermutet worden ist, fällt, wie mehrfach bereits er-
wähnt, einzig und allein, in die Wahl über die Fragestellung, ob nämlich, i10
Anschluss an eine aus dem bisherigen Geschichtsgang nah gelegte Gewohnheit, bei
einer Frage über angetroflene Ähnlichkeit (inbetreffs etwaiger Herkunft) dieselbe
zuerst gestellt werden soll, oder ob vielmehr nicht vorher, natur- und vernunftgemäss,
dasjenige zunächst eliminiert werde, was sich als dem Bereich der ethnischen Eie*
mentargedanken zugehörig erweisen sollte (und also, wenn vorher damit still'
schweigend beseitigt, manch’ bedauerliche Zeitverschwendung ersparen würde,
in nutzlosen Diskussionen). A. B.
Bücherschau«
H. Risley, the Gazetteer of Sikhim. Calcutta 1894.
■Dieses grundlegende Werk setzt sich zusammen aus den folgenden Einzeln-
weiten: H. H. Risley, Introduction (behandelt die Geschichte des Landes bis
züm Kriege mit Tibet im Jahre 1888, ferner das ganze Material über die
^e°graphie und Ethnographie des Landes mit ausführlicher Nomenklatur);
• White the book of law; marriage-customs; P. N. Bose, Notes on Geology
W mineral-resources; J. C. White, Agriculture (darunter eine Beschreibung
^es «marwa“ Bieres); J. Gammie, Vegetation (besonders beachtenswert der
^schnitt über Kulturpflanzen der Leptscha’s etc.); ders. Vegetation of tem-
Pe*Ute and alpine Sikhim; ders. butterflies; Lionel de Nicéville, butterflies;
* Gammie, reptiles; birds; L. A. Waddell, List of Sikhim birds and notes
Gereon (dieser wichtige Abschnitt enthält die einheimischen Benennungen der
Vlfauna in Leptscha und Tibetisch); J. Gammie, mammals; L. A. Waddell,
^tiaism in Sikhim S. 241 — 391. Dieser letzte sehr reichhaltige Abschnitt, der
Zlün Teil in desselben Verfassers Buch The Buddhism of Tibet, Lond. 1895, über-
langen ist, ist illustriert mit einundzwanzig Tafeln. Zwei davon sind Staram-
t,me lamaistischer Sekten (der lamaistischen Sekten überhaupt und der Unter-
lippen der Kargyupa-Sekte) ; von den anderen Tafeln seien erwähnt die: Ab-
ling des Verbreiters des Lamaismus in Sikhim Lha-tsün Chem-bo, des Be-
1 Tüders des Lamaismus, des oben erwähnten Padmasambhava und des Gebirgs-
^°^tes Kang-chhen-dsö-nga, ferner die Darstellung des Srid-pahi hkor-lo vgl.
lerÜber L. A. Waddell, Buddha’s secret from a sixth century pictorial com-
^eitary and Tibetan tradition in Journal of the As. Soc. of Bengal 1894 S. 367 ff.
ei letzte sehr wertvolle Abschnitt behandelt mit sehr reichem neuen Material
Ml§ r* I
mjgenden Stoffe: historische Skizze der lamaischen Kirche in Sikhim, Be-
,.idWung der Klöster, des Tempels und was er enthält (Bilder, Opfergerät,
ev> Rosenkränze, Maskengarderobe, Bibliothek etc.) das Mönchtum, den Kultus
jj, Tàrà; magische Riten (Mandala), Wahrsagerei, Amulette, Gebetflaggen,
-'XOrc;
1Slüen etc.
Albert Grünwedel.
^aksche vertellingen, verzameld door C. M. Pleyte Wzn. — Utrecht.
H. Honig 1894.
^as dem vor kurzem verstorbenen, bekannten, verdienstvollen Batakforscher
• Reubronner van der Tuuk gewidmete Werk hat zum Zweck „eene over-
94
zieht te geven van de litteratur van een der belangrijkste volken van onze Oost
en tevens eene bijdrage te leveren tot de kennis van het „folk-lore“ van den In-
dischen Archipel“. Demgemäss hat der Verfasser alle ihm zugänglichen Er'
Zählungen hier in Buchform vereinigt. Wenn auch von den 29 Erzählungen
22 bereits bekannt *) und nur 7 neu sind, so ist der Leser Hrn. Pleyte zu ausser'
ordentlichem Danke verpflichtet, dass er die versprengten Fragmente aus Reise'
besehreibungen, Zeitschriftenartikeln und sprachlichen Werken gesammelt und
mit eigenen Beiträgen versehen, ihm in bequemer Form dargeboten hat. —
In der Einleitung wäre das auf Kultureinflüsse aus Vorder-Indien Bezügliche
besser ausserhalb der Erwähnung geblieben, denn die (dadurch bedingten) Folge*1
würden für eine richtige Behandlung der (hier komplizierten) Verhältnisse eine
schulgerechte Kenntnis derselben voraussetzen, und ohne eine solche bleibt besser
ihr Anstreifen vermieden, um nicht für die dadurch hervorgerufenen Ent'
Stellungen der Sachlage eine nachträgliche Rektifikation erforderlich zu machen-
F. W. K. Müller.
Alfred C. Haddon, M. A., professor of zoology, Royal College of Science, Dublin1
The decorative art of British New Guinea, a study in Papuan
ethnography. With 12 plates. Dublin 1894. (Royal Irish Academy ,,Cun'
ningham memoirs“ No. X.)
Höchst bemerkenswert in diesem reich ausgestatteten Werk sind die „general
conclusions“ des Verfassers — p. 249flgd. —, aus denen wir die folgenden Sätze
ausheben. „Ich habe mich bemüht Theorien [in der Erläuterung von Orna'
menten] auf ein Minimum zu reduzieren. Nichts ist leichter als über die Ent'
stehung oder Bedeutung eines besonderen Musters oder einer Zeichnung Ver'
mutungen anzustellen“. . . . „Es ist äusserst gewagt, Muster in der einen Lo'
kalität durch solche, die aus einer anderen Gegend stammen, erklären zu wollen
[wie thatsächlich in Bezug auf Maläka-Negritos und Luzon-Negritos geschehen]-
Wiederholentlich hebt der Verf. hervor, dass noch vielmehr Thatsachen ge'
sammelt werden müssen, ehe an ein Generalisieren zu denken ist. — Vgl. hierzu
Zeitschrift für Ethnologie Bd. 26 (1894) p. 142—143.
F. W. K. Müller.
J. D. E. Sclimeltz. Schnecken und Muscheln im Leben der Volke*
Indonesiens und Oceaniens. Leiden, Brill, 1894. 8°, 43 S. nn
eine Tabelle.
Eine sehr erwünschte Zusammenstellung auf einem Gebiete, dessen Wichtigkeit
zuerst durch v. Martens betont worden ist. Der ursprünglich in Oxford ge'
haltene Vortrag ist durch eine systematische Aufzählung von 160 Schnecke*1
>) Sie sind übersetzt von Van der Tuuk (Batak-Chrestomathie IV. Teil), N*0'
mann (i. d. Bijdragen tot de taal- land- en volkenkunde van Nederlandsch-Indiö 1866)’
De Haan, Ködding, Henny, Westenberg, Pilgram, Brenner. — Die ®r'
Zählungen: Baun pedjel, Manggarang gurung begu, Adji panurat, Tagor di laut, Gun<l.J°
mabuk, Ranggir, de twist der dooven sind meines Wissens neu.
und Muscheln erweitert, die alle in der Südsee und ihren westlichen Aus-
buchtungen von Menschen benutzt und verwendet werden. Auch die verschiedenen
Arten der Verwendung sind kurz angegeben. Die Arbeit beruht hauptsächlich
auf der Leidener Sammlung und auf den Angaben der Litteratur; die vielen
Fragezeichen besonders bei den zoologischen Bestimmungen bilden eine eindring-
liche Mahnung an Reisende und Sammlungsvorstände, welche sich durch Be-
antwortung der noch offenen Fragen grosse Verdienste erwerben würden.
Während die „systematische Aufzählung“ nach zoologischen Gesichtspunkten
geordnet ist, finden wir in der dem Hefte beigegebenen Tabelle das gesamte
Material so verteilt, dass die einzelnen Lokalitäten neben-, die einzelnen
Geräte übereinander gestellt sind. Es ist dadurch dem Leser sehr leicht ge-
macht, sich jederzeit sofort über die Verbreitung bestimmter Stücke orientieren
zu können, soweit sie bisher überhaupt bekannt ist. v. Luschan.
Frinton. On the words „Anahuac“ and „Nahuatl“.
Der Verfasser wendet sich gegen die von dem Referenten ausgesprochene
Ansicht, dass es nur Folge eines Missverständnisses sei, dass das Wort Anauac
für ganz Neuspanien und insbesondere für das Hochthal von Mexiko gebraucht
Werde, indem er eine Stelle aus Chimalpalnn anzieht, wo eine Liga verschiedener
Fürsten aus dem centralen Teil des Landes als Anahuaque tlahtoque be-
zeichnet werde. Sei er.
Frinton. Nagualism, A Study in Native American Folklore and
History. Philadelphia 1894.
Auf Grund des reichen litterarischen und linguistischen Materials, das Prol.
Frinton zu Gebote steht, giebt derselbe hier eine eingehende Schilderung des
Wesens und der verschiedenen Erscheinungsformen des unter dem Namen Na-
güalismus bekannten Glaubens und der auf denselben begründeten Leremonien.
Fr kommt zu dem Schluss, dass der Nagualismus nicht nur der Glaube an einen
persönlichen Schutzgeist, nicht nur ein mehr oder minder unschuldiges Übei-
Meibsel alter heidnischer Ceremonien sei, sondern dass in diese Bezeichnung
eingeschlossen sei die Existenz eines mächtigen Geheimbundes, der Mitgliedei
Verschiedener Sprachen und der verschiedensten gesellschaftlichen Stellung um-
fasste, und dessen Hauptzweck der offene und versteckte Kampf gegen das
Christentum und seine Träger gewesen sei. Selei.
Frinton. The Native Calendar of Central America and Mexico.
(American Philosophical Society Oct. 6. 1893.)
Schon in der Einleitung zu den im Jahre 1882 von ihm herausgegebenen
«Maya- Chronicles“ hatte Brinton eine zusammenfassende Darstellung des central-
amerikanischen Kalenders in Aussicht gestellt. In der vorliegenden Schiift
^örtert der Verf. zunächst die Verbreitung dieses Kalenders und die mathe-
matische Basis desselben. Die Zahl 13 ist er geneigt aus mythischen Beziehungen
''m den sechs Himmelsrichtungen abzuleiten. Die Erfindung dieses Kalendeis
96
möchte er einem der alten in Chiapas und Tabasco ansässigen Zweige der Maya-
Familie zuschreiben. Der Hauptwert der Schrift beruht in der linguistischen
Analyse der verschiedenen Bezeichnungen, welche den einzelnen Tagen und den
Abschnitten von zwanzig Tagen in den verschiedenen centralamerikanischen
Sprachen beigelegt worden. Für die verschiedenen Maya-Dialekte besitzt gerade
Prof. Brinton in unpublizierten Vokabularien der Bibliothek der American
Philosophical Society und in dem handschriftlichen Nachlass Dr. Belirendt’s, den
Brinton seinerzeit erwarb, ein reiches Material. Zum Schluss untersucht Brinton
die symbolische Bedeutung der Tageszeichen und glaubt in diesen 20 Zeichen
eine Beziehung zu den verschiedenen Phasen des menschlichen Lebens erkennen
zu müssen. Sei er.
Cyrus Thomas. The Maya year. (Smithsonian Institution. Bureau of
ethnology 1894.)
Dieser Aufsatz wird eingeleitet von dem neu in das Bureau of Ethnology
eingetretenen Herrn Mac Gee. Die Arbeit beschäftigt sich in dem ersten Teil
mit den Blättern 46—50 der Dresdner Handschrift und sucht aus den auf diesen
Blättern angegebenen Tagesdaten den Nachweis zu erbringen, dass auch in den
Maya-Handschriften das Jahr zu 365 Tagen gerechnet wurde. Es will dem
Referenten scheinen, als ob dieser grosse Apparat für diesen Nachweis nicht
nötig war. Dieser Nachweis ist durch die ganzen Zahlenreihen, die Förstemann
uns kennen uud lesen lehrte, schon erbracht. Und was speziell die Blätter 46
bis 50 der Dresdner Handschrift angeht, so hat Referent selbst in seiner Arbeit
über die mexikanische Chronologie (Zeitschrift für Ethnologie XXIII (1891)
p. 96) schon angegeben, dass auf ihnen „von dem Tage 1. ahau, dem 13. des
Monats Mac beginnend, 13 X 2920 Tage oder 13 X 8, d. h. 2 X 52 oder
140 Jahre durch in regelmässigen Distanzen von einander abstehende Daten
verzeichnet sind, ohne Sprung irgend welcher Art zwischen dem einen und dem
andern der beiden 52jälirigen Cyclen.“ Wenn daher Herr Mac Gee in der
Einleitung bemerkt „Hitlierto it lias not been known that the year of the Codices
included 365 days“, so ist eine solche Behauptung nur dadurch möglich, dass
die Arbeiten der Deutschen auf diesem Gebiete in Amerika nicht genügend
gekannt und nicht genügend berücksichtigt werden.
Ein weiterer Abschnitt des vorliegenden Buches beschäftigt sich mit den
Anfangstagen der Jahre in der Dresdner Handschrift. Während Prof. Brinton
in der oben besprochenen Schrift über den centralamerikanischen Kalender, sich
auf Förstemann und auf briefliche Mitteilungen Cyrus Thomas’s berufend,
leugnet, dass für die Anfänge der Jahre bei den Maya irgend welche andere
Tage als die bekannten kan muluc ix cauac in Betracht kommen, mit denen
zur Zeit des Bischof Landa in Yucatan die Tage begonnen wurden, schliesst
sich Cyrus Thomas in d w vorliegenden Schrift der von dem Referenten (Zeitscln’-
f. Ethnol. XXIII p. 103 ff.) aufgestellten und vertretenen Ansicht an, dass in
der Dresdner Handschrift die Jahre nicht mit den obengenannten, sondern m^
den Tagen been e’tznab a’kbal lamat, die den mexikanischen acatl
tecpatl calli tochtli entsprachen, begannen.
Ein letzter Abschnitt in der vorliegenden Schrift beschäftigt sich mit dem
Ursprung des centralamerikanischen Kalenders. Cyrus Thomas versucht, ihn
von dem alten auf Hawaii üblichen abzuleiten. Dem Referenten erscheint dieser
Versuch nicht besondei’s glücklich, denn die alten Bewohner von Hawaii hatten eine
Art wirklicher Monate von 30 Tagen. Bei den Centralamerikanern ist die Zahl
20, kombiniert mit der Zahl 13 die Basis aller kalendarischen Systeme. So
bleibt als anscheinende Übereinstimmung nur übrig, dass 12 X 30, wie 18 X 20,
die Zahl 3G0 ergeben, dass also im Jahre sowohl bei den Bewohnern von Hawaii
wie den Centralamerikanern, fünf überschüssige Tage gerechnet werden.
Seler.
Cyrus Thomas. Are the Maya Hieroglyphs phonetie? (Am. Antliro-
pologist VI. p. 241—270.)
Nachdem der Verf. schon vor zwei Jahren in der Science ein im wesent-
lichen auf Landa basierendes, aber erweitertes Alphabet veröffentlicht, welches
gestatten sollte, die Maya-Hieroglyplien phonetisch zu interpretieren, d. h. zu
lesen, erörtert er hier an einer Anzahl Beispiele die Anwendbarkeit seines
Alphabets, bezw. sucht nachzuweisen, dass die Maya-Hieroglyphen in der von
ihm angegebenen Weise phonetisch konstituiert sind. Seler.
Philipp J. J. Valentini. Analysis of the Pictoral Text inscribed on
two Palenque Tablets. (Proceedings of the American Antiquarian
Society, at the Annual Meeting. October 24. 1894.)
Der Verfasser ist der Ansicht, dass bei den Versuchen zur Entzifferung der
Maya-Handschriften und Maya-Hieroglyphen bisher die arithmetische Seite der
betreffenden Texte in erster Linie berücksichtigt worden ist. Nicht minder
wichtig sei es, festzustellen, was die Hieroglyphen ihrem Inhalt nach bedeuten.
Denn, wie der Verfasser der erste war, der die Anwendbarkeit des Landaschen
Alphabets zur Entzifferung der Maya-Hieroglyplien bestritt, so ist er noch heute
der Überzeugung, dass die Maya-Texte nicht phonetisch konstituierte Charaktere,
nach Art der ägyptischen Hieroglyphen, sondern einfache Bilder von Gegen-
ständen enthalten, dass sie eine Bilderschrift, keine Hieroglyphenschrift sind.
Pür die Deutung des Inhalts dieser Bilder seien aber die geschriebenen Cha-
raktere der Handschriften ungeeignet, die „Tachygraphe“, kursiv gewoidene
Pilder darstellen. Man müsse vielmehr in erster Linie die skulpierten Zeichen
der Stelen, der Altarplatten und der Tempelwände in Betracht ziehen. Dei
Verfasser versucht nun diese Deutung an den Zeichen der Altarplatte des Kreuz-
tempels No. 1 von Palenque, indem er von den Tageszeichen, als den ihrer
Pedeutung nach feststehenden Zeichen ausgeht und, auf eine Stelle in den Re-
giones des Bischofs Landa fussend, die weitere Annahme macht, dass die dar-
gestellten Gegenstände alle ritueller Natur seien. Selei.
m. f. y.
7
98
Francis Parry. The Sacred Maya Stone of Mexico and its Symbolisffl-
London 1893.
Francis Parry. The Sacred Symbols and Numbers of Aboriginal
America in Ancient and Modern Times. (Bulletin of the American
Geographical Society No. 2. 1894.)
Der Verfasser ist der Ansicht, dass die verschiedenen sesshaften Stämme
Amerikas, obwohl sprachlich und ethnisch sich unterscheidend, was Form und
Bedeutung ihrer religiösen Embleme angeht, einander verwandt sind. Eine der
frühesten Manifestationen des religiösen Fühlens der centralamerikanischen
Stämme findet er in der Konzeption einer „ersten Ursache“, eines „Regierers“
und findet diese Idee ausgedrückt in dem Zeichen ah au, das so viel auch in
hieroglyphischen Inschriften der Tempel und in den Bilderschriften vorkommt-
Ein Teil dieses Symbols seien die drei Punkte, die im Dreieck gestellt, oder
auch in Linie, auf den Hieroglyphenwänden, den Altären und den Stelen zu er-
kennen seien, und die er als Symbol des Überflusses, der Fülle deutet. In
dieser Bedeutung kämen sie auf Töpfen in Guatemala, Florida, Peru, auf Mahl-
steinen im nördlichen Kalifornien u. s. w. vor. Ein verwandtes Symbol sei das
sogenannte Vogelklauenzeichen und das Hufeisenzeichen. Das letztere erkennt
er nicht nur in den Strichelungen in der mexikanischen Hieroglyphe „Acker-
land“, sondern auch in den bekannten rätselhaften schön skulpierten Steinen,
die man ehemals als Opferjoche deutete, und die ihm die Sacred Maya Stones
sind. Die auf den Kreuztafeln von Palenque dargestellte Handlung — Dar-
bringung einer kleinen Menschenfigur und Darbringung einer Maispflanze —•
deutet er als Gebet um Nachkommenschaft und um reiche Ernten, und findet
dieselben Kultushandlungen und dieselbe Idee in gewissen Ceremonien der Hopi
oder Moki, die Fewkes beschrieb. So kommt er zu dem Schluss, dass, wie die
Maya-Sprache in den Namen der hauptsächlichsten Orte von Peru bis Arizona
sich finde, wie die Spuren ihrer Bauwerke nicht nur in Centralamerika, sondern
darüber hinaus in Queretaro, Chihuahua und bis zum Mississippi zu verfolgen
seien, so sei auch der Maya-Einfluss in den Hauptelementen des heidnischen
Glaubens überall unter den amerikanischen Völkern zu erkennen. Sei er.
Brinton. A Primer of Mayan Hieroglyphs. (Publications of the Uni'
versity of Pennsylvania. Series in Philology, Literature and Archaeology
Vol. III. No. 2.) Philadelphia. 1894.
In dieser Schrift giebt Prof. Brinton eine Übersicht über das, was bisher
bezüglich der Entzifferung der Maya-Handschriften geleistet worden ist. Er
stellt sich dabei ganz auf den Standpunkt, der von den deutschen Forschern an!
diesem Gebiete eingenommen worden ist, dass weder das Landasche Alphabet,
noch die in neuer Zeit von Cyrus Thomas, Le Plongeon und Hilborne P. Cressoö
aufgestellten Alphabete wahre Schlüssel für die Entzifferung der Handschriften
seien.
In verschiedenen Abschnitten behandelt er das Zahlensystem, die Chronologie
die Kulte und die graphischen Zeichen. Im Anschluss an Förstemann
99
noch über ihn hinausgehend, will er den gesamten Inhalt der Maya-Handschriften,
und wie es scheint auch des grössten Teils der mexikanischen für rein astro-
nomisch halten. In betreff der Einzelheiten giebt er eine ganze Menge Er-
klärungen, für die man allerdings vielfach die nähere Begründung vermisst.
Menig glücklich scheint dem Referenten die Umtaufung sein, die Prof. Brinton
*it den Götterfiguren der Handschriften vorgenommen hat. Wenn er p. 51 einen
Gott Lukin Chan citiert, der nach Cogolludo „sehr unförmliche Zähne“ habe, so
ist dazu zu bemerken, dass im Cogolludo der betreffende Gott in Wirklichkeit
Lahun Chaam „zehn Zähne“ heisst. Alle Folgerungen, die Brinton an den
von ihm angenommenen Namen knüpft, fallen deshalb, p. 35 erklärt Brinton
das von den Maya für die Milchstrasse gebrauchte Wort tamacaz. Es ist mexi-
kanisch tlamacaz, tlamacazqui oder tlamacazcatl und ident mit dem Tama-
ßastad, den die Mexikaner von Nicaragua, mit Cipattonal (Erdgöttin) als die
■Namen ihrer Hauptgottheit angeben, p. 39 in der Anmerkung erwähnt er die
von P. Lizana angegebenen Worte für die grosse und kleine Einwanderung
Uohenial und cenial. Brinton erklärt sie als „right hand coming“ und „left
hand coming“. In Wirklichkeit sind die obigen Worte nur Schreibfehler für
Uoh-emal und oe-emal (tz’e emal) „das grosse und kleine Herabsteigen“
des Chilam Balam von Chumayel, das Brinton selbst p. 178 seiner Maya Chronicles
^gedruckt h at. S e 1 e r.
klarshall H. Saville. A Comparative Study of the Graven Glyphs
of Copan and Quirigua. (Journ. Am. Folk-Lore. July. — Sept. 1894.)
Der Verf., der für das Peabody-Museum die Ausgrabungen in Labnä und
('°pan geleitet hat, sucht hier die Entzifferung der Maya-Handschriften da-
durch zu fördern, dass er für eine Anzahl Zeichen, die namentlich auf den
Reliefs von Copan und Palenque sehr häufig sind, die sachliche Bedeutung zu
bestimmen sucht. Das Katun-Zeichen, das an der Spitze der Stelen von Copan
ünd der Altarplatten von Palenque überall zu sehen ist, zerlegt er in ein untei es
Element, das er durch Vergleich mit der Hieroglyphe des Monatsnamens pax
Zeichen für pax, die Holzpauke, annimmt. In den obern seitlichen Zeichen
s*eht er die Hälfte einer durchschnittenen Cacaofrucht. Dass das letztere Zeichen
a^f einigen Stelen ersetzt ist durch eine Fischfigur, glaubt er durch Ideen-
assoziation, vielleicht auch durch sprachliche Assoziation, von Fisch und Blüten
^'klären zu müssen. Für die thatsächliche Assoziation dieser beiden Natui-
k^gen stände führt er von den Copan-Stelen einige Beispiele an. Der Monat
^ ax entspricht unserm Mai, und war die Zeit, wo die Saat gemacht wuide,
wo mit den ersten Regengüssen die Vegetation zu erneuter Kraft erwachte.
Seler.
^ohde. Psyche, Seelenkult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen.
Freiburg i. B. 1894, 2 Abteilungen.
Ein ausnehmend zeitgemässes Werk, das mit gründlicher Schulung des Fach-
8elehrt,en eine verständnisvolle Behandlung des Gegenstandes verbindet, unter
7*
100
Rücksichtnahme auf mancherlei Parallelen, wie sie, für die in der Klassicität
gültigen Vorstellungsweisen, aus dem durch ethnologische Materialansammlungen
eröffneten Umblicke sich entnehmen lassen.
In der ersten Hälfte (1890 veröffentlicht) war nachgewiesen, (S. 254), dass
sich der „griechische Pöbel“ („und vielleicht nicht allein der Pöbel“) mit den
einfach primitiven Vorstellungen des „Naturvolks“ voll ebenbürtig messen durfte,
bis auf die Verrohungen (australischer) p.a<r/a\i<Tp.aTa und familiär plebejischen
Zusammenlebens mit den (ihrer aristokratischen Vorrechte noch entbehrenden)
durch die vom Tische gefallenen Brocken gespeiset (wie sie die Prutheni „armen
Seel’gen“ aufzulesen erlaubten). Durch rückhaltsfrei offenen Blick ist eine
Fülle reicher und neuer Belehrungen eröffnet worden, die für jeden Sonderfall
dutzendweis (oder hundert- und tausendfach) sich vermehren Hessen, — zahllos
wenn man will, weil es sich eben um durchweg (überall und immer) gleichartige
Elementargedanken handelt, unter den ethnisch differenzierenden Variationen des
Völkergedankens. Die Belegstücke sind Jedem, der sie zu prüfen wünscht, un-
behindert zugänglich in der Litteratur, bei Durchsicht der Publikationen seit
etwa Mitte des Jahrhunderts (und auch in früheren bereits zerstreut). Nach-
dem mit Feststellung der (wie physischen, auch psychischen) Gleichartigkeit des
Menschengeschlechts, die elementar identischen Unterlagen innerhalb des
Rahmen’s allgemein gültiger Umrisse (unter den ethnischen Differenzierungen) ein-
begriffen worden sind, wird sich die Forschung jetzt monographischen Det ail be-
ll and 1 ungen zuzuwenden haben, um die, trotz scheinbarer Schwankungen, ge-
setzlich fixierten Variationen in ihrem typisch charakteristischen Gepräge aus
geographischen und historischen Bedingnissen, (wie sie in der Besonderheit
jedes analogen Einzelfalles unter gegenseitigen Durchkreuzungen zusammenge-
troffen sind) methodisch sichtend zh zerlegen, damit für den lebendig im Volksgeist
waltenden Wachstumstrieb die leitenden Gesetzlichkeiten geklärt werden (zur
Lösung der Aufgabe, die hier gestellt ist). Der Verfasser spricht als anerkannte
Autorität im Kreise hellenistischer Fachdisziplin und sobald, wie hier die Psyche,
das analog Betreffende (auf den verschiedenen anderen Arbeitsfeldern) mit gleich
sachkundiger Gründlickeit in Angriff genommen sein sollte, wird (unter be-
schleunigter Annäherung des Reifezustandes) ein blendendes Lichtmeer hervor-
strahlen, um den Menschheitsgedanken allwärtshin zu beleuchten (über «he
Weite und Breite des Globus).
Die zweite Abteilung (dem Unsterblichkeitsglaubcn gewidmet) betritt (mit
dem, „was die Seele kaurrjv, frei geworden vom Leibe, in iv&oumaqpoi und
ij.avTsiat von ihrer Gottnatur selbst erfährt“) das Gebiet des Gesellschaftsgedankens
unter fortgeschrittenen (und also komplizierteren) Vorgängen eines gesteigerten
Wachstumsprozesses, und indem sich hier nun gleichfalls allüberall, in jegliche1
Phase der psychischen Manifestationen, die schlagendsten Parallelstücke auf'
drängen, werden auf diesem (nach schulgerecht bewährter Methode durchgeackerten)
Arbeitsfeld manch’ mustergiltige Anhaltspunkte gewährleistet; um für die (untel
der überwältigenden Massenhaftigkeit des zusammenströmenden Stoffes) einer ge'
nügenden Sichtung oftmals noch entbehrenden Aufspeicherungen der Ethnologe
101
ordnende Theilungsstriche zu ziehen, und das Sammlungsmaterial in zuge-
hörige Rubriken einzustellen, für systematische Übersicht. Auch betreffs der
polyglottisch leicht verwirrenden Terminologie dürfte es in der Hauptsache
empfehlenswert sein, an diejenigen Normen anzulehnen, wie sie durch die, im
lang-alten Erziehungskursus der Altertumskunde umsichtig durchgefeilte, Philo-
logie zui- Verfügung gestellt sind (zur Orientierung in linguistischen Studien).
Allerdings wäre nun hier sogleich auf denjenigen „Terminus technicus auf-
merksam zu machen, der zum Titel des Buches gedient hat: auf die „Isyche
selber, die zwar nach populär adoptierter Nomenclatur für das Psychische, qua
solches, Gevatter gestanden hat, die indes einer scharf umschriebenen Klassifikation
angehört in spezifischer Sinnesbedeutung und darauf eingeschränkt eihalten
werden muss, um sich, ohne Verschiebung der richtig entsprechenden Veihaltnis-
werte, mit den sonst ethnischen Seitenstücken zu decken. Die ihr ei beigen
tümlicli zukommende Stellung tritt prägnanter ins Auge bei denjenigen V ild
Stämmen, wo die Seelen-Teilungen (des Seelischen) noch strenger auseinander-
gehalten sind, während dieselben bei beginnenden Kulturentwicklungen rasch in-
einander zu verschwimmen beginnen, und so schon bei der frühesten Übellieferung,
die in dem Homeriden Dichtungscyklus aus hellenischer \orzeit für uns eihalten
sind, nicht mehr reine Paradigmen zu liefern vermögen, weil in manchen Charakter
Zügen bereits mehrweniger verwischt.
So wenig, wie die am Grabe spukende oder dasselbe (gleich <}>uXwv (rxioBidrj
•fia^Täcrtm-a) umflatternde (von den Beduinen darauf sitzend erblickte) Sisa (der
Nigritier) ins Totenland (Ko-to-men), würde die im Lufthauch aus- und em-
atmende Psyche dort eingehen können (unter dumpfig düstere Schatten),, für
keine ihre geschlechtlich (auch in Guinea) bekannten Hälften (wedei als „anima
noch „animus“), und wenn (wie dem Purusha zu geschehen pflegt, in dei Sankhya),
durch Kontakt mit dem aS)ßa als &ijm contaminiert, dei (von keinem ,,sin eatei
Weggegessene) Schuldrest der Kla, (der im Hantu-kubui sich selbst zu veizehien
hat), nach Naraka (wenns schlimm steht) oder nach den Inseln des Volta
relegiert wird (in seiner scheidenliülsigen Linga-sarii a) auch sonst wohin,
Hexentreiben (der Ekpo unter Efik) -, so bietet sich hier [an Stelle eines Tartarus
oder (mikronisehen) Eisenkerker’s] besser, als durch stygische riiisse, Lolieite
Lokalität, um die, vornehmlich aus den in Biaiothanathoi (odei aiopot) schwei
lenden Gespenstern, gefürchteten Plagegeister kalt zu stellen (in besondeis da
vorgesehener Abteilung indianischer Seelendörfer), und gexn wild man
auch wohl, um an der gewählten Lokalität dauernder festzuhalten, die hieu
hallen einer Walhalla auszuschmücken sich beeifern (in dei Sonne bei den
teken), oder was in Annehmlichkeiten annehmbar wünschensweith sein d".
entfalten, um den Aufenthalt auf „insulae fortunatae“ zu verschönern (wie au
tropischen Fruchtinseln der Pulo-bua etc.). Dabei wird dennoch jedoch auf -
zahlen der Schuld (bis auf Heller und Pfennig oft) gerechnet, nach ngurosem e-
gime des Karman in trefflich kleinmahlenden Mühlen (ö<l’z üzwv dLouai ßo
r''B Aemd.) Mm
Was in traumhaften Schattenbildern der cxm nach dem Ko-to-men ero
102
Totenland der Eweer) abscheidet, ist die in Erinnerung lebendig verbleibende
Persönlichkeit des Verstorbenen, im Eidolon desselben oder sein „Autos“ selber
vielleicht (wenn nicht etwa unter Olympier aufgenommen), bei deren (oder dessen)
im Memorieren gemeinsam durchlebter Tage fortspiel enden Masken (einer Larva, als
persona), unter welcher sich (für temporäre Inkarnation) dieOusia hypostasiert hatte,
wie dies mit Homoousia (im Panentheismus oder) für eine (die Seligkeit des Einzelnen
freilich beeinträchtigende) Allseligkeit ihren orthodoxen Ausdruck erhalten hatte (in
der Gemeinde oder Sangha, zur Einfügung unter Tri-Ratua). Hier knüpft nun dev
Alter-ego an, bei Abscheidung Aklama’s vonKla, auch aus dem Innern (Gbesi’s) redend
(mit des Daimonion Stimme), wenn rfioq yäp av&pümp daipiov (b. Alex. Aplir.), und
mit den unsichtbar (gleich den Dämonen aus Hesiod’s Goldalter) umschweben-
den Ahnenseelen (im Lande der Batak), sind dann mancherlei Weiterverfolgungen
(im Gedankenspinnen) zu Gebote gestellt, für die Erscheinungsweisen des Schutz-
geistes (im Fylgjer und Forynja, Töndi oder Donde, Haltia, Emekhet u. s. w.),
von Indianern im Medizinsack getragen (wie im Pubertätstraum gesehen).
Bei häuslicher Erziehung im Bhuta-Zimmer (der Tulu) kann je nach den
Anlagen ein dienstlich verwendbarer Kobold herangezüchtet werden, aus einem rjpws
olxoupog anspruchslos bescheiden (parca petunt Manes); oder, wenn der Lar fami-
liaris seinen imponierenden Eindruck fortbewahrt (als Chao oder „Herr“ der
Thai), mögen weitere Rangserhöhungen erteilt werden (mit Apotheosierungen im
kaiserlichen Stil oder in Titelverleihungen, nach mandarinischen Abstufungen gra-
duiert). Unter ekstatischen Zuständen andererseits gerät die Psyche leicht in allerlei
Tausch verkehr mit dem -uveupa (7meüp ävw), nach obenhinaus, bis zur Verflüchti-
gung im Äther, wenn sich nicht mit dem zutretenden) Nous abfindend, für
verständige Unterredungen (wie dem „Logos“ geziemend), und hier schliessen sich
dann, als jedes Mysterium seinen Tanz besass (zu Lucian’s Zeit), in Begeisterungs-
und Besessenheitstänze, — neben den, (bei den Festen der Kwakiutl) in dramatischen
Aufführungen nigritischer Wongtschä und ceylonischer Yakkoduro (oder verwandter
Kollegen gar vieler), vorgeführten Actionen —, allerlei Maskierungen (unter den
Prosopa) an, wie sie den, mit dem „lux ex Oriente“ nach Westen wandernden,
Göttern vertraut waren, und auch in arkadischen Tempeln gleichfalls bekannt
(aus Pausanias’ Fremdenführer).
In den hier psychiatrisch zugleich wichtigen Beobachtungen, bei Anschluss an
nervöse Veranlagungen — (unter Lappen und Eskimo sowohl, wie den durch Lata,
Yaundo etc. kennzeichnerisch affizierten Bewohnern tropischer Landschaft) —, stehen
wertvoll weitere Aufschlüsse in baldiger Erwartung, seitdem es (besonders auf
transatlantischem Boden) erfolgreich gelungen ist, zum Aufschluss bisher eifei'"
süchtig gehüteter Geheimceremonien allerlei Schlüssel und Nachschlüssel (oder
kunstgerecht gefertigte Dietriche) aufzuspüren, die sich auch für manche der
allerheiligsten Kämmerlein in den Mysterien ganz wohl passend erwiesen haben (und
so auch ihnen zugute kommen mögen). Da also die Völkerkunde — zumal wenn
beim kühn geplanten (aber auf jetzigem Status-quo durchaus bereits gerechtfertigten)
Wagnis, in den Bereich hypnotischer Studien überzuschreiten, der zum gesicherten
Fussauftritt (im Nagualismus gebreitete) Boden nicht unter den Füssen verloren geht,
103
■sondern unverrückter Anschluss bewahrt wird (in medizinisch nüchternen Köpfen) —
diese und ähnliche Äquivalente als Gegenwerte anbieten kann, für die durch
klassische Schulung gewährten Belehrungen, wird ein gemeinsames Zusammen-
arbeiten zu gegenseitigem Vorteil ausschlagen und möge deshalb das Beispiel
des hier zur Anzeige vorliegenden Buches bald Nachfolger erhalten, um sie an
gleicher Stelle zur Kenntnis bringen zu können.
„Merkwürdig: gerade ein Satz, der aller dialektischen Begründung erst
Boden schafft, musste selbst wieder durch den dialektischen begründet werden,
den er erst ermöglicht hatte“ bemerkt Deuschle über Plato’s Präexistenzlehre,
und wenn sich nun der gleiche „Satz“ in ethnischen Elementargedanken wieder-
holt (für Sumangot, Kla und andere Geschwister in seelischen Regionen), er-
scheint dies (doppelt) „merkwürdig“ — oder auch nicht, da das einfachst Klare
übersehen ward, weil eben derart durchsichtig in solch’ einfacher Klarheit (oder
klarer Einfachheit), dass man geradeweg hindurchsah, ohne irgend etwas zu
sehen; und deshalb auf die Schöpfungskraft des dialektischen Prozesses zu recur-
rieren hatte (zum Wiederaufbau).
Die Seele (Saina) kehrt zur Präexistenz zurück (in Levona), der Atem
(Aina) haucht sich aus in Luft (Rivotra), und während Matatoa gespenstisch am
Grabe spukt, verbleibt (auf Madagascar) der geistige Reflex der Persönlichkeit
in Fanahy (zur Erneuerung im Schutzgeist).
An die trotz körperlichen Abscheidens in Erinnerung verbliebenen Ver-
wandten wendet man sich, in Notständen, um Hülfe, — wenn solche zu gewähren,
als kräftig erachtbar (nach den im Leben abgelegten Leistungen), — und den Bantu
riehen (wie den Szeklern) im Wolkengetümmel der Ahnen Scharen herbei, wenn
es zu streiten gilt auf Schlachtfeldern, die sich umwölken zum Fortkämpfen
hunnischer und gothischer Heldenseelen in der Luft, statt auf dem Boden troischer
Ebene, wo (in Streitwagen) Götter zusammentrafen, (auch als Rosselenker, gleich
Krishna), wie Odhin und Freyr (b. Saxo) sich gegenüberstehen (bei dem, was
Dänen und Schweden auszufechten hatten). Die Lokrer Hessen in vorderster
Schlachtreihe ein Glied offen, für Ajax den Jüngern, um als (timorischer) Vor-
kämpfer, aus Lucrez’ „timor“, martialischen Pavor und Pallor einzujagen, aber
einem seine Geistessprache mit attischem Salze würzenden Gaumen schmeckte
es nicht mehr, ein Schiff nach Salamis zu senden, zur Abholung der Aeaciden,
so dass diese Altehrwürdigen den Affront erdulden mussten, weil unbrauchbar,
zurückgeschickt zu werden (von groben Böotiern später).
Gleich Heraklit’s vervollkommneten Seelen, wenn zu Schutzgeistern erwachend
(für Lebende und Tote), trifft sich die Töndi (der Karo) „um den Körper herum
und schützend umgeben (in Nebel gehüllt) die Ahnen (der Batak), wie die
Dämonen goldenen Zeitalters (bei Hesiod). Unter den Lonch (Schutzgeistern) wii d
das früher das Land der Ostjaken bewohnende Tschuden-Volk mitbegriflen
(anderswo in Erdlöcher verkrochen, der Unterirdischen).
So nah (hinter dem Tempel der Chthonia) lag „das Reich dei Seelen, dass
die Toten der Hermionenser den üblichen Fährgroschen für Charon“ (den
Fergen der Unterwelt) ersparen konnten (S. 199), und so kommt mit dem „Kult
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der chthonischen Götter“, der der Heroen oder Seelen (wenn navra nMjprj t/xj/äv xal
<5ain6vü>v, auf dem 6doq ävo xal xdrco ¡da) zusammen, wie in Tibet (s. Waddell) der
in die Rubrik der Sab-dag („Earth-masters“) gehörige Hausgeist oder Nang-lba
(„Inside-God“), genügsamer Art (gleich dem mit einer „Schale Grütze“ der Dienst-
magd befriedigten „Napfhans“ in der Schweiz), aber eifersüchtig auf seine Rechte
bedacht, wie diese Art der Kobolde zu sein pflegt (in „Volkmar’s Kammer“); immerhin
vielseitig jedoch in seinen Hiilfsleistungen, den Schwarm indischer „Boys“, (bis zur
Spezialität des Lampenanzünders) ersparend, und dann wechselnd nach den
Monaten der Jahreszeit oder nach Tag (und Stunde), wenn z. B. „nicht leidend,
dass Donnerstags abend am Hof gehauen oder gesponnen wird“ (in Schweden).
Der Nang-lha (Tibet’s) steht bald (im 5. Monat) unter der Dachrinne (als Yangas-
pa), bald (im 3. Monat) im Thorweg, bald im Stall, in der Küche u.s.w. (s. Waddell),
während dem Römer, neben der Cardea, die andern Götter der Indigitamenta benötigt
waren, der Chinese wieder seinen Küchengott bevorzugt, der Tömtekerl im Stall
Dienste tliut (als Stercutius u. dgl. m.) In der Schlucht am Areopag (als Sitz
der Unterirdischen), waren Sspvai (im xdaßa x&°v<k) zum Herauf kommen verfügbar
(durch Psychopompeia), wie nach Wegnahme des lapis manalis herausschwärmend
(vom „Mundus“ der Römer).
An dem zum (annamitischen) Amenthes (im Sonnen-Niedergang, auf Mangaia)
führenden Felslöcherpaar, (für Vornehme und Geringe abgetrennt) wird die Ein-
ladung gesprochen (am Allerseelentage, für die Rangordnungen gedoppelt), und
der Bapiri kann lebendigen Leibes schon hineinkriechen in die Ursprungshöhle
der Vorfahren (wohin die Ahnenseelen zurückkehren).
Unter den Seelenteilungen der Stoiker, (in siebenfacher Zahl denen der Batak
entsprechend), herrscht (im Herzen, oder) auf dem Haupte das Hegemonikon
(direkt aus des Schöpfers Hand hervorgegangen in platonischem pyouptvov),
am Scheite] thronend, gleich siamesischen Chomkhuan, („indulgere genio“ anratend),
weshalb königliche Ehrung handgreifliche Berührung verbietet, und (bei den Karen)
hat Tso, vom Kopfsitz aus, Ordnung zu erhalten zwischen den im Körper funk-
tionierenden Khuan, die „Verderben schwörend“ (bei der Geburt) eingefahren sind
(s. Mason) und deshalb, sobald jener Tso (Macht und Stärke) an Kraft abschwächend,
die Zügel lose lassen sollte, sogleich mit hämischer Schadenfreude über den
menschlichen Organismus herfallen würden, um ihn zu zerstören, aus krankhafter
Störung physiologischer Functionen (bei Zerrüttung ihrer normalen Gesundheit).
Und so, wenn der aus dem Kreis seiner Göttergenossen verstossene Dämon,
mit unseligem Leben (£an) äßioß) vor sich — gleich dem mit Ablauf seiner Frist
absterbenden Deva in Tuschita (unter #eol doX^acatveß) oder der aus dem Lande
der Sangiang zum Pilzsprossen destinierte Seelengeist (da seine Zeit um war) —>
hinabstürzt in das irdische Jammerthal (dn77 Xstfiuiv), fällt er (s. Rohde) „herein
aus einer anderen Welt, der Welt der Geister und Götter, zu seinem Unheil, als
in ein fremdes; die Elemente werfen ihn einander zu und hassen ihn Alle“ (b. Emp0'
dokles). Das Allfeuer glüht in Heraklit’s Seele, in steter Umwandlung begriffen
(des Lebens und Sterbens).
Die Kontroverse über den in die Brust (woher die Stimme komme) ver-
105
legten Sitz war durch Chrysipp in die Stoa gekommen, da ihr Oberstes im
Haupte weilen musste, als Hegemonikon, wenn dieser individuelle Funke des
All-Einen (seines unsterblichen Vorranges wegen) als direktes Händewerk des
Demiurg bezeichnet wurde, in Plato’s Redeweise, und so erklärt sich die Unklarheit
derselben aus des Meister’s Vertakelung in die Ideale (wie schon von Aristoteles
gerügt). Der Widerstreit zwischen Kopf und Herz dauert fort bei dem Gefühls-
menschen bis auf den heutigen Tag und ihr Zusammenhang wird durch den
Verbindungsstrich angezeigt, in den Meda-Symbolen (indianischer Gesänge). Statt,
auf den Scheitel niederblickend, unter ihrem (Schädel-) Dach (als Genius) zu
hausen, wird die Gottheit von der Mystik („deutscher Theologen“) in das Herz-
kämmerlein der Gottesfreunde einquartiert, um von dort mit des Daimonion s
Stimme zu reden (in sokratischer Zeit) oder der Gbesi (in Guinea). ,,Dei
Wille muss, um vollkommen zu werden, dem Sittlichen, dem Gewissen, das
nicht irrt, sich fügen“ (s. Goethe), bei guter Eingebung (des Agathodämon).
Was in der (Menschen-) Seele (wenn keine Ausstrahlung aus einer Welt-
seele) sich darstellt, „das ist die Eine Kraft, die überall, in allen Erscheinungen
der Welt, Leben wirkt und selbst das Leben ist; dem Urgrund der Dinge selbst
seelische Eigenschaften leihend, konnte die Physiologie der Hylozoisten zwischen
ihm und der Seele gegensätzliche Unterscheidung nicht festhalten (s. Rohde),
im „Wicht“ (oder „Wiht“) der Wesenheit (genialisch), auf dem Steine sitzend
sichtbar oder (b. Thaies) drinnend steckend (aus magnetischer Seele), sowie in
den Pflanzen (unter im Gegensatz zu Ajiva, jainistisch) wirkend, in du
Lebensseele des Iivatman, zum Ausgang der 4’UXV ^p£7:TCXV C^r weitere Entelechien).
Auch den Seelen der Geräte ist ihre Fortdauer gewährleistet, wenn hin
überflutend ins Jenseits (auf Fiji’s Zauberbrunnen, Kauvendia), und die [mit
„Nanna“ (in bester Gesellschaft der „Erdgeister“ und „Gestirngeistei aus
XIX. Jahrh.) verwandte] Seele der Reishalme, ist mit Gehör begabt, um die
Anrufungen zu hören (in Sprache der Karen).
Yalo-na, als Seelenschatten (wie im Wasser gesehen) wird (auf Fiji) von
Yalo-yalo-na (Schatten der Sonne oder des Kerzenlichts) unterschieden, und so
der feststehende Schatten des Gesteins (bei Efik) von dem beweglichen (wie
auch den Hidatsa geläufig).
Der syrische Heiligenstein wurde in der Hand geschwungen (zum Belebe ,
während Ceraunius (als „Jovis lapis“) seine Kraft mitbringt (von oben hei ab) un
aus dem Seelischen des Yorknastein konnten (in heisses Wasser gewoilen,
Kesselfang) Kinderaugen geschmiedet werden (von Völundr), für Kionen
leicht und ihre Huerfana (s. Grimm), als „pupillus des Knäbchens, im o
bilde gesehen, das beim Verschwinden den Tod anzeigt (nach indianischer ro-
gnose). Der „Mann“ (oder Mensch) im Auge, (s. Bernau) wandert foi (
Macusi), wenn der Leib zerfällt (beim Tode). xj-if.
Am Halse getragen leistet der Lifstein (in der Kormakssaga
Dienste kabirischer Schwimmgürtel (wie von Zanekka s Leucothea zur
gewährt), und zum Oskasstein wird gern ein „lapis sapientum gewün&
Goldmachen).
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„Der Mensch ist nach homerischer Auffassung zweimal da, in seiner wahr-
nehmbaren Erscheinung und in seinem unsichtbaren Abbild, welches frei wird
im Tode; dies, und nichts anderes ist die Psyche“ (s. Rohde), „in dem leben-
digen voll beseelten Menschen, wie ein fremder Gast, ein schwächerer Doppel-
gänger, sein (alter Ergo) anderes Ich, als seine Psyche“ („aus dem Doppelleben
im Traum, in der Ohnmacht und Ekstase“), schlafend im Wachzustand (b. Pindar),
aber prophetisch kündend im Traumschlaf, während im Tiefschlaf mit Brahman
geeinigt (in der Vedanta).
Verschieden von Yalo-ni-mate (auf Fiji), verlässt die Yalo-bala, den Körper
des Lebenden bereits, um nun durch den „Visus eruditus“ der (Geister-) Seher
(bei Kwakiutl) im Doppelgänger gesehen zu werden, gleich Uhane-ola in Un-
terscheidung von Uhane-make (auf Hawaii).
Die Leip-ya fliegt aus im Traum, als (,,Psyche“ oder) „Schmetterling“ (der
Birmanen), während, wie aus des Landsknechts Munde das Wiesel (s. Nork), aus
thüringischem die Maus (der Magd) hervorkriecht (s. Prätorius), und (statt
Eidechse der Kolarier) aus longobardisch königlichem (s. Paul. Diac.) die Schlange,
die sich durch Zischen (bei Berührung mit dem Stabe) als Ahn bekundet
(für die Bantu). Die Schlangen (oder, Kindern zugeneigte, Unken) wurden, als
„Milchmütter“ (der Letten) von den Littauern im Hause gehegt (und mit
Opfern gefüttert). „Nullus locus sine genio, qui per anguem plerumque ostenditur“
(s. Servius), fortgeringelt zum Drachen oder „Wurm“ (vaurms) zur Berührung
)im Sagenring) mit dem Naga, aus kaslimirischen Seen aufsteigend, im Nebel-
dunst (vom chinesischen Wappensymbol durchflogen), und so sprosst es fort im
Wachstum (oder Wucherung) der ethnischen Elementargedanken, aus Rohheit der
Wildstämme fortgezüchtet (zur Veredlung in kulturhistorischer Entfaltung, unter
günstigem Geschick).
Das alwvos sidioXov, das „Abbild des Lebens“, — das schläft, während die
Glieder des Menschen thätig sind (wogegen dem Schlafenden in Traumbildern
das Zukünftige zeigend) —, „stammt allein von den Göttern“ (b. Pindar), und
der Name bezeichnet „den im lebendigen Menschen hausenden Doppelgänger“
(s. Rohde), auch im Wachzustand des Lebens draussen gesehen (auf Hawaii)»
im (schottisch) zweiten Gesicht, oder durch den „Visus intellectivus“ eines
(Geister-) Sehers erblickt (unheilvoller Verkündigung meist).
Zur Sühne „alter Schuld“ unterliegt die Seele dann einem Gericht, entweder
zu Qualen verurteilt oder in der Unterwelt auf blumigen (Asphodelos-) Wiesen
verwiesen, unter der Nachtsonne, (mit umgekehrten Zeitläufen). Nach dreimaliger
Heraufsendung (durch Persephone) wird im neunten Jahre die (gereinigte) Seele
entlassen, um unter (Rhadamanthus’) Heroen auf „seligen Inseln“ (dem Pulo-
buah bei Orang Semang) des Okeanos zu weilen, auf Zeus Wegen zur Burg des
Kronos ziehend (und Verehrung erhaltend). srsdav Aioq ¿dw -apd Kpuvou rupmv (auf
den Marga). Die im Skolion gestellte Frage, ob auch Harmodios sich dort be-
finde, hätte (im Altai) der beim Klang seiner Zaubei’trommel die Himmel, auf
der Gans (wie der Prophet auf Borak), durchfliegende Schamane beantworten
können, wenn mit einer Kardßam; sh; adou (der Nekyien) die (an Mogallan von
107
seinem Meister beauftragte) Bereisung der Himmel sieb verband, und wie die
von Hermodr (auf Odhin’s Ross) hinabgerittenen Wege (zu „atra atria Ditis“)
abwärts nieder, kennen auch aufwärts führende die Angekok (zum Besuche der
Angekok poglik).
Zu den unheilbar verbrecherischen (zu ewigen Strafen in Tartaros verurteilten)
und den mit heilbaren Vergehen behafteten Geisterseelen, sowie den baUos ßzßmxbxeq,
dixaiot xal ömot (Gorg.), „kommen noch die äwpoi hinzu, denen sich weder Lohn noch
Strafe zuerteilen liess“ (s. Rohde).
In dieser die ßiaioß-dvaroi einschliessenden Klasse der äwpoi, die (als nptv poipav
'¿rJ.rjoav ßiou Gestorbene) im wilden Heere schweifen (unter Hekate’s Führung), begrei-
fen sich diejenigen Seelen, welche den Wildstämmen am meisten zu schaffen machen,
an betreffs der besten Methode, solche, ob ihrer Gefährlichkeit gefürchteten, Gespenster
sich vom Leibe zu halten. Bald werden sie, durch „Laneae effigies“ (auf Fiji)
verlockt, im plötzlichen Überfall (beim Hexentreiben) verjagt, von Dorf zu Dorf
(am Kalabar) und wieder zurück (eingeschlossen auch in die Gesamtmenge der
binnen Jahresfrist Verstorbenen), bald sind sie der Hut eines Chaysi übergeben
(zum Verschluss in seinen ,,Eisenkerker“), bald fortgebannt nach insular um-
schlossenem Gefängnisse, auf indonesischen Seelen-Inseln (auch von, afrikanischen,
Strömen umflossen) oder in Einöden hinaus, zum Sandzählen, um sie möglichst
lange fern zu halten (in Oldenburg). Bald aus Ecken und Winkeln der Wohnung,
oder sonstigen Verkriechlöchern (der deol ¡vr/poi) werden die Lemuren aufgescheucht
[um nicht durch Poltern (der Klopfgeister) zu belästigen] durch das (von japani-
schem Hausvater gleichfalls im nächtlichen Umgang geübte) Bohnenwerfen
(römischer Sitte) berückt (und ausgerückt), und bald dagegen wieder, indem
unter den Gewaltsam-Getöteten auch die auf der Wahlstatt (des Ruhms und
der Ehre) Gefallenen sich finden, werden diese durch Valkyren, oder (in Coorg)
liebliche Apsaras, fortgeführt zu festlichen Gelagen, — auch zu Indra’s Tavatimsa
vielleicht oder zu transatlantischem Sonnenpalast (für ein Zusammentreffen mit
den im Kindbett Verstorbenen); und die Kriegerhelden (Mangaia s) gehen zum
Lichtland (aere ki te ao), oder zu wolkigen Höhen der „Tritopatores“ (Tucopia s),
donnernd und blitzend (in meteorologischen Prozessen). In den „spirit rappings
(aus des Jossakeed’s Gegaukel, entlehnt) macht sich wieder der Kobolt, als
»Klopfer“ (s. Grimm) hörbar, polternd gleich dem Bullermann (oder Meist ei
Hämmerlein). Wie in Frankreich (XVI. Jakrh.) mit Ziegeln (der „Schmutz-
barthel“ mit Nüssen), warfen die folleti (s. Gervas.) mit Steinen (beim Spuk zu
Kesau, jüngster Tage).
Die heilige Pflicht der Bestattung, wie von Odysseus geübt, in Aufpflanzung
des Ruders, am Grabe seines Schiffsgenossen (nach tasmanischem Brauch),^ recht-
fertigte den über die bei den Arginusen siegreichen Feldherrn gefällten Richter-
spruch aus polizeilichen Massnahmen, damit nicht das Gemeinwesen duich Le0ionen
der Rachedürstigen überfallen, in Epidemien decimiert werde und die Dorfge-
nossen machen den Verwandten des Verstorbenen (s. Codiington) seine Bestat
tung zur Pflicht, „ne respublica detrimentum capiat“ (in Melanesien). Bis zur
Katharsis war der miasmatisch Ausdünstende, weil durch Veifolgunö dei (Arai
108
und) Erinnyen (oder des Kunaima in Guayana) in Angstschweiss versetzt, durch
Verbannung fern gehalten (und so bleiben isolirt die bei den Eskimo Ausge-
stossenen).
Da die Rückerinnerung an Mancherlei, was anders hätte sein sollen, mit
der an die Dahingeschiedenen sich verknüpft, verbleibt diesen, den Nitu und
polyglottischen Congarrones im Possenspiel des Lebens und Nichtlebens (oder der
von Trausiern bejammerten Tragödie des Lebensleids), stets anklebend scheu
gruseliges Furchtgefühl vor Schreck gesichtem, (und ihren Fratzen), obwohl es sich
mit den gütigen derselben (als Nitu in Indonesien) ebenso vertraulich zusammen-
lebt, wie mit Oromatua (auf Tahiti).
Reim „Übergang der Seelen in gutmütige Hausgeister oder Kobolde“ (s. Grimm)
laufen in der, die Substantia medullaris und Substantia corticalis (cinerea oder
graue) verkittenden Neuroglia oder in dem (nach des Pessimisten eleganter
Sprache, seinen philosophischen Kollegen zugedachten) „Hirnbrei“ des gemeinen
Mannes (dem im Dunkel „alle Katzen grau sind“) die (bei „Quälgeistern“ ge-
spenstischen) Vorstellungen von Geisterpack (und Spuk) der „Iliuri“ („geheuer“
oder ungeheuerlich) graulich (und gräulich) durcheinander, in Seelengeistern,
Helden- (oder Heroen-) Geistern (heroischer Art), heiligen und unheiligen Geisterlein,
Ganze-, Halbe- oder Viertelgötter bis zu „dii minuti“ herab — „of little acount“
(s. Matthews), wenn in Halmen und Gräsern steckend (unter der Hidatsa) —, wie
ähnlich die „Begriffe Kobold, Zwerg, Däumling, Puppe und Götze“ vielfach in
einander übergehen (aus „Buchsbaumholz“ geschnitzt, oder aus sibirischem Blech)
in Manleika {äyaXpa) und (slavonisch) Malik (Kleinfinger der Böhmen). Als Pöpel
(verpuppt) und Tatermann von panniculus (s. Graft) oder Hätterat (ags.) und
Katermann (und Heinze) spielt der Schalk (xoßaXoc;) dazwischen hinein (mit
Koboldstreichen). Beim „Ölgötzen“ kam es auf das ölen oder (salbungsvolles)
Salben hinaus (für die Taufe, zu Justinus’ Mart. Zeit), mit ilmov TiaXawv, das,
wenn auch (b. Dionys Areop.) äyiov (als fwortxov), vielleicht ranzig zu duften be-
ginnt (für eine, an ätherischer destillierte Parfüms verwöhnte, Naseweisheit). Wird
statt die Seele zu riechen, ihr Gesicht vorgezogen zum „Sehen“, liegt (ceylonische)
Weihe des Idols durch Augen-Einsetzen nahe, im Hinblick auf einen „Visus
eruditus“. Dabei fehlt es dann ebensowenig an Illusionen (der „Visio“ als öpap.a)>
wie bei den „Halluzinationen des Magens- und Geschmacks- (oder Geruchs-)nerven“,
wozu die „Nausea“ (des „Ekeldufts“) hineingerechnet wird (in der Pathologie
des Nervus vagus und glossopharyngeus). Bei (gnostischer) Unaussprechlichkeit
des izoLTYjp ävwvupo<;(s. Plotin) — oder unsicherer Vokalisierung, um „unter den vielen
Namen“, womit der Eine benannt wird (im Rigveda) die „nomina“ der „numina“ zu
ordnen— schafften die „klugen (oder schlauen) Leute“ (oder Köpfe) Rat (nach Kritias’
Ansicht) als fiölkunnigr (oder visindamadhr), und von einem vielgereisten Euhemerus
mochte dann gelesen werden, was aufgeschrieben stand im Tempel des (Triphy-
lischen) Zeus, dessen Grab den lügnerischen Cretern überlassen blieb, unter den
Fallacia in „ignoratio elenchi“ (worüber Philetas sich zu Tode studierte). Elegit
(Diceneus) „nobilissimos prudentiores viros, quos theologiam iustruens numina
quaedam et sacella venerari suasit“ (s. Jornandes), unter den Gothen mit (der
Heruler) noXtx; fteäjv opdog (s. Procop).
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Hier kam es nun in erster Linie darauf an, die Etikette (des rituellen
Ceremonials im Kult) genau kennen zu lernen, denn da jedes stotternde Versehen
in Hersagung der Mantra den (brahminischen) Hals brechen kann, befasst sich
mit solch doppelschneidigem Pharmakon (in der Seelenheilkunst) besser nur, wer
zu gründlich schulgerechter Erlernung derselben die benötigte Müsse sich hat
gönnen können (im ßiog tfeiopyrixog), oder einen (persischen) Magier sich miethen
(zu Herodot’s Zeit) und der Nigritier legt den nach idiosynkrasischen Ein-
gebungen eines „Angangs“ (oder Pagar auf Sumatra) geschnitzten Suman
vorher dem sachkundigen Wulomo zur Begutachtung vor, ehe er ihn in Ge-
brauch zu nehmen wagt, um ihn in der Hauskapelle aufzustellen, oder (als
Leibarzt) am Seile baumeln zu lassen; auch an den Kleiderfetzen, wo solche an-
hängen (von „Negerplundern“). Aus Vertrautheit mit der „Kyngi“ (oder Kunnugi),
wie von Rögnvaldr erlernt (in den Sagas), führen dann die (afrikanischen) Königlein
oder „Kings“ ihr Kegiment, im Geheimbund mit den Fetizeros, nach ple-
bejisch abgeschwächtem Stil zu pharaonischer Zeit (bei Aufnahme des Gekrönten
unter die Priesterkaste).
„Wenn eine richtige Tierseele nicht in einen Menschenleib fahren kann,
weil ihr die, den Kein menschlicher Seelenthätigkeit ausmachende Kraft der
Dialektik oder whjaiq fehlt, wie kann dann eine richtige Menschenseele in einem
Tierleib wohnen, in dem sie, wie an jedem Tiere offenbar ist, die wrjmq nicht
üben kann“? (b. Plato), und solche Fragestellung des Archäologen (S. 894) ent-
spräche also Sankara Acharya’s Kontroverse mit jainistischen Häretikern (über die
Guftperpia zwischen Seele und Leib), während bei den „seelenlos“ Orthodoxen (die
freilich ebenfalls unter das brahmanische Anathema der „Nastika“ fallen) die Sacli-
lage (sachgemässer Einkürperung) unentstellt vorliegt (auf dem Buddhagama).
Die „Wahl wird bestimmt durch die im frühem Leben erworbene besondere Be-
schaffenheit der Seele und ihre Neigungen“ (Phaed.), und zwar unverrückt immer
(durch Eisenschluss des Karman), wogegen (Tim.), „bei der ersten ivmipartomg
der Seele keine Wahl statt hat“, als ob herabgesandt auf Mawu’s Geheiss, aus
1 raeexistenz in Nodsie (der Eweer).
Der wegen meineidiger Schuld aus dem Kreise der Götter verbannte Dämon
stürzt in das irdische Jammerthal {dv/jg Xs.ip.iav) zum Leid des Lebens ußiog,)
und ihm gilt (b. Empedokles) das itdvTwv vopipov (xrecvstv tu £p<fm'/ov), in Gautama s
Gebot (der Ahinsa).
Gleich Kevala (der Samkhya) ist Plato’s Seele povosid^g {rfj äXrj&saTdTy cputrsl)
ui Indifferenz des Zuschauers (Sakshin), ohne Antrieb zur awpdrwmg für das
^0yi(TTix(>v, wenn nicht mit dem minderwertigen Seelenpaar verkoppelt (dupog
und ¿mßußia). Die „Seele in ihrem reinen und ursprünglichen Wesen gilt als
einfach und unteilbar; erst bei ihrer Einschliessung in den Leib wachsen dei
ewigen, auf Ewiges gerichteten denkenden Seele Triebe und Begierden an,
die aus dem Leibe stammen, dem Leibe eigen sind, und während des irdischen
Lebens der Seele anhaften“ (s. Rolide). „Die an sich seiende Seele wird
zur empirischen (jiva) durch die Verbindung mit den Upädhis, d. h. mit dem
Innerorgan, den Sinnen und dem Körper, durch die hierauf beruhende Verbm-
по
düng mit der Fähigkeit des Empfindens und Handelns, und durch die ebenfalls
auf die Beziehungen zum Innerorgan beruhende Verbindung mit dem Atem“
(s. Garbe). Indem sich die Kla (der Odschi) kontaminiert (aus Berührung mit
dem Körperleib), ergiebt sich die sinnliche Fortzeugungskraft für Wiedergeburt
der Bla, die also mit erblicher Sündenlast beschmutzt eintritt, wenn mit der für
das Kind gebräuchlichen Geburtsformel begrüsst („du bist gekommen“).
Wie die platonische Seele durch die Begehrlichkeit (¿mftupia mit ß-updq) her-
niedergezogen ist, zum Einschluss in das аwpa als ayjpa, so werden die den Luft-
raum durchschwebenden Abhassara (des Glanzhimmels) angezogen durch die Lust
von der Süsskruste auf der frisch entstandenen Erde (oder Djambu-dwipa) zu
essen, und indem sie dadurch ihre ätherischen Leiber durch materielle Nahrung
beschweren, fallen ihnen die Fittige ab, so dass sie, an Rückkehr nach ihrer
Heimat behindert, drunten zu bleiben haben (nach dem Gleichnis des vom Cyniker
gerupften Hahns).
„Erst infolge der heftigen und widerspruchsvollen Bewegung durch die
sinnliche Wahrnehmung des Werdenden wird die Seele ävooz, orav e!s owpa
ivdtürj ßurjTw“ (s. Rolide), „sie wird mit der Zeit wieder lp.<ppwv und kann weise
werden“ (b. Plato) unter denselben Bedingnissen also, wie sie (im Abhidharma)
für den aus Chuti-Chitr gewandelten Patbisonti-chitr walten, indem Vinyana
(bei Anhaften durch Upadana, auf zugehöriger Stufe der Nidana) in Avixa’s Un-
wissenheit umhüllt liegt, bis wieder geklärt (zur Durchschau in Bodhi hin).
Und wenn beim Tode (тр$ фи%г]<; dm) той ашратод dTzaXXayrj) durchschnittlich оидаршд
xaftapwg elg 71 ahu u<pixvoüvTat, dXX' del той ошратод uvanXea (Phaed.), „mit Aus-
nahme der wenigen, weiterer Reinigung im Hades, nicht bedürftigen, vollen-
deten tpiXomxpoi“ (oder ol <piXoao<pia. ixavwg xaftypapevot), so rangieren solche, durch
Genuss der Früchte ihrer Erkenntnis, zu Weisen herangereifte, mit den Arhat,
welche nicht nur vor dem Niedersinken in Naraka geschützt, sondern auch über
Devaloka, und sogar Rupaloka schon hinaus, in die geradewegs zum Nirvana
führenden Pfade eingetreten sind (im Vollgenuss der Früchte oder „Phala“)*
Für die dunkel umnaclitende Finsternis, woraus der avoug emporzukrabbeln
hat, besitzen die nigritischen Philosophen ihre physiologische Erklärung. Indem
nämlich die gleich dem aus dem Himmel geschleuderten (oder fallenden) Lucifer
(glorreichen Angedenkens im Morgenstern) Kopf voran herabstürzende Seele beim
materiellen Aufschlagen an dem für die „Kopflage“ bestimmten Behälter duselig
betäubt wird und all’ das in der Idealwelt Geschaute rasch aus dem Gedächtnis
verliert, so hat der (an Stelle der Hebamme) fungierende Astrolog schleunigst
sich zu beeilen, um das Horoskop zu stellen, zum Abfragen der Kra über das, was
noch nicht völlig vergessen sein sollte, (wieder erinnerlich noch in dvdpvrjmg), und
so das verständlich noch Erhaschbare zu notieren, zur Aufbewahrung und Ver-
wertung für die Bestimmungen des künftigen Geschicks, aus sympathischer Ver-
knüpfung mit den Konstellationen (in Gestirnen der ßeol oparoi). Und solch’
hochheilige Belehrung (directer Import aus dem „Kosmos noetos“) wird später dann,
vom schnöden Krämersinn der Fetizero, dazu ausgenutzt, um je nach ihren, zur
Beantwortung gestellter Fragen dienlich ausgestatteten, Kenntnisschätzen ge'
111
steigerte Honoraransprüche zu stellen, meist in Schnaps zahlbar (im Schwarzland
durstiger Kehlen).
Der innere Sinn (als sensus communis, vis aestimativa, imaginativa, cogi-
tativa und memoria geteilt) entspricht als xotvvj dlaftrjmq (peripatetisch) dem
sechsten Sinn des Abhidhanna, im Manas des Menschen (oder Manu) und seiner
(papuanischen) Begabung mit Mana (in ftsia ¡j.avia gesteigert), wenn im iv^oumaaiioq
ergriffen vom Gott, dem Ebenbild (oder vice versa) im Herrn (oder „Chaos ).
Für die „wahren Philosophen“ — (in Weisse’s aristokratischem Esoterismus
persönlicher Fortdauer; um sie nur den aus göttlichem Geiste „Wiedergeborenen
zu reservieren, im Vorzug der Dwija) — genügt nicht mehr der Aufenthalt auf den
fiaxapwv vvjaoc, sie gehen ¿q ¡mxapwv w«: ¿udaupoviaq, und werden aus der Zeitlich-
keit ganz erlöst um in das „Jetzt“ der Ewigkeit (s. Rohde) einzutreten, also
in Nitya (Okasaloka’s).
Bei den Inkarnationen (in Wiedergeburt) finden sich die Kalapui fhayana
bevorzugt, weil (trotz skeptischen Anzweiflen’s) „angeborene Ideen“ bereits mit-
bringend, aus ihrem aeonenlangen Studienkurs in den Meditationshimmeln (dei
Rupaloka), cf. Rlgph. Pr. (S. 161).
Dem Gebahren der „Despoina“ in hellenischen Unterwelten (zu Pindar’s
Zeit) entspricht das Genowie Lanyoot’s unter den Blandass, mit dem Unterschiede
nur, dass das Heraufsenden einmal an die Sieben angeknüpft ist, das andeic
Mal an die Neun (beides heilige Zahlen, im Übrigen). Die trotz alles Schruppens
schwarz verbleibende Seele wird zu des Tantalus’ Qualen verdammt (im Hantu
Degup), wogegen, wenn die Reinigung gelungen (die „alte Schuld gesühnt) ist,
der als Hantu Entlassene, wenn verständig, nach den Frucht-Inseln (Pulo-Buah)
ziehen dürfte, von lauen Winden umfächelt (wie auf makarischen Insem). Und
wenn nun der „Herr“ (Tuhan) aus Kolongson-awan’s Himmelshöhe einen Freund
hinsendet, zur Begleitung, so hilft dessen Hand über die Wegesschwierigkeiten
hinweg, und die (auf den „Megga“ oder Pfaden des Tiuddhagama) voranseineitendc
Seele geht ein zur ewigen Ruhe (im Neibhan).
Eigenartig bei diesem Wildstamme, der, obwohl von üblichen Klassi
fikationen in der Ethnographie zu den niedrigst tiefstehenden Repräsentanten
des Menschengeschlechts gerechnet, gleiche Elementargedanken wiedeiholt,
sie in klassisch höchster Entfaltung (zu Pindar’s Zeit) dem damalig kulturellen
Wachstum eingewoben lagen —, tritt der Hantu Kubur heivoi, dei (wie Stevens
bemerkt) mit der Seele (Semangot) nichts Weiteres zu tlrun hat, sondern
bösen Neigungen repräsentiert, die sich nun selbst verzelnen müssen.. Hat r
lieh dieser Hantu keinen gleich böswillig Gestimmten gefunden (um m ihn em-
zufahren und seine schlimmen Absichten auszuführen), so „sitzt ei Nac "
Grabesfeuer und isst und trinkt den Inhalt des Anchap, und schläft den lag
über, sieben Tage hindurch; darnach stirbt er völlig aus und veischw
immer“, gleichsam also der Reue entsprechend, von dei es in dogmatisc
Gonen heisst: „Weder Zerstreuung, noch Askese, noch Vernunftgrun e e en
dagegen, nur die Zeit (und emsige Arbeit)“, bei Hinwendung zum Besseren (m
tetavota).
112
Die aktuell vollbrachte Missethat dagegen (die „alte Schuld“) muss in Nar-
raker (Naraka) gesühnt werden, durch Lanyoot’s siebenmal wiederholte ReinigungS'
versuche, und wer sich dann unverbesserlich zeigt, verfällt damit ewiger Pein
(als Hantu degup). Die Gereinigten (oder Teletai) dagegen ziehen auf „Wegen
des Zeus“ nach makarischen Frucht-Inseln (Pulo-Buah) und werden von dort
durch den für lnilfreiche Vermittelung gesandten „Freund“ zur „Burg des
Kronos“ abgeholt (in Kelongson-Awan). Daneben findet sich, aber auf einem
(bei Virgil) getrennt abgezweigten Wege, der „Limbus infantum“ (oder Tinga-
Howi, im Idiom der Semang), welcher dagegeu auf dem (s. Thomson) nach Nauka-
vendra’s Höhen führendem Totenpfad (der Vitier) an derselben Strasse liegt, etwas
seitsab, indem die abgeschiedene Seele, kurz vor Ankunft am Ziel, die Bäume
passiert, an deren Zweigen die Kinderseelen (Fledermäusen gleich) hängen (ihre
Mütter erwartend, zum Abholen). Dass die Säuglinge Schwierigkeiten haben würden,
für sich allein den Weg ins Seelendorf zu finden, weiss auch die indianische Mutter
und hört es deshalb gern, wenn ihr gleichzeitig das Absterben eines älteren Ver-
wandten gemeldet werden sollte, der die Führung übernehmen kann (an Stelle des
sonst für solchen Zweck nachgesandten Hundes; als Psychopompos, gleich Anubis)-
Bei unerschöpflicher Endlosigkeit solch ethnischer Parallelen muss hier ab-
gebrochen werden, zumal das Angeführte vollauf genügt auch in diesem Sonder-
fall wieder, die allgemein konstatierte Gleichwertigkeit der elementaren Unter-
lagen aufzuweisen (unter den Differenzierungen der Völkergedanken). Ausserdem
werden (in Betreff des letzt erwähnten Spezialfalls) die weiter noch im Einlaufen
begriffenen Sammlungen unseres Reisenden, unter Prof. GrünwedePs sachkundiger
Behandlung, voraussichtlich noch fernere Ergänzungen hinzuliefern, worauf dann
später wird zurückgekommen werden können (im nächsten Heft des Notizblattes)-
A. B.
Garbe. Die Samkhya-Philosophie. Leipzig 1894.
Eine höchst willkommene und dankenswerte Arbeit, bei längerem Aufent-
halt in Indien und dauerndem Verkehr mit den einheimischen Gelehrten auf
schulgerechter Quellen-Kenntnis begründet (im Anschluss an vorangegangene
Übersetzungen der Samkhya-Texte).
Ob die Philosophie, die „Wissenschaft der Principien“ (b. Überweg), ab
xTrjmg é-tffrfjp.rjq (bei Plato), die Tugend oder die Glückseligkeit (ruv zbdaipova ßiov)
anzustreben habe, findet sich in den die Stoiker und Epikuräer bewegenden Streit-
fragen diskutiert, wogegen in Indien’s Philosophie-Systemen stets die „Apavarga
zur Zielerrichtung gesteckt ist, die „Erlösung“ der Seele (in „Abwälzung“ bedrücken'
der Last), und deshalb steht nur sie im Mittelpunkt der Betrachtung, als für den
Menschen gewichtigstes Beobachtungsobjekt; in diesen Religions-Philosophien Üv°
die Schwester der Theologia nicht auf Dienstleistungen, einer „ancilla“ nur, ver-
wiesen worden ist).
f
Da die Seele eingewoben liegt in die Welt, führt die Untersuchung auch am
diese, und bei den zur Erklärung des Daseins (wenn nicht als vorhanden gegeben
o
angenommen) gebotenen Wegen der Wahl, über „Entstehung oder Schöpfung»
hat die Samkhya sich für die erstere entschieden und demgemäss ihren Seelenbegri^
113
verschiedentlich also, als wie derselbe sich in der Vedanta gestaltet (bei Ausgang
von Brahma’s Kontemplation), zu fixieren gehabt, in Beziehung zu Prakriti
(gleich der „Physis“ in ihrem Werdeprozess).
Allgemein genommen entspricht Atman den ethnischen Elementargedanken,
wie in Ghana, Kelah, Kla, Shin, Vui, u. s. w. erscheinend, während bei der Stellung
Puruscha’s (zu Iiva oder Iivatman), im Verhältnis zu Kevala, eine ähnliche Wand-
lungsfärbung erkennbar bleibt, wie in der auf die Spezialität des Menschen
(in seinem, ihm selbst voranstehenden Sonder-Interesse) hinzielenden Zuspitzung dei
Hambaruan (zur Wandlung in Liau unter den Gana).
Die für Puruscha beanspruchte Vornehmheit eines rein indifferenten „Zu
Schauers“ (Sakshin) lässt sich leider freilich nicht bewahren (bei menschlichen
Schwächen), und indem nun die Befleckung statt hat, bedarf es unabweislich auch dei
Reinigung wieder, unter all jenen, vorwiegend nicht angenehmen Prozeduren, wie
sie in den religiösen Erlösungsplänen durchgängig in einer oder anderer Weise als
heilsam sich angezeigt haben, ehe die schliessliche Befreiung zu erlangen ist, bei
Einzug in Nirwana’s ewige Ruhestätte (auf dem Buddhagama), wenn mit Asanök
hata-Ayatana das Dharrna durchschaut worden (unter den Gesetzlichkeiten eine.’
harmonischen Kosmos).
Indem Atman allgemein belebend (in Iiva) durchdringt, waltet in allem, was
9u<T£t existiert, als äpyj] y.urjaswq xal ardaswq (bei Aristoteles) die i&s i? awrijs xtvoufievT]
*ara trnepfjLanxous Xoyouq (der Stoa) oder die obaia eben, (im Werdeprozess) wo-
durch, beim Hervortreten aus Prakriti’s „wurzelloser“ Wurzel, mit Wachstums
Vorgängen entfaltet wird, was sich in Energien (der Kräfte) bethätigt, wenn ans
dem Hypokeimenon (eines duvdpei ov „Unterliegenden ) das Eidos (in Forrnge
staltung des Stoffes) hervorgerufen ist, um von [vegetativisch oder physisch (wie
Asu, vedisch) eingehülster] Psyche threptike an, das entelechische Fortstieic
zü beginnen, bis zum Reich der Ideen (wenn der vodz npopoptxog mit dem. V
&dtd&ems zusammentrifft, als TzocqxixM mit dem na&7)Ttx6z), 4'0Xa'1
und indem [den der yß-opä und arj(ptq unterworfenen Elementen (Eide, Wasser u
Luft) gegenüberstehend] das (peripatetisch) mit dem Zug der Leichtig
OiTT/iw? xou<pov) Begabte gravitierender Schwerkraft entgegenwiikt (in dei ’
im mp t£%vol6v (s. Heraklit) die Rolle des Demiurgos zu spielen, so verläu
solche Schöpfung — nach der Stoiker Lehre: 7wpa Weppov etvat drp wrfv (s-
Liog. Laert.) — in des Feuers Inbrunst oder „Tapas , kraft welcher aus Bra ^ ^
Kontemplation die Welt gestaltet wird, in (eines Oirnuzd s) „Kosmos n
^nächst, um aus dortiger Sophia Geburt den (gnostischen) Logos hinauszusen en,
f^r den „dialektischen Prozess“ eines Identitätsprinzips (im System des „a
Realismus“), mittelst schöpferischen Wort’s der in Vacch gezeugten. ’
°Wohl jedoch, trotz besten Wissen’s und Willen’s (in Honovers „Remhei ),
s°lche Wortschöpfungen (der Welt) leichtlich dann verfliegen wurden (in
»flatus vocis“). ... ,.
Die Schwierigkeiten, das [in all solchen (oder ähnlichen) Kompl.kahone
stofflich Materielle hineinvertakelte] Seelische fein säuberlic i ui io
^‘«liichtung angestrebte Losung: der Erlösung nämlich) wieder herauszuwirren,
8
114
werden in der Sankhya bequemster Weise dadurch erledigt (oder umgangen),
dass die Seele von vornherein frei gehalten werden soll von ieder Mitbeteiligung
an der demiurgischen Schöpferarbeit (ob einer mechanisch-technischen in Archi-
tektonik oder organischen aus innerer Entwicklung), um in kühler Indifferenz
darauf hinzublicken, in Zuschau (des „Sakshin“), als ob völlig unbeteiligt (wenn
dies so ginge; bei den drohenden Kontaminationen).
Die Wildstämme pflegen es mitunter in fast gleich-leichtem Sinne (oder Leicht-
sinne) zu nehmen, bei ihren Gana oder Kelah (mit altehrwürdiger Reminiscenz an Zi,
geschäftsbetriebsame Shin u. s. w.), die allen Naturdingen (auch den anthropomor-
phischen mit seiner Seele) genialisch (unter der, ungewichtigen, Wesenheit eines
„Wicht“) dreinsteckend, so oft es passt, auch wieder herausgenommen werden
könnten (pur und blank). Doch kommen bereits dem Nigritier (im Bewusstsein
sündiger Schwächen) seine Bedenken, und obwohl die Kla (beim körperlichen
Abstei’ben) nach ihrer Seelen-Heimat (wie in Nodsie oder sonst vorgerichtet,
seit der Präexistenz) zurückgesandt wird, verbleibt doch (neben der ohnedem be-
reits, zum Tradux, incarnierten Bla) ein gespenstisch nachspukender Rest, der
(in Sisa) erst abgethan werden muss (wie der Hantu kbubur der Blandass),
ehe an das, im Totenland (oder Ko-to-men) weilende, Eidolon sein Erinnerungsbild
ungetrübt verbleiben kann, und so wenn unter den uranographisch ausgebauteo
Behausungen auch olympische dwpara (homerischer Dichtkunst) vorgesehen sei»
sollten, erweiset es sich angezeigt, den „Autos“ lieber dorthin zu versetzen (in seiner
Persönlichkeit), obwohl zugleich auch abgeschattet gesehen, unter den Skia»
schweifend (im düstern Hades).
Die Sankhya hätte sich hier mit ihrem Purusha abzufinden, und da die
Isoliertheit einzig der Kevala nur (rein reinlichster Heiligkeit, in Suddliatman) Vorbe-
halten bleiben kann, liegt im Namen der Jivatman bereits ausgesprochen, dass
Contact stattgefunden hat und so die Befleckung mit mancherlei „macula peccati
(wenn auch keine „originis“) nicht ausgeblieben sein dürfte.
Dies macht sich in (eines Karman) Mühlen, die zwar langsam (s. Logau)
„mahlen, aber trefflich klein“, — äXiooat dk Xetztol (b. Sext. Emp.) — besonders
deshalb empfindsam, weil dasjenige Organ, wodurch der auf dem Kopfe des
Betrachtung zuschauenden) Purusha inliärierende Denkprozess vermittelt wird»
der sechstsinnige Manas nämlich, (unter den Rubriken der Dravya, an Spitze der
Kategorien oder Padarthas in der Vaisheshika), atomistische (und also unzerstör-
bare) Konsistenz vindiziert erhalten hat, so dass geduldsamst alle die Qualen zu
erdulden sind, wie sie mit raffinierter Brutalität (die fast der einer „DiviU“
Comoedia“ abkonterfeieten ebenbürtig naliekommt) in den Naraka -Bildern ge'
schildert zu sein pflegen, so dass „ogni speranza“ ausgeschlossen bleibt, ulT1
sich ihnen vielleicht dui'ch nihilistische Verflüchtigung zu entziehen, etwa 111
der Atom-Zerstreuung (s. Lucrez), womit die Epikuräer sich trösteten, bei ihrer
aript]aiq al(T&rj<TEU)(; (6 üävaroq oudev itpoq rtp.aq,; leichter wohl gesagt, als gethan)*
Aus solcher Sachlage fliessen die Zweifelsfragen, über das Schicksal dßJ
Seele in der Sankhya, worauf weder Barthelemy de Saint-Hilaire noch JohaentgeIJ
eine Antwort fanden, während der Verfasser des vorliegenden Werkes zu ^
115
Folgerung gelangt, „dass nach der Sankhya-Lehre die Seele in der Erlösung
zwar individuell fortdauert, aber im Zustand absoluter Bewusstlosigkeit“ (s.
S. 325), mit der Lösung des Gebundenseins (duhka-yoya) und sohin Aufhebung
des Schmerzes oder Duhka (wofür das „Vierwort dient“, im Buddhagama).
Das Abhidharma geht bei diesen komplizierten Prozeduren des Erlösungs-
prozesses auf minutiöse Einzelheiten ein, bei seiner psychologischen Auseinander-
legung, da ihm die kurzen Allgemeinheiten, wie sie siel) in den brahmanischen
Shat-darsana eingestreut finden, nicht genügen wollen, zumal im gegebenen
Sonderfalle z. B. schon im Ausbau des kosmologischen Systems eine geeignete
Lokalität ermangeln würde, um den (für ewig) Bewusstlosen, in seinen Panny-
chismos zu betten, wenn nicht etwa unter den Rupaloka die der Assandjnisattwas
sich als dafür zusagende auswählen Hesse. Der rationelle Ausgangspunkt liegt
in der (präformierten oder praestabilierten) Wechselbeziehung zwischen Aromanaund
Ayatana, (wofür die Sankhya ihre Lehre von den Tanmatra hätte verweiten
können). Indem „Manas“ (in seiner spezifischen Sinnes-Energie) mit Dliarma
korrespondiert, hat sich solcher „mens“ (unter zunehmender Erhellung der Avidya) im
fortschreitenden Wissen (bis zur Durchschau in Bodbi) aus einwohnenden Gesetzlich-
keiten zu klären, ehe beim Betreten der Megga die letzte Fruchtblüte (dei
Phala) in Asangkhata-Ayatana erlangt ist, um aus Akasaloka’s Nitya durch des
Buddha moralische Kräfte die physische Welt zu erhalten (und nach dei Zei-
störung, im Umschwung der Kalpen, neu wieder aufzufrischen). Aus solch zu-
sammenklingenden Harmonien blüht Alles dann im fröhlichen Gedeihen empoi,
wenn der Thron des Mittelreichs mit Tugenden geschmückt steht, und fieund
liehen Angesichts (bei gesundheitlicher Verdauung, unter guter Fütterung) die
(gleich „porci mystici“) wohlbeleibten Talapoine behäbiglich drein schauen, in
optimistisch bester Welt (trotz all’ der pessimistischen Anschwärzungen, die der
Buddhismus von den Unzufriedenen unter uns hat erfahren müssen). A. B.
Oldenberg. Die Religion des Veda. Berlin 1894.
Die der Zeitrichtung eingesäeten, auf ethnologische Fassungsweise hmdrangen-
den, Uyoi a,eP!,araoi beginnen, wie auf dem Boden anderer Fachdisziplinen, auch
hier auf einem altehrwürdigsten zu keimen, (unter dessen Pflege durch
kundig anerkannte Autorität), mit dem Hinweis auf „fetischhafte Verköipei ungen
der Götter“ (in indischer Lehre vom Brahman). „Aus der Gestalt des vedischen
Opferpriesters blicken Züge hervor, die dem Medizinmann, dem Regenzauberer
Wilden angehören, aus dem vedischen Opferfeuer das Bild des vorgeschicht
Zauberfeuers, aus den Aufnahmeceremonien des Brahmanenschülers die m-
gürtung und zauberhafte Wiedergeburt des Jünglings bei der Pubertä
der Wilden“ (S. 597). . . „
Der nach der Vorbemerkung erforderte Anschluss dei „Religio ^
»Mythologie des Veda’s“ bietet Gelegenheit zu mehrfach lehn eichen is . ’
— so betreffs der einzelnen Götter (in zweiter Abteilung), wofür
die entsprechend komparativen Perspektiven einzustellen waien.
Ein Gott, der (wie Indra im Rigveda) für zehn Milchkühe verkauft - oder
8*
116
vielmehr nur verliehen wird (zum Töten der Feinde, weil nach Erledigung solchen
Dienstauftrags zurückgenommen) — erscheint zwar etwas teuer für die Preis-
lagen der Fetische1) in Guinea, indes weniger wohl im schätzereichen Indien,
wo (s. S. 95) der „grosse Soma-Trinker“ [durch den auch der unschuldig rein
„an den Wassern im Schoss der Schwestern“ (der „sieben Jungfrauen“) geborene
Agni („sonst kein Somatrinker“) zum Zech-Kumpan verführt wird] so hoch
geschätzt stand, dass die im „Sängerkrieg“ (des Rigveda) für den Vorrang Varuna’s
(der „Himmel und Erde gefügt“) Streitenden unterlagen, denn „der Schwerpunkt
des Kultus und der religiösen Poesie fällt auf die Seite Indra’s“ (s. S. 95).
Zum Erklettern der Sonne wird eine, auch von der Ehefrau des (brahmanischen)
Opferers bequemlichst ersteigbare, Leiter angelegt (ähnlich der, den Mönch aus
St. Brigitta’s Klosterzelle, zur Dreinigkeit führenden, cf. A. a. M. u. V. K. II taf. 3),
während Maui (der Maori) seine Erfindungskunst anstrengen muss, um hinterlistige
Schliche zu legen (gleich dem indianischen Schlingenfänger der Sonne).
Wenn „die Betrachtung weitverbreiteter Ordnungen der Naturvölker“ (betreffs
der Mokisso etc.) resoluter vorgehen wollte, im Ausverfolg der Analogien in ethni-
schen Elementargedanken, würde gar bald in einfachster Klarheit Vieles zu Tage
liegen, was bei überschwänglicher Verherrlichung des Veda’s, mit dem dadurch
aufgewirbelten Staub, die Augen der Textkundigen derartig gefüllt hat, dass
ihnen jetzt manch überflüssige Mühe bereitet wird, das (für ein naturgemäss
gesundes Auge) Nächstliegende zu sehen. Der Verfasser hat indes die Scheu
überwunden, von dem „Fetischcharakter“ (S. 92) der Symbole im „vedischen
Cult“ zu sprechen, und unter den „Tierfetischen“ (S. 76) auch von einem „Kuh-
fetisch“ (S. 207), trotz Heiligkeit der „melkenden Kuh“ für den Brahmanen, der
sich die von ihr aus den Xenien gewährten Gaben wohlschmecken lässt, zum Auf-
füttern im Staatswohl, wie es in buddhistischen Staaten den Rivalen zu Gute
kommt, (feisten Bonzen, und ihren Sodales, als „Schmausbrüdern“ in ethnischen
Syssitien).
Wo sich dieselben durch die Begierlichkeit nach geheimen zauberkräftigen
Wissensgelüsten aus dem durch ihre „Psychologie ohne Seele“ bestens vor-
gesorgten Gleichgemut haben bringen lassen, werden sie schwer genug gestraft,
wenn jetzt auf ihre (in einer, sich selbst vergessenden, Vinyana) abscheidende
Seele in nebularer „Rauchwolke“ gelauert wird, durch den bösen Feind, der in
Oregon durch Geschrei verscheucht werden muss, wenn beim Leichenbegängnis
das Herz vom Scheiterhaufen springt, in Reminiszenz an die „weissen Knochen“,
denen Psy che, und dann der Thymos, enteilen, in homerischen Versen (unter ethnisch
entsprechender Version). Und wenn gar väyubhüta („luftförmig“), Vasishtha’s und
Nimi’s Cetas oder Cetana (im Ramayana) umherschweifen, wird es einem in die
Umwandlungen des Chuti-.Chitr in Patisonthi-Chitr versenkten Studenten (des
Abhidharma) ängstlich schwül zu Mute werden müssen.
Der Verfasser, dem die deutsche Litteratur sein Musterwerk über den Bud-
dhismus verdankt, bespricht diese Verhältnisse im Übrigen mit richtigem Ein-
0 Über diesen t. t. sind die Kontroversen zunächst auf die „Fetischlehre“ (Wont-
somo) zu verweisen (cf. Z. M. u. P. der N., u. a. a. O.).
117
blick, der sich solcherweis auch bei Hinrichtung zu dem „auf den Totenkult
bezüglichen, Ritualtext des Veda“ bekundet (S. 529). Gleichähnliches gilt für den
zum (nigritischen) Ko-to-men Hingegangenen, der (trotz methodischer Verfügung
über seine Seelenteilungen) mit nächtlichen Besuchen nicht verschont, und sich
unter südlichen Nachbaren, beim Gezänk über Rinderheerden, in seinen Argumen-
tationen meist so schlagfertig zu erweisen pflegt, um den besten Teil davon hin-
wegzutragen (oder nachgesandt zu erhalten). Und auch hier wiederholen sich
aus allen Teilen der Erde die Seitenstücke (m. m.) in solch bunter Massenhaftig-
keit unter den Differenzierungen der Völkergedanken, dass, um nicht durch end-
lose Wiederholungen zu ermüden, der Hinweis auf den unterliegenden Elementar-
gedanken sich bequemer empfiehlt, mit Anspruch auf Anerkennung; wobei jedem,
der $ie zu gewähren abgeneigt sein sollte, die Belegstücke zugänglich zur Ver-
fügung gestellt sind, zu Nachprüfungen, die je mehr, desto willkommener sein
werden, weil sie stets eine neue Bestätigung hinzuzufügen hätten. Primitivste
Rechenfertigkeit genügt, um hier eine apodiktische Entscheidung abgeben zu
müssen, die Sachkenntnis des Thatbestandes vorausgesetzt. Wer andrerseits
sich den Bemühungen einer solchen Kenntnisnahme nicht unterziehen will, spart
dann auch besser wohl die in Diskussionen nutzlos nur vertrödelte Zeit (wenn es
auf hohlleere Wortfechtereien hinauskommt).
Sobald dagegen, wie im vorliegenden Werke, eine Fühlung angebahnt wird,
hat die Ethnologie wirksamste Förderung zu erhoffen, durch Anlehnung an einen
mit linguistischer Gelehrsamkeit durchsichteten und fundamental begründeten
Kulturbau, der in Indien einen noch lebenden Kontakt fortbewahrt, mit den
der Völkerkunde zur Pflege überwiesenen Stammeswurzeln (wie dies am anschau-
lichsten in der indischen Abteilung ethnologischer Museen zur Entfaltung gelangt).
Ununterbrochen forterstreckt durch die Unterschichtungen der Civilisation
klingen gleichartige Elementargedanken (aus uraltem, und in steten Erneue-
rungen frisch verjüngtem, Primärzustand):
„The primitive Aryan in all that regards his mental fibre and texture is
not extinct; he is amongst us to this day; the great intellectual and morai forces,
which have revolutionised the educated world, have scarcely affected the peasant
(s. Frazer), „compared with the evidence, afforded by living tradition, the testi-
ttiony of ancient books on the subject of early religion is worth Very little“ (1890),
und so sind es nicht die in künstlichen Schriftsatzungen inkrustierten Veda,
welche in das Leben der Volksseele einführen können, sondern eher sagenhafte
Nachklänge in „Haus- und Kindermärchen“ (der Folk-lore), oder vielmehr, nicht
sowohl diese, weil nur zusammenhangslos abgerissenen, Überlebsel aus dem Ui
sprungsquell (einheitlich vollen Wildzustands), als vielmehr das Studium dieses
eben (in den Elementargedanken, unter ihren ethnischen Differenziei ungen).
Wie im Beobachtungskreis einheimischer Heimskringla manch’ läppisch ver-
achtete Volksfabeleien (-n&yjv&v tjjjß-äpia einer „nutricularum fabula“) ihre verständnis-
volle Bedeutung erhalten auf dem Hintergrund eines alten Mythus (durch germa-
nistische Gelehrsamkeit neu belebt), so, was in allgemeinmenschlich elementaren
Unterlagen darüber hinaus durch den Globus hin sich erstreckt, zeigt mit Fleisch
118
und Blut (scharf deutlicher Anschauungsbilder) sich bekleidet aus der ethnischen
Scenerie der Völkergedanken; auf der Geschichtsbühne des Menschengeschlechts
(in bunten Variationen einheitlichen Sinnes, unter fest geschlossenen Gesetzlich-
keiten).
Jahrbuch der internationalen Vereinigung für vergleichende Rechts-
wissenschaft und Volkswirtschaftslehre, herausgegeben von
Prof. Dr. Bernhöft und Amtsrichter Meyer. Berlin 1895.
Folgend dem Zuge der Zeit (ihrem Rufe entsprechend), haben sich zur
Durchsprechung rechts vergleichender Fragen Vereinigungen gebildet, hier in
Berlin, angeregt (direkt und indirekt) durch die an hiesiger Universität gehaltenen
Vorlesungen dessen, der auf diesem Gebiete als massgebende Autorität voransteht
und für gleiche Zwecke bereits der (1878 begründeten) „Zeitschrift für ver-
gleichende Rechtswissenschaft“ seine Thätigkeit (seit 1882) gewidmet hatte, ge-
meinsam mit demjenigen, der auch auf der jetzt erschienenen Zeitschrift als
Herausgeber verzeichnet steht.
In dem einleitenden Artikel („Unser Zweck“) werden die drei Richtungen
(desselben Grundgedankens) einer Besprechung unterzogen:
Der Charakter der Universalität ist amMeisten in der „ethnologischen“ aufgezeigt
(„die europäische Völkergruppe tritt von diesem Standpunkt aus zurück“), die
„historische Richtung“ (im Grunde nichts anderes als eine Erweiterung der Rechtsge-
schichte) bildet daneben ein „kritisches Hilfsmittel ersten Ranges“, für die vergleichen-
den Rechtswissenschaften, und die Weltstellung der Europäer neuester Zeit ist der
Grund, weshalb sie für die dritte Richtung der vergleichenden Rechtswissenschaft,
„dogmatisch durchaus im Vordergründe stehen“ (S. 17).
Es soll besonders derjenige Zweig der Rechtsvergleichung gepflegt werden,
der „den in unserer europäisch-amerikanischen Weltkultur waltenden Rechts-
gedanken an das Licht zu fördern bestrebt ist“ (nach Kohler’s Ausspruch), heisst
es im „Rückblick“ (S. 315).
Den Abhandlungen ist ein Abschnitt über „Gesetzgebung“ sowie über
„Litteratur“ und „Rechtsprechung“ beigefügt, und den Schluss bilden „Vereins-
nachrichten“ (mit den „Satzungen“ des Vereins beigefügt).
Mitteilungen der Gesellschaft für vergleichende Rechts- und Staats-
wissenschaft, herausgegeben von Dr. Beneke und Dr. Kekule
von Stradonitz (Berlin 1895.)
In den „Geleitsworten“ findet sich die Vorgeschichte dieser Vereinigungen
berührt. Es folgen dann Protokolle, Statuten, Mitteilungen aus der Gesellschaft,
Besprechungen u. s. w. (sowie der Entwurf eines kolonialen Fragebogens „über
die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse“).
Geographische Zeitschrift, herausgegeben von Dr. A. Hettner. I. Jahrg-,
1. Heft. Leipzig 1895.
Eine Zeitschrift, die durch eine Arbeit Richthofens inauguriert ist, wird
einen für lebensfähige Entwicklung aufgeöffneten Weg vor sich sehen, zumal
119
wenn die Abhandlung eine gerade jetzt bewegende Weltfrage betrifft (der „Friede
von Schiraonoseki in seinen geographischen Beziehungen“), worüber von keiner
höheren Autorität zeitgemässe Ansicht entgegengenommen werden könnte.
Neben der Einleitung des Herausgebers und einem Artikel Brückners (über
den Einfluss der Klimaschwankungen auf die Ernteerträge und Getreidepreise in
Europa) finden sich „Geographische Neuigkeiten“ und „Bücherbesprechungen“,
sowie eine Mitteilung über den letzten Geographentag in Bremen.
Baessler. Südseebilder (Berlin 1895).
Im Wechsel insularer Scenerien wird eine Reihe kaleidoskopisch unterhaltender
Schattenbilder vorgeführt, aus der Laterna raagica der Erinnerung, hineinschauend
bald hier, bald da, aber stets an einem interessanten Fleck, ausserhalb dei auf
der „Grand Tour“ gewöhnlichen Schilderungen. Nicht darin gerade, weil fein
abgelegen oder schwer zugänglich — (denn bei gegenwärtiger Erleichteiung des
Verkehrs sind zeitliche und räumliche Schranken fast negiert) liegt die Selten-
heit, sondern in dem Glückstreffer des Reisenden, der überall meist hineintiifft,
wo es etwas besonderes zu sehen giebt, im richtigen Zeitaugenblick, um die
besuchte Lokalität in irgend welch aussergewöhnlichem Festgewande zu sehen.
Der Reisende ist offenbar ein Glückskind, von Frau Fortuna begünstigt, und
verdient es zu sein, ob seiner Verdienste um die Ethnologie (wie in den, die
Museen bereichernden, Sammlungen bethätigt).
Dank schulden wir ihm vor allem für das Porträt des letzten der Yana,
der sich noch des Landens des ersten Weissen erinnert, auf urwäldlichem Boden,
wo im kurzen Verlauf mitlebender Generation eines der reichsten Empoiien dbS
Globus seine stolzen Paläste errichtet hat, Dank für die PhotogLaphien dei mo
numentalen Erinnerungssteine des mit dem letzten Tuitonga of Longa zu Giabe öe
tragenen Priesterkönigtums, Dank für die Mitteilungen iibei die Oidensabatufunöen
auf Meli (worüber gerne noch mehr gehört wäre), auch für was in umetouchieiten
Naturzeichnungen über Kolonialwirtschaftstum berichtet wild, und die rolaen
daraus, wie es betreffs Neu-Guineas z. B. an der Quelle nachgelesen weiden
kann (S. 55 u. flg.).
Der Verfasser spricht einfach und treu, wie es in den Mund kommt,
Herzen her, und wird deshalb auf herzliche Aufnahme rechnen können in dem
Leserkreis, für den sein Buch bestimmt ist, und dem bald ein weiteies gesehen
sein möge (über die Restpartien der Reise).
Mason. The Origins of Invention (London 1895).
Niemand besser war berufen, dieses Werk zu sein eiben, als dei ,,G •.
of the Departement ofEthnology“ in the ü. S. M. (S.J.) mit dem reich dort auf-
gehäuften Material zur Verfügung, und nichts führt lebendiger ^
Webungen des Menschen mit den Bedingnissen dei ihn umgebenden a ’
technischen Erfindungen, wodurch seiner, im Weinen des IS eugeborenen
jammerten, Nacktheit (b. Plinius) abgeholfen wird, um im Streit gegen die (
birmanischer und peruanischer Mythe) einst ihn beherrschenden Tieie die a i
120
unerlässlichen Werkzeuge und Gerätschaften zu schaffen, zur Ernährung aus Jagd
und Fischfang (oder dem Ackerbau), sowie zur Bekleidung gegen die Unbilden
der Witterung und zu häuslichem Schutz, um, kurz gesagt, mit seinem Milieu
(aus den Ursachwirkungen der geographischen Provinz) in denjenigen Abgleich
sich zu setzen, wodurch die Lebensfähigkeit überhaupt erst ermöglicht wird
(für ihren gesunden Verlauf).
Je nach den wahlverwandtschaftlichen Affinitäten beginnt, bei Auftreffen
anregender Reize (längs der das Areal der Geographischen Provinz durchziehenden
Geschichtsbahnen), der Ansatz zur Kultur-Entwicklung in einer gemässigten Zone,
ob in horizontaler Gürtellagerung gebreitet, oder ob im vertikalen Ansteig (in äqua-
torialen Schneegebirgen) nivelliert. Wo in begünstigten Lokalitäten (der Tropen
hie und da) die Natur den Tisch deckt, die Gefässe (als Calabassen) vom Baum,
(hervorgewachsen darauf), in Früchten abpflücken lässt und Nanna’s Pflanzenseele
selbst mit Tischlerei beauftragt (wie für Fiji’s Wurzelkeule), erschlafft die geistige
Reaktion apathisch; die arktisch harte Natur absorbiert die gesamte Thätigkeit mit
stets beanspruchter Instandhaltung der im Kampf ums Leben erforderlichen Schutz-
mittel, deren Unzulänglichkeit bedingungslos sogleich den Tod bedeuten würde,
wählend bei Masshalten auf goldener Mittelstrasse die zum Schaffen aufgeweckte
Thätigkeit, nachdem den strengsten Anforderungen der Natur genügt ist, Müsse
erübrigt zum freien Weiterschaffen, die industriellen Kunstfertigkeiten zur Kunst
verschönernd, um für Einzug der Kultur das Eingangs- (oder Ausgangs-) Thor
zu schmücken. „The devices of pristine man are the forms out of which all sub-
sequent expedients arise“ (s. Mason), all art lines and geometry were born in sava-
gery (für die „Anfänge der Kunst“), it is always a change from the natural
to the artificial (b. Payne), durch die Stadien „Savagery, Barbarism and Cultur“
(b. Powell), von den Wildstämmen zu Kulturvölkern, in historischer Züchtung
(längs der Geschichtsbahnen, im Areal geographischer Provinzen).
Wenn dem physischen Habitus nach Thiere und Pflanzen, in den Erscheinungs-
weisen ihrer Variationen, Abhängigkeit zeigen von dem Milieu der Umgebungs-
verhältnisse, so findet sich der Mensch zugleich psychisch hineinverwoben, in-
folge der, aus Vorbedingungen der Existenz, benötigten Verlängerung seiner Glied-
massen, durch die in Herstellung von Werkzeugen und Geräten geübte Kunst,
(als Ausgangspunkt der Betrachtung bereits mit primärer Kunstsphäre umzogen).
Solche Geräte, wo in musealen Sammlungen vereinigt, gewähren also die
Hauptmasse derjenigen Texte, aus welchen das Geistesleben schriftloser Wild-
stämme herauszulesen sein wird.
Das für Begründung einer „Technogeographie“ von dem Verfasser des obigen
Werkes als bewohnbar zur Unterlage genommene Areal der „Oikoumene“
(Payne’s) wird in den Scenerien geographischer Provinzen ausgestattet, wodurch
makrokosmische Um Schränkungen gezeichnet stehen, innerhalb welcher die Reaktion
biologisch-mikrokosmischen Organismus’ unter ihrem jedesmal charakteristischen
Typus, zum ethno-psychischen Reflex gelangt, in den Differenzierungen primitiver
Völkergedanken, wie über die Erdoberfläche dahinschillernd („technogeographisch“
demnach insoweit).
Es dürfte hier also ein Terminus technicus geboten sein, für gemeinsame
ethnologische Nomenklatur, worüber, bei gegenwärtigem status-quo der Forschung,
gegenseitige Vereinbarung zur Empfehlung kommt, um Verständigungen mit
einander zu kürzen und Wortgefechte zu meiden, bei denen allzuoft um des
Kaisers Bart gestritten wird, während den kontroversialen Logomachien gleiche
Sinnesdeutung zu Grunde liegt.
In Wechselbeziehung zu seinen Umgebungsverhältnissen hat der Mensch
einen „modus vivendi“ herzustellen, denn bei Ermangelung eines solchen würde
der Lebensnerv mangeln, die Möglichkeit für normale Forterhaltung des Lebens,
das, obwohl vielleicht fortgefristet (längere oder kürzere Dauer hindurch),
schliesslich doch ausgestrichen bleiben müsste aus dem Buche des Daseins.
Die Vorbedingungen liegen also im Ausgleich mit den auf den Organismus
einwirkenden Beizen, im Schutz gegen die Einwirkungen, den Zonengürteln ent-
sprechend (mittelst Kleidung und Behausung), sowie in Beschallung der zum Unter-
halt erforderlichen Ernährung, aus Flora und Fauna der geographischen Provinz,
durch Erfindung der dafür geschickten Werkzeuge, je nach dem zur Verfertigung
gebotenen Material verschiedentlich adaptiert (unter den zur Bethätigung
gelangenden Agentien).
Wenn der aus Elementargedanken (oder aus den Primalitäten frühester Vor-
keimungen) zu den Differenzierungen der Völkergedanken entfaltete Gesellschafts-
gedanke (der Menschheit) unter den Gleichnisbildern eines psychischen Wachs-
tums (aus dem Werden seiner „Physis“) gefasst wird, würden biologisch all-
gemeine bekannte Anhaltspunkte geboten sein, um das komparativ gleichartig
Erkannte auch in sprachlicher Gleichartigkeit auszudrücken.
Welche Bedeutung ein, den Nagel auf den Kopf treffender, Kunst-
ausdruck gewinnen kann, liegt in Tylors „Survivals“ bewiesen (und dessen Rück-
wirkung auf die Folk-lore).
Hier konnte, im Deutschen, „Überlebsei“ substituiert werden, aber oftmals
bieten solche Termini technici Schwierigkeiten bei der Übersetzung, weil darin
leicht eine, in Färbung ausschlaggebend markierende, Nuancierung verloren
geht, wie z. B. bei „Milieu“, das weder durch „surroundings“ und „environments“,
noch durch das Umständliche der „Umgebungsverhältnisse“ in gleich bezeichnender
Kürze wieder gegeben wird (und in „Monde ambiant“ einen erst später zulässigen
Pomp erhält).
Die ethnischen Seelenteilungen der Wildstämme, die bald im sog. Ahnenkult,
bald in Theorien über Schutzgeister, Inspirationen, Exorcisationen u. dgl. m. übei-
greifen, werden mancherlei Anlehnungen erhalten können, aus dem, was in der
philosophischen Psychologie der Kulturvölker aus primären Vorstadien hie und da
überlebselt (soweit ein leitender Verbindungsfaden noch aufspürbar), und
ebenso werden sich aus klassisch festgestellten Normen in der Bezeichnungs-
Weise die priesterlichen Titulaturen ratsam bestens ordnen lassen, um, was der
Experte für Auffassung des Seelischen in primordialen Vorstadien afrikanischen,
amerikanischen, ozeanischen Völkerlebens nach der einheimisch gültigen Aus-
drucksweise richtig erfasst hat, nun auf dem Niveau gleicher (Wort- oder) Wert-
122
grosse in internationalen Verkehr zu setzen, wenn e. g. was von Schamanen,
Medizinmännern, Jossakid, Medwamin, Wongtschä, Wulomo, Gbalo, Wih und Bokio,
Zauberärzten, Teufelsbeschwörern, Sehern, Propheten, Hexen und Hexenmeistern,
in Theurgie und Goetie u. dgl. m. berichtet wird, aufklärende Erhellung empfängt
durch das über Hiereus und Mantis, Sacerdos, Flamen, Pontifices, Auguren, sacri-
ficulus, vates u. s. w. in schriftlich fixierter Form Bekannte, soweit hier und
da ein nachblickender Dämmerschein auf frühere Entwickelungsstadien noch
zurückblicken lässt (in der verfügbaren Litteratur).
Das Können ist der erste Schritt zum Kennen, von Kunst (kyngi und
kunnugi) der „Fiölkunnigr“, und zugehörige Anhängsel führen weiter auf Be-
rührungspunkte geistlicher und weltlicher Macht (im geschichtlichen Ausverlauf).
yiyvezai dh re'/vrj ürav ix tcoXXwv trjs ip.nsip(a<; ¿vvorjpdrwv pia xaüoAou yivy]zai 7xspl zöjv
öpoiiov ömXr)<ptq (s. Aristotl.), im Verfolg empirischer Schöpferkraft (nach kom-
parativer Methode). In Rolle eines biblischen Tubulcain (oder Triptolemos der
Klassicität) wird im polynesischen Kostüm ein Maui insceniert oder Mana-
bozho bei den Indianern, während das Kulturvolk der Inca von dem Sonnen-
söhnen belehrt wird, das babylonische durch meerentstiegenen Oannes oder dem
ägyptischen und chinesischen, an Schwelle der Geschichtspforte, ein erster Gesetz-
geber voransteht, (zur Einführung auf die Weltenbühne).
Das gleiche Thema, wie in hier vorliegender Buchform, war bereits in
einem Artikel des „American Anthropologist“ (April 1894) besprochen worden,
und ein daran anschliessender (Am. Anthropologist, Juli 1894) bezieht sich auf
„Migration and the Food Question“.
Die ethnischen Wanderungen werden geleitet durch die Zielrichtungen in
„quest of food“ (aus Lebensfragen der Existenz in Selbsterhaltung), auf dem
im Umkreis der jedesmal geographischen Provinz den (dem Erdgezimmer ein-
gegrabenen) Geschichtsbahnen untergebreiteten Areal, und ihnen also entlang, nach
orographischen oder hydrographischen Wegweisern, wie zu kontinentalen Land-
marken aufgesteckt, oder mit oceanischen Strömungen die Wasserflächen durch-
ziehend [unter Mitgespiel (ob stürmisch oder lau, meist) launiger Winde].
Naturgemäss werden die Wanderungen durch die Jahreszeiten bedingt, nach
Erscheinen der Tiere für Jagd oder Fischfang (s. Boas), und dann stellt sich ein
rotierender Cyclus her, wie bei wanderndem Ackerbaubetrieb (der Karen), um
nach 8 oder 7 Jahren zu dem erschöpften Boden, als neu gedüngtem, zurück-
zukehren.
Werden mit Fortgang der Minderung der [in letzten Überbleibseln etwa
durch Zähmung in die Haustiere (nomadisierender Stämme) übergeführten] Jagdtiere,
die Entfernungen zum Aufsuchen weiter, besonders auf der Seefahrt für Fisch-
fang (zum Auffinden ergiebiger Brutbank für Tripangs z. B.), so verbleibt dennoch
der Zusammenhang mit der Heimat, solange die im Handel leitenden Absichten
den heimischen Markt zum Verkauf empfehlen.
Aus dadurch gemehrtem Reichtum der glücklichen Jäger werden weniger
durch ein gutes Loos begünstigte zu Raub verführt, und wenn dann die Piraten-
flotten der Lanum ausschwärmen, bilden die, bisher die Schweifungsweite mar-
123
kierenden, Grenzen des eignen Gebietes keine Schranken länger, da so oft zum
Schutze der seinigen dem Nachbarn die Macht fehlt, dessen Unterwerfung nur
verdoppelte Anziehungspunkte bildet.
So vergrössern sich Staaten (gleich China) durch Erobertwerden (oder Unter-
worfensein), indem sie für ihre Kriegszüge frisch kräftiges Blut den Barbaren
entnehmen, deren Dynastien den Thron besteigen, während trotzdem die höhere
Bildung der Eingebornen, aus Wissensmacht, („knowledge is power ), die domi-
nierende bleibt (um so dem Lande die bisherige Hegemonie zu bewalnen).
Auch als des römischen Kaiserreichs Schutzwehren vor weniger (im Luxus)
erschlafften Einwanderern fielen (und die politischen Staaten zersplittert auseinandei-
gingen), verbreitete sich eine aus klassischer Kultur abgeschwächte Nach-
dämmerung auf um so weitere Entfernungen hinaus [trotz der vom religiösen Gegnei
(im Islam) erlittenen Verluste], indem die Obergewalt in katholischer Kirche
nach Europa’s Norden Übergriff, und fernere Teile Asiens (auch neben dem
häretischen Abfall der Nestorianer Persien’s oder der Thomisten Indien’s von
päpstlicher Suprematie).
In geschichtlicher Bewegung durchschneidet die aus der Kunst der Kultur
stolz aufgezimmerte Fregatte hochgehende Meereswogen, ihrem Hafen zueilend,
mit selbstbewusster Zielrichtung (gesteuert), während de]’ schwache Nachen des
Wildstamms hilflos umhergetrieben wird, ein Spiel der Wellen; und wenn im
Stunnesgebrause arktischer Heimat jeder Hoffnung dagegen anzukämpfen ent
sagt werden muss, bleibt nur der Ausweg übrig, durch Nachgiebigkeit zu siegen,
im umhergetummelten Kajak, der stets wieder auf seine Füsse zu stehen kommt
(gleich einem Stehauf).
So trennen sich die Wege in Kultur und Unkultur, aber die Giundpiinzipien
der Schiffahrt, wie in Naturgesetzen festgelegt, verbleiben dieselben, ob das Fahr-
zeug unter Segeln oder Dampfeskraft gesteuert wird, die Geschicke eines Ge
Schichtsvolks tragend, oder ob vom leichten Ruderschlag nui bewegt (in ephe
merer Existenz des Wildstamms). Und so liegen elemental gleiebaiti0e Denk
gesetze zu Grunde im Wildstand schon, obwohl die Diffeienzieiungen der -ö. 'ei
gedanken, bis zur Ausgestaltung in reifende Kulturblüten, emporwachsen möDen
(bei günstiger Lagerung im politischen Verkehr).
Es wäre hier nun mancherlei anzuschliessen, bei besondeiei Rücksichtna
auf andere Veröffentlichungen des obengenannten Autorsundseinei transatlantic ^
Kollegen; doch haben solche Exkursionen, unter ihren nach alle Richtlinie i
angezeigtenVerlängerungen, auf gleichem Forschungsfelde, fiühei odei später .
zusammenzutreffen, und werden sich deshalb stets auch weiteihin mit denje ö
begegnen, welche durch die amerikanischen Mitaibeitei, aus ihien ie
gestatteten Schatzhäusern, in dankenswert verdienstvoller Weise gespendet.
(im litterarischen Wechsel verkehr, zwischen den Sonderfächern &e '
Studien).
124
Schurz. Das Augenornament. Leipzig 1895.
Ein für die künstlerischen Verschlingungen der Ornamentik trefflich veran-
lagtes Auge bekundet sich hier in Beobachtung des Augenornaments, so dass
eine Reihe schätzbarer Einblicke eröffnet werden, mit Vertiefung in die „An-
fänge“ der Kunst (für den Ausverfolg ihrer induktiven Geschichte). In Pla-
nierung der Wege, die dabei durcheinander kreuzen, mehrt sich, mit Zahl dei'
Mitarbeiter, die der wertvollen Bausteine, welche von verschiedenen Richtungen
her zusammengetragen, auf dem Bauplatz sich anzuhäufen begonnen haben,
während der letztverflossenen Jahre, so dass jetzt bald daran wird gedacht
werden können, der auf den Wogen schwankender Gefühlswallungen durch
die Kulturgeschichte bisher umhergetragenen Ästhetik fortab ein dauerndes
Heim zu begründen, auf naturwissenschaftlichen Stützen, und ausgestattet mit
den aus farbenreich gesättigten Völkergemälden reflektierten Anschauungsbildei'n-
Dass die in ethnischem Gewände bekleidete Psychologie auf geographischer
Unterlage anzupflanzen sei, wird von dem Verfasser mit richtigem Verständnis be-
tont. Wie in der Geologie an sich bereits gebreitet und in den biologischen Fach-
disziplinen für naturwissenschaftliche Pflege hergestellt, führt der Anschluss an die
phyto- oder zoogeographischen Provinzen zu den anthropo- oder ethnographischen,
und indem auf solch gemeinsam umfassendem Bereich die, verschiedenartigen
Zielrichtungen zugewandten, Forschungsbahnen neben einander hergehen, werden
da, wo sie mitunter zur Berührung gelangen, Vorkehrungen getroffen sein
müssen, die jedesmal leitenden Gesichtspunkte getrennt im Auge zu behalten,
damit nicht incongruente Fragestellungen durcheinanderkommen.
Den zoophysiologischen und phytophysiologischen Fachstudien in (physiolo-
gischer) Biologie schliessen, für das Leben der Seele (im ßioq &ewp7)Ttx6q), die
psychologischen sich an, technologisch (in den Sammlungen redend) aus cheiro-
technischer Sprache, in der Hände Werk, und so mögen auch hier in somatisch
greifbaren Objekten, durch mikroskopische Verschärfungen, die Zellen (oder Bio-
blasten) zu verfolgen sein, wenn nach ihren Verstecken flüchtend (in Sareoden
und Plasmen oder Proto-Plasmen), um so (kraft eines „visus intellectivus“) die
Elementargedanken auszuspähen, auf primäre Regungen hin, am psycho-physi-
schen Grenzterrain, wo die Xoyoi ar^ppaTixoi eingesäet liegen (zur zoopolitischen
Entfaltung).
Und wenn nun, tief und tiefer hineinversenkt in erste Werdeprozesse
einer Physis (oder aus „wurzelloser“ Wurzel emporwachsender Prakriti), das den
linearen Vergrösserungen seines Instrumentes sich zu adjustieren strebende Auge
plötzlich abgelenkt wird durch den Weckruf: „Rrr ein anderes Bild! und dieses
den Blick hinzurichten zwingt, auf teleskopisch weiteste Fernen in räumlichen
Dimensionen (zwei Hemisphären hindurch), um längs der Berührungsflächen
(zoopolitisch-sozial über die Erde verteilter Stammesträger) markierende Schei-
dungsstriche zu ziehen — dann heisst es Vorsicht! beim Funktionieren des optischen
Akkomodations-Apparates, damit alles glatt verlaufe, ohne gesundheitliche Sto-
rung (in verzerrender Entstellung der vernunftgemäss vorgeschriebenen Pi'0'
Portionen).
125
Wohin [wenn ans den (zu „Anfängen“ niederschöpfenden) Studien der ersten
Abteilung, hinübertretend in die zweite], wohin schauen wir hinaus? bei Ver-
bildlichung des aus der Überschrift abgelesenen Programms, das mit kühn ge-
schwungenen Umrissen die Küstenrandländer zeichnend, am grossen „Mare tran-
quillitatis“, dieses zu ungestümen Wogen von Völkerwanderungen und Durch-
furchungsfahrten auftürmt, unter streitenden Konflikten beim Hinblick auf
kreuzende Querungen (hin und her).
Da seit den ersten Versuchen, die induktive Methode auf dem Gebiete der
Gesellschaftsgedanken in die Psychologie einzuführen, kaum wenige Dezennien
erst verflossen sind, hat sich bei den (in ihrem Ausgangspunkt veränderten) Be-
trachtungen vielfach noch die Nachwirkung früher geläufiger Anschauungsweisen
merkbar zu machen, wie z. B. in Anbetreff der unter die Rubriken von Ethno-
logie und Ethnographie einzustellenden Aufgaben, zur Vereinigung der „geogra-
phischen Methode“ mit der psychologisch-ästhetischen (im vorliegenden Para-
digma) ; und da bei dem Beispiel eines konkreten Falles stets die beste Gelegen-
heit geboten ist, um im Austausch der Ansichten (über bestehende Meinungs-
verschiedenheiten) eine Verständigung anzubahnen, wird es sich der Mühe lohnen,
einige Worte im Nachstehenden zuzufügen, um den auf verschiedenem Standpunkt
entworfenen Ausführungen, die des gegenüberstehenden neben zu zeichnen, so
dass sich aus den Vergleichungen mit einander Abgleichungen voraussetzen
lassen werden, um zusammenzuführen, was in Kontroversen zu trennen scheint
(wenn polemisch aufeinander treffend).
Also (wie oben gesagt war): der bis dahin mit scharfsichtiger Ausspähung
ornamentalen Details gefesselte Blick, wohin schaut er hinaus? (auf Seite 40)
In ozeanische Weite, die unter völkerkundlicher Überwölbung (bei Zusammenbegriff
von Polynesien, Mikronesien und Melanesien) als fünfte Kontinental-Abteilung die
übrigen an Grössendehnung übertrifft, auf einer Seite, und auf der andern:
auf den mit seinen gigantischen Gliedern die Doppelheit beider Halbkugeln durch-
schlängelnden Kontinent (einen transozeanischen sowohl, wie transatlantischen).
In philologisch geselliger Sozietät diskutiert es sich gern mit grundgelehrten
Herren beim Spaziergange auf der Promenade (an der Pleisse, oder an Spree
oder Weser), und so mag unter allerlei Fragen (en passant) auch manch un-
schuldige vorüberpassieren, wie e. g., Asien auf Europa, oder vice versa, ein-
Sewirkt hat. Aber der archäologisch klassische Fachmann wird, auf lockig und
Eckend umzackter Halbinsel, lieber die Differenzierungen zwischen jonischer,
dorischer, korinthischer Säulenstellung oder glyptotechnisch kunstgerechte Restau-
r,orung eines an Gewand oder Geglieder beschädigten Torso diskutieren (für
orthopädische oder rhinoplastische Kunsthülfen), da hier in fasslichen Anschauungs-
üildern ein Problem sich zuspitzt — bis in Spitzfindigkeiten hinein vielleicht; die
•ledoch einem pädagogischen Pedantismus nicht übel gedeutet werden dürfen,
denn bei jeder Aufgabe heisst es, ganz dabei zu sein, mit Leib und Seele (voller
H'nst), und obwohl sich für allgemein erst aufzusteckende Landmarken weiteste
Hoirisse entwerfen lassen über den Globus hinweg in der Völkerkunde, gilt es
üoch bei monographischem Detail andererseits, dieses nun kritisch aus- und durch-
dachten, bis auf letzt äusserste Dezimalstellen hinaus.
126
Hauszuhalten mit kostbarer Zeit und keine Minute im nutzlos leerem Ge-
dankenschweifen zu vertrödeln, hat sich die Ethnologie vornehmlich hinter die
Ohren zu schreiben, wenn bei Hinblick auf die Massenhaftigkeit ihres Arbeits-
stoffes, an die Jahrtausende erinnei’t, während welcher der Boden von zwei
kleinen Halbinseln systematisch durchackert worden ist, obwohl dennoch doch, gele"
gentlich noch, ein fast bis zur Neige bereits ausgesaugtesArbeitsmaterial auf Zunder-
stoff trifft, aus dem urplötzlich mitunter der Feuerstrahl einer brennenden Kontro-
verse bervorschiesst, die manches wieder von dem zu zerstören droht, was aus
mycenischen und anderen Thesauren gesichert aufgestaut erachtet gewesen.
Voraussichtlich wird die Ethnologie von dem rascheren Tempo profitieren können,
mit welchem es in der Epoche ihrer seit wenigen Decennien erst datierenden Arbeits-
zeit vorwärts vorangeht, im Zeitalter nämlich der Elektrizität und der Dampfkraft,
(zumal die vereinfachende Hülfe der Elementargedanken glücklich hinzugewonnen ist)-
Aber solch schmeichlerische Hoffnung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch
die Ethnologie, wenn nach Anerkennung ihrer hohen Aufgaben und Zwecke aspirie-
rend, bei gegenwärtig obliegender Fundamentierung auf streng genaue Erprobung
des Details hinauszukommen hat, so dass, um von Polynesien oder gar Océanien gar
nicht zu reden, schon die Herveygruppe z. B. viel zu gross wäre, um Rongo’s
Schritte (und Überschritt von Insel zu Insel) genau zu kontrollieren unter seinen
Metamorphosen auf Aitutaki und Mangaia (von wo weitere Begleitung, bis zu
sprachlichen Doppelgängern in Lono, dann schon in die Entdeckungszeit auslaufen
würde), oder um (durch insulare Verbreitung der Maori hin) den Versionen
Tangaloa’s zu folgen, wenn südlich in Rangi’s Onkel verkehrt, während auf seinem,
in tahitischen Luftweiten schwebenden, Seitenstück wieder allerlei Getier umher-
kriecht (auf dem, im Missionsmuseum rechtzeitig geretteten, Holzbild).
Und wie nun mit den Malayen? ein zungenfertig leicht gehandhabtes
Mundstück, um, je nach der Stimmung gestimmt, eine anmutende Melodie darauf
zu pfeifen. Ehe nicht alle die Lokaltypen indonesischer Inselwelt, in Turanga
auf Celebes, Batak mit den Teilungen in Mandhili, Toba, Karo u. s. w. [auf dem
zugleich von Redjang, Passuma, Lampong (bis Kubu und Lubu der Wald- und
Sumpfverstecke) bewohnten Inselkontinents], dann Dajak oder Idaali und Orang
Ot (mit Orang Utan sonst) auf Borneo, Alfuren unter täuschend frisierten
Masken („sluik en kroezhariger Rassen“) auf insularen Zerkrümelungen, — ebe
nicht all1 derartige Charaktertypen fasslich gezeichnet sind, ist jedes Wort zu
früh über die Annalen der Sejara malayu, unter deren [auf Malaijalam- und
Iskandersagen (in Padang) zurückführenden Reminiscenzen] Sea-Dajak hinaus-
schiffen, zum Verlauf in die (an Celebes’ Bugis angeschlossenen) Piraten flotten der
• Li
Lanum unter Orang Bejadjoe, To-Wadjoe, Badjoe und sonstige „Merimenm
(Tauridjene) oder Meermenschen, neben friedlichen Trepangfischen unter (Raje^
oder) Orang-Laut, „zwischen“, „neben“, „durch“einander, in bunterem Gemeng6
als je bei Leiegern gemischt war.
Wenn bis dahin kommend, pflegt der auf Vorsicht bedachte Archäologe liebe1
Halt zu machen; oder vorher schon bei beherrschenden Karern, zumal seit ein ge'
spenstisches Seitenstück auf antillischen Cykladen und Sporaden die (gleichfalls
127
tempelgekrönten) Gestade yukatanischer Peninsular umschifft. Der an feinsäuber-
liche Textkritik gewohnte Historiker befasst sich nicht gern mit solch trübem
Meeresgewoge, wo allzuviel noch „non liquet“, und lässt lieber, um seine Finger
nicht zu verbrennen, die Hände davon. Und wer, das Auge vor Verderbnis zu
hüten, auf rationelle Pflege des „visus eruditus“ bedacht bleibt, pflegt auch
geratener zu finden von der Vogelschau vorläufig abzusehen, bei den „pelasgischen“
oder „pelagischen“ Störchen, wie sie an tyrrhenischen Küsten umherfliegen, vom
Geburtsbrunnen her, woraus mancher Säugling sich forttragen lässt, um auf-
gepappelt und liebevoll grossgezogen zu werden in kühn gewagten Hypothesen,
sofern sie selber sich den Hals nicht brechen, (oder mit Wegschmelzung seiner
Wachsflügel ein Ikarus abstürzt).
Die Ethnographie in populären Handbüchern der Völkerkunde wird, bei
gegenwärtigem status-quo des Wissensstandes, nicht vermeiden können, auf
Generalisationen zurückzugreifen in Malaien, Polynesier, Turanier, Arier etc.;
aber um für schulgerechte Prüfung den Fachgenossen Probestücke vorzulegen, hat
der Ethnologe sich gleich ängstlicher Peinlichkeit zu befleissigen, wie aus den
Musterbildern naturwissenschaftlicher und philologisch-historischer Methode vorge-
schrieben steht. Sonst wird an dem die „Erziehung der Menschheit“ registrierenden
(und regulierenden) Chronometer manches Sandkorn noch abrinnen, ehe im Ratssitz
der im Lehrgebäude nebeneinander rangierenden Disziplinen, die unter der, durch
Mensch-und Völkerkunde verliehenen, Titulatur Eingeführte einen gleich nivellierten
Sitz eingeräumt zu erhalten beanspruchen könnte, für ihre Wissenschaft in spe,
um deren „Indianertand und Negerplunder“ der [in humanistische (und humanio-
ristische) Studien eingefleischte] Gelehrtentypus sich nicht viel kümmern zu brauchen
meinte, als in den Raritätenkabinetten wirr durcheinander lag, was jetzt in
musealen Laboratorien geklärt und reinlich gesäubert auseinanderzubreiten sein
wird. Dorthin, ins Laboratorium, gehört die Hypothese, nicht dagegen auf
offenen Markt, wo frühreifes Feilschen darum, im Verstossen gegen sanitärische Be-
stimmungen, Schmerzen bereitet statt Genuss (im unzeitigen Abbiss herber Frucbt-
knospen schon), und zwar wie cephalologische, auch etwa entei’algische, wenn die „Ge-
danken: Worte im Bauch“ (nach ungenierter Sprache der Wildstämme), während im
engeren Konklave mancherlei, was hypothetisch im Ohre summt, aufgebauscht werden
mag, um Gehör zu erhalten, „to compare notes“ (im Gedankentausch). Dabei
gilt es indes, wie vom Geschichtsschreiber des Materialismus vorgewarnt ist, den
„geheimen Bautrieb“ zu dämpfen, denn wer ihm aus innerm Schöpfungsdrange
die Zügel schiessen lässt, wird in durchlöcherten Eimern der Danaiden [oder gatten-
feindlich (mit Zonen umgürtelter) Amazonen] schöpfend, sich bald in Erschöpfung
ermüdet haben müssen, (der ununterbrochen stets, im Fortgang der Forschung,
benötigten Verschiebungen wegen). Wo Ähnlichkeiten aufstossen, sind sie in des
Forschers Tasche, oder seinem Taschenbuche (und Memorandum), zu memorieren,
Um dann vielleicht später, wenn weiter verarbeitungsfähiges Material hinzu-
gekommen ist, litterarisch vorgeführt zu werden, wie es bekanntermassen bei
jenen Vorarbeiten vorkam, welche, nachdem viele Jahre hindurch (1666—1682 p. d.)
bei Seite gelegt gewesen, dann aus ihrer „interior scientia oder ihren interiores
128
litterae“ (dxptßi<rcaTa) die Welt mit eigner Umgestaltung überraschten (bei
Verrückung aus gravitatorischem Schwerpunkt); oder wenn die Notizen und
lose umherfliegenden Blätter allzu unhandlich anschwellen, mag für (bequemere
Benutzung provisorischer Sammelergebnisse) ein Imprimatur erteilt werden zur
Ausnutzung durch Experten, soweit von Nutzen erscheinend, (um das im Auf-
bau des Sonderfalles benötigte Material durch Beiträge zu mehren).
Der arischen Rasse, welcher linguistisch glänzende Errungenschaften zu danken
sind, wird man nur ehrerbietigst sich nahen. Aber wenn sie einstens dem
ethnischen Messer verfallen sollte, wird freilich von diesem Züchtungsprodukte
reinst edelsten Vollblutes nicht viel übrig bleiben, neben den auf dem Mutter-
boden historisch-geographischer Provinzen einschlagenden „Schlägen“, oder wie
sonst benamst in des Landwirts praktischer Sprache, unter räumlicher Ein-
wurzelung in den Umgebungsverhältnissen der „monde ambiant“ und zeitlich
verwoben in die politischen Konjunkturen des Geschichtsganges.
Immerhin wird also gegen allzu freisinnige (oder zügellose) Freizügigkeit
im Voraus schon ein Sicherheitsriegel vorzuschieben sein, wenn leichthin der
Finger über die Landkarte dahinstreift, und die Völker auf Luftwegen dahin-
marschieren von einem „Cob-castle“ zum andern, unter stolz aus Felskastellen
(gleich denen Chicomostoc’s etwa) hervorgetragenen Bannern, von einem ur- oder
ungeheuerlichen Ursitze1) her, wo Navajoes oder Bapiri aus ihren Höhlen
hervorkriechen und sonstige Troglodjten mehr. Der lebensfähig gesunde Volks-
geist aktueller Existenz hat das besser gewusst und ist bei seinen Wande-
rungen innerhalb der die geogi’aphischen Provinzen bestimmt umzeichnenden
Horizontweiten, auf den dem Erdgezimmer geographisch eingeschriebenen Ge-
schichtsbahnen geblieben, nach orographischen und hydrographischen Weg-
weisern für Hellas’ Landschaften sowohl seit dorischen Wanderungen, bis
auf Alarich’s Heereszüge und slavische Nachzügler; für Italien ebenfalls auf
den nach Gallien und Rhätien führenden Strassen und Streitwegen (ob oder nicht
für Streitwagen auch fahrbar), für Indien desgleichen, um heiligen Strömen zu
folgen längs der durch die Passgänge vorgezeichneten Heeresstrassen von östlicher
Richtung her sowohl, (nachdem das Mittelreich gegen die Einfälle der unstät
nomadisierenden Hiongnu ummauert war), wie von westlicher, als das mazedonische
Siegesheer die (aus seleucidischen Zeiten versteinert) in indo-baktrisehen Museums-
schätzen wieder aufgefundenen, Lichtblicke hineintrug, und dann, bei zentral-
gewaltsamem Durchbruch, mongolische Weltenstürmer (auf eines Babers aben-
teurender Heldenschaft vielleicht) ihre Thronsitze bestiegen, mit den topogra-
phisch vorbereiteten Etappenstationen in Afganistan, seit Mohamed Ghazni’s und
seiner Vorgänger, bis zu den auf Paniput’s Wahlstatt und in Kabul’s Residenzhötel
ausgekämpften Rivalitäten.
Soweit, unter Regelung durch Meeresströmungen (für die japanischen nach
*) Hinter Indiens nordwestlicher Gebirgskette (auf der „Geschichtsmappe“ der
Symbolik), „da ist der Menschheit Wiege, von dorther kommen die Götter, Genien
und Menschen herab, von dorther auch der Urmythus“ (1824). Eya, wären wir da?
(fügt der „Antisymboliker“ bei).
129
Cape Flattery und der schmeichlerisch verführerischen Nachbarschaft verschlagenen
Dschonken), maritime Anlandung auch für Amerika’s Südhälfte in Lambajeke,
Ika, Arika u. s. w. in Betracht kommen möchte, oder die (b. Balboa) auf
Yupanqui’s Geheiss nach Inseln (von wo Waihu’s grossohrige Monumentalbilder
herüberschauen) ausgesandten Explorationsschiffe ihre Einregistrierung erhalten
dürften — soweit (und wieweit?) oder ob? oder ehe vielleicht überhaupt solcherlei
Rücksichtnahmen zulässig sein könnten: würde schon für die Series der „docu-
mentos inéditos“, «sit ihrer Edition, sorgsame Textrevision in erster Linie vor-
angegangen sein müssen, besonders auch für die zu den Cara durch Quitumbe
(b. Oliva) abgelenkten Sagen, unter Rücksichtnahme auf Contici-Viracocha’s Ein-
schiüungsplatz in Puerto viejo (wo die Schwierigkeiten der Schiffahrt nach Süden
beginnen) oder bei Montesinos’ Dynastieengestapel, bis zur Berührung der
Nasenringe mit (brasilischen) Ohrpflockträgern (in Orejones) u. dgl. m.
Und sobezüglich verdient volle Beistimmung des Autors Ansicht, dass ein
„winziger Ausgangspunkt“ gleich dem Augen-Ornament (unter der Bellacoolla
Vermehrung zu eines Argus Vieläugigkeit oder Indra’s weniger anständiger Um-
modelung in Yoni) nicht genügt, um Anhalt zu gewähren, für gesicherten Aus-
gangspunkt (bei langweit bevorstehenden Wanderungsfahrten, in Kreuz und
Quer).
Denn sonst, in der That, wohin sollten wir kommen, wenn aus dem hundert-
tausendfach ausserdem noch Wählbarem, unter ornamentierendem Gestrichel, etwa
(aus alter Liebschaft) der Mäander bevorzugt wäre, um sich über die Erde dahin-
zuschlängeln; oder die geheimnisvolle Kunst des Kreuzschlagens (wie von Allatius
definiert) mit uralter Sphinx starr ernstem Gesicht, aus dem Lebensschlüssel an-
blickt (aus zwei leichtlich rasch dahin gestrichenen Strichelchen sehlichtweg).
In ein Blasrohr, das sich aus Borneo’s oder Sumatra’s Wäldern in denen Guiana’s
wiederholt, lässt sich gar manches mehr hinein- oder aus ihm herausblasen, als
aus den geographischen Bedingnissen der Hylaea offen auf offener Hand liegt, und
wenn auf den offenen Pampas des Nachbargebietes die Bola oder der Lhasso gleich
frei geschwungen fliegt, wie die Wurfschlinge einst der Sagartier auf medischen
Ebenen, wird doch vor freikühnem Hypothesenschwung, zu dem sich der aus
Tiahuanco’s monumentalem Eindruck begeisterte Wetterprophet die Freiheit
genommen, eine bescheidener angelegte Fassungskraft erschreckt zurückscheuen,
auch auf einem Boden, wo die von Inka geschwungene Schleuder (der Balearen)
dann zurück auf die Steinchen führt, die (als Kinder Catequils in Guamachuco)
von den aus den Humusschichtungen (an Quellenländern in den Andes) zui
Sierra Emporsteigenden auf der Pampa del Sacramento (b. Skinner) oder im
Land der Yuracares (s. d’Orbigny) — göttliche Verehrung empfingen und solche
Ehrfurcht verdienen, wenn in den (unter elementar gleichartigen Grundlagen)
hervorscheinenden Differenzierungen des Völkergedankens neue Lichtblicke er-
öffnend.
Bei den einem Ahnenkult gewidmeten Kapiteln (S. 48 u. flg.) wiiide als
unabweisbare conditio*sine-qua-non die Vorfrage zu stellen sein, ob solcher
Wortbezeichnung bereits eine fasslich genügend umschriebene Begrifflichkeit
m. f. v. 9
130
innewohnt oder doch: ob aus dem, was wir unter den überstürzenden Häufungen
der unvermittelt plötzlich in der Ethnologie zusammengeströmten Materialmassen
darüber wissen, eine derartige Bestimmtheit herstellbar wäre, um sie unter Substi-
tuierung eines festen Zifferwertes, bei Operationen des logischen Rechnens ver-
wendbar zu erachten, — ob also jetzt bereits Practica erteilt werden dürfte (unter
dem Patent zuverlässig gesicherter Wertgrösse, im Zeichenstempel).
Die für Deifizierung den rjßi^soi (zu Plutarchs Zeit) angereihten Ahnen, in
Aristokratie der Heroen — oder deren dem rjpwq ohoupoq innewohnende Anlagen
für Erziehung zu Kobold-Diensten (im Butazimmer der Tulu); oft in Schub- (oder
Geheim-)fächer des Penatenschrank’s eingeschoben, neben dem die Reinzucht des
Geschlechtsadels überwachenden Laren (unter Dii Manes), und ihren Imagines
(mit den Masken der Larven) —, spielen dämonisch schwankende (bis zu Lemuren
fortspukende) Rollen vor ihrer Fixierung unter dem Zeremonial eines Kults, wie
in chinesischem Tsung miao lokalisiert, und was an sobezüglichen Bildern in den
Sammlungen angetroffen wird, dient vielfach zum Ruhesitz des, eines solchen be-
dürftigen, pepoc; (pu/rjs (abgeschiedener Seelen), nach Analogie des Ka in ägyptischen
Grabkammern oder melanesischen Kreidefiguren u. dgl. m. Ein neuerdings von
den Dayak gütigst überwiesenes Geschenk vermehrt die für das Museum durch
Jacobsen’s Reise erworbene Series aus dem Kreise der Tiki-tiki-Tangata (s. Gill),
in genauer Kopie der Abbildung von den Haidah (b. Niblack). Ohnedem treten
die hier zunächst liegenden Vorstellungen durchgängigst allgemein in bildlichen
Verkörperungen entgegen (auch in Afrika bei Bari und anderen), so dass sie selten
nur Anlass bieten, die Charakteristik eines konkreten Sonderfalles typisch
zu fixieren, und am wenigsten, wenn schon in andere Verknüpfung abgezogen,
wie totemistische auf den Wappenpfählen und sonst. Hier kann bei gegen-
wärtiger Sachlage ethnologischer Studien Nutzbringendes nur durch eingehendste
Vertrautheit geschaffen werden, wie sie in den alljährlich vermehrten Publika-
tionen des „Bureau of ethnology“ (ver- und) vornehmlich redet über die Stammeszer-
teilungen östlich und westlich vom Felsgebirge, unter den (aus aktivem Feld-
dienst) von Spezialisten (gleich Matthews, Gatchet, Dorsey, Fletcher, Stevenson,
Grinnell, Fewkes, Boas, Swan u. A. m.) gelieferten Schilderungen, bei denen
ihre, den jedesmaligen Sonderfall verbürgende, Autorität für sich selber spricht,
um vertrauensvolle Entgegennahme zu rechtfertigen. Wenn mit objektiv-unbe-
einflusst-vorurteilslosem Hineinleben in den einheimischen Ideenkreis verständige
Deutung sich verbindet, werden der dokumentarischen Geschichte der Menschheit
mustergültig zuverlässige Berichte eingefügt sein, wie (aus Südamerika) bei den
Berichten über die Bakairi, in derart sympathischer Aussprache, dass dem in
der Kultur an dort geschliffene Brille Gewohnten der Argwohn einer Bakairi-
brille sich aufdrängte. Die ob ihrer geistigen Kurzsichtigkeit unbesorgten Wild-
stämme tragen indess weder Brillen noch Nasenkneifer, eher vielleicht Nasen-
ringe; sie sehen mit den zwei gesunden Augen, wie im kurz- oder langschäde-
ligen Kopfe steckend (wie weit nun eben reichend, in Sehweite kindlicher Schau),
und der Kulturmensch wird deshalb nicht nur die ihm in der Erziehung ange'
wachsene Brille abzulegen haben, sondern ausserdem seine Scharf- (oder Weit-)
131
sichtigkeit abtönen müssen bis auf ein naturgemässes Durchscbnittsniveau hinab,
um die Momentaufnahme unter richtige Proportionen zu stellen, damit bei der
Reproduktion in der Entwicklung des Photogramms ein treu echtes Naturbild
garantiert werden kann. Dann klingt lebendig zurück manch reines Echo aus
religiösem Gefühl, wogegen, was darüber in den Lukubrationen abgesparter
Feierstunden niedergegriffelt wird, dem Herzensbedürfnis (wenn soliloquischer
Unterhaltung bedürftig) zu gute kommen mag, kaum jedoch zum Besten der
Ethnologie, die es ernst und streng mit sich selber zu nehmen gesonnen ist.
In Verstecken (senegambischer) Gebüsche oder (antillischer) Maguey-Haine
werden die Früchte der [statt eines tartarischen (oder, für Ladronen, eisernen)
Kerkers, wohnlicher eingerichteten] Frucht-Inseln (oder Pulo-bua) genossen, in
insularer (von manchem Lethe-Fluss umströmter) Abgeschlossenheit auch bei dem,
was unter Ekpö (der den Efik Benachbarten) fortgescheucht wird, und wenn,
wie die Nähe der Oromatua (Polynesien^) die der wohlwollenden unter Nitu
wohlthuend empfunden wird (in alfurischer Entlegenheit), mag im Anitu (der
Tagalen) sich das Leben schon dorthin verlängern, von woher (den Thai) in
Rangstellung eines Chao, der „Herr“ zurückkehrt, während wo nach des
Philosophen Rat ei? xoipavoq Uotw als y.opioq — mancherlei (oft gar kurioser) Namen,
schon im irdischen Walten (mit des Kolanos molukkischem Titel) —, einem
auf Reliquien, (gleich den in huronischer Grabhöhle beigesetzten), bedachten Volks-
sinn im kretischen Grab begraben lag, was seinen, in des Dichters Versen, strahlen-
glänzenden Hofstaat ausgeschraückt erhielt, wo der Kronide im Kreis der Olympier
thronte, deren Vorgeschichte im Tempel des triphylischen aufgeschrieben stand
(für Euhemerus’ voreilige Lesung).
In dem Kapitel (oder Buch), das hier sich schreiben Hesse, würden vor allem und
immer zugleich die im Überblick des Menschheitsgedankens (durch Raum und Zeit)
vorüberflutenden Phasen — unter den, auf dem Stufengrad des künstlerischen
Entwickelungsstadiums (nach dem durch historisch-geographische Agentien auf-
geprägten Stempel), gebotenen Kautelen [wenn probehaltig erfunden (ad obrussam)
und anschaulich fassbar] — aus den gegenseitig (proportioneilen Gleichungsformeln
gemäss) kontrollierten Vergleichungen für dementsprechend gültigen Ziffernwert
zu fixieren sein, ehe sich ein derartig gesichertes Facit 'ziehen Hesse, um, was
als „Ahnenkult“ die Köpfe durchschwirrt (oder in der Litteratur umherspukt),
im ethnologischen Besitzstand an zugehöriger Stelle inventarisiert zu wissen, und
somit Berechtigung zu erteilen, diesen (dann erst mit dem Sinn seiner Bedeu-
tung ausgefüllten) Wortlaut (leeren Klanges, unter „inanes voces“) als entsprechen-
den Faktor zu verwenden, in wissenschaftlicher Berechnungsweise; wie einer Fach-
disziplin (für ihr esoterisches Gewissen) vernunftgemäss und ziemlich zu erachten,
sofern die Denkgesetze die ihnen schuldige Anerkennung erhalten sollen (im
logischen Rechnen).
Die Ahnenfrage verzweigt sich wieder mit dem, was übei den (seelisch
abgetrennten oder von Auswärts her zutretenden) Schutzgeist zu sagen wäre
(ebenfalls eines Kapitels oder Buches, wenn nicht Bücher, bedürftig) und beide
Erscheinungen spielen auf dem religiösen Hintergrund jedesmaliger Weltan-
9*
182
schaumig (bis in modernen Heroenkult hinein), so dass vorher das Gesamtbild
(in einrahmendem Umriss) zu klären wäre, ehe sich die Einzelnfiguren durch
typische Grundstriche zeichnen lassen (nach dem ihnen in der Rollenverteilung
zugefallenen Loos).
Die für Ahnen, Schutzgeister, Seelen, Geister oder Gespenster (und Dämo-
nisches sonst) konventionell adoptierten Termini teclmici, aus den im klassischen
Orbis terrarum den Bedingnissen mehrweniger entsprechenden Äquivalenten über-
nommen, bedürfen einer „Restauratio magna“, seit Erweiterung der Umschau
über den Globus (durch das Entdeckungsalter), wie das damals in den „Kräuter-
büchern“ zusammengeschleppte Material die alten Rubriken überwucherte und
die anschwellenden Herbarien sich in Theophrast’s botanisches System nicht
länger hineinzwängen Hessen.
Indem Caesalpin (obwohl dem „empirischen Material“ zugewandt) „sich ganz
und gar der aristotelischen Denkformen bediente, konnte nicht fehlen, dass auch
"Vieles in die Thatsachen hineingedeutet wurde, was auf induktivem Wege
später wieder beseitigt werden musste“ (s. Sachs), und in ähnlicher Geschichts-
periode der Botanik steht gegenwärtig die Ethnologie (bei Parallelisierung des
Entwickelungsganges), oder (mit ihren topographischen Aufstellungen) in dem
der Zoologie, als alphabetische Aufzählung (s. Carus) vorgezogen wurde (von
Gesner’s Vorsicht).
Während dreier Decennien ist aus den, durch den Schlag des Zeitgeistes auf
allen Seiten, eröffneten Schleusen eine Unsumme massenhaften Rohmaterials herein-
gestürzt, und liegt ungeordnet teilweis noch auf dem Arbeitsfeld aufgestapelt, seine
Durcharbeit erwartend, nach spezialistischer Verteilung. Dass es sich dabei um
elementar gleichartige Grundgesetze (in psychischen Primalitäten) handelt, ist
glücklich sichergestellt, aber weiter sind wir noch nicht (vorderhand), und erst
nach der Ordnung und Sichtung, die jetzt zu folgen hat, werden diejenigen
Gesetze dann sich feststellen lassen, welche für die künftige Bezeichnungsweise
als massgebend zu gelten hätten (in Definierung ethnischer „Termini technici“)-
Erst dann, mit monographischer Vertiefung im Konzentrieren der Auf-
merksamkeit auf jedesmalige Einzelheit (unter zahlloser Vielheit der Fälle die
zur Auswahl stehen) wird (für den aus innerlicher Gesetzlichkeit in Erwartung
stehenden Zusammenschluss) ein dauernd nutzbarer Baustein eingefügt sein,
zum Auf- und Ausbau der im „naturwissenschaftlichen Zeitalter“ korrespon-
dierenden Auffassungsweisen (in der induktiven „Lehre vom Menschen“). „Getrennt
zu marschieren, um vereint zu schlagen“, hätte also hier auch als Wahlspruch zu
dienen (auf der zum Voranschreiten aufgeöffneten Siegesbahn). Zeit steht ausser-
dem im Überfluss zur Verfügung, seit die im Chiliasmus etwas eng be-
schränkte Frist (um Papias’ Riesentrauben zur Reife zu bringen) durch natur-
wissenschaftliche Erwärmung für die Entropie erweitert worden und sich ein ganz
ansehnliches Sümmlein an Jahren zusammenrechnen lässt, während welcher dem
Menschengeschlecht noch Gelegenheit gegeben sein wird, das Studium seine1'
selber auszuverfolgen, um einstens dann auch vielleicht Malayen mit Indianern
zusammenzuführen (in allgemeiner Verbrüderung durch den internationalen
Verkehr).
133
Iiu übrigen verdienen die mancherlei auffälligen Züge, welche sich von
Nordamerikas Westküste durch Polynesien nach Nordasien erstrecken, in den
Zügen der seit Ellis, Lang, bei Moerenhout, d’Urville, Lesson etc. durcheinander
führenden Richtungen, voll die Beachtung, die dafür beansprucht wird, obwohl
meistens wohl verwertbar erst, wenn das tertium comparationis gefunden ist. Ob
dazu vielleicht das Totenschiff (S. 68) mitwirken mag? das lautlos stumm
einherfährt gleich dem fliegenden Holländer, (so dass es bis jetzt nicht recht
Rede stehen will).
Manches Schiff der Sage ist aus seinem Hafen ausgelaufen durch semitischen
Handelsgeist im Bunde mit punisch-phönizischen Tyrem und auf praktischen
Erfolg dabei zugeschnitzt; denn schon die Götter thun nichts umsonst, nach
dem vom Wulomo geführten Preiskourant über die im Opferstock verwertbaren
Gaben, oder wenn es bei Schiffahrten um Schwimmgürtel sich handelt, fiel der
Einkauf in kabirische Mysterien unter diejenigen Baarzahlungen, mit deren Er-
schöpfung Apulejus’ Geldbeutel seufzend zusammenschrumpfte, und auch der
windige Windsgott, der zu homerischen Zeiten seine Schlauchsäcke verschenkte,
fordert Bezahlung dafür, (wenigstens im Lande finnischer Kunden).
Wie das nun gewesen sein mag, mit dem Verpacken und Aufstauen des
Mythenzerfasels oder des Märchengebröckels in Kistchen und Kästchen (in „köst-
lichen Kasten aus Zedern gemacht“, für prophetische Vision), um sie längs der
Küsten des Mittelmeeres, oder eirenischen und baltischen, im Absatz zu verschleissen,
das muss den Agenturen und Rhedereien überlassen bleiben, oder (wenn nicht
einem Superkargo gleich dem alten Sänger Oien, „älter als Pampbos oder Or-
pheus“) den in Symbolik geübten Künstlern, welche folks-loristisches Gerede
hübsch gehackt (oder zerstückelt in Hacksilberfunden) zu Detailverkauf in fest-
gegossene Schriftform zu fassen verstanden, um später für den Fabelschatz einer
zur Hitopadesa verkürzten Panchatantra, oder manch anderer Encyklopädie aus
weiter Zerstreuung, im Bereich indo-europäicher Sprachfamilie (und darüber hinaus)
wieder zusammengesammelt zu werden.
Wir Ethnologen sind misslicher gestellt auf dem Niveau schriftloser Un-
kultur, wo uns von den Abiponen und ihren Standesgenossen (ethnischer Rang-
ordnung) erzählt wird, wie oft ein im Witzkitzel aufspringendes Wort bereits
genügt (zumal wenn ein ungewöhnlich fremdartiges Vorstellungsbild dazwischen-
fällt), um traditionelle Fäden fortzuspinnen mit Verknüpfung aus dem Ein-
drücke eines „Pagar“ oder sonstigen „Anganges“, um wiederum einen „Suman“
etwa zu schnitzen und andere Fetische vielerlei.
Und so wird es auch für die Schiffsleute auf dem Totenschiffe seine liebe
Not gehabt haben — bei langem Umkerlavieren unter all den Inseln und Inselcben,
die im Wege lagen (unter Havarien auch wohl in Ansehung der Klippen, die übeiall
drohen für den „common sense“, der hindurchzusteuern hatte) —, um die Musterproben
kleinstlich subtilen Ideenzerkrümels intakt und seetüchtig zu halten, zumal wenn
in Extrabeilage vielleicht noch gar (wie Samentierchen in dem Leibe „unseies \atei^
Adam“) ein komplizierter Entwicklungprozess eingeschachtelt lag, um unbeschädigt
am richtigen Orte abzusetzen, was sich (zum Abspielen beim Tanz) in kurz- odei
134
langsehwänzige (wenn nicht langschnäblige) Rabenrasseln metamorphosieren sollte,
aus des (in orakelnden Augurien redenden) Nashornvogel’s luftigem Kahn, für
den zu solchem Zweck besser wohl Templon-Telon’s Eisenboot (ein feuergesichertes
selbst in Kirham-Apoi’s feurigen Wasserfall) substituiert worden wäre [in
den Nänien der Balian (und ihren Nekyien) beim Ceremonial des Tiwah-Festes].
Unter all derartigen, im schweren Geträume eines Alpdrückens beklemmen-
den, Sorgen wirkt es erleichternd, dass unter den Strahlen einer südlichen Sonne
der Rabe sich auch in eine „komische Figur“ (S. 88) zu wandeln versteht, in
eine Art „Reineke de Vos“, für (japanische) Kitsuna-tsuki (Fuchsbesessenheit)
oder Kitsune-mochi (Fuchsbesitzung) vielleicht, sodass das Ganze vielleicht nur ein
Scherz sein möchte für den „Antisymboliker“, als über symbolische Kreuz- und
Quer- (oder „Creuzers“) Fahrten spottend.
Dabei wäre zugleich die Kontroverse gestellt, ob für den, in zehn- oder (bei
Sextus Empiricus) achtfach doch, wandelbaren „Tropen“, tropisch gewandelten
Unterschied der Zonen (S. 95) ein Rettungsanker auszuwerfen sein möchte, um aus
den Tri-Tetra- oder Polylemmata der Skepsis (mit „Krokodilen“ oder geographisch
vikarierenden Alligatoren, unter den Antistrephonen) den Anhalt wiederzugewinnen
an die unerschütterlich festen Naturgesetze, welche sich in den Manifestationen
geographischer Provinzen zu proklamieren haben, wie für physischen Habitus
auch bei dessen psychischen Entelechien (auf der Gesellschaftschichtung) und deren
Einverwebung in die Maschen der, mit geographischen Leitungsfäden den historischen
Horizont durchziehenden, Geschichtsbahnen (auf dem Mutterboden der Erde).
Von diminutiven Inselchen abgesehen, die durch die piratische Besatzung
anlandender Kanoes (etwa auf den Chatham) ausgemordet oder wie auch vielleicht
im antilliischen Archipel durch kannibalische Caraiben ausgefressen sein mochten,
wird durchschnittlich vorwiegend durch Einwanderer keine Verdrängung der ein-
heimischen Bevölkerung [wenn nicht in assyrisch-babylonischen Eroberungen etwa,
oder bei Ausdehnung des Inca-Reichs (in Mitamayos), planmässig fortgeführt] statt-
haben, sondern jene Wechselbeziehung in (mehrweniger wahlverwandtschaftlich)
mengenden Durchkreuzungen, wofür in verschiedenen Gradstufungen die Epoche
der Völkerwanderung Auswahl an Illustrationen bietet (mit entsprechenden Pa-
rallelen in Indien und Nachbarschaft).
Die Übertragungsweite mythisch-märchenhafter .Vorstellungsbilder ist illinii-
tiert. Schon ein einzelner Ankömmling mag genügen, die Kugel ins Rollen zu
setzen, und wenn dann bei dem festlichen Gelage, wo die Erzählung auf sym-
pathisch entsprechende Stimmung eintraf, die Embryonalanlage eines homerischen
Talents gegenwärtig war (ein verkappter „Phaya alaun“ vielleicht), wird das Echo
seiner Leier überall bald in der Nachbarschaft (oder bei Rückkehr der Gäste in
deren Heimat) wiederklingen, wie weithin durch den australischen Kontinent Lieder
gesungen wurden, die von Reisenden dort als gleichartige angetroffen sind, oft
mit Rück Weisungen noch auf die Herkunft. Durch das Metrum (wie Babriu’s
Choliamben) mag eine gewisse Stetigkeit der Umrisse gewahrt werden, obwohl
Versionen nicht ausbleiben konnten unter mitbedingendem Einfluss lokaler Um-
gebungsverhältnisse (oder einheimisch fortgesponnener Tradition).
135
Bei schriftlicher Fixierung, wie in heiligen Büchern, verbindet sich mit der
Einführung der dann dogmatisch gefestigten Mythen durchschnittlich der einer
neu gepredigten Religion, welche indess gleichfalls sich dem geographisch-historisch
veränderten Milieu (der Surrounding’s) derart anzupassen hat, dass sich in
einen kriegerisch gerüsteten Heliand der sanfte Herr des Ölbergs verwandeln
mag, oder seine milde Lehre in blutige Riten, wie von den Pai-Mere der
Maori geübt (beim Tanz um den aufgesteckten Beutekopf, im Unabhängigkeitskrieg).
Aus mythologischer Ähnlichkeit würde hier selten ein Fingerzeig auf
Völkerverwandtschaft zu entnehmen sein, denn der (Asien nach allen Richtungen
hin durchstreifende) Islam hat sich unter der autochthon einheimischen Be-
völkerung Centralafrika’s über die Züge der Fulbe hinaus, wie in deren Stamm-
sitzen und senegambischer Nachbarschaft, in Bornu, Wadai, Haussa (bis auf die
Ausläufer primär verbliebener Unterschichtungen in Yoruba u. s. w.) verbreitet,
und die Einwirkungen buddhistischer Missionen auf die fremden Nationen, zu
denen coenobistische Mönche gekommen, durchklingen den, im Anschluss an
Asopus (oder Lokman’s) Fabelschatz, weiter zerstreuten der Pancliatantra oder
dessen Auszug im Hitopadesa (in die „Tausend-und-Ein-Nächte“ hinein).
Wie rasch ein populäres Schlagwort, und seine in Ausmalungen wechselnde
Deutung bis zum Verschwinden in dialektische Unverständlichkeit oder poly-
glottischen Wirrsal, jeden Augenblick ändern mag (unter Unübersehbarkeit
durcheinander zwischenspielender Ursächlichkeiten), dafür liegen aus tagtäglich an-
weisbaren Beispielen allzuviel Beweisstücke vor, als dass Eulen nach Athen getragen
werden dürften (um solchen Weisheitskram noch zu mehren).
Wie weit bei planartiger Ähnlichkeit der Mythen Entlehnungen zu
präsumieren sind, bleibt ohne direkter gegebenen Anhalt stets zweifelhaft
schwankend, da „ritual may be the parent of myth, but can never be its child“
(s. Frazer), und was ein antipodischem Kulturkreis angehöriger Philologe über
das im unsrigen (auch nach Ptolemaos Ablösung durch Kopernikus) solar gültige
Weltsystem folgern wollte, aus den im heutigen Texte noch Vorgefundenen Aus-
drücken: Sonnenauf- und Untergang (mit anschliessenden Wortbezeichnungen),
wäre seinem Wohlwollen überlassen zu bleiben, (wenn sonstiger Einblick in das
Detail ausfällt).
Im „wandernden“ ErzälilungsstofF der Märchen lösen sich aut einem tür sie
fremden Boden die epischen Gestaltungen von den geschichtlichen Unterlagen
ihrer national ausgeschmückten Persönlichkeit ab, um ins Feenhafte und Himmlische
hinauszuweisen oder in die Kinderwelt einzukehren (als Hausmärchen) und in der
Diaspora zu überlebseln (zur Kenntnisnahme durch die Folkloristik).
Um hier jedoch fach- und sachgerecht zu sichten (in Volks- und Völkei-
kunde), zu scheiden und zu unterscheiden, würde allerdings die Errichtung \on
Lehrgebäuden abzuwarten sein, damit die (aus ihren induktiven Gesichtspunkten) auf
einen dem bisherigen entgegengesetzten Ausgang hingewiesenen Studien metho
dische Einschulung erhalten; und in der Zwischenzeit, wo, wie die Kandidaten dei
übrigen Fachdisziplinen, auch die der ethnologischen, noch unter den heikömmlich
deduzierten (und, in damaliger Zeitgemässheit, für kulturveredelnde Reinzüchtung
136
wohlerprobten) Maximen auferzogen werden, haben wir uns, für die komparativ-
genetischen Nachhülfen, bei der Lehre vom Menschen so gut zu helfen, wie es im
Augenblick nun eben gehen will (um über die leitenden Gesichtspunkte allseitig
einigende Vereinbarung zu treffen, statt darüber zu hadern; in nutzlosen Logo-
niachien).
Und jedenfalls ist es erfreulich, in dem Autor einen bestveranlagten Mit-
arbeiter hinzugewonnen zu haben, der bei weiterem Verfolg seiner Forschungs-
ergebnisse, aus denen bereits wertvolle Bereicherungen verzeichnet stehen in den
Annalen der Völkerkunde, ohne Schwierigkeiten bald sich hineingefirnden haben
wird in diejenig’ neue Auifassungs- und Anschauungsweise, wie in gegenwärtig
naturwissenschaftlichem Zeitalter gefordert: wenn die komparative Behandlungs-
weise der ethnischen Psychologie zur That werden soll, um auch dasjenige Ohr
dem die Frage noch missfällig klingt (durch Mithülfe von Okulardemonstrationen)
zu überzeugen (und dann ist auch dem naturwissenschaftlich naturgemässen Stand-
punkt weitere Polemik erspart, da das „onus probandi“ den Schultern der Gegenpartei
zufällt). Ohnedem, wie bereits bemerkt, mangelt jeder Anlass zu Kontroversen
in Fällen, wo es sich um verschiedenartige Forschungsweisen handelt, die, auf
getrennten Arbeitsfeldern thätig, sich vielfach zwar ergänzen können miteinander,
aber niemals gegenseitig stören oder durchkreuzen. Der Unterschied liegt einzig
und allein in der Fragestellung (der Frage): in der Frage nämlich über erst zu
stellende Nachfrage, — ob so zu stellen, wie in früher deduktivem Zeitalter (ein
verständiges Mittelmass, wie stets vorausgesetzt) ganz berechtigt erscheinen durfte,
auf Entlehnungen nämlich und woher? oder: zunächst (naturgemäss) mit Rückgang
auf den naturgemäss einheimischen und (imanent innewohnenden) Wachstumsprozess
selber. Verbleibt unter den Eliminationen der elementar aufgezwungenen Grundlagen
ein dubiöser Rest, so ist für seine Herkunft nachzusuchen auf den [das (in geogra-
phischen Provinzen gefestigte) Zentrum umkreisenden] Geschichtsbahnen, innerhalb
weiter oder enger Peripherielinien des geographisch-historischen Horizonts, und
was etwa in echt erprobten Pfropfreisern gefunden sein sollte, wird dankbarst
um so lieber entgegengenommen werden, weil das Problem komplizierter, (an Ergeb-
nissen also reicher), gestaltend und deshalb desto interessant anziehender in
Arbeitslust, um aus solchem Äugeln (in Inoculationen) die Augen klärlicher noch
zu klären. Da bei kosmopolitisch, als fundamental durchgängig gleichartig an-
erkanntem Charakter der Menschennatur: „l’impossible n’est pas un 1110t“ in der
durch tagtägliche Steigerung des internationalen Verkehrs geschaffenen Sprache,
(worin der Patriotismus je kräftiger gefestigt desto durchschlagender mitzu-
schaffen befähigt sein wird): Unmöglichkeiten also ausfallen, bei All-Möglichem
einer „possibilitas absoluta“ (b. Nie. Cus.), so darf deshalb gerade nun eben keinerlei
Möglichkeit zulässig gestattet sein im konkreten Sonderfalle, sondern dieser nur
dann, wenn aus den Possibilitäten (oder Potentialitäten) eines duvdfxei dv realiter
bereits aktualisiert in seinen Energien (einer lebensfähigen Existenz), um jedwede
Feuerprobe fortab zu bestehen (unter der Kontrolle des logischen Rechnens).
Einer naturwissenschaftlich - philosophischen Klasse nach akademischer
Scheidung und der für dieselbe gültigen Methode würde die erste Abteilung volle
137
Ehre machen, während in historisch-philologisch-philosophischer die aus kritischer
Sichtung in der Klassicität klargestellten Musterbilder als Paradigmen zu dienen
haben werden, für korrekte ßehandlungsweise der aus allen Ecken und Enden
des Erdballs wachgerufenen Vertreter (einstigen Barbarentums).
In AnbetrefF der für provisorische Übernahme vorläufig ihr gleichfalls noch zu-
gewiesenen Kulturvölker, ist die Ethnologie wegen der (bei der Umfänglichkeit
räumlicher Ausdehnung) doppelt empfindlichen Mangelhaftigkeit der Textrevisionen
am misslichsten bestellt, während bei den Wildstämmen der an sich schon, für ver-
einfachenden Durchblick, angezeigte Ausgang vom Einfachen (zum Zusammen-
gesetzten) thatsächlich und sachgerecht sich empfiehlt, für solche Hülfen, wie sie
in wissenschaftlicher Botanik die Begründung der Induktion durch methodischen
Rückgang auf die Kryptogamen ermöglicht haben. Unsere, höchsten Kultur-
entwicklungen zugewandte, Altertumskunde (westlicher Civilisation) hat die
Vollendung ihrer dominierend hervorragenden Meisterschaft aus geographisch
engster Massbeschränkung erlangt, bei allseitig nächster Konzentrierung auf das
hellenische Halbinselein vornehmlich, (viribus unitis), durch fakultativ multiplizierte
Lehranstalten (Jahrhunderte hindurch, seit der Renaissance) gepflegt, und aus Ver-
fügung zugleich über die aus jahrtausendjähriger Vergangenheit schriftlich fixierten
Überlieferungen, zuverlässig gesichert (in kritischen Durcharbeitungen). So haben
sich dort auf schmalengstem Terrain für die Begriffe dorischer oder jonischer Rassen,
auch äolischer und achäischer hier und da, mit anschliessenden Parzellierungen aus
gegenseitigen Verhältniswerten kontrolierbar verbleibende Zifferwerte mit der-
artiger Zuverlässigkeit substituieren lassen, um sie mitunter ungescheut in
annähernden Generalisationen verwenden zu können, z. B. für technisch-artistische
Betrachtungsweisen auf statuarisch statuiertem Boden, und so mag oftmals
bei Rückfolgerung auf hellenische Vorgeschichte manch’ annehmbare Vermutung
bereits gewagt sein, was auf dorischen oder jonischen Wanderungen für Herkunft
und Kichtungsweise Hinweisungen zu gestatten scheint (mit historischer Folge-
wirkung weiter).
Wie dagegen stünde es bei gegenwärtigem status quo der Kenntnisse in
der Ethnologie? wenn Lust verspürend die in früheren deduktiven Stadien ge-
legentlich nahe gelegte Bezeichnung indonesisch-malaiischer Rassen und poly-
nesischer (unter Verzweigung auf Mikronesien und Melanesien) in ihren Be-
ziehungen zu der (aus indischem Missverständnis) sogenannten indianischen in
Gleichungsformeln zu bringen, ohne dabei die gerecht berechtigten Anforderungen
der Induktion zu verletzen (in leichtmütigem Unbedacht). Ein fast die Hälfte des
ganzen Globus übertreffendes Areal — mit kontinentalen (aus Fünffachheit dei-
selben, und Halbinseln genug auf jeder) sowohl, wie insular zahllosen Zertrennungen
— leidet zugleich unter ungenügendem (und chronologisch kürzestem) Litteratur-
material, wie (für Indonesien z. B.) schon bei den (in der Hauptsache) ältesten
Aufzeichnungen (gleich de Barros’, Couto’s, Valentyn’s etc.) sichtende •Text-
kritik, (ehe darauf gestützte Verwendung erlaubt sein würde), gar viel noch zu
thun hätte, und die seit Ende des vorigen Jahrhunderts manchmal ausgiebigeren
Üaten (in den Fundgruben der Publikationen der baatavischen Genootschap und
des „Journal of the Indian Archipel“, der Zweiggesellschaft der R. A. S. u. s. w.)
haben neuerdings erst gesicherte Stützpfosten eingeschlagen erhalten aus Mathes’,
Riedel’s, Junghuhn’s, Haverlandt’s, Le Clercfs und anderer mehr Spezialarbeiten
(bei langdauernd persönlicher Vertrautheit mit einheimischer Eigenart), sowie
(in Polynesien) durch Gill, White, Howitt etc., und jedesmal nur in Ansehung
lokaler Zerteilungen (wie das für die, durch die Gelehrtenthätigkeit der America-
nisten auf ihrem heimischen Boden gewonnenen, Resultate gleichfalls gilt).
In solchem und ähnlichem Anbetracht dieser ungeheuerlich der Arbeit auf-
getürmten Gebirgsmassen (oder Massengebirge), auf denen jedes einzelne Forschungs-
feld ebenso genau (bis auf letztkleinstes Steinchen) durchzuackern wäre, wie es
auf dem hellenischen versucht ist, würde die Ethnologie hoffnungslos ihre Flinte
ins Korn zu werfen haben, wenn nicht kraft der durch die Elementargedanken,
— weil primär, gleich der Zelle (auch den prangendsten Phanerogamen) in gleich-
artigen Unterlagen inhärirend — gebotenen Hiilfsmittel die Aussicht eröffnet
worden wäre, mit Logarithmen zu rechnen, wie seit deren Erfindung z. B. erst
der Astronomie das Wagnis zugestanden hat, sich kühn hineinzubegeben in das
Gewühl unabsehbarer Zahlenmassen, die auf ihrem Arbeitsfelde zu bewältigen
sind; und so, wenn die Ethnologie in gleicher Weihe dem naturwissenschaftlichen
Konklave auf der einen Seite und den historisch-philologischen Spezialfächern auf
der andern angeschlossen zu werden prätendieren wollte, wird sie auf ihrem heutigen
Standpunkt wohl daran thun, sich mit möglichst scharfer Genauigkeit auf monogra-
phisch festumschriebene Stoffbehandlung bei Wahl der Themata einzuschränken,
für die, fach- und sachgerechten Studien gewidmeten, Arbeitsstudien. Wem
es daneben dann drängt (in schöpferischem Drang), brauchen harmlosen Gedanken-
spielereien ihre freizügigen Exkursionen auf Luftflügen nicht allzusehr verkümmert zu
sein, sofern in Erholungsstunden Müsse dafür bleibt, da manchmal aus solchen Vogel-
perspektiven ein Eindruck trifft, der sich in späteren Spezialbehandlungen auf
seine Verwertbarkeit erproben lassen möchte, und ausnutzen demgemäss (falls
ächt befunden). Im Übrigen bringen die problematischen Urteile (wenn nicht in syste-
matische Diskussionen ausverfolgt) selten viel Nutzbares zu Tage und die asser-
torischen des Glaubens haben denjenigen überlassen zu bleiben, die davon nicht lassen
können, und unbeschadet dabei belassen bleiben mögen, weil unschädlich für eine
naturwissenschaftlich begründete Methode, die aus innerlich innewohnenden Gesetzen
zu organischer Entfaltung gelangt ist, den Zeitanforderungen entsprechend, wodurch
ins Dasein gerufen (während mitlebender Generation). Und hilfreiche Mitarbeit
kommt um so dauernder zur Schätzung, wenn auf Sachkunde gegründet, wie
dem Verfasser des vorliegenden Buches zur Verfügung stehend.
Indem diese lange Auseinandersetzung an das in der Überschrift genannte
Werk sich anschliesst, so ist damit eine Anerkennung seiner Zuständigkeit ausge-
sprochen, wenn von dem Standpunkt der bisherig traditionellen Methode ethno-
graphischer Behandlungsweise in Betracht genommen. Da nach diesseitiger
Ansicht nun ein radikaler Bruch erforderlich sein wird, um die auf heutigem
Entwickelungsstadium der Ethnologie formulierte Lebensfrage in der für künf-
tiges Fortgedeihen geheischten Auffassungsweise zu beantworten, so wurde, für
spezialisier ende Nebeneinanderstellungen der beiderseitig gegenüberstehenden
Gesichtspunkte, die jüngste Veröffentlichung eines Mitarbeiters gewählt, der im
soweit näherem Kreise derjenigen, die auf den Titel eines Ethnologen wohl-
begründete Ansprüche erheben dürften, zu den best Vorbereiteten zählt, unter dem
mit einer neuen Generation hervortretenden Nachwuchs. Das Saeculum derer,
die an der Einpflanzung eines unter ihren Händen zwar aufgewachsenen, aber (aus
beieits voi liegenden Unterlagen her) nach neu hervortretenden Zeitbedürfnissen ab-
ge.lstelten Forschungszweiges mithalfen, neigt seinem Ende zu, denn bis auf wenig
überlebende Namen sind die Reihen sparsamst schon gelichtet.
Was aus fernster Erinnerung hervorzukeimen begann, lag damals nicht in
Übei schau bereits, sondern, unter dem Gefühl daraufhinstrebender Vorahnungen,
im schwachen Dämmerlichte nur den Blicken vor.
Im Gange des organischen Wachstumsprozesses hat die Zielrichtung deut-
liehei .Geh zu klären begonnen und der Weiterverfolg wird fortab den fernerhin
Nachkommenden zu überlassen sein. Die Generation der Pioniere, die zuerst
mit einem Fernblick begünstigt wurden auf das „gelobte Land“ der Verheissung,
tiitt vom Schauplatz ab, da, wer als „superstes“ vereinzelt überlebt, durchseine
Jahreszahl schon unter „supernumerarii“ eingerechnet zu stehen hätte. Auch die
Reihe deiei, mit denen zusammen die schweren Zeiten der Begriindnng durch-
kämpft wuiden, beginnt sich zu lichten, soweit nicht ergänzt durch jungen
Nachwuchs, der mit frischen Kräften einzugreifen haben wird (und best ge-
stählten aus vorbereitender Schulung).
Deshalb scheint die Mühe nicht gescheut werden zu dürfen, so oft im mehr-
weniger zufällig gegebenem Falle ein würdiges Beobachtungsobjekt geboten ist,
solche Gelegenheit auszunutzen, für Parallelisierung kontroversialer Fragepunkte,
damit im wechselweisen Gedankenaustausch gemeinsam förderliche Vereinbarung
geschafft werde, unter fortgeführtem Faden der Tradition, der, wenn im dritten
Menschenalter bereits abgerissen, irn nächsten um so schwieriger seine Wieder-
anknüpfung erhalten würde (und so der Vorteile beraubt, das Sein aus seinem
Gewordensein zu verstehen).
Lnd so ist auch diese Veranlassung gern ergriffen worden, um die momentan
um kräuselnden Tageswellen einer Zeit- und Streitfrage zwischen Fachgenossen, mit
einem geschätzten „operis socius“ zu besprechen, der bei der, aus dem Wendepunkt
ersten Reifezustands gegenwärtig hervorquellenden, Strömung unter diejenigen
berufen zu gelten hat, welche am Steuer zu stehen haben werden (für
Lenkung und Leitung).
In den aus Amerika’s Nordwestküste durch sorgsame und schulgerechte
Beobachter mitgeteilten Volkserzählungen finden sich so vielerlei Züge, die (trotz
lokaler Umgestaltung) an arischen Hausmärchenschatz anklingen, dass über den
Zusammenhang leicht und oft Anregung gegeben ist, Vermutungen fortzuspinnen,
denen man (wenn sachkundig ineinandergewoben) mit Interesse folgen wird (in
Erholungsstunden der Müsse). Dass ein den strengen Anforderungen wissen-
schaftlicher Verwertung genügendes Resultat daraus gewonnen werden könnte
140
(so lange nicht ein konkreter Spezialfall zum gesicherten Einhaken sich bietet),
bleibt von vornherein ausgeschlossen, undenkbar eben vorläufig noch (bei massigster
Übung im logischen Rechnen).
Jahrtausende lang hat sich die gesamte Gelehrsamkeit höchster Kultur-
entwicklung auf dem Erdball auf zwei minimal kleine Fleckchen (in dimi-
nutiven Halbinseln) konzentriert, und dennoch, wenn, (trotz aller Aufklärungen,
die gewonnen sind) für die Volksstämme der Ligurer, Sicaner, Illyrier und sonstig
thracischer aller [von weiteren Uttarakuru, aus so manchem (über die Grenzen hin-
ausliegenden) Utgardh gar nicht zu reden], dokumentarisch verifizierte Bescheini-
gung ihrer Stammbäume (betreffs gesetzlicher Verwandtschaftsverhältnisse) verlangt
ist, lässt der Vorsichtige meist die Hände lieber davon, in fachgelehrter Archäologie
(da ,,res habet dubitationem“). Wie also darf uns Ethnologen in den Sinn kommen,
auf solch ähnlichen Forschungswegen heute bereits irgend etwas Erspriessliches
schaffen zu können, sobald wir über den Umschluss geographischer Provinzen (unter
der Weite ihres topisch durchwanderbaren Areal’s) hinauskommen —, hineinge-
ratend in die ungeheuren Weiten des gesamten Erdballs (minus etwa des klas-
sischen Orbis terrarum), und in ein gänzlich noch unübersehbares Völkergetümmel
(einer, innerhalb des Focus deutlicher Sehweite einfassbaren, Durchschau der
Einzelheiten überall fast entfallend).
Das wird kein Verständiger der Völkerkunde zum Vorwurf machen, denn
für die wenigen Decennien, seit welchen ein methodisches Studium erst begonnen
hat, ist wahrlich genug bereits beschafft, in solch kurzer Frist, und wenn
unser Forschungszweig späterhin ebenfalls auf jahrhundert- oder jahrtausendjährige
Pflege zurückblicken kann, wird es schon anders aussehen. Im übrigen aber
handelt es sich nicht um Wünsche (und ungeduldig kindisches Hingreifen nach
dem fratzenschneidenden Mond), sondern um das vernünftigerweise Erreichbare,
innerhalb des Masses der soweit zur Verfügung stehenden Mittel. Das wenigstens
hätte als der dem Fachmann angewiesene Standpunkt zu gelten, wenn er seinem
Fach Ehre machen' will, und wer darüber hinausschweifend dem Flug seiner
Phantasien zu folgen vorzieht, läuft sein Risiko, dass sie, sofern nicht ihres
Unterhaltungsstoffes wegen mit dem Passierpass begnadigt, sistiert sein werden
(um unter den Plunder der Pfuschereien beiseite geworfen zu sein).
Ehe die Last mühevoll weitaussehender Arbeiten (bestenfalls, wenn nicht
hoffnungsloser von Vorneherein) übernommen wird, stellt sich rationeller Weise
die Frage nach dem „Cui bono?“.
In Ansehung der im ethnischen Wachstum der Völkergedanken entfalteten
Probleme, beantwortet sie sich in Befriedigung eigener Aussagen, weil eben, der
Bestimmung gemäss, auf des Menschen Selbsterkenntnis hinstrebend (in letzter
Zielrichtung), und gleichzeitig praktische Abhülfe vital gefühlter Zeitbedürfnisse
versprechend bei Klärung des Denkverknäuls im sozial - anarchistischen Wirrsal,
neben gar manch’ nutzbringendem Wink für nationalen Gewinn, aus internationalem
Verkehr (wie ansteigend von Tag zu Tag). „Alle sozialen Probleme führen auf
Elementarfragen der Psychologie zurück“ (b. Rümelin). So oft unter angezeigten
Kautelen (und dementsprechender Prüfung) Forschungsresultate aus völkerwirt-
141
schaftlichen Beziehungen hier und da erlangbar aufgewiesen werden, dann: tant
mieux (ä la bonheur). Sie werden dankbarste Aufnahme finden, um in die Studien
hineingearbeitet zu werden, da diese wirksam fördernd, wenn neues Matei’ial
hinzubringend, d. h. sofern gediegen echt. Unechten Kram (stark zweifelhaft
anrüchig, im bedenklichen Haut-gout), oder mit dem ZersetzungsstofF stören-
der Fälschungen bedrohten, halte man sich lieber vom Halse, zumal fremd-
ländische Zuthaten (die, wenn gesetzlich einfügbar, ihrer variierenden Verschöne-
rungen wegen gebührend zu schätzen wären) für den geregelten Verlauf der orga-
nischen Entwicklungsprozesse keinerlei Unterschied machen, da diese stets die
gleichen bleiben (mit oder ohne).
Erst nachdem eine scharfeUmzeichnungderfürkulturelleEntwicklungansetzen-
den Elementargedanken durchgeführt ist, kann zweckdienlich diskutiert werden,
was infolge veredelnd inokulierter Pfropfreiser hinzugebracht worden sein möchte,
weil bis dahin die Eliminierung des einheimisch immanenten ungesichtet schwankend
bleibt (für apodiktische Beweisführung). Und weshalb daher im vagen Umher-
raten Zeit vertrödeln, wenn jede Minute kostbar bleibt, für die Bewältigung des
massenhaften Arbeitsmaterials (das im Detail zu durchsichten ist).
Im Unterschied zu verhältnismässiger Einförmigkeit östlich vom Felsge-
birge, wurden bei dem ersten Übersteigen desselben (1805) die Entdecker bereits
von den bunten Wechseln in einer neuen Welt am pacifischen Abhange getroffen
und unter den auf „ Kulturübertragungen zwischen den Kontinenten Asiens und
Amerikas“ hinweisenden Ähnlichkeiten (wie von Boas besonders wiederum her-
vorgehoben), lässt sich die „Entwicklung einer primitiven Weltauffassung unter
dem Einfluss vielseitig fremder Ideen verfolgen“, zu dem ausserdem noch Alles
das hinzugekommen sein mag, was unter indonesisch-polynesischer Färbung sich
variiert. Das Problem würde dadurch, weil kompliziert vielseitig, zu einem
desto willkommneren gestaltet werden, zumal auch für die Richtungen, wohin den
Gesichts- und Geschichtszügen (in ozeanischer Physiognomie) nachzugehen wäre,
Andeutungen genugsam bereits vorliegen.
Je anziehender also hier, nach allen Richtungen hin, Hypothesen verlocken,
desto strenger wird sich die Forschungsweise trockenster Nüchternheit zu be-
fleissigen haben, und auf detailliert monographische Behandlung konkreter Fälle
Beschränkung einhalten müssen, sobald und so oft thatsächliche Unterlagen ge-
boten sind, um einen Versuchsbau wagen zu dürfen. Und dann, wenn deut-
liche Resultate sich gewinnen lassen, wird dojipelt deutlich ans Licht treten,
wie sehr das ethno-psychische Wachstum von festen Naturgesetzen beherrscht
wird, um, wie das aus einheimischen Wurzeln Hervorsprossende, auch was aus
der Fremde in Pfropfreisern zugeführt ist, zu eigenartig charakterisiertem Typus
auszuprägen (unter einem für methodische Induktionsarbeit verwertbarem Stempel).
Indem bei Fortsetzung einer bisher nur realistisch (oder materialistisch)
erprobten Forschungsweise (der sog. naturwissenschaftlichen) auf ein idealistisches
Gebiet, bei Übertritt in Immaterielles, demgemässe Verwendung zu erfolgen
hat, muss desto schärfer im Bewusstsein gehalten werden, dass es sich nicht
mehr um Stoff-Übertragungen (um incrustierte Ideen, als effektlose, weil tote),
142
sondern um Lebensreize handelt, um lebendige Kraftwirkungen in Schlag und
Rückschlag (aus organischer Reaktion), um für das, was gesetzlich resultirt, ein
gültiges Fazit zu ziehen (im logischen Rechnen).
Niemand wird die Blätter im Walde zählen, wohl aber eine systematische
Botanik die Yariations-Möglichkeit der Blattformen, die mitunter auf fremde
Übertragung zurückführbar sich zeigt, aus Pfropfen, Kreuzen oder Züchtungen
sonst, andererseits dagegen auch wieder bei gleicher Art (oder Geschlecht) ver-
schiedenartig zusammen (und nebeneinander) Vorkommen mag. Da nun die
Sphäre des einen Beobachtungskreises eine überschaubar limitierte, die des
andern eine illimitiert unabsehbar weitschweifendste ist, wird, wer dem Genius
seines gesunden Menschenverstands die gebührende Rücksicht und Nachsicht
(indulge genio!) zu beweisen Bedacht nimmt (in rationeller Rechenkunst), die
Aufgabe des leichten Exempels zuerst absolvieren, weil damit dann zugleich das
Schwierigere der Hauptsache nach erledigt ist. Und obwohl also ein geist-
sprühendes Genie geneigt sein möchte seine Gedankenblitze leuchten zu lassen,
um betreffs ethnischer Kontroversen über Völkerbeziehungen aufstossende Ähn-
lichkeiten in mythisch märchenhafter Vorzeit zu beschauen, dürften bescheident-
licher begabte Verstandesknechte doch vorziehbar erachten, zunächst und zuerst
den Völkergedanken bei seiner Verantwortlichkeit zu packen, zur Aussage über
dasjenige, was von selbsther bereits vorhanden sein muss (oder doch kann).
Einer praktischen Verwertung der im Wildzustand angetroffenen Ähnlich-
keiten steht bereits die Unmöglichkeit gegenüber, zu entscheiden, ob das ele-
mentar überall Gleichartige (und deshalb überall Mögliche) in dem zufällig ge-
botenem Sonderfall vielleicht herübergenommen sein sollte, aus besonderen Ver-
anlassungen (soweit solche sich feststellen lassen). Dass bei eigenartig markierten
Spezialitäten auf höheren Kulturstufen, oft ein entschiedenes Vorgehen gestattet
ist, um eine Entscheidung abzugeben, wird durch den dann meist auch aus den
Hülfen der Schrift gewährten Anhalt nahegelegt (und erleichtert).
Der Beweis mathematischer Sätze, weil jeden Zweifel ausschliessend, in
„mathematischer Gewissheit“, pflegt als einfach kürzester durchweg sich zu
empfehlen (auf statistischen Unterlagen), und warum sollte es anders sein, gerade
bei denen nur, welchen das logische Rechnen besonders warm ans Herz gelegt
ist? (den um Menschen- und Völkerkunde Beflissenen).
Aller Kenntnisse Unterlage ist eine mathematische, indem auf der Apriorität
des Raumes die Möglichkeit der geometrischen Urteile beruht, auf der der Zeit
die der arithmetischen (s. Kant), und wie nun das Schemen der Lebenskraft
schematisiert ist nach den elementaren Grundzügen einer „mechanischen“ Welt-
auffassung, im cellulären Wachstumsprozess, ist auch für den psychischen eine
„Mechanik“ der Vorstellungen zum Ausdruck gekommen (s. Herbart), neben
der Statik (ihrer Intensitätsverhältnisse): ein „abenteuerlicher Gedanke“ (auf dem
in der „Geschichte des Materialismus“ eingenommenen Standpunkt). Die aus
Uthlanga strömende Lebensquelle durchdringt das All, in „Ajiva“ temporär latent,
mit „jiva“ dagegen im „statu nascenti“ dynamisch stets treffend und getroffen
(zur Realisation in den folgenden Effekten).
143
Die Gesetzmässigkeit alles psychischen Geschehens begründet sich in mathe-
matischer Psychologie (materialistisch), und indem die Vorstellungen nicht in
der Seele (dem einfachen Wesen) liegen, sondern „Wechselbeziehungen sind
zwischen den einzelnen Pealen, von den physikalischen Kräften zwischen den
Atomen (s. A. Lange), so würden solche, den Monaden (Leibniz’s) entsprechende
„Reale (als Elementargedanken gefasst, im zoopolitischen Sinne) zum Austrag
kommen, in dem, was sie durch ihre Reize wirken (wie die Atome durch Kräfte),
und da die den Organismus treffende Reizwirkung sich aus dessen Reaktion
beantwoitet, wäre dem realisierten Effekt der Ansatzpunkt geboten, für die Zer-
legung (in seine Ursächlichkeiten wiederum).
So lange für die durchschnittlich überall gleichartigwiederkehrendenElementar-
gedanken, wie in den Gesetzlichkeiten psychischen Wachstums begründet, eine kurz
zusammenfassende Übersicht noch nicht hergestellt ist, unterliegt die Erörterung
dei (längs nachweisbarer Verbindungsbahnen) möglichen Entlehnungen, wenn
für erschöpfende Behandlung eines konkret vorliegenden Falles die Materialien
noch mangeln, ihren Bedenken insofern, weil überflüssigerweise Komplikationen
duich Fragestellungen eingemengt werden könnten, deren ausreichende Beant-
wortung bestenfalls nur sekundäres Interesse zu beanspruchen hätte, weil der
eigentliche Kern des (im letzten Grunde auf des Menschen eigenes Studium hin-
get ichteten) Problems direkt nicht treffend, indem die zur Entfaltung ethnisch
chaiakteristischer Weltanschauung heranreifenden Entwickelungsprozesse ihrem
normalen Verlaufe nach die gleichen bleiben, auch wenn Fremdstoffe nachweis-
bailich den heimischen Wurzelsprossen hinzu assimiliert sein sollten.
Eine durch Pfropfreiser veredelte Pflanze bietet ein, obwohl (und gerade
weil) komplizierteres, desto anziehenderes Studium-Objekt, und mag zu weiteren
Aufklärungen über die Herkunft des Setzlings (mit anschliessenden Betrachtungen)
weiter führen, aber die pflanzlichen Zellvorgänge als solche bleiben dieselben, ob
zu höheren Stadien gesteigert, oder auf elementar einfachen abgelaufen, und sind,
weil bei den letzteren durchsichtiger, dort (während der mit erster Begründung
noch beschäftigten Arbeiten) vorzuziehen, um desto besser systematisch graduelle
Stählung zu gewinnen, für korrekte Lösung der schwieriger verwickelten Auf-
gaben, welche im Fortgang der Forschung heranzutreten haben werden, unter
unausbleiblicher Mehrung derselben, bis das, ein Ziehen des Fazit gestattende,
Endziel erreicht sein kann.
Bei genügend (dem logischen Rechnen) zur Verfügung gestelltem Material
niuss stets eine Ursächlichkeit getroffen werden, um innerliches Geäder organisch
zu entfalten, denn: „Es giebt keinen Zufall“, wie der Dichter singt — und wie
es singt im Sphärensang (aus des Kosmos’ harmonischen Gesetzen).
Steinmetz: Ethnologische Forschungen zur ersten Entwicklung der
Strafe. Bd. I und II, 1894 (Leiden und Leipzig).
Ein durch gewissenhaft ernstliches Streben angeregtes Buch, das Werk eines
^en leitenden Faden des Gedankenganges (im jedesmaligen Falle) streng methodisch
festhaltenden Forschers, der sich von parteiischen Beeinflussungen möglichst
144
frei zu halten weiss, um „sine ira et studio“ zu schreiben (wie bei wissenschaft-
licher Arbeit geziemend).
In der Einleitung erhält die Ethnologie, nachdem die Berührungen mit
Ethnographie und Psychologie durchsprochen sind, ihre Charakterisierung nach den
„Grundprinzipien, von welchen die ganze jetzige ethnologische Forschung ausgeht“
(§ 4). „Die ganze Menschheit wird als eine einzige Art aufgefasst, nur in den
verschiedenen Gegenden nicht gleich weit entwickelt und unter verschiedenen
Umständen lebend“ („die Übereinstimmung zweier Völker in einer Sitte wird
nach diesem Prinzip nur aus zwingenden besonderen Gründen aus einer Ent-
lehnung von einander oder aus derselben Quelle erklärt, sondern im Allgemeinen
aus der übereinstimmenden Entwicklungsstufe oder aus der Gleichheit der Be-
dingungen, in welchen beide Völker verkehren“).
Dann stellt sich das Problem (im Ersten Teil): Versuch einer psychologischen
Erklärung der Rache und der Rachsucht.
Aber, was nun folgt (bis Seite 128) ist nicht nach der ethnologischen
Methode behandelt, sondern (mit einigen ethnologischen Seitenblicken hier und
da) nach derjenigen gerade, an deren Stelle die Ethnologie die ihrige zu setzen
beabsichtigt.
Dies Versehen lag bereits in der Einleitung verschuldet, wo (zur Definition)
die Ethnologie, als „vergleichende“ Wissenschaft richtig von der Ethnographie,
als „beschreibende“ abgegränzt, dann aber auch nach ihrem Verhältnis zur
Psychologie in Betracht gezogen wurde, — derjenigen Psychologie nämlich, an
deren Statt die Ethnologie ihre eigene in erste Behandlung nehmen zu müssen
glaubt, nicht zwar um dies sorgsam heraufgezogene Schosskind alter Kultur-
pflege heimtückisch (oder erbarmungslos grausam) zu morden, sondern viel-
mehr desto herrlicher auszustatten, nach Erledigung unerlässlich benötigter Vor-
arbeiten, die eben vorauszugehen haben (als conditio-sine-qua-non).
Die Ethnologie ist selber Psychologie oder (wenn zu terminologischer Unter-
scheidung eine andere Benamung vorgezogen werden sollte) das, was sich als Noetik
bezeichnen liesse (als ethnisch-naturwissenschaftliche Psychologie, nach induktiver
Behandlungsweise; oder wie sonst). Sie imaginiert sich nämlich als die „Psychologie
des Zoon politikon“, und meint, dass, wie dieser gesellschaftliche Charakter des An-
thropos dem psycho-physischen Individuum, so der Gesellschaftsgedanke voranzu-
stehen habe, damit sich, aus dem „totum divisionis“ des Gesellschaftskreises das
Teilganze des Einzelnen integriere (für seine Selbsterkenntnis).
Zunächst gilt es also scharf und bestimmt nach rein objektiver Methode der
Induktion zu arbeiten, unter Fernhalten aller subjektiv gerntitsvoll (und gemütlich)
sentimentalen Zwischenmengungen, bis der Zeitpunkt gekommen sein wird, um
in Kontrolle mit der Deduktion das endgültige Fazit zu ziehen, und wenn dann
dem soweit gewaltsamen Strom der Gefühle ein Freipass wird gegeben werden
dürfen, zum unbehindert vollen Hervorbrechen, dann wird es hoffentlich aus
neu eröffneter Erkenntnisquelle in reinklarem Bache dahinströmen, um die bisher
auf wildem Zweifelsmeere umhergetriebene Lebensbark dem ersehnten Endziele
zuzuführen, (in des Menschen Bestimmung).
145
Elie nicht eine vorläufige Umschau über sämtliche Variationen des Menschen-
geschlechts gewonnen ist, wäre es eine „contradictio in adjecto“ nach dem Mensch-
heitsgedanken zu suchen bei den fragmentarisch herausgerissenen Bruchstücken,
die den Kulturvölkern bisher allein zur Verfügung standen, und erst wenn aus
dei Menschheit Bild der Mensch hervorgetreten, wird er der ihm gestellten
Aufgabe geiecht werden können (um sich selber zu erkennen).
Ein praktischer Nutzen ist zugleich dadurch gewährt, dass auf Grund
des ethnologisch (oder ethnographisch) beschafften Materials die Betrachtung in
erstei Linie den primär einfachsten Zuständen sich zuzuwenden vermag, den
Elementargedanken und deren Differenzierungen im Völkergedanken (unter den
Bedingnissen geographisch-historischer Provinzen).
Vii erhalten dadurch feste Zifferwerthe, um schliesslich mit Logarithmen
leclmen zu können, und das chaotisch wüst wogende Gedankenmeer (unter all’
den Launen eines Meinens und Schemens, in Doxa), durch apodiktisch natur-
gesetzliche Beweisführung zu beherrschen; und statisch einzuregistrieren in eine
Gedankenstatistik (bei Erschöpfung der Denkmöglichkeiten).
liii Vergleichung der auf beiden Seiten des Teilungsstrichs sich gegenüber-
stehenden Methoden ist im vorliegenden Buche, das, obwohl im übrigen nach
ethnologische! fassungsweise (und oft einer vorzüglich besten) geschrieben, in
diesem, die 1 'sychologie streifenden, Punkte abweicht, ein faktisches Belegstück
„eboten, wie es nicht schlagender hätte gewünscht werden können.
In acht, Kapiteln des ersten (und 4 mehr des zweiten) Abschnitts wird das
Pioblem (f!ie „Grausamkeit“) nach sechs Hypothesen besprochen, unter all dem
bishei dafür üblichen Wortschwall (trotz knappst verständiger Auswahl in den
Citaten).
Damit sässen wir Ethnologen ja wieder in dem alten Sumpf, aus dem wir
uns herauszukrabbeln dachten, um erst dann vielleicht wieder dahin zurückzu-
kehien, nachdem es gelungen sein sollte, den vielgesuchten Weisheitsstein zu
ei langen, zu dessen Zauberkräften dann miteingeschlossen die Macht gehören
möchte, das muddlige Wasser der Gefühlsstimmungen in einen frisch erfrischenden
Erkenntnistrank zu verwandeln.
Bis es soweit kommt, wird allerdings nun wohl noch mancher Tropfen abzu-
i innen haben, aus den der Zeiten Welten-Meer speisenden Quellbächen (um Zeit
zu lassen zum Heran- und Auswachsen der kaum geborenen Ethnologie), aber
jedenfalls werden wir besser thun, uns vorläufig um all den alten (Quarck und)
Sauerteig nicht allzuviel zu kümmern, denn wohin (o, Ihr Götter!) sollte es
hommen, wenn bei der ungeheuerlichst an sich bereits gegebenen Massenhaftig-
heit ihres Materials die Ethnologie bei jeder Gefühlswallung (zumal einer grau-
samst grausamen gar) nun nochmals wieder Alles das zu durchwaten haben würde,
Was bei Nationen, Völkern, Stamm und Stämmclien (des Einst und Jetzt) auf
der Erde, so viele derer sind — („wer kennt die Stämme, nennt die Namen“) —,
darüber geträtscht worden? (in eines Ersten-Besten Gefühlsstimmungs-Launen).
Erst nachdem die Kunst gefunden ist, einen Hauptschlüssel zu schmieden, der
alle Geheimfächer gleichmässig aufschliesst, würden wir uns erlauben dürfen
146
dasjenige, was uns im eigenen Haus am nächsten liegt, am liebevollsten zu
durchstöbern.
Zunächst indes darf an derartig behäbiges Einnisten auch entfernt noch
nicht gedacht werden, da es zunächst die Axt zu schwingen gilt, um die Ko-
lossalblöcke, die innerhalb weniger Dezennien aus allen Ecken und Enden der
Erde zusammengeschleppt sind, einigermassen zurecht zu hauen und in handliche
Form zu bringen (für später genaueres Ausfeilen).
Einer an konstitutioneller Entwicklungskrankheit krankenden Zeit, — deren
Fieberparoxysmen die Skala ihrer Temperaturkurven (thermometrisch) in Höhe
der Auflagen sensationellem Geschmack mundender Effusionen Halb- (wenn nicht
Ganz-) Verrückter indizieren —, verbieten wollen, über Grausamkeit zu schreiben,
würde solche gerade bekunden, bei Entziehung der den Schwerkranken am
wenigsten versagbaren Palliativ-Mittel, und ausserdem den aufdringlichen
Warner raffiniertesten Grausamkeiten preisgeben, weil er bald in Stücke zerrissen
und gekreuzigt sein würde, von dem beleidigten Chor der Federfuchser (mit
ihren Griffeln vielleicht durchstochen, nach klassischem Muster). Der verständige
Arzt argumentiert nicht mit dem Irren über seine fixe Idee, wenn dieselbe da-
durch desto mehr befestigt sein würde.
Wenn ihm dagegen solche Frage fakultativ gestellt wird, dann hätte es
zunächst beim „non liquet“ zu bleiben, wie soweit die in ernüchterten Intervallen
chemisch und physikalisch ihrer Vis viva entkleidete Lebenskraft, in modern
aufgefrischtem Gewände, dem Physiker vorgeführt werden kann, zur Fixierung des
genauen Stellenwertes bei Einregistrierung unter die Klassifikationen des Systems.
Die Akten sind eben noch nicht geschlossen und brauchen weder, noch
können sie es, bei Kürze der Zeit soweit, wo es mehr noch gilt für das, was über
die in Tagesmoden changierenden Gefühlsnuancierungen seitens der Ethnologie, kraft
naturwissenschaftlicher Behandlungsweise der Psychologie, jetzt sich bereits zu
Protokoll geben Hesse, ein provisorisch memorierendes Notizbuch zu führen, zumal
im jedesmaligen Sonderfall erst zu verifizieren wäre, wie weit es sieh um das
visionär (oder hallucinistisch) beobachtete Phantasiebild handelt oder das aus
eigener Verschrobenheit hineingedachte, das um so grotesker sich verrenkt, je
mehr Schrauben los (oder lose) sind, in den Hirnwindungen (des Schreibslers).
All solch fadenscheinig hirnverbranntes Zeug wird rasch abgethan sein, wenn
die Zeit dafür gekommen ist, und sollte vorläufig deshalb besser bei Seite gelassen
werden, in der Ethnologie (wo es wichtiger bessere Dinge zunächst noch zu thun
giebt), oder dem [cerebral verwässerte Cervelat- (oder Hirn-) Wurst (und ihren
Wust) goutierenden] Phrenitiker überlassen bleiben. Und zunächst möchte (ohne-
dem) vorher erst noch die grundgelehrte Frau Philologia, den Senf etymologischer
Nachweisungen hinzuzuthun, ersucht werden, je nachdem es sich im konkreten
Falle über die richtige Aufschrift handelt (crudelitas, feritas, diritas, atrocitas)
oder sonstige inhumane „Immanitäten“, um auch aus negativen Beweisführungen
das Humane doppelt zu kräftigen (in Humanität). „Stolzer Schönen Grausam-
keiten Sind noch immer ungemein“, trillerte sich im Stil der Anakreontiker,
aber unsere hart-saure Zeit ist auf einen schärferen Drill einexerziert (um den Kopf
147
übei Wasser zu halten). „Neminem laede“ in „Rechtsphilosophie“, die bei
^eiein dei Ethnologie mit der Psychologie (nebenbei bemerkt) überflüssig ge-
macht wird, nach Ansicht des Verfassers (S. XLV).
Wei nach gethaner Arbeit sich den Lohn der Mussestunden gönnen darf,
mag dann vergnüglich lesen, was Koryphäen in philosophischer Dialektik als
ihie Ansichten geäussert haben über Grauen und Graus, [worin (b. Adelung)
„Giausamkeit wurzelt], in oft geistreich anziehenden Wendungen, aber zur Zeit
■ ollte mit solchem Konfekt der jugendliche Magen der Ethnologie noch nicht
veidorben weiden, da derselbe vielmehr aufzupäppeln ist, in seinen Säuglingsjahren,
mit dem Mutter- (und „Nahrungs-) Mehl“ materialisch gesättigter Speisung, die,
wenn wohl bekommend, desto besser dann in „evolutionischer Hypothese“ zum
Ansetzen ethischen Schwunges befähigen dürfte, für idealistische Ausflüge (mens
sana in corpore sano).
b iii die I raxis wäre ohnedem nichts verloren, wenn eine zeitweis zuwartende
Stellung bewalnt wird, denn dass ethnisch schönrednerisches Phrasengedrecbsel
nie noch einen Hund vom Ofen gelockt hat, (wenn anarchistische Kläffer dahin
diängen, die Lesitzenden aus ihren wärmeren Sitzen zu vertreiben), kommt
bald genug zum Gefühl in Dynamit und in Brandstiftungen (und unliebsam
auföediängtei Familiarität mit den Tagesgesprächen darüber). Bei solchem Not-
(odei Gioss-) beuei helfen heroische Heilmittel nur (quod ferrum non sanat,
anat ignis), kraft unwiderstehlicher Einschneidigkeit der Naturgesetze, wenn das
Gios dei giossen Massen auf dem Niveau der Wildstämme, die (hilflos geknechtet
duich die Gauklerkünste selbstbetrogener Betrüger) in der Sklaverei an der Nase
umheigeführt werden (im Gedankenlesen), — ebenfalls durch das intellektuelle
„Recht des Stärkern“ (kraft psychologischer Durcharbeitung der Ethnologie) be-
herrscht sein werden, und diesmal zu ihrem Besten, für pädagogisch verständige
„Erziehung des Menschengeschlechts“.
Der zweite Teil betrifft die „Todesfurcht und den Ahnenkult" und fügt
demjenigen, was die Ethnologie als ihr Pensum zu betrachten hat, mancherlei schätz-
baie Materialien in ergänzender Aushülfe hinzu, ebenso der dritte Teil („Ur-
rache , „Blutrache“, „Komposition“), während Bd. II den Rachekampf in Blut-
fehden, die Stellung der Frau, die Strafe („staatliche und göttliche“) und An-
schliessendes behandelt (in zehn Abschnitten).
Im Gestaun {ftaoi±d&iv) staunt es auf, am peripatetischen Anfang des Philo-
sophierens, im Wakan (der Dacotah), dem Geheimnisvollen („Mysterious“) hervor-
lugend aus den Geheimnissen ringsumher, die aus dem Unbekannten schrecken. Vor
Allem also das Geheimnis des Todes, das, wenn noch in Blasiertheit des Pessi-
misten nicht nur als Trost (Seneca’s), sondern (aus sokratischen Reminiscenzen)
als Ursachsveranlassung des Philosophierens überhaupt genommen (in egoistischer
Selbstbekümmerung um die eigene Seele) — seinen Voll-Eindruck bewahrt zeigt,
gewaltigst also den Wildmensch erschüttern musste, im Furchtgefühl zaghafter
Ängstlichkeit, beim Gefühl eigener Schwäche, weil von böswillig nachstellenden
Zauberern verfolgt und gehetzt, in den- Gespenstern, die überall spuken (aus
Deisidaimonie).
10*
148
Hierbei wird nun das aus den Traum-Erinnerungen abscheidbar erachtete Seeli-
sche, in die Natur verlegt, aber zugleich mehrweniger nivelliert mit der anschlüssig
(aus dem Reflex eigner Persönlichkeit) in allen Naturgegenständen erscheinen-
den Seele (als Wichtlein und Yui, oder in Gana mit Zuspitzung zu Hambaruan),
wobei nun das gerade, was (als Psyche) die animalische Seele kennzeichnet, voll
auszufallen hat, (wie in den durch die Seelen-Teilungen zugewiesenen Rubriken
durchweg für sich gestellt erwiesen).
Von den Toten, die — obwohl (aus schlimmen Rückerinnerungen eines sünd-
haften Gewissens) meist als rachsüchtig gescheut, doch — als Gütige (euphe-
mistisch) geschmeichelt werden, unter den Manen oder Oromatua (sowie die Zu-
gehörigen der Nitu), erhalten die aus nächster Verwandtschaft letzt abgeschie-
denen (wenn hülfskräftig erachtet) die den Ahnen schuldigen Ehren, beim Über-
gang zum Kult, dessen Einführung und Feststellung jedoch immer vorherige
Einrichtung des mythologischen Weltgebäudes voraussetzt (in uronographischen
Provinzen), um die Götter entsprechend zu lokalisieren (für die Funktionen des
ihnen zugewendeten Priesterstands).
Wegen Mangels dieser äusseren Erscheinungsweise ist oftmals der Wilde, der
mit jedem Atemzug in der Religion lebt und webt (mit jeder Finger- und Fuss-,
oder sonstigen Bewegung und Regung), derselben ermangelnd beschrieben worden,
und deshalb [wie etwa für Scheidung zwischen Wildstämmen und Naturvölkern
die Schrift (nebst ihren Substituten) sich empfiehlt, zur Vermeidung von Wort-
fechtereien schon] könnte die Grenzlinie des Kultus (in Kultur) da gesetzt werden,
wo die rituellen Ceremonalien durch Textschrift (oder metrisches Memorieren)
stereotyp ossifieiert und petrefieiert, ihr lebendiges Verständnis überlebselt haben,
ausser in den äusseren Formalhandlungen, die deshalb also um so heiliger zu
bewahren sind (in traditioneller Überlieferung), auf Grund eines (wie zu Sicyon)
abgeschlossenen Bundesvertrags (oder Siado/vj).
Dabei wirken aus sozialen Vorveranlagungen für Sitten und Gebräuche
(moralisch) erforderliche (und selbstgegebene) Vorschriften nach, die freilich, wenn
aus der Civilisation (unter dem zunehmenden Streben zur Individualisierung) in Be-
tracht gezogen, nicht vom dortigen Standpunkt, sondern auf dem des sich selbst
als Menschen kennzeichnenden Stammes beurteilt werden müssen.
Innerhalb solcher Einheit ist zwischen den dieselbe konstituierenden Individuen
der Mord an sich als suicidisch ausgeschlossen, und wird (in etwaigem Ausnahmefall)
sogleich mit Bann der Austilgung getroffen, während gegen den, aus Un- oder Nicht-
menschen (und Fremden) auf den Besitz des Stammes (dem sein „home“ sein „castle“)
übertretenden, Eindringling die Pflicht der Ermordung als bindend einem Jedem
obliegt, der, wenn in ihrer Erfüllung lässig, sich dem Gesamt der Gesellschaft
gegenüber dadurch als schuldig ihren Strafen ausgesetzt hätte; die andererseits
dann wieder diejenigen trifft, die nach (später vollzogener) Umwandlung des
„hostis“ in „hospes“, trotz der dadurch dem Gastrecht verliehenen Rechtskräftigkeit,
diese verletzen sollten (was Alles also durchaus selbstverständlich sein würde,
wenn nicht in Gedankenvertakelungen eingeknäult, aus schwankendem Wort'
gerede, im Überschwall). Die Behandlung des Verfassers, soweit diese Phasen
— 149 —
berührend, zeugt von Verständnis für die ethnologisch verlangte Betrachtungs-
weise (auf naturgemäss gebreiteter Basis).
Am Schluss des zweiten Teils wird, aus quellenmässig belegten Beweis-
stücken, der Universalität des Toten- (oder Ahnen-) Kultes nochmalige Bestätigung
nachgewiesen, die freilich längst an den Schuhen abgelaufen sein sollte, indes
bei dem hier darauf verwendeten Fleiss gern rekapituliert wird (denn doppelt
geschürzt hält desto besser, wie das Sprichwort weiss).
„Die Totenfurcht hat, (zumal bei dem Fragezeichen auf S. 142), „offenbar eine
moralische, aber eine streng konservative, keine reformierende oder ideale Tendenz“,
wird als Resultat der Untersuchung am Schluss des dritten Teils hinzugefügt,
unter vorbehaltener Reserve für den Ahnenkult (S. 251). Aus der Todesfurcht
spricht im Namen schon der „timor, qui primos fecit deos“ (b. Lucrez), überall
geht er um mit seinen Schrecken, der „Ferchgrimne“ (b. Morolt) als ~ix¡mk
üávaToq, auch für den Lebensmüden, der ihn herbeigewünscht (in der Fabel), und
wenn ihn (nach klassischem „soi-disant) die Trausier bejubelten, waren sie vom
Taumel benachbarter Athanasien angesteckt, im Fanatismus des Märtyrertums
(gleich den auf Seeligkeitsgenüsse erpichten Assassinen, und sonstigen Fanatici,
am gewählten Fanum).
Wie — infolge der, politisch-sozialer Exekutivgewalt aus der Machtsphäre
einer (durch interne Konföderation die Anerkennung ihrer Orthodoxie anstrebenden)
Hierarchie hinzutretenden, Verstärkung — die ethischen Lehrmaximen, gelangen die
Vorstellungen über die Totenwelt zur Verwebung mit den Kulthandlungen, und
indem sich so, zur Einfügung in den theologischen Ausbau eines kosmographischen
Systems, die Lokalisierungen der Abgeschiedenen verschiedentlich gestalten,
ändern auch die für ihre Sicherungen auferlegten (oder davon geheischten) Verpflich-
tungen, um nach ihren (unter religiösen Färbungen staatlich verallgemeinerten
Kult’s) angewiesenen Stellungsnahmen eine richtige Beurteilung für die Durchschau
jedes konkreten Sonderfalles anzunähern. Und so können fortab nur noch
scharf detaillierende Behandlungen (solch’ konkreter Sonderfälle) für den fer-
neren Fortbau der Forschung förderlich sein, seitdem im Rahmen eines, die
Generalisationen einbegrifflich begrenzenden, Umrisses die dafür gültigen Land-
marken zu provisorisch fixierter Feststellung gelangt sind.
Im dritten Teil (den „primitiven Formen der Rache“) wird (Abhdlg. 6)
die Blutrache in näheren Betracht gezogen, und erhält besonders ihre bedeutungs-
volle Übergangsphase in der Komposition (S. 406 u. flg.) eine umfassend scharf-
sinnige Behandlung, indem die verschiedenen Aspecte derselben nach einander
einer Durchsprechung unterworfen werden.
Indes gilt auch hier, dass, nachdem auf elementar vollzogener Fundamentierung
das Gerüst der allgemeinen Generalisationen ausreichend, wie sich empirisch
zu ergeben scheint [aus den, unter Ermangelung neuen Zutritts, stets erneuten,
(oder vermehrten) Bestätigungen], hergestellt worden ist, jetzt der eigentliche
Ausbau selber zu beginnen haben würde, an all’ den verschiedenen Kompar-
timenten des Gebäudes (ein jedes für sich), so dass es also fortab, in der Haupt-
150
Sache, nur auf monographische Detailbehandlungen ankommen kann, in jedes-
malig konkretem Sonderfall.
Denn indem auch die Blutrache — von ihren (durch Despotie der Mode) ana-
chronistisch fortgeschleppten Verknöcherungen (gleich denen der Gottesgerichte z.B.
im Zweikampf) bis zu einem, bei völliger Sinnlosigkeit (aus Abstreifung jeder
rationellen Sinnesdeutung, dieser zum Trotz) dem Zeitgeist widerspruchsvoll ins Ge-
sicht schlagenden, Ehrenpunkt — eng verknüpft liegt (sich unauflöslich hinein-
gezogen findet) in die ethnische Weltanschauung, welche das in den Focus
(quotiescumque) eingestellte Anschauungsbild (des Gesellschafts- oder Volkskreises)
beherrscht, so kann auch hier nur aus monographisch umschriebener Gesamt-
betrachtung (des einzelnen Sonderfalles) ein richtiger Abriss desselben entworfen
werden (ohne zerrhafte Verschiebung der Perspektiven, in ihrem gegenseitigen
Balancement mit einander).
Nicht nur werden an sich schon — wie auch sonst überall (weil, nachdem
einmal zugelassen, dann auch ihre Hegemonie behauptend) — die (theologisch)
religiösen Satzungen im Vordergrund stehen, sondern [bei einem, weil zunächst in
Familienbanden geschürzt, die sozialen Institutionen innerlichst ein- (und hinein-)
verknüpfenden Brauch] zugleich dasjenige noch, was aus (juristischen) Rechts-
gesetzen das politisch interne Leben beherrscht. In demjenigen Entwickelungs-
stadium, wo noch die Soldatenkaste (vollkräftiger Männer, aus dem Mittelpunkt
ihres Klub oder „central lodge“, im Dorflager) die Regierungsmandate durch He-
rolde ausschreien lässt, wird eine (durch das Trotzen auf körperliche Überlegenheit
begünstigte) Sitte mit ganz anderem (völlig verschiedenem) Lichte bescheinen (und
erleuchten oder erläutern), als bei Umsetzung des Stärkern-Rechts auf seine ideale
Scala, wo später (kirgische) „Weissbärte“ und (gräflich) Graue, der Weisen und
Greise, in einem (altersweisen) Senatus der Geronten oder Gnekbade (bei Kru) zu
Beratungen zusammentreten, und wohlweislich pflegen, was dem Gesamtganzen
(mit Abgleichung individuellen Parteihaders) bestens zu Gute kommen möchte. Und
dazu treten dann alle die aus privaten Wunschstellungen zünftiger Ständegliede-
rungen (in statutarisch aufgeöffneten Gilden der heimlich abgekarteten Orden) laut
werdenden Ansprüche aus vielfach beeinflussten Neigungen, von welchen u. A. die
auf Vermögensverhältnisse im Besitzstand, auf Heiraten, Rangstufen u. s. w. be-
züglichen dankenswerte Durchsprechung (in vorliegenden Werken) erhalten haben.
Dass die vormals besonders beliebten Rassencharaktere, die (unter provisorisch zu-
lässigen Zusammenfassungen) für Mitbetracht mitunter zur Empfehlung kommen
können (zu konzentrierterer Kürze der Ausdrucksweise), auf die „Einwirkungen
verschiedener Umstände und Umgebungen auf den einheitlichen Menschentypus“
zurückzuführen sind, ist (S. XXXIX) richtig erkannt (und bleibt so bezüglich
das Studium der landwirtschaftlichen Züchtungsversuche dem Ethnologen nahe-
gelegt).
Dass ausserdem das um Rache schreiende Blut alle diejenigen Beschuldi-
gungen hervorstösst, wie sie aus den vor heimtückischen Zaubereien bebenden
Schreckempfindungen eingegeben sind, bedarf, bei der Allgemeinheit dieser aus
151
dem Niveau des Wildzustandes durch die Unterschichtung der Civilisation fort-
erstreckten Symptome, kaum der Bemerkung (für den ethnologisch Orientierten).
Immerhin wird (wie bereits erwähnt) das Augenmerk weiterhin vornehmlich auf
[die jedesmaligen Sonderfälle (in ganzerWeite all zugehöriger Beziehungen) erschöpfend
behandelnde] Monographien zu richten sein, denn eigentlich Neues (wie sich aus
den Erfahrungen des letzten Decenniums soweit erweisen lässt) kommt nicht mehr
hinzu für die allgemeinen Gesichtspunkte, nachdem die Spannungsreihe der Elemente
niedergelegt ist, und wenn etwa die Chemie ein Elementchen mehr gelegentlich
hinzu entdeckt, fällt das stillschweigend doch in den Turnus hinein, ohne viel
zu alterieren, oder ohne doch (jedesmal sogleich) mit Gesamtrevolution ein System
zu bedrohen, das sich in Naturgesetzlichkeiten begründet findet (auf induktiv
vorsichtigem Wege bedächtiglich gesichert fundamentiert). Und so also hätte es
auch auf ethnologischer Forschungsbahn zu gelten, wenn in ihrer Methode an
die der übrigen Naturwissenschaften angeschlossen.
Als zeitgemässer — weil aus den Zeitbedingungen (im augenblicklichen Ent-
wicklungsstadium der Ethnologie) hervorgerufener — Versuch liesse sich in
solcher Hinsicht etwa Frazer’s „The Golden Bough“ anführen, in welchem Werk
um örtlich engste Lokalität die, durch klassische und germanistische Fachgelehr-
samkeit revidierten, Aussagen der Texte mit den folkloristischen Überlebsein
zusammengruppiert sind, und zwar auf dem Durchschnittsniveau des allgemein
durchgehend Menschlichen, über die Weite des Globus hin (wie durch die ethno-
logisch angehäuften Beweisstücke bezeugt). Manches könnte anders, oder in
Ergänzung gewünscht sein, aber immerhin ist hier eine brauchbare Schablone
geboten, nach welcher ungefähr für die nächste Zeit fortgearbeitet werden könnte,
um erspriessliche Weiterforschungen zu zeitigen am ethnischen Wissensbaum,
wenn der dasselbe pflegende Gärtner mit gleich günstigen Anlagen für das Ver-
ständnis der Zeit- und Volks- (oder Völker-) Stämme ausgestattet ist, wie der
oben genannte Autor, und der an ihn gerichtete Wunsch, um ferner littera-
rische Beschenkung, wird auch dem Verfasser des hier zur Anzeige vorliegenden
Buches ausgesprochen, um ihn für ständige Mitarbeit zu gewinnen (im Fortbau
der Ethnologie).
Das Gefühl bei der Etappenstation eines kritischen Entwicklungsknotens an-
gelangt zu sein, wo eine Schwenkung abzweigend sich vorandeutet, kommt
mehrfach bereits zum Eindruck, obwohl in unerlaubter Fassung des Ausdrucks,
wenn man meint, dass genug gesammelt sei, und dass es jetzt frisch fröhlich wieder
ans Erklären gehen könne (im behaglichen Studierstübchen des Ofenhockers).
Zu sammeln, in Nachlesen massenhafter Fülle (um Magazine zu füllen, so-
weit man Kaum dafür hat), ist noch genug und übergenug — (und unverzüglichst
rasch hätte dies zu geschehen, ehe durch die eingesäeten Zerstörungskeime die
Originalitäten vernichtet sind) — auf unsrer weiten Erde, (deren psycho-ethno-
logische Durchwanderung kaum wenige Jahrzehnte erst datiert); der Mitarbeiter
bedarf es noch genug: derer, die frisch und fröhlich schaffen in Hitze und in
Kälte, im Feld und im Wald, um aufzustöbern und einzuheimsen, was dort
noch versteckt liegt (für bereichernde Ausstattung der Museen).
152
Und was die Erklärungen betrifft, so werden wir geratener thun, bei der
bisher wohlerprobten Methode zu verbleiben, nämlich (bei sparsamst reduzierter
Zutbat der aus arm-menschlichem „Hirnbrei“ zusammengekleisterten Spinngewebe)
lieber diejenigen Klärungen zu erwarten, die aus Lehrungen der Allmutter Natur
selber sich proklamieren, im kristallinischen Anspringen der Gedankenreihen,
wenn die wahlverwandtschaftlichen Affiinitäten sich zusammengefunden in vor-
schöpferisch gährender Mutterlauge (aus Vermutungen und vorandeutlichen Er-
ahnungsgefühlen, hier und da).
Ein mikroskopisch verschärfter Einblick der Botanik hat in den (experi-
mentell empirisch) als Zellen definirbaren Elementaranlagen den Ausgang von
Wachstumsvorgängen erkannt, die unter den Bedingnissen äusserer (oder inner-
licher) Ursächlichkeiten zur Überschau der aktuell hervorgetretenen Variationen
entfaltet stehen, und indem sich aus den Einzelnheiten der Gestaltungsprozesse
kausale Wechselwirkungen nach weisen lassen, werden dadurch, mit Aufklärungen
über den ursprünglichen Verlauf, Winke zugleich geliefert betreffs nutzdien-
lichsten Eingreifens, soweit derartige Forschungsweise genugsam bereits sich
fortgeschritten erweist (um kontrollierende Proben zu bestehen).
Dementsprechend ähnlicherweis liegen, von elementaren Anfängen ab, psy-
chische Wachstumsprozesse ausgebreitet, in den aus ethnischer Überschau des
Globus entgegentretenden Anschauungsbildern der Völkergedanken, in der Fülle
ihrer Variationen1), und nach den dafür gültigen Differenzierungen mess- und
wägbar (unter den, im logischen Rechnen, vorgeschriebenen Gesetzlichkeiten).
Die allgemein durchgehenden Prinzipien haben sich tbatsächlich festgelegt (be-
grifflich greifbar), aber die objektiv registrierende Kenntnisnahme der aktualisierten
(oder realisierten) Resultate hat in ihren Ansammlungen fortzugehen, soweit
Stoff dafür geboten ist (um unter Mehrung der Vergleichungspunkte die, nach
komparativer Methode ausführbaren, Operationen der Induktion zu erleichtern),
obwohl freilich nur durch minutiös genauest zerlegenden Niederblick in das
Detail (begrenzlich umschriebener Sonderfälle), diejenigen (erklärenden) Klärungen
*) „Bei noch sehr unvollständig gesammeltem Material stehen wir noch vor der
Aufgabe, die der Naturwissenschaft im vorigen Jahrhundert oblag, der Aufgabe der
Klassifizierung, und der rationellen und vollständigen Sammlung der zu jeder Abtei-
lung gehörigen Erscheinungsformen, sodann die Verknüpfung derselben mit anderen
Typen zu generellen Klassen“ (s. Mannhardt), in der „mit der Volksüborlieferung arbei-
tenden Mythologie“ (1877). Hier, im Anschluss an (germanistisch) wohlbegründete
Fachwissenschaft hätte, im Verfolg des Geschichtsverlaufs, auch die Chronologie ihre
Berücksichtigung zu finden, und die Erschöpfung eines umschriebenen Areals ist ein-
geleitet durch Versendung der Fragebogen über „Ackergebräuche“, aus deren Ergeb-
nissen bereits monographische Abhandlungen ermöglicht wurden (über den „Roggen-
wolf“, die Korndämone etc.). Was hier jedoch nun in Weite dialektisch leichtester
Schwankungen der Volkskunde sich zur Überschau bietet, muss für dauernde Ver-
wertung später zum (konzentrierten) Extrakt kondensiert werden, während, was auf
sporadisch weitester Zerstreuung in den ethnischen Elementargedankcn (der Völker-
kunde) soweit zusammengebracht ist, vorläufig einzeln getrennte Vollziffcrn repräsen-
tiert (die künftighin dann ebenfalls genauerer Detaillierung mögen zugänglich ge-
macht werden).
153
hervorgelockt werden können, welche das im Dunkel der Finalfragen verhüllte Ge-
heimnis des Werdens (im Daseienden) einstens aufzuklären versprechen, wenn
das, die Wundergärten des als Kosmos geschmückten Alls durchwandernde,
Denken (durch einen naturwissenschaftlich gesichei'ten Leitungsfaden gegen Irre-
gehen geschützt) auf des eigenen Daseinsquelle Wurzeln gelangen sollte (im
Innerlichen seiner Selbst).
Um den in Australien unter der Form des Borboby (s. Lumholtz) auf-
tretenden Zweikampf (zur Schlichtung von Stammesstreitigkeiten) zu erklären,
bemerkt der Verfasser (Bd. II, S. 17): „Nur die psychologischen Gründe der
Erscheinungen angeben, ist bloss die halbe Erklärung der Aufgabe, erst die
Aufdeckung der sozialen Bedingungen dieser Motive, die erhaltene Einsicht also,
dass nur in dem bestimmten Entwicklungsstadium, in der bestimmten weiteren
sozialen Umgebung die Erscheinung sich vorthun könnte, erst diese Aufdeckung
bildet die vollständige Lösung der gestellten Aufgabe“, (mit der Gegenprobe,
als „Probierstein“).
In Formulierung solchähnlicher Prinzipien sind der Forschung die Richtungs-
weisen angezeigt, um aus den allgemeinen gleichartig durchgehenden Grund- (oder
Vor-) Anlagen, auf die jedesmalig spezifischen Besonderheiten der verwirklichten
Ausgestaltungen zu kommen, wenn sie, auf ethno-psychischen Unterschichtungen
elementarer Keimungen sprossend, in den Differenzierungen der Völkergedanken
entfaltet stehen, aus den Bedürfnissen der in der Sphärenweite zugehörig historisch-
geographischer Provinz waltenden Agentien hervortretend (unter den Realisationen
derselben). Was von dem Verfasser in Erklärungen zugefügt wird, beschränkt
sich in bedachtsamer Masseinhaltung auf Ansätze zu (experimentellen) Erprobungs-
versuchen, die (bei ihren Stützen auf Vorlagen thatsächlicher Materialansammlungen)
schon deshalb zulässig sind, weil, jederzeit einer Nachprüfung zugänglich ver-
bleibend, sie Gelegenheit zu weiterem Meinungsaustausch gewähren, um unter
Vergleichung der verschiedenen Ansichtsäusserungen, aus gegenseitigen Rektifi-
kationen, das gemeinsam Zutreffende zu gewinnen. Wie alle Rechnungen müssen
die logischen (des Denkens), wenn richtig gehandhabt, richtig auch stimmen,
um das Fazit zu ziehen, das als richtiges zu gelten hätte.
Eingehende Studien sind der „Strafe“ gewidmet, und wird dabei die Not-
wendigkeit betont, „tiefere psychologisch eingehendere Erforschungen des Seelen-
lebens wilder Völker“ anzustellen (S. 173). „Leider sind diese Untersuchungen
nur noch so kurze Zeit möglich und wird bald die Gelegenheit dazu unwieder-
bringlich vorbei sein“ („und dennoch wird an die psychologische Durchforschung
dieser Völker durch hierzu ausgebildete und beanlagte Forscher nie gedacht ).
Das sind jene Worte, die nie genugsam wiederholt werden können, weil
vollste Beherzigung verdienend und erheischend. Und wenn neuerdings ver-
einzelte Ausnahmsfalle bewiesen haben, mit welch’ kostbaren Schätzen aus der
Umschränkung eines methodisch durchforschten Gebiets die Ethnologie (auch jetzt,
in elfter Stunde, noch) beschenkt werden konnte, bedrückt um so schwerer der
Kummer um das Viele, was wir vor unsern Augen haben zu Grunde gehen
sehen müssen, weil die Mittel rechtzeitiger Rettung fehlten.
154
Gleichgültig noch blickt jetzt man hin auf solche Verluste, die, wenn ihrer
ganzen Schwere nach in künftigen Tagen realisiert, den Vorwurf zurückfallen
lassen werden auf diejenigen, die dabei standen, ohne Hand anzulegen, obwohl
bescheidenste Mittel schon genügt haben würden, das Unheil abzuwenden.
Das diese einem Jeden aufliegende Pflicht, hier nochmals zu besonderer
Aussprache kam, wird um so dankenswert lieber Anerkennung finden, weil diese
ausserdem noch gebührt für die der ethnischen Litteratur gewährte Bereiche-
rung mit einem Werk, das die unter übersichtliche Gruppierungen verteilten Aus-
sagen vorliegender (und aus der Zerstreuung zusammengebrachter) Materialansamm-
lungen in verständige Dui'chsprechungen nimmt, soweit sich dieselben auf einem,
dem Fusse gesichert unterbreiteten, Boden zu bewegen vermögen. Wenn derselbe
unsicher zu werden beginnt, ist (ehe die Strasse sich fortbauen lässt) ein Hin-
überschreiten zu vermeiden, um die auf induktiver Forschungsbahn gültigen
Vorschriften einzuhalten für gedeihliche Förderung der Studien (auf gegenwär-
tigem Status-quo derselben). Indem deutlicher erkennbar die Scheidungsstriche
markiert stehen, werden dadurch die Verteilungen auf denjenigen Arealen um-
schrieben sein, welche sich zunächst für monographischen Ausbau zu empfehlen
haben, unter minutiöser Detaillierung, bis auf letzte Erschöpfung aller ursäch-
lich mitsprechenden Bedingungen, für die daraus hervorgeHetenen Folgewirkungen
(soweit sich mit dem verfügbaren Material in den innerlichen Kern bereits hinein-
dringen lässt). A. B.
Das Bulletin de la Société Royale de Géographie d’Anvers bringt
T. XX (als Fortsetzung aus T. XIX) eine ebenso weitangelegte, wie eingehend
erschöpfende Arbeit (Essai de l’histoire de l’école cartographique anverroise au
XV. siècle, par M. le lieutenant - général Wauvermans, président de la Soc.),
welche auch für die Geschichte der Kolonien volle Beachtung verdient (um sie
aus ihren Anfängen zu verstehen). A. B.
Ausnehmend wertvolle Bereicherungen für die ethnologische Litteratur ver-
spricht das seit 1892 erscheinende „Journal of the Polynesian Society“
(Wellington, N. Z.), das bis zum Junyheft 1893 soweit vorliegt und wenn auf
laufendes Datum, ergänzt, Gelegenheit bieten wird, darauf zurückzukommen (im
nächsten Hefte). In No. 4 (Vol. II) findet sich (von Percy Smith übersetzt)
ko the hoenga mai o te Arawa, raua ko Tainui i Hawaiki, in Bezug auf die
in erster Abhandlung dieses Heftes zur Anzeige gebrachte Tafel (I). A. B.
Nachfolgend aufgeführte Sammlungen, die bei Verhandlungen darüber, für vorläufige
Aufbewahrung im hiesigen Museum verblieben sind, stehen dort zur Besichtigung für
etwaigen Ankauf.
Die Korrespondenz kann direkt mit den Eigentümern geführt werden (unter der
angegebenen Adresse), oder sofern eine Vermittelung erwünscht erscheint, wird dieselbe
von der diesseitigen Verwaltung gerne gewährt werden (auf Anfragen, die von anderen
Museen zugehen sollten).
1. Eine wertvolle Sammlung peruanischer Altertümer: Gegen 140 Thongefässe, viele
mit schöner Bemalung, eine Anzahl Kupfer- und Holzgegenstände, Mumienmasken aus
Kupfer, silberne Schalen, kleinere Gebrauchsgegenstände und Gewebereste, fast alles in
Chimbote von Herrn J. M. Boliver persönlich gesammelt. Durch Vermittelung des National-
museums in Caracas angekauft und gegenwärtig im Besitz des Herrn C. Plock (Berlin,
Unter den Linden 35). Auf Wunsch kann Spezifizierung zur Verfügung gestellt werden.
2. Eine japanische Sammlung, im Ganzen gegen 3000 Stücke; darunter 200-300
Kozuka’s,, ca. 780 Kodzuka-Griffe, ca. 1300 Menuki’s, ca. 200 Schwertgriffbeschläge,
20 Kogai’s sowie eine grössere Anzahl Lanzen, Schwerter, Bogen, Pfeile, 3 Rüstungen,
einige Netsuke s, 158 Bücher sowie ein Dutzend Bildrollen; zusammengestellt bei längerem
Aufenthalt in Kobe, gegenwärtig im Besitze des Herrn Rudert in Berlin S., Kottbuser-
damm 36.
3. Gegenstände gesammelt von Herrn Lieutenant Meyer
afrika (im Aufträge der A. S. C.).
1. Köcher mit Pfeilen. Ussukuma.
2. Bogen. Ussukuma.
3. Stab. Uganda.
4. /5. Zwei Elephanten-Speere. Ugogo.
6. Schnur mit Scheiben von Straussen-
Eiern. Ugogo.
7. Körbchen. Wahuma.
8. Spiralarmband. Ugogo.
Eigentümer: Lieutenant Meyer,
Priegnitz.
auf Expeditionen in Ost-
9. Kopfschmuck mit Messingzungen.
10. Dolchmesser. Ussiba.
11. /12. Zwei Speere. Wataturu.
13. Speer. Ussukuma.
14. Speer. Wahuma.
15. Schild. Ukerewe.
16. Schild. Uganda.
17. Schild. Kawirondo.
Frau Rektor Meyer, Wittstock, Ost-
per Adr.
übersandt durch dort Ansässige an Herrn Oe 1er
Sammlung von den Mpongwe,
(Bayreutherstr. 17 a, Berlin).
1. Streitaxt (mit Ringen).
2. Desgl. (ohne Ringe).
3. Desgl.
4. Schwert mit breiter Holzscheide.
5. Schwert mit spitzer Holzscheide.
6. Breites Schwert ohne Scheide.
7. Schwert mit spitzer Scheide.
8. Schwert mit breiter Holzscheide.
9. Desgl.
10. Schwert mit Scheide (mit Eidechsen-
haut überzogen).
11. Schwert mit Scheide (desgl.).
12. Desgl.
13. Desgl. (mit Schlangenhaut überzogen.)
14. De'sgl. mit 10 Amuletten am Gurt.
15. Schwert mit breiter Holzscheide.
16. Schwert ohne Schneide.
17. Schwert mit spitzer Holzscheide.
156
18. Dolch mit Holzscheide.
19. Dolch mit Scheide (Eidechsenhaut).
20. Häuptlingshelm, mit Knöpfen und
Schnüren besetzt.
21. Kopfbedeckung aus Affenfell.
22. Korbgefiecht.
23. Werkzeug aus der Säge des Sägefisches
24. Hut vom Rau-Neger.
25 a—e. Geld (stärkere Bündel).
26 a—b. Desgl. (schwache Bündel).
27. Lanze, Stiel defekt,
28. Desgl.
29. Armbrust ohne Sehne.
30. vacat.
31. Kleine Fackel.
32. Armbrust mit Sehne.
33. Gummitragnetz.
34. Blasebalg.
35. Harfe.
36. Holzglocke.
37. Glocke von Eisen.
38. Desgl.
39. Holzfaserstoff.
40. Harfe (defekt).
41 1
—- > Löffel und Kellen aus Kürbis.
53. J
Ür—^ | Pfeifen (Thon) z. T. defekt.
Ein Satz Körbe.
73. Hoher Korb.
74. Desgl.
75. Köcher.
76. Fischreuse.
77. Tornister.
— } Tragbänder,
80. Flaschenkürbis.
81. Fliegenwedel.
82. Harfe (defekt).
Geschnitzte Holzlöffel.
} Lanzenspitzen.
89. Elephanten-Backzahn.
Gegenstände gesammelt durch Herrn von Bülow (auf Expeditionen in Ostafrika) im
Kolonialdienst. Gegenwärtiges Eigentum des Fräulein von Bülow, Berlin-Lichterfelde.
1. Speer der Wagogo. 28. Speer der Wahumba.
2. „ 5? 33 29. 33 33 33
3./4. 2 Ledermäntel der Wagogo. 30. 33 33 33
5./6. 2 Lederschurze „ 33 31 Keule der Massai.
7. Schild 33 33 32. Bauchring aus Messing mit Spiralen.
8. Schnupftabaksdose „ 33 (Massai.)
9. Speer der Wassukuma. 33. 33 33 33 33 33 33
10. „ 33 33 34. 33 33 33 33 3? >3
11. „ >3 33 35. 33 3» 33 33 33 33
12. „ 33 33 36. 33 33 33 33 33 33
13. „ 33 33 37. 33 33 33 3 3 33 3’
14. „ 33 33 38. »3 3? 33 33 33 33
15. „ 33 33 39. Bauchring aus Kupfer. Massai.
16. „ 3’ 33 40. Ilalsring der Massai.
17. „ 3) 33 41. 33 33 33
18. Speer der Wahumba. 42. Gesichtsrahmen mit Federn. Massai.
19. „ 33 33 43. >3 33 33 33
20. „ 33 33 44. 33 33 33 33
21. „ 33 33 45. „ ohne „ „
22. „ 33 33 46. Fellmütze der Massai.
23. „ 33 33 47. Bambusbüchse „ „
33 33 33 * 48. Speer, Zuluform. Wahehe (?).
25. „ 33 33 49. „ der Warundi.
26. „ 33 33 50. „ „ Manyema.
27. „ 33 33 51. >3 33 33
157
52. Speer der Manyema. 67. Schwert-Messer der N. 0. Bantu.
53. Axt, ciseliert und mit Kupfer eingelegt. 68. Messer, Klinge europäisch, Scheide
Manyema. geschnitzt. Wayao.
54. Desgl. „ 69. Trichterförmiger Gegen- 1 Ohne
55. Schild aus Uganda. stand aus Weissblech. > nähere
56. Köcher mit Pfeilen der Wanyamwesi. 70. Wedel aus Giraffenschwanz. J Angaben.
57 ' 59 99 99 99 9» 71. Speer der Wagogo.
58. ,, „ ,, ,, ,, 72. 99 99 9»
59 •JU. „ ,, ,, „ ,, 73. ?9 9? ’’
60. ,, ,, ,, ,, ,, 74. 99 ?? 99
61. 4 einzelne Pfeile „ „ 75. 99 99 99
62. Bogen ohne Sehne „ „ 76. 99 99 99
u“. ?? »j » >’ ” 77. 99 99 99
64. 1 grosse Pincette „ „ 78. 99 99 99
65. Schwert-Messer der N. 0. Bantu. 79. 99 99 99
66. ,, ,, ,, >>
Südsee.
Sammlung des Naturalienhändlers Herrn Ribbe
(übersandt durch seinen in Melanesien reisenden Sohn Herrn Ribbe).
No. Gegenstand. Inländ. Name. Ursprungsland.
1—19 19 Stirnschinucke aus Perlmutter für
Männer Galangan Herzog York-Insel.
24—28 5 Halsschmucke für Männer Kap-Kap Neu Irland, Nusa.
29-31 3 desgl. desgl. Feie Neu Irland, Kores.
32 1 Stirnschmuck aus Muschel und Perl-
mutter Galangan Herzog York-Insel.
33/34 2 Stirnschmucke aus Muschel und Perl-
mutter Kalaki Neu Irland.
35—47 13 Armbänder aus Fasern für Männer . Tambara Herzog York-Insel.
? ( Herzog York-Insel,
48/49 2 Armbänder aus Muschelgeld .... \ Mioko.
50 1 Kopfschmuck aus Schweinsborsten für do.
Männer Caput
51-86 36 Armringe aus Perlmutter Leie Herzog York-Insel.
87—90 4 Armringe, werden dicht am Handgelenk Neu Irland.
getragen Nisena Bore
93 1 Leibgurt aus Muschelgeld für Frauen . Sukukus Neu Irland, Laura. f Herzog York-Insel,
94 1 Halsschmuck für Männer Tongongos \ Mioko.
95/96 2 Nasenschmucke für Männer .... Bijumbanga do.
97 1 Halsschmuck für Männer Gunumby do.
99/100 2 Armringe ? Admiralitäts-Inseln.
101 1 Leibgurt für Männer oder Frauen . . Agong Neu Irland.
103, 104,i 106, 107,1 5 Holzkeulen zum Kampf Palaran do.
109 J do.
110 1 Fischlanze • • Kusur
158
No. Gegenstand. Inland. Name. Ursprungsland.
111-113 3 Wurflanzen Sinrikur Neu Irland.
114—123 10 „ Balo do.
124 1 „ Balalette do.
125 1 „ Lamas do.
126/127 2 „ Aponok Neu Britannien.
128/129 2 „ . Marita do.
130 1 ? Samoa.
131 1 Stechlanze ? Neu Britannien.
132/133 2 „ ? Neu Irland.
134 1 „ Sua Buka.
136 1 grosses Holzbeil zum Tanz .... Inlila Neu Irland.
138 1 ): 5? >> .... Kom do.
139/140 2 „ ,, » .... Man den Mioko.
141 1 » 1) ?) y> .... Kok Kombian.
148, 149,|
152, 153, 7 Geräte beim Tanz, von dem Mann in
157, 158, . der Hand getragen Pampan Mioko.
161
165,
168-170, 5 desgl. Keau do.
172
177 1 Tanzmaske zum Tanz „Tanna“ . . . Bunum Nusa.
184 1 „ „ „ „Kulapteine“ Kulapteine Lamut mut.
186 1 Tanzgerät, wird in der Hand getragen Sokombre Nusa.
187-192,' 194-196 10 Tanzgeräte, werden im Munde ge-
198 tragen Lam do.
203 2 Stücke Rotang, beim Tanz um den
Leib getragen Naparik Utuan.
205/206 2 Götzen (Mann und Frau) aus Kreide . Marokana Neu Irland.
211 1 Götze aus Holz geschnitzt Rulei Gadui.
214/215 2 Steinbeile Giam Rimbo.
216 1 Steinbeil zum Canoebauen Giam do.
217-220 4 Steinbeile zum Canoebauen .... Mass do. •
221-223 3 Ruder Osso do.
225/226 2 Canoemodelle Wal do.
227/228 2 Behälter für Betelnuss Lokopid Mioko.
229/230 2 Steinschleudern Alu do.
232 1 Bambusstock zum Aufbrechen der
Kokosnüsse für Männer Au do.
234-236 3 Flöten aus Bambus Juko do.
237 1 Kalkdose Kambak do.
238-240 3 Lendenschurze für Frauen Kilaun do.
246 1 Trinkgefäss für Kawa Ipu Samoa.
248 1 Korb Ato do.
249 1 Kalkgefäss mit Brandmalerei .... ? Malagita.
250 1 geflochtenes Beutelchen ? Neu Guinea.
252 1 Halsschmuck für Frauen ? Wallis-Inseln.
253/254 2 Lendenschurze für Frauen, werden über
den grösseren getragen ? do.
159
No. Gegenstand. lnländ. Name. Ursprungsland.
255 1 Lendenschurz ? Wallis-Tnseln.
261 4 Lendenschurze aus Baumbast. . . . Siapo Samoa.
262 1 Kinderschlafmatte ? Ellicegruppe.
263 1 Lendentuch ? Neue Hebriden.
264 1 Holzgerät ? Herzog York-Insel.
265 1 Steinschleuder Alu do.
267 1 Kopfschmuck Caput do.
268 1 Stirnschmuck do. do.
269 1 Gefäss zum Auf bewahren loser Diwara ? do.
270 1 Halsschmuck für Frauen ? Schouten-Inseln.
271-273 3 Kopfschmucke Caput Herzog York-Insel.
274 1 Stirnschmuck ? Neu Britannien.
276-287 12 Katzenaugen ? Herzog York-Insel.
288 Diverse Steine für einen Bohrer . . . ? do.
289 Falsche Diwara, werden zum Aus- schmücken der Waffen benutzt . . Menlik do.
290 Geld, */4 m = 2 M. Wert Tecogut Neu Irland.
291 Geld = l/i—*/3 m = 10 Faden Diwara, wofür man eine Frau oder zwei Schweine kauft Arangit do.
292 Opossum-Zähne, 100 — 1 Faden Diwara ? do.
293 Wert eines Stückes = 50 Pfennige . . Pele do.
294-299 2 weisse j Wert eines Stückes = 50 Pf. 4 schwarze J Gangara do.
300 Wert eines Fadens = 2 M Diwara Neu Britannien.
301 Muscheln, woraus Pele und Gaugara be- reitet wird ? Herzog York-Insel.
302 Dieselben fertig zum Durchbohren . . ? ?
303 Dieselben durchbohrt ? ?
A. 1/2 Anhang. 2 Steinbeile ? Bougainville,
A. 3 1 Schamschurz für Frauen ? do.
A. 4-10 7 buntgeflochtene Armringe ? Alu.
A. 11 1 Thonpfeife ? Buka.
A. 12-14 3 verzierte Kämme ? Alu.
A. 15 1 grosse Holzspirale, als Armschutz für einen Bogenschützen ‘ ? Alu.
Ethnologisches Notizblatt. II.
TAFEL I.
Y i
N
Ethnologisches Notizblatt.
Herausgegeben
von der
in Berlin.
Heft 3.
(Jahrg, I.)
Mit 43 in den Text gedruckten Abbildungen und drei Tafeln.
1896.
Druck und Verlag von A. Haack.
Berlin.
Ethnologisches Notizblatt.
ITerausgegeben
von der
Direktion des Königlichen Museums für Völkerkunde
in Berlin.
Heft 3.
(Jahrg. I.)
Mit 43 in den Text gedruckten Abbildungen und drei Tafeln.
Druck und Verlag von A. Haack.
Berlin.
Königliches Museum für Völkerkunde.
Ethnologische Abteilung.
Direktor: A. Bastian.
Prof. Dr. A. Grünwedel
Prof. Dr. W. Grube
Dr. F. von Luschan
Dr. W. Seler p. t. com-
missari sch vertreten durch
Prof.Dr. von den Steinen
Direktorial-Assistenten.
Dr. F. W. K. Müller
Dr. Weule
)
Hilfsarbeiter.
Dr. Pr en ss, Volontär.
Dr. Jannssen, Volontär.
Für die Bibliothek: Herr Sinogowitz.
Für Mitteilungen der Prähistorischen Abteilung dienen die »Nach-
richten über deutsche Altertumskunde« (als Beilage zur »Zeitschrift für
Ethnologie« ausgegeben).
Dr. Voss, Direktor.
Dr. Götze, Direktorial-Assistent.
Kandidat Brunner, Hilfsarbeiter.
Dr. Poppelreuter (für die Schliemaun-Sammluug).
Konservator: Herr Krause.
Die Veröffentlichungen uns dem M. f. V. erscheinen band weis
(ä 4 Hefte), seit 1889 (Band IV im Druck), als Fortsetzung der »Original.
Mittheilungen« (1885 u. f.). _____
Der Führer (1895) steht den Besuchern käuflich zur Verfügung (am
Eingang des Museums). _____
Desideratenlisten werden auf Nachfrage gratis verteilt (
schungsreisende).
Inhalt.
Notizen aus den Reisen des Hrolf Yaughan Stevens in Maläka.......................1
Notizen über eine Terracotta aus Magdischu.......................................12
Bericht über den Besuch des Königlichen Schlosses zu Schwedt zur Besichtigung
alter Gemälde mit ethnographischen Darstellungen..................... 15
Über den Ausdruck Kalasütra......................................................23
Die drei Welten nach einem humoristischen Bilde von Utagawa Sadashige (Taf. I) 26
Zum Fetischwesen der Ewe (Taf. II und III)..................... i ... 29
Indianische Kartenzeichnungen und Kerbstöcke.....................................38
Zur Ornamentik der Maori...........................................................40
Abbildung grösserer Holz-Idole.................................................... 41
Ostafrikanische Erwerbungen im Jahre 1895 (von den Beamten der Abteilung zu-
sammengestellt) ................................................................42
Bücherschau........................................................................49
Kubary (Ethnographische Beiträge zur Kenntnis des Karolinen-Archipels).
Zintgraff (Nord-Kamerun). Haddon (The Decorative Art of British New-
Guinea). Les Mémoires historiques de Se-ma Ts’ien (Édouard Chavannes).
Gomperz (Griechisches Denken). Chaignet (Histoire de Ja Psychologie des
Grecs). Müller (Theosophy or psychological Religion). Müller (Anthropo-
logische Religion). American Anthropologist (VIII, No. 4). Brinton (The
Aims of Anthropology). Proceedings of the American Philosophical So-
ciety (XXXIV, 147). Psychological Review (I, 4). Boas (Fifth Report on
the Indians of British Columbia). Giddings (The Theory of Sociology).
American Journal of Psychologie (Tilcherer). International Journal of Ethics
(White). Hodge (The first discovered City of Cibola). Dali (Alaska as
it was and is). Fullerton (The psychological standpoint). American Folk-
lore (VIII, 29). Seebohm (The tribal system in Wales). Archaeological and
Ethnological Papers of the Peabady Museum (Putnam). I olk-lore (A I, 3).
Wake (Memoirs of the International Congress of Anthropology). Spencer
(The inadequacy of natural selection). Spencer (Weissmann Once More). Ro-
manes (Kritische Darstell, d. Weismann’schen Theorie). Mind, N. S. VII, 1894.
Annals of the American Academy (IV, 4). Journal of the Anthropol. Society
(III, 6). Monist (VI). Internationales Archiv für Ethnologie (Schmeltz).
Dorsey (The Study of Anthropology in American Colleges). Krause (Ab-
riss und Geschichte der Griechischen Philosophie). Krause (Zur Religions-
philosophie und Spekulativen Theologie). Hermes, Bd. 30. Rheinisches
Museum für Philologie (Jahrgang 1895). Tarde (Les Lois de limitation).
Haacke (Die Schöpfung des Menschen und seine Ideale). Golther (Hand-
buch der Germanischen Mythologie). Puini (Idee cosmologiche della Cma
antica). Fournereau (Le Siam ancien). Fischer (Die Hunnen im schwei-
zerischen Eifichthal). Abrégé du Bulletin de la Société Hongroise de Géo-
graphie. Ploss-Bartels (Das Weib). Beneke (Fragebogen über d. rechtlichen
IV
Seite
und wirtschaftlichen Verhältnisse der Natur- und Halbkulturvölker). Biolo-
gisches Centralblatt (XV, 8). Zeitschrift für Kirchengeschichte (XV, 2).
Jacobsen (Reise in die Inselwelt der Banda-Molukken). Gribble (History of
the Deccan). Ratzel (Völkerkunde). Windisch (Mara u. Buddha). Aymo-
nier (Voyage dans le Laos). Revue de l’Eistoire des Religions (Reville).
Bijdragen tot de Taal-Lands en Volkenkunde van N. J. Peters (Das Deutsch-
Ostafrikanische Schutzgebiet). Neumann (Die Reden Gotumo-Buddhas).
Clerq de (Bijdrage tot de Geschiedenis van het Eiland Banka). Philoso-
phische Studien (XI). Ferri (Sozialismus u. Moderne Wissenschaft). Meyer, H.
(Die Insel Tenerife). Centralblatt für Anthropologie, Ethnologie und Urge-
schichte (Buschan). Mitteilungen der deutschen Gesellschaft für Natur- u.
Völkerkunde Ostasiens (Dr. Florenz). Comptes Rendus des Séances de la
Société de Géographie (Cordier). Preussische Jahrbücher (Novbr. 1895).
.Hontheim (Der logische Algorithmus). Mitteilungen d. Geograph. Gesellsch.
(für Thüringen) in Jena (Kurze u. Regel). Schmidt, E. (Reise nach Südindien).
Frankfurter (Ein Siamesischer Eulenspiegel). Ostwald (Überwindung des
wissenschaftlichen Organismus). Ambrosetti (Los Indios Caingua del Alto
Parana). Diestel (Buddhismus und Christentum). Lipsius (Lehrbuch der
evangelisch-protestantischen Dogmatik) Timehri (Juni 1895). Deutsche
Morgenländische Gesellschaft (1845—1895). Grierson (On the phonology of
the Modern Indo-aryan Vernaculars). Schröder (Vorlesungen über die Al-
gebra der Logik). Faye (Sur l’origine du Monde). L’Anthropologie VI, 6
(Tautain). Boggiani (Vocabulario dell’ Idioma Guana). Zeitschrift f. afri-
kanische und ozeanische Sprachen II, 1 (Chatelain). Ethnologische Mittei-
lungen aus Ungarn (Herrmann). Brandstetter (Malayo-polynesische Forschun-
gen). Müller, M. (Chips of a German workshop). Higginson (Die Frauen-
frage). Thomson (The Kalou-Vu). Post f.
Webevorrichtungen (cf. Globus)
128
Die in diesem Hefte nicht gezeichneten Artikel vertritt der Herausgeber,
als Verfasser (A. Bastian).
Notizen aus den Reisen des Hrolf Vaughan Stevens
in Maläka1).
Von dem unermüdlichen Erforscher der »Wilden Stämme« der Halb-
insel Maläka sind innerhalb der letzten Monate umfangreiche Sammlungen
aus dem Gebiete der Orang Djäkun eiugegangen, als Beschreibung dazu
liegt so massenhaftes Material an Manuskripten vor, dass die Sichtung
und Bearbeitung derselben noch geraume Zeit wird in Anspruch nehmen.
Um die Bedeutung dieser Beobachtungen zu zeigen, mögen im folgenden
einige Proben gegeben werden.
I. Der Tigerzauber der Belendas.
Zur Banuung des Tigers dient ein von den Zauberern hergestelltes
Gebilde aus Blättern etc., welches sich aus folgenden Teilen zusammen-
setzt (vgl. die Abbildung unter Fig. 1 und 2):
*) Vgl. Veröffentl. II 3/4; III, 3/4; Zeitschrift f. Ethnologie 25, 1893; 71-100
26, 1894; 141-188. De indische Gids, November 1894.
M. f V.
1
2
A. dem Körper des Tigers. Er wird dargestellt durch einen Büschel
zusammengerollter Blätter der »S'lowk« *)-Pflanze, welche unten in Form
von Fransen in Streifen geschnitten sind, welche Fransen so lange die
Blätter frisch sind, gerade herabhängen. Dieser sogenannte Tiger wird
nun, um die Kraft des Tieres symbolisch niederzuhalten, durch eine An-
zahl von Blasrohrpfeilen durchstochen. Obwohl nun Blasrohrpfeile dar-
gestellt werden sollen, werden doch nie die fertigen wirklichen Pfeile
benutzt, sondern die zu Pfeilen zugeschnittenen dünnen Streifen von
Bertam-Palmrinde. Die Zahl dieser Pfeile ist nicht fest vorgeschrieben,
es kann eine beliebige Anzahl gebraucht werden, soviel die Grösse des
Quastens, der den Tiger darstellt, zulässt, doch sind sie immer in zwei
Reihen eingesteckt.
B. Wenn diese Pfeile durchgeschoben sind, werden sie au beiden
Enden mit einem darangesteckten Quastenbüschel von »S'lowk«-Blättern C
behängt, welcher wie eine verkleinerte Wiederholung der Mittelfigur A
aussieht.
Der »Tiger« A wird an eine lange Rötauschleife befestigt, damit das
Ganze aufgehängt werden kann. An diesen Rotan wird nun bei D auf
die rechte Seite das »S'laak«* 2) angehängt. »S'laak« ist ein doppeltes Blatt
mit Mustern bemalt, welches wie ein Plakat an dem ganzen Gehänge aus-
sieht, 20 cm hoch, 71/2 cm breit. Diese Muster sind unter D abgebildet. Sie
bestehen aus einer Anzahl schematischen Figuren, welche mit Drachenblut
aufgemalt sind; am Rande der breiten (auf der Zeichnung durch Schraffie-
rung angedeuteten) roten Striche laufen abwechselnd schwarze und weisse
0 Nach freundlicher Mitteilung des H. Hennings eine Musacee (Heliconia), wahr-
scheinlich der Typus einer neuen Gattung, die mit Lowia verwandt ist.
2) bedeutet offenbar blos „Blatt“; vgl. Veröffentl. III. 3/4 S. 172.
Fig. 5.
Punkte hin. Über das ganze Verfahren vergleiche man Zeitschrift für
Ethnologie 1894 S. 152. Auf der anderen Seite des Rötans hängt dabei
das »Kahal« Ei. Seitenansicht, E 2. Ansicht von
unten; 15 cm lang, 7 cm hoch. Es ist ein aus Blät-
tern zusammengestecktes Gefäss (Fig. 5) für Wasser.
Tn dem »Kahal« liegt gewöhnlich ein »Chen-
nöw« oder Sprengwedel, welcher in derselben
Weise hergestellt ist, wie die aus S'lowkblättern
gefertigten Quasten C, C. Über dem »Kahal«
hängt das »Tokkhor« oder das Wassergefäss aus einem Bambusgliede F,
30 cm lang, aus welchem das Wasser in den »Kahal« gegossen
werden muss. Denn die Figuren, welche auf dem »Tokkhor« aufgemalt
sind, enthalten die Zauberkraft in erster Linie und die
Muster des »Kahal« dienen nur dazu, sie in dem umge-
gossenen Wasser zu bewahren. Die Malereien auf »Kahal«
und »Tokkhor« sind in derselben Weise hergestellt, wie bei
dem »S'laak«; nur haben die roten Linien des »Tokkhor«
am Rande blos schwarze Punkte, während die weissen in-
mitten der roten Bahn laufen. Wenn das ganze Gebilde
nun fertig und aufgehängt ist, so wird eine Blume (oder
mehrere) der »Latoom«-Pflanze1) daran befestigt, wo es eben
geht, gewöhnlich bei der Knüpfstelle des »S'laak« an den
Rötan (bei x der Figur). Eine Blume dieser Pflanze muss mindestens
daran sein, doch ist der Platz dafür nicht bestimmt. Früher hing der
ganze Apparat überall in jedem Hause der Orang Belendas; aber der
Sprengapparat wurde nur benutzt, 1. wenn ein Orang Belendas auf seinem
Wege durch den Wald von einem Tiger angegriffen, verwundet worden
und dann entkommen war. Dann holte man den Zauberer und dieser be-
sprengte den Verwundeten mit Wasser, welches aus dem »Tokkhor« in
den »Kahal« gegossen worden war. Man glaubte, dass dies dem Ver-
wundeten zur Genesung verhelfe.
2. Ferner wurde der Sprengapparat gebraucht, wenn die Spuren
eines Tigers sich in der Nähe des Hauses hatten sehen lassen. Dann
besprengte der Zauberer den Eingang des Hauses in derselben Weise und
beschützte es dadurch, dass er das ganze Gehänge unter die Thiire hängte.
Dann wirkte der Zauber auf dem »S'laak« die Tiger abzuschrecken.
3. Wenn ein Mann erkrankte an Dysenterie, Kolik, überhaupt »Leib-
schneiden«, so glaubte man, dass diese Krankheit durch den Einfluss des
Tiger-hantu zu erklären sei und der Kranke wurde besprengt, wie es oben
beschrieben ist. Man glaubte dann, dass der Hantu in dem Geräte selbst
b Nach freundlicher Mitteilung des Herrn Hennings Eutaxia cnstata.
1*
9tecke und man trieb ihn daraus aus in die »Latooin«-Blume bei x, wo
er dann durch die Fransen der Büschel C als eingeschlossen galt.
Bezüglich der Verbreitung des Tigerzaubers unter den Orang hütan
giebt Herr H. V. Stevens noch die folgende Notiz: »Ich habe bei ver-
schiedenen Gelegenheiten und an verschiedenen Orten gleichmässig unter
den Sinnoi, Bersisi und Kenäboi von dem Tigerzauber gehört, nie aber
unter den Orang Benüa oder Orang Djäkun. Es scheint auch als ob die
Laien, das heisst diejenigen, welche gewöhnlich die Dienste des Zauberers
sich anmaassen1), es nie versucht hätten, den Zauber nachzumachen. Da
nun die echten alten Zauberer nie das Gebiet ausserhalb des malaiischen
Einflusses verlassen, so ist die Verbreitung des Tigerzaubers eiue sehr
eingeschränkte, obwohl sie in alten Zeiten sicher ganz allgemein war.
Es ist nicht etwa der Umstand schuld, dass in der Nähe der halbcivili-
sierten Orang hütan keine Tiger mehr vorkämen, im Gegenteil für einen
Tiger, welchen man etwa im Dschangel trifft, giebt es hier wohl zehn.
Der Grund liegt wohl darin, dass der Tiger im Dschangel vollauf zu
fressen hat und infolge dessen weniger reizbar ist als in der Nähe der
Kultur; es scheint als ob die zahlreichen Verluste von Menschenleben bei
den civilisierten Orang hütan Misstrauen gegenüber dem Zauber erweckt
hätten, wenn er nicht von jemand hergestellt wird, der im Vollbesitz der
alten Macht der Zauberer ist.
2. Tiger-totem und Müsang-totem.
Es ist schon früher erwähnt worden, dass die Belendasnatiou in fünf
alte Clane zerfiel, welche Messen »Blatt«, »Schlange«, »Fisch«, »Dorn«
und »Tiger«. Ebendort war auch des Clanes »Müsang« gedacht worden,
welcher infolge von Missheirat als Untergruppe fles Tigerclanes festge-
stellt wurde; vgl. Zeitschrift für Ethnologie 26, 1894, S. 160f.
Ich gebe im folgenden die Muster dieser Clane mit Stevens’ Notizen.
Fig. 7. Dies Muster ist von ungewöhnlichem Interesse. In alten
Zeiten bemalten sich die Sinnoi im Gesichte mit weissen, roten und
schwarzen Farben — mit diesen Farben sicher, wenn nicht mit mehr,
worüber St. nichts bekannt wurde. Die Muster waren sehr verschieden.
Die Vermutung, es könnte eine Nachahmung der Tatuierung der Temia’
(Tümior) sein, bestätigt sich nicht. In der Zeit, wo die Sinnoi die grosse
Wanderung mit Bertjanggei Besih mitmachteu, war die Bemalung des
Körpers ganz allgemein, ja jeder Mann hatte dafür sein eignes Totem
als Körpermuster und für sein Blasrohr. Jetzt ist freilich verhältnis-
mässig wenig mehr davon in Gebrauch, ja die Sinnoi haben als stets
l) Vgl. darüber Zeitschrift für Ethnologie 1894, 167.
wandernder Stamm immer mehr davon eingebüsst, so dass die Muster
schliesslich blos ein gelegentlicher Fraueuschmuck wurden und da blos
mehr einige Linien auf der Haut des Gesichtes, der Brust und Arme an
Festtagen — nur in einer Niederlassung ist noch das Alte erhalten.
Fig. 7. Totemmuster des
Klanes Müsang,
Sinnoi.
Fig. 8. Totemmuster des
Klanes Tiger,
Sinnoi.
Das Muster unter Fig. 7 ist eine Vorlage für die Gesichtsbemalung
der männlichen Mitglieder einer Familie der Sinnoi. Lange ausser Ge-
brauch gekommen als Bemalung für den Körper ist es jetzt noch das
Abzeichen auf ihren Blasrohren.
Die Zeichnung stellt einen Tiger vor. Wenn die Figur auf den
Körper gemalt wurde, waren die Punkte stets weiss (hveissei Ilion), die
6
schwarzen Figuren waren mit Kohle und die roten bisweilen mit einer
roten Erde, häufiger aber mit dem Saft von Drachenblut oder einem
anderen roten Pflanzensaft hergestellt. Die Anlage geschah mit dem
Finger, während die schwarzen Figuren später mit einem Feuerstock
aufgemalt wurden oder mit dem »Chin-ka-är« genannten Stöckchen.
Rot und gelb waren für die Sinnoi offenbar identisch, obwohl sie die
Farben genau unterscheiden können.’ Jedenfalls ersetzte die rote Farbe
das gelbe Fell des Tigers, die schwarze seine Flecken und die weisse
Farbe die Behaarung.
Unten auf dem Muster sind fünf durch Äbschaben der Haut des
Bambus hergestellte zehenförmige Figuren: sie stellen die Klauen des
Tigers vor und werden mit schwarzgeränderter roter Farbe auf die Zehen
gemalt bis zum Fussknöchel, mit weissen Strichen dazwischen, diese aber
nur auf dem Fuss und nicht zwischen den Zehen. Um die Waden herum
nach oben werden so viele Figuren ausgeführt, als der Be-
malende Lust hat. Der Raum zwischen A und A' war rot
und beliebig breit. Die vertikalen Seiten-Linieu und die ge-
brochenen Diagonalen wurden mit einem Kohlenstock aufge-
zeichnet, wenn die rote Farbe getrocknet war und dann die
weissen Punkte entweder mit dem Finger oder mit einem Stöckchen mit
weisser Erde aufgesetzt. Die Querlinien, welche die Muster auf der Vor-
lage trennen, wurden nicht aufgemalt auf den Körper, waren aber auf
den gravierten Mustern der Blasrohre mitangebracht.
Die Muster gingen den ganzen Fuss hinauf, Hessen die Körpermitte
leer, begannen aber wieder über dem Nabel in ähnlicher Anordnung der
Farbe. Auf jeder Wange vom Ohr bis zum Kinn wurden die aussen
abgebildeten Kreuze aufgemalt, so dass das mittlere der Patrone quer
auf der Nase stand und die anderen rechts und links auf der Wange
stehenden berührte. Am Rande des Haarbodens und die Stirn herab,
am Ohr vorbei, die Kinnlade entlang, bis zum Kinn liefen weisse Punkte1).
Fig. 8. Dies ist ebenso ein Totemmuster wie Fig. 7: es stellt das
Müsaug vor. Dies Stück stammt von einem anderen Sinnoi-Clan als
Fig. 7. Es war den Leuten schon nicht mehr bekannt, wie es auf den
Körper gemalt wurde: das Muster war nur noch als Verzierung (Totem-
bild) auf dem Blasrohr geläufig. Unten sieht man die vier Klauen des
Tieres und daneben einen scheibenförmigen Ausschnitt, der beim Abhacken
des Bambus aus Versehen gemacht, nicht zur Figur gehört.
Bezüglich der Vierzahl der Klauen wird folgendes erzählt: »Vor
langer Zeit wurden in diesem Clane Zwillinge geboren. Aufgewachsen
') My informants had never actually painted themselves and had no materials
for tlie purpose but they appeäred quite familiär with the traditional manner of coloring.
: \/
7
liebten sie dasselbe Mädchen. Da keiner nachgeben wollte, aber beide
gewillt waren sich zn vergleichen, so teilten sie sich in den Besitz: ein
ganz unerhörter Vorgang. Diese Doppelehe hatte zwei Söhne hervor-
gebracht: der ältere wollte das Totem seines Vaters nehmen, aber da
entstand die Schwierigkeit, welcher der Beiden sein Vater war. Der
Stamm versammelte sich und beriet lange darüber. Das Totem des einen
war ein fünfklauiges Müsang, das des andern ein Palmblatt. Der Schluss
der Beratung war, dass dem Bittsteller das Müsang als Totem zuge-
sprochen wurde, aber statt des Vorderfusses mit fünf Klauen der Hinter-
fuss mit vier.«
Die Querstriche auf dem Muster sind ohne Bedeutung für die Be-
malung des Körpers, aber sie bezeichnen die Gliederung der Flecken auf
dem Balge des Tieres: was deutlich hervortritt, wenn ein totes ent-
sprechend daneben gelegt wird.
3. Die Verfassung der alten Belendas.
Als Muster der Verfassung gilt die alte, welche die Orang Belendas
in Püloh Gantong Pendjäring hatten, obgleich nach Hangtüa’s Tod sie
nicht mehr strikt aufrecht erhalten wurde (vgl. VeröfFentl. II, 1892
S. 87ff.). Es gab vier Vorstände: nämlich den Bätin, den Häuptling über
alle, den Djennang oder Stellvertreter des Bätin, den Djürukerah, das
Haupt der Dorfältesten und die Penglima’s, die Dorfältesten. Keiner
dieser Häupter des Volkes erhielt eine regelrechte Besoldung, nur dem
Butin wurde unentgeltlich Arbeit geleistet. Die anderen hatten das Recht,
Leute des Stammes zu bestimmten Arbeiten zn bezeichnen und diesem
Befehl musste gehorsamt werden, aber die Arbeit wurde in Lebensmitteln
bezahlt. Von erbeutetem Wildpret gab der Mann einen Anteil an seinen
Häuptling: doch war dies nicht zwingend. Obwohl die Macht des Bätin
eine ziemlich bedeutende war, so bestand ihm gegenüber nur das einzige
Ceremoniel, dass man sich nicht direkt an ihn wenden konnte. Alles
musste dem Bätin durch den bezüglichen Penglima vorgetragen werden
und ebenso war es dem Djennang und Djürukerah gegenüber, welche
also lediglich minderbevollmächtigte Bätin’s waren. Während die (hang
Maläju sich ihren Rädja’s gegenüber sehr servil benehmen, gingen die
Orang Belendas, wenn sie vor dem Bätin erscheinen mussten, von links
her auf denselben zu, setzten sich links von ihm in der gewöhnlichen
Weise nieder, grössten und beantworteten Fragen u. s. w. in gewöhnlicher
Weise. War die Audienz vorüber, so erhob sich der Unterthan und ging
weg, indem er dem Häuptling den Rücken wandte und nicht etwa zurück- .
kroch wie der Orang Malayu. Es gab in der Regel nur einen Bätin und
seine Wahl war ursprünglich in der Hand des Volkes, btaib der Butin,
8
so versah zunächst sein ältester Sohn das Amt, bis des Bätin’s Enkel
durch allgemeinen Entscheid als alt genug erklärt wurde, das Amt des
Grossvaters zu übernehmen. Dann trat der Regent zurück. Der Grund
dafür ist darin zu suchen, dass der Hantu Kübor eines Bätin’s nur eine
Unterkunft finden konnte bei dem nächsten Bätin, da nun aber der Sohn
des Bätin’s die Regentschaft übernahm, hatte der Hantu Kübor keine
Macht über ihn. Er konnte, da erst der Enkel wieder Bätin wurde, sich
nicht direkt vererben, sondern musste seinen neuen Aufenthalt in einem
Nicht-Bätin suchen oder er starb aus, genau wie der Hantu Kübor eines
Weibes nicht sich auf einen Mann setzen kann und umgekehrt (vgl.
hiezu Veröffentl. II, 3/4, 1892 S. 141). Ist das älteste Kind des Sohnes
des verstorbenen Bätin ein Mädchen, so wird sie, sobald sie das reife
Alter erlangt hat, auf ein Jahr Bätin. Während dieses Jahres muss sie
heiraten und ihr Gatte wird dann Regent, bis das Kind der Beiden das
Alter erlangt hat, um Bätin werden zu können. Hat der sterbende Bätin
keinen Sohn, sondern nur eine Tochter, so wird diese Tochter, sobald sie
alt genug ist, auf ein Jahr zum Bätin gemacht, während welcher Zeit sie
heiraten muss: ihr Gatte ist dann Regent, bis er ein erwachsenes Kind
hat. War bei dem Tode eines Bätin eine schon verheiratete Tochter vor-
handen, so war der Gatte derselben Regent, bis sein Kind das reife Alter
erreichte. Starb der Bätin aber ohne Nachkommen, so wählte man seinen
Nachfolger, welcher, wenn es möglich war, aus den Nachkommen der
Brüder oder Schwestern des Verstorbenen gewählt wurde.
Es war früher erzählt worden, dass Bertjanggei, bevor er nach Klang
fuhr, den Hang Tüa zum Oberhaupt von Pengkalan Tampüi machte, je-
doch nicht zum Bätin, wie oben (Veröffentl. II, 3/4 S. 88) erzählt ist
und dass nach dem Verschwinden des Bertjanggei Bätin Älam, Gewalt-
haber zu Müar und Bertjanggei’s Enkel der gesetzmässige Bätin der Orang
Belendas war, dass er aber aus Gründen, welche die Tradition nicht mit-
teilt, nicht die allgemeine Anerkennung fand. Deshalb vereinigte er seine
Anhänger mit den Orang Belendas zu Klang und zog mit seinem ganzen
Volke gegen Osten, wo er die Ansiedlungen begründete, welche später
als die Orang Bersisi bekannt wurden. Damit begann die Teilung für
immer und nach Bertjanggei’s Verschwinden haben die Orang Belendas
thatsächlich nie mehr einem einzigen Bätin gehorcht, sondern jede An-
siedelung des zerstreuten Volkes hatte ihren eignen Bätin.
Keine Tradition giebt an, dass etwa der Bertjanggei selbst Bätin
wurde dadurch, dass ihn der Tod des Abang der Vertretung enthob, aber
man wird wohl annehmen können, dass er allgemeiner Anerkennung seine
Stellung verdankte.
Der Bätin wählte sich fünf Penglima’s als seine Beamten: einer
9
davon wohnte direkt neben ihm, die anderen hatten ihre Häuser nach
den vier Himmelsgegenden, doch nicht ausser Sehweite des Bätin. Der
Djennang und Djürukerah waren meist Blutsverwandte des Bätin.
Dass die oben (Veröffentl. II, 3/4 S. 90) erzählte Sitte, dass die
Schwiegersöhne auf Grund und Boden ihres Schwiegervaters sich ansässig
machten, damit zusammenhing, dass die Penglima’s in der Nähe des Bapi
Besar (Lieblingsausdruck der Orang Kenäboi für Bätin) sich ansiedelten,
ist sehr wahrscheinlich.
Jeder Penglima hatte seinen besondern Namen oder Titel, welchen
ihnen der Bätin unter Übergabe irgend einer eisernen Waffe gab. Ein
allgemeiner Name für die Penglima’s war P. Besar oder P. Ttmar1). Die
Dorf-Penglima’s wurden von den Dorfbewohnern selbst gewählt und vom
Bätin nur bestätigt. Die Titel wurden St. in verschiedener Reihenfolge
gegeben, er konnte über die genaue Reihenfolge nicht klar werden. Die
gewöhnlich gegebene Reihenfolge war: Penglima Pütih, der P. des Bätin’s
selbst, der P. »Garrong«2) im Norden, der P. »Bibas« im Süden, der P.
»Hitam« im Osten und der P. »Tayam« im Westen.
Wenn irgendwo aus einer Gruppe von Orang Belendas eine Ansie-
delung hervorging, so wählte man diese fünf Penglimas, d. h. einen
PeDglima mit vier Beisitzern, welche man dann aus Höflichkeit Penglima
Ketjik, »kleine Penglima’s« nannte. Diese vier, welche die nach den
Himmelsgegenden bezeichneten Quartiere des Dorfes vertraten, unter Vor-
sitz des eigentlichen Penglima begaben sich nach der Anlage des Dorfes
zu dem Bätin, um dessen Genehmigung zu erhalten. Bei ihrer Rückkehr
fand dann eine grosse Schmauserei statt und der Penglima des neuen
Ortes ward dabei formell anerkannt durch seine vier Beisitzer. Von jedem
Manne in der neuen Ansiedelung erhielt der Penglima bei dieser Ge-
legenheit ein Geschenk. Ein Anrecht (durch Vererbung) auf den Titel
Penglima gab es nicht; der Penglima wurde stets aus dem Volk gewählt
durch dessen Willen. Zuerst wählte der Penglima seinen Wohnort, dann
siedelten sich die Penglima Ketjik den oben angeführten Himmelsgegenden
entsprechend an. Wenn nun die Entfernung von dem Wohnorte des
Bätin für die Bevölkerung der aussenliegenden Ansiedelungen eine zu
weite war, um in Fällen, welche die Penglima’s nicht zu entscheiden ver-
mochten, an den Bätin zu appellieren, so verlangte das Volk die Wahl
eines Djürukerah an einem Centralpunkt und diese Behörde entschied als
Oberhaupt der Penglimas in Dingen, welche sie nicht schlichten konnten.
Im Original: Penglima Tannali not Tannah, which means „grouncP viz. Batin
appointed Penglimas. .. tt. „ r,r ,
2) Vgl. Borie, Notice sur les Mantra in Tijdschr. T. LV. 10,437. [Mal. Garang,
Bebas, Hitam.]
^^———
10
Wurden die Ansiedelungen nun noch zahlreicher und wuchsen die Be-
richte an den Bätin noch mehr an, so bezeichnete der Bätin selbst einen
oder mehrere Djennang als seine Vertreter, so dass dann nur die ver-
winkeltsten Fragen an ihn selbst berichtet wurden.
Pädi war in alten Zeiten allein als Geld kurrent, der Bätin konnte
schliesslich nicht mehr essen als andere Leute und Aufhäufen von Vor-
räten in grossem Maasse war nicht Sitte. Der Bätin trug ein Lenden-
kleid aus Baumrinde (Tjäwat) wie seine Unterthanen; hohe Steuerlast den
Uuterthanen aufzulegen war nicht nötig.
Eine Pflicht des Penglima hat sich bis in die heutige Zeit erhalten.
Sein Haus muss allen Reisendeu offen sein und zur Bestreifung des Auf-
wands, welchen er dadurch hatte, fanden Sammlungen unter den Be-
wohnern des bezüglichen Dorfes statt, welche von Zeit zu Zeit abge-
liefert wurden.
Der Charakter der Orang Belendas macht ein solches Regierungs-
system möglich und sie lebten, so lange fremde Einflüsse sich nicht
geltend gemacht hatten, entschieden zufrieden und glücklich unter ihrem
patriarchalischen Regimente. Den Befehlen eines Bätin gebührte bedin-
gungsloser Gehorsam. Er hatte die Gewalt über Leben und Tod, doch
nur in gewissen Fällen von Mord. Im Übrigen war als Strafe für ge-
stohlenes Eigentum der siebenfache Wert in Pädi auszuzahlen: eine Strafe,
welche selten genug gewesen sein muss, wenn der Volkscharakter der
damaligen Orang Belendas so war, wie er heute ist.
Bei Vollziehung der Todesurteile kamen zwei Punkte zur Geltung
für die Form, wie sie zu vollstrecken war, nämlich 1. die Waffe, mit,
welcher der Mord ausgeführt worden war, 2. etwaige Form der Heraus-
forderung. Was den ersten Punkt betrifft, so scheint der Gebrauch des
Blasrohrs ganz besonders verpönt gewesen zu sein. Wenn ein Belendas-
Mann ohne besondere Herausforderung einen anderen getötet hatte, so
frug ihn der Bätin, welche Todesart er wählen wolle, entweder, dass er
durch einen Päraug-Hieb auf den Kopf oder durch einen Stich durch die
Kehle getötet wurde. Das waren die Strafen, wenn nicht das Blasrohr
als Mordinstrument gedient hatte. War dies der Fall, so wurde der
Mörder in einen Korb gesteckt, welcher aus dornigen Zweigen hergestellt
war und siebenmal einen Bergabhang auf und ab gerollt. Wer aber
unter grosser Herausforderung mit dem Blasrohr jemand getötet hatte,
so ward er gestraft, weniger wegen des Totschlags als wegen des Ge-
brauches des Blasrohrs. Er wurde, um den Fall als einen möglichst zu
verabscheuenden zu brandmarken, gezwungen, ein Stück Fleisch des er-
mordeten Mannes zu essen. Wies er es zurück, so hieb ihn der Penglima
Pütih, welcher stets die Exekutivbehörde war, mit Pärang-Hieben auf den
Kopf nieder.
/
11
Konnte ein Pënglîtna eine streitige Angelegenheit zwischen zwei An-
gehörigen seines Dorfes nicht schlichten, so wandte er sich an den Pèng-
lîma des nächsten Djûrukërah. Der Pënglîma wandte sich dann an
seinen Djûrukërah, dessen Bescheid er wieder zurückgab. War die
Sache so weit gediehen, so schrieb die Etiquette für jegliche Mitteilung
und jegliche Antwort diesen Weg vor. Wenn aber der Djûrukërah eben-
falls nicht imstande war, die Angelegenheit zu erledigen, so sandte er
den Pënglîma an den Djëimang und alles ging nun durch alle drei Per-
sonen den selbigen Weg des Gegenseitigberichtens. War die Angelegen-
heit auch dann noch nicht entschieden, so sandte der Djënnang den
Pënglîma an den Bätin. Der Entscheid des Bätin war, möchte er irgend-
wie ausfallen, bindend und die Sache damit zu Ende. Der Kläger musste
dann zunächst die Entscheidung und ihren Verkünder, den Bätin und
dann seinen Gegner siebenmal feierlich begrüssen. Geschah die Entschei-
dung aber durch den Djûrukërah oder Djënnang, so war der ihnen ge-
bührende Gruss und der an den Gegner nur einmal zu bringen. Diese
Ceremonie hiess »Dami« und nach ihr durfte die bezügliche Angelegenheit
nicht mehr berührt werden.
Grii n wedel.
Notizen über eine Terracotta aus Magdischu.
Das königliche Museum für Völkerkunde erhielt vor einiger Zeit eine
in Magdischu (Magadoxo), Ost-Afrika, ausgegrabene Terracotte *) von un-
zweifelhaft indischem Ty-
pus (vgl. Fig. 1), über
welche ich im Folgen-
den einige Bemerkungen
machen möchte.
Was zunächst auf Indien
hinweist, ist der Schmuck.
Grosse Ohrscheiben für den
Ohrlappen würden allein
nicht auffallen, aber durch
die Kombination mit der
vor dem Ohre herabhäu-
genden Kette ist deutlich
auf Indien hingewiesen.
Diese vor dem Ohre herab-
liängende Guirlande,welche
in der Regel am Haarrand
über der Stirn auf dem
dort anliegenden kranzför-
migen Schmuck befestigt
und dann mit dem im
Ohrlappen befestigten Ohr-
knopf oder seinen Neben-
teilen (Anhängern etc.)
verbunden wird, ist ein
ganz wesentlicher Teil
des südindischen Fest-
schmuckes. Sehr häufig
wird heute noch die Blu-
menguirlande selbst, der
Fig. 1, a.
b.
Hoch 10'/2 cm, breit 6 cm.
b.
Originalgrösse.
b Geschenk des Herrn C. Wegener in Sansibar.
13
V
..tafl
llk.
er nachgebildet ist und zwar die Blumen auf Faden gereiht in dieser
Art getragen.
Es fällt an der Terracotte auf, dass der Verfertiger des Bildes über
die Befestigungsart des Schmuckstückes sich ebensowenig klar war, wie
über die eigentliche Form desselben: er
hat nur den äusseren Eindruck roh wieder-
gegeben. Ähnlich steht es mit den Hals-
ketten, welche wie ein halbmondförmiger
Schild unter das Kinn geschoben sind.
Unter dem Anhängsel der untersten noch
am Besten zur Darstellung gebrachten
Kelte findet sich eine eigentümliche Ab-
stufung, welche eine gewisse Ähnlichkeit
hat mit ähnlichen Absätzen auf südindischen
Skulpturen. Es wird damit nämlich, wie
dies auf Fig. 3a und Figg. 8 und 10 in
meinem Handbuch der buddh. Kunst derb
ausgeführt ist, der Rand des Busenjäck-
chens markiert, häufig ohne die auf den
eben cifcierten Abbildungen über die Brüste
weglaufenden breiten Randbänder des Jäck-
chens. Diese hohen Ränder bleiben in der
Regel weg auf kleinen Figuren aus Thon
etc, welche dann entsprechend bemalt werden. Merkwürdig ist der Kopf-
schmuck: der indische Typus ist da: er schwankt aber in auffallender
Weise zwischen dem unteren Teile der
gewöhnlichen Krone Fig. 3 a und dem
oberen Teil von Fig. 4 (einer kleinen
Krishna-Figur aus Bronze). Zu erwähnen
sind dann noch die Armbänder für den
Vorderarm und der doppelte Gürtel (vgl.
hiezu Fig. 3 a).
Gehen wir auf die Behandlung des
Körpers über, so fällt vor allem auf,
dass die Darstellung der Augen eine
plumpe Nachahmung der stark styh-
sierten südindischen Form genannt wer-
den kann. Die Augenränder und die . ,
Augenbrauen sind breite hochliegende Streifen: das Innere des Auges >s
zwischen diesen Streifen durch Einschnitt geschieden, aber selbst fast
ebenso hoch als die Randstreifen. Solche Augen s.nd in hartem Holz
Fig. 3, a.
Original 14 cm.
Originalgrösse.
— 14
(Sandei etc.) verhältnismässig leicht zu schneiden: aber in weichem Thon
sehr schwer herzustellen. Ich komme daher auf die Vermutung, dass
unsere Thonfigur aus einer Patrone gepresst ist: genau wie unsere Bronzen
Fig. 2 und 4 dieselben Formen ihrer Gussform verdanken. Als Patrone
aber sind die beschriebenen Augen leicht herzustellen.
Sehr merkwürdig ist nun die Behandlung der Brust. Haben wir in
der Darstellung des Schmuckes und der Augen mechanische Nachahmung
südindischen Stiles sehen können, so ist hier eine entschiedene Verände-
rung der indischen Kunstform zu konstatieren. Die runde indische Brust
ist nahezu zur afrikanischen Hängebrust geworden; vgl. die Seitenansicht
unter Fig. lb, 2 b, 3 b.
Die unter Fig. 2 a und b skizzierte Bronze ist ein sehr zierlich aus-
geführtes Stück des alten Bestandes des Museums. Es stellt die Göttin
Kamalä, eine Form der Göttin des Glücks und des Reichtums S'ri
Tamil: Tirumagal vor. Die Abbildung ist etwa ebenso gross als das
Original.
Fig. 3a, b stellt ein leider sehr beschädigtes Figürcheu einer Göttin,
vermutlich ebenfalls einer S'ri dar. Das Stück (Sandelholz) stammt aus
einer Füllung einer Thiire einer alten Holzverkleidung aus dem Tempel
der Minäkshi zu Madurei.
Der Typus der S'ri ist, wie bekannt, sehr alt; er gehört schon der
As'okazeit an; vgl. Handbuch der Buddhistischen Kunst S. 40ff. und Abb. 9.
Die spätere buddhistische Kunst verwendete den Typus besonders
zur Darstellung der Göttin Tara und zwar die im lalitäsana sitzende (ein
Bein hoch gezogen, eines herabhängend, den Oberleib leicht nach links
gewendet) für die sogenannte grüne Tara (T. sGrol-ljaii). Dieser Form
steht unsere Fig. 3 sehr nahe. Die Form, welche beide Beine unter-
geschlagen und den Oberleib aufrecht hält, dient zur Darstellung der
weissen Tara (T. sGrol-dkar).
Über die Bedeutung der afrikanischen Figur lässt sich nichts Be-
stimmtes sagen: der Gedanke ist aber nicht unberechtigt, dass die Er-
innerung an die Glücksgöttin, die ja auch Lokalgöttin fast im Sinne der
antiken Tyche ist, dabei ursprünglich mitgespielt hat, wenn auch unser
Stück vielleicht nur als eine aus dem S'ritypus abgeleitete Kinderpuppe
aufzufassen ist. Die Spuren von Bemalung an der Terracotte zeigen Mangel
jeglichen Formensinnes und sind ohne besondere Bedeutung.
GrÖnwedel.
Bericht
über den Besuch des Königlichen Schlosses zu Schwedt zur
Besichtigung alter Gemälde mit ethnographischen
Darstellungen1).
Im Königlichen Schlosse zu Schwedt fand der Unterzeichnete die
folgenden Gemälde vor, welche Darstellungen fremder Volker enthalten:
zwei dem Thoreingang gegenüber, zwei im Vestibül, zwei an der
Treppe nach dem ersten Stock und sechs in den verschiedenen Räumen
des ersten Stockes. Im Berichte sind sie in dieser Reihenfolge (unter
1—12) aufgeführt; die Notizen über das hervorragende Stück No. 7 folgen
unten besonders. No. 11 und 12 sind bloss Fruchtstücke mit je einem
europäischen Kinde und einem Negerknaben (Brustbild), sie kommen also
für die folgenden Ausführungen überhaupt nicht in Betracht und sind
hier nur erwähnt worden, da in der vorhergegangenen Korrespondenz von
zwölf Gemälden die Rede war.
Die Nummern 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. sind in Form und Aus-
führung gleichartig und bilden offenbar eine Gruppe für sich. Es sind
Afrikaner, Ostasiaten (Japaner, Chinesen, Malaien), Südindier etc.2) zu
grossen Tableaux vereinigt, von denen einige interessante Details bieten
(No. 4 und besonders No. 6), andere sind für ethnographische Zwecke
ganz wertlos (No. 1. 9. 10 etc.). Die Figuren sind etwa lebensgross,
das Format der Bilder etwa 2,50 m Breite zu 1,80 m Höhe, welche Maass-
angabe indes nur auf einer Schätzung beruht.
Alle Bilder stammen aus dem letzten Drittel des siebzehnten Jahr-
hunderts.
9 Als Manuskript gedruckt. Die mit [ ] bezeichnten Anmerkungen sind später
beigefügt. G.
2) [Ob diese Bezeichnungen nicht schon verwirrt sind oder mir ungenau »(.„eben
wurden, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Der Besuch des Sch o.-'SOb an mi
Winter statt und war ein längeres Verweilen so gut wie unmöglich. Doch habe ich
alles Thatsächliehe auf den Bildern festzustellen gesucht.]
16 -
No. 1. Bezeichnet: »Chinesen«. Chinesen mit allerlei phantastischen
Waffen, in durchaus phantastischem Kostüm.
No. 2. Bezeichnet: »Chinesen«. Ein chinesischer Händler mit
Porzellanen, welch letztere nicht ohne Interesse sind.
No. 3. Bezeichnet: »Chinesen«. Thatsächlich ein bewaffneter Japaner
und eine Japanin, davor eine Gruppe von Männern und Frauen in alt-
chinesischer Tracht (also Annamiten?), ein Mann (Mandarin) mit dem
Pinsel schreibend, neben ihm Sapeken, ein Suan-pan etc.; hinter ihm
Frauen Thee trinkend, ein Mann mit Essstäbchen essend; in der Mitte
ein Mädchen mit Kranz auf dem Kopfe (!) und langen Fingernägeln.
No. 4. Bezeichnet: »Afrikaner bei allerlei Beschäftigung«. Nur in
der Mitte des Bildes sind ein paar Neger dargestellt; ob damit Afrikaner
gemeint sind, ist bei der Umgebung derselben fraglich.
Neben ihnen in der rechten Ecke des Bildes steht ein nur mit
Lendentuch bekleideter Mann, offenbar ein Alfur (Serangese?). Die
linke Hälfte des Bildes zeigt zweifellose Malaien:
Die vorderste Gestalt ist der unter Fig. 1 skiz-
zierte Alfur (Butong?). Der Mann ist mit reich
gemusterter, weiter Hose und ebenso Jacke be-
kleidet, trägt ein ausgeprägtes Alfurenschwert
und einen Schild, wie er heute noch in der
Gegend getragen wird. Statt der mit Porzellan-
oder Muschelscherben eingepassten Ornamente
der heutigen Schilde sind phantastische Tiere (mit
europäischen Anklängen) aufgetragen, welche im
Stil an gewisse dayakische Ornamente (vgl. das
Häuptlingsgrab von Longwai bei Bock, Reise in
Ost u. d. Borneo, Taf. 8, 9) erinnern. Dahinter
stehen noch mehr fast nackte Männer von ähn-
lichem Charakter, einer mit einem runden Schild,
in der Ecke eine gut gemalte Malaiin (Sunda-
nesin) in Jacke und Sarong und mit einem ma-
laischen Beteleinsatz. Im Vordergründe liegen
Fische, darunter Kugelfisch und Katzenhai.
l.
.Kl;
No. 5.
Chinesen mit Ananas, Jack-Früchten u. s. w. Links im Bilde er-
scheint wieder der oben unter No. 3 schon erwähnte bewaffnete Japaner;
ausserdem eine Sinhalesin (oder Peguanerin?) und ein »Wilder« mit
lang herabhängenden Ohrlappen und mit einem Bogen in der rechten
Hand. Dies Bild enthält so gut wie nichts, was von ethnographischem
Interesse ist.
17
No. 6. Angeblich: »Afrikaner bei allerlei Beschäftigung«. Dies
Bild enthält sehr viel thatsächliches Material, offenbar sind indische
Originalzeichnungen (die sinhalesische Tänzerin, der Schreiber), Original-
objekte und Erzählungen d. h. Beschreibung von fremden Sitten und
Trachten kombiniert.
Die Mittelfiguren Hindu in reichgeschmückter Tracht (weisser langer
Rock mit goldneu Blumen in gutem Stil), in Turban und Katar im
Gürtel, die Figur sitzt und raucht eine Pfeife. Der Typus des Gesichtes
ist wertlos. Neben ihm steht eine mit tadellos korrektem Schmuck und
Kostüm gemalte Sinhalesin, welche eine Trommel unter dem linken
Arme trägt. Der Schmuck: Ohrpflöcke, Nasenring, Armbänder haben
dem Maler entweder im Original Vorgelegen oder die Figur ist nach
einer guten indischen Miniatur (Kostümbild) komponiert.
Neben dem Hindii, welcher die Mittelfigur bildet, steht ein grosser
Tisch, welcher ein »kleines Museum« von indischen Münzsorten in tadel-
loser Nachbildung offenbar nach Originalstücken auf seiner Platte zeigt:
Gold- und Silbermünzen mit arabischem Gepräge, ganze Berge von siame-
sischen Silber-Tikals und chinesischen Sapeken (z. T.’ an Schnüren) liegen
neben sinhalesischen Hakenmünzen
und chinesischem Por-
ra_. —?%
zellangeld (mit aufgemaltem Hahn). Hinter dem Tische steht ein Nord-
indier, offenbar Kopie einer einheimischen Miniatur, doch insofern modi-
fiziert, als er auf der Stirne statt des Sektenzeichens ein Glimmertilaka,
wie es die Frauen tragen, trägt und nach südindischer Meise mit einem
eisernen Griffel auf ein Palmblatt schreibt. Griffel
und Palmblatt sind ganz korrekt, doch nicht die
Haltung der Hand. Auch schreibt die Figur nicht
etwa, wie man erwarten sollte, Zahlen nieder,
sondern schreibt einige Zeilen in Tamil-Schrift.
Hinter dem Schreiber ein nackter Wilder mit weit-
herabhängenden Ohrlappen (Däyak) und einem ma-
laiischen Speer mit Spitze in Form einer Krisklinge.
In der linken Ecke sieht man einen Malaien (?) sich
einer Mon-Frau (?) nähern, welche in der Skizze
Fig. 2 wiedergegeben ist. Sie hält ein Tablet mit
einem vollkommenen, ganz korrekt dargestellten
Service zum Betelkauen. Nüsse in der Schale,
Kalkdose, Nussbrecher, Spucknapf und einige fertige
Betelbissen in Blattrollen, dabei ein Packet birmanischer C.garrem Eme
raucht sie selbst. Im Hintergrund sieht man ganz klein einen Hahnen-
kampf dargestellt und noch weiter hinten einige Tiere, dai unter ein nie
18
sehr korrekter Elefant. Im Mittelgründe des Bildes sieht man zwei
Neger, einer hält ein Paar Strausseneier.
No. 7. Über dies Bild vergleiche den Anhang.
No. 8. Bezeichnet: Insulaner des grossen Oceans. Dies Bild ist
reich an den sonderbarsten Wjllkürlichkeiten. Den grössten Teil des
Bildes nehmen Neger ein(Papua’sP),
einer davon trägt einen Gelbwan-
genkakadu, im Mittelgründe stehen
Neger um einen Seehund (P), den
sie erlegt haben. Die Zeichnung
dieses Tieres erinnert an die Holz-
schnitte in Gessner grossem Tier-
buch, Zürich, deutsche Ausgabe
1576, welches Werk — oder wohl
daraus abgeleitetes Material — der
Maler benutzt haben mag.
In der Ecke sitzt neben einem
Baume der unter Fig. 3 skizzierte
nach Beschreibung komponierte
Fischer (Malaie?); unter seinen
Füssen sieht man ein kurioses In-
strument, kombiniert aus einem
missverstandenen Fischspeer und
einer Keule aus der Südsee. Hinter dem Baume steht der unter Fig. 4
skizzierte Mann, bekleidet mit dunklem Oberkleid und einer seltsamen
Kopfbedeckung, welche wie eine Kapuze aus Seehundsfell aussieht.
No. 9. »Chinesen«.
Dies Bild enthält nichts von Interesse.
Um die völlige Charakterlosigkeit der darge-
stellten Chinesentypen zu zeigen, habe ich die
Mittelfigur des kleinen tanzenden Chinesen
skizziert (vgl. Fig. 5). Um diese Figur herum
sitzen musizierende Chinesinnen, im Mittel-
gründe sogar eine Negerin in phantastischer
chinesischer Tracht. In der rechten Ecke
des Bildes ein Mann, welcher die Flöte bläst,
der in Gesichtstypus und Kostüm an Porträts
deutscher Männer aus dem ersten Drittel des
sechzehnten Jahrhunderts erinnert.
No. 10. »Malabaren«.
Auch dieses Bild enthält durchaus nichts, was auf Vorlagen schliessen
Fig. 3.
Fig. 4.
19
lässt: es ist lediglich in Europa rekonstruierte Darstellung nach Be-
schreibungen.
Fig. 7‘).
In dieser Beziehung steht es in gleicher Linie mit den Kupferstichen
der holländischen und deutschen Ausgaben der Reisen des Huyghen van
Orig.-Grösse, Durchm. 4'/2 cm. Orig.-Grösse, Durchm. ö*/a cm-
Linschoten. Linschoten, jetzt zugänglich in der Ausgabe der Hakluyt
Society in London, beschrieb zuerst ausführlich die Sudrakaste von Malabar,
Ö [Skizze, eine Frau aus dem Stamme (Kaste) der Näyar darstellend, mit grossen
silbernen Obrpilöcken (takka) nach einer Photographie.] .
2) [Ohrscheibe aus Zinn, in der Jagor-Sammlung zweimal vorhanden imt der An-
gabe „Yetaka, Ohrscheiben aus Zinn, Nairfrauen“. Der richtige Name ist mal. takka,
tarn, takkei: ye — vermutlich Präfix der ersten Person?].
3) {Ohrscheibe aus Holz, schwarz angestrichen mit gelben konzentrischen Kreisen,
2*
die sogenannten Nair’s (Mal. Näyar). Solche Leute soll unser Bild dar-
stellen: Der Gesichtstypus der Figuren ist wertlos; geht aber auf Be-
schreibungen zurück (vgl. die citierte Quelle).
Ein besonderes Merkmal dieser Südindier sind die übermässig aus-
gehängten Ohrlappen. Die in Malabar hierzu verwendeten Ohrscheiben
(takka) und Pflöcke (töda) können
natürlich nicht in der Art einge-
schoben werden, wie der Maler
unseres Bildes sich vorstellte, vgl.
Skizze Fig. 6, wenn sie auch in
der Grösse etwa der Darstellung
entsprechen. Die Art, wie sie
wirklich ein geschoben werden, zei-
gen die Skizzen Fig. 7 und Fig. 10.
Das Material ist nicht, wie auf
unserem Bilde Perlmutter, sondern
vergoldetes Silberblech mit Harzfül-
Fig. 10 *). Orig.-Höhe B1/» cm.
lung, Holz und Buffelhorn, big. 7,10.
Auch die reihenweis angelegten Armbänder beruhen auf einer Beschreibung,
in Wirklichkeit differieren sie unter sich (Anfangs- und Schlussring,
Orig.-Angabe: „totha (tora)“ Ohrknopf, Cherumarfrauen, Tierfrauen“; richtiger Name
mal. töda, tarn. tödu. Tscheruman bedeutet nach Gundert, Malayalam Diet. s. v.: a child;
a slave, Pulayan; Tiyan pi. Tiyar von Skt. Dvipa „Inselbewohner“ ist der Name einer
Palmzapferkaste. Gundert s. v. tiyan (oder tivan): an islander, the caste of the palm-
cultivators, toddy-drawers, sugar-makers etc. The Ilavan („Sinhalesen“) are in fact
the same caste and both are said to have come with the South-tree (tennu Cocuspalme)
from Ceylon.]
*) [Ohrpflock aus Büffelhorn; das grösste Stück der Jagor-Sammlung; Orig.-Angabe
„Kumpataka“ Ohrpflock der Nairfrauen“. Ich vermute unter dem verdorbenen Namen
die Mal. Form von Tarn, kudampei?].
[Die daneben abgebildete Frau ist nach Mateer, Native Life in Travancore S. 112].
2) [Halsbänder aus Turbinella rapa, Orig.-Angabe „palamoni“, am Hals getragen,
„Uaddarfrauen“. Tamil: palamani (oder sangumani, pälamanikkövei) die „Uaddar“ sind
die aus Orissa eingewanderte Maurer- und Tank-diggerkaste, welche in Tamil Ottar, in
Telugu Waddewandlü heissen. Der Nanie geht auf Skt. Odra zurück.]
21
Mittelserie etc.) in der Form und liegen dicht aneinander: auch ist das
Material meist Messing. Beides, Ohrpflöcke und Armbänder sind über-
haupt Putz der Frauen, nicht wie auf dem Bilde, der Männer. Die
Schur des Hauptes ist für gewisse Kasten korrekt; nur fehlt die Scheitel-
locke. Ob die eigentümlichen Eisenperlen der Brustketten die missver-
standenen Repräsentanten von Perlen aus Bruchstücken von Turbinella
rapa (sangumani, sauguppäsi) sind (Fig. 11, 12), lässt sich nicht bestimmt
sagen. Das Bild hängt etwas im Dunklen.
Vor dem sitzenden Manne befinden sich zwei Frauen in ähnlichem
Schmuck und reicher Bekleidung, welche aber durchaus unkorrekt ist.
Im Vordergründe sieht man eine Gruppe Perlhühner, einen Pelikan (?)
und hinter dem Manne einen Casuar.
Anhang.
In einem besonderen Zimmer der ersten Etage des Schlosses findet
sich das oben unter No. 7 aufgeführte Bild, welches sowohl im Format
wie in der Ausführung, welche durchweg solide Grundlage erkennen lässt,
von den oben aufgeführteu neun Gemälden abweicht.
Die dargestellten Figuren sind deutlich Eingeborne Brasiliens: Feder-
schmuck, Waffen (Wurfbrett) sowie die sie umgebenden Naturprodukte
22
weisen deutlich darauf hin. In der Mitte des Bildes steht eine nackte
Frau, blos mit einem Blätterbüschel vor der Körpermitte, welche einen
Korb auf dem Kopfe trägt. Hinter ihr erscheint ein von rückwärts ge-
sehener Indianer, vgl. die Skizze Fig. 13. Rechts davon (im Bilde) steht
der Fig. 14 skizzierte Mann mit Federkrone, Lippenpflöcken, Ohrbüscheln,
Speeren, Wurfbrett und Keule. Unkorrekt ist die Federbekleidung um
die Körpermitte; quer über die Brust hat der Indianer eine Schnur
gehängt, an welcher der Kopf einer Pfeife, ein Messer, eine Scheere, ein
Kamm befestigt sind (eingetauschte europäische Artikel). Ganz im Vorder-
gründe des Bildes sitzt ein nackter Indianer nach rechts gelehnt, an den sich
ein Hund anschmiegt. In der Mitte des Vordergrundes liegen Früchte und
Tiere (Äffchen), dahinter abgehauene Hände und Beine: offenbar zur Be-
zeichnung, dass die dargestellten Indianer Menschenfresser sind. Darüber
in der Mitte fliegt ein schwarz und gelber Vogel etwa von der Grösse
einer Taube. Den Hintergrund füllen sehr gut gemalte Palmen.
Das Bilcl ist insofern von ungewöhnlichem Interesse, dass es zu der
Gruppe von Darstellungen von brasilianischen Stämmen gehört, welche
auf die Sammlung zurückgehen, welche Fürst Johann von Nassau-Siegen
(1636—1644) in Brasilien anfertigen liess uud welche Ehrenreich in seiner
Schrift »Über einige ältere Bildnisse südamerikanischer Indianer, Globus
66, 6, 1894« ausführlich besprochen hat. Ob die Vermutung gerecht-
fertigt ist, dass die neun oben erwähnten Bilder identisch sind, mit den
neun Gemälden, welche in Driesens Biographie des Fürsten erwähnt
werden (bei Ehrenreich S. 81) und ob ferner das Schwedter Bild No. 7
zu den »sieben grossen Stück Schildereyen« (ebenda) gehört, welche
Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg aus der von Nassau’schen
Sammlung erstand, ist zwar wahrscheinlich, aber keineswegs ausgemacht,
da in einem Punkte — die Lendenbekleidung des Mannes mit dem
Wurfbrett — die Kopenhagener Bilder, welche den Mann nackt zeigen, den
Vorrang vor dem Schwedter haben. Neu aber ist, soweit ich zu beur-
teilen vermag — und auf den Kopenhagener Bildern nicht vorkommend —
der im Mittelgrund abgebildete, von rückwärts gesehene Indianer mit der
Federperrücke, der absichtlich so gestellt ist, um diesen interessanten
Kopfschmuck besser zu zeigen.
Viel zur Lösung der Frage, ob die Kopenhagener Bilder die Kopien
der von dem grossen Kurfürsten erworbenen sind oder ob das Verhältnis
umgekehrt ist, würde beitragen, wenn der Name des Malers des Schwedter
Bildes sich würde feststellen lassen.
Grünwedel.
Über den Ausdruck Kalasutra.
In den »Notes and Queries« des »Journal of the Pali Text Society«
1884, p. 76—78 hat Morris verschiedene Erklärungsversuche des Wortes
Kalasutra (Pali: Kälasutta) zusammengestellt: Fausböll übersetzt es
mit »knot« und »a black (tarred?) rope«. Hopkins mit »thread of
Death«. Sen art hält es für »some instrument of punishment or of tor-
ture«. Nach Beals Catena p. 61 wird die Kälasütra-Hölle so genannt:
»because the wretches confined therein are lashed with burning iron
wires«. Dem gegenüber hebt Morris hervor, dass in den von ihm citier-
ten Stellen aus den Jätakas, dem Milindapanha, dem Mabävastu, dem
Pancagatidipana »Kalasutra« eher »the carpenters rule or measuring
line« sein dürfte.
Das folgende japanische Citat, welches sich eng an die von Morris
mitgeteilte Stelle aus dem Pancagatidipana anschliesst, ist deutlicher als
alles bisher Mitcreteilte. Es ist dem buddhistischen Werke Ojöyöshü1)
it £
Heft 1 entnommen.
Kokujö jigoku no koto.
Mitsu ni Kokujö jigokn to iu wa
tökwatsu jigoku no shita ni ari. Ta-
teyoko no hirosa mae ni onaji. Go-
kusotsu zainin wo toraete nettetsu
no chi ni uchifusete nettetsu no
nawa wo motte tateyoko ni su-
miuchi shite nettetsu no ono wo
Übersetzung:
Über die Hölle Kokujö.
Drittens2)* Die Hölle Kokujö
[= schwarzer Faden = Sanskrit:
Käla-sütra] befindet sich unterhalb
der Hölle Tökwatsu [= Sanjivaj.
In der Länge und Breite ist ihre
Ausdehnung der der vorigen [Hölle]
gleich. Die Höllenschergen packen
kompiliert (erabu) von Genshin (cliines. liiän-sin), einem Qramana (Shamon)
des Ryögon-In (chines. Leng-yen-Yüän) der Tendai-(Thien-thai)-Sekte.
2) So in der mir vorliegenden älteren Ausgabe des Ojöyöshü (von Herrn Professor
Grosse in Freiburg freundlichst geliehen), in einer neueren Ausgabe (auf der Kgl,
Bibliothek, Berlin) ist eine andere Zählung befolgt.
motte sumiuchi no nawa ni shita'
gaite kirisaki.
die Sünder und schleudern sie auf
den Boden von glühendem Eisen
hin. Dann ziehen sie mit glühen-
dem Eisenfaden in der Länge und
Breite geschwärzte Richtlinien1)
und spalten mit Beilen von glühen-
dem Eisen längs der geschwärzten
Richtschnur die Sünder ausein-
ander.
Dazu stimmt die Abbildung in der älteren Ausgabe des Ojöyoshü:
Ein Teufel ist damit beschäftigt oben auf dem Kopfe eines Verdammten
das Ende der »geschwärzten Schnur« (japanisch suminawa) eines
gleich näher zu beschreibenden Zimmermanns-Gerätes zu befestigen.
Die vor- und nebenstehen-
den Abbildungen2) zeigen: ein
Zimmermanns - Gerät (Fig. 1),
wie es in der grossen japa-
nisch-chinesischen Encyklopädie
Wakansansaizue Heft 24 p. 4
abgebildet ist. Die Einrichtung
dieses Apparates ist leicht ver-
ständlich: Um die durch eine
Kurbel drehbare Rolle ist ein
Faden gewickelt, der durch die
beiden Wände des vor der Rolle
befindlichen Farbebehälters (su-
mitsubo) hindurch geführt ist und
so gehörig geschwärzt heraus-
25
gezogen werden und dann nach Art unserer »Schnurrolle« oder »Rötel-
schnur« gebraucht werden kann.
Fig. 2 ist nach einem japanischen Modell1) im Museum gezeichnet
und zeigt das Instrument von oben gesehen.
Fig. 3 ist ein dem gleichen Zweck dienendes siamesisches Gerät2)
aus der Museumssammlung.
5 Drei grosse, lackierte und vergoldete Suminawa („Zimmermannsparadegeräte“)
befinden sich in der ostasiatischen Abteilung des Museums.
2) Nach mündlicher Mitteilung von Herrn Dr. Frankfurter allgemein in Siam
üblich.
F. W. K. Müller.
Die drei Welten nach einem humoristischen Bilde
von Utagawa Sadashige.
(Siehe Tafel I.)
Das zugehörige Bild ist die Wiedergabe eines Farbendrucks aus einem,
dem Museum gehörigen, japanischen Sammelband, handschriftlich betitelt:
»Füryü Azumayakusha hyöban nishikie«. Letzterer enthält Theaterscenen1),
Illustrationen zu Erzählungen2) und Märchen3), einzelne Blätter aus grösse-
ren Serien4) u. a. m. — Die Überschrift des Bildes lautet: Kyokun sangai
zue — belehrende Abbildung der drei Welten (Himmel, Erde, Hölle).
Das Bild ist an den Bändern stark beschnitten, um es in das Format des
Albums bringen zu können. Dadurch ist manches verloren gegangen, so
z. B. gleich rechts oben der Anfang der Beischrift, wie links oben ein
Stück des Gefässes, aus dem die Hasen schöpfen. Die etwas verstümmelte
Beischrift lautete wohl: tendö nite ningen no yoshi ashi wo chömen ni
shirushitamau = Die Sonne zeichnet die guten und bösen Thaten der
Menschen in einem Buche auf. Die Abbildung zeigt die Sonnengöttin
mit ihren Begleiterinnen. Eine der letzteren sucht augenscheinlich eine
Stelle in dem vor ihr liegenden ungeheuren Sünden-Register. Links da-
neben erblicken wir einen durch ein Fernrohr nach unten schauenden
Dämon, sowie zwei Dämonen, die damit beschäftigt sind, mit einem
gewaltigen Feuerstahl und einem an einem Tau aufgehängten Feuerstein
Blitze hervorzurufen. Der Holzgriff des Feuerstahls trägt die Aufschrift:
inazuma = Wetterleuchten, Blitz. Neben ihnen sind vier Hasen und
drei Vögel beschäftigt, aus einem grossen Gefäss eine Flüssigkeit zu
b Z. B. zur Chüshingura. Vgl. J. v. Langegg, Midzuhogusa I: Vasallentreue,
Mitford, Geschichten aus Alt-Japan.
2) Z. B. zum Soga monogatari, der Erzählung von der Blutrache der beiden Brüder
Sukenari und Tokimune. Vgl. Anderson, catalogue of the Japanese and Chinese
paintings in the British Museum p. 384, Brauns Japanische Märchen p. 353.
3) Z. B. das Jiraiya-Märchen. Vgl. Brauns 1. c. p. 9—13. J. v. Langegg, japa-
nische Theegeschichten 1884 p. 129—138. Ferner das Shutendöji-Märclien, vgl. J.
v. Langegg 1. c., p. 79. Brauns 1. c., p. 219.
4) Z. B. aus einer Serie der Tökaidö go jü san no tsugi, der 53 berühmten Stationen
des Tökaidö.
27
schöpfen, die durch ein Sieb gegossen wird und nach unten zu wie dichter
Regen fällt. Vielleicht ist das Ganze eine humoristische Darstellung der
Entstehung des Kanro1). Raiden, der Donnergott, umgeben von einem
Kreis von Donnertrommeln sieht dem Windgott Füten zu, der mit Hülfe
eines Fächers seinen Windsack füllt. Der neben ihm liegende grosse
Fächer trägt die Aufschrift go fü = 5 Winde. Der mittlere Teil des
Bildes, die Menschenwelt darstellend, zeigt uns eine Anzahl festlich
geputzter, zum Teil maskierter Leute, die unter blühenden Kirschbäumen
lustwandelnd, unter lebhaftem Geberdenspiel ihrer vergnügten Gemüts-
stimmung Luft machen. Ironisch gemeint ist wohl die Beischrift des
Malers: hitobito yudan subekarazu = niemand darf sorglos sein!
In der Mitte des unteren Bildes erblickt man den Höllenrichter Emma,
an seinem Richtertische schlafend. Der eine der Beamten des Meifu,
= »dunklen Tribunals« reckt gähnend die Arme, der andere ist sanft
eingeschlummert. Die Tafel, shaku2), die er vor sich hält, trägt als Auf-
schrift den Namen des Malers Sadashige. Hat der Maler die Fläche der
Tafel nur sinnreich benutzt um seinen Namen anzubringen oder hat er
humoristisch zu verstehen geben wollen, dass er sich die Unterwelt so
fidel wünsche, wenn er einst dort zu erscheinen hat?
Rechts im Hintergrund steht unbenutzt der Hi no kuruma, der feurige
Wagen, in dem die Seelen der Bösen zur Hölle geholt werden.
Auf einem Pfahle davor ist eine Bekanntmachung angebracht, die
den folgenden Wortlaut hat:
Kama
sonji sörö
ni tsuki töbun
no uchi aiyasumi
möshi sörö
Gozu
— Da der Höllenkessel beschädigt ist, so zeige ich hiermit ergebenst an,
dass ich mich in der Zwischenzeit etwas ausruhen werde.
(Der Teufel) Stierkopf3).
J) Kanro = a sweet dew said to fall from the sky. Hepburn. Vgl. Wakansan-
saizue Heft 3, p. 18 b.
2) Längliches Täfelchen, um Befehle des Herrschers bei Audienzen zu notieren,
jetzt nur noch als Ceremonialobjekt in den Händen gehalten. Hepburn.
3J Zwei häufig abgebildete Teufel: Gozu = Stierkopf und Mezu = Pferdekopf.
Aus dem Buddhismus auch in das taoistische Pandämonium übernommen. Siehe Ethnol.
Notizblatt, Heft 2, pag. 30, No. 81, 82.
Andere buddhistische Typen sind ebendaselbst No. 13, 52, 54, 56, 87, 92, 9 ,
118, 156 u. a. mehr.
28
Zwei grüne und ein roter Teufel sind damit beschäftigt, den lädierten
Kessel wieder zu flicken. Eine Teufelin mit einem jungen grünen Teufel
auf dem Rücken kommt sich nach diesem unerhörten Geschehnis zu er-
kundigen. Über dem Kessel befinden sich noch die folgenden Worte:
jigoku wa onore ga kokoro ni shözu — die Hölle entsteht im eigenen
Innern, diesmal auf den Höllenkessel bezogen. Links vom Richtertisch
Emma’s sehen wir die sogenannte »anklagende und die entschuldigende
Stimme«, beide in gemütlicher Unterhaltung (als 2 Köpfe anf einem
Lotosständer dargestellt). Auf dem Boden ist ein Teufel damit beschäf-
tigt den Jöhari no Kagami (den Höllenspiegel, in welchem die Thaten der
Menschen sich spiegeln) zu polieren. Die »Alte vom Sanzugawa« (die
den Toten die Kleider abnimmt), flickt ihr Tigerfell, auf dem sie gewöhn-
lich sitzt. Neben ihr ein blauer Teufel, der sein Pfeifchen schmaucht,
vor ihr ein grüner, mit Eisenkeule bewaffneter Teufel, der ihr offenbar
etwas sehr Lustiges erzählt, wie die Mienen der Drei zeigen. Das Plakat
rechts hinter der Alten trägt die Aufschrift: Sanzugawa (Dreiwegestrom),
dasjenige links vor dem mit Stacheln besetzten Berg lautet:
jigoku toganin no
hoka noborubekarazu
= Die Verdammten ausgenommen darf hier niemand hinaufsteigen!
F. W. K. Müller.
Zum Fetischwesen der Ewe.
(Siehe Tafel II lind III.)
Dem jüngst verstorbenen Afrikaforscher E. Baumann *) verdankt das
Museum unter vielen anderen wertvollen Stücken auch eine Kollektion
von Gegenständen, die geeignet sind, über den Fetischdienst und den
Aberglauben der Ewe-Bevölkerung des südlichen Togogebietes mancherlei
wertvolle Aufschlüsse zu geben. Baumann hat es jederzeit während seines
mehr als zweijährigen Aufenthaltes auf Misahöhe verstanden, den Inter-
essen der Wissenschaft in vollstem Maasse gerecht zu werden. In ruhigen
Zeiten ein Meister afrikanischer Diplomatie, der ohne je Anstoss zu
erregen es verstand, selbst die grössten Stammes-Heiligtümer nach
Europa zu schaffen, wusste er auch in Zeiten kriegerischer Verwick-
lungen jede sich darbietende Gelegenheit zu benutzen, die Sammlungen
der Königlichen Museen zu bereichern. So erbeutete er während des
Aufstandes der Towe-Leute im März 1895 eine grössere Anzahl von Thon-
und anderen Fetischen, die er als wertvolle Belege westafrikanischeu
Götzendienstes dem Museum für Völkerkunde übersandte.
9 Ernst Baumann war am 9. Februar 1871 zu Grottkau in Schlesien geboren.
Sein Vater war später Krankenhaus-Inspektor in Brieg. Von Haus aus Botaniker,
ging Baumann, nachdem er in erster Linie auf der Seewarte in Hamburg, dann auf
dem Orientalischen Seminar in Berlin sich für den Forscherberuf vorbereitet hatte,
Anfang 1893 im Auftrag des Auswärtigen Amts nach Deutsch-Togo. Während
zweier Jahre war er dort Stationsassistent resp. stellvertretender Stationsleiter \on
Misahöhe, das er auf längere Zeit im Herbst 1894 nur einmal verliess, um die deutsche
Togo-Expedition nach Salaga zu begleiten. Dahingegen war Baumann unstreitig der
beste Kenner der nähern Umgebung von Misahöhe; dafür zeugen zahlreiche und um-
fangreiche botanische, zoologische und ethnographische Sammlungen, die, mit ungt
heurem Fleiss und grosser Sachkenntnis zusammengestellt und mit den ausreichendsten
Angaben versehen, Flora, Fauna und Ethnographie des Gebiets um den mittlern Teil
des Togogebirges annähernd erschöpfen. Einen sehr wertvollen Teil seiner ethno-
graphischen Sammlung verdankt Baumann dem Feldzug gegen die aufständischen
Towe-Leute im März d. J., den er energisch durchführte und in dem es ihm gelang,
eine ziemlich umfangreiche Kollektion von Thonfetischen zu erbeuten.. Im Sommer
d. J. kehrte B. gesund nach Europa zurück, erkrankte aber in Madrid heftig am
Schwarzwasserfieber, dem er, nachdem er sich noch bis Cöln geschleppt hatte, im
dortigen Augusta-Hospital am 3. September erlag. Sein früher Tod ist ein schwerer
Verlust sowohl für die Wissenschaft, in deren Dienst er sich m aufopferndster Weise
gestellt hatte, wie auch für die kulturelle Entwicklung unserer Togo-Kolonie.
30
Baumann war auf Grund seines langem Aufenthaltes im Lande und
seiner Kenntnis der Landessprache mit den Sitten und Gebräuchen des
Volkes aufs Innigste vertraut und somit in der Lage, den von ihm ein-
gesandten Sammlungs-Gegenständen Angaben beizufügen, denen man ohne
jedes Misstrauen begegnen kann. Aus diesem Grunde und aus der Über-
zeugung heraus, dass jede Änderung der ursprünglichen Fassung den
Wert der Angaben nur schädigen würde, sowie aus Pietät gegen die
Manen des Jüngstverblicheuen sind im Folgenden die Originalangaben
Baumanns, wo immer es angängig erschien, unverkürzt wiedergegeben.
I. Thonfetische aus der Landschaft Towe.
»Die Landschaft Towe liegt zwei Stunden südlich der Station Misa-
höhe in der weiten Ebene zwischen Agugebirge im Osten, Kpatavvebergen
im Westen, dem Agomegebirge im Norden und den kleinen Höhenzügen
bei Atigbe und Assaun im Südosten. Das ganze Gebiet lässt sich als
ein grosser, weiter Thalkessel auffassen, in dem eine grosse Zahl kleinerer
und grösserer Wasserläufe wie der Ahä und Häso ihren Weg nehmen,
die alle nach Südwesten zum Todji abfliessen. Die reiche Bewässerung
bedingt eine grosse Fruchtbarkeit, die in dem Vorkommen zahlreicher,
ausgedehnter Wälder von Urwaldcharakter ihren vollkommensten Aus-
druck findet. Der Buschwald beherbergt zahlreiche Olpalmen, die sich
oft zu prächtigen Hainen zusammensehliessen.
Die Fruchtbarkeit des Bodens, der in erster Reihe Yams (Dioscorea)
in einer Reihe von Spielarten und vorzüglicher Güte hervorbriugt, hat
auch eine starke Bevölkerung zur Folge. Auf einem Flächen raum wenig
grösser als drei Geviertkilometer befinden sich fünf grosse Dörfer:
J_ _/ J_ _T
Ahunjo, Avelemme, Ati, Djigbe und Abesia.
Die Geschichte aller die Ewesprache redenden Stämme, soweit sie
noch in der Überlieferung lebt und sich durch vorsichtiges, möglichst
umfangreiches Befragen (nach sorgfältiger, wohlerwogener Ausmerzung des
Unwahrscheinlichen) hat feststellen lassen, deutet auf grosse Wanderungen
von Osten her, in einem Fall zurückverfolgbar bis zu Ende des 17. Jahr-
jf
hunderts. Die Sage verlegt die Urheimat nach Maupe, auch Notje, wahr-
scheinlich ist sie aber in der Gegend des heutigen Makhe zu suchen, im
Norden von Dahomey, da wo auf »unermesslich hohen Bergen eue und
eutre (Sonne und Mond) wohnen«.
Die Toweer scheinen schon weit früher ausgewandert zu sein, denn
die Eingebornen der Landschaft Agome fanden sie bei ihrer Zuwanderung
31
bereits vor und zwar wohnten sie damals bis zum Südabhang des Agome-
gebirges zwischen Jo und Podje; sie werden auch stets als urangesessen
angesehen. Der Volksglaube erzählt, dass sich einst ein Fö genannter
Baum geöffnet habe, dem ein Mann und ein Weib entstiegen seien, aus
deren Kindern und Kindeskindern der heutige Towestamm hervorgegangen
sei. Doch findet die Annahme, dass die Toweleute letzte Reste eines
autochthonen Stammes sein könnten, selbst in der geringen Verschieden-
heit ihres Dialektes, der ihnen mit den Stämmen am Agu gemeinsam ist,
keine Stütze, denn er kann sich sehr wohl durch die jahrzehntelange
Abgeschlossenheit herausgebildet haben. Eine eigene Sprache, wie sie
einer grossen Zahl von Stämmen unseres Togogebietes eigentümlich ist
(Avatime, Logba, Tafi, Buem, Okaü), fehlt ihnen.
Die Toweer galten von altersher als arge Räuber und Wegelagerer,
die wiederholt die angrenzenden Bewohner überfielen und davonführten;
besonders hatte Agome zu leiden, dessen damalige Hauptstadt Kuklupue
(noch heute sieht man die Ruinen in der Nähe von Podji) sie zerstörten
und die Bewohner zwangen, sich auf die Berge zurückzuziehen. Nach
der Neuerstarkung des Agomestammes machte dieser aber von seinen
Felsennestern aus Ausfälle gegen Towe und drängte es bis in die Gegend
des heutigen Palime zurück, später noch eine Stunde südlicher, dahin,
wo sie noch heute sich befinden. Rauhe, rohe Sitten, Unbotmässigkeit
und Lust und Gefallen an Händeln haben sie schon des öfteru seit der
Besitzergreifung Togos durch Deutschland in Streitigkeiten mit der Re-
gierung gebracht und die heutige teilweise Vernichtung des Stammes
herbeigeführt. Die ganze Landschaft, besonders aber Abesia betrieb eine
lebhafte Topfindustrie, nicht minder lockte auch der reichlich vorhandene
Lehm zu figürlichen Darstellungen, die in der Herstellung von Götzen
ihren Ausdruck fanden.
Jedes Dorf besitzt einen Hauptfetisch, der sehr verschieden, meist
aber mit in Reihen angeordneten Kauris besetzt, dargestellt wird. Man
erbaut ihm eine Hütte, häufiger vor, seltener im Dorfe. Alle Haus-
fetische stehen unter diesem Dorffetische legba, sind gewissermaassen nur
seine Organe, und nur der darf sich einen Hausfetisch machen lassen,
der regelmässig dem legba opfert. Der Dorffetisch beschützt das Dorf
in seiner Gesamtheit, die Hausfetische (je nach Anzahl und verschiedener
Darstellung in getrennten Funktionen) Haus und Familie ihres Besitzers«.
Der legba ist in der Baumann’schen Sammlung leider nicht vertreten.
Nach Herold (Mitt. a. d. deutsch. Schutzgeb. 1892 pg. 146) scheint er
das böse Prinzip darzustellen, da die ihm gebrachten Opfer nur den Zweck
haben, das Böse fernzuhalten.
Die im Nachfolgenden aufgeführten Hausfetische zerfallen in mehrere
Klassen, sind aber für jede Klasse meist in mehreren Exemplaren vertreten:
1. Aia. »Er erkennt die Feinde seines Besitzers und tötet sie«.
' J. ‘
Nach Herold (a. a. 0.) weiss Ata alles was im Lande vorgeht, und Vor-
gehen wird, warum z. B. jemand krank geworden oder einen schlechten
Traum gehabt hat.« Afa ist in der Sammlung in vier Exemplaren ver-
treten. Bei allen sitzt die rohe Thonfigur des Fetisches in einem halb-
kugeligen bis flachen Thongefäss, an dessen Boden sich seine Basis
anschmiegt. Auf dieser breiten, massigen Basis erhebt sich ein meist
schlank zulaufender Kegel, aus dessen oberem Teil das Gesicht des Fe-
tisches geformt wurde, solange die Masse noch plastisch war. Das Gesicht
ist entweder bis zu ziemlicher Feinheit durchgeführt (III C 6033. 6036,
Fig. 1 und 5 Tafel III), oder nur durch einige Vertiefungen angedeutet,
die Augen, Nase und Mund darstellen sollen. Bei den beiden ausgepräg-
teren Physiognomien sind die Augen durch Kauris dargestellt. Den Scheitel
krönt in drei Fällen ein Büschel von kleinen Hühnerfedern; beim vierten
(Fig. 5) sind Spuren eines solchen Büschels nicht zu finden. Vor den
Federbüscheln sind bei III C 6033 und 6035 (Fig. 1) Eisenstücke in
den Lehm eingelassen, bei ersterem ein hufeisenförmig gebogenes vier-
kantiges Stück Eisendraht, bei dem andern ein kleines Stück Flacheisen.
Den Hals, wenn man die kaum merkliche Einschnürung des Körpers so
nennen darf, zieren schmutzige Bänder aus Baumwolle oder Bast.
S t
2. Es-se. »Ist nur ein unthätiger Gesellschafter des afa, daneben
JL JL
auch zuweilen als Vermittler zwischen afa und legba gedacht. Er ver-
langt keine Opfer, aber des öftern einen erneuten Anstrich.« Zwei Exem-
plare vorhanden, III C 6040. 41; in, der Form den vorigen ziemlich ähn-
lich. Der Gesichtsausdruck beider erinnert stark an III C 6036 (Fig. 5).
Beide sind mit weisser Thonerde getüncht und tragen eine in den
Wirbel eingesteckte kleine Schwanzfeder eines Papageis (nach Baumann
wahrscheinlich von Agapornis pullaria). Einer der Fetische steht auf
einem blaugemusterten europäischen Porzellanteller, bei dem andern fehlt
der Untersatz.
JL x
3. Wos-sa. »Untersteht dem afa und heilt Krankheiten, doch ver_
mag er nichts ohne dessen Befehl; deshalb muss der Besitzer beiden
opfern. Ist das geschehen, so bringt er den wossa ausserhalb des Dorfes in den
Busch und damit gleichzeitig die Krankheit aus dem Hause heraus.« In der
Sammlung durch zwei sehr von einander abweichende Formen vertreten:
a, III C 6042. Fig. 6 Taf. III. Lehmmasse von 9 cm Höhe; ohne
Untersatz. Der walzenförmige Körper ist rund herum mit reihenweis
33
angeordneten kleinen Kauris besetzt, die bis zur Mitte ihres Volumens
in den hellgrau-braunen Lehm eingedrückt sind. Den kaum angedeuteten
Hals umgiebt eine dünne Schnur mit einigen sehr kleinen weissen Perlen.
Das Gesicht ist wohl ausgebildet, die Augen sind durch zwei Kauris
ersetzt, im Wirbel steckt eine kleine Papageienfeder wie bei den
vorigen.
b. III C 6043. Fig. 2 Taf. III. 24 cm hoch, auf einem tiefen Thon-
topf sitzend. In Form und Ausdruck sehr verschieden von Fig. VI. Die
untere Hälfte des Kopfes ist umhüllt von einem dicken Lehmmantel, der
sich vorn breit öffnet, um für den schnauzenartig weitvorspringenden
Mund Platz zu geben. Die Augen, wiederum zwei Kauris, sind ganz
ungleichmässig angebracht, im Übrigen Kopf und Mantel völlig mit Kauris
besetzt, die, reihenweis angeordnet, oben im Wirbel in vier radialen
Strahlen zusammenlaufen. Eine Feder ist hier nicht vorhanden.
4a. III C 6044. Fig, 4 Taf. III. Bele. »Tötet alle diejenigen, die
von seinem Besitzer Lügen ausstreuen.« Kegelstumpf mit massiger Basis,
die in einem massig tiefen Thongefäss ruht. Ein Gesicht ist nicht aus-
gebildet, wohl aber laufen von einem Kranz von Kauris, der die obere
Endfläche umrahmt, vier andere Kaurireihen divergent nach unten.
4 b. III C 6045. 46. Fig. 2 Taf. III. Zwei Fetische gleichen Na-
mens und gleichen Zweckes wie der vorige, aber ganz anderer Form.
Es sind dies ovale Lehmplatten von 20 bis 25 cm Durchmesser und
ca. 9 cm Dicke. In einem Falle ist von der Scheibe ein Segment abge-
schnitten (Big. 3), im andern ist sie mit einem rechtwinklig abgesteiften
Rand versehen. In der Mitte der Platte sind drei nach oben etwas kon-
vergierende Holzstäbe durchgestossen, die im letzten Viertel ihrer Höhe
gemeinsam einen Stein tragen. »Fällt dieser Stein einstens herunter, so
ist das das Zeichen, dass der unbekannte Verleumder oder Schänder des
Namens im gleichen Augenblicke gestorben ist.« Diese schlackenartigen
Steine sind von verschiedener Grösse, häufig mit Baumwollfäden über-
sponnen und mit Hühnerbiut getränkt. Hühnerfedern sind übrigens auch
der Lehmscheibe an verschiedenen Stellen eingepflanzt.
»
II. Hörnerfetische vom Agugebirge.
Aus einer altern, im Februar 1894 eingegangenen Sammlung Bau-
manns verdienen ein paar Fetische hervorgehoben zu werden, die aus
Nyabo am Agugebirge, ca. 20 km ESE von Misahöhe stammen. Der
Chef jenes Ortes heisst Bliku. »Die Bewohner sind Evveneger, unter-
3
I
— 34 —
scheiden sich aber in Gemeinschaft mit den übrigen das Agugebirge be-
wohnenden Eingebornen von den friedlichen, indolenten Bewohnern der
Ebene westlich von ihnen durch mehr kriegerische, aber auch aufgewecktere
Sinnesart. Räubereien und gegenseitiges Wegfangen von Bewohnern sind
alltäglich, andrerseits findet man hier mehr als anderswo europäische
Kulturgegenstände. Man sieht zinnerne Löffel und Eimer und ausser-
ordentlich häufig europäische Kleidungsstücke, darunter auch Schuhe,
Westen, englische schreiend rote Uniformjacken, Livreen etc.; der Chef
besitzt sogar einen in irgend einer Faktorei abgelegten Divan. Die Ur-
sache dieser Erscheinung ist der starke Verkehr englischer und deutscher
schwarzer Händler, die sich das ganze Jahr hindurch zum Ankauf von
Gummi hier einfinden und viele der eben genannten Artikel als Tausch-
objekte mit sich führen«.
Dieser Einfluss europäischer Kultur erstreckt sich nicht nur auf
Gegenstände des täglichen Gebrauchs, sondern auch auf die des Kultus.
Ein paar ebenfalls aus Nyabo stammende grosse Trommele, die dem Mu-
seum durch Baumann übersandt wurden, führen die Bezeichnung tarn-
pani, in der ohne weiteres die englische Form tympan des alten tym-
panum wiederzuerkennen ist. Ein zu derselben Sammlung gehöriger
weiblicher Fetisch, die Friedensgöttin ebenyon, ist eine Holzfigur mit
über das Haupt emporgestreckten Händen, als wollte sie den Segen des
Himmels auf die Bewohner des irdischen Jammerthals herabfiehen. Nach
Baumann hat es mit dieser Friedensgöttin folgende Bewandtnis:
»God save the king«, sagt der Goldküstenneger, »mavu ledji« der
Bewohner des Agu zu seinem Häuptling, wenn dieser die Göttin ebenyon
neben sich oder auf dem niemals fehlenden, roten, ungeheuren Schirm
zu stehen hat. Dabei erhebt das Volk die Hände, gerade wie es der
Fetisch auch thut.« Dieser Fetisch ist also ebensowenig einheimischen Ur-
sprunges wie der von Henrici (D. deutsche Togogeb. u. m. Afrikareise.
Leipzig 1888. pg. 60) und Herold (a. a. 0. p. 154) erwähnte Gebrauch,
dem Toten drei Hände voll Erde in das Grab nachzuwerfen. Dagegen
glaubt Baumann unbedenklich als autochthon anerkennen zu dürfen:
1. Böne, Fetisch gegen feindliche Kugeln. HI C 5899a’ b. Fig. 7.
Zwei mässig grosse Büffelhörner sind an ihrem offnen Ende mit Baum-
wollzeug verschlossen, das auch den untern Teil des Horns als Mantel
umgiebt. Auf diesem Zeug sind mittelst einer schwarzen Masse zahl-
reiche Kauris in Reihen befestigt, die teilweise verschwinden unter der
Masse der ihnen mittelst Hühnerblut aufgeklebten Francolinusfedern.
2. Akbu, kleiner Hörnerfetisch gegen feindliche Messerstiche (III C
35
5900a’b. Fig. 8). Ebenfalls zwei Hörner eines Tieres, das Baumann
nicht anzugeben vermag, das aber die Eingeborenen als Buschziege be-
zeichnen. Der Fetisch gleicht in seiner Technik dem vorigen sehr, nur
die Federn fehlen.
Fig. 7.
Fig. 8.
Schädeltrommeln aus dem Otsclii-Gebiet.
Im Anschluss an die im I. Heft des Notizblattes p. 39 f. gebrachten
Nachrichten über Trommeln mit Menschenschädeln im Togogebiet sei hier
Folgendes mitgeteilt:
Das Museum ist im Lauf des Sommers in den Besitz von drei
Schädeltrommeln gelangt und zwar ausschliesslich durch die Fürsorge des
trefflichen Baumann. Die grösste der Trommeln stammt aus ciem im
Otschi-Gebiet liegenden Nkonya, entspricht aber nicht den von Herold
in seinem Brief (Notizblatt I) an jenem Ort gesehenen. Die Erwerbung
hat, wie Baumann in einem Privatbriefe mitteilt, ungemein grosse Schwie-
rigkeiten verursacht. Da selbstverständlich keiner der umwohnenden
Stämme von dem Verkauf des Heiligtums das Geringste eifahren duifte,
so wurde, nachdem das Kaufgeschäft mit dem Stammeshäuptling und den
36 —
Fetischpriestern abgeschlossen worden war, die Trommel in dunkler Nacht
aus dem Häuptlingshause geholt, wohl verpackt und danu schleunigst
nach der Station Misahöhe befördert.
Obwohl die Trommel in ihrem Äusseren von der in der Herold’schen
Skizze (Notizblatt I p. 40) wiedergegebenen einigermassen abweicht, so
ist hier dennoch auf eine bildliche Wiedergabe verzichtet worden, da
dieser Unterschied nur unwesentlicher Natur ist. Die Baumaun’sche
Trommel (III C 6128) ist beträchtlich schlanker als die skizzierte, 1,22 m
hoch, bei nur 0,45 m Durchmesser; oben und unten ist der Cylinder
verjüngt. Die Trommel trägt, im Gegensatz zu der Herold’schen und
der vom Missionar Fies (a. a. 0. p. 40) beschriebenen, mit 9 Schädeln
geschmückten Trommel von Ho, nur eine solche Trophäe. Bezüglich des
Gebrauchs ergänzt Baumann die Angaben Herold’s in den Mitt. aus d.
deutschen Schutzgebieten p. 148 in folgender Weise:
»Alljährlich im Oktober findet in Wurupong, der nördlichsten Stadt
der Landschaft Nkonya, das Fest des Hauptfetisches Sia statt, zu welchem
die Fetisch trommeln aus Betinasse, ihrem ständigen Aufbewahrungsort, in
feierlicher Prozession überführt werden. Zwei derselben (die auf keine
Weise erhältlich waren) besitzen grobe Schnitzereien, die dritte (die im
Museum ausgestellte) ist ohne figürliche Darstellungen und gleicht somit
vollständig den Trommeln von Ho und Avatime. Beim Trommeln geraten
die Schädel in Bewegung, sie »nicken«. Ist unter den Teilnehmern am
Fest ein Mann, der demselben Stamm angehört wie der Schädel, und der
Schädel nickt ihm zu, so wird er vom Fetisch Sia getötet, nachdem er
in Irrsinn verfallen ist; doch ereignet sich dies sehr selten, weil die
Schädel meist erschlagenen Aschanti-Kriegern angehören.«
Die beiden anderen Trommeln III C 6067 und 6068 stammen aus
Kpandu. Beide verdankt Baumann der persönlichen Freundschaft des
Königs Dagadu. Sie sind wesentlich kleiner als die Trommel aus Nkonya,
56 cm hoch bei ca. 30 cm Durchmesser, stimmen aber sonst in ihrer
äusseren Form genau mit jener überein. Eine von ihnen ist auf Taf. II
in ‘/3 4er wirklichen Grösse wiedergegeben. Die beiden Schädel stammen
von erschlagenen Aschanti-Kriegern her, ebenfalls die links und rechts
von ihnen befestigte Tibia und Fibula. Die andere Trommel gleicht der
abgebildeten fast völlig, nur das statt der Fibula eine zweite Tibia neben
den Schädeln befestigt und der Rumpf der Trommel mit grauem, rot-
gestreiftem Baumwollzeug umhüllt ist. Beide Trommeln dienten als
Kriegstrommeln.
37
Au dieser Stelle möge im Zusammenhang mit dem Vorhergehenden
erwähnt werden, dass Dr. Zintgraff in den Gefechten gegen die Banjang
im nördlichen Kamerun-Gebiet in den ersten Tagen des Januar 1889
grosse Trommeln erbeutete, die in ihrem Äusseren, einer mir von Dr. Zint-
graff gütigst übermittelten Skizze zufolge, der Herold’schen Trommel von
Nkonya auffallend ähneln. Auch diese Trommeln waren rundherum mit
Menschenschädeln behängen, die beim Trommeln mit der Kinnlade klap-
perten (Nord-Kamerun p. 152). Leider war Zintgraff in jener kritischen
Zeit nicht in der Lage, eins der interessanten Stücke für das Museum zu
retten, sondern gezwungen, sie zu verbrennen.
K. W e u 1 e.
Indianische Kartenzeichnungen und Kerbstöcke.
In der Sammlung, die der Zoologe Herr Dr. Böhls bei denLengua
am rechten Paraguayufer (ungefähr 23° s. Br.) angelegt hat, befindet sich
(V. C. 1830) eine Kalebasse mit einer eingebrannten, aus Schlangenlinien
und Knäueln bestehenden Zeichnung. Der Scheitel der Frucht ist mit
3 konzentrischen Kreisen umgeben, vgl. a der Abbildungen. Von hier
aus läuft an zwei sich gegenüberliegenden Stellen je eine Doppellinie zu
dem Oberteil der Kalebasse hinauf und endet unterhalb des mit spitzge-
zacktem Rand ausgeschnittenen Deckels. Die zweilinige Bahn wickelt
sich aut der einen Seite zu 5, auf der andern zu 4 Knäueln auf, vgl. b
bis k der Abbildung; die Knäuel sitzen sämtlich endständig den Ab-
zweigungen der Hauptbahn auf, ausgenommen bei b, wo sie selbst sich
aufrollt und dann erst fortsetzt. Herr Dr. Bohls hat von einem Indianer
39
die Erläuterung empfangen, dass die Figur a den Toldo bedeute, in dem
sie sich zur Zeit aufhielten, und dass die Knäuel andere Toldos darstellten,
zu denen man nach der einen oder nach der entgegengesetzten Richtung
in der vorgezeichneten Reihenfolge und Verteilung hingelange. Es liegt
also eine Kartenzeichnung vor, wie sie gewöhnlich in roherer Art und
Weise zur Auskunft in den Sand gemalt wird. Weitere Einzelheiten
werden nicht berichtet.
Das Museum besitzt noch ein zweites ähnliches Beispiel (V C 461)
in einer andern Lengua-Sammlung. Hier ist die Kartenzeichnung auf einem
kleinen Rasselkürbis, vgl. die Abbildung, ein-
geritzt. Sie verläuft als eine mehrfach rechts
oder links Wegstücke abzweigende und zum
Teil quer gestrichelte Bahn von dem Frucht-
scheitel abwärts in der Richtung des Flaschen-
halses, den der Indianer oder (nach Dr. Bohls)
das Indianerkind umfasst hält, wenn die Rassel
geschwungen wird. Die Mitte der Zeichnung
stellt eine ovale Verbreiterung dar und müsste,
nach der Erklärung für die Bohlssche Kalebasse
zu urteilen, einem Toldo entsprechen; gemäss
der centralen Lage und beim Fehlen anderer
Toldos dürfte sie selbst den Toldo des Künstlers bedeuten.
Beide Fruchtschalen weisen noch sonstige Zeichnungen auf, die keinen
Anlass zur Erörterung bieten. Dagegen ist es vielleicht in diesem Zu-
sammenhang von Interesse, die beiden nebenstehend abge-
bildeten Kerbstöckchen der Sammlung Bohls zu erwähnen.
Der Lengua schneidet, an dem einen Ende des Stöckchens
beginnend, für jeden Tag seiner Reise eine Kerbe ein und
fängt beim Rückmarsch von dem andern, noch freien Ende
des Stöckchens zu kerben an. So ist er unterwegs in der
Lage zu berechnen, wie viele Tage er noch von seinem
ersten Ausgangsort entfernt ist. Bei der Rückkunft wird
das Kerbstöckchen in der Mitte durchgebrochen.
von den Steinen.
Zur Ornamentik der Maori.
Im »Ethnolog. Notizblatt« Heft II habe ich kurz über alte Canoe-
Schnitzwerke aus Neu-Seeland berichtet und eine ausführlichere Publi-
kation derselben in Aussicht gestellt. Inzwischen hat H. Schurtz in
einer sehr interessanten und lesenswerten Abhandlung über die Kunst-
stile der Naturvölker (Zeitschrift für Bauwesen 1895) die Bugzier dieses
Bootes abgebildet und Darstellungen von drei Yögeln auf derselben nach-
gewiesen. Da meine ausführlichere Veröffentlichung vermutlich erst im
nächsten Jahre erfolgen wird, möchte ich einstweilen darauf hinweisen,
dass ausser den drei von H. Schurtz erkannten Tieren noch zwei weitere
dargestellt sind und zwar nahe dem unteren Rande des grossen Längs-
stückes, da wo dieses dem langen, mit kleinen Vögeln in der Art der
mähe make verziertem Horizontalstück aufruht. Diese beiden Tiere scheinen
auf dem Rücken zu liegen, während die drei von H. Schurtz erkannten
aufrecht stehen; sie unterscheiden sich auch dadurch von diesen, dass sie
nicht runde, sondern etwas längliche Augensterne haben. Sie sind nicht
ganz leicht zu erkennen und auch die Maori selbst, denen der gegen-
wärtige braunrote Anstrich des Stückes zu »danken« ist, scheinen sie
übersehen zu haben; wenigstens sind auch die Augensterne braunrot über-
malt und nicht weiss, wie sonst stets, wo sie als solche erkannt wurden.
Man kann übrigens beide Tiere ganz gut auf der Zeichnung Abb. 59
bei H. Schurtz erkennen, noch viel besser freilich auf dem direkt nach
dem Original hergestellten Lichtdruck meiner Tafel in Heft II des Notiz-
blattes auf der Abbildung rechts unten.
v. Luscban.
Eine wertvolle Sammlung, die (von unbekannten
Teilen Neu-Guinea’s her) dem hiesigen Museum aus
dem Nachlass eines ungarischen Reisenden zuge-
gangen war, wurde, früherer Ansprüche wegen,
dem Ethnologischen Museum in Budapest über-
lassen, unter gegenseitiger Vereinbarung über spätere
Rücksendung von Doubletten (im Tauschverkehr).
Aus damals vorläufig aufgenommenen Photo-
graphien grösserer Holz-Idole folgt eine derselben
anbei, und wird darauf später, bei den (auch
im Museum zu Budapest) bevorstehenden, Veröffent-
lichungen zurückzukommen Gelegenheit sein (für
anschliessende Einzelnheiten).
Ostafrikanische Erwerbungen im Jahre 1895
Die lange Reihe von Erwerbungen des Königl. Museums aus Ostafrika beginnt mit
einem Geschenke von Herrn Lieutenant R. Böhmer. Unter den 29 durchwegs sehr
schönen und wertvollen Stücken dieser Sendung ist ein Stück, III. E. 3803, ganz besonders
bemerkenswert: Eine grosse, ganz mit allerhand Amuletten behängte Hanf-Pfeife aus
Ugogo mit einem Flaschenkürbis von 0,70 m Länge; an derselben sind an dünnen Leder-
streifen oder an gedrehten Schnüren zunächst eine Menge vou Tierknochen befestigt und
zwar, nach einer Herrn Matschie zu verdankenden Bestimmung, ein Schulterblatt und ein
Bein von Cephalophus monticula, Thunb., der Zwerg-Antilope, sowie ein Lendenwirbel,
der wahrscheinlich demselben Tiere angehört; ferner ein Unterkiefer der Borstenratte,
Aulacodus swinderenianus, Tessin und zwei Unterkiefer des Maki, Galago crassicau-
datus Ptrs, dann der Zwischenkiefer einer Procavia und ein Schädel der Pantherschild-
kröte, Testudo pardalis L. sowie der Unterkiefer eines Fisches, Bagrus; ferner sind ein
Stück Beinhaut und ein Schwanzschild derselben Schildkrötenart angehängt; zwei grosse
Stücke vom Halsende von Flaschenkürbissen, drei zugespitzte Holzstäbchen und ein
Stück Messingdraht gehören wohl zum engeren Inventar des Rauchers, als Behälter für
Hanf und als „Pfeifenräumer“, ebenso vielleicht ein ganz kleines eisernes Messerchen
mit quergestellter Schneide sowie eine runde Scheibe aus einem Flaschenkürbis, die als
Ersatzstück für die Platte gelten kann, die bei ähnlichen Wasserpfeifen stets zur Ver-
stärkung der Wand da angebracht ist, wo der Pfeifenstiel in den Kürbis eingepflanzt
wird; die anderen Dinge hingegen, die noch weiters an der Pfeife angebracht sind,
können, wie die Knochen, wohl nur wieder als Schmuck oder als Amulet betrachtet
werden; und vor allem zwei grössere bearbeitete Stücke Stahl, wohl von europäischen
Flintenschlössern, ein Stück zusammengerolltes Eisenblech, eine eiserne Spirale, an-
scheinend von einem alten Speerschuh, eine grosse Öse aus Eisendraht, ein Ring aus
Messing, ein anderer aus Eisen, ein Stück Baumrinde, ein Stück von einem Rhizom und
schliesslich eine Schnur mit sehr ungleichmässigen, anscheinend recht alten weissen
Glasperlen.
Die übrigen Stücke des Böhmer’schen Geschenkes seien hier nur kurz aufgezählt,
sie werden demnächst an anderer Stelle1) ihre wissenschaftliche Verwertung finden:
III. E. 3804. Tabakspfeife. Ugogo.
- 3805/6. Zwei Büchsen für Schnupf-
tabak aus Rhinoceroshorn.
Ugogo.
- 3807. Eiserne Pincette. Ugogo.
- 3808. Brenneisen zum Bohren von
Löchern. Ugogo.
- 3809. Trommel. „
- 3810. Zither mit 6 Saiten. Ugogo.
- 3811. Messer, sichelförmig. „
III. E. 3812. mbaso, Hacke (Axt) mit querge-
stellter eiserner Klinge.
Ugogo.
- 3813. nhengo, Beil. Ugogo.
- 3814. nhemo, do. „
- 3815. Wurfkeule aus Holz. Ugogo.
- 3816. Lederköcher mit 11 Pfeilen.
Ugogo.
- 3817. Schwert mit Scheide. Ugogo.
- - 3818. 3 Pfeilspitzen (i. Arbeit).
') Ethnographie von Ostafrika. Von F. v. Luschan. Berlin, Dietrich Reimer 1896.
III. E. 3819. Ziegeuhaut zum Tragen von
Kindern. Ugogo.
- 3820. Lederriemen mit 10 eisernen
Schellen. Ugogo.
- 3821. Eiserne Kuhglocke. Ugogo. (?)
- 3822. Bruchstück einer eisernen Hals-
kette. Ugogo.
- 3823. Ohrschmuck mit Eisen- und
Kupferdraht. Ugogo.
- 3824. Pincette zum Haarausziehen.
Ugogo.
- 3825. Leibgurt für Männer, m. kleinen
Eisenketten und europäischen
Glasperlen. Ugogo.
III. E. 3826. Halskette aus Eisendraht.
Ugogo.
- - 3827. Armspirale aus Kupferdraht.
Ugogo.
- - 3828. Holzlöffel. Ugogo. (?)
- - 3829. Spielzeug, 3 ßuckelochsen aus
Thon, Wahehe-Arbeit.
- - 3830. Musikinstrument (6 Saiten).
Wahehe.
- 3831. Doppelglocke aus Holz (Zau-
bertrommel), als Klöppel die-
nen auf jeder Seite je fünf
dünne Holzstäbchen. Usagara.
Von sehr grosser Bedeutung für unsere Sammlung war der Ankauf von 63 Stücken
aus dem Nachlasse des Freih. v. Bülow; unter diesen befinden sich u. a. ausgezeichnet
schöne Speere von den Wassukuma, Wagogo und Massai, eine sehr schöne kleine Axt
aus Usaramo und eine andere kleine Zieraxt von den Makua, mit dem geschnitzten
Kopf einer Frau mit grosser Lippenscheibe (pelele). Die wichtigsten Stücke auch dieser
Erwerbung werden in dem eben erwähnten Buche zur Abbildung gelangen.
Gleichfalls durch Ankauf ist das Museum auch in den Besitz eines Teiles der
Sammlung des Lieutenant d. Res. Herrn L. Meyer gelangt, die dieser auf seiner
Antisklaverei-Expedition in den Uferländern des Victoria Nyansa zusammengebracht hat.
Unter den durchweg ausgesucht schönen und wertvollen Stücken nehmen den ersten
Rang ein diejenigen aus Ugaya, dem Kavirondo der Küstenleute. Besonders prachtvoll
ist der Helm eines Kriegers. Auf der gewöhnlichen, kegelförmigen, in diesem Falle
unten dicht mit Kauris, oben mit den leuchtend roten Früchten von Abrus precatorius
besetzten Kappe liegt eine ovale Lederscheibe, deren Rand dicht mit den prachtvollsten
Straussenfedern besetzt ist, dergestalt, dass sich über dem Haupt des Trägers eine Art
Heiligenschein ausbreitet.
Weniger phantastisch, aber immer noch wild genug sieht ein Kriegerhelm aus, der,
aus einer dichten Löwenmähne gefertigt, einer stark nach hinten verlängerten Greuadier-
mütze gleicht. Ob die als Kokarde dienende, vorn an der Mütze befestigte Kauri
autochthon oder aber eine Nachahmuug deutscher Schutztruppenuniform ist, mag vor-
läufig dahingestellt bleiben.
Von ungewohnt grossen Dimensionen ist ein Saiteninstrument, das in kleineiem
Massstabe, aber in viel eleganterer Arbeit in Ussoga, der östlichsten Provinz von
Uganda, gefertigt wird. Gewaltig ist auch der Kriegsspeer eines Kavirondomannes, den
Lieutenant Meyer in einem seiner zahlreichen Gefechte gegen diesen räuberischen Stamm
erbeutete. Der Speer misst nicht weniger als 2,84 m, eine Länge, die in Afrika von
keiner andern Speerart erreicht wird.
Ein an dem Speerschaft befestigter Fellring mit lang flatterndem Haarbüschel giebt
Kunde davon, dass dem Speer schon ein Menschenleben zum Opfer gefallen ist.
Als letztes Stück aus Ugaya sei einer jener riesigen Schilde erwähnt, deren das
Museum schon seit einigen Jahren mehrere besass, ohne jedoch ein derart wohlerhaltenes
und schönes Exemplar aufweisen zu können. Diese aus starker Büffelhaut bestehenden
Schilde sind von ovalem Schnitt, auf der Aussenseite geritzt und ähnlich wie bei den
Massai bemalt und schliesslich in der kurzen Axe nach hinten gebogen. Getragen werden
sie an einem starken, gabelförmigen Stock, der mit seinen beiden Zacken in die Leder-
riemen der Mittelnaht fasst. Die Schilde sind so gross, dass sie für zwei und mehr
Männer Deckung bieten.
Aus dem in den letzten expeditionsreichen Jahren viel begangenen Ussukuma
stammen ein paar Lederschilde niit quer gerichteter Aufwölbung, die an ihren Enden
44
Holzbretter und an den Längsriemen Eisen- oder Messingschellen zur Hervorbringung
des Gefechtslärms tragen. Auch eins der Messer mit Knochenschale, die wir in der
Sammlung des Grafen von Götzen wiederfinden, treffen wir hier an.
Ganz neu für das Museum ist aus Ussukuma ein Armschmuck aus Elfenbein. Ein
halber Cylindermantel von Elfenbein, der oval geschnitten ist, hat in der Mitte ein Locli
von Oberarmsstärke. Vermittelst dieses so auf den linken Oberarm geschoben, dass die
konkave Seite nach unten sieht, ist er eins der originellsten Schmuckstücke, die wir aus
Ostafrika kennen.
In der Litteratur ist diese Art Armband nirgends erwähnt, was um so auffallender
ist, als unser Gewährsmann dasselbe ungemein häufig vorgefunden hat.
Willkommene Ergänzungen unserer schon ziemlich umfangreichen Sammlungen aus
den Nyansaländern sind
ein alter Wataturuspeer,
ein paar kleine Wurfspeere aus Uduha in Ost-Ussukuma,
eine prachtvolle Waganda-Flöte aus Mtamahalm, mit Leder und Perlen überzogen,
einer der langen hölzernen Wassibaspeere mit Eisenschuh uud
ein Ambatsch-Schild von der Insel Ukerewe.
Als letztes Stück bleibt ein Unicum unserer Sammlungen zu erwähnen, nämlich eine
grosse Trommel von der Insel Uvuma, jene m Eiland vor dem Ausfluss des Nils aus dem
Victoriasee, dessen streitbare Bewohner den Waganda so oft und so erfolgreich Wider-
stand geleistet haben.
Als ein Geschenk des früheren kaiserlichen Dragomans in Dar-es-saläm, Herrn
Dr. Neuhaus, ging uns eine sehr wertvolle Serie von sieben grossen Modellen von
Mrima-Fahrzeugen zu, unter denen bisher mehrere selbst dem Namen nach hier
unbekannt waren. Ganz besonderes Interesse erweckt das Galawa, ein kleines Fischer-
fahrzeug, Einbaum, aber mit zwei langen Auslegern uud einem grossen Segel, ein
Typus, dessen Heimat wohl in Madagascar zu suchen ist, während andere Boote der
Mrima arabischen und indischen Ursprung haben.
Herr Reg.-Baumeister Klingholz schenkte eine sehr erwünschte Serie ausgezeich-
neter Gipsabgüsse von Putz-Ornamenten von einem Grabe bei Dar-es-saläm und eine
Reihe von sehr lehrreichen Photographien.
Von ganz besonderer Bedeutung sind die folgenden Stücke, eine Schenkung des
Herrn Lieutenant Graf Goetzen:
3919. Speer. Meatu. III. E. 3938. Lindo-Schachtel m. Deckel.
3920. „ 35 Msalala.
3921. Speerspitze. 33 - - 3939. Ilolzgefäss. „
3922. 11 vergift. Pfeile. 33 - - 3940. Köcher m. 12 Kriegspfeilen.
3923. 2 Stücke Tabak. 33 Uschirombo.
3924. Baumwollengewebe. 33 - - 3941. 5 Vogelpfeile. „
3925. Leibgurt. Ost-Ussukuma. - - 3942. Tabakspfeife. „
3926. Kriegskopfschmuck, Wassu- - - 3943. 2 Ringe aus Elefantensehne.
kuma Waaduli. Uschirombo.
3927. Kopfputz. Ost-Ussukuma. - - 3944 Resonanzboden. „
3928, 7 Ohrpflöcke. 33 - - 3945. 2 gefl. Körbe. „
3929. 4 Armringe. 9) - - 3946. Speer. Wangoni.
3930. eis. Unterarmring. 33 - - 3947. 33 33
3931. 2 Halsbänder. 33 - - 3948. Schildstock. „
3932. 2 Halsketten. 33 - - 3949. Kriegerkopfputz. „
3933. 1 33 - - 3950. Gefl. Kappe. Unyoro.
3934. Messer m. Sch, 3) - - 3951. Halskette. „
3935. Gefl. Korb. 33 - - 3952. Schurz aus Ziegenfell. Ruanda.
3936. Schnupftabaksdose. 33 - - 3953. Kriegskopfschmuck. „
3937. Tanzklapper. 3.3 - - 3954. Unterleibsschmuck. „
45
III. E. 3955. Unterleibsschnüre. Ruanda.
- - 3956. Halsschnur.
- - 3957. Halsschmuck.
- - 3958. 2 Stück Halsschmuck.
- - 3959. 3 „
- - 3960. 2 Amulette.
- - 3961. 15 Fussringe.
- - 3962. 2 Armringe (Eisen).
- - 3963. 9 „ (Kpfr.Messg.)
- - 3964. 2 „ (Eisen).
- - 3965. Frauenkopfschmuck. ,
- - 3966 Holzkamm. >
- - 3967. Pfeifenkopf (Thon).
- - 3968. 2 Speerspitzen. „
- - 3969. Haumesser. „
- - 3970. 6 Pfeile.
III. E. 3971. Kinderbogen. Batembo.
- - 3972. 2 Holzspeere z. Rattenfang (?).
Butembo,
- - 3973. Schnupftabaksbüchse. „
- - 3974. 2 Löffel (Knochen). „
- - 3975. 2Rasiermess. m.Futteral. „
- - 3976. Amulet. „
- - 3977. Halskette. „
- - 3978. Armschmuck. Busira Kase-
keseke.
- - 3979. 3 Angelschnüre m. Angeln.
Butembo.
- - 3980. Holzgefäss m. Stiel.
- - 3981. 2 gewebte Zeugstoffe. Kaware-
ware.
So verdankt also das Königliche Museum der jüngsten erfolgreichen Durchquerung
Afrikas eine Sammlung, die besonders für die bis dahin noch völlig unerforschten
Regionen zwischen Kagera und Lualaba wichtig ist. Auf die hauptsächlichsten Stücke
der Sammlung ist im Notizblatt 2 pg. 34 ff. ausführlich hingewiesen worden. Nach Land-
und Völkerschaften geordnet, verteilen sich die übrigen, dort nicht erwähnten Stücke
folgendermassen:
Meatu: 11 vergiftete Pfeile, teils mit vergiftetem Mittelstück, teils mit idiotischer,
kolbenförmig verdickter Holzspitze.
2 Stück Tabak von der Form eines grossen Handkäses,
üssukuma: Gemustertes an den Schmalseiten gefranztes Baumwollgewebe aus
Nindo.
Leibgurt aus einem Lederriemen, völlig überdeckt von spiralig gewickeltem
Messingdraht. Einer der in Unyamwesi und den benachbarten Landschaften
so häufig wiederkehrenden Kopfringe aus Zebramähne.
4 Armringe aus Rhinozeroshorn gefertigt; einer aus Eisendraht.
Ein Messer mit Scheide. Die Klinge auffallenderweise mit Knochengriff.
Gefl. Korb.
Schnupftabaksdose aus einer kugelförmigen, mit Staniol belegten Fruchtschale.
Auch in Unyamwesi häufig.
Aus Msalala: Eine der bekannten, als Reisekoffer dienenden Lindoschachteln und
ein 3beiniges Holzgefäss.
Von den Wasumbwa in Uschirombo: Köcher aus Holz mit Strichornamentik. Darin
Kriegspfeile von der Art, wie sie über den ganzen Süden des Nvansagebietes verbreitet
sind, und Vogelpfeile mit den über ganz Ost- und Südafrika verbreiteten, rhomboedrisch
endenden, konisch verdickten Holzspitzen.
2 Körbe nach Art der Wahumaarbeit.
Von den Wangoni (Sulustamm): 2 Speere, ein Schildstock mit Leopardenfellschmuck
und Bastring und einer jener riesigen Wulste aus Geierfedern, die in neuerer Zeit, infolge
der häufigen Expeditionen gegen die anderen Sulustämme des Schutzgebiets (Wahehe,
Mafiti) so häufig nach Europa kommen.
Als letzte Belege ostafrikanischer Kultur seien erwähnt:
Eine kunstvoll geflochtene, mit Fransen überdeckte baumwollene Kappe aus Unyoro.
Ebendaher ein Halsband aus schwarzen Perlen mit schön punktierten Elfenbeincylindern
dazwischen.
Aus der Ruanda-Sammlung sind noch zu erwähnen:
Ein Satz Fussringe von der Art der von den Wassiba verfertigten Nyerere, eine An-
zahl Armringe aus verschiedenen Metallen, ein hölzerner Kamm mit 4 sehr weit aus-
46
eiuanderstehenden Zinken, ein Pfeifenkopf ans Thon, 2 Speerspitzen von Wahumatypus
und 6 Pfeile mit eingesteckten Eisenspitzen.
Aus dem westlich von Ruanda gelegenen Butembo sind noch zu erwähnen:
Eine Schnupftabaksbüchse aus Bambus, mit Strichornamenten.
2 Löffel aus Knochen.
2 Rasiermesser, mit Futteral aus 2 Holzplatten.
1 Halskette aus schwarzen Früchten.
1 Armring aus zierlichem Grasgeflecht und
Einige Angelschnüre mit derben Eisenhaken ohne Widerhaken.
Her altbewährten Gönnerschaft des kaiserlichen Gouverneurs von Deutsch-Ostafrika,
Herrn Major Dr. von Wissmann, dem das Kgl. Museum schon eine so grosse Reihe
ausgezeichneter und wahrhaft grundlegender Sammlungen verdankt, haben wir auch in
diesem Jahre für zwei Stücke zu danken. Er hat uns einen Halsschmuck mit Rinder-
zähnen von den Konde und einen sehr merkwürdigen eisernen Schemel der Wawemba
zugewendet. Ausserdem aber darf hier nicht unerwähnt bleiben, wie grosse Hoffnungen
auch die Ethnographie auf die Wirksamkeit v. Wissmanns in seiner neuen leitenden
Stellung zu setzen berechtigt ist und wie wir von dem Interesse und dem Verständnis
des neuen Gouverneurs eine bisher ungeahnte Fülle neu zuströmenden wissenschaftlichen
Materiales erwarten dürfen.
Herr Lieutenant Werth er schenkte einen Fellschurz von der Insel Ukerewe und
der seither verstorbene Bezirksamtsschreiber in Saadani, Herr Kleine, fünf besonders
schöne Speere, darunter einen der hier noch so seltenen Stossspeere der Wahehe.
Gleichfalls von den Wahehe stammt ein ausgezeichnet schöner, mit Kopf und Hals
von Balearica gibbericeps, Rchw. verzierter Kopfschmuck, der mit acht anderen
Stücken aus Ostafrika aus Düsseldorf angeboten und angekauft wurde.
Durch Ankauf wurde auch eine von der Wasswahili-Küste stammende arabische
Kaffeekanne und ein „Linienblatt“ erworben, das aus einem dünnem Holzbrett und auf-
gespannten Bindfaden besteht. Beim Gebrauche wird das zu beschreibende Blatt auf das
Brettchen gelegt und mit dem Handteller so lange gestrichen bis die Bindfaden überall
deutlich sichtbar geworden sind.
Eine Reihe ganz auserwählt schöner und wertvoller Stücke hat Herr Professor Dr.
Volkens als Geschenk übergeben. So das Gehäuse einer sehr grossen Achatina-
Schnecke, das bei den Dschagga als Giftbecher bei Gottesurteilen dient1), zwei alter-
tümliche Elfenbein-Armringe, zwei Holzgefässe und ein hölzernes Rufhorn der Dschagga,
mit dem die Dorfhäuptlinge ihre Leute zum Kriege und zur Arbeit zusammenblasen
lassen; die übrigen Stücke dieser Zuwendung sind die folgenden:
Mäd-
für
III. E. 4135. Zwei Schmuckringe für das
Handgelenk, m. bunten Perlen.
Dschagga.
- 4136. Stirnband für Frauen,
bunten Perlen. Ugueno.
- - 4137. Halsring aus Messing,
Frauen. Ugueno.
mit
für
III. E. 4129. Schamschürze kleiner
chen. Dschagga.
- 4130. Drei eiserne Halsringe
Frauen. Dschagga.
- 4131. Hüftschnur einer Frau, mit
hellblauen Perlen. Dschagga.
- 4132. Lederrock für Frauen, mit
Perlen. Dschagga.
- 4133/4. Fünf Ringe für das Hand-
gelenk und den Oberarm.
Dschagga.
Der Schwerpunkt unserer ostafrikanischen Erwerbungen fällt auch in diesem Jahre,
wie schon früher, auf die durch die Bemühungen Dr. Stuhlmanns beschafften Sammlungen.
Dieser unermüdliche Forscher war diesmal auch von Herrn Lieutenant v. Grawert, Bezirks-
Richter Frh. v. Rechenberg, Herrn v. Rode, Oberarzt Dr. Schwesinger, Lieutenant Stentzier
*) Vrgl. Verb. d. Gesellsch. f. Erdkunde, Berlin 1895, p. 172.
47
und Herrn Zollamtsassistenten Trapp unterstützt worden. Zunächst verdanken wir
Herrn Stuhlmann zwei Schädel von Wanyamwesi, sowie drei Masken und drei kleine
Holzfiguren der Makonde; ferner eine Reihe von überaus merkwürdigen chinesischen
Porzellan-Gefässen von Yumbengräbern der Mrima, die dem 13. —16. Jahrhunderte
angehören und einen interessanten Beleg für die Handelsbeziehungen jener Zeit bilden.
Die gegenwärtigen Beziehungen zu Indien sind durch ein kleines bunt bemaltes Thon-
gefäss und eine mit bunter Seide abgesteppte Kopfbedeckung vertreten, wie sie aus
Bombay nach der Mrima exportiert werden; aus älteren Sammlungen wandte uns Herr
Stuhlmann diesmal eine schöne, geschnitzte Holzflasche der Somali zu, sowie einen
grossen 10,4 cm langen Ohrpflock der Massai am Rudolf-See aus Elfenbein mit eingeritzten
Verzierungen, der von der Expedition des Grafen Teleki stammt.
Die grosse Sammlung, an deren Zustandekommen auch die oben erwähnten
sechs Herren beteiligt waren, umfasst die
III. E. 4026. Thonpfeife. Wadigo.
- - 4027. Wasserpfeife. Uluguru.
- - 4028.
- - 4029. Schöpflöffel.
- - 4030. Weiberschurz. „
- - 4031. Thontopf. „
- - 4032. Graphit z. Schwärzen. „
- - 4033. Messer mit Scheide. West-
Uluguru.
- - 4034. Wasserpfeife. „
- - 4035. Halsschmuck für Frauen.
Ukami
- - 4036. Saiteninstrument. Wakaguru.
- - 4037. Armspirale aus Messingdraht.
Wakaguru.
- - 4038. Desgl. „
- - 4039. 2 Holzschellen. „
- - 4040. Kopfschmuck. „
- - 4041. Wedel aus Tierschwanz. „
- - 4042. Schamschurz. ,,
- - 4043. Holzkeule. »
- - 4044. Lederköcher mit 9 Pfeilen und
1 Feuerzeug. Wakaguru.
- - 4045. Schwert m. Scheide. „
- - 4046. Pfeifenkopf aus Thon. „
- - 4047. Rasselinstrument. Usaramo.
- - 4048. 2 Tanzschmuckstücke. „
- - 4049, Spielzeug, Nachbildung eines
Gewehres. Usaramo.
folgenden Nummern:
III. E 4050. 2 Halsbänder. Usaramo.
- - 4051. 3 Haarnadeln. ■
- - 4052. Haarpfeil. „
- - 4053. kl. Holzfigur, weiblich. „
- - 4054. Wasserpfeife.
- - 4055. 2 Abklatsche von arab. Grab-
inschriften. Dar-es-Saläm.
- - 4056. 1 Holzpuppe $ Mikindani.
- - 4057. 2 Holzmasken u. $
Makonde.
- - 4058. 2 Nasenpflöcke für $ „
- - 4059. Lippenscheibe (Holz). „
- - 4060. 2 Holzschmuckstücke. „
- 4061. Trommel ohne Fell. „
- - 4062. Thontopf.
- - 4063. Thonschale. „
- - 4064. Feldwerkzeug.
- - 4065. Stuhl.
- - 4066. „ Mahenge.
- - 4067. Speer. Wayao.
- - 4068.
- - 4069. Köcher m. 13. vergift. Pfeilen.
Wayao.
- - 4070. Bogen.
- - 4149 —51. Drei Nackenstützen.
Wabena.
- - 4152. Messer mit Hornschale.
Wangindo.
Ganz besonderen Dank schulden wir Herrn Dr. Stuhlmann auch für eine Reihe von
Gipsmasken, die er mit grosser Sorgfalt und Mühe hergestellt hat. Die bisher eingesandten
Negative sind die folgenden: Vier von Wayao, drei Wassukuma, zwei Wanyamwesi,
zwei Waganda, zwei Waangasidya, drei Schilluk, zwei Wakussu, drei Wangoni, ein
Mbissa, ein Mfipa, ein Msaramo, ein Mkami, ein Diggani, ein Nuba. Ausserdem sind
ganze Vorderkörper von je einem Myao und einem Msaramo vorhanden, der Abguss
einer Hand eines Comoro-Mannes und vollständige Zahnabgüsse von einem Mbissa, einem
Mkami, einem Nuba, einem Schilluk, einem Bongo, einem Msagara, einem Mnyamwesi
und von drei Waganda.
Eine kleine sehr merkwürdige Thonfigur, in Magdischu gefunden, hat uns Herr
48
Caesar Wegener geschenkt, sie ist zweifellos einem älteren indischen Vorbilde naeh-
gebildet, vielleicht von einem afrikanischen Künstler, und auf afrikanischem Boden.
Frau Konsul Vohsen schenkte einen älteren chinesischen Schalendeckel aus Lamu,
der eine interessante Ergänzung der uns von Dr. Stuhl mann geschenkten chinesischen
Gefässe aus Ost-Afrika bildet.
Herr Konsul V ohsen vermehrte unsere Sammlungen von der Mrima durch Zuwendung
eines Reali meusi (fedhdha ja schämi), eines Maria-Theresiathalers.
Durch Ankauf auf einem Wohlthätigkeits-Bazar erwarben wir eine verzierte Axt
und eine kleine Keule, beide anscheinend von Makua oder Makonde stammend, sowie
eine Kokosnussraspel (mbusi), die dadurch merkwürdig ist, dass sie ungleich allen anderen
Raspeln dieser Art die Form eines Koranpultes hat und so ein interessantes Streiflicht
auf die Laxheit der religiösen Anschauungen der Wasswahili wirft.
Ein ganz besonders erwünschtes grösseres Geschenk ist Herrn Lieutenant Glau-
ning zu verdanken, der uns noch eine mit anerkennenswerter Sachkenntnis ausgewählte
Sammlung meist von den Wangindo überwiesen hat. Die einzelnen Stücke sind für uns
fast durchwegs ganz neu, und um so wertvoller, weil sie mit genauen und ausführlichen
Angaben, sowie meist auch mit den einheimischen Namen versehen sind; sie sollen an
anderer Stelle ausführlich veröffentlicht werden, hier sei einstweilen nur eine kurze Auf-
zählung derselben beigefügt:
III. E. 4093. Bogen mit Sehne aus einem
gedrehten Lederstreifen. Wan-
gindo.
- - 4094. Köcher mit 8 gekerbten u. ge-
fiederten Pfeilen. Wangindo.
- 4095. Tasche(„Rucksack“)auseinem
Ziegenbalg. Wangindo.
- 4096. Netz zum Wildfang. Wangindo.
- 4097/8. Zwei verschiedene Arten von
Rattenfallen. Wangindo.
- - 4099. Kopfstütze. „
- - 4100. Sieb.
- - 4101. Thongefäss.
- 4102. 2 Kämme. „
- - 4103. Schnupftabaksbüchse. Wan-
gindo.
- - 4104. Schnupftabaksbüchse. Wan-
gindo.
- 4105. Pincette. Wangindo.
- 4106. Halsband. „
- 4107. Fingerring:.
III. E. 4103. Oberlippenpflock für Frauen
Wangindo.
- 4109. 2Kautschukkugeln. Wangindo.
- - 4110. Musikinstrument. „
- 4111. Schild (Schabrumaleute). Ma-
fiti.
- 4112. Schild. Mafiti.
- 4113. Streitaxt. „
- 4114. Wurfspeer. „
- 4115. Stossspeer. „
- 4116. Musikinstrument. Mafiti.
- - 4117. Tanzschellen. Mahenge-Mafiti.
- 4118. Halskette aus Eisen-u.Messing-
perlen. Mahenge-Mafiti.
- 4119. Armbänder mit Drahtspiralen.
Mahenge-Mafiti.
- 4120. Halskette mit grossen Conus-
deckeln. Mahenge-Mafiti.
- 4121. Armband mit Silber-und roten
Glasperlen. Wasswahili.
- 4122. Mörser mit Stampf keule. Wa-
sswahili.
Die letzte Erwerbung des Jahres 1895 schliesslich bildet die Sammlung des Herrn
Mletzko, welche die Nummern III. E. 4153—4182 umfasst, und mehrfache Lücken
unserer Bestände in recht erfreulicher Weise ausfüllt. Das beste Stück derselben ist
eine geschnitzte Figur, angeblich „Wegweiser nach Orten wo Zeuge zu kaufen sind“;
von der Gesamthöhe von 1,79 m entfallen nur 0,34 auf die Figur selbst, der Rest auf
eine Stange, die teilweise eingegraben gewesen zu sein scheint. Der oberste Teil der
Stange ist reich gegliedert und endet in eine Art Kelch, aus dem die Figur herauszu-
wachsen scheint; die Angabe „Wanyamwesi“ ist nicht weiter belegt und wohl nur mit
Vorsicht aufzunehmen; das kelchartige Kapitell lässt indische Einflüsse vermuten; die
Figur selbst ist rein afrikanisch.
Bücherschau.
J. S. Kubary. Ethnographische Beiträge zur Kenntnis des Karolinen-
Archipels, veröffentlicht im Auftrag^ der Direktion des Museums für
Völkerkunde in Berlin unter Mitwirkung von J. D. E. Schmeltz. III. Heft
(Schlussheft) mit 27 Tafeln. Leiden 1895.
In dem III. Heft schliesst der Verf. seine 1889 zur Veröffentlichung gelangte
Arbeit über den Karolinen-Archipel und speziell den die Industrie der Pelauer
behandelnden Teil mit der Pelauischen Baukunst ab. Auch hier findet man
vollauf Gelegenheit, die bekannte Sachkenntnis und Genauigkeit des Verf. in
seinen stets an Ort und Stelle gemachten Beobachtungen zu bewundern, und
darf sicher sein, dass er sein Thema, was die Sammlung des Materials betrifft,
völlig erschöpft hat. Die verschiedenen Arten der grossen und festen, auf
steinerner Unterlage ruhenden Bays oder Gemeindehäuser, die religiösen Zwecken
dienenden Bauten, wie die Schreine zur Aufnahme der Opfer, die Wohnung des
Priesters, welche zugleich als Behausung der Gottheit angesehen wird und die
Häuschen für die abgeschlossen ihre Niederkunft erwartenden Frauen und
andere im Grunde genommen religiöse Vorgänge, ferner die Wohnhäuser, die
Bauten zur Aufnahme der Familie während der Absonderung der Tänzer des
Ruktanzes, die Tanz- und Kanoeschuppen u. dergl. in. lernen wir in ihrer Kon-
struktion bis in’s Einzelne kennen. Wir erfahren, aus welchem Material und
mit welchen Werkzeugen der Bau ausgeführt ist und hören für alles den ein-
heimischen Namen. Ebenso verhält es sich mit der Darstellung der geschickt
gebauten schmalen und schnellen Fahrzeuge, die stets mit Auslegern versehen
sind, und unter denen der Verf. Segelfahrzeuge, zum Segeln und Rudern ge-
brauchte Kanoes und Kriegsfahrzeuge unterscheidet und ausführlich behandelt.
Daneben werden auch Flösse benutzt. Nicht geringere Aufmerksamkeit wird
auf den Schmuck der Häuser an Ornamenten und Figuren gerichtet und die
Erklärung der letzteren oft mit Erfolg versucht. Zum Teil farbige Abbildungen
in mustergültiger Ausstattung, unter denen sich auch mehrere Tafeln mit
Ornamenten befinden, sorgen für das volle Verständnis alles im Text Gesagten.
Besonders in den zahlreichen Anmerkungen sind öfters Vergleiche mit den
einschlägigen Verhältnissen der andern Inseln des Karolinen-Archipels angestellt
und teilweise durch Abbildungen anschaulich gemacht. Ich möchte hier nur
kurz anführen, dass Verf. für die Bilkelek genannte Bayform die Herkunft aus
Ponape nachzuweisen versucht und dann die gesamten Bauformen der Pelauer
M. f. y. 4
auf Ponap’schen Ursprung zurückführen will, wofür unter anderem die Aus-
führung der Wände, die steinernen Fundamente auf dem an losem Steingeröll
armen Pelau und der Umstand sprechen soll, dass die Insulauer auch hölzerne
Fundamente „Stein“ nennen. Desgleichen weist der Kanoebau manche Einzel-
heiten für die nahe Verwandtschaft mit den östlicher gelegenen Karolinen-
inseln auf.
Sehr interessant ist der Einfluss der sozialen Verhältnisse, wie sie in den
„sozialen Einrichtungen der Pelauer“ früher vom Verf. geschildert sind, auf die
Ausführung der Bauten. Schon die Sitte, dass niemand für seinen eigenen
Bedarf bauen darf, und dass davon auch der Stamm in bezug auf den Bau der
Bays nicht ausgenommen ist, erschwert den Besitz und bringt manche Eigen-
tümlichkeit hervor. Noch hinderlicher aber ist es, dass nicht jeder beliebig
bauen kann, sondern immerfort der Hilfe des Takalbay benötigt ist, welcher
das innerste Wesen der Baukunst erfasst hat, weil er mit den Gottheiten des
Waldes und der Hölzer zu verkehren vermag und die Aufführung des Baues
vor der schädlichen Einwirkung derselben schützt. Für jedes Eingreifen des
Takelbay erhält er seinen Lohn. Nur die von den jüngeren Stammesmitgliedern
bewohnten Häuser dürfen von diesen selbst hergestellt und eigenhändig durch
eine besondere Ceremonie vor dem bösen Einfluss der Waldgötter geschützt
werden. Noch manches Merkwürdige erfahren wir so im engsten Anschluss an
das Thema, ohne dass in früheren Werken des Verf. Gesagtes wiederholt worden
ist. Herr J. D. E. Schmeltz hat sich das Verdienst erworben, an Stellen, wo
man gern etwas Näheres über kurz berührte Verhältnisse hören möchte, auf die
betreffenden Arbeiten des Verf. zu verweisen.
Es wäre nur zu wünschen, dass ein so verdienstvoller und kenntnisreicher
Forscher wie Kubary, der die Ethnographie wieder durch ein fast einzig da-
stehendes Werk bereichert hat, auch künftighin seine Hilfe dieser Wissenschaft
nicht entziehen möchte. K. Th. Preuss.
E. Zintgraff, Nord-Kamerun. Schilderung seiner im Aufträge des Auswär-
tigen Amtes zur Erschliessung des nördl. Hinterlandes von Kamerun
während der Jahre 1886—92 unternommenen Reisen. 456 SS. 16 Illustr.
1 Karte. Berlin, Gebr. Paetel. 1895.
Kaum eine Stelle in der Umrahmung des afrikanischen Kontinentes hat dem
Eindringen des Forschers von der Küste aus so viele Hindernisse und Schwie-
rigkeiten in den Weg gelegt wie jene Ecke im Meerbusen von Guinea, die die
Küste unserer heutigen Kamerunkolonie bildet. Offene Wasserwege, wie der
benachbarte Niger mit dem Benue einen darbietet, oder Karawanenstrassen wie
sie von Lagos im Westen, von Loanda oder Benguella im Süden, oder von den
grossen Plätzen des Nordens und Ostens in das Innere führen, fehlen in diesem
Gebiet vollständig. Dagegen drängt sich in diesem Winkel eine Menge von
Einzelstämmen zusammen, die seit langer Zeit den Zwischenhandel der Fakto-
reien mit den Völkerschaften des Hinterlandes als ihr angestammtes Monopol
betrachten und die mit all dem passiven Widerstand, dessen nur der Neger
51 -
fähig ist, darüber wachen, dass kein nach ihrer Ansicht Unberufener diesen fest-
geschlossenen Ring durchbreche. Ausserdem finden sich an der Bucht von Biafra
alle jene Hindernisse auf engstem Raum zusammen, denen sonst nur weite
Länderstrecken durcbmessende Expeditionen begegnen: ungesundes Klima, schlechte
Wege und feindselige Eingeborne — eine Summe von Faktoren, die genugsam
erklären, dass bis vor kurzem, und z. T auch noch jetzt, das unbekannte Innere
fast unmittelbar an der Küste begann.
Diesen eisernen Ring wenigstens nach einer Richtung hin durchbrochen zu
haben, ist das nicht hoch genug anzuschlagende Verdienst Zintgraffs. Geschult
auf einer Reihe von kleinei’en Vorexpeditionen in die weitere Umgebung des
Kamerunberges, vollführte er im Sommer 1889 jenen ersten Zug nach dem Benue,
dessen glänzende Durchführung unter den schwierigsten Verhältnissen wohl noch
in jedermanns Gedächtnis lebt. Das vorliegende Reisewerk soll lediglich eine
Darstellung der persönlichen Erlebnisse und Arbeiten des Verfassers im Hinter-
lande von Kamerun sein (seine kolonialwirtschaftlichen Erfahrungen und An-
sichten sollen in einem zweiten Bande folgen); dennoch, oder vielleicht vielmehr
gerade deshalb erscheint die Persönlichkeit des Verfassers in einem Licht, das
in jedem Kolonialfreunde das aufrichtigste Bedauern wachrufen muss über den
so jähen Abschluss seiner afrikanischen Thätigkeit. Eine unbeugsame Willens-
kraft und Energie, die vor keinem Hindernis zurückschreckt, gepaart mit der
Vorsicht, Geduld und Umsicht, die in Afrika die Vorbedingungen eines jeden
Erfolges bilden, sind die hervorstechendsten Züge im Charakter des Reisenden und
Kolonisators Zintgraff. Man mag über den unerquicklichen Streit zwischen ihm
und dem Auswärtigen Amt urteilen wie man will, es ist und bleibt immer eine
bedauerliche Thatsache, dass dem Kolonialdienst eine Kraft, die in relativ so
kurzer Zeit das nördliche Hinterland unserer zukunftsreichsten Kolonie erschlossen
hatte, überhaupt entzogen wurde, und dieses Bedauern würde in’s Ungemessene
sich steigern müssen, falls es sich bewahrheiten sollte, dass eine solch energische
Arbeitskraft auf immer brach zu liegen gezwungen sein sollte.
K. Weule.
Alfred C. Haddon. The Decorative Art of British New-Guinea.
Dublin 1894. 4°. 279 SS., mjt 205 Abbildungen auf XII teilweise bunten
Tafeln und 92 Abbildungen im Text.
Professor Haddon ist Zoologe; was er sieht, umfasst er mit dem Auge des
Naturforschers; was er schreibt, ist Naturwissenschaft und so ist auch das nun
vorliegende grosse Werk über Kunst und Kunsthandwerk in Britisch Neu-Gumea
in naturwissenschaftlichem Geiste geschrieben nicht vom Standpunkte des
Ästhetikers. Es wird für alle Zeit grundlegend bleiben für unsere Auffassung
dieses Gebietes, trotz der Lückenhaftigkeit unserer gegenwärtigen Kenntnisse
und obwohl viele Fragen in dem Buche noch unerledigt geblieben oder neu auf-
geworfen worden sind.
Das Material ist hauptsächlich durch sorgfältiges und ich kann — soweit
das Berliner Museum in Frage kommt — wohl sagen, erschöpfendes Studium
4*
52
der in London, Cambridge, Oxford, Liverpool, Exeter, Dublin, Belfast, Edinburgh,
Glasgow, Berlin, Dresden, Bremen, Leiden, Paris, Rom, Florenz und Mailand
befindlichen öffentlichen und einer langen Reihe von Privat-Sammlungen ge-
wonnen worden. Die Untersuchungen ruhen also auf einer breiten und soliden
Basis und haben denn auch bei der nicht genug zu preisenden klugen Be-
schränkung auf ein geographisch enge umgrenztes Gebiet zu grossen und dauernd
feststehenden Resultaten geführt.
Der Zeit der Raritäten- und Kunst-Kammern, in denen Neu-Guinea zu-
sammen mit Neu-Holland und mit allen Inselgruppen der Südsee als „Austra-
lien“ zusammengefasst wurde, war zunächst eine Periode gefolgt, in der man
Neu-Guinea als ein ethnographisches Individuum betrachten zu können glaubte.
Mit der weiteren Erschliessung der Insel erkannte man dann, dass da von einer
Einheit keine Rede sein könne; man wurde sich bald des Sprachengewirres
bewusst, das in Neu-Guinea besteht und seinesgleichen auf der Erde nicht hat,
erkannte die mindestens ebenso auffallenden Unterschiede zwischen dunklen und
hellen Menschen, die fast überall auf der Insel neben einander zerstreut sind
und machte sich dann ein Schema zurecht, das im wesentlichen darauf hinaus-
kam, dass den gegenwärtigen politischen Grenzen in Neu-Guinea „zufällig“ auch
die ethnographischen Scheidelinien entsprächen. In den letzten Jahren ist nun
auch diese Ansicht erschüttert worden; an der ethnographischen Einheitlichkeit
von Holländisch Neu-Guinea kann nicht mehr festgehalten werden; Kaiser Wil-
helms-Land zerfällt ethnographisch in mindestens vier oder fünf Gebiete, und
jetzt zeigt nun Haddon, dass auch Britisch Neu-Guinea, soweit es bekannt ist,
also ohne die Gegend im Nordwesten, bei dem triplex confinium, in sechs Teile
zerfällt, die völlig zwanglos auseinander gehalten werden können, und von denen
jeder eine ethnographische Provinz für sich darstellt.
Der erste dieser Teile im äussersten Westen von Britisch Neu-Guinea um-
fasst die Inseln der Torres-Strasse und das unmittelbar vorliegende Küstengebiet
von Neu-Guinea, das^als Daudai bekannt ist und die südwestliche Hälfte des
gi’ossen Fly-River Delta’s bildet. Das Gebiet ist besonders durch herrliche,
grosse Schildpattmasken charakterisiert und durch die Häufigkeit eingeritzter
Tierfiguren, mit denen die Gegenstände des täglichen Gebrauches verziert sind.
Über zwanzig verschiedene Tiere sind da dargestellt, alle in den denkbar ein-
fachsten Linien und trotzdem mit solcher Sicherheit in den Umrissen, dass sie
ohne Schwierigkeit zoologisch bestimmt werden können; so sind z. B. die Haie
stets an der heterocerken Schwanzflosse kennbar. Unter den Ornamenten fällt
eines am meisten auf, das sich aus zwei ankerförmig nebeneinander gelegten
Fischangeln entwickelt zu haben scheint und ein anderes, das ohne Zweifel auf
die Larve des kleinen Ameisenlöwen (Myrmecoleon) zurückgeht. Bogen und Pfeile
sind sehr verbreitet, die letzteren stets reich geschnitzt, mit Köpfen im Stil der
Masken, mit Krokodilen, mit Schlangen u. s. w. stets vollkommen charakteristisch
und ihrer Herkunft nach sofort zu erkennen.
Die zweite ethnographische Provinz umfasst das ganze Gebiet des Fly-River;
das eigentliche Delta desselben nördlich von der Mibu-Insel, den ganzen Lauf
53
des Flusses und ausserdem noch die Küstenstrecke bis zum Kap Blaekwood,
Eine ganz bestimmte Art von verzierten Bambu-Pfeifen, ein eigenartiger Typus
von Trommeln und die Häufigkeit eines Blatt-Ornamentes bilden die ethno-
graphische Definition dieses Gebietes.
Die dritte Provinz umfasst den eigentlichen Papua-Golf zwischen Aird-
Biver und Kap Possession. Eine unendliche Mannigfaltigkeit schön geschnitzter
und bunt bemalter Schilde, riesiger Masken und prächtig geschnitzter Holzgürtel
charakterisiert diesen Teil von Neu-Guinea. Man muss diese Schilde, diese
Masken und diese Gürtel selbst gesehen haben oder wenigstens viele Abbildungen
von ihnen kennen, um das Entzücken zu begreifen, mit dem sie die Fachleute
erfüllen. Kaum auf irgend einem anderen Gebiete der Ethnographie kann man
aber auch schlagender als gerade hier darauf hinweisen, wie unbedingt nötig es ist,
über grössere Serien von verzierten Stücken zu verfügen und wie sehr diejenigen
im Unrecht sind, welche die reichen Schätze der grossen ethnographischen Museen
als „wertlosen Doubletten-Kram“ bezeichnen; der einzelne Schild, die einzelne
Maske, der einzelne Gürtel würden in ihren Verzierungen völlig unverständlich
bleiben nur im Nebeneinander grosser Serien enthüllen sich uns die Rätsel
einer überaus reizvollen, bisher völlig unverstanden gewesenen Ornamentik.
Die vierte Provinz erstreckt sich vom Kap Possession bis zu Mullen’s Har-
bour und von dem Küstensaum bis zu dem Kamme der Owen Stanley-Kette.
Haddon bezeichnet dieses Gebiet als „Central-District“ — höchst unglücklich
und wie er selbst sagt, in Ermangelung eines besseren Namens; ich weiss in der
Ihat keinen passenden vorzuschlagen, aber besser als der von Haddon gewählte
wäre wahrlich bald ein Name! Port Moresby, der Sitz der Regierung von
Britisch Neu-Guinea liegt in diesem Distrikt und mit ihm die älteste euro-
päische Ansiedlung daselbst. Daran liegt es vielleicht, dass die ethnischen Ori-
ginalitäten da mehr verwischt sind, als irgendwo sonst in Neu-Guinea und dass
die bisherigen Sammlungen uns in den wichtigsten Fragen in Stich lassen.
Einstweilen kann kein Zweifel daran sein, dass sich Haddon’s „Central District“
ethnographisch scharf von den westlich und östlich von ihm gelegenen Gebieten
trennt, und dass sich gerade hier melanesische und echt polynesische Elemente
bald unvermittelt gegenüber stehen, bald wieder sich innig gemengt haben.
Als Massim-Distrikt bezeichnet Haddon die fünfte seiner Provinzen; der
Name Massim ist ursprünglich von Hamy für die Lousiade-, d’Entrecasteaux-,
Trobriand- und Woodlark-Inseln vorgescblagen worden und wird von Haddon
mit Recht auch noch auf das äusserste Ostende von Neu-Guinea selbst ausge-
dehnt, das sich zwischen Mullen’s Harbour und Bartle-Bay erstreckt. Unver-
gleichlich schöne schwertförmige Keulen mit reicher Ornamentik, schöne Schilde
und eine schier unglaubliche Mannigfaltigkeit reich geschnitzter Spatel für Betel-
kalk treten hier in den Vordergrund.
Das sechste Gebiet Haddon’s umfasst die kurze Nordost-Küste von Britisch
Neu-Guinea. Diese ist noch wenig bekannt, scheint sich abei im ganzen und
grossen auch ethnographisch an die im Nordwesten angrenzenden deutschen Ge-
biete anzulehnen.
54
Dass Haddon sich nicht, wie man aus dem Titel seines Werkes vielleicht
vermuten könnte, auf die Ornamentik allein beschränkt, ist bei seiner ganzen
Arbeitsweise eigentlich selbstverständlich; überall zieht er auch andere ethno-
graphische und anthropologische Fragen in den Kreis seiner Betrachtung; überall
aber meidet er ängstlich, in müssige Spekulationen zu verfallen; er beschränkt
sich darauf, Thatsachen mitzuteilen oder Fragen aufzuwerfen, da wo die That-
sachen unklar scheinen; dass diese Fragen nicht am Schreibtisch und in Europa
zu lösen sind, sondern drüben und von den Einheimischen, wird an mehr als
einer Stelle hervorgehoben. Das mögen manche seiner jüngeren Fachgenossen
beherzigen, sich und ihrer Wissenschaft zum Heile.
Ganz nebenher sei noch angeführt, dass Haddon alle Maasse in Metern und
Centimetern giebt und wo er Angaben mit englischen Maassen citiert, sie stets
auch in metrisches Maass um rechnet. Es mag das manchem unwichtig erscheinen,
mir ist es mit ein Beitrag zur Würdigung des Mannes, dessen Name mit denen
von d’Albertis, Chalmers und Sir William Mac Gregor immer genannt werden
wird, solange man die Geschichte und Völkerkunde von Britisch Neu-Guinea
studieren und kennen wird.
Dass es möglich gewesen ist, das grosse Tafelwerk in seiner glänzenden Aus-
stattung um 14 sh. in den Handel zu bringen und so jedermann zugänglich zu
machen, ist ein Verdienst der Royal Irish Academy, das gleichfalls alle Aner-
kennung verdient. v. Lu sch an.
Les Mémoires historiques de Se-ma Ts’ien, traduits et annotés par
Édouard Chavannes. Tome premier. Paris, E. Leroux. 1895. 8.
Das Si-ki des S'i-ma Ts’ien wurde um die Wende des ersten vorchristlichen
Jahrhunderts verfasst, und seine Echtheit unterliegt keinem Zweifel. Als erstes
Werk sui generis ward es zum Prototyp für die lange Reihe der 24 chinesischen
Reichsannalen. So ist es ein historisches Quellenwerk ersten Ranges und zu-
gleich ein in litterargeschichtlicher Hinsicht wichtiges Denkmal. Bisher nur
bruchstückweise (hauptsächlich durch Pfizmaier) übersetzt, soll dem Si-ki nun-
mehr endlich eine vollständige Übersetzung zu teil werden. Éd. Chavannes,
Professor am Collège de France , hat sich dieser Riesenaufgabe unterzogen und
durch den inzwischen erschienenen ersten Band bewiesen, dass er derselben ge-
wachsen ist. Ausser einer Übersetzung des Abschnittes Pen-ki (Annales princi-
pales) bis zum Falle der Ceu-Dypastie enthält der erste Band eine sehr um-
fangreiche und reichhaltige Einleitung, in welcher in fünf Kapiteln die Verfasser
des Si-ki, die Regierung des Kaisers Wu, die Quellen, die Methode und Kritik
und die Schicksale des Si-ki behandelt werden. Auch ist der sehr gewissen-
haften Übersetzung ein ausführlicher Kommentar beigegeben. Das Buch nimmt
wohl unter den sinologischen Publikationen des letzten Jahres unstreitig die
erste Stelle ein. W. G.
55
Goraperz. Griechisches Denken. TL I. Leipzig 1896.
Das Werk dieses auf dem klassischen Arbeitsfeld wohlbewährten Forschers
hat zum Motto („except the blind forces of nature, nothing moves in this world
which is not Greek in its origin“) Maine’s Satz gewählt, der als richtig zuge-
lassen werden kann für die sog. Weltgeschichte, innerhalb des historischen Ho-
x’izontes der eigenen Kultur (im Anschluss an heimische Volksgeschichte), der
aber eine gar sehr bescheidenere Fassung zu erhalten haben wird, seit das
erdrückende Gefühl zum Eindruck gekommen ist von der fast noch unabseh-
baren Massenhaftigkeit dessen, was Alles vorher hinzuzulernen ist, ehe man auch
nur von einer Erdgeschichte (geschweige einer Weltgeschichte) sprechen könnte
(betreffs der Menschheitsgeschichte auf dem Boden ihrer Muttererde).
Ähnliches gilt für jene stolze Sentenz, die, unter Berufung auf Lessings
Autorität, unbefangen dem Munde entschlüpft, (in Ansehung einer „Erziehung des
Menschengeschlechts“) und die heilloses Wirrsal anzustiften droht, wenn der Herr
Erzieher seinen weislich ausgedachten Erziehungsplan einem Zögling zuwenden
will, den er kaum den Namen nach kennt, ohne blässeste Ahnung davon, wer
und was derselbe eigentlich ist.
Unsere Welt ist grösser geworden, seit der Globus umschifft ist, grösser
schon für die Fachgelehrten der in der Kultur gepflegten Disziplinen, welche
neben dem Orbis terrarum (antiquus, mit moderner Erweiterung) ein halbes
Dutzend anderer (mehrwenig ebenbürtiger) bereits einzuregistrieren hätten, und
zaghaft scheu allmählich hinzublicken beginnen auf das Getümmel und Gewimmel
zahlloser (und oft noch namenloser) Wildstämme, die mit ihrer Moosdecke die
. Erdoberfläche überwuchern.
Immerhin ist zum Besten derselben eine Ausschlag gebende Partie dadurch
gewonnen, dass, da sie mit verächtlichem Ignorieren nicht tot gemacht werden
konnten, ihre Lebensexistenz zunächst anerkannt ist, unter teil weis wenigstens zu-
gegebener Berechtigung, eine wissenschaftliche Bücksichtsnahme beanspruchen zu
dürfen. Und so wird es baldigst wohl vorangehen, da die mit Feststellung der
Elementargedanken eingetretene Vereinfachung das wüst-wilde Gewühl eines
ungeordnet hereingebrochenen Materials zu klären und erklären beginnt (mit ein-
fachst durchsichtigen Grundzügen). Dabei mag (zum Unterschied von einer Univer-
sal-Geschichte) die Weltgeschichte ihre Berechtigung bewahren, im Charakter jedes-
malig erweiterter Volksgeschichte (als die Welt des darin einbegriffenen Menschen).
Der Verfasser des vorliegenden Buches hat von der gebotenen Gelegenheit
einen anerkennenswert verständigen Gebrauch gemacht, in Benutzung dei von
der Ethnologie beschafften Hilfsmittel, um die im altjährigen Forschungsgang
sorgsam gehüteten, aber allmählich, im Ausverlauf gelockerten Stützpfeiler unserer
Civilisation neu zu erfrischen. In der Einleitung könnte das auf S. 14-20
(und 30) Gedruckte einem ethnologischen Handbuch entnommen sein, oft genug
in wörtlicher Übereinstimmung der Fassung (auch ganzer Sätze). Anderes freilich
hätte seine Modifikationen zu verlangen, die indes nicht ausbleiben werden, seit-
dem ein erster Anfang gemacht ist (für gemeinsames Zusammenarbeiten).
Mancherlei ethnische Vergleichungspunkte würden sich, an solchem Anfang,
— 56 —
schon den èx vuxwç (oder seit Kreisen der „Po“) Philosophierenden entnehmen
lassen, vom ersten Anbeginn ab, beim Anschluss Kumulipo’s an Apsu, und weitere
Parallelen (S. 34), sowie betreffs der primitiven Seelenteilungen, Homer’s Psyche
zu erklären, „nur vorhanden, um sich im Tode vom Körper zu trennen und
ihn in der Unterwelt fortlebend zu überdauern“ (S. 200), wie etwa, bei Kla’s
Rückkehr zur Präexistenz, das Erinnerungsbild (als Eidolon) fortdauert im Ko-to-
men, und Sisa umherspukt (bis zur Verwesung), mit ethnischen Analogien gar
vielerlei (von allüberall her).
Der aus seiner himmlischen Heimat herabgestossene Seelen-Dämon (Empe-
docles’) ist ein Gefallener unter den („nicht ewig, sondern nur langlebenden“)
Göttern, und solche, mit Bun und Bab korrespondierende, Langlebigkeit findet
sich bis auf das Jahr (Tag und Stunde) genauest registriert auf den Tabellen
des Abhidharma, dessen Scharfsichtigkeit dann leicht eine feinsplittrige wird,
immerhin jedoch das „staunenswerte Aufgebot von Scharfsinn und Subtilität“
(S. 202) eher für seine fachgerechte Würdigung in Anspruch zu nehmen hätte,
als die populäre Milindaprasna, die sich durch ihre leicht bequeme Schreibart dem
Laien allerdings empfiehlt, aber die ihr (in Fachkreisen) zustehende Bedeutung der
damaligen Geschichtskonjunktur entnimmt (bei Kreuzen griechischen und indischen
Wissens). Darauf werden dann die folgenden Bände noch weiter hinzuführen
haben (deren Erscheinen in baldiger Aussicht gestellt ist). Das Buch (in
diesem ersten Teil) reicht bis zu sokratischem Hinweis auf den Menschen, als
„der Menschheit eigentlichste Sorge“, im Studium der „menschlichen Dinge“ (bei
Verdrängung der „Kosmologie“ durch die „Anthropologie“).
Ghaignet. Histoire de la psychologie des Grecs. Paris 1893, V. Bd.
Dieses grossartig angelegte Werk ist jetzt zu Ende geführt, und die zwei letzten
Bände — IV (la psychologie de Plotin), V (Les successeurs) — sind der „école
d’Alexandrie“ mit deren letzten Ausläufern gewidmet, (worin die Gesamtresultate
der hellenischen Kultur zum Ausverlauf gelangten), für bessere Kenntnis des (durch-
schnittlich zu wenig beachteten) „Néoplatonisme, qui est le précurseur du christia-
nisme, le christianisme de la nature“ (S. 444), „le plus profond système, que la
philosophie ancienne ait produit“ (s. Vacherot); mit weiteren Einwirkungen auf
die, am damaligen Wendepunkt der Kulturgeschichte eingeschlagenen, Wege-
richtungen1). „Leur psychologie2) vit tout entière dans notre philosophie mo-
derne“ (unter entsprechenden Modifikationen).
Ь Als Justinian iiz£[j(pzv èv ’A&yvacç xehucraç /¿y déva diddoxeiv <pdooo<piav /¿уте va-
fu/ia èÇyyeïa&ai (s. Maiala), wanderten mit Damascius (damaligem Scholarch der plato-
nischen Schule) „les martyrs de la pensée“ (s. Quicherat) nach Persien aus, erhielten
indes im Friedensschluss (533 p. S.) die Zusicherung unbelästigter Rückkehr, nach-
dem Chosroes die Werke Plato’s und Aristoteles’ hatte übersetzen lassen (s. Agathias),
während die Nestorianer in Nisibis die Academia Hippocratea und zu Gandisapora
Lehrschulen gründeten, für das Studium der Araber, wie unter den Jacobiten (in
Resaina und Kinnesrin).
2) Der Verfasser weist in einem d~a$ Àeyójuevov (in Proclus’ Kommentar) hin auf
„Psychologia“, an Stelle von <pu/oyóvta (oder, in hellenisch kongenialerer Redeweise, ~e/n
l
57
Müller, M. Theosophy or psychological Religion. London 1893.
Nach vorbereitend entworfenen Grundzügen in „Natural Religion“ (S. VII) ge-
langen diese anziehenden und anregenden Vorträge durch „Physical Religion“ und
„Anthropological Religion“ (S. 541) auf das jetzt vorliegende Thema der „Psy-
chological Religion“ oder „Theosophy“, im Rückgang auf die ursprüngliche
Deutung dieses „venerable name“ („one may call oneself a theosophist, without
being suspected of believing in spirit-rappings, tables-turnings or any other
occult Science and black arts“).
Das Sehnen nach dem Indefiniten, dem Unendlichen oder (in terminologischer
Unterscheidung vom Infiniten) Unbestimmten, bringt der Erlösungszug zum
Ausdruck, der das religiöse Gefühl, in Indiens Volksstimmung besonders, mit
seinen färbenden Tinten durchzieht, betreffs dessen, was in der Gottheit anthro-
pomorphisch entgegenspiegelt oder (religionsphilosophisch) dessen, wohin der
spekulative Ausbau (der Schau) gerichtet ist, auf den ßlütenständen der Kultur
(unter ihren geschichtlichen Bildern).
Ehe indes solch’ psychisch komplizierte Wachstumsgebilde, wie sie mit einem
(eleatischen) Sein (auch im Sinn der Vedanta), sowie für das Neutrum des „guten
Mensch“ (1713), unter der Bezeichnung als Seele, in bunteste (und für ihre Ruhe
oftmals stöi'endste) Abenteuer hineingeraten sind, einer methodischen Untersuchung
sich fähig erweisen können, wäre zunächst der genetische Entwicklungsgang aus-
zuverfolgen, wie in den ethnischen Ansehauungsbildern der Völkergedanken objektiv
vor Augen stehend, um aus prüfender Zerlegung im innerlichen Geäder des psycho-
noetischen Organismus eine greifbare und begriffliche Unterlage zu bieten, damit
zunächst die Elementargedanken blossgelegt werden, auf deren stützendem Gerüst
metaphysische Gedankenwelten aufzutürmen sind (unter dem Getriebe organischer
Gesetzlichkeiten). „The same ideas burst forth spontaneousley from the same
springs, the fears and hopes of the human heart“ (als Elementargedanken unter
ethnischen Differenzierungen).
Der Wildling (eines Wild- oder Waldstammes) weiss noch nichts von den
im Seienden involvierten Problemen, wie dem Daseienden inhärierend, weil aus in-
stinktgemässer Überzeugung der ihm darauf zustehenden Rechte, voi Baumen den
Wald nicht sehend, und auch inanbetreft seiner Seele, mit der er sich umher-
kugelt Tag und Nacht, finden die ihm (kurzatmig) gekürzten Gedankenreihen bald
stets eine Beantwortung, bei der „it stops“ (indianisch), um in bequemlichen
Ruhestand sich wiederum zu rehabilitieren, lange ehe die Abstraktion der Seele
angenähert ist, oder gar das Unendliche (in ihr, oder draussen).
Vor der Seele (einer einheitlichen oder in vielfachste Teilungen zersplitterten),
<puyryr), betreffs der für Gockel beanspruchten. Priorität (1590). In Casnian s, von 1 lunt
(1501) übernommener „Anthropologie“, als „Psychologia anthropologica“ (1594) handelt
es sich um die psychische Anthropologie des psycho-physischen Individuums, m jetziger
Ethnologie dagegen um die (zoopolitische) Psychologie des (ethnisch differenzierten)
Gesellschaftsgedankens, um dann im jedesmalig zugehörigen Kreis das anthropmische
Individuum (der „Humanitas“) wiederum zu integrieren (im eignen Selbst). Die scho-
lastische Portwirkung zeigt sich in der Betonung Psychologia (nach lateinischer I ro-
sodie), statt (pu/okoyia (wie <puamkoyia, als klassisch bezeugt), Iheologie u. dgl. m.
handelt es sieh um dasjenige, was Denken genannt zu werden pflegt, und aus
dem innerlich drängenden Entwicklungs- (oder Gestaltungs-) trieb eine Antwort
auf die rings (aus Unbekanntem umdrängend) gestellten Fragen sucht, um die dunkel
belastende Nacht der Unwissenheitmitden, beiHeranziehenderMorgenröte(Matuta’s)
aufdämmernden, Lichtstreifen zu erhellen, und so die bebende Angst unheimlich
spukender Schrecken von sich loszuwerden (durch allmählich geklärtes Verständnis).
„A yearning for God, a kind of divine home-sickness, finds expression in most
religions“ (s. S. 92), oder vielmehr überall, da auch vor dem theologischen Aus-
bau eines Religions-Systems, wo titulierte (und nach ihrer Schicklichkeit beschriebene)
Göttergestalten zur Auswahl und Verfügung stehen, in jedem Einzelnen schon
seine religiöse Veranlagung nach Hülfen (durch Nothelfer) zu suchen hindrängt,
nach stützender Freundeshand, die am nächsten im Schutzgeist gefunden zu
werden pflegt, zumal wenn solcher Begleitgeist — ein vorangehender und nach-
folgender (Fylgja und Foryngjar, oder eine Mehrzahl mehr) — vertraulich aus
dem Innern zu reden beginnt, (als Daimonion im Herzkämmerlein), statt an der
Leber zu kratzen (bei Watchandi). Neuropathisch angelegte Konstitutionen sind
mit den Fähigkeiten begabt, wodurch die Anknüpfung solch übersinnlicher Be-
ziehungen (oder Bekanntschaften) sich erleichtert, mittelst der für Herbeiführung
ekstatischer Zustände erprobten Kunstgriffe und Unterstützungsmittel (Narcotica
und Spirituosen, Tanzgewirbel, Musikbetäubung oder was zur Askese gehört).
Auf Amelius’ Anliegen, sich den Göttern anzunähern, antwortete Plotin, dass es
ihre Sache sei, zu ihm zu kommen, und obwohl er, wenn dies geschah, durch
die Exstase fortgerissen wurde, vermied er doch die künstlichen Anregungsmittel
derselben, die Einladung erwartend (zur yopda büzoq).
Derartige Prozeduren empfehlen sich dann auch für praktische Nutzan-
wendungen, wenn in überirdischer Schule gelernt sein sollte, wie es sich mit
dem Regenmachen verhält, mit Jagdzauber, Festmachen gegen Verwundungen im
Kriege u. dgl. m., im Whare-Kura (der Maori) etwa oder in „hoher Halle“ (wo
Loddfafnir seine Unterweisung von Odhin erhielt).
Der verstorbene „Hechsenmartl“ am Wockenberg, ein Tiroler, der bei
Gabriel am Erlthof in Dienst war, der hat chimigzen (blitzen) und thoren
(donnern) und rieseln lassen, „dass ’s grad a Freud’ war; er hat aber die
Fenster zugemacht in der Stube“ (s. Höfler). Der afrikanische „King“ besitzt
sein Haus voller Donner und Blitz (und allerlei Apparate für „rain-making“).
„It is the Prophets, the poets the lawgivers and teachers, however small their
number, who speak out in the name of the people and who alone stand out to
represent the non descript multitude behind them, to speak their thoughts and to
express their sentiments“ (steht bemerkt von den „Hirten des Volks“) und so
empfiehlt sich das objektive Studium der Völkergedanken in Unkultur (ehe
kulturelle Heranzüchtung der Individualitäten eingesetzt hat).
Es treten zunächst die sozialen Probleme heran, über die moralische Ordnung
im gesellschaftlichen Verkehr, und da hier alles in Frieden und Freundschaft
abgehen könnte, im ungetrübt heiteren Zusammensein, zergrübelt sich der von
Störungen störend betroffene Unmut über die alten Vexierfragen (seit gnostischer
Zeit), über das wßsv tu xaxov (um des „Bösen“ harte Nuss zu knacken).
59
„The question how nescience laid hold of the human soûl, and made it imagine
that it could live or move or hâve its true being anywhere but in Brahman,
remains as unanswerable in Hindoo philosopby, as in Christianity the question
how sin first came into the worid“, da der leicht (wenn auf leichte Achsel
genommen) entschuldbare Apfelbiss nicht ausreichend zu genügen schien, für
Erklärung (oder Entschuldigung) des umständlichst aufgestapelten Sühnapparates,
der über die sonst durch den Elephanten begrenzte Opferskala hinaus, noch mensch-
liches Blut hinzuerheischte und (in patropassianisehem Sinne) göttliches selbst
(oder entsprechenden Ichor).
According to the orthodox Vedantist, Sruti alone or what is called révélation,
can impart that knowledge, wliich removes that nescience, which is innate in
humane nature (S. 293).
Betreffs der Avidya liegt die Sache einfacher oder (bei Absehen vom Über-
natürlichem) natürlicher in Deutung der Thatagata, wenn sie, kraft ihrer Erleuch-
tung durch Bodhi auf dieses Anfangsglied der Nidana zurück blicken.
Eine neue Existenz beginnt, im xûxàoç yevéaewç, ob nun die in Seeligkeit der
Deva oder Rupaloka durchschwelgte Frist abverlaufen, ob die in Qualen der
Naraka ') durchjammerte ihr Ende erreicht hat, oder etwa eine unter
vielerlei Metasomatosen (der Jatakas) letztlich durchwanderte. Der Pathisonti-
Chitr, worin der Chuti-Chitr sich gewandelt, leitet die Wiedergeburt ein, wenn
im Kontakt mit Sankara’s buntgestalteter Maya, die Vinyana ihre Einkörperung
wiederum zu untergehen hat, eine schlimme oder bessere, je nach der Abwägung
von Kuson und Akuson (im Karman).
Hier, im Kindeszustand, umdüsterte die Nacht der Unwissenheit auch den
Kalyanaphuttajjana, cf. R. P. I. (S. 125), wenn die Logoi Spermatikoi (ihrer „Ideae
innatae“) noch latent liegen, obwohl entwicklungsschwanger schon emporkeimend,
um zu denjenigen Vorstellungen wiederum sich zu entfalten, die auf der Me-
ditationsterrasse hinzugelernt waren (und den Andhaphuttajana entbrechen). Im
afrikanischen Seitenstück zu der aus einem „Kosmos Noëtos gespeisten Anamnese
(Plato’s) bringt die Kla die Erinnerung dessen mit sich herab, was sie bei ihrer
Präexistenz am Göttersitze geschaut hatte, und obwohl sie bei dem für die Gebuits-
Kopflage bedingten Aufstoss (mit der Stirn voran) am Grobsinnlichen (einei Sthula-
sarira) sich dämlich betäubt finden muss, mag es doch dem Horoskopiker, wenn
rechtzeitig dabei, manchmal gelingen, einige der ausklingenden Nacherinnerungen
9 Der Übergang menschlicher Seelen in Tierkörper nach ethischen Ursachsbe-
dingungen aus (Plato’s) Phaedrus und bei Manu sei uns vertraut geworden, meint der
Verfasser, aber „its first conception was startling (S. 217), wogegen, umgekehrt grade,
nichts näher liegt, aus elementaren Unterlagen im primitiven Wildzustand, wie aus den
ethnischen Vorstellungsweisen (bei vertrautem Verkehr des Menschen mit seiner Tier-
welt) leicht erwiesen, auch in neuer Welt bei Arowaken (zu Berthala’s Zeit und von
pacifischer Küste des Nordens nach Océanien hinein, mit Überlebsein der Wehrwolf-
sagen in geographischen Substituten der Löwen (bei Hottentotten), Hyänen (bei Abys-
sinier), der Leoparden (in Kambodia) etc. Beim „Umbacken“ atrophischer Kinder,
werden sie auf eine Brotschüssel in den warmen Lackofen „eingeschossen (in Steier
mark), mit dem Spruch: „Alt hinein und jung heraus“ (s. Fossel) und so dient die
„Altweibermühle“ der Bonzen (cf. B. a. rlgph. S., laf. II).
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(ehe völlig ausgewischt, temporär) zu erhaschen und für Auslegungen künftigen
Geschickes zu verwerten (wie es die Hebamme verstand bei den Azteken).
Dass nun [sobald (auf indischem Standpunkt schärfer gefasst, als auf nigriti-
schem) auch das Ethische dabei in Betracht kommt] im frühesten Primär-Stadium
bereits, ein sündliches Ingredienz darin stecken muss, bedarf für den Sachkenner
keines Kommentars, da sofern jegliches Molekül desselben bereits ausgetilgt gewesen
wäre, damit dann auch die Existenz selber ausgetilgt(nachmaliger Keinkarnation ent-
zogen) gewesen sein würde — ihr nichtig vergehendes Scheinbild nämlich, während die
reale Wahrheit (des Dichters „Gestalt“), mit Betreten der Megga sich auf der Fort-
wanderung befindet, nach Nirvana’s Sicherheitshafen hin (in Okasaloka). In dxore?
/wüot (im Timäus) symbolisiert sich der paradiesische Fall, wenn die ihrer Glanz-
heimat entschwebten Abhassara, an der in jugendlich frischer Schöne neuerblühenden
Erde auf die verführerische „Süsskruste“ stossend, durch Beschwerung ihres äthe-
rischen Leibes (mit irdischer Nahrung) die Seelenfittige sich entfedern sehen, und
erschreckt von der dunkelnd einbrechenden Finsternis kaum genugsam noch
Verdienstes-Reste zusammenzuschrapen vermögen, um kraft derselben die
Himmelslichter an das Firmament zu setzen, damit sie den dornigen Pfad durch
das irdische Jammerthal beleuchten, unter Hinweis auf das Ziel, das anzustreben
sein wird, um aus solch tiefem Sinken sich wieder emporzukrabbeln, und mit
neu gekräftigtem Gedankenschwung (unter Mithilfe der Dhyana - Übungen)
anzusteigen zu reiner umwehten Regionen, auf deren Schichtungen die Vimana
annehmbare Behausungen (als Halbweg- oder Rasthäuser) bieten, auf langweit
erstrecktem Weg des Anklimmens (nach oben hinauf).
Ohne saure Arbeit geht es nicht ab, aber der Abhidharma hat (in seinen
psychologischen Büchern) das Intinerarium mit minutiöser Genauigkeit vorge-
zeichnet, und so bleibt jedem überlassen, die Richtschnur dortiger Wegweiser
auszuverfolgen, die indess, — obwohl auf sich selbst gestellt (ohne Krückenstützen
schwankenden Rohr’s, beim ungewissen Erhoffen von Gnadenbezeigungen) —,
in ihren Unterlagen schwanken und mit der auf den Stationen gewährten Spei-
sung allzu flattrig fade schmecken (aus metaphysischer Anhauchung), um einem,
auch für seine idealen Bedürfnisse an materiellere Sättigung gewöhnten, Geist
(oder Zeitgeist) kongenialische Vollgenüge zu gewähren (und sich unter des
„naturwissenschaftlichen Zeitalters“ scharfer Kontrolle probat und stichhaltig zu
bewähren).
Müller, M. Anthropologische Religion (in Winternitz’ Übersetzung).
Leipzig 1894.
Ein Buch, mit all’ den Vorzügen geschmückt, welche die Schreibweise des
vielbelesenen Verfassers auszeichnen, und das, obwohl eine Verwahrung ein-
legend, (seines „anthropisch“ anklingenden Titels wegen) in die Litteratur der
(ethnologischen) Anthropologie („der Wissenschaft vom Menschen und seiner
Civilisation“) hineingerechnet zu werden, von dieser doch gei’n als Bundesgenosse
hinzugerechnet sein wird, um gemeinsame Gegner zu bestreiten (auf dem Boden
der ihre Herrschaft erkämpfenden Zeitideen).
61
Wie bei gegenseitig sich ergänzender Arbeitsteilung geziemend, kämpft der
Autor zunächst für seine linguistische Fachdisziplin. Für ihn ist die Gleich-
setzung von Dhyaush-Pitar (sanscr.), Zeus-Pater (griech.), Jupiter (lat.), Tyr
(altn.) die „wichtigste Entdeckung, die im XIX. Jahrhundert in Bezug auf die
alte Geschichte der Menschheit gemacht wurde“, für ihn bildet die ,,aus
phonetischen Gründen unanfechtbare“ Etymologie (in vergleichender Sprach-
wissenschaft) eine „heilige Sache“, für welche insofern mit allem Ernst ein-
getreten werden muss, um „leichtfertige Behandlung“ zurückzu weisen, — ganz
mit Recht seitens einer auf den sorgfältig erprobten Stützen schriftlicher Text-
dokumente operierenden Forschung (ungeachtet dessen, was die kapriziösen
Dialektwandlungen im Volksmund dagegen zu sagen haben möchten).
Aber immerhin handelt es sich bei der Sprachforschung [in Ansehung
praktischer Zwecke, die (für Rechtfertigung ihrer „Ratio essendi“) überall irgend-
wo zu stecken und zu wurzeln haben] weniger um das Wortgerüst, als um die
innerlich lebendige Sinnesbedeutung, die kraft psychologischer Durchschau aus
dem Born ethnischer Elementargedanken zu schöpfen ist (zwecks deren Aus-
verwertung für soziologische Lebensfragen). Und soweit also hier die Ausdeutung
für den „Himmels-Vater“ in Betracht gelangt, handelt es sich erst um eine
spätere Phase kulturgeschichtlicher Entwicklung; ähnlich wie der Fetischismus
als eine „sehr späte Phase des Aberglaubens“ (eine göttliche Verehrung bereits
präsupponierend) betrachtet werden mag, obwohl in ethnischen Elementargedanken
wurzelnd auch bei derjenigen Fassung, worunter sie (auf nigritisclien Entdeckungs-
fahrten) in portugiesischen Matrosengehirnen (nach mittelalterlicher Schablone)
sich gespiegelt hatten, und nun auf Grund solch’ exotisch importierter Kopf-
geburten in den Hirnwindungen gelehrter Häupter weiterhin zergrübelt wurden
(beim Öllämpchen in der Studierstube).
Zum Besten der ethnischen Anthropologie hat unser gefeierte Philologe
seine gewichtige Stimme erhoben, gegen das unbedachte Umherwerfen mit
„flatus vocis“, wie sie im Fetischismus, Totemismus, Schamanismus, Ahnen-
Verehrung oder -Kult (und was dämonisch sich anschliesst) umhergewirbelt
werden, da eine jede dieser Namensbezeichnungen, ehe sie auf dogmatische Ent-
wicklungsreihen zuzuschneiden gewagt werden dürfte, voihez vielmehr, ilnen
separaten Spezialausdrücken nach, eine jede für sich, in fester Rubiik umschrieben
werden müsste, unter psychologischer Kontrolle, um sich als „ Terminus technicus
brauchbar zu erweisen, und luftiges Windmühlengeflügel flunkernder Logomachieen
zu verscheuchen (unter Vorbeugung nutzloser Zeitvertrödelung).
Die Erinnerung an ihr kaum verflossenes Durchgangsstadium, wo Alles und
Jedes, was auf einem, seiner Ausmündung ins Vernichtungsmeer entgegenrasenden
Zeitstrome den Blicken vorüberflutete, in hastiger Eile niedergezeichnet werden
musste (unter Vorbehalt fernerer Prüfung, auf wieviel ächt und wert), braucht der
Ethnologie nicht aufgefrischt zu werden, zumal dergleichen Heischungen auch augen-
blicklich noch nicht gänzlich überhört werden düifen. Indes ist es auf Giund
solcherweis beschafften Sammlungsmaterials bereits gelungen, die Spannungsreihe
ethnischer Elementargedanken, ihren allgemeinen Umrissen nach, vorläufig fest-
zustellen, und so wird hier demnach der induktive Ausgang gewonnen werden
können, um (nach den Vergleichungswerten komparativer Methode) ein gegen-
seitiges Verständnis anzubahnen (für die obigen Kontroversen und anschliessende).
Wenn aus dem somatischen Organismus die psychische Entelechie (des
psycho-physischen Individuums) auf ihre Gesellschaftsschichtung gelangt, um sich
als zugehöriges Teilganze dem Organismus doi’tig zoopolitischen Individuums ein-
zufügen, dann bewegt sich die Denkthätigkeit zwischen den (aus optisch-akustischer
Konkordanz hervorklingenden) Sprachschöpfungen,4) und indem sich nun also
dem gesehenen Gegenstand sein gespenstisches Lautbild zur Seite stellt (im
Horopter des „Visus intellectivus“) und dessen fragend auftreffende Reizwirkung
aus seelischer Reaktion der „Innerthätigkeit“ [oder (sanskritisch) „Antahkarana“,]
beantwortet wird (mit dämonischer Stimme), steht dasjenige fertig, was sich im
Suman zum Fetisch schnitzen lässt, was dem vorüberhuschenden Tier als Totem
abgehäutet sein mag (für den Medizinsack), was in (des Schamanen) ekstatischer
Verzückung (wenn nicht aus Neqnök der Nisra, dem Halait) mit seiner Doppelung
redet, im Schutzgeist oder dessen göttlicher Verklärung, soweit vorwiegend nicht
in träumerischer Nacherinnerung eingesenkt verblieben, an die dahingegangenen
Ahnen (die bald nun ihren Kult zu verlangen pflegen).
Da Alles das in kürzlichen Publikationen wiederholte Behandlung erhalten
hat, kann darauf um so mehr verwiesen werden, da die in dem vorliegenden
Werk auf einen andern Standpunkt aufgestellten Gesichtspunkte weitere
Bestätigungen gewähren, in willkommener Kontrolle, deren Ergebnisse besser
für sich selber reden, unbeeinflusst durch Überredungskünste, um die Unab-
hängigkeit des Urteils nicht zu stören.
American Anthropologist. VIII, No. 4 (Oktober 1895), Washington (An-
thropological Society).
Cushing’s Abhandlung über „the Arrow“ wird für Alles, was in an-
schliessendes Forschungsfeld hineinfällt, eine fortab fundamentale verbleiben, denn
wessen Autorität käme der seinigen gleich? der seit „a boy less than ten
years of age“, diese Studien methodisch ausverfolgt hat, in einem langen und
ergebnisvollen Leben, unter praktischen Erfahrungen (beim Sicbhineinverleben in
das Leben der Zuni). Im besonderen sei hingewiesen auf den Übergang von dem
„already strung but reversed flinging bow to the bow of archery“ (S. 344),
sowie auf die noch ausstehende Fortsetzung (der erwartungsvoll entgegengesehen
wird). Die Abhandlung Me Gee’s („the beginning of agriculture“) breitet eine
J) Linguistic Anthropology is the only true „Science of men“ (s. Hale), dessen
Wesen sich indes zunächst in den Gedanken ausspricht, für Deutung der Worte,
aus ihrer „Seele“ (bei Jchwan as Safa). Indem die Sprache „cannot form names of any
objects except by means of roots, all of which are expressive of acts“ (s. M. Müller),
folgt der Energismus (aus den Genoralisationen), bei Zutritt des lautlich reproduzierten
(und in Anschauungen inkarnirten) Hörbild’s (zum Gesichtsbild). Als „Naturgabe“ (s.
Herder) aus Notwendigkeit dient die Sprache, wie den Sehorganen zu sehen, den Hör-
organen zu hören (s. Epikur), und dann tritt die Beachtung der noetischen Umge-
staltungen hinzu (auf der Gesellschaftsschichtung).
gesicherte Grundlage für die Lehre von den Geographischen Provinzen, weil sie
unter einfachsten (also übersichtlichsten) Aspekten in Betracht ziehend in Pa-
paguaria (perhaps the most arid region of equal extent on the western hemi-
sphere). „The desert flora reveals in strong light the exceeding adjustability
of even the more fixed organic types to environment, an adjustability so delicate
that the affinity thereof masks and modifies consangninity“ (S. 162), und dann
vom „animal life“ weiter zu den „characteristics of human life“ (S. 369), mit An-
schluss an Login’s Satz, dass das Klima auch auf die dem Menschen innewohnen-
den Fähigkeiten bedingend einwirkt [unter Kückgang bis auf Hippokrates, den
Vater (medizinisch-)anthropologischer Litteratur],
Brinton. The Aims of Anthropology. Salem 1895.
Eine beredte Ansprache des Präsidenten der „American Association for the
Advancement of Science“ über die Aufgaben der Anthropologie (und Ethnologie)
in ihrer heutigen Fassung. Wenn dem Hinweis auf den naturwissenschaftlichen
Charakter der Ethnologie (the natural science of social life) der Satz zugefügt
wird, „the final arbiter, however, to whom it appeals is not the ethnos, not the
social group, but the individual,“ so gilt das für den Zeitpunkt, wann dem aus
seinem Gesellschaftskreis integrierten Individuum (der Persönlichkeit) die (in
eigener Selbsterkenntnis) gestellten Aufgaben zu bemeistern gelungen sein
sollte, (um frei emporzuschauen als Anthropos). Andrerseits hätte sich das
Augenmerk der längs der Forschungsbahn noch Dahinwandemden auf die Ge-
setzlichkeiten zu richten, wie den Eiernentaranlagen ethnisch einwohnend
zum Gesellschaftsgedanken entfaltet, unter den Differenzierungen der Völker-
gedanken, wodurch den Untersuchungen ein gesicherter Ansatzpunkt geboten
sein wird (zur Verwendung der komparativen Methode).
The time will come, and that soon, when sound historians will adopt as
their guide the principles and methods of ethnological science, because by these
alone can they assign to the isolated fact its right place in the vast structure
of human development (S. 7), in der Geschichte des Menschengeschlechts (und
seiner „Humanitas“), neben sog. Weltgeschichte (als erweiterter Volksgeschichte).
In den Proceedings of the American Philosophical Society (XXXIV, 147)
findet sich ein neuer Beitrag („Salishan Texts“) zu den wertvollen Fundamental-
arbeiten, wodurch Boas unsre ethnische Kenntnis des von ihm durchforschten
Völkergebietes begründet und gefestigt hat (und werden die zerstreuten Abhand-
lungen hoffentlich bald zusammengefasst erscheinen).
Im Psychological Review (I, 4) wird in einer kontroversialen Frage („Is
Psychology a Science?“) auf James’ Bemerkungen über den Einschluss der
Erklärungen in den Beschreibungen schon (betreffs der Psychologie), seitens Ladd
der Einwurf erhoben, dass „the same thing is true of every scientific
treatise on mental phenomena that was ever written, or indeed for that matter,
ever will be written; moreover is also true for every form of natuial science
(und also für eine Psychologie in naturwissenschaftlicher Behandlungsweise).
Soweit die thatsächlichen Beweisstücke genügend verifiziert sind, bieten sich der
Erklärungen genug, aber nur soweit derartig erwiesen, sind sie dann eben zu-
zulassen, als zuverlässig. Worauf es ankommt in der Naturforschung, ist eine
exakt genaue „Beschreibung“ des Objekts, und dann ist die „Erklärung“ (s.
Kirchhoff) eine sich daraus ergebende nun eben (ungefährdet durch idiosynkrasisehe
Ablenkungen). Im vorliegenden Falle handelt es sich um die psycho-physische
(Individual-) Psychologie, aber dasselbe gilt für die des zoopolitischen Individuum
(als Ethnos).
Im gleichen Heft findet sich ein Artikel Baldwin’s („Psychology past and
pi’esent“), der, im Anschluss an die Weltausstellung zu Chicago, besonders die
psyeho-physischen Laboratorien nach ihren erzieherischen Zwecken bespricht, in dem
Einleitungswort indes nicht scharf genug den Trennungsstrich markiert, der in
„modern psychology“ die philosophische Behandlungsweise von der physiologischen
abscheidet, seitdem die aus Mitte des Jahrhunderts mit dem Charakter einer
Naturwissenschaft bekleidete Physiologie sich auf das Berührungsgebiet mit der
Psychologie geführt fand, und jetzt, nachdem sie ihre psycho-physischen Wacht-
türme gesichert begründet hat, fortzuschreiten haben wird in die Sphären-
Iiegion der Gesellschaftsgedanken (mit einem, auf aus ethnischen Belegstücken
festgelegten Stützen ruhenden, und somit gesicherten Fussauftritt).
Als Naturgabe (s. Herder) ergiebt sich (mit Notwendigkeit) die Sprache —
(zu Epikur’s Zeit schon) aus Voranlagen, in Beziehung zu den Sprachorganen, wie
das Sehen zu dem Sehapparat und das Ohr zum Gehör, aus (stoischen) Herzen
(-nyc; (pwvrjc; dyjp.ioupyoq) — organisch1) hervortretend (b. W. v. Humboldt), wobei,
was aus Erfindung oder Kunst, zu erklären wäre, erst in späteren Vervollkomm-
nungen liegt, wie etwa für das Gehen hinsichtlich seiner akrobatisch nützlichen,
oder nutzlosen, Fähigkeiten. Nicht aus Stimmung, wie im Gedränge interjectio-
naler Ausdrücke, Sentimentalitäten etwa zusagend, ergiebt sich die Fixierung
des Wortlautes, weil zunächst in Konkordanz optischer und akustischer Thätig-
keit wurzelnd, so dass dem aus materiellem Reflex des Lichts geschaffenen Seh-
bild eine immateriell (mehrweniger) verallgemeinernde Deckung zutritt, damit
sodann der Denkprozess auf gesellschaftlicher Schichtung einsetzt (zum gegen-
seitigen Verständnis zwischen den Individualitäten).
Die im Kind (je nach den aus der Umgebung aufgenommenen Geräuschen)
imitatorischen Sprechversuche werden, gleich dem okulistisch richtigen — (vor Illu-
sionen möglichst gehüteten) — Sehen, allmählich angelernt, gleich den zum Greifen
ungewiss ansetzenden Fingerbewegungen, die aus Übung erst zum festen Griff,
ihrem Begriff (so zu sagen, in Fingersprache gleichsam) gelangen, zur Ergänzung
*) Die Sprache ist das bildende „Organ des Gedankens“ (b. W. v. Humboldt),
als „Weltansicht“ (beim Gestalten des Denkens durch den Laut), in Morphologie,
für Bedeutung der Beziehungslaute (aus der Wurzel, nach den Funktionen hinsichtlich
der Form). Die „Weltansicht“ der Worthülsen belebt sich zur ethnischen „Weltanschauung“
bei Durch dringen mit der Sinnesdeutung (je nach dem Verständnis der Völker-
gedanken).
des Lautlichen dienend (in Kombination mit dem Gesicbtsausdruek der Mimetik).
Die Seele (bei Kleanthes) galt als Ausbauchung des Körpers (s. Longin), gleich
Duft überschwebend (auf Tonga).
Aus Polyhistorie (bei Beschränkung aus Polymathie) gestaltete sich (nach
Zusammenfassung des Trivium und Quadrivium an der „Universitas“) die Philologie
zur Altertumswissenschaft (s. Fr. A. Wolf), genealogisch (b. F. Müller), in Suche
nach der Ursprache (anthropologisch).
Auf dem Boden der Geschichte erschlossen sich dem Einblicke „reiche
Schätze vernünftiger Ideen und treibende]1 Ideale“ (s. Hegel), in „welche die
ewige Idee die Menschheit zeitlich und räumlich sich entfaltet“ (b. Pfleiderer),
woraus im Umblick des Globus der Gesellschaftsgedanke der Menschheit sich zu
offenbaren haben wird.
So lange das allgemein alles Daseiende mit seinem Leben Durchwallende in
der Beseelung eines animalischen Organismus pulsiert, wirkt es aus seinen
Funktionen auch die psychischen aus, welche mehrweniger ihren reflexiven Verlauf
nehmen, gleich den übrigen.
Was dagegen (als Rückschlag aus gesellschaftlichen Denkschöpfungen) im
Bewusstsein des Einzelnen hervortretend, sich durch die psycho-physische Über-
brückung zum körperlichen Persönlichkeitsgefühl fühlbar macht (so lange der
Zusammenhang dauert), liegt auf einer (der zeiträumlichen Existenz) jenseitigen
Sphäre, und obwohl unter erzwungener Abhängigkeit vom Leibe, empfindet sich
diesem unabhängig fremd, weil solcher Leib selber schon völlig fremd ist (wenn
nicht durch anatomisch-physiologischeStudien in seinen gröberen Teilen durchblickt),
betreffs der komplizierten Maschinerie, die in ihm (ohne Kunde über fernliegende
Herkunft) arbeitet, und wenn auch weil Endprodukt eines (von Aussen her
beeinflussten) Resultats, am Verbindungsfaden festbaltend, muss dieser doch los-
gelassen werden, wenn selbst zerfallend, weil ohne Macht dann ferner über
dasjenige, was sich selbständig bereits proklamiert hat (in Eigenheit des Ich).
Da das „Beobachten seiner selbst“ (s. Kant) „leichtlich zu Schwärmerei und
Wahnsinn hinführt“ (auf gradem Weg in „Kopfverwirrung“), sollte die
„empirische Psychologie“ auf Beobachtungen Anderer begründet weiden, und
würde dann zunächst also die Vergleichung der Gesellschartsgedanken eifoidein
(um im zugehörigen Kreis des Teilganzen das Einzelne zu integiieien).
„Will man das Getriebe der psychischen Vorgänge erfassen, so muss man vor
allen Dingen die ersten und einfachsten Elemente dieses Getiiebes zu beobachten
suchen“ (s. Lange), und also in erster Linie (neben der Kindesseele) die Wild-
stämme in Betracht ziehen (um das Geäder des zoopolitischen Oiganismus zu
durchforschen). Im Organismus des zoopolitischen Individiums steht der Gesell-
schaftsgedanke voran (wie ethnisch differenziert) für den Gemeindekreis — vpk
xovtoviav yeyfoatw (s. Marc. Aurel.) - unter Hinweis auf darinsteckendes Selbst
(monet Pythius Apollo, ut se quisque noscat).
Was einem „inneren Sinn“ (b. Fortlage) zugeschrieben wird, ist der Reflex
des aus Anregungen der äusseren Sinne in Vorschöpfung Transformierten (auf-
sozialer Schichtung). Die mit der Völkerpsychologie verwachsene Linguistik
M. f. V. 5
— 06 —
wird der Erkenntnis des Völkergedankens desto förderlicher sein, je mehr von
der äusserlichen (und schriftlich fixierbaren) Hülse des Wortlauts dessen Gedanken-
inhalt zugewandt (im schriftlosen Primärzustand besonders).
Wenn die „Realen“ (Herbart’s) auf einander wirken, so würde das hinführen
auf den Begriff einer Kraft (s. Lange), wie (in der Molekular-Theorie) „dem
einzelnen Atom durchaus nicht zukommt und eben nur in der Wechselbeziehung
mehrerer Atome statt hat“ (für die physikalischen Kräfte zwischen den Atomen),
in Gegenseitigkeit der Ayatana zu Aromana (oder der Tanmatra, in Fünfheit).
„Aus Actualität des Geschehens folgt, dass auch das Prinzip der psychischen
Kausalität im Prinzip rein aktueller Kausalität sein muss“ (s. Wundt), vom
Denken gelebt (im psychischen Wachstumsprozess). Non potest absoluta possi-
bilitas prior esse actualitate (s. Nie. Cus.), im „actus purus“ (eines „Potest“).
Ammonius Saccas, als üeodídazzoq (s. Hierocles), lehrte: dass der hinfällig ge-
brechliche Körper durch das Seelische gestützt wird (b. Nemesius). Als aus
(scholastischen) Klosterzellen in freie Natur verpflanzt, begann die „anima in-
formans corpus“, im physiologisch Körperlichen feste Wurzel zu schlagen (für
Fortstreichen ihrer Entelechien).
Bei vollgesundheitlicher Schwellungskraft seiner Funktionen treibt es im
Organismus zu zeugender Entfaltung, wie bei sexueller Trennung in den Brunst-
zeiten auf dementsprechende Beiwohnung hingewiesen, während in allgemein
wogenden Gefühlen mit denen der Liebesgefühle ihren Ausdruck suchend, der sich
indes am cerebralen Pol erst zu klären beginnt, wenn in Denkform gefasst,
emporreifend zu Gedankenschöpfungen, die für ihre innerlichen Triebe harmonischen
Gleichklang finden ringsumher, wie auf gesellschaftlicher Schichtung nächst-
liegend, so (weiterhin) in den Harmonien des Universums (bei eindringendem
Verständnis derselben).
Solche Gefühlsempfindungen, im Gehörsorgane anschlagend, verleihen dem
Menschen seinen Charakter als „singendes Geschöpf“ (s. W. v. Humboldt), mit
dessen Tönen sich Gedanken verbinden, in Wechselbeziehung zu den auf der
Retina (durch Lichtreflex) abgezeichneten Gestaltumrissen (aus optisch-akustischer
Konkordanz).
Was im Gesichtssinn sich ausprägt, steht dort als ein Fragezeichen über
die Welt, in deren Bilde es redet, und die Antwort verkörpert sich in den Laut-
worten, die auf sprachlicher Gesellschaftsschichtung ihren Entwicklungsgang
beginnen, in (Hegel’s) dialektischem Prozess (um zum Verständnis zu gelangen).
Nachdem zwischen Erkenntnis- und Begehrungsvermögen (Wolff’s) das
Gefühlsvermögen (b. Tetens) eingeschoben war, (in „Empfindnissen“), wurde die
rationale Psychologie (als metaphysische) unmöglich erklärt (s. Kant), der empi-
rischen aber die Evidenz einer Naturwissenschaft abgesprochen, weil der Experi-
mente unfähig, sowie einer mathematischen Behandlungsweise, welche von Herbart
anzustreben versucht, erst durch Fechner (physiologisch) zur Anwendung ge-
langte (für die Individualpsychologie), während die Völkerpsychologie (b. Lazarus)
in die Psychologie des Gesellschaftsgedankens zu verlaufen gestimmt war, nach
dessen Differenzierungen in den Völkergedanken (auf elementar gleichartigen
Unterlagen, bei Einheit des Menschengeschlechts).
67
Dadurch würde Hegel’s Psychologie als Mittelpunkt der Metaphysik, — um das
Geistige aus den Fesseln des Leiblichen zu befreien (religionsphilosophisch, unter
Vermeidung der Mystik), — aus dem deduktiven Weg auf den induktiven überge-
geleitet sein (in ethnisch-naturwissenschaftlicher Psychologie), während Spencer die
Vermittlung mit philosophischer Deduktion hatte festhalten wollen, in einer
Soziologie, für die zwar objektives Material beschafft werden sollte, aber solches
einer organischen Durchbildung entbehrend bleiben musste, so lange nicht in
den Elementargedanken fest umschriebene Stützen gefunden waren (für eine
Gedankenstatistik).
Boas. Fifth Report on the Indians of British Columbia (tenth Report on
the North-western tribes of Canada) 1895.
Dieser, gleich den übrigen, mit eingehendstem Verständnis primitiver
Gedankenwelt abgefasste, Bericht bringt wiederum eine Mehrheit aufklärender
Beweisführungen, so für das Toteneigentum (S. 46), das Aufstellen der
Erinnerungssäulen (S. 52), schamanische Berufungen (S. 59), kosmogonische
Vorstellungen (S. 61), dann das Linguistische (des Niska und Tsetsaut),
physical characteristics (mit Tabellen) etc.
Giddings. The Theory of Sociology (Philadelphia). Supplement of the
Annals of the American Academy of political and social science (Juli 1894).
„An analysis of the general characteristies of social phenomena and a formu-
lation of the general laws of social evolution, should be made the basis of
special study in all departments of social science; Sociology therefore may be
defined as the science of social elements and first principles“ (s. Gilling). Its
far reaching principles are the postulates of special sciences (Sociology rests on
biology and psychology; the special social sciences rest on sociology).
„Une société est une groupe de gens qui présentent entre eux beaucoup de
similitudes produites par imitation ou par contraimitation“ (s. Tarde). Ce
qui maintient un grand nombre de citoyens sous le même gouvernment c est
bien moins la volonté raisonnée de demeures unis que 1 accord instinctif et en
quelque sorte involontaire, qui résulte de la similitude des sentiments et de la
ressemblance des opinions (s. Tocqueville). In der Menschheit hat sich das In-
dividuum aus der Horde gebildet, nicht umgekehrt (s. Kohlei), bei Integiieiung
(aus dem Zoon politikon).
Bei Vielfachheit der in der Soziologie praktisch gepflegten Sonderzweige,
volkswirtschaftlicher und staatswirtschaftlicher Art — „from the husbanding of
corn and wine to electioneering contests“ - würde das ihr charakteristisch eigen-
tümliche Studium auf die allgemein durchgehenden Gesetzlichkeiten hinzurichten
sein, nach Analogie der Biologie (a working laboratory of sciences, conceived and
pursued as a groundwork of more special biological sciences) für den Lehrkursus
der Studenten. „He should study botany and zoology, of course, but he should
be grounded first in biology, the science of the essential and universal phenomena
of life under all its varied forms (S. 3 8).
5*
68 —
Hier wäre nun indes in Beacht zu ziehen, dass erst nach einem eingehenden
Studium der Physiologie (im Anschluss an botanische und zoologische Forschungs-
weisen), die Zellenlehre mit derjenigen Deutlichkeit sich geklärt hat, um in der
Biologie ihre (phyto-) physiologischen Hilfsdienste zu leisten, und obwohl ein direktes
Rücksichtnehmen auf die einfachen Entwicklungsvorgünge in der Primär-Zelle aus-
fällt [je mehr die Aufmerksamkeit des Kunstgärtners (oder Landwirtes) auf die
verwickelt bei der Züchtung sich abspielenden Wachstumsprozesse (in deren Meta-
morphosen) hingei'ichtet ist], der (kraft der Induktionsmethode wissenschaftlich
vertiefte) Einblick dennoch wieder auf cellulare Lehren zurückführt, um praktische
Resultate zu gewinnen (vornehmlich z. B. zur Ausheilung pathologischer Schäden).
Je mehr innerhalb des Gesellschaftskreises (eines zoopolitischen Individuums)
die psycho-physischen Individuen im Selbstgefühl ihrer Persönlichkeit sich zu
integrieren beginnen, desto mehr, unter dem wogenden Geschichtsstrom, geht
der im Wildzustande deutliche Anschluss an die (physiko-) geographische Um-
gebung (und deren Agentien) verloren, da jetzt ein psychisches Milieu zur Durch-
bildung gelangt, mit all’ den in der komplizierten Maschinerie seines historisch
erwachsenen Organismus durcheinander wirkenden Faktoren individueller Launen
und Neigungen (mit buntester Ausgestaltung).
Allerdings würden nun auch hier die mittelst der Durchsichtigkeit einfacher
Anfänge im ethnisch politischen Leben gewährten Erleichterungen, den Gesamt-
zusammenhang eines (hier kleinsten) Organismus zu durchschauen, wertvollste
Unterstützung zu liefern im Stande seien, aber dann eben erst, wenn die augen-
blicklich noch junge Ethnologie zu ihrem vollen Reifezustand gelangt sein wird,
und da die praktische Pflege der durch die Zeitbedürfnisse verlangten Spezial-
zweige bis dahin nicht unterbrochen werden kann, verbleibt es vorläufig damit
besser wie bisher, um sie wenigstens nicht durch Hineintragung, soweit noch, unreifer
Theorien mehr noch in Unordnung zu bringen; denn die Statistik erweist sich
überall als ein zweischneidiges Schwert, mit Sicherheit entscheidend, wenn voll-
kommen alle mitsprechenden Daten beherrschend, aber bedenkliebst, solange
eine unvollkommene; subjektivischen Deutungen offen (nach Willkür derer, die
sie verwenden).
Unter solcher Sachlage stellt sich dann aber allerdings das zwingende Gebot
voran, den ethnischen Daten (eingehender, als bisher), eine möglichst ernstliche Durch-
forschung zuzuwenden, um sie thunlicbst bald zu befähigen, die entwicklungs-
schwanger in ihr schlummernden Keime zur derjenig vollen Ausgestaltung zu
fördern, welcher zuverlässige Anhaltspunkte sich entnehmen lassen könnten, und
zwar gewichtigste sodann, um auf die Schädlichkeiten des sozialen Lebens (in deren
Durchschnittsmassen die ethnischen Elementargedanken auf gleichem Schichtungs-
Niveau fortdauern) einen naturgemässen Heilungsprozess zur Anwendung bringen
zu können (im geschichtlichen Fortschritt der Kultur).
Zwischen Kulturvölkern und Wildstämmen ist, so gut es gehen will, ein
praktischer Scheidungsstrich (für die Studienweisen) zu ziehen, so dass hier die
Theorie der Praxis zu folgen hätte, was, wenn es auch, solcher Theorie nach, viel-
leicht nicht sein sollte, doch, statt zu den Ausnahmsfällen, eher vielmehr zur Regel
09
gehört (aus praktischen Erfahrungen), und ohnedem provisorisch stets erfordert
sein würde, wo der Forschungsweg der Induktion eingehalten wird. Die Ethnologie
verhält sich zur Soziologie, wie etwa zur Geographie die Ethnographie, die hier
den botanischen und zoologischen Provinzen eine anthropinische zufügend, still-
schweigend auf hört, sobald auf den von der Geschichte beackerten Boden
gelangend, für deren vorläufige Ergänzung sie dort bedürftig gewesen war, wo
für historische Kritik die zuverlässigen Momente noch fehlen. Ebenso ver-
schwindet die bei den ethnischen Organismen eines durchsichtigen Primitiv-
zustandes nach den dort erschaubaren Gesetzlichkeiten arbeitende Ethnologie unter
den komplizierten Maschinerien der Kultur, so lange in ihren Grundprinzipien
noch nicht genügend gefestigt, um durch die, bei den Kryptogamen des Menschen-
geschlechts nachweisbaren, Zelleinheiten solch’ ähnliche Dienste zu leisten (zur
Kenntnis kulturellen Wachstums), wie die phyto-pbysiologische Methode einer
wissenschaftlichen Botanik (für biologische Weiterfolgerungen).
In the American Journal of Psychologie (Clark University, Worcester 1895)
giebt Tilcherer ein „psychological vocabulary“ (für Übersetzung deutscher Aus-
drücke ins Englische), mit der Bemerkung: „the english nomenclature of psycho-
logical processes must be in the main of Latin-Greek origin and not of Saxon“
(für die Termini technici).
International Journal of Ethics. Philadelphia 1895.
„The „ethical process“ is emphatically part of the cosmical process“ since
it is concerned in the development of new relations among the factors with which
it deals and therefore is the securing of new products of these facts (s. F. E. White),
im Anschluss an Royce (und Huxley); für (Fichte’s) moralische Weltordnung
(bei Einheit physischen und ethisch-moralischen Gesetzes, im Dhamma).
Hodge. The first discovered City of Cibola (American Anthropologist,
VIII, 2). Washington 1895.
Im Abschluss an die dnrch Bandelier’s Forschung begründeten Unterlagen
(und unter Auseinandersetzungen mit ihm über mitspiechende Gesichtspunkte)
kommt der Verfasser zu dem Ergebnis, „that not Kiakima, but Hawikuh was the
town of Cibola discovered by Niza, that the latter village alone correponds sub-
stantially with the settlement described by the fiiai (S. 4).
Dali. Alaska as it was and is. Washington 1895 (Phlsphd. Set.).
„The day of the ethnological collector is past“ (S. 144). Ein schwerwie-
gendster Satz in wenig Worten, wenn gesprochen von der hier unbestrittensten
Autorität, aus persönlichen Erfahrungen (seit 1865).
Fullerton. The psychological standpoint (Psychical Review, I, 2, March
1894).
Das Denken des „plain man“ lässt sich betrachten, im Sinne der „psychology
as natural science, for it is psychology from the standpoint of the common un-
derstanding“ (S. 113), und so (für ethnisch naturwissenschaftliche Psychologie)
dem Gedankenleben der Wildstämme parallel (zoopolitisch).
Gleich den übrigen Naturwissenschaften, ist die Psychologie, wenn im
korrespondierenden Charakter ihnen angeschlossen,, freizuhalten von jeder Ein-
mengung metaphysischer Probleme, deren Behandlung (soweit sie einer solchen
zugänglich sind) der Philosophie verbleibt.
Und indem so die Psychologie auf den induktiven Weg (komparativ-gene-
tischer Methode) sich hingewiesen findet, werden (zum Material des Verarbeitungs-
stoifes) objektive Anschauungsbilder, wie sie erst (und nur) von den ethnischen
Einkörperungen des Gesellschaftsgedankens gegeben sein können, vorausgesetzt
und vorbedingt, damit dann wieder (aus Teilhaben am social umziehenden Kreis)
das psycho-physische Individuum sich integriere (im eigenen Selbst).
Beim Herausrechnen seines im Ganzen (des gesellschaftlichen Kreises) zustän-
digen Eigenwertes (aus den Verhältnisbeziehungen, worin umwoben), als unab-
hängiges Teilganzes (lebensfähiger Existenz) seinen Ausdruck gewinnend, ge-
langt (im innerlichen Reden seiner Doppelheiten mit einander) das jedesmalige
Denken zum Bewusstwerden, um in Enge oder Weite solches Bewusstseins die
darin aus geistiger Umschau gespiegelten Weltreflexe dem Forscherblick kontrol-
lierender Betrachtung zu unterwerfen und zu klären (für das Verständnis).
Was hier prüfender Revue vorüberzieht, führt nicht die aus der Linsen-
brechung der Retina aufgeprägten Dinglichkeiten vor, sondern das, was aus deren
Echo in gesellschaftlichen Schallwandlungen (mit Satzgefüge der Denkworte) sieh
ausspricht, unter Hinstreben zu generalisierenden Zusammenfassungen.
Wir sehen den Schimmel, denSchecken, den Rappen, aber daneben denkt sich
das Pferd, als unsinnliche Sprachschöpfung (wie vom „Visus intellectivus“ gesichtet),
ohne fixierten Stellungsanweis (im Räumlichen). Was im Körper pathologisch
stichelt, wird gedeckt durch was (unter verallgemeinerter Subsumtion) im Laut des
Bösen (aus seinem Stachel) sich verkörpert, dem auf der Gesellschaftsschichtung
moralisch getönten Ohr. Indem die Gefühlsempfindung tastend erprobendem
(bestätigendem oder widerlegendem) Experiment unterworfen werden kann,
wandelt sich für sie das „Post hoc“ des im Zeitlichen sein Kausalitätsbedürfnis
lebenden Denkens in ein „Propter hoc“ wechselweis bedingender Durchdringung
von Ursache und Wirkung (zur Einheitsfassung vereinfacht). Aus dem die
(mit tactibeln und tangibeln Ganglien durchsetzte) Epidermis treffenden Stoss
erläutert sich der dort reagierende Schmerz, während der im Innern wüthende,
eine Penetration voraussetzt, durch den dafür befähigt gekannten Pfeil, aus feind-
licher Hand (zugehöriger Persönlichkeit) geschleudert, und so steht im „Hexen-
schuss“ der Elementargedanke fertig, der den Böszauber sich projiziert, in (un-
greifbarer) Leiblichkeit begriffen, unter deren (mit abstrahierendem Fortschreiten
gedehnteren) Umrissen nun das (oder der) Böse auf sprachlich gesellschaftlicher
Schichtung (mit Widersachern wieder) sich auseinanderzusetzen hat, für seine
Kontroversen mit dem Guten, und sonstigen Steinen des Anstosses, die in
Mehrung des Sticheins und Stachelns den Hass verbitternd steigern.
Soweit die geistigen Zustände von körperlichen abhängen, wird eine imma-
71
nente Gesetzmässigkeit abgesprochen (b. Comte), während die immanente Kau-
salität der Vorstellungswechsel zwar noch nicht für die Gemütsverbindungen
(Mill’s) umschrieben werden kann, wohl aber deutlich ausverfolgbar (nach Asso-
ciationsgesetzen und was sich anschliesst) in den Wachstumsvorgängen der
Gesellschaftsgedanken (wie die sinnliche Schicht überschwebend), und insofern:
„Psychology is a totally unique Science“ (s. Spencer), aber nicht «subjektiv“,
sondern zunächst vielmehr objektiv (zur An- und Durchschau der ethnisch ver-
körperten Völkergedanken).
Statt der „Dinge“ selbst, geben die Sinne „Wirkungen der Dinge“ (s. Helrn-
holtz), und zwar nicht getreue Bilder, aber doch für praktische Verwertung brauch-
bar herzustellende. Und so spiegeln die Denkschöpfungen auf sprachlich durch-
wobener Gesellschaftsschicht ihre Ursächlichkeiten (für ethische Ausnutzung).
Mit aovddrjmq (amaifr&r/mt; aurr^) drückt sich einheitliche Stimmung im Ver-
nunftdenken (als (ppo'^cnq) aus, wie nach sittlichem Wert abgeschätzt im Bewusst-
sein als („besonnenes“) Zusammen wissen („conscientia“, im Gewissen), das unter
modern gesellschaftlichen Verhältnissen erst die Spezificität eines terminus
technicus erlangt hat [durch (ihre induktive Kontrolle weiterab verlangende)
Deduktion].
Wie weit in „Enge des Bewusstseins“ Auffassungen statt haben, ist psycho-
physisch auszuverfolgen, während im Gegensatzverhältnis zum Nicht-Jch das
Selbstbewusstsein permanent bleibt, trotz periodischer Unterbrechungen des
Wachzustandes (worin, zur Gewisslichkeit der Pflicht, erweckt stehend).
Damit für interesselos ästhetische Urteile dem Geschmack seine richtige
Echtheit bewahrt werde, bedarf es klar erkennender Unterscheidung, im (be-
wussten) Wissen [des (gewiss) Gewussten, als Gewissen]. Um auf die (im
Physischen der Gefühlsempfindungen eingeschlagenen) Wurzeln des subjektiven
Bewusstseins (in „Bewusstheit“) zu gelangen, sind zunächst die Grundgesetze der
Objektivierung (in den Erscheinungen) zu durchforschen (aus psychologischer
Erkenntnistheorie), für das Selbstbewusstsein des Ich (in der Persönlichkeit).
Mit voTjcnq vofjcrsüjs ist 6 sltToj av&pumoz auf Selbsterkenntnis hingewiesen,
für ethische Gültigkeit im Gesellschaftskreis (zum eigenen Verständnis).
Das hier zur Klärung drängende Seelische schwankt — so lange der (flami-
nische) Scheidungsstrich zwischen Tag und JSTacht (unter dem Veto aes Transcen-
dierens) — noch nicht gezogen ist, in unstäten Seelenzersplitterungen umher,
und gleichartige Elementargedanken verbinden das (stoische) Hegemonikon (als
„Spiritus Rector“ oder „Archäus maximus“) mit Tso oder Mingkhuan und (indo-
chinesischen) Analogien, wie (platonische) Präexistenz mit nigritischer (der Kla),
wenn in dämonisch maskierten Spukgestaltungen überall und immer ihren
Reigen wirbelnd, durch Raum und Zeit in der Geschichte des Menschen-
geschlechts; bis aus seiner Menschheit Bild der Mensch hervorgetreten sein
wird (im ethno-psychischen Sinne).
In American Folk-Iore (VIII, 29) wird von Howitt („the Irroquoian concept
of tbe soul“) auf die durchgreifende Beeinflussung des primitiven Geisteslebens durch
\
72
die Auffassungen der Seele ‘) hingewiesen, und neben ethnologisch detaillierenden
Einzelnheiten findet die Linguistik zugleich die ihr gebührende Berücksichtigung.
Als die, seit-Hervorkehrung ihrer plebejischen Hinneigungen, in „Folk-lore“
verwiesene Seele — ehe sie unter kritischen Zerwühlungen, bei Zutritt psycho-
logischer Experimente, in die Funktionen einer „Psychologie ohne Seele“, ver-
flüchtigt war — sich den im (scholastisch ausgestatteten) Musentempel (klassischer
Vorgänger) eingewohnten Philosophen noch hoffähig präsentiert hatte (unter den
Etiquettierungen ihrer Kunstsprache), konnten des Menschen vitale Fragen sich
aussprechen in (Leibniz’) Satz: „Die Seele empfindet nur ihren eigenen Zustand“,
(ihre eigenen Veränderungen) oder (mit WolfFs Selbstgefühl): „Wer sich bewusst
ist, der ist“, im Anschluss anCartesius: „Cogito, ergo sum“, statt (Lichtenbergs
Version solches Dictum’s), mit schuldiger Rücksicht auf das liebe Ich (im Individualis-
mus): Ich empfinde immer nur „mich“ (s. Sommer), statt: Ich empfinde nur die
Veränderungen eines Zustandes (im Phänomenalismus).
Um indes die (bei Absehung von Einzeldingen) anerkannte Unbegreifbarkeit
der Ousia (peripatetisch) oder des (reinen) Seins (im „Ist“) zu vermeiden, liesse
sich der Seele für den in Veränderungen prozessierenden Vorgang statt „inneren
Sinne’s“ ihr innerlicher Wachstumstrieb substituieren, für das Denken das sich
selber lebt (in den Kausalitäten seiner Ursachwirkungen) und somit sein Sein,
(mit Aspiration auf seine „causa sui“ hin), da so (das) „Leben“ (für Wortdeu-
*) That the soul abode in and about the corpse, wether it lay in the grave or
on a scaffold, promenading by night through the villages, entering their lodges and
cabins to share in the feasts by eating what remained in the pots; that after the
decennial Feast of the Dead it remained quiescent and contented, unless it came forth
to be reembodied by being born again of some women, in proof of which the Jroquoian
philosophers adduced the striking fact of the remarkable resemblance of certain living
persons with others who had been long dead; that after the Feast of the Dead, the
soul, robed in beautiful fur mantles and adorned with bracelets and necklaces, took
up its journey westward, towards the setting sun, to reach the spirit land, where each
tribe or nation has its own particular village, to which the soul hailing from another
tribe or nation was not at all welcome, and where the souls of those who have died
in war and of those who have committed suicide have separate villages, since they are
not permitted to visit the others, as they are feared by them; that the souls apart
from hunting, fishing and from being engaged in the usual pursuits of the living, dance
for their own amusement and for the health of Atahen'tsik, the weird Mistress of
the Manes; lastly, that the souls of the decrepit and superannuated and of infants and
small children, not having the streugth of body and limb requisite to make the long
and trying journey to the land of souls, remain in the country, where they have their
own villages; to these are attributed the noises of the doors and flaps of their cabins
and lodges made by the ingress and egress of these iuoffensive souls; to them like-
wise are attributed the voices heard of children hunting birds and pursuing small game
in the fields; these souls, it is also claimed, plant corn in season, using the abandoned
fields of the living, raising there on oq-sken'-na'-o-nen'-ha, „ghost-corn“, commonly
called squirrel corn, Dicentra Canadensis. When villages with their stores and caches
of corn were burned, the people took great pains in gathering the parched corn into
a heap in the middle of the burned dictrict to be used by these feeble and harmless
¡souls for food. (S, 109 u. fig.)
73
tung) verständlich wäre, weil vergleichungsfähig bleibend (in den vor den Augen
ablaufenden Prozessen vielfachst bunter Art und Weisen).
Die aus dem leiblichen Leben psychisch forterstreckten Entelechien werden auf
die Gesellschaftsschichtung, im Kontakt mit adäquaten Wachstumsregungen, durch
die Verflechtungen gegenseitigen Gedankenaustausches, in übersinnliche Denk-
schöpfungen hineingezogen, aus denen das Bewusstwerden individueller Mitwirkung,
dieser ihre dortige Unabhängigkeit gewährt, unter mehrweniger organisierter
Loslösung von den physischen Wurzeln, woraus erwachsen.
Beim Rückklingen der, die erregenden Gesichtserscheinungen in sprachlichen
Verkleidungen begleitenden, Schallbilder rufen diese, auf optischer Unterlage
redend (aus akustischer Konkordanz), bei Aufspeicherung (zum Gedächtnis) in
den Hirnwindungen (mit physischer Assimilation), im Persönlichkeitsgefühl eine
(zur Grössenbestimmung, als „Einheit der Synthesis“) selbständig (aus den
Wechselbeziehungen der Bruchteile) entnommene — und deren Stempel, als eine
(solche Bruchteile summierende) Ganz-Grösse, tragende — Wesenheit hervor (im
Horopter geistiger Schau), woraus sodann diejenige (des Ich) sich wiederzuerkennen
vermag, in dem, aus (transcendierend) Transcendentalem, auf das Materielle pro-
jizierten Abglanz, der von jenseitsher hervorbricht, als ewiglich sprudelnde
Quelle durchströmend gefühlt (in eines Lebenswassers verjüngender Kraft).
Seebohm, Fr. The tribal System in Wales. London 1895.
Under the Welsh tribal System there were two great Hasses, those of
Cymric blood and those, who were strangers in blood (S. 55).
Die Ubergangswandlungen des fremden Bluts in das heimische, sowie die
aus der Blutsgenossenschaft bedingten Formen des Eigentums, bei dem Zusammen-
schluss mit einem Brenhin penraith etc., sind mit erschöpfend minutiösen
Details innerhalb eng umgrenzten Areals, auf Grund der verfügbaren Do-
kumente eingehend dargelegt, und bilden so ein lehrreiches Schema für ver-
gleichenden Anschluss (wie des Weiteren durch einen zweiten Band in Aussicht
gestellt).
Spraehähnlichkeiten weisen zunächst auf geschichtliche Berührung hin, und
sofern gleichzeitig etwa Verwandtschaft in Betracht käme, würde sich dann wieder
die Vorfrage erst stellen, ob aus consanguinitas von älteren Wurzeln her, oder
ob von agnatischen mehr (wie durch Mischungen eingeleitet).
Das Gepräge'charakteristischer Nationalst ist durch die Aktionswirkungen
der Geschichtsbewegung aufgeprägt, und dieselben bereits in den Grundtrennungen
eines primär reinen Urstammes suchen zu wollen, würde ebenso vergebliche
Mühe sein, wie die Variationen der in der Kultur veredelten Blüten eines
Fruchtstammes in dem Samenkorn bereits nacbweisen (und finden können zu
meinen).
Die unter Hengist nach Britannien eingezogenen Anglo-Sachsen repräsentieren
ebensowenig den Engländer (seinem nationalen iypus nach), wie Aipad s Magyaien
den heutigen Ungarn, obwohl in beiden Fällen der daraus entnommene
Charakterzug in der, aus den sonst ethnischen Durcheinandermengungen resul-
74
tierenden, Physiognomie ein leitend massgebender geblieben ist. Es kommen
also auch hier die Agentien der geographischen Provinzen, je nach dem sie beim
Laufe der Wanderungen in den einzelnen Lokalitäten genügend zur Auswirkung zu
gelangen vermochten, mit den historischen Konstellationen (und politisch geschürzten
Konjunkturen) zusammen, um dasjenige Produkt auszugestalten, das als so-
weitiges Endresultat der Beschauung sich bietet.
Im „Archaeological and Ethnological Papers of the Peabody Museum" (her-
ausgegeben von Putnam) findet sich „A study of Omaha Indian Music“ (by Alice
C. Fletcher), aided by Francis La Flesche, with a Report on the Structural
peculiarities of the Music (by J. C. Fillmore), Cambridge 1893.
Es war die letzte Gelegenheit zum Niederzeichnen, denn: „The Omahas as a
tribe have ceased to exist. The young man and woman are being educated in
English speech and inbued with english thought; their directiv emotion will
hereafter take the lines of our artistic forms“ (S. 57).
Folk-Lore (VI, 3), Transactions of the Folk-lore Society. (London 1895)
mit einer anregend zeitgemässen Diskussion (unter Rückbeziehung auf frühere
Artikel) zwischen Lang (Protest of a Psychic Folk-lorist) und dem Präsidenten
der Folk-lore Society, um unter Abwägen der Bedenken hüben und drüben,
in Erörterung zu ziehen, wie und wo der Scheidungsstrich zu ziehen sein würde,
zwischen dem „Folk-lorist“ und „Psychical Researchers“ (um in den Schranken
des Vernunftsbereichs zu bleiben).
In seinem „Protest of a psychical folklorist“ verlangt Lang mit Recht, dass
Hallucinationen, wo sie (im spiritistischen Sinne) sich finden möchten, „be
studied like anyother mental phenomenon“, was meistens freilich scheitert an
einer ungenauen Konstatierung des konkreten Falles, wie bei dem von den „Fire-
walkers“ (in Fiji) angeführtem Beispiele eines [unter (alaunigen) Substituten
der Pikrinsäure] seit den Hirpinen (in Ordalen auch) fortgeführten Brauches,
welchem gemäss der Wongtschä (Guinea’s) ebenfalls auf glühenden Kohlen
tanzt (oder dazwischen, mit der, für das Ballet anlernbaren, Geschicklich-
keit), und so seiner Kollegen gar viele noch, im ähnlichen Gespiel mit
dem Feuer — ein für die Mythologie ausnutzbarstes Element (in Elementar-
gedanken). Barbaric conjurors are, to use slang: „up to snuff“, as well as Prof.
Pepper or Mr. Maskelyne, erwidert Clodd im „Reply“ (S. 250), und solch
kindischer Naivität, wie die in den „Cercles“ der Civilisation tänzelnden „Spi-
rits“ bethätigen, scheint das schwerfällige Negerhirn schon entwachsen, selbst
unter der fuseligen Begeisterung durch den in der Schnapsflasche steckenden
Spiritus, den seine „Geister“ niederzugurgeln gehört wurden (bei Römer’s An-
wesenheit). Seine Herrschaft über die stupiden Massen erlangt der Schamane
oder Paje dadurch eben, weil (ein Kleinwenig wenigstens) weniger stupid (und
insofern „stärker“, an Geist). „Sapiens humani generis paedagogus“ (im Grossen,
wie im Kleinen).
Vol. VI (2) liefert Bereicherungen der Sammelschätze in „Suffolk Leeches“
75
(Groome), „Folklore Objekts“ from Argyleshire1), (Maclagan), „Traditions, Customs
and Superstitions of the Lewis“ 2) (Mae Phail), sowie (in vergleichender Behandlungs-
weise): „Taboos of Commensality“ (Crawley), mit anschliessendem Mancherlei3)
(in Correspondence and Miscellanea).
Wake. Memoirs of the International Congress of Anthropology.
Chicago 1894.
Enthält neben der „Presidential Address“ (Brinton’s), die in den Sektionen
(Physical Anthropology, Archaeology, Ethnology, Folk-lore, Religion, Linguistic)
gelesenen Abhandlungen, mit einem Supplement („German Papers“).
Herbert Spencer. The inadequacy of natural selection (Contemporary
Review, March). London 1893.
„Natural selection, a survival of the fittest, is almost exclusively opera-
tive through-out the vegetal wmrld and throughout the lower animal world,
characterized by relative passivity“ (v. Spencer); „in animals of corrqffex structures,
inheritance of acquired characters becomes an important, if not the chief, cause
of evolution“ (S. 45), für Fortwirkung auf der Gesellschaftsschichtung (in kultur-
geschichtlichem Fortschritt).
In Spencer’s „Weissmann One More“ (Contenqxn’ary Review). London
1894 werden, unter den Erörterungen, die Untersuchungen Havelock Charles’
(Journal of Anatomy and Physiology) angeführt (über „the differences between
the leg-bones of Europaens and those of the Punjab-people, differences caused
by their respective habits of sitting in chairs and squatting on the ground“) für
Hinweise auf Mancherlei was zu beachten wäre (bei den Kontroversen über den
Pithecanthropos erectus z. B.).
Romanes. Kritische Darstellung der Weismann’schen Theorie.
Leipzig 1893.
Der Nomenklatur werden Kommentare zuzufügen gesucht (S. 35 u. p.),
bis auf die „Iden“ später zugespitzt (reimend mit „Od“, unheimlichen Glühlichts).
„Der ganze Mechanismus der Vererbung wird mit solcher Kleinmalerei und
*) Das Corp-Chre schliesst sich an das Nadelprickeln (wodurch zu Johann s XXII.
Zeit auch Könige bedroht waren) und das Nägeleinschlagen (in Loango), mit mancherlei
Reminiscenzen sonst (in Atzmänner u. s. w.).
2) Als ein Kornfeld durch Wind verwüstet war (auf der Insel Lewis): der Rat der
Alten „valued the loss, they had sustained, on their Maker, believing that he was under
obligation to make up for them, as it was caused by the wind“ (s. Abercrombie), gut
gemacht demgemäss durch reichen Fischfang („the smith of the district made a small
fortune on making hooks“). So dass hier ein vertrauterer Verkehr statt hat, als der
timide Neger wagen würde, mit seinem Nyankupong (obwohl ein „Freund“, wie der
Abraham’s) einzuleiten, oder mit Mawu, der ohnedem die „Wong zu Dienstleistungen
beauftragt hat (wie Mahatara die Sangyang). #
3) Den „Chained images“ (S. 196) lässt sich (neben manch andern) ein Beispiel
aus Tongu beifügen (cf. V. d. östl. As. II, k. 382).
76
mit solch’ überzeugter Genauigkeit entworfen, dass man beim Lesen dieser Dar-
stellung an den Bericht erinnert wird, welchen Dantel) über die Topographie des
Inferno gegeben hat. Nicht nur besteht die Sphäre des Keimplasmas nunmehr
aus 9 Kreisen (Molekülen, Biophoren, Determinanten, Iden, Idanten, Idioplasma,
Somatoplasma, Morphoplasma, Apicolplasma), sondern unser Führer vermag uns
in den meisten dieser Gebiete so fremdartige und merkwürdige Erscheinungen
zu zeigen, dass wir in das Reich der Wissenschaften mit dem Gefühl zurück-
kehren, als ob wir wirklich in einer anderen Welt gewesen wären“ (S. 126).
So liefert solches, seine starken Lupen verlangende, „Konversationslexicon
in der Westentasche“ manchen Doppelgänger zu den „Genealogien“ trojanischer
Helden, wenn in Descendenz verkrümelt und feingemahlen zum fetten Futter
für die Elementargedanken — von denen indes solche Binsenmännchen mit Haut und
Haar unbedenklich aufgeschluckt sein würden, ohne grosse Gefahr vor Ob-
struktionen, so lange die zu (Nägeli’s) Idioplasma gesclnneidigten Namensdeutungen
des Nucleoplasrna glücklich durchgleiten (und nicht etwa in des Intestinum coecum’s
Blindheit stecken bleiben sollten).
Aus der Thatsache, dass einzellige Organismen sich durch Teilung und
Knospenbildung vermehren, folgt der Schluss, „dass das Leben2) ursprünglich
und potenziell unsterblich sei“ (S. 7).
V
Die einzelligen Lebensformen, unter direkter Abhängigkeit von physikalischer
Umgebung, wachsen in die dadurch bedingten Änderungen (als vererblich er-
worbenen) gleichsam hinein, bei Ununterscheidung des Cyto-Plasma, wogegen
(bei mehrzelligen) auf die Trennung zwischen Keimplasma und Somatoplasma
(in ihren Kernen) auch eine geschlechtliche folgt, wobei sodann nach Wahr-
scheinlichkeitsrechnung die Unwahrscheinlichkeit zu- (oder die Wahrscheinlich-
keit ab-) nimmt, dass gleiche Parallel-Reihen der aus erworbenen Eigenschaften
Geänderten mit deren sexuell auf einander führenden Beiwohnung, in jedesmal
richtiger Konjunktur der zu den veranlassten Änderungen tendierenden Keim-
regungen Zusammentreffen sollten (im „nick of time“).
Pflanzliche Entwicklung (in ihrem kyklischen Umlauf) ist hingerichtet auf
das Heranreifen der Fruchtorgane (zur eigenen Reproduktion in Vermehrung), im
tierischen Organismus wächst das Kind aus der weiblichen Hälfte (dementsprechend
getroffenen Einrichtungen gemäss) hervor, so zu sagen, während bei der männlichen
die Ausbildung der an der Chorda dorsalis doppelt angelegten Pole (mit fort-
schreitender Subordination der Organe untereinander) vorwiegend (nach natur-philo-
sophischer Reminiscenz) dem cerebralen zuneigt, dessen funktionelle Aufgabe dahin
b Kant, persuadé, que „Newton avait à tout jamais relégué les tourbillons car-
tesieus dans les limbus des vanités décrites par Milton“ a été conduit à formuler lui-
même une cosmogonie absolument fausse, malgré la grandeur et l’originalité de sa
conception (s. Faye), und so geht es mit den Hypothesen, wenn der „conseil fort sage‘‘
(s. Blanchert) vergessen wird, den Newton an die Physik gerichtet (sich vor der Meta-
physik zu hüten).
2) Selbst der „natürliche“ Tod ist im letzten Grunde als ein gewaltsamer aufzu-
fassen (b. Lucks), konform mit Ansicht der Abiponen (über Böszauber), und im Unisono
(eines „argumentum ex consensu gentium“).
77
gellt, die für vegetativische Werdeprozesse (kraft der Wärme) bereits lockernde
Ablösung von der Schwerkraft (wohin die Wurzeln noch niedergezogen werden,
vom Scheidungsstrich der Sprossens-Achse ab), am materiell abgeschiedenen Stoff
des (bei Vertebralen fast erstarrenden) Skeletts (eines petrifizierten Holzgerüstes
etwa) zu periodischen Realisierungen zu bethätigen, mittelst elastisch schwellender
Muskelfaser (wenn durch den Willen bewegt).
Was in (Lamark’s) Transmutationen, durch Adaptation an die Umgebungsver-
hältnisse (des „Milieu“) in der Giraffe e. g. sich bekunden soll, müsste im Schöpfer-
gedanken (oder Pakriti’s Doppelsetzung in ihrer Maha-Bhuta) bereits präformiert.l)
liegen, für Korrespondenz des Langhalses mit hochwipfliger Blätternabrung, und
also unter den àypai als aiziai teleologisch walten, für zu ob '¿vexa (eines Wesswegen).
Wenn der Organismus zu variieren beginnt, hängt es von der Eindrücklich-
’) Die durch Gewöhnung und Wille hergestellte Anpassung verbleibt erblich
(b. Lamark), in Transmutation (nicht der Arten ,jedoch, sondern der Varietäten). In
( Wallace s) Evolutionstheorie folgt die Entwicklung der Individuen von Innen, in
(Darwins) Selektionstheorie von Aussen (unter beiderseitiger Durchdringung). „Der
Organismus der Menschennatur ist in seinem Wesen denselben Gesetzen unterworfen,
nach welchen die äussere Natur allgemein ihre organischen Erzeugnisse entfaltet“
(s. Pestalozzi). Günstiger, als die Gewebezellen im Organismus höherer Vertebraten
bieten sich die der (Pflanzen und) Wirbellosen (für komparatives Studium) und am
geeignetsten die Protisten (s. V erworn), und so ist der Ausgang von den Kryptogamen
de,^ Menschengeschlechts zu nehmen (für psychische Elementarzellen). Varietäten sind
werdende Arten (b. Darwin), aus mechanischen Ursachen, auf Kräfte zurückführend,
die der Materie an sich eingeprägt sind, dem Organismus sowohl, wie den klimatischen
Agentien (aber unter gesetzlichem Mass). Da für jede Züchtung ein (praktischer)
Zweck vorliegt, wird ein solcher auch bei „Allmacht der Naturzüchtung“ (s. Weiss-
mann) nachzuweisen sein (aus Harmonie beherrschender Gesetze, im Kosmos). Die von
Geoffroy St. Hilaire für (Buffon’s) Urplan des tierischen Baues verwertete „Théorie des
analogies“ führt auf die Vergleichende Anatomie, und seit Rösel bei den Amöben die
„Organisations-Anlage der höheren Tiere vergebens gesucht hatte“, wären Cuvier's
„Embranchements“ wiederum angemeldet zu erachten (für die Lehre von den Rhizopoden).
Gesetzmässig organisches Wachstum beherrscht nicht nur die Keimentwickelnng,
sondern auch die stammesgeschichtliche Fortbildung der Organismen (s. Eimer). Die
„Eigengestaltungskraft“ (zur Spezialisierung organischer Formen) ist unabhängig von
den Kräften anorganischer Natur (s. Hanstein). Die „Entwickelungsmechanik“ (bei
Roux) führt auf die „kausale Morphologie der Organismen“ (in den Ursachen ihrer Ge-
staltung). Alle Vererbungstheorien stimmen in der Annahme überein, dass die Zelle
keineswegs die letzte Form- und Krafteinheit des organischen Lebens sei, vielmehr aus,
ihrer Kleinheit wegen nicht sinnfälligen, Elementen von bestimmten Eigenschaften gebaut
sei (s. F. v. Wagner), und so (gleich Kraftcentren der Atome) in „Adristha“ hinausfallend
(unsichtlich). Weil ohne Form und ohne Qualitäten, ist die Materie das Nichtsein
(b. Plotin) im Absoluten (als Möglichkeit Alles zu werden), aus einem Ekmageion (b. Plato)
duvdrjei bv (s. Aristotl.). Die Stoiker bezeichneten (bei SeelenteiluDgen) den Samen als
xépaapa xai plypa tmv rïjç (poyjjç pepwv auvsAijAu&oç (b. Arius Didymus). Tenor und
Materia bilden die Initia (s. Censorinus), im rovoç (elastischen Stoffs). Die Dinge
(b. Anaximander) „doivent espier les unes envers les autres l'injustice (d'être nées)
et en être châtiées dans la succession du temps“ (b. Simplicius), in Abtrennung vom
Ganzen aus „égoisme coupable“ (s. Chaignet), zur Herstellung ihrer Einheit in der
des physischen Gesetzes mit dem moralischen, durch Karma geläutert (zur Einigung
des Verständnisses von Manas, mit seiner Ayatana, als Dharma).
78
keit der auffallenden Beize ab, ob sie die Punktionen genugsam beeinflussen,
um bis auf die Zeugungskeime nachzuwirken, und so vererblich reproduziert zu
werden. Dies wird (bei sexueller Teilung) nur dann geschehen können, wenn bei
künstlich sorgsamer Sichtung die genau graduiert entsprechenden Individuen
(in der Züchtung) zusammengeführt werden, weil sonst die differenziert
kreuzenden Ähnlichkeiten sich gegenseitig zerstören (und so an der Neugeburt nicht
wiedererscheinen können).
Pfeffer (1894) giebt (auf Unterlage der biblischen Chronologie für das Alter
des Menschengeschlechts), aus einer Berechnung der „Ahnenplasmen“ (Iden),
die sich in jedem Keimplasma von Weissmann’s Zeitgenossen finden müssten, die
Gesamtsumme im Total: „eine 46 stellige Zahl, die mit 48 beginnt, also eine
Zahl,, die über alle menschliche Vorstellung hinausgeht“ (und über die der „Ein-
schachtelungstheorien“ des vorigen Jahrhunderts). Damit können freilich die be-
scheidentlichen Zahlen der wildstämmigen Philosophen nicht konkurrieren (ausser
wo sie etwa zum Buddhismus bekehrt sind, und dessen Zahlen Ungeheuern).
Grade die modernste Weisheitskunde (au fin de siècle) hat der Ethnologie
manch nahrhaftes Material zugeführt, um den Proviantbeutel und Ranzel ihrer
Beisenden durch „Himmel und Hölle“ (deren ihr eine ansehnliche Zahl zu Dienste
steht) damit zu verproviantieren, oder anderer Auskundschafter auf völkerkund-
lichem Gebiet.
Wenn, wie für Vinyana im Kontakt mit Sankhara (cf. Buddh. a. rlgphl.
System, S. 21 u. flg.), bei jeder neuen Generation, das „Bildungsmaterial“ einen
neuen Körper zu bilden hat, um „das ewig wachsende uud nie sterbende Keim-
plasma zu beherbergen und ernähren“ (für modernste Theorie), so stellt sich,
neben Purusha, als interesseloser Zuschauer (Sakshin) anwesend (in der Sankhya),
auch negritische Kla zur Seite, die beim Abscheiden nach der Heimat seelischer
Präexistenz zurückkehrt und was aus leiblicher Berührung etwa haften geblieben,
der Bla überlässt (zum Abscheuern).
Von einem andern Koryphäen der Descendenz (oder Decadence) ist ein alt-
bekannt, weitester Elementargedanke rehabilitiert, der in Gana, Kelah, Shin und
anderen Wichten (oder weiblichen Vaiht) allüberall umherschweifend angetroffen
wird (unter seinen ethnischen Variationen). Und so, wenn die bunt flimmernde
Maske des ethnischen Milieu abgezogen, stellt überall ein einfachster Elementar-
gedanke vor den Augen, ob nackt und blos im Wildzustand oder zu Äther
— als Ttüp al&spüdeç (b. Numen.) — abdestilliert (im Destillier-Kolben der Reli-
gionsphilosophie) durch die Kultur, deren Segnungen im Geschmack des „Feuer-
wassers“ gar fuselig schmecken (unter berüchtigten Marken).
„Ohne die Annahme einer „Atom-Seele“ sind die gewöhnlichsten oder all-
gemeinsten Erscheinungen der Chemie unerklärlich“ (1878). Wenn so, wird
besser die Bude zugemacht werden, damit nicht an Stelle der in der Lebenskraft
exmittierten „qualitas occulta“ eine noch dunklere sich wieder eindränge (in der
auf Abenteuerfahrten umhergehetzten Seele).
Was sobezüglich, um Leibnitz’s Monaden einzuführen, von Bruno gesagt
war, im Anschluss an klassisches Dictum (rjbra -/.vjprj daipôvwv), hörte Förster,
79
bei Cook’s Besuch der Tahitier, von diesen an ihn berichten, dass nämlich Alles
(in der Natur) der „Seelen“ voll sei (oder der Geister und Gespenster), wie
(b. Thaies) der Götter ("®r« tiswv); ö/ov St oXmv iijtpuyo'joß-ai (s. Philo), in der
Welt (als belebt).
Mind, N. S. VII. 1894. London.
In dortig zweiter Abhandlung („Imitation“) bemerkt Baldwin: „Morally I am
as much a part of Society as physically I am a part of the worlds fauna, and
as my body gets its best explanation from the point of view of its place in a
zoological scale, so morally I occupy a place in the social order“ (S. 54), je nach
der Integrierung aus dem zoopolitischen Gesellschaftskreis (um den Zifferwert
des eigenen Selbst zu fixieren).
In No. 16 (October 1895) kommt Foston („Organic Evolution and
Mental Elaboration“) zu dem Satz:
„Organic evolution and intellectual elaboration are so for analagous as to
follow the same laws“ (S. 424) unter Erörterungen, die gar bald (wie nach bis-
heriger Methode nicht anders sein kann) in Subjektivität der Psychologie festge-
rannt sind, sich aber genugsam schon vom Geist des „naturwissenschaftlichen
Zeitalters“ angehaucht finden, um „erecting a metaphical demonstration on the
basis“ luftiger Hirngespinste (oder Gespenster) denen zu überlassen, „who have
a taste for sitting over tangles and tying a knot in one part in the act of
undoing one in another“ (S. 488). Das sind „tempi passati“ für die Ethnologie,
deren noetisch naturwissenschaftliche Psychologie emporrankt an des „Lebens
grünem Baum“, nahrhaft gespeiset aus voll gesättigten Anschauungen, die
verheissungsvoll umspielen (in den Wandlungen der „Völkergedanken“).
Aus elementar eingesäeten Gesetzlichkeiten (immanenter „Logoi spermatikoi“)
ist zunächst das organische Wachstum der Gesellschaftgedanken auszuverfolgen
(auf zoopolitischer Sphäre), und dann (zur rechten Zeit) wird der Zeitpunkt der
Reife schon kommen für das psycho-physische Individuum, um als integrierender
Teil des Ganzen den eignen Ziffer wert festzustellen (unter rationellen Proportionen
des logischen Rechens).
In den Annals of the American Academy (IV, 4) findet sich (in Übersetzung)
ein Artikel de Rousier’s (La Science sociale) über die „cause of the division, that
took place seven years ago in the school founded by Le Play“ (S. 128).
In Heft V, 5 (März 1895) bespricht Powers (Terminology and the Socio-
logical Conference) „the chaotic condition of sociological thought“ (in Howerth’s
früheren Artikel). „The general laws of association form the subject of general
sociology, a science distinct, but not disconnected from the branch-sciences of
economics, politics etc., which rest upon it, though in part developed before it“
(S. 64)..
Im Journal of the Anthropological Society (III, 6) Bombay 1894 liefert
(S. 346): „A few ancient beliefs about the eclipses“ (von Jianji Jamshedji Modi)
80
eine Aufführung ethnisch gleichartiger Elementargedanken in beobachteten Ge-
bräuchen (mit besonderem Anschluss an indische), teils durch Verscheuchen (um
den Mond zu retten), teils in Büssungen (um an seinem temporären Leiden Teil-
nahme zu bekunden), oder auch im Almosenspenden, bei Anschluss an Rama’s
Legenden-Суclus, betreffs der verachteten Mhang-Kaste (u. dgl. m.).
Zugleich eine Fortsetzung aus Edward Tyrrell’s Manuskripten über: „The
dog in myth and custom“ (ebenfalls komparativ).
Im Monist (IV, 3) Chicago (1894) dürfte für Morgan’s: „Three aspects of
monism“, neben „a monistic theory of knowledge“ und „a form of analytic mo-
nism“, die „monistic interpretation of nature and of man, as a product of natural
development“ (in Hauptsache) genügen (auf anthropozentrischem Standpunkt)
— um nicht wiederum in die Probleme der „Triaden“ (mit ihrer Dreieinigkeit)
verstrickt zu werden.
Einverwoben (oder hineingesponnen)J) mit dem eigenen Dasein in das da-
seiende All (bei Einheitlichkeit der Natur) kann nie das Denken im Durchwandern
seiner Gedankenreihen, zu Maxima aufwärts oder Minima hernieder, einen Ab-
schluss erlangen (am Anfang oder Ende), da der (monistische) Einheitszug nur
aus der Einheit kosmischer Gesetze hervorzutönen vermag, wie sie auf den
Saiten der Gewebesfäden (aus dem das Seiende umstrickenden Net#) in einander
schwingen möchten; harmonischen Klanges, im Konzert der Sphäi'en (sofern auch
die psychische in gleichen Akkorden gestimmt ist).
Wenn(Blumenbach’s) „nisus formativus“ (im Wachstumstrieb) selbstkräftig ge-
fasst wird, in Energie und „Eigengestaltungskraft“ (bei Hanstein), für principia
individuantia (b. Nie. Cus.), so führt das auf Aristoteles’ ivspysca, mit deren (po-
tentieller) Kraft das Eidos (künftiger Ideen) in Verwirklichung tritt, aus einem
(in Substanz) Unterliegenden (oder „Hypokeimenon“); worin (zur Verursachung
des Ursächlichen) der „Schöpfergedanke“ (bei Agassiz) oder der „plan of creation“
(s. Darwin) sich abdrückt, unter lautlicher Inkarnation der (in Brahma’s Kon-
templation) vorschwebenden Gedanken, die im Honover sich aussprechen (mit
Reden des Logos).
Der Herausgeber („Ethics and the cosmic order“) knüpft buddhistische Er-
örterungen an Huxley’s Ausspruch: „that cosmic nature is no school of virtue,
but the headquarters of the enemy of ethical nature“ („brought before the
tribunal of ethics, the cosmos might well seem to stand condemned“), — was,
im Anschluss an Anaximander’s klassische Fassung2), darauf hinauskäme, dass
die Welterneuerung überhaupt deshalb nur eintritt, weil „Papa“ (oder Bab)
9 „No appulse or outside stimulus, is really thinkable as external; it is part of
the cosmos which, spider-like, I spin from my internal self; and when I image such
externality, I create it“ (s. Me. Crie), wie Nana (die nigritische „Spinne“) dortiger
Welt (worin Brahma sich „einspinnt“, aus indischer Tapas).
2) didovai yap ab та di'/.rp. xai riaiv äXXrjXoig т/jg äduiag тгр той ypovou rdgiu (s. Simpl.).
La vie de l’individu est comme la negation de la vie de tous les autres et de la vie
universelle; c’est un dgoisme coupable“ (s. Chaignet), bei Unherücksichtigung stoischen
Gebotes (insere te toti mundo), dg то ~/Ъ del ßXi~tvu (bei Plato).
81
noch übrig, bei den aus Naraka Hervordrängenden (cf. Vrhdlngn. d. B. An-
thrplgschn. Gsllschft., April 1894, S. 207 u. flg.) —, und geht dann über auf
„Karma and Nirvana“ (S. 417): „The Buddhist Nirvana can only be conceived
as a negative condition by those, wbo are still entangled in the illusion of
seif; nirvana is not death, but eternal life, not annihilation, but immortality,
not destruction, but indestructibility“ (S. 439), nicht das Nichts, sondern die Rea-
lisierung des Pieroma (gegensätzlich zum Trug der Maya), in „Asangkhata-Ayatana“
(wie oft bereits bemerkt), cf. Ethn. Ntzbltt. II, S. 77 (u. a. a. 0).
Das „Internationale Archiv für Ethnologie“ (Leiden 1895) verzeichnet im
vorliegenden Bande (einem reich ausgestatteten, gleich den früheren), Namen
ersten Ranges (Ten Kate, von Hoevell, Sapper, Riedel u. A. m.), als Verfasser
ethnologischer Abhandlungen, sodann Beiträge des Herausgebers (Schmeltz),
Buchanzeigen u. s. w.
Dorsey. The Study of Anthropology in American Colleges (Anthro-
pologist II, 12). Dec. 1894.
Mit dem Ergebnis „that Anthropological studies of some sort are given in
sixteen Colleges, while well organized departments of Anthropology are to be
iound in four“ (S. 373) unter Rückbeziehung zugleich auf Brinton’s frühere
Besprechung des Universitätsunterrichts (in anthropologischen Fächern).
Krause (K. Ch. F.). Abriss und Geschichte der Griechischen Philo-
sophie. Leipzig 1893.
„Die Lehre von der wesenhaften Gemeinschaft und Vereinigung des Menschen
mit Gott, worin Plotin mit den altindischen Systemen übereinstimmt, ist eine
Grundlehre der Religion“ (S. 76), von welcher Einsicht (Plotin’s) „bei Platon v
und Aristoteles kaum die Ahnung zu finden sein möchte“! („Diese Lehre hat
nicht einmal Schelling gefasst“).
Zu dieser Herausgabe des handschriftlichen Nachlasses (durch Hohlfeld und
Wünsche) gehört auch:
Krause (K. Ch. F.). Zur Religionsphilosophie und spekulativen Theo-
logie. Leipzig 1893.
Natur, Geist und Menschheit und deren Vereinswesen (die Welt) sind in-
unter Gott als Wesen (Or-wesen), aber ausser-unter Gott als Urwesen, jedoch
zugleich mit Urwesen vereint (S. VIII), also das Hen (in Perilampsis der Ema-
nationen), nach „algebraischem Sprachgebrauch im höheren Sinne (S. 9).
In Hermes, Bd. 30 (1895) findet sich, in Anknüpfung an Rohde’s (im vorigen
Heft angezeigte) Veröffentlichung, eine Polemik E. Meier’s, die in manchen
Punkten einen richtigen Einblick zeigt in ethnisch primär einfache Verhältnisse
(um unter den komplizierteren der Kultur den Duichblick zu erleichtern).
Einen Toten- oder Seelenkult hat es nie gegeben, die Toten haben sich
selber zu begraben, und das Seelchen verweht windig, nach letzter Verabschie-
dung, im Valet eines mitleidigen, aber peremptorischen Abschieds (bei Esthen,
M. f. V. 6
82
und Nachbarn, am Nobiskrug), während das Erinnerungsbild des Eidolon fort-
dauern mag (im Ko-to-men Guinea’s), und Sisa spuken gespenstisch (am Grabe).
Statt Verehrung zu erhalten, haben sich die armen Seelen an rücksichts-
loseste Behandlung zu gewöhnen, wenn verscheucht als Ekpök, auch unter Auf-
hängen klassischer „laneae effigies“, zum trügerischen Anlocken (auf Viti), und sonst
überall, beim Hexentreiben in Jahresfesten (mit des Inca’s Pomp gefeiert in Cuzco).
Was verehrt wird ist der (über sein, auf die vom Tisch gefallenen Brocken ver-
wiesenes, Kindesalter) hinausgewachsene Heros, in dem unbeschadet etwas seelhaftes
stecken geblieben sein mag, wenn bei der Apotheose im Kreise der Olympier zu-
gelassen [weniger empfindlich gegen Bastarde, als die (nach Art der Ogre in
dunkler Wandlung) feinnasig leicht das Menschenfleisch ausschnüffelnden Deva der
Khmer, an Phra-In’s Hofstaat]. Als indisch vicarierende Substitute für Herakles
und Amphiaraus gingen leibhaftig in Tawatinsa *) ein der Könige drei (und ein
Musikant), „seltene, magnae animae“ (s. Rhode) im Heroenkult (des rjpw; äp/^yervjg).
Zum Allerseelenfest in Annam werden die Seelen (den Rangstufen gemäss) an
zwei Öffnungen (dortigen Amenthes’) eingeladen (wie vom Pamphylier be-
schrieben, für geschiedene Pfade).
Ein derartiger Heros, der statt nach fernen „Pulo-Buah“ (oder insulae for-
tunae) abkomplimentiert (oder relegiert), noch leibhaftig waltet, in seinem Grab-
mal auf der Insel Leuka, auch im Tumulus singen gehört wird (zu Saxo’s Zeit),
mag unter Umständen bereit sein, gleich Ajax, in das vordere Glied lokrischer
Schlachtreihe einzutreten, als Vorkämpfer; mit Kriegsmut der im Wolkengeröll
zu Hilfe ziehenden Ahnenscharen (bei Bantu sowohl, wie bei Szekler). So steigt,
zum festlichen Tanze, der Chao oder „Herr“ hernieder (bei den Thai), mit Im-
posanz des aus vornehmer Stellung im Leben nachgelassenen Eindrucks (je nach
Rangklasse der Chao unter den Hofämtern), und um Auffindung der hilfskräf-
tigen Ratgeber zu erleichtern, werden sibirische Schamanen auf hervorragenden
Höhen begraben, wogegen der gewöhnliche Durchschnitt der Gemeinseelen ohne
viel Umstände seine Abfertigung findet (nachdem gegen etwaige Auslassungen
ihrer Neid- oder Rachegefühle Vorsorge getroffen ist). In Ithaka (s. E. Meier)
„am Rande der Welt hat man den Sitz Gottes lokalisiert“ [für Odysseus,
(doppelt gefasst in der Stoa) den „Begründer des arkadischen Poseidon-Kults“],
und solche Seelen-Inselchen Hessen sich dutzendweis auftischen, aus ethnischen
Archipelen. Mitunter finden sich genaue „sailing-directions“, die etwa für
Polybios hätten nutzbar sein können, zur geographischen Fixierung der Loto-
phagen. Freilich würden in Vorbedingung die tellurischen Segelanweisungen
In fleischlicher Form gingen die Könige Sadhima, Nimi und Maha-Mandhatu,
sowie der Chorister Guttila in den Himmel ein, wohin Enoch und Elias leiblich ent-
rückt wurden, bis auch sie ihren Zoll zu zahlen haben werden, wenn am letzten
Entscbeidungskampfe erschlagen, im Blute daliegend, zum Verbluten, als ob in den
Adern (für Ichor) Raum zu machen sei, wie durch die uranographische Provinz bedingt
(in den auf einem Olymp entsprechenden Accomodationsweisen). Auf den Rupaloka
ändert sich die Körper-Organisation noch durchgreifender, unter Ausfall der Sexual.
Apparate und anderen Transmutationen, und wie sich solche auf trinitarischen
Schichtungen stellen, ist von eschatologischer Gelehrsamkeit en detail durchspäht (nach
den Wegweisungen der Scholastik).
83
besser verständlich sein müssen, und damit hapert es noch gar sehr, wenio-stens
bei den Exemplaren, die sich im hiesigen Museum befinden (aus Mikronesien).
Rheinisches Museum für Philologie. N. P. 50. Bd. 1895
beschenkt mit einer Abhandlung aus der Hand des allverehrten Lehrmeisters
(E. Curtius):
„Es ist ein herkömmlicher Satz unserer Altertumsforschung gewesen, die
europäische Geschichte beginne in Hellas, indem man darunter das diesseitige
Festland verstand. Es wird doch endlich Zeit, der alten Schultradition zu ent-
sagen. Der Ostrand von Hellas gilt nur als die Schwelle seiner Entwicklung.
Die Geschichte der Griechen beginnt auf dem Meer“ (S. 378), wie die des in-
dischen Archipel, mit dort (lelegisch) gemischtem Orang-Laut (unter wechselnden
Namensbezeichnungen beherrschender„Karer“), für Überleitung des Geschichtsgangs
(in Seyara-Malayu) von Malabar und Coromandelküste (sowie Guzerats’ Halbinsel)
auf Padang’s Hochlande, und weiter zu der Djava (oder Javanen) monumen-
talen Denkmalen (cf. Indonesien, Heft V, S. 11).
Aus den Analogien (bei anderen Völkern der Erde) im „Volksglauben“
(s. Rhode), ergiebt sich, (in anderem Artikel desselben Heft’s): „dass das reli-
giöse Leben der Griechen nicht auf dem Isolierschemel gestanden hat, auf dem
es wohlmeinende Schulmeisterei von einer noch nicht ganz vergangenen Zeit fest-
halten möchte“ (1895), und wird es jetzt allerdings allmählich Zeit, nachdem
die Ethnologie seit 30 Jahren darauf hingewiesen hat (im Predigen, damals,
tauben Ohren). Als noch klein und schwach (in frühester Jugend) nach wohl-
meinenden Hilfen ausschauend, fand sie nur zürnende Zurückweisung, auf
mürrischem Tribunal centraler Kritik. Jetzt, wo herangereift, fallen ihr
von allen Seiten die reifen Früchte in den Schoss, da die thatsächlichen Beweise
offenkundig zu Tage liegen und gegen den Augenschein nicht wohl zu streiten
ist (wenn der Widerspruch stillschweigend ad absurdum geführt sein würde).
Jedenfalls kann ein fruchtbringendes Zusammenarbeiten nicht willkommener in-
auguriert werden, als durch die Namen derer, die ein verständnisvolles Interesse
bereits bezeigt haben (auf den altbegründeten Arbeitsfeldern der Klassizität).
Tarde. Les Lois de l’Imitation, étude sociologique. Paris 1885.
Die geistreiche Behandlung solches Themas mehrt die Schwierigkeiten, und
bei Durchlesung des Kapitels „Les similitudes sociales et l’imitation“ z. B. wird
sich bald die Überzeugung aufdrängen, dass für Orientierung unter der Masse
der Spezialfälle, deren jeder seine separate Behandlung zu erfordern hätte, eine
Aussicht nur dann eröffnet sein könnte, nachdem die Elementargedanken ge-
klärt sind, um auf Unterlage fundamentaler Grundzüge (im Wildzustand) die
Wachstumsgesetze auszuverfolgen (kulturhistorisch).
Dass die biologischen Erscheinungsweisen sich einer Forschung zugänglich
erweisen, folgt (bei der Beschränkung des Denkens auf den Vernunftbereich seiner
Relationen) aus den Differenzierungen, unter deren Ausprägungen sie der Auf-
fassung entgegentreten (zur Einleitung proportioneller Vergleichungen).
Dem Einzeln-Sein liegt in der Abscheidung aus dem Allgemeinen sein
6*
Todes-Urteil darin ausgesprochen, soweit nicht eine Lebensfähigkeit hergestellt
ist, im Abgleich mit den physikalischen Agentien des Milieu.
Der zoopolitische Organismus wächst zugleich in seine psychischen Umge-
hungsverhältnisse hinein, worin sich ihm ebenfalls eine einheitliche Einfügung
vorbedingt, wie für primären Stamm, eo ipso (durch seine Existenz überhaupt)
bereits hergestellt, und auch unter den komplizierteren Bedingnissen des (kulturell
gezüchteten) Volks zu bewahren (zum Besten seines Gesundheitszustandes).
Indem ein jeglicher Organismus sich in dem Gleichgewicht seiner Ursachs-
wirkungen erhält (im Zusammen mit den ihm mit selbständigem Gestaltungstriebe
einwohnenden Teilganzen), wird hier gleichfalls eine (in pathologischen Störungen
markierte) Abtrennung (jedweden eigenwilligen Interessen-Komplexe’s) als Mino-
rität vor der Majorität zu erliegen haben (im Kampf mit dem Ganzen), und
darauf stützt sich des römischen Staatsmannes Gleichnis, das die plebejische
Secession zur Rückkehr bewog — auf dem [den Moxos (des Antäus) Kraft
verleihenden] Mutterboden (des Vaterlandes).
Wenn nun (unter modern erleichterten Verkehrsverhältnissen) die (staat-
lichen Bestand untergrabende) Gefahr bedroht, dass in dem (bei Masshaltung
förderlich anregenden) Streit der Klassen unter einander, Stärkung durch Bünd-
nisse aus internationalem Verbände gesucht wird, muss Kräftigung des nationalen
(zur Kompensation) mit der Stimme des Naturheilprozesses desto lauter verlangt
werden, je leichter im Getobe der Partei-Leidenschaften überhört, und so macht
sich auch kleinst schwachen Nationalitäten das Hinstreben merkbar, ihre Isoliert-
heit vorzuziehen, um wenigstens innerhalb der Grenzen mütterlich eigenen
Sprachbereichs eine deutliche Aussprache sich zu erhalten (wie vom, und zum
Verständnis instinktgemäss verlangt).
Bei dem (friedlichen oder feindlichen) Aufeinandertreffen gesellschaftlich
verschiedener Faktoren durchklingt — bei (psychischer sowohl, wie physischer)
Einheitlichkeit des Genus humanum (und also seines jedesmaligen Zoon politikon) —
die elementar gleichartige Unterlage im imitativen Zusammenfliessen, auf die-
jenigen Richtungsweisen hinaus, wohin ein Anstoss gegeben ist durch die
Initiative dominierender Individualitäten (zufolge irgend welcher Präponderanz),
und von den idiosynkrasischen Veranlagungen solcher hätte also abzuhängen, ob
das angenäherte Resultat zum Wohl und Wehe sich zu neigen tendiert.
Die Prognose hat sich deshalb desto günstiger zu stellen, je schärfer die
Diagnose eingedrungen ist in die Grundthatsachen, welche für das Geschick der
Menschheitsgeschichte durchschlagend auszuwirken haben.
Haacke. Die Schöpfung des Menschen und seine Ideale. Jena 1895.
„Das Gleichgewichtsgesetz beherrscht nicht nur die Organismen, sondern alle
Naturkörper ohne Unterschied und das psychische Geschehen ist ihm in gleicher
Weise unterworfen, wie das körperliche“ (S. 157), beim organischen Wachstum
der Elementargedanken zu den durch das Milieu bedingten Entfaltungen unter den
variierenden Differenzierungen der Völkergedanken, auf Grund der induktiv durch-
forschten Physiologie (Joh. Mtiller’s), den harmonischen Gesetzen des Kosmos gemäss
(b. A. v. Humboldt), für das Verständnis, von dem die Vorstellungswelt getragen
85
wird, um einzudringen in das Centrum (eigner Erkenntnis) zur Rückkehr
ek rov aürou «rnepganxov koyov (b. Marc Aur.), bei (selbstiger) Integrierung (aus
dem Gesellschaftskreis des Zoon politikon).
Wie Einer ist, so ist sein Gott (in Göthe’s Dichterwort), im Anthropomorphismus
(Feuer bach’s). „Every man is the maker of his own Kosmos“ (s. Naden), aus
Schopenhauers Willenskraft (zur Schöpfung der Vorstellungswelt).
In toltekischer Kosmogonie stammen die menschheitsähnlichen Affenbrüder
von verwilderten Menschen, die bei der Wind-Katastrophe (der Sturm-Tonatiuh)
in die Wälder geweht wurden, um dort zu descendieren, während die Weisheits-
kundigen der Jakun eine Ascendenz lehren (im Anschluss an die „surroundings“),
indem die aus den Höhen niedergestiegenen Bergaffen sich zu Wildmenschen
veredeln in den Niederungen fruchtbarer *) Thäler, wo ihnen der an’s untere Ende
der Wirbelsäule gerückte Zopfschwanz verloren ging, der (durch Muramura seiner
australiseh gefingerten Eidechse) den Tasmanien! abgeschnitten ist (und zwar
zu ihrem Bedauern, wie berichtet wird).
Prima Tibetanorum genitrix nuncupatur Pra-srin-mo [als Mutter (und
Gattin), des Affenpatriarchen]. Protoparentes suos, abs quibus propagati sunt,
credunt Tibetani fuisse Simium Prasrinpo et Simiam Prasrinmo, quod hodieque
Simii sunt et vultis cercopithecorum similes (s. Georgi). Die (engelischen)
Abhassara der Himmelswelten verlieren auf Djambudwipa ihre (platonischen)
Fittige (zu ordinären Menschen degradiert).
Golther. Handbuch der Germanischen Mythologie. Leipzig 1895.
„Dass ein Baum, welcher dem höchsten Gott, wie einem Geopferten zum
Galgen dient, davon seinen Namen erhält und in dieser Eigenschaft zum heiligen
Symbole der Welt erhoben wird, streitet bestimmt gegen die Vorstellung von
heiligen Bäumen und vom obersten Gott, wie man sie bei heidnischen Völkern
anzutreffen gewohnt ist“ (S. 528), betreffs Yggdrasil, als Pferd (Drasill) des
„Fürchterlichen“ (Yggr oder Odhin); ein „Kreuzesbaum“, hervorgegangen aus einer
Verschmelzung des Kreuzes2) mit dem paradiesischen Baum des Lebens und dem
der Erkenntnis, dem besten aller Bäume, (im Anschluss an Bugge).
9 Dieser ethnische Elementargedanke, in positiver Begründung (cf. „Zur Lehre
von den Geographischen Provinzen“, 1886), ist neuerdings (nach M. Wagner s Vorgang)
durch Josef Müller verwertet, für die durch Klima-Änderungen an die Nordabhänge
der südeuropäischen Gebirge gedrängten Affen, obwohl, um närrische Äffungen zu vei
meiden, besser der Gesichtspunkt zunächst auf den Menschen beschränkt bleiben
dürfte; in dem Milieu seiner geographischen Provinz, (innerhalb des Gewebes geogra-
phischer Gesichtsbahnen). . ,
2) Durch das Kreuz (b. Paulus) wird gelehrt, „was Tiefe und Höhe, Breite und
Länge ist“ (s. Gregor Nyass.), crux magnum in se mysterium contmet (b. Alcum).
Ipsa crux magnum in se mysterium continet, cujus positio talis est, ut superior
pars coelos petat, inferior terrae inhaereat, fixa infernorum ima contmgat latitudo
autem ejus partes mundi appetat (s. Otfried), als „edelboum (s. rnnm) im le. es
Wartburgkriegs (sin tolde rüert an den tron, da der sueze got esc ei e vriun
Ion, sint este breit hant al die werlt bevangen). Dar nach strecket der Herr di arme
sere von inn, daz bezeichnet, daz unser Herr gedent wert an daz heilege cruce
86
Auf drei Wurzeln gefestigt, bildet der (von Sakawala’s Felsringen eines Uni-
versums umgebene) Meru den centralen Träger erster Devaloka (auf seiner
Scheitelfläche), oberhalb welcher sich die übrigen ätherisieren (bis zu Okasaloka).
Aus der (durch Tiere und Vögel auf den Verzweigungen belebten) Esche
Yggdrasil, als Myotvidr, zum „rechten Mass“ (s. Bugge), wächst das (in seiner
„Breite“ enthaltene) Weltall selber empor, von den drei Wurzeln her (bei Äsen,
Hrimthursen und Hel).
Aus 7wxvwm<; xal [idvwrnq (b. Anaximenes) oder aus Hitze und Kälte
(mit dem Dämon dazwischen), — warm und kalt, als natürliche Gegensätze (bei
Bruno) — entstand die Welt, wie aus Niflheim’s und Muspellheim’s Dmrcli-
dringung (in der Edda), während Ormuzd’s und Ahriman’s *) Reiche bei der Be-
als ser (s. Bechtolt). Des Kreuzes Spitze zeigt hinauf in den Himmel (b. Otfried).
Auf Athene’s heiligem Ölbaum (von einer Schlange umkreiset) sitzt ein Adler
(s. Nonnos). Der Eschenbaum (b. Plinius) tötet Schlangen (in Passau, wie) am Ohio
(s. Friedreich). Aesculus in primis, quae, quantum vortice ad auras aetherias, tantum
radice in tartara tendit (s. Virgil). Das dritte Menschengeschlecht (im Kupferalter)
wurde von Zeus aus Eschen (ix /lehäv) geschaffen (s. Hesiod), das erste Menschen-
geschlecht aus Eschenbäumen (b. Palaephatus). Kinder werden aus dem „hohlen Baume“
geholt (in Ostfriesland), aus einer Linde (in Hessen). Aus Heimat der Menschenseelen
(Autoia) kommt die Geburt in der Terrasse des Vai-ora (Lebenswasser) zur Incarnation
(aufErdenb Nicht soll fallen in der Schlacht, über wen Odhin Wasser ausgiesst (imLjodhatal).
El verdadero bautismo (der Caingua) es el de agujerear el labio inferior ä las criaturas
del sexo masculino (s. Ambrosetti). Damit fremdländische Wasser nicht schaden, ist
Etwas von der Heimatserde darin zu lösen (b. Ali Abbas). Die Neugeborenen wurden
(auf Island) mit Wasser begossen (ausa vatni), getauft (wie bei Maori). Im Brunnen
neben der „arbor maxima“ (an Upsala’s Tempel) wurde ein Mensch ertränkt zum
Opfer (s. Lindenberg). Irminsul (s. Ruodolf F.) universalis columna, quasi sustinens
omnia (als „idolum Saxonum“), von Karl M. zerstört (s. Einhart). Askr wächst (mit
Embla) aus der Esche, während Aschanes (Ascanius) aus dem Harzfels hervorspriesst
oder -springt (als Sahsnot) bei Asciburg (der Iscaevonen) (cf. Z. L. v. M. II S. 131).
‘) Aus des (durch Ahriman) getöteten Urstier’s (Abudad) rechter Vorderhüfte ent-
stand Kajomorts, dessen Samen (als durch den Dew Astudschad getötet) die Erde
befruchtete, und aus seiner Reinigung das Menschenpaar hervorwachsen liess (in Meschia
und Meschiane). Als Abudad (von Ormuzd geschaffen) durch Ahriman getötet war, ent-
sprang aus rechtem Vorderteil der erste Mensch, aus dem linken der Grundbegriff aller
Tiere (Kajomorts und Gosh), aus den übrigen Teilen jede Pflanzung (die Ähren spriessend
am Schwanz). Nachdem aus Feuer und Eis Ymir gebildet (aus linker Hand Mann und
Frau, sowie mit dem Fusse sechshäuptigen Sohn zeugend) entstand (bei forttropfendem
Eis) die (durch die Milchströme des Euters ernährende) Kuh Audhumbla, aus
Salzgestein Buri hervorleckend, Vater Börrs, durch dessen (mit der Riesin Bestla)
gezeugten Söhnen (Odhin, Vili und Ve) Ymir getötet wurde (für die Schöpfung). Die
jungfrische Erde erhält aus Milchströmen (s. Lucrez) die pflanzliche Schöpfung, wie
aus den Tiefen hervorgetreten, während sie im Preisen brahmanischer Gayatri’s durch
Savitar’s Strahlen hervorgezogen wird, emporlockend zur Sonne [wie der (hawaische)
Zenithdurchbrecher dortige Lailai]. Wie aus Schweissdrüsen (der australischenUrsäuger)
sind die Milchdrüsen der übrigen Säugetiere aus Talgdrüsen entstanden (durch „Be-
leckung“), als es zu der bei Reptilien und Fischen (nach Art der Couvade) von
Männchen besorgten Bebrütung (oder Aufbeutelung) gekommen, unter Sekretion von
Milch, und so war das Säugetier vollendet (s. Haacke), auch am Finger saugend (wie
Yishnu auf der Lotos),
87
rührung in feindlichen Gegensatz traten, als aus Zeruane-akarene’s ewigem Zeitfluss
in temporärer Periodizität geregelt (bei den Parsi).
Aus altdurchwaltenden Geschicken ‘), worüber sich, mit (der Moira) Nornen
(nornhi, verknüpfen), die Äsen (in der Themis’ jüngeren Töchter, bei Olympiern) ab-
zufinden haben, wächst (am Urdharbrunnr) der (aus Hvergelmir materialisierte)
Weltenbaum (zur Ausverfeinerung durch demiurgische Weisheit, aus Mimisbrunnr
geschöpft), vom Gewurzel her (durch Nidhöggr benagt), wenn (in Nostorf) der
weisse Reiter dem schwarzen Gegner nicht mehr zu widerstehen vermag,
um den Aufwuchs zu hindern, der dann indes (wenn vollgereift) den Halt-
pfosten abgiebt, für das Pferd des (im Parakleten) siegreichen Königs (als Sosiosh).
Wie Hvergelmir (aus Hel) sprudelt unter der nach den Hrimthursar
(Ymir’s) schlagenden Wurzel Yggdrasil’s, der Mimisbrunnr (an Mimir’s heiligem
Raum, als Mimameidr) und an der himmlischen ein ürdhabrunnr mit dem Saal
der Nornen für „grimmar urdhir“ (dira fata). Aus Mimisbrunnr (des Schmiedes
Mimir, des Lehrers Velint’s) trinkt Odhin Weisheit des (von den Yanen)
abgeschlagenen Hauptes (und die Kopfschneller des Ural versicherten sich des
Hauptes durchreisender Weisen und Gelehrten, auf islamitische Missionsreisen). Velint
(Wieland) verfertigt die Völundar oder Labyrinthe (eines Daedalus’), in Kunst-
fertigkeit (Wäinämöinen’s).
In Gimle oder „Edelsteinheim“ (von gimstein oder gemma) wohnen die Recht-
schaffnen in Freuden (in der Voluspa). „Mundus ist zu müd geworden“ (s.
flügge) und Mütspelli zur Zerstörung, etwa, für Wiedererstehn [aus (morastigem)
mud]. Im Topf einer „olla Vulcani“ (der Höllenküche) werden die Verdammten
gebraten und von den Teufeln gefressen (s. Mone), wie von Miru (an ihrem Ofen).
„Judas sol ein schwartzer vogel und etwas türmen vor im btisen han, den sol
im Belczebug uff risten, daz es ussher vall, denn farent sy beyd zu der hell
und louft Fäderwischer under dem seil zur hell“ (XY. Jahrh.), im Passions-Spiel
(zu Donauescbingen). Hier haben sich aus disparat verschiedenen Kulturkreisen
entnommene Denk-Embryone zu kompliziert verworrenen Darstellungsbildern zu-
sammengeschweisst, die sich in primären Zuständen einfacher überblicken lassen
(aus ethnischem Material).
Puini. Idee cosmologiche della Cina antica, Rivista Geografica Ita-
üana (II, I). Roma 1895.
„Dice un autore cinese, il Suraeru e la Terra, i continenti abitati non di-
vennero altro che sue dipendenze“ (S. 13), zur Auseinandersetzung mit dem Kailasa
am Himavat, als terrestrischer Centralberg (neben dem Kosmischen); cf. Z. f. E.
(Vrhdlg. d. A. G.) 1894, S. 203 u. flg.
l) Tria fata finguntur in coelo, in fuso digitisque fila ex lana torquentibus (s. Isidor)
und so (am Himmelssitz) mit den Äsen (der Edda) in Beziehung tretend, wie beim
gemeinsamen Richten (am Urdharbrunnen), zum „Urdhar ord" des Wurdhgiscapu (neben
Reganoniscapu). Auf den Knieen der drei ßolpat (unter der Avdyxvj) ruht (b. Plato)
die Spindel (ärpaxro,). Tangoloa begründet die Ratssitzung (zum Spruch einer ßooty
im neunten Himmel (cf. S. S., S. 33),
88
Fournereau. Le Siam ancien. Paris 1895. (Annales du Musée Guimet
T. 27.)
Eine wertvollste Bereicherung für die alte Kulturgeschichte Hinterindiens,
die in ihren monumentalen Denkmälern, gleich Kambodia’s Angkhor-Vat und
Birma’s Pagan, auch in Siam vielerlei Spuren zurückgelassen hat, in Statuen
und Inschriften, die sich in ihren Original-Texten mitgeteilt finden, unter bei-
gefügter Übersetzung (und sonstig reichhaltigen Illustrationen).
Fischer, K. A. Die Hunnen im schweizerischen Eifichthal. Zürich
1896.
Die Sprache zeigt die den Bergländern übliche Zersplitterung und so zählt
man in Wallis über zwölf Hauptdialekte; die feineren Nuancierungen derselben
aber betragen jedenfalls ein halbes Hundert, „da beinahe jede grössere Gemeinde,
jeder abgeschlossene Winkel seine eigene Mundart hat“ (S. 156), mit „Über-
bleibseln aus dem Hunnischen“ (S. 165—171).
Als „Abrégé du Bulletin de la Société Hongroise de Géo-
graphie“ (Budapest 1893)
ist zu dem ungarischen Bericht über Janko’s (Torda mayar etc. betiteltes) Werk
eine deutsche Übersetzung mitgeteilt, die (Szekler) „Bevölkerung von Torda,
Aranyonzek und Tovizko“ (seitens der Ungarischen Geographischen Gesellschaft).
In Fortsetzung der Mitteilungen über Gebräuche bei Hochzeiten (S. 175) und
Begräbnis (S. 85), haben folkloristische zu folgen (aus den nachfolgenden Kapiteln).
Von Dr. Ploss: Das Weib, einem Werk, das seit seiner rasch folgenden
(jetzt vierten) Ausgabe dem gegenwärtigen Herausgeber (Sanitätsrat Dr. Bartels)
als geistiges Eigentum gehört, ist das Schlussheft (17) erschienen (Leipzig 1895).
Es hiesse Eulen nach Athen tragen, ein weiteres Wort der Empfehlung zu-
zufügen, bei einer allbekannten Musterarbeit, die von vornherein in voll ethno-
logischem Geiste angelegt, demgemäss mit dessen ununterbrochen stetiger Ent-
wickelung fortschreitend, sich von Auflage zu Auflage erweitert hat (aus, und
in Mehrung wertvollen Materials).
Beneke. Fragebogen über die rechtlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse der Natur- und Halbkulturvölker. Berlin 1890.
Die durch die Zeitverhältnisse, aus erleichtertem und rascherem Verkehr,
gebotene Möglichkeit der Fragebogen hat sich, wenn richtig verwendet, reichlich
belohnt, in den der Volkskunde durch Mannhardt z. B. gelieferten Schätzen
(1850—77)-oder für die Völkerkunde u. A. mit den von Curr (1849) veröffent-
lichten Beantwortungen der an langjährig geschulte Beamte oderim Verkehr mit
den Eingeborenen ergraute „Squatters“ (Australien^) gerichteten Anfragen, wie
zur Zeit der „East-India-Company“ ihre in Indien eingelebten Diener die Bände
fies ?,Asiatie Journal of Calcutta“ mit wertvollen Belehrungen gefüllt haben..
89
Sollte indes in den Sinn kommen, Jeden der frisch, froh, frei Hinaus-
ziehenden (und oft bald schon in Aureola des „berühmten Afrika-Reisenden“
Heimkehrenden) mit Fragebogen auszustatten, so wird es der Ethnologie ratsam
sein, ihre Siebensachen, die soweit zusammengekommen sind, schleunigst einzu-
packen und hermetisch zu verschliessen, damit nicht Zersetzungsstoffe hinein-
gelangen, die Alles schliesslich in Frage stellen würden (durch leitende. Fragen
und Fragebogen).
Für verwendbare Beobachtung auf ethnologischen Reisen bedarf es vorheri-
ger Kenntnis der Elementargedanken in ihren organischen Wachstumsprocessen.
Überall treffen sich rechtlich die gleichen Institutionen aus den Saehbedingungen
sozialer Existenz, aber der Gedankengang, auf dem sie erlangt sind (und erst
verständlich werden) ist ein anderer, je nach der ethnischen Eigentümlichkeit
verschieden (unter historisch-geographischen Bedingungen).
Da jedes Ding im Sein seiner Existenz (oder im „Gewordensein“) aus dem
„Werden“ erst sich versteht, muss auch hier die psychologische Entwicklung aus-
verfolgt werden, unter soweitig vorläufigem Absehen von der einheimisch ver-
trauten, ehe dieselbe zu kritischer Kontrolle wieder herbeigezogen werden darf.
Die obigen Fragebogen sind mit anerkennenswertem Arbeitsfleiss zusammen-
gestellt, und von der Hand des Herausgebers, der sich den kolonialen Verwaltungs-
verhältnissen eingehend in früheren Veröffentlichungen bereits zugewandt hat,
auch in der vorliegenden demgemäss hergerichtet, so dass sich den schätzbaren
Belegstücken, die der Völkerkunde aus ihrem in die vergleichende Rechts-
kunde verlautenden Zweig bereits zu Gute gekommen sind, ein weiteres zufügt
(aus den für die Förderung der einschläglichen Studien begründeten Zeitschriften
und Gesellschaften).
Im Biologischen Centralblatt XV, 8, 1895 (Erlangen)
findet sich in „schematischer Figur“ (für die Zellen-Entwicklung) der Kern, als
„Totalität elementarer Möglichkeiten“ (zwischen zwei „Reizquellen“), so dass wir
untei vollen Segeln das peripatetisch Potentielle oder „Potest“ (in des Cusaner’s
Sinn) wieder anzunähern beginnen, für Kontrolle der Induktion mit der Deduktion.
Doch „noch ist das Bündnis zu früh“ (auch jetzt wohl noch), ehe nicht die Psycho-
logie ihre naturwissenschaftlich noetische Durchbildung erlangt hat (auf Grund
ethnischer Manifestationen des Gesellschaftsgedankens, für das Centrum, das in-
dividuell darin steckend sich erweisen mag, zur Fixierung).
Zeitschrift für Kirchengeschichte, XV, 2. Gotha 1890.
X öldechen: „Tertullian und das Theater“. Die Dii cornuti, als „typisch“ bei
Tertullian (S. 186) haben im gehörnten Satan (als Widerspiel mosaischer Dar-
stellungen) fortgespielt bei den Abbildungen der Idole (zur Entdeckerzeit), wie
jetzt auch noch sich antreffen, bei afrikanischen Fetischen (besonders aus der
Kongo-Gegend).
90
Jacobsen. Reise in die Inselwelt der Banda-Molukken, Berlin 1891.
Von den verschiedenen Expeditionen, welche auszurüsten Gelegenheit ge-
boten war, hat diejenige, deren Ergebnisse hier vorliegen, wohl am meisten Mühe
gemacht. Freilich wurden meine Vorschläge von dem Ethnologischen Comité mit
gewohnter Bereitwilligkeit entgegengenommen, aber die Schwierigkeiten schienen
so bedenklicher Art, dass es mehrfacher Konferenzen bedurfte, bis eine Einigung
über den Plan erzielt wurde. Und der Verfasser deutet selbst darauf hin, dass
er, wenn Alles, was ihm bevorstand, voraussehend, vielleicht schwankend ge-
worden wäre, in seinem Entschluss (S. 19). Allerdings war das Risiko gross
auf gebrechlich plumpem Nachen gefährliche Meere zu durchfahren, und zwar
an ihren gefährlichsten, weil unbekanntesten, Stellen: denn darum handelte es
sich eben, das Unbekannte dem ethnologischen Einblick bekannt zu machen, ehe
hineingezogen in die Steigerungen des internationalen Verkehrs, mit seinen unaus-
bleiblichen Zersetzungen, deren Folgen dann zu drohen haben müssten, wie aus
allzuvielen Beispielen erwiesen (während der letzten Dezennien) ; auch durch die
vom Verfasser, dem viel erfahrenen Reisenden, selbst erlebten, aus Erinnerung
an früher, zu gleichem Zwecke, ins Werk gesetzte Expedition (s. S. 29).
Bei einer flüchtigen Bereisung Indonesien’s (1880) hatte der durch kurz
bemessene Zeitfrist nur kursorische Umblick immerhin genügt, die Fülle der
Ernten erkennen zu lassen, die auf diesem ethnologisch reichsten Arbeitsfeld
zum Einsammeln fertig stand. Damals beschränkte sich der (seit einigen Jahren
erst eingerichtete) Postverkehr noch auf die Haupthäfen der grösseren Inseln,
aber bald schon ersah sich aus zugehenden Zeitungsnachrichten die beabsichtigte
Ausdehnung desselben. So war „periculum in mora“ und Veranlassung gegeben
auf die vom „Ethnologischen Hilfs-Comité“ verfügbar gestellten Aushülfen zurück-
zugreifen. Leichtverständlich wurde sogleich an unsern Jacobsen gedacht, dem
durch glücklich gelungene „Rettungen“ prädestinierten Reisenden, seit jenen
Dienstleistungen, für deren Ermöglichung das Ethnologische Comité — dieses
als „Retter in der Not“ erwiesene Hilfs-Comité — die raison d’être der Begrün-
dung überhaupt erhalten hatte, kraft hochsinniger Beteiligung seiner Mitglieder.
Und als auch diesmal ein Einverständnis hergestellt war, als das Unter-
nehmen in Jacobsen’s Hand gelegt werden konnte, da war, meiner Ansicht nach,
der Erfolg gesichert; und trotz vielfachst vielerlei Einwendungen von verschie-
denen Seiten her, trotz der Besorgnisse, die bei genauer Durchwägung der Ri-
sikos manchmal nicht unterdrückt werden konnten, musste über alles „dies und
das“ fortgesehen werden, im Interesse der gewichtigen Aufgabe, die vorlag, und
die glänzendst jetzt gelöst worden ist, im Schmuck der dem Museum eingefügten
Sammlungen und ihrer dauernden Wertschätzung, für die gesicherte Fundamen-
tierung eines in voller Lebenskraft emporspriessenden Forschungszweiges.
Die wissenschaftlich detaillierte Ausverwertung des umfänglichen Materials
verlangt ihre Zeit, ist indes bereits in Vorbereitung genommen (für die Ver-
öffentlichungen der Indischen Abteilung).
In der Zwischenzeit ist es willkommen, den Reisenden aus eigenem Munde
von seinen Erfahrungen reden zu hören, wie niedergeschrieben auf den Seiten des
91
vorliegenden Werkes, wo Manches fachgerechfer Korrektur offen bleibt, aber die
Erzählung im lebendigen Strom der Erinnerung hinschiesst, wie warm empfohlen
im Vorwort, das zur Einführung geschenkt ist.
gewidmet ist das Buch dem Ethnologischen Hilfs-Comité, das sich in der
That als echter Nothelfer erwiesen hat, um bei einer kritischen Entwicklungs-
epoche der Ethnologie dieselbe einigermassen vor den Schädigungen zu bewahren,
von welchen sie sonst unvermeidlicherweise würde betroffen gewesen sein.
Es wurde ins Leben gerufen durch ein Zeitbedürfnis, das in den Konstella-
tionen des ethnologischen Sehkreises allzu deutlich ausgedrückt lag, um darauf
hingerichteten Augen verborgen bleiben zu können.
Bei einem kurzen Aufenthalt in Kalifornien (1881) war es zum Eindruck
gekommen, welchen Umwandlungen die Stämme an der nördlichen Nordwest-
Küste Amerikas entgegengeführt sein würden, seit sie, der Union politisch ein-
verleibt, durch ein in fiebrisch regsamer Geschäftlichkeit pulsierendes Leben
durchzuckt und aufgerüttelt sein müssten, auf denjenigen Strichen, die bis dahin,
als Aussenposten auf der Weite russischer Monarchie, fern und fast unbekannt
verblieben waren. Bei gleichzeitiger Einrichtung des „Bureau of Ethnologv“ in
Washington Hessen sich die wissenschaftlichen Expeditionen vorhersehen, durch
welche die Schatzhäuser seiner Veröffentlichungen von Jahr zu Jahr sich reicher
füllen, und ebenso die Sammlungsräume des „National Museum“ (in Verbindung
mit der Smithsonian Institution).
Doch ehe diese grossartige Maschinerie in volle Arbeitsthätigkeit sich ge-
setzt fand, war Jacobsen unter den Ersten auf den Sammlungsfeldern, um die-
jenigen Primitien für das hiesige Museum zu sichern, die demselben als Unica
angehören und für immer als solche verbleiben werden (seitdem die zersetzende
Katastrophe auch dort eingesetzt hat).
Ob, dass der Reisende damals in Vorschlag gebracht wurde, ein Zufall
war, bleibt der Ansicht derjenigen überlassen, die das einschlägliche Dichterwort
zu kommentieren haben.
Die Bekanntschaft jedenfalls war eine zufällige, und als der durch lang-
jähriges Zusammenarbeiten an den Expeditionen der „Afrikanischen Gesellschaft“,
(seit 1873) mit solchen Ausrüstungen vertraute Sekretär derselben, Herr von Le Coq,
darüber konsultiert war, wurde durch das sympathisch erwiesene Interesse Herrn
Direktors Hecker eine Rücksprache mit Herrn Banquier Richter eingeleitet,
unter dessen Vorsitz sodann die Stiftung des Comités statthatte, für den Zweck
einer ethnologischen Erforschung der pacifischen Küstenländer Nordamerikas,
mit anschliessender Publikation der damals erlangten Resultate (cf. Amenka’s Nord-
westküste, 1883, Berlin). Auf dieses erste Unternehmen folgte (neben verschiedenen
Expeditionen, die durch das Ethnologische Comité ins Werk gesetzt wurden) eine
zweite Reise Jacobsen’s, durch welche das Museum mit seinen sibirischen Samm-
lungen ausgestattet ist, und schliesslich sodann die dritte (der gegenwärtigen
Veröffentlichung).
Jacobsen gehört zu der auserwählt kleinen Zahl von ethnologischen Rei-
senden, welche die Gedankensprache der Wildstämme zu verstehen geleint haben.
92
Auf richtige Fragestellung folgt die Antwort dementsprechend, und unter ob-
jektiver Deckung der Aussagen doppelt sich die Bestätigung, in thatsächlichen
Belegstücken, um wissenschaftlich fachgerechter Durcharbeitung eine gesicherte
Unterlage zu bereiten. Die Trachtenbilder sind nach den vorhandenen Samm-
lungen von Prof. Grünwedel entworfen.
Es sei hier, aus Vielem, was der Reisebeschreibung sich entnehmen liesse,
ein einzelnes Beispiel hervorgehoben:
„Neben dem Hower in Tual hing eine leere Kokosnuss (fo-fare), die ge-
spalten und wieder sorglich zusammengesetzt, die Seele des neugeborenen Kindes
zum Schutz gegen böse Geister aufbewahren soll. Erst wenn der zarte Körper
genügend erstarkt ist, geht die Seele dauernd in ihn über. Die Eskimo in
Alaska haben eine ähnliche Vorstellung; die Seele des kranken Kindes wird von
Medizinern in ein Amulet gebannt und in seinem unantastbaren Medizinsack
gehütet“ (S. 99). Dazu die von sonsther kürzlich zugefügte Version, dass die
Kindesseele sich in ein Schneckengehäuse1) rettet (bei drohenden Gefahren), und
für ähnliche Schutzmittel (zur Aufbewahrungsweise der Seele, wie des tar-
tarischen Helden, wenn in den Krieg ziehend u. dgl. m.) finden sich der Analogien
viele [schon seit ältester (ägyptischer) Tradition].
Im Gegensatz zu solch schwächlich furchtsamer Seele steht die im Brustton
redende der Philosophen (aus Ammonius Saccas’ Schule), wenn sie zur „Stetigung
des Körpers“ dient, um der Gebrechlichkeit seiner Sarira grobkörnlicher Art (als
Sthula-sarira) aufzuhelfen, gleichsam durch ätherisch ideelle Kraft (der Sukshma-
sarira in indischer Version) oder bei Konzentrierung in (pantheistischer) Ema-
nation zum Apopasma, um (gleich der „anima informans corpus“, aus scholastischer
Gelehrsamkeit) durch den Funken materiellen Zündstoffs dasjenige etwa zu ent-
zünden, woraus sich nun die körperliche Form (in Aristoteles potentiell ge-
schaffenem „Eidos“) handfester schmieden lässt, durch des Skoteinos mp rs'/vm» 1
vielleicht (in Feuerkraft der Stoa).
Was derartig umherschwirrt durch primäre Denkregungen oder aufgebauscht
unter den phantastischen Frisuren der Tagesmoden (im Reich und Bereich speku-
lativer Geister), verlangt zur Ausverwertung im jedesmalig konkreten Fall, eine
detailliert erschöpfende Durchforschung (mittelst fachgerechter Sachkenntnis),
nachdem in dem von der Ethnologie beschafften Material allgemein orientierende
Landmarken hier und da aufgesteckt sein werden, im Hinblick auf die vor-
aussichtlich einzuschlagenden Wegerichtungen; und dass die soweit versuchten
sich trefflichst bewährt haben, bedarf fernerer Beweisstücke nicht, da sie offen-
kundigst auf der Hand liegen; von jedem also gegriffen und begriffen werden
4) In Borneo (s. Schmeltz) unter Aufbewahrung eines Stückes vom Nabelstrang
(wodurch „die Seele ihren Weg in den Körper gewann“) innerhalb eines Amulettkorbes
(der bei Austragen des Kindes mitgeführt wird). Mitunter ist etwas in der abge-
schnittenen Nabelschnur stecken geblieben, weshalb man dieselbe beim Aufwachsen
in Hackmuus zu essen giebt [damit das Kind (europäischer Civilisation) sein volles
Seelenteil erhält]. Neben einer umgestülpten Muschel (tridacna gigantea) fanden sich
(wie unser Reisender hörte) die Nabelstränge der im Hause geborenen Kinder (auf
Kissar) vergraben (S. 122).
93
können (aus dem was zur Stund’ bereits erreicht worden ist: in der „Lehre von
den Elementargedanken“)- Bei Vertiefung in’s Detail wächst mit Beantwortung
die Arbeitsmasse an, hundertfach, tausendfach, so dass an Bekämpfung solcher
Hydra eines Herakles Kraft erlahmen müsste, wenn nicht im Rückklang ein-
fachster Akkorde die Gesetzlichkeiten sich kündeten (aus den Harmonien des
Kosmos).
Gribble. History of the Deccan. London 1896.
Ihe temples which still remain almost all show traces of the search for
plunder (S. 195), nach der Schlacht bei Tellicotta, (bei Viyayanagara) würden aber
dennoch wahrscheinlich der Untersuchung durch eine archäologische Expedition
lohnen (schon bei dem weiten Umfang, den sie bedecken).
Ratzel. Völkerkunde. Bd. II. Leipzig 1894.
Dei Schlussband dieses das weite Gebiet der Völkerkunde durchwandernden
(und in voizüglichen Abbildungen illustrierenden) Werkes begreift in zwei Ab-
teilungen. die „Negervölker“ (Süd- und Ost-Afrikaner, Inner-Afrikaner, West-
Afiikanei) und die „Kulturvölker der Alten Welt“ (afrikanische, asiatische, west-
asmüsche und europäische). Der Verfasser hat an dem im ersten Teil bereits aus-
gespiochenen Satze festgehalten, dass „die geographische Auffassung (Betrachtung
der äusseren Umstände) und die geschichtliche Erwägung (Betrachtung der Ent-
wickelung) Hand in Hand zu gehen haben, und unter diesen Gesichtspunkten
daif eine gedeihliche Fortbildung in Erwartung stehen, wenn die noch ungefüge
Massenhaftigkeit des ethnologisch zusammenströmenden Rohstoffes durch Detail-
behandlung (in fachgerechter Arbeitsteilung) seine deutlichen Klärungen erlangt
haben wird. In der Zwischenzeit hat es als förderlichst willkommen zu gelten,
dass es durch eine seltene Bewältigungskraft gelungen ist, das, was hier vor-
liegt, im Rahmen zweier Bände zusammenzuzwängen, um (unter gefälliger Dar-
stellungsweise) den Studien eine Übersicht zu erleichtern, für die Ethnographie
(woian sich die Probleme der Ethnologie dann anzuschliessen haben werden).
^ indisch. Mara und Buddha (Abhdlg. d. ph.-h. Ms. d. K. S. G. d. W.,
XV, 4). Leipzig 1895.
Die Vergleichung mit der christlichen Versuchungsgeschichte (Kap. IX)
hätte zunächst die gnostische Fassung zu beachten, wenn der Demiurg, dessen
Reich durch die heiligen Lehren entvölkert wird, sich irn feindlichen Gegensatz
stellt, wie Mara den durch Schwung der Dhyana in die Rupaloka Hinüber-
geführten, auf dem Wege zu den Megga (die sie in’s Nirvana leiten mögen).
Aymonier. Voyage dans le Laos. (Annales du Musee Guimet.) Paris 1895.
Diesem Bericht des vorzüglichsten Kenners der von ihm bereisten Länder,
über seine an die Erforschungen Kambodias (1882/3) angeschlossene Reise, wild
ein zweiter Teil zugefügt werden (über die „voyage dans le royaume de Siam
proprement dit).
94
Revue de l’Histoire des Religions (XXXII, 1). Paris 1895
bringt aus der Hand des Herausgebers (M. Jean Reville): Un Congres des Re-
ligions ä Paris en 1900 (S. 73 u. flgd.).
Bijdragen tot de Taal - Lands en Volkenkunde van N. J. (XLYI, 1).
S. Gravenhage 189G
enthält: Ophuijsen’s Lampongsclie Dwerghertverhalen (mit Text).
Peters. Das Deutsch-Ostafrikanische Schutzgebiet. München (1895).
„Wirtschaftliche Kolonialpolitik muss das Schlagwort sein, welches wir bei
unseren jungen Kolonialunternehmungen zu verwirklichen haben“ (S. 18), da
sich das „Opfer an Gut und Blut“ der Staat nur dann auferlegen wird, „wenn
Kolonisten und Unternehmer das in Besitz genommene Gebiet in Bearbeitung
nehmen, dadurch Gewinn erzielen und sie durch Wohlstand, Handel und Gewerbe
in der Heimat beleben“ (sonst ist die koloniale Politik „anstatt ein Vorteil eine
unnütze Belastung“).
Dass dabei die Bevölkerung (inbetreffs der Arbeiterverhältnisse) in ersten
Betracht kommt, wird anerkannt, und für die Erzielung nationalökonomischer
Resultate zunächst die Frage der Verkehrswege in Besprechung gezogen
(S. 381 u. fg.).
Demgemäss wird unter solchen Gesichtspunkten nun eben der jedesmal
konkret gegebene Fall zweckentsprechend zu entscheiden sein, ob nämlich die An-
lage und Unterhaltung von „tropical farms“, statt eines nur dem Reichen er-
laubten Luxus, als vorteilhafte Kapitalanlage sich erweisen möchte, und ob
die mit Ausdehnung der natürlichen Grenzen dem Staatssäckel für genügende
Verwaltung und Schutz in Kriegszeiten auferlegten Ausgaben im rationellen
Verhältnis blieben, zu dem, günstigsten Falles, in Aussicht stehenden Gewinn.
Das Ganze läuft also auf eine nüchterne Geschäftsberechnung hinaus, wobei
derjenige am besten fahren wird, der naheliegende Fehlerquellen vermeidet,
wenn e. g. aus geschichtsunkundigen Vergleichungen mit andern Kolonien radikal
durchgreifende Unterschiede als gleichwertig gesetzt werden, oder die auf marine
Entwicklung hinweisenden Küstentwicklungen (wie einst dem hanseatischen Handel
in der Ostsee zu Gute kam) ausser Acht gelassen werden, sowie die günstige Wert-
stellung der im frei vermittelten Austausch ermöglichten Handelskäufe (zum
Vergleich mit tlieurer Selbstproduktion). Und so, mit diesem und dem, korrekt
genau kalkuliert, — vollausreichend genügende Sachkenntnis vorausgesetzt, als
unabweisliche conditio-sine-qua-non — muss das Fazit entscheiden, ob ein Unter-
nehmen ratsam ist oder nicht. Wenn es zusammenklingt mit dem Geklingel
des Geldbeutels, der dem Herzbeutel nahe zu liegen pflegt, dann wird er weit-
herzig sich öffnen, wogegen sonst die theuerst vorauszusehenden Erfahrungen
der Lehrjahre Bedenken machen mögen, ob es wert, solches Risiko zu laufen,
bei Ungewissheit einstigen Kostenersatzes, unter den „Up und Downs“, die all’
derartigen Spekulationen inhärieren, so dass selbst das mit Insulinde’s kostbarsten
Perlen geschmückte Prototyp (beneideter Kolonisation) den ersten Akt seines
Daseins, nach 200 jährigem Durchlauf, mit schmählichstem Bankerott beendete
(im erschreckendsten Defizit). In diesen Spezialfall konnte man mit dem Gesamt-
resultat allerdings zufrieden sein, aber die in den übrigen Staaten Europas
begründeten Gesellschaften haben schlimmere Erfahrungen gemacht (in den ver-
flossenen Dezennien) und am theuersten gezahlt hat dasjenige Land, das der
Gold- und Silberländer Minen in Substanz ererbte (aus Vollgewicht wuchtigen
Baargelds erdrückt, geradezu). Der Verfasser sieht von den „ideellen Erwägungen“
ab (S. 14), denn deren „Segnungen freilich vermag eine Kolonialpolitik nur zu
schaffen, wenn sie ihre eigenen wirtschaftlichen Voraussetzungen stets im Auge
hält“ (so dass es wieder auf das Punctum saliens des Praktischen hinauskommt).
„Mit verblüffender Offenherzigkeit sagte ein Araber in Sansibar zu mir:
,Was macht Ihr nur mit der Küste? uns hat sie 1 Million jährlich eingebracht,
und Ihr steckt jährlich einige Millionen hinein: eine Kolonie soll doch Geld
einbringen‘; der Mann hat aber doch wohl ganz recht,“ erwähnt aus seinen
Tagebüchern ein Reisender, der in mancherlei Bemerkungen seinen praktischen
Einblick bekundet (1895).
Dabei wäre dann indes nicht zu vergessen, dass, zu einer Zeit, als der jetzige
jüngere Nachwuchs noch nicht mitsprechen konnte, unter den Argumentationen
auf baldigste Nachdenklichkeiten über solche, heute nun wieder überraschend
erscheinende, Fragen hingewiesen war (cf. F. M. S. 96). Immerhin seit die
Staats-Interessen eingeschifft sind, bleibt es Jedes Pflicht mitzuhelfen, aus den
Sachen, die so schlimm nicht sein mögen, das Beste zu machen. Und seit man
beginnt der Lehre von den geographischen Provinzen einigermassen Beacht zu
schenken, wird die gefährlichste Klippe umschifft sein, welche, bei früherer Durch-
einandermengung der Auswandererfrage mit Pflanzer-Kolonien, bedauerlichst
trauriges Elend hätte drohen können (und auch im vorliegenden Buche noch
zu mancherlei Einwendungen Veranlassung bieten würde).
Neumann. Die Reden Gotumo-Buddhas. Leipzig 1896.
Wenn man den streng puritanistischen Charakter des Buddhismus (wie im
Hinajana ausgeprägt) „heute gewiss nur mehr auf Ceylon und allenfalls noch in
Barma und Siam erwarten darf“ (S. XVIII), so sind zwar auch die beiden letzt-
genannten Länder von den Zersetzungen des internationalen Verkehrs schon
betroffen worden, indes doch weniger, als die der Tradition nach heiligere, aber
faktisch tiefer in fremde Einflüsse hineingezogene Insel (besonders seit sie
zu einer Lieblingsstation der Touristen geworden). Die durch theosophisch duse-
liges Hineinplappern angerichtete Verwirrung bleibt zwar nur auf der Oberfläche,
trifft aber deshalb grade desto mehr (auf oberflächlichen Blick).
Clerq de. Bijdrage tot de Geschiedenis van het Eiland Banka (Bij-
dragen tot de Taal-Lande en Volkenkunde van Ned. Ind. 6° Volgr. deel I.
Der verdienstvolle Verfasser, der aus seinem langen Aufenthalt in den
indonesischen Kolonien gediegene Unterlagen für wissenschaftliche Bearbeitungen
geliefert hat, bringt hier einen neuen Betrag willkommener Art, in Übersetzung
96
der vom Lehrer an der Landesschule auf Bangka zusammengestellten Berichte
über diese Insel, zunächst die volkstümlichen Traditionen „over het ontstaan van
het eiland Bangka“ (in einer Reihe von Legenden).
Philosophische Studien, XI. 1895. (Leipzig.)
Cranz („Uber den Unendlichkeitsbegriff in Mathematik und Naturwissen-
schaft“) unterzieht inbezug auf das „Grenzwert-Unendliche“ (das sog. „mathe-
matische Unendliche“) die loseren Fassungsweisen einer Besprechung, und ist
eine schulgerechte Prüfung. (erster Prinzipien) allerdings angezeigt, damit nicht
dem Laien, (im Detail der Spezial Wissenschaften, wo er sich als solcher fühlt), die
Glaubensstützen unter den Füssen weggezogen sein sollten, wenn in den „un-
fehlbarsten aller Wissenschaften“ (b. Dubois-Reymond) „kaum zwei Lehrbücher
hintereinander erscheinen, die, wenn sie auf die Grundbegriffe näher eingehen,
nicht auf das Schroffste sich widersprächen“ (S. 20).
In Wundt’s Abhandlung (X, 1): „Über psychische Kausalität und das Prinzip
des psycho-physischen Parallelismus“ streifen die „Allgemeinen Vorbemerkungen
über den Kausalbegriff der Naturwissenschaft“ Sigwart’s „Trennung der eigentlichen
Ursache von den die Wirkungen derselben ermöglichenden Bedingungen“ (S. 3).
Der lebendig reagierende Organismus hat, wie physisch (durch Funktionsände-
rungen), so auch psychisch auf die aus den Bedingungen des umgebenden Milieu
reizfähig einfallenden Fragen eine Antwort zu finden, bis dieselbe stimmt (zum
befriedigenden Abgleich), und bis dahin wird versuchsweis umherexperimentiert
(mit bester Aussicht auf Erfolg, sofern der Experimentator fachgerecht geschult
ist). Die Denkoperationen erschweren sich, je tiefer der Fortschritt des Wissens das
komplizierte Detail erhellt, aber stets ist, im jedesmalig konkreten Fall p. t., die
Rechnung abgeschlossen, wenn die Sache ihre Ur-Sache erlangt hat, weil dann
genau mit denjenigen Erklärungsgründen zurückredend, wie sie im aus- (oder
zu-) reichenden Grund dem Erwiderungsbedürfnis genügen müssen, weil vorsorg-
lich schon hineingelegt (mit bildungsfähigem Plasma). So innerhalb rationeller
Relationen. Wogegen wer die dadurch gesteckten Schranken transcendierend, den
Kausalitätsfaden, an dem des Denkens gesundheitliches Leben hängt, in’s Absolute
hineinzerrt, dort dann (im Nichts-mehr-denken-können) hinausstarrt in blaue
Luft, und blaue Wunder (wie aus metaphysischen Seifenblasen hervorplatzend).
■ „In der Verbindung der simultan und successiv gegebenen Zustände und
Vorgänge zur Einheit des Bewusstseins ist bereits das folgende, für die psy-
chische Kausalität charakteristische und wichtige, Prinzip wirksam, welches sie
nicht weniger, als die reine Actualität des Geschehens von der physischen Kau-
salität scheidet“ (S. 112 u. flgd.), das „Prinzip der schöpfrischen Synthese“ (mit
ergänzendem Gegenstück im „Prinzip der beziehenden Analyse“), beim Zu-
sammenhang organischer Prozesse (im psychischen Wachstumsverlauf).
Das Denken lebt sein Kausalitätsprinzip in Beantwortung der Fragen über
das Woher und Wohin, dem Warum des Warum.
Das Wohin? liegt am nächsten, für die eschatologisch eröfi'neten Aussichten,
worüber die durch psychische Anlage mit dem Jenseits (bei Rückkehr von dort)
97
Vertrauten zu berichten vermögen, in Fülle ethnischer Zeugnisse, wogegen das
Woher? indifferenter lässt, so dass das Eingeständnis eines Nichtswissens darüber
nicht schwer fällt (bei Abiponen und wilden Konsorten).
Indes prickelt auch hier die Neugier (der „geheime Bautrieb“ des mate-
rialistischen Historiographen), wenn mittelst Überlieferung unterstützt in Reve-
lationen, aus Lesungen ausserdem des von Xisuthrus oder Seth ihren Pfeilen Aufge-
schriebenen, aus Erzählungen der Vorfahren sodann, die noch den Urheber kennen
mögen, unter den Grosseltern den Grossvater etwa (bei den Bororö), wie die-
jenigen, die mit den von den Göttern Stammenden verkehrten (in Timäus’
Tradition).
Das (im Nachhall konkreter Anschauung) in’s Daseintreten (aus Adrishta
durch Srij) führt, sich zurück vornehmlich auf die Alternative der Entstehung
oder Schöpfung, tertium non datur, — ausser etwa noch das (aus blauer Luft)
vom Himmel Fallen, (mit Zuthat des „Clinamen“ auch), vom terminus a quo zum
terminus ad quem (auf die Erde), oder bei Herablassen eines xöa/ioq vorjröq in
Thwascha (auch bei Wogulen).
Für das Kind einer in Jahrtausenden gereiften Civilisation kann kein Zweifel
sein, dass das Denken sich hier auf einem durch kritische Lehren der Philosophie
(auch in der Sankhya) verbotenen Terrain befindet, auf dem Wege in den Regressus
(oder Progressus) ad infinitum (pöSimre ÄyipftTjazTcu rd npaixov) , unter zügellos
schweifenden Phantasiegebilden jeder vernünftigen Kontrolle baar, wie (für zu-
verlässige Daten durch komparative Methode festgelegt) der Induktion benötigt
(zu gesicherter Unterlage).
Und das hat sich instinktiv gefühlt bei den Wildstämmen, die vorwiegend
vom Vorhanden-Gegebenen ausgehen, im peripatetischen Sinne, elq xal äidioq (ä nä<;
oupavoq), der Himmel als Gottheit für Xenophanes (in eleatischer Einheit). „The
world always existed“ (s. Curr), im australischen Busch (der „black-fellows“)
und unser Entdecker der Bakairi fand sie unbelastet von „Schöpfungstheorien“
(vor Berührung mit der Civilisation).
Das Entstehen ist ein Aufstehen (von bereits gebreitetem Boden also) oder im
Entwickeln dessen, was vorher in einander verwickelt lag, unter rückläufiger Krei-
sung (wie im pflanzlichen Wachstum beobachtbar). Das „Schöpfen“ aus Wasser-
tiefen liefert den Stoff („Pimble“) zum „Machen“, durch „Baiame“ (als Macher)
oder sonstigen Demiurgen (gleich Visvacarma oder Marduck), im Händewerk des
Handwerkers also, oder eines Künstlers (bei dem bereits Zauberei hineinspielt).
Faktisch zeigt der genetische Prozess einer Entwicklung den Ausgang vom
Einfachen zum Zusammengesetzten, aber Keimanlagen voraussetzend (oder deren
„Tendenzen“ im Plasma) und ohne solche sinn- (weil vorstellungs-) los, während
die Schöpfung sich mit einem Geheimnis, das Anbahnung weiterer Erklärung nicht
(oder doch vielleicht: noch) fähig sein möchte, entschuldigen könnte, denn „je
pense, donc dieu est“ (s. Descartes), aus daupdCetv (als Beginn des Philosophierens),
durch die „admiratio majestatis“ (bei St. Bernard) fortgerissen (zum Wundern
•n Bewunderung der Wunder mit ihren Verwunderlichkeiten).
Neben den (empirischen) Gelegenheitsursacben (causae occasionales) wurde
M. f. V. 7
98
die den Effekt bewirkende Ursache (causa efficiens) in letzter Substanz verlangt
(als Gott), für ein „Unbedingtes“, nicht sowohl ein „Infinitum“ (unendlicher Aus-
dehnung), als vielmehr das „Indefinitum“, damit das Denken im (unbekannt) Un-
bestimmten das Dunkel durch (definierende) Bestimmungen erhellend kläre (und
erkläre).
Dass sich der Bau eines Hauses nicht vom Dach beginnen lässt, ist evident
(s. Beneke), aber wenn bei mangelnden Bausteinen, die Fundamentierung unmöglich
bleibt, für demiurgisclie Ausführung, mag zunächst wenigstens die Konzeption im
Hirn des Architekten (in seinem Werke etwa) beobachtet werden, wenn das
durch Kontemplation (aus Tapas) Vorschwebende vorläufig in Worten (eines Ho-
nover) inkarniert wird (für den seines Infinitesimalkalküls noch entbehrenden
Logos, im logischen Rechnen).
Wenn hier (unter Maxima) das Hen (eines pater anonymus) in religiösem Schleier
sich birgt, liegt dagegen die Nichtigkeit eines in Minima, atomistisch (bis nicht mehr
gesehen) gesuchten Hen’s — (mit Klugheit des Vogels Strauss, um die Gefahr nicht
mehr zu sehen) —offenkundig genug auf der Hand, so dass Dar win’s reichem Geschenk
der Selektionstheorie, aus Lamarck’s Transmutationstheorie ausverfeinert (im Zutritt
der Erblichkeit zur Anpassung), die Entstellung durch metaphysische Schwanz-
anhängsel (in Descendenz) hätte erspart werden sollen, um nicht durch solche
Apostasie von der auf dem festen Boden der Thatsachen stehenden Naturforschung,
ihren (beim Publikum) gut fundierten Kredit zu erschüttern, durch das Fiasko
so manch schmählichen Krachs, der nicht ausbleiben konnte (bei wüstwilden
Spekulationen). Die „Verwandler“ (s. Boas) gleich Quone (und Kollegen) „hexen“
(s. v. d. Steinen) die Dinge der Welt (bei den Bakairi), nachdem ihre Wande-
rungen begonnen sind (wie peruanischen Con’s), mit dem „premier pas, qui coute“
(dem heiligen Dionys: seinen Kopf; so dass die Kopflosigkeit in all diesen
Wundergeschichten nicht Wunder zu nehmen braucht).
Das (im Wortbegriff der Schöpfung involvierte) Wunder zu umgehen, hat
man die Bezeichnung einer Entstehung (in den Entwicklungslehren) substi-
tuiert, zumal bei den in Werde-Prozessen verfolgbaren Lebewesen, um jeden-
falls wenigstens — (in gutgemeinter Absicht, damit dem „Creator“ sein mühsames
Werk einigermaassen gemindert werde) — Wiederholungen des Wunderaktes
möglichst zu vermeiden, obwohl hier bereits theologische Patristik (in ihrer
Genesis) vorgebeugt hatte, durch die mit „creatio prima“ entwicklungsfähig
bereits eingepflanzten Keime: durch „laws impressed on matter by the Creator“
(s. Darwin), und Reduction, nach der „lex minimi“ (s. Maupertuis), auf
„four or five progenitors“ (nach einer, bei Unendlichkeit, freilich gleichgültigen
Zählung). Die Schwierigkeit liegt in der „Materia (prima“), die obwohl in
nebularen Hypothesen aus der (vom Akineton einsetzenden) Bewegung äusserlich
(durch den mit der „chiquenaude“ gesetzten Nasenstüber) gewirbelt werden kann,
doch wenn für die innerliche Scheidung der Elementarstoffe (durch ävakumq statt
to/^t;) zur stoischen Einheit geführt, als Resultat eines abgelaufenen Prozesses
hingenommen, auch ebensowohl die organischen Urtypen noch hinzuzunehmen
erlauben dürfte, bei organisch, wie anorganisch gleichartig hindurchgehender
— 99 —
Abstraktion des (materiellen) Stoffes oder obaia änoioe; ohne otojdjc als „Gedanken-
ding“ (meu/ia ~w<; e^ov), das dann in Kraft-Centren aufgelöst, der im Denken
schöpferischen (Denk-) Kraft (des Wollens) kongenialer anmuten mag, obwohl
das „Wunder“ ungeändert verbleibt, abgesehen vom soweitigen Ausfall jeder (durch
dasselbe negiert verneinten) Naturgesetze: da nämlich, wo nichts derartiges noch
existiert, (jenseits der mit ihren Relationen gesteckten Schranken der Ratio-
nalität; bei gesunder Vernunft, die noch nicht an metaphysisch-pathologischen
Störungen leidet). Intellectualibus mysteriis proprie adaptari non possunt (s. Nic-
Cus.) die Worte, die deshalb (in jedesmal konkreten Fall) ihre Eigenart gemäss
zu verstehen sind, statt „frustra ferro diverberare umbras“ (s. Virgil), in Luitge-
fechten (der Logomachien).
Wie, nach Verlustiggehen gäozentrischen Abschlusses, der in „Nimo-Nimo“
hinausschauende Blick wieder sein Peras (im Apeiron) finde, bleibt der (um Er-
schöpfung der Unendlichkeiten bemühten) Bewältigungsmöglichkeit astronomischer
Zahlenmassen überlassen, auf Rupaloka (ad infinitum, bis zur Abzweigung der
Megga), während es sich, für die ihrer Einwebung ins Dasein empfindende Ver-
nünftigkeit, um die (in Avixa) dunkelnde Unbestimmtheit (das Indefinitum,
statt Infinitum) handelt, zur Klärung durch Definitionen (aus kosmisch-harmonischer
Gesetzlichkeit).
Mirabilis deus (Helbl.) „wundert“ (oder „hext“, im legitimen oder „befugten“
Zauber) die Welt, „got ist der wahre wunderaere“ (Trist), als „Wunderer“ gleich
einem (wenn unbefugt: teuflischen) Zauberer, furchtbar in Strenge auch, sogar ge-
fährlich wild, oder (statt „geheuer“) „ungeheuer“ (in Etzels Hofhaltung), beim
Tover und Toveren (s. Grimm) von (slav.) tvoriti (facere, creare, fingere). Das
hebräische Schöpfen, als Ma-assä (assab, machen) oder Maalaal (Wunder)
wird mit „facinus“ übersetzt, als Grossthat (Gottes). „Das altn. fordaedha
(malefica) stammt von dädh“ (facinus), mit anschliessenden Analogien (s.
J. Grimm). „Ein grosser Teil der Naturerklärung der Bakairi beruht auf
der Voraussetzung des Hexens; sie haben keine Entwicklung, sondern nur Ver-
wandlung“ (s. von den Steinen). Das Wunder ist des Augenblicks Geschöpf
(b. Goethe), im Nu (des Nun).
Das Wunder ist abzuweisen, weil thatsächlich schon widerlegt, wenn korrekt
bekannten Naturgesetzen widersprechend, wogegen es seine „ratio essendi“ bean-
spruchen kann (unter Preis- oder Kosenamen meist, um der Miskreditierung
eigener Bezeichnung sich zu entziehen), sofern dui’ch soweit bekannte Naturgesetze
(noch) nicht erklärbar, und da also, wo diese fehlend, sein Wesen treibend, ge-
setzlos scheinbar, obwohl gebannt in Karma’s eiserne Fesseln oder die der
Elfj.apij.iv7], wie als -rtpövoia gedeutet (stoisch).
Dem Wilden ist das aufflammende Zündholz ein Wunder oder die tickende
Uhr, weil innerhalb des Bereiches seiner physikalischen Kenntnisse nicht einfass-
bar, und somit darüber hinausfallend.
Eine über ersten Anfang (der äp-/ai, als alriat) hinausliegende Ursächlichkeit
in sich selbst widersprechender „causa-sui“ ist dem, (damit die Schranken der
Vernunfterkenntnis überschreitenden), Denken unzugänglich an sich, und weil also,
7*
I
im Übernatürlichen Naturgesetze (wörtlich schon) überhaupt nicht in Betracht
kommen können (im inexeiva roü vou oder roö ovrog), kann ihnen deshalb auch
nicht widersprochen werden, und insofern würde Schöpfung „ex nihilo“ nicht
unter den Begriff der Wunder unbedingt an sich zu fallen brauchen, weil was
aus einem (Noch-) Nicht-Vorhandenen hervortritt, möglicherweis (unter den
Möglichkeiten des Potentiellen) einfachst (naturgemäss gleichsam) hervorgehen
möchte, was eines Jeden Geschmacksstimmung überlassen bleibt (da „de gustibus
non est disputandum“). In buddhistischer Kosmogonie liegt der Sachverhalt
klar genug, da dem in Adrishta wiederum Ansetzenden die Regungen aus den
bei den Zerstörungen (je nach Umfang derselben) übriggebliebenen Regionen
kommen (oben und unten).
Die Vorfrage der Entwicklungslehre bewegt sich um die Kontroverse, ob
eine epigenetische An- (oder Neu-) bildung der Organe aus einem indifferenten
Plasma zu setzen sei, oder ob solche bereits präformiert (eingeschachtelt) lägen
(unter Vorbedingungen in beiden Fällen).
Die Entscheidung darüber h,at ihren Ausgang von dem vollendeten Produkt
zu nehmen, um in ihm dasjenige überhaupt zunächst kennen zu lernen, dessen
Entstehung erklärt werden soll, und unter welchen Graduierungs-Stufen man
dann den Anfängen (für weitere Ausmalung der Vorgänge) ihre Urbedingungen
zuerteilt, bleibt gleichgültig für die (in einem Falle ebenso fern, wie im andern, ver-
bleibende) Wesentlichkeit, da es in all’ solchen, derartige Anstrebungen zu verdeut-
lichen bemühten, Anschauungsbildern schliesslich immer bei elxoret; ¡lu-d-ot verbleibt
(in zeiträumlichen Schranken). Die Atome besitzen keine andere Eigenschaften, als
welche ihnen vorher beigelegt worden sind (s. Thompson), und wenn aus einem
(hesiodeischen oder sonstig „gähnenden“) Chaos die Schöpfung hervortritt,
werden nach einander alle diejenigen Substanzen (zur Vorführung in einer
„Divina Comedia“) daraus hervorgezogen, welche man vorher darin durchein-
ander gemischt hatte (aus Schöpferkraft der Phantasie), wie voraussichtlich später
benötigt gemeint war, indem die „psychische Kausalität an sich die ursprüngliche,
die physische die abgeleitete ist“ (s. Wundt), bei schöpferisch thätiger Gestaltung
(der Vorstellungswelt, mit ihren Wort-Incarnationen).
„So geht es in der Metaphysik. Zustände darf die Seele nicht haben, bei
Leibe nicht, sonst ginge ja ihre absolute Einheit verloren! Aber Dispositionen,
das ist ganz etwas anderes, Strebungen, warum nicht?“, bemerkt A. Lange über
Waitz’s Psychologie (in Bezug auf Herbart’s „Reale“). Und so findet sich der
Naturforscher im Vollgetümmel metaphysischen Wortgeklingels, wenn darüber
streitend, ob die Vorbedingungen als eingeschachtelte Organe präformiert sind oder
nur (als Determinanten oder „Bestimmungsstücke“) in den Tendenzen dazu (wenn
wohl intentioniert). Warum also (unter Abstumpfung der Sehkraft) hinaus-
spähen in nebulare Fernen? wo es Nichts mehr zu unterscheiden giebt, statt
arbeitsam das innerhalb des Horopter Deutliche zu durchforschen (was über-
sprudelt im bunt Unterhaltendem, mehr als genug), auf „fetter grüner Weide“
neben „dürrer Haide“ (des „Kerls, der spekuliert“). Und ohnedem steht den
angeführten Lösungen ihre Annäherung jetzt nahe bevor, seit die Psychologie
101
kraft des (im ethnischen Material) beschafften Rüstzeugs auf den Weg induk-
tiver Forschungsbahn hat eingelenkt werden können, zum Zusammentreffen mit
den aus bisheriger Deduktion bereits gewonnenen Resultaten (für gegenseitig
bestätigende Kontrolle).
Ferri. Sozialismus und Moderne Wissenschaft. (Übersetzt v. Kurella.)
Leipzig 1895.
„Alle sozialen Lebenserscheinungen eines Volkes sind das Ergebnis der
Wechselwirkung seiner organisch anthropologischen Eigenart und des Milieus,
insoweit dieses von bestimmter wirtschaftlicher Ordnung, als natürliche Grundlage
das Leben bedingt; wie das psychische Leben des Einzelnen, wenn auch mit ge-
ringerer Kraft, als in dem umgekehrten Prozess, auf die organischen Bedingungen
und den Verlauf des Kampfes seiner Existenz einwirkt, so werden die sittlichen,
rechtlichen und politischen Thatsachen ihrerseits aus Wirkungen zur Ursache
und beeinflussen somit die wirtschaftlichen Zustände“ (S. 159), unter Rückbe-
ziehung auf Marx’s „ökonomischen Determinismus“ (die wirtschaftlichen Zustände
sind das Ergebnis der anthropologischen Kräfte und Eigenschaften, die sich an
einem gegebenen tellurischen Milieu entfalten, sie sind zugleich der zureichende
Grund aller anderen Kulturphänomene, die sittlichen, rechtlichen und politischen,
oder individuellen und des sozialen Lebens).
Es ist das die sozialistische Ausdrucksweise für die in der „Lehre vom
Menschen“ gestellten Aufgaben, um aus den Bedingnissen der Geographischen
Provinzen das mit dem Anhauch geschichtlicher Bewegung gezeitigte Aufwachsen
der Völkergedanken zu durchforschen, und so durch die daraus manifestierten
Elementargedanken zuverlässig gesicherten Anhalt zu gewinnen, wie der Lebens-
verlauf des sozialen Organismus gesundheitlich zu fördern sein würde (oder, bei
pathologischen Abirrungen, praktische Hülfsleistungen möchten gewährt werden
können).
Die landläufigen Verbesserungsvorschläge leiden an den Fehlern einseitig
oberflächlicher Betrachtung, weil nur auf die Ergebnisse einer einzelnen Kultur-
geschichte eingeschränkt. Erst nach einer universellen Umschau über sämt-
liche Variationen des Menschengeschlechts werden allgemeine gültige Prinzipien
abgeleitet werden können, und zwar um so leichter, weil die Erleichterung ge-
boten ist, vom Durchblick einfachster Organisationen (im Wildzustand) allmählich
fortzuschreiten zu den idealen Blüten (der Kulturentwickelung).
Im Lebensgewoge staatlicher Organisationen, deren Bestand dem des
Einzelnen (s. Aristotl.) vorhergeht (wie das Ganze dem seiner Teile), schlingt
sich dasjenige Getriebe durcheinander, das in der Soziologie (b. Comte) auf fest-
geregelte Gesetzlichkeit reduziert werden soll (wie jedes Studiums-Objekt des
Menschen in der ihn umgebenden Natur).
In den ethnischen Gesellschaftskreisen primitiver Zustände werden die
Wechselbeziehungen der Klassenschichtungen durch die thatsächlichen Verhältnisse
der psycho-physischen Konstitution bedingt.
Nach dem auf faktischen (und somit, weil richtigen, auch rechten und
102
gerechten) Natur Sachlagen beruhenden „jus fortioris“ herrscht das stärkere
Geschlecht über ein schwächeres, in seiner vollkräftigen Akme (einer aetas virilis),
über jünger früheres Durchgangsstadium sowohl, wie über das ältere des Aus-
Verlaufs, bis der Erfahrungsschatz des letzteren über die brutale Obermacht der
Körperstärke idealistisch zu dominieren beginnt, wenn an Stelle einer „Soldaten-
kaste“ die Regierung von den Greisen und Weisen geführt wird (in Ratssitzungen
eines Senatus). Zunächst schliesst sich dies an den naturgemässen Verlauf der
Altersklassen an, in derjenigen Generation, die ihr Saeculum vertritt, so dass
ein Jeder in die Rangstufen hineinwächst (von Kedibo und Sedibo zu Gnekbade)
cf. Controversen i. d. K. II, (1894).
Über Recht und Pflicht kann keinerlei Kontroverse zur Aussprache kommen,
da ein Jeglicher stillschweigend diejenige Stellung ausfüllt, wohin er gehört (in
Homilikia), und ebenso erledigen sich die ethischen Verpflichtungen nach
gesundheitlich instinktgemässen Prinzipien (aus den Vorbedingungen sozialer
Existenz), so dass dem feindlich Fremden gegenüber als Tugendbeweis gepriesen
wird, was, am Stammesgenossen verübt, durch Verurteilung als todeswürdiges
Verbrechen zur Vernichtung des Unthäters führen würde.
Auch nachdem (mit Verkehrung des Hostis in Hospes) Milderungen ein-
getreten sind und Erweiterung friedlicher Beziehungen, verbleiben Ungleich-
artigkeiten in der Abschätzung, wie in der Behandlung kriegsgefangener Sklaven
z. B. bei den Römern, ob aus hellenischer Verwandtschaft oder stumpfsinnigem
Barbarentum.
An sich würde, sowenig wie aus Züchtung der Haustiere (in Gefangen-
schaft), aus der Sklaverei ein Vorwurf sich erheben lassen, so lange das durch modern
anthropologische Forschung erst konsolidierte Dogma von der Einheitlichkeit des
Menschengeschlechts diejenige Anerkennung noch nicht erhalten hatte, wodurch
die Gültigkeit der in „Egalité et Fraternité“ hallenden Schlagworte für den
ganzen Globus beansprucht wurde (im internationalen Verkehr). Für den sich
selbst, als Mensch (der Mensch qua talis) bezeichnenden Wildstamm, innerhalb der
ihm zugehörigen „Welt“ (seines Bezirkes), sind die jenseits der Grenzen desselben
hausenden oder schweifenden Wesen, irgend welcher Art, Halb- oder Unmenschen
(a-manut) vielleicht, und jedenfalls dämonische Feinde, für welche es weder
Sympathie, noch Mitleiden giebt, wie seitens der Hellenen keines (oder wenig-
liebstes nur) gegen barbaropbonisch Kreischende (oder Stumme, gleich Njemtsch
den Slaven), so dass, in Fortführung solcher Schätzungen, die zur Entdeckungs-
zeit angetroffenen Indianer, erst durch päpstliches Patent ihre Menschlichkeit
garantiert erhalten mussten (als „gente de razon“).
Unter der Imperatoren-Zeit wurde der Titel eines Civis Romanus als mehr
und mehr gleichberechtigter erweitert, unter Fortbestehen der Gradation im
Besitz von Vermögensgütern (bis zu krassester Steigerung mitunter).
Mit den durch die Ereignisse der Völkerwanderung eingeleiteten Staaten-
gründungen wurde die grosse Masse der Unterworfenen in Leibeigenschaft
herabgedrückt, schlimmer oft als sklavische Knechtscahft [in den (früheren
Rangtitel erniedrigenden) Colonaten] und formell scheinbarer Rechtsschutz führt
sich darauf zurück, dass unter politischer Zersplitterung des weltlichen Regi-
ments das geistliche (seit Zerfall der Priesterfürstentümer) abgetrennt eine
(traditionell fortgeführte) Einheit bewahrte, und so [an Stelle des sonst (gegen-
seitig gemeinsamer Interessen wegen) verbindenden Zusammenarbeitens] vielfach
mit den temporären Herren in feindlichen Gegensatz geratend, deren Macht zu
lockern bestrebt war, durch Begünstigung der Unterklassen, die durch den auf
sie ausgeübten Druck sich zum Widerstand ohnedem angereizt fühlen mussten.
Am frühesten traten die Folgewirkungen in England hervor, wo der angel-
sächsische Herrscherstand, der die keltischen Eingeborenen in Niedrigkeit hinab-
gezwängt hatte, sich durch normannisch verwandte Eroberer vom ähnlichen
Schicksale bedroht gesehen haben würde, wenn nicht bei deren Minorität eine Gleich-
berechtigung mehrweniger hätte bewahrt werden können, und als der unter
solch freiheitlicher Belebung herangereifte Bürgersinn auf britannischen An-
siedelungen nach dem, von anachronistischen Scharteken unbehinderten, Boden
einer „Neuen Welt“ verpflanzt worden war, musste der humanistisch anziehende
Gleichklang überall bald williges Gehör zu finden gewiss sein (im Laufe und
Verlaufe westlicher Civilisation).
In gegenwärtig faktischer Sachlage ist theoretische Rechtsgleichheit überall
zugestanden, obwohl die materielle Ungleichheit, wie von Geburt her, durch die
[aus Anlagen derselben — oder vererblich sowohl, wie aus dem Erziehungsverlauf
(und sonstigen Zwischenfällen) — bedingten] Accidenzen fortdauert (in stereotyper
Wiederholung markierender Umrisse).
Ein Jeder, wie ihm das Loos gefallen, wächst in den Umschluss seines staat-
lichen Gemeinde Wesens hinein, das zwar Niemandem (unter Nach weislichkeit aus
Begründungsdokumenten) besitzlich gehört, das indes dem Herkommen nach
denen anvertraut ist, die z. Z. zur Verwaltung sich installiert finden. Und so
hat der Abgleich derartig sich herzustellen, wie im Widerstreit der Privat-
interessen mutuell zusagende Vereinbarung anrät, für einen „modus vivendi“
(selbständiger Lebens-Existenz).
Wenn der „Kampf ums Dasein“, (in der diesen Terminus naturgeschichtlich
definierenden Theorie), nur von einer Minderheit siegreich bestanden wird,
während die Mehrzahl unterliegt, so handelt es sich hier um einen Widerstreit
fremdartig verschiedentlich (und somit feindlich) aneinanderstossender Interessen,
auf gegenseitige Vernichtung bedacht, während im einheitlichen Komplex eines
Gesellschaftsorganismus die auf einander reagierenden Rivalitäten und Com-
petitionen innerhalb eines gemeinsamen Wachstumsprozesses sich wechselweis zu
fördern haben, zum eigenen Besten (und somit dem des Ganzen).
Die Erfüllung der (staatlich) gesellschaftlichen Pflichten öffnet die Pforte zu
himmlischer Unsterblichkeit unter den Gestirnen (s. Cicero), mit Harmonien,
wie von Scipio gefühlt, dui-chdringend (im Einklang kosmischer Gesetze) und
rückwirkend dann auf die mitwirkend einbegriffene Individualität, wenn unab-
hängig hingestellt, auf die (ihre Maskierung tragenden) Füsse (als „persona“ im
Mummenschanz des Lebens).
In ethnischen Schnitzereien (gleich denen der Papua etwa oder der Haida)
104 —
liegen symbolische Rätsel-Rebus vor, die aus ihren Ineinanderschlingungen zu
entwirren sind (oder zu entziffern, als Schriftsubstitute). Was in Gefühls-
schwingungen das Hirn (solcher Wilder) durchwogt, drängt zunächst zu laut-
lichem Abgleich, und findet sich, wenn gesungen, in den auf der Sprachschichtung,
als gespenstige Deckung den Sehbildern (aus akustisch-optischer Konkordanz),
nebengetretenen Seitenstücken gedoppelt, und was nun von diesen aus konkreten
Anschauungen nach hallt; wird durch das Händewerk (mechanischer Fingersprache)
technisch inkarniert oder realisiert (unter den phantastischen Umrissen, wie
geistiger Schau erscheinend).
Meyer, H. Die Insel Tenerife. Leipzig 1896.
Ebenso anziehende, wie belehrende Schilderungen dieses von klassischer Zeit
her durch die Entdeckungsgeschichte mit erhöhtem Interesse bekleideten Archipel,
der auch aus den prähistorischen Resten seiner einheimischen Bevölkerung wichtige
Aufklärungen liefert für anthropologische Probleme, wie aus den Bearbeitungen
der von dem Verfasser gesammelten Guanches-Schädel (durch Dr. von Luschan)
ersichtlich (S. 285).
In dem letzten Hefte des „Bulletin de la Société Royale de Géographie
d’Anvers“ ist diese Inselgruppe ebenfalls zur Behandlung gekommen („LesAnversois
aux Canaries“ par M. Fernand Donnet).
Unter dem Titel: „Centralblatt für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte“
(Breslau 1896), hat Dr. Buschan eine Zeitschrift begründet, die, wenn im Sinne
des vorliegenden Hefts (I, Jahrg. 1, 1896) weitergeführt, wirksame Förderungen
der in Rücksicht genommenen Studienzweige verspricht (schon aus den Hamen
der dafür gewonnenen Mitarbeiter).
Mitteilungen der deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens
(Supplement-Heft II, zu Bd. VI), Nihongi übersetzt von Dr. Karl Florenz,
Tl. III (Buch 27—28), Tokio 1895 mit „Nachträgen und Berichtigungen“ des
früheren (Buch 25 u. 26).
In den Comptes Rendus des Séances (Société de Géographie), Nov. 8 (Paris
1895) findet sich (S. 323) Cordier’s Bericht über die durch Prinz Henri d’Orléans
erworbenen Manuskripte für die „École des langues orientales vivantes“, welche
(im Anschluss an früher bereits zugegangene Bereicherungen) „compte aujourd’hui
quarante-neuf de ces manuscripts“, aus Indochina (wertvollste Schätze für die
vergleichende Linguistik). '
Preussische Jahrbücher (November 1895).
In Trölsch Abhandlung über den „ethischen Atheismus“, heisst es: „Wie
Alles, was mit A- und Anti- anfängt, so ist auch dieser Atheismus nur vor-
handen, durch Voraussetzung dessen, was er bestreitet“, des Theismus also,
wenn, dessen (mittelst lang mühseliger Arbeit festgelegte) Grundsätze als bequem-
105
liebste Handhaben zur Hand, darüber hinwegsehend, um sie im leichtgeschürzten
Geplauder zu negativieren (statt durch ernst sorgsame Kontrolle doppelt zu bestä-
tigen). Von solchen Kontroversen unberührt bleibt die Religiosität, die (in ihrer
Verwebung mit der Ethik) nicht aus parteiischen Debatten ihre Sicherstellung
erhalten kann, wohl jedoch sie immanent bereits besitzt, auf Grund ethnisch
thatsächlicher Anschauungsbilder (bei Überschau der ethischen Voranlagen, für
eine soziale Existenzfähigkeit überhaupt).
Hontheim. Der logische Algorithmus (in seinem Wesen, in seiner
Anwendung und in seiner philosophischen Bedeutung). Berlin
(1895)
im Anschluss an Boole’s Vorbereitungsarbeiten, und deren Ausverfolgung
durch Jevons, Grassmann, Peirce und E. Schröder (unter Rückgang auf Reibniz’
„Characteristica universalis“), für das logische Rechnen davon zu profitieren
(cf. W. d. V. d., S. 10).
Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft (für Thüringen) in
Jena. Herausgegeben von Kurze und Regel (Jena 1891—92).
„Ein Veilchen, das im Verborgenen blüht“, liesse die obige Zeitschrift sich
bezeichnen, die bescheidentlich zunächst auf ihren heimischen Boden einge-
schränkt sich ausgiebt, und denselben nach allen Richtungen im genauen Detail
durchackert, um eine Fülle lehrreichster Abhandlungen einzuernten, zugleich
aber auch, in weiterer Umschau über die Missions-Stationen, wie auf der
Erdoberfläche zerstreut, viel süssen Honigseim zusammenträgt, in ethnologisch
willkommensten Bemerkungen (solcher, die aus lang persönlicher Vertrautheit
von Verhältnissen reden, wohin sie sich eingehend hineingelebt haben). Diesen
beiden Zwecken zu genügen, wird die Redaktion in geradezu musterhafter
Weise von den beiden Herausgebern geführt, so dass Jeder, dem dieses Schatz-
blümchen noch unbekannt geblieben sein sollte, erfreut sein wird, darauf auf-
merksam gemacht zu sein, um bei der Auffindung an dem anziehenden Duft
sich zu erlaben, der jeder Seite entströmt, wenn bei der Lektüre durchblättert,
und auch den trocken statistischen Registrierungen dazwischen entnommen werden
mag (aus der ihnen, für Sachkenner, anhaftenden Wertschätzung). Der In-
halt gliedert sich in einen „Missionsgeographischen Teil“ (Abhandlung, Kleine
Mitteilungen, Litterarische Umschau), einen „Landeskundlichen Teil“ (Abhand-
lungen, Referate) und „Vorgänge in der Gesellschaft“ (über die Versammlungen
und Referier-Abende), mit Anschliessendem über Festfeier, Ausflüge, Tausch-
verkehr etc. (in Allem eine rege Beteiligung bekundend).
Obwohl also von (Feinschmeckern und) Fachmännern, die mit ihr genauer be-
kannt geworden, ihrem vollen Werte nach bereits geschätzt, hätte diese Zeit-
schrift ausserdem auch noch für das allgemeine Publikum Beachtung zu finden,
weil in demjenigen Sinne geleitet, der zu weiterer Popularisierung berechtigt
(ohne den Charakter gediegener Gründlichkeit zu beeinträchtigen).
106
Schmidt, E. Reise nach Südindien. Leipzig 1894.
Ein ebenso anziehend unterhaltendes, wie belehrendes Buch, das besonders
über die von den gewöhnlichen Reisewegen seitabwärts liegenden Eingeborenen-
Stämme des südlichen Indien willkommene Beobachtungen bringt.
Frankfurter. Ein Siamesischer Eulenspiegel (Toung-Pao, V, 3). Leiden
1894.
Mit willkommener Vermehrung dessen, was aus dem Volksbuch (über die
Erlebnisse des Sri Thanonxai) soweit bekannt war (cf. Volk, des östl. As. IV,
S. 348).
Ostwald, Überwindung des wissenschaftlichen Organismus. Leipzig
1895.
„Die Materie ist ein Gedankending“ (S. 26) lautet (Berkeley’s) „Percipi est
esse“ bei dem Verfasser, der in Bekämpfung des „wissenschaftlichen Materialismus“
(der Ansicht nämlich, „dass die Dinge sich aus bewegten Atomen zusammensetzen,
und dass diese Atome und die zwischen ihnen wirkenden Kräfte die letzten
Realitäten seien, aus denen die einzelnen Erscheinungen bestehen“), die mecha-
nistische Fassung durch die „energetische“ (S. 7) ersetzen will, auch hier in Über-
einstimmung mit derjenigen Ansicht, vor der sich (ihrem bis zur Unaussprech-
lichkeit überschwänglichen „Hen“ gegenüber) die Materie in ein Nicht-Sein ver-
kehrte (b. Plotin). El ouv ¿vepyeta xal y ouata auzob ivipyeia, k'v xai zauzbv zy ¿vepyeia
äv ety, ¿v 3k zy ¿vepyeta zo ov xal zb voyzov, Sv dpa ndvza ecrzai, voüq, voyrns, zo voyzov
(voyais vorjaewz voyoiq, pei'ipatetisch).
Wenn das Denken im Drange seines Kausalitätsbedürfnisses bis an die
Grenze rationeller Relationen gelangt, das Veto kritischer Erkenntnistheorie nicht
beachtet, gleitet es ab in dem „Regressus ad infinitivum“, von Wurzel zu Wurzel
(sofern nicht etwa Kapila’s resoluter Schnitt das Absolute zur Raison bringen
sollte), oder zunächst doch vom Sein ins Nicht-Sein, wo dann, im Nichts Alles
eben vorbei ist, vor Allem das Denken selbst in seiner Avidya oder Unwissenheit
(eines Nichts- oder Nicht-Wissens). Indes braucht man nicht einmal soweit zu
gehen (bis zum letzten Verzweiflungsschritt der Negation), denn dass schon die
„Ousia“ in Beziehung zuin xa&oXou undenkbar ist, konnte in aristotelischer Schule
bereits gelernt werden, und ebenso die Gültigkeit solcher Ousia (im Sein) für die
Einzeln-Existenzen, die nachdem negierend festgestellt, — da „omnis determinatio
est negatio“ (b. Spinoza), — dann in Positivität gefasst werden, für analysierende
Zergliederung durch die mechanischen Seciermesser (der Naturforschung).
Die Lebenskraft wurde als „qualitas occulta“ vertrieben, weil überall hinein-
spielend, wo mechanische Gesetze sich erklären liessen, obwohl diese dann wieder
in ihrem Organismus sich zusammenschlossen unter lebendigem Fortwalten (im
gesetzlichen Zusammenhang). „Die Begriffe Materie und Kraft bezeichnen nur zwei
verschiedene Auffassungsweisen ein und des nämlichen realen Seins, von denen
die eine sich an die äussere Wahrnehmung anschliesst, die andere auf die
Analogie der inneren Wahrnehmung, insbesondere von unserem eigenen Willen,
107
beruht“ (s. Überweg), je nach der Willenskraft (in aktueller Bethätigung).
Der Begriff der Materie ist die in empirisches (Erfahrungs-) Gebiet (auf nati-
vistischen Unterlagen) hinabgeworfene Abschattung ihrer im Transcendentalen
gewonnenen Konzeption (seit kritischer Reform der Philosophie), als „Gedanken-
ding“ (TTvey/jiGt mos e%ov, in der Stoa).
Der „Ewigen Materie“ (in der Gnosis) wird die Schöpfung aus Nichts in der
Zeit entgegengesetzt (cum tempore oder in tempore) oder (b. Origines) die (ewig)
anfangslose Schöpfung, aus (oder in) Gott, der in der Welt (als geistiger Ur-
grund einwohnend) sich offenbart, aus ewiger Liebe (je nach orthodoxer Fassung),
für die Menschwerdung zugleich (als „unio mystica cum Deo“).
Dem „Weltbildner“ (der Heiden) gegenüber, wurde der „allmächtige Schöpfer“
des „Himmels und der Erde“ betont (bei den Apologeten). Als absolute Indifferenz
(b. Schelling) ist Gott (s. Schleiermacher) einfache Kausalität der Welt (in Denk-
notwendigkeit).
Die Welt (mit ü<pzm<;) sinkt ab in Emanation (b. Plotin), statt vervoll-
kommnet aufsteigend in Entwicklung (bei Entstehung), und das Göttliche ist
übervemünftig {bnepßeßyjxds ryv rou voS <p6mv), in Perilampsis (ausstrahlend). „Was
ist, war von Ewigkeit her, und wird in aller Ewigkeit sein“ (s. Melissus), bei
cyklischer Wiederkehr des Geschehens (s. Eudemus), im Weltjahr (chaldäisch).
Die Welt (ro öXov xal rö näv), weder Aufsteigen (zur äxp.rj) noch Niedergang {<p$opa
tat didhjoiq) zeigend, wie (in Entwicklung) jede andere Dingsache {eyama 8i£ßodov\
gilt also ewig (b. Ocellus).
Das höchst Vollkommene wurde (wie von den äpyaim noirjrai) von den VmUym
als Späteres gesetzt, im Resultat der Entwicklung, bei den Magiern (sowie bei
Pherekydes), als Erstes der Zeit nach (s. Aristotl.). Der Nous (purus actus) ist
vövjau; vorj<TEox;. Obwohl einen Ersten Beweger (im Nous) voraussetzend, hat die
Welt als gegliedertes Ganze ewig bestanden und wird ewiglich sein; efc xac didioq
(peripatetisch) <5 oöpavos, als Gottheit (b. Xenophanes).
Aus dem Hypokeimenon (b. Aristoteles) tritt das möglichkeitsweis Seiende
in (sinnliche) Erscheinung, und indem wir die Materie eben nur durch ihre
Kräfte, nie an sich selbst wahrnehmen (s. Lange), wäre eine reine Materie für
„die übrigen Naturen gleichgültig“ (in Substanz), als (Plotin’s) Nichtsein (bei
Ausscheidung vom Hen).
Der (phänomenal) erscheinenden Welt gegenüber, als das Werdende, ist Gott
das Seiende (b. Bruno), „deus sive natura“ („natura est deus in rebus“). Die
Welt (b. Kritolaos) ist die realisiert verwirklichte ecpappevT] (als Bestimmungs-
Gesetz).
Bei Unzugänglichkeit der obma kann die Substantia (in „Deus sive natura“)
nur von ihren Modi aus (Accidenzen oder Attributen) in Angriff genommen werden,
und so, um in das Wesen der Organisation einzudringen, gewähren die, unter
den Bedingungen ihrer Umgebungswelt, [den Agentien jedesmal geographischer
(oder uranographischer) Provinz], typisch variierenden Differencierungen den An-
satzpunkt der Forschung. „Causes live in the environment, effects show themselves
in the organisms“ (s. Patten), im Variationstypus (als Index des Milieu).
108
In der auf Gravitation (mit gegenwirkender Wärme) führenden Affinität
(der Atome) oder (b. St. Geoffroy) „Rapport“ treffen (trotz <pdia) die Gegensätze
aufeinander (trotz, oder aus Repulsion). Infolge ihres „Clinamen“ kommen die (zu-
nächst von oben nach unten bewegten) Atome (im Leeren) zur Berührung (b.
Lucrez). In den kleinsten Teilchen der ponderablen Materie treten die anziehenden
Kräfte aus Bewegungen der imponderablen Materie hervor (b. Newton) und für
den einfachen Körper ist die spezifische Wärme dem Atomgewicht umgekehrt
proportional (s. Dulong), während (s. Crusius) für die Moleküle der Gase deren
Bewegung in ihrer lebendigen Kraft der Temperatur proportional ist (für Um-
wandlungen in Arbeit).
Vor Ableitung der [nach (Maupertuis’) lex minimi gesuchten] Atome (philo-
sophischen Betrachtungen entnommen) haben die Elemente (wenn als Minima
gesichert festgestellt), für chemische Verwendung, auf Moleküle zu führen, aus
Dynamiden (b. Redtenbacher) konstruiert (in einem „Dynamidensystem mit
Elastizitätsaxen“). Wie dem „Äther die Eigenschaften eines festen Körpers“
(ausser der Undurchdringlichkeit) zugeschrieben sind, so „der Materie die Eigen-
schaften einer Flüssigkeit“ (b. Helmholtz). „Nur in einer Flüssigkeit sind Wirbel-
bewegungen möglich, und nur Wirbelbewegungen in einer vollkommenen Flüssig-
keit kommt die besondere Eigenschaft der Elemente zu, nämlich die, dass sie
durch menschliche Kräfte sowohl unzerstörbar wie unerschaffen sind“ (s. Fock).
Für Selbstbewegung der Welt liegt die Ursächlichkeit (b. Anaximander) im Apeiron,
der als unendlicher Stoff sich nicht erschöpft, in fortwährenden Zeugungen, wie
xAkasa (als Äther) die (stoischen) Elementarwandlungen einleitet (im Abhidbarma).
Dass Epikur den nebeneinanderfallenden Atomen, um sie in gegenseitige
Aktion zu setzen, eine (kleinste) Abweichung, als clinamen (s. Lucrez), zufügte,
erklärte Kant für „unverschämt“, obwohl im eigenen System gleichmässig ver-
breiteter Materie die Bewegung da beginnt, wo die Schwere ein wenig über-
wiegt (am künftigen Stellungspunkt der Sonne). Die Sonne ist àwq oTxoq xai
(puiaxrj (bei den Pythagoräern). Die (pythagoreischen) Weisen Italiens rückten
die Erde aus dem Mittelpunkt, um so das dortige Feuer, als Zeus Wacht (der
Hestia) umkreisen zu lassen (zu Aristoteles’ Zeit), kosmisch central, wie der
Meru (in Beziehung zu terrestrischem Kailasa).
Unendlich klein im Verhältnis zu den von ihnen zusammengesetzten
Köi’pern (s. Gay-Lussac) gelten die Atome ohne alle Ausdehnung (s. Ampère),
punktuell (b. Cauchy), als einfache (in Anziehung und Abstossung) gleich
(Faraday’s) Kraftzentren (unsinnlich am sinnlichen Substrat des Stoffes). „Der
Physiker braucht nur zunächst Atome, nicht zuletzt Atome“ (s. Fechner), zum
„technischen Gebrauch der Atomistik“ (b. Lange). Bei dem „Begriff von Masse“
(s. Weber) bemisst sich die Grösse der Atome „nach dem bei jedem Atom kon-
stanten Verhältnisse, in welchem bei diesem Atom die Kraft zur Beschleunigung so-
bezüglich steht (bis dann die „Quantivalenz“ der Atome wieder auf stöchiometrische
Atomgewichte führt). Die Annahmen der Atome (in theoretischer Physik) können
keine Eigenschaft der Körper erklären (s. Thomson), „die man nicht vorher den
Atomen beigelegt hat“ (um durch Entnahme aus dem Hineingelegten dann wieder
109
gewonnen zu sein). Und so, elie die navra /prjpaTa ihre Ordnung durch Anaxa-
goras’ Nous erwarteten, waren von den ¿x wxrnq Philosophierenden (im Dunkel der
Mutternächte oder „Po“) die in Hesiod’s Chaos gemischten Substanzen mit allen
den Eigenschaften bereits begabt, die es in Absicht lag daraus zu entwickeln,
kraft Schöpferkraft des Denkens mit seinen auf luftigem Urgrund oder (b. Schelling)
'„Ungrund“ (in contradictio ex adjecto) schwankenden Theorien, statt auf fest-
gesichertem Boden der Thatsachen zu fussen (in der Naturforschung).
Die Sinneswerkzeuge reagieren auf Energien-Unterschiede, zwischen ihnen
und der Umgebung (s. Oswald), aus Wechselwirkungen (wie spezifisch präformieit
zwischen Ayatana und Aromana). Die Monaden Bruno’s sind kleinste Seelen
und Minima von physikalischer Ausdehnung zugleich, wenn auch von sinnlich
nicht wahrnehmbarer Ausdehnung (s. Barach). „Das Molekül erster Ordnung
ist das Doppelatom“ (s. Eock), im Fortschritt der „Anu“ (bis zu £uap.ara).
Von den zweierlei Samen der lebenden Wesen bedingt der sichtbare (vom
Schöpfer hineingelegt) die Erscheinungsweise der Fortpflanzung (für Pflanzen und
Tiere), während der als unsichtbar (vom Anbeginn) darin liegende die Hervor-
bringung bewirkt (aus den Elementen), unter Einwirkung der vom Nous ent-
lassenen Seele (b. Plotin), und wie ndvra rdrjpr) datpovwv (s. Heraklit), ist Alles
[im Organischen oder (latent, bis zur Reizwirkung) Anorganischen] der Seelen,
statt Thaies’ Götter (oder Geister), voll (bei den Wildstämmen sowohl, wie für
alchymistische Verwendung). Als „omne vivum ex ovo“ proklamiert war, schloss
sich der Kreislauf (für die Ousia in konkreter Sonderheit), und beim (makro-
kosmischen Abrinnen der Sarcode in (Oken’s) Urschleim gerann das Keimplasma
mikrokosmisch, bei (Weissman’s) Abtrennung (vom Somatoplasma).
Aus homogenen, noch indiiferenzierten Organismen steigt die Urzeugung aus
den Moneren der Wassertiefen (b. Haeckel), während (b. Thomson) die ursprüng-
lichen Samen der lebenden Wesen auf die Erde gebracht sind in den Meteoriten,
als Bruchstücken zertrümmerter Welten (und also bei dortigen Katastrophen der
Kalpen, in einer Hiranyagarbba etwa, hinübergerettet).
Der Vikrti (Umformung) wird die Prakrti (Grundform) gegenübergestellt
(in der Sankhya), als Mula-prakrti der Mula-karana (Pradhana im Avyakta oder
Noch-Unentwickelten).
Wenn die Entstehung des lebenden Organismus die Schöpfungsfrage besonders
brennend machen soll, so simuliert sich dies aus der Gewöhnung an einen den Augen
beständig vorüberlaufenden Vorgang, während im Übrigen die transeunt längere
Latenz (je nach dem Ausbleiben der Reizwirkungen) in anorganisch stabiler
Fortdauer keinerlei Unterschied bedingt, [in Rückschiebung auf eine Nebular-
Hypothese, die so wohlgegliedert vielleicht in sich, doch (betreffs der Herkunft)
ihrerseits wieder in der Luft schwebt)], für die hier auf das Hervorgehen aus
einer dem der Möglichkeit-nach-Seienden hingewandten Begriffsbildung (den, ihrem
Standpunkt naturwissenschaftlicher Kenntnis entsprechenden, Erklärungsweisen
gemäss).
Wenn mit jeder Ebbe und Flut (s. Helmholtz) der Vorrat mechanischer
Kraft eines Systems sich verringert (um die Erde der Sonne näher zu bringen),
110
so könnte andererseits auch der Überschuss der Kraft als in einer anderen Räder-
ruaschinerie weiter wirkend gesetzt werden (für periodische Erneuerung, bei
Rückwirkung), und wie die Sonne, als Hauptquelle der Wärme (bei Umsetzung
mechanischer Kraft in dieselbe), so könnte, statt schliesslich er Entropie (b. Crusius),
auch die Hypothese der (im Phönix) symbolisierten Verjüngung gemeint sein,
im weiteren Cyklus (eines Syrius Jahr’s), nach allmonatlich umlaufenden
Rotationen des Mondes (wie den Khoin-Khoin und Vitier zur Allegorie für die
Wiedergeburt dienend).
Die (mit Äther’s Kraft) allumwallende (und durchwaltende) Akasa (als
„Weltäther“ elektromagnetisch) ersetzt sich (in ihrer Schöpfungsthätigkeit) durch
die Fülle der Tugenden, mit deren Vollmacht (oder Allmacht) der Buddha ein-
zieht in Okasaloka (seines Nirvana’s), bei Einheit des physischen und moralischen
Gesetzes (in Dharma).
Das (organische) Individuum als eine (im Indivisiblen) aus Teilen (subordi-
niert) zusammengesetzte Einheitlichkeit (einer Grösse, als aus mehrweniger gleich-
artigen Teilen bestehenden Mannigfaltigen) geht mit der Zerteilung, — (in unge-
ordnete Teilganzen, wodurch das Bestehen eines, im kausalen Zusammenhang,
einheitlichen Ganzen aufgehoben wird) —, damit auch seiner Existenz-Möglichkeit
verlustig, weil aus dem auseinandergefallenen Ganzen nicht wieder (in integrum)
herstellbar, wie ein anorganisches Einheitsganzes aus den komponierenden Ele-
menten (oder am äussersten Grunde gelagerten Grundstoffen). Wie diese an den
Grenzen des Seienden (als letzt begreifbare Minima desselben gefasst, in ihrer
ratio essendi), steht biologisch dort also bereits das (als unteilbar präsumierte)
Individuum (in seinem Zellenleben), und mit Übertreten des, einem (rationell) in
(relativen) Relationen bewegten Denken gezogenen, Scheidungsstrichs (vom fessel-
los Ungesetzlichen des Absoluten) wischt dadurch dann Alles sich aus in’s Nicht-
sein (eines Nichts-mehr-denkens).
Gleich den unter statthabenden Wechseln unveränderten Grundstoffen, oder
den, ohne transitorisch erweckende Reize, in Latenz (ihrer Änderlichkeiten) ver-
harrenden Steinen, ist die für eigene „Ousia“ causal zerlegbare Pflanze betreffs
der allgemeinen, (vonwoher ins Dasein eingetreten), einer Erklärung nicht zu-
gänglich.
Indem jedoch der biologische Prozess eines aus kausaler Gegenseitigkeit
bedingten Organismus (bei jedesmal in sich geschlossenem Ganzen) innerhalb
der Anderungsweiten verschiedentlicher Wandlungen spielt, zeigen sich be-
rechnungsfähige Gleichungsformeln aufstellbar zwischen den Agentien der Um-
gebungsverhältnisse und den Ergebnissen innerlicher Reaktion.
Der Anschluss ist einmal ein tellurischer, an die (minera-)geologische Konsti-
tution des Bodens, (und ein bei Assimilation dortiger Bestandteile permanenter),
sowie ein (urano-)meteorologischer von den Grenz-Regionen atmosphärischer Be-
tätigungen her (unter Rückbeziehung auf solaren Umlauf des Planeten).
Der (bio-)typische Index des Milieu (klimatisch geographischer Provinz)
bewährt sich demnach, als der aus Zeugungskraft wahlverwandtschaftlicher Affi-
nitäten hervorgerufene Effekt (dessen, was durchwaltet), und die Konstituenten
— 111 —
würden (bei Einbegriff der anorganisch transitorischen Alloiosis mit der biologisch
regulierten unter gemeinsamem Gesichtskreis) in kosmische Ursächlichkeiten hinaus-
verlegt werden können, so dass sich in ihnen die Möglichkeit einer Recht-
fertigung voraussetzen liesse, für die Spezifitäten chemischer Kristallisationen so-
wohl, wie die eines aus Keimungen entfalteten Wachstumsprozesses. Als Haupt-
faktor (nach soweit physikalischer Auffassung) manifestiert sich das in Wärme
Terminierte, die innerhalb einer, mittelst äquivalenter Gegenseitigkeiten balan-
zierten, Formel in Wechselwirkung steht zu dem unter gleicher Beziehung an dem-
jenigen Funktionierenden, was Stoff genannt zu werden pflegt.
Insofern bei stofflicher Kraft auf der einen Seite, auch auf der andern ein
demgemäss Korrespondierendes zu präsumieren wäre, tritt solcher Stoff zurück,
zunächst in sekundäre Deutung.
Dasjenige also, was im Sinnenbereich als Lichtstrahlung (aus ihrer, der atmo-
sphärischen Sphäre drüberhinausliegenden Quelle) sich merkbar macht, ruft im
Tellurischen ein stoffliches Restbleiben hervor (für sensualistische Empfindung).
Das Licht weckt in animalischer Organisation ein auf dort vorgesorgten
Bahnen bewegend Hinströmendes, das [bei Fortführung (aus optisch-akustischer
Konkordanz) zu anthropinen Wortschöpfungen] dem Psychischen entspringt, zum
Leben des Denkens seiner selbst [unter Ablösung von (stofflich-)physischer
Bindung].
Immerhin (für Grundursächlichkeit des Seienden) würde, was im (mensch-
lichen) Denken lebt, mit den [zeitlichem Schwanken (weil unter denselben
konstant verbleibend) nicht unterworfenen] Lichterscheinungen zusammenfallen,
die ebensowenig im Räumlichen beengt sind, weil lokale Zusammenballungen
(im Sonnenball zerstreuten GestimsgefunkeTs) sich, nach der Analogie ähnlicher
Illusionen, einer Demonstrierbarkeit aus den, in Fehlerquellen des okulistischen
Apparats anhaftenden, Konsequenzen nicht zu entziehen brauchten (bei physio-
logisch fernerer Durchforschung).
Mit Recht sind die Naturforscher verliebt in ihre Atome (wegen der
wichtigen Hülfen, die sie den Elementen geleistet haben; als Stützpfosten an
Grenzen gesicherten Wissens), aber unverständige Affenliebe (und „blinder Eifer“)
schadet (nur), bei Hineinpfuschen in metaphysische Spekulationen, da, wenn
auch ein Dynamiden-System in Kraftcentren zu fassen wäre, doch keine Urkraft
sich erlangen liesse, wenn auf der Suche nach einem, dem Grossvater jenseitigen,
Ur-(Ur-)Grossvater (beim Weiter-Huren) die Zeugungskräftigkeit verloren gegangen,
die in legitimer Gedankenverbindung vorbedingt, ohne solche sich annulliert. Und
so verdunstet neblig [als Substanz, oder (wenn zerstreut) bei Auflösung durch den
Raum] die Materie einer Nebularhypothese, die in Fortentwicklung naturwissen-
schaftlicher Erklärungen (je nach dem Stande derselben) aneinander sich an-
schmiegen mag und deren Auseinander begleiten (in parallel gehenden Wand-
lungen), aber im Übrigen aus dem Blauen hereingefallen wäre, wie der „Deus
ex machina“, der dann Allerlei (und Alles gar wohl vielleicht) machen und
schaffen kann, nachdem er selbst erst geschaffen. Denn „hic haeret aqua“
wieder (im schöpferischen Gewissen für die Genesis), zum „Brüten“ darüber,
112
wie Reales zu schaffen in Hervorbringung, (bei Manifestation durch ягij, zur
Epiphanie).
Idealistisch (bei platonischer Ideen spekulativer Steigerung durch die Alexan-
diner) gelangt sich im Letzten (b. Plotin) zum Hen, — ¿-кехеи/а. той voü, materiell
[am Auslauf (rationeller Verhältniswerte in den Relationen), in’s Absolute], —
wie zum Sein (ovrw? o\>) bei Eleaten, oder etwa, mit nächster Etappe (im leeren
Raum der Atomistiker als Kenon), in’s Nichtsein: also in’s Undenkbare an sich,
beim Nichtwissen Avixa’s, obwohl schon das allgemeine Sein durch deduktive Me-
thode undenkbar erwiesen war, und durch induktive ei'st recht, weil ohne
Anwendung komparativer Methode der Begrifflichkeit entfallend (und somit
induktivem Aufbau). Da wir in unsrer Welt darüber nicht, so wenig wie über
den eignen Schatten, hinausspringen können (und des zugehörigen Auge’s Retina
nicht sehen), verbleibt der das Vernunftbereich umziehende Scheidungsstrich (als
Noli-me-tangere soweitig). Im Einzelnding ist das Seiende erklärlich, das der
Pflanze sowohl wie beim Tier (die Protozoen und Protisten Vorbehalten, wenn pro-
testierend) oder beim Stein (im A-Jiva), und dann folgt die Entwickelung (zum
Fortgang) vergleichungsfähig weiter, physiologisch, für Komparation der (Modi
oder) Modifikationen und Variationen (im pflanzlich-tierischen Leben, biologisch).
Als weder Sat noch Asat war,, haucht (vedisch) das „Tad“, (im Etwas oder Es),
im Fortgang zu Brahma’s Kontemplation (für Schöpfung, in Tapas’ Erhitzung),
nach seinen Verdiensten aus Kusa (des Barsom), in Kus'on (und Akuson). Aus
der Wurzel aller Existenz (auf. Mangaia) beginnt das atmende Pulsieren bis zum
„Moana“ oder Ocean, dem Vater der Dinge (bei Homer), im hylozoistischen
Wasser (bei Thaies) oder (indianisch) für Menabhozo’s Sandkorn, um dem austra-
lischen Verlangen eines „Pimble“ zu genügen, zum festen Ansatzpunkt: denn
„ex nihilo nihil fit“ und Nichts vergeht im Nicht (оЬ8Ъ ylyvezai, oödkv р&есретаи).
Das Pflanzen-Wachstum ist verständlich (phytophysiologisch), während für
die „Weltentwicklung“ das Verständnis fehlt (weil eben der Vergleichung entrückt)
und gegen das Abgleiten in einen „Regressus (oder Progressus) ad infinitum“ hat
sich das Verbot einer (transeendierend) transcendentalistischen Überschreitung fest-
gestellt (in kritischer Reform der Philosophie).
„Aber das Ding muss doch irgendwo ein Ende haben, sagt der gesunde
Menschenverstand“ (s. A. .Lange), wogegen „Urteil und Schluss uns immer von einem
Gflied zum andern und zuletzt ins Unendliche führen, während wir ein Bedürfnis
des Abschlusses empfinden, welches mit den endlosen Folgerungen im Wider-
spruch steht“ (1875), aus „metaphysischem Drang“ (b. Schopenhauer), in’s Blaue
hinaus, bis das Nimo-Nimo durch ein атврйшра firmamentiert ist.
Das empfundene (Kausal-) Bedürfnis liegt eben eingeboren (und einverwoben,
durch und durch) im (Lebens-) Prinzip des Denkens, das sich selber lebt (in seiner
Kausalität). So lange innerhalb seiner Relationen bewegt, ergeben sich ihm die
Ursachswirküngen auseinander, im gesichert festgelegten Aufbau unter dem
Experimentieren mit komparativer Methode, durch wechselweis kontrollierbare
Beweisstücke (thatsächlicher Geltung) in einander gefügt. Dies induktive Ver-
fahren hat Halt zu machen, an den „Grenzen der Natur-Erkenntnis“, weil wenn
113
drüber hinaus seine Verallgemeinerungen projizierend (mit der Materie, in Starr-
heit ihrer Eins oder atomistischer Vielheit), denen (weil der Anschauungen entbeh-
rend, „leeren Begriffen“) jede Begrifflichkeit abgeht, seit des, als ausschlaggebenden
Hilfsmittels arbeitenden, Werkzeug’s verlustig gegangen: der Vergleichungen näm-
lich eben, welche hineinbannen in ihr Gespinnst, so lange wir uns im optischen
Horizonte unserer Welt, als Universum, umschlossen finden (und die „pluralité
des mondes“ dem chiliokosmisch geschulten Philosophen überlassen zu bleiben hat).
Hier Wandel zu schaffen, kann dann erst erhofft werden, wenn auch auf
psychischem Bereich eine Forschungsbahn betreten sein wird, die an thatsächliehen
Anschauungen emporrankend (in den fasslichen Verkörperungen derVölkergedanken)
aus dem gesellschaftlichen Kreis des darin integrierenden Individuums auf sich
selber zurückzuführen erprobt sein sollte, um aus verantwortlicher Mitbeteili-
gung an den Denkschöpfungen den darin waltenden Wachstumstrieb nun selber
eben zu leben (in Erkenntnis des eigenen Selbst).
Wie weder nach Oben, noch nach Unten hin, bei Brahma’s Auf- und Siva’s
Niedersteigen an Vishnu’s Säule, die Endpunkte zu erreichen waren, so wird keine
Entwicklungsreihe die Unendlichkeiten auszuzählen vermögen (um monistisches
Sehnen zu stillen). Die erste Ursache und der erste Grund können an und für
sich nur, wie im Spiegel oder im Schatten und verneinungsweis erkannt
werden (b. Bruno), nach apostolischer Rede (vom Stückwerk des Wissens). Ekam
sat (s. Temple), als absolut unbekanntes Wesen (im Sein des Daseienden). Nicht
an schwächlich cerebralen Gedankenfaden sind sie aufzureihen: des All’s all-
mächtige Kraftwaltungen. Und was hier einheitlich tönt dem naturwissen-
schaftlich geschärften Ohr, hallt hervor aus den Gesetzlichkeiten kosmischer Har-
monien (von ihren Verheissungen kündend).
Ambrosetti. Los Indios Caingua del Alto Parana. Buenos-Ayres 1895.
Resultate dreier Expeditionen nach den Misiones, die eingehende Be-
schreibungen, illustriert durch Abbildungen, bringen, so z. B. über die „Dibujos“
mit anschliessenden Erklärungen (S. 16 u. flg.), in Ergänzung einer zugehörigen
Publikation (Los Indios Kaingangues de San Pedro).
Ausserdem sind dem gleichen Verfasser zu danken:
Materiales para el estudio del Folk-lore Misionero (1894),
Apuntes para un folk-lore Argentino (Gaucho),
Sobre una coleccion de Alfarerias Minuanes (1893),
Los Paraderos Precolombianos de Goya (1894).
Diestel. Buddhismus und Christentum.
Unverkennbar krankt die christliche Allumfassenheit des Heils an dem
harten Grundsatz: extra ecclesiam nulla salus, während von solcher Härte im
Karma nichts zu spüren ist (S. 14); „beide sind Erlösungsreligionen“ (von all-
gemeinem durchgehenden Grundzug). Wenn erschreckt durch „les deux abimes,
qui épouvantaient le genie troublé de Pascal“ (durch die Erhabenheit Gottes und
M. f. V. 8
114 -
irdische Niedrigkeit), dann in Bewunderung des rings umgebenden Sein’s, in
„admiratio majestatis“ (b. St. Bernhard), „l’harmonie éternelle des mondes et la
stabilité immuable de leur lois, ont faites pour nous rassurer“ (s. Barthélémy
St. Hilaire), im Einklang des Kosmos (mit denkendem Verständnis).
Lipsius. Lehrbuch der evangelisch - protestantischen Dogmatik.
Braunschweig 1893.
„Für die empirisch psychologische Betrachtung ist die Religion in allen
ihren Erscheinungsformen ein persönliches Verhältnis der Hilfsbedürftigen und
Hilfe begehrenden Menschen zu einer überweltlichen und übernatürlichen Macht“,
wofür der Schutzgeist zu genügen pflegt, wenn nicht in äusserer Begleitung,
doch aus innerlicher Stimme (eines Daimonion), und dann in’s Gewissen (Gbesi, nigr.)
redend, als Logos, wie auf der Gesellschaftsschichtung thronend, wenn nicht herab-
gekommen aus der Sophia des Ttartjp ävwvußo<; (mit ëÇwâev zutretendem Nous).
Im „Timehri“ (Juni 1895)
findet sich im ersten Artikel („some spanisch accounts of Guyana“) der Bericht
des Bischofs Batela (Arch, de Indias, Audiencia de St. Domingo, Reports) mit-
geteilt, wovon es (in Reddon’s Übersetzung) heisst: „In many respects they are
better acquainted with all those phenomena of nature, which the Christians
hold in so much account than we are ; and in what relates to lightning, comets
and other signes which appear in the heavens, they appear to be very familiar
with it“ (1540 p. D.), wie die Goldschmiede Tenochtitlan’s, nach Cortes Urteil, die
Sevilla’s damals übertrafen, und dass den Strassenbauten der Inca im gleich-
zeitigen Europa nichts Ähnliches an die Seite zu stellen gewesen sei, bestätigen
einstimmig die Nachrichten der ersten Conquistadores (auch zugleich die Ersten
in der Zerstörung). Der folgende Artikel („first English Colony in Guyana“) bringt
den Bericht Capt. Leigh’s (1604), ebenfalls Mitteilung des Herausgebers (Im
Thurm).
Die Deutsche Morgenländische Gesellschaft (1845—1895). Leipzig 1895.
Eine erwünschte Übersicht der Thätigkeit und Publikationen dieser bei der
Orientalisten-Versammlung in Darmstadt (1845) begründeten Gesellschaft (zur
50 jährigen Feier).
Grierson. On the phonology of the Modern Indo-aryan Vernaculars
(Z. der D. M. G„ 49, III). Leipzig 1895.
Modern Indo-aryan vernacular words (S. 393) „are the children of Apa-
bramsa“ (Prakrit), und so aus dieser Vermittlung abzuleiten (stattauf sanskritischem
Standpunkt).
Schröder. Vorlesungen über die Algebra der Logik. Leipzig (1890).
Die „Logical machines“ finden sich augenblicklich noch auf einer sehr rudi-
mentären Stufe („wie etwa der Papinische Topf, gegenüber der Dampfmaschine“);
115
indes vermag „niemand vorauszusehen, ob nicht schon bald eine Denkmaschine
konstruierbar wird, analog oder vollkommen wie die Rechenmaschine, welche dem
Menschen einen sehr beträchtlichen Teil ermüdender Denkarbeit fortan abnehmen
wird, gleich wie die Dampfmaschine es mit der physischen Arbeit thut“ (und
seit Feststellung der Elementargedanken rechnet sich mit den durch Logarithmen
gewährten Erleichterungen, in der Ethnologie). „Es giebt keine Kulturperiode,
an deren Morgenröte es möglich gewesen wäre, die Reihenfolge und die Be-
schaffenheit ihrer Entwicklungsstufen vorauszusagen“ (s. Ferri). Und so bliebe
im Vorbehalt, wohin das logische Rechnen gelangen mag (wenn bis zu seinem
Infinitesimalcalcül vervollkommt).
Faye. Sur l’origine du Monde, ed. Paris 1896.
„Jusqu’ici les astronomes avaient les coudées franches pour édifier leurs
systèmes cosmogoniques; aujourd’hui il nous faut compter avec deux sciences
nouvelles, la Géologie et la Palaeontologie, qui nous apportent sur les époques
cosmogoniques des documents irrécusables“ (S. 288), und dazu kommt, was (mit
der Spektralanalyse) die Thermodynamik zu sagen haben würde, betreffs der
Folgewirkungen auf „l’attraction, que les étoiles les plus voisines de nous
exercent sur le monde solaire; les Astronomes sont bien fondés à négliger des
forces pareilles, elles ne sauraient d’ailleurs modifier les mouvements intérieures
de notre monde, les seuls, dont on s’occupe en Astronomie. Cependant les physiciens
n’acceptèrent pas, d’une manière absolue, cette indépendance mutuelle des mondes,
qui composent l’univers“ (S. 179).
Die innerhalb der Welt das Solar-Systems genau kontrollierbaren Hypothesen
der Astronomie vernachlässigen noch den Einfluss des Fixsternhimmels, der in
der Spektralanalyse der Physik bereits zur Beobachtung gelangt, für etwaige
Nachwirkungen, die indes bei den, Jahrhunderte beanspruchenden, Umläufen
innerhalb eines (menschlichen) Säkulums nicht erschöpft werden können, und
also das Zusammenarbeiten von Generationen verlangen (in Geschichte des
Menschengeschlechtes).
Bei primärer Erschütterung der Materie, durch die chiquenaude im gradlinigen
Stoss(oderFusstritt „dedaigneux“) begannen die „tourbillons“ (Descartes’) zu kreisen,
bei deren Erhitzung (wegen der sie durchkreuzenden1) Kometen) durch Newton,
mit der Anziehung aus der Ferne, eine „qualitas occulta“ wieder eingeführt
war, trotz seines Protestes (bei Hinweis auf ein unbekannt mechanisches Prin-
zip), und Rückführung erster Verursachlichung auf Gott, den Herr-Gott (als
xavToxpariup), unter allgemeiner Anerkennung jedoch, weil den noch ungelösten Pro-
*) Diese für ihren Zusammenstoss (wobei es 26. Juni 1819 noch glücklich abge-
laufen ist) gefürchteten Irrsterue haben Verirrungen in astronomischen Köpfen
genugsam veranlasst, der Regellosigkeit wegen, wodurch unter Indiens Wundern
(Adbhuta) die Sternschnuppen zum Herrn derselben erhoben sind (im Adbhuta-Nath).
Durch einen in die Sonne stürzenden Komet war der erste Anstoss zur Planetenbildung
gegeben (b. Buffon), ohne Bescheinigung freilich (woher gekommen), wenn nicht aus
den Plejaden (b. Mädler), in ethnischer Parallelen gar vielen (über solche „Gluckhenne
und ihre Küchlein“).
8*
116
Ыетеп in der Astronomie übersichtlich genügend durch seine Rechnungen,
welche nachzurechnen nur Wenige sich befähigt gefunden hätten (und so be-
friedigt bleibend, mit einer grossartig vorgeführten Einheitlichkeit).
Der mit seinem unvollkommenen Werk („oeuvre imparfait“) unzufriedene
Gott, „détourna la face, et, d’un pied dédaigneux la lançant dans l’espace,
rentra dans son repos“ (s. Lamartine). Aus den bereits gewonnenen Bestätigungen
lässt sich annehmen, dass alle astronomischen Erscheinungen „dépendent de ces
lois par des rapports plus au moins cachées, mais dont il est plus sage, d’avouer
l’ignorance, que d’y substituer des causes imaginées par le seul besoin de calmer
notre inquiétude sur l’origine des choses, qui nous intéressent“ (s. Laplace). Unter
Matuta’s (indischer) Führung bilden die feurigen Dämpfe täglich eine neue Sonne
(b. Lucrez), in Voraussicht auf verfängliche Fragen (aus Hume’s Skepsis). „Es ist
ein Gott eben deswegen, weil die Natur auch selbst im Chaos nicht anders als
regelmässig und ordentlich verfahren kann“ (s. Kant), indem die in den Abgrunds-
sack (des Bathos oder Bytbos) vorher hineingesteckten Substanzen mit den ihnen
bereits beigelegten Eigenschaften so herausgezogen werden, wie es vernunft-
gemäss erscheint (nach dem Stand der Kenntnisse), „weil du liesest in ihr, was
du selber vorher geschrieben“ in der „grossen Natur“ (des Dichters).
Dass die Störungen in (Newton’s) astronomischem System durch den Ur-
heber desselben in Ordnung zu halten oder zu bringen wären, erschien eine
Erniedrigung der Gottheit in Leibniz’s Ansicht, dessen präformierter Harmonie
dagegen sein Gegner die Einführung ununterbrochenen Wunderns vor warf
(verstärkt im Occasionalismus), während Laplace meint, dass „la suprême in-
telligence“ weiterhin abhängen kann von einem „phénomène plus générale“, näm-
lich von einer „matière nebuleuse éparse en amas divers, dans l’immensité des
cieux“, so dass im Nebel solch nebularer Hypothesen, die Fragen erst recht
jetzt wiederum zu beginnen haben (vom Anfang ab).
„On trouve par l’analyse des probabilités qu’il y a plus de quatre mille
milliards à parier contre un“, dass die Einheitlichkeit der planetarischen Be-
wegungen im solaren System „n’est par l’effet du hasard“ (von den Kometen
abgesehen), mais la découverte de Neptune a réduit cette certitude à zéro (s.
Faye), und so ist der Biologie ihr Bathybius zerronnen (mit angeknüpften
Hypothesen). Der noch zu Laplace’s Lebenszeit bereits entdeckte Uranos war
bei der Langsamkeit seines Umlaufes noch nicht ausgerechnet, aber die Rétro-
gradation seiner Satelliten Hess schon den Umsturz des Systems voraussehen
(die mit Entdeckung des Neptun’s erfolgte).
Die gleichartigen Drehungen um die Sonne im Planetensystem, wie durch
Descartes’ Wirbel ausgedrückt, müssen sich aus mechanischen Ursachen erklären
lassen, da eine Verursachung im Himmelsraum nicht vorliegt, oder durch
Gotteshand in solch übereinstimmendem Sinne nicht anzunehmen ist, und deshalb
mag man zum Ausgangspunkt eine gleicbmässige Verbreitung der Materie setzen
(b. Kant), im „premier pas, qui coûte“ (worauf nun Alles regelrecht weiter gehen
mag) ; eïç xai àcâcoç, àpyjy ¡Av xai тгХеиттр; obx iywv гой Tzavrôq alûvoç (ô nâç oopavoç),
oodéтоге /,г)<рЩ<т£zac rù Tzpwrov (s. Aristoteles), unter dem Andern (peraßdXXecv), und
117
ebensowenig wird rb etr/arov erreicht (in der Stoa). Der Anfang der Bewegung
ruht im „unbewegt Bewegenden“ (peripatetisch) oder (s. Pratt) bei Tangaloa,
dem „Unbewegten“ (auf Samoa).
Bei „Ewigkeit der Welt“ (unter pythagorisch gleichartigen Wiederholungen),
meinte der Australier (im Anschluss an vorhanden Gegebenes), „that the world
always existed with a few things on it, such as a strong or gigantic Blackfellow,
a bat, a frog or something of the sort“ (s. Currie). 'A/xa öXov yiyvstn^ai (s. Plato)
lehx-te die Stoa, für embryonale Entwicklung aus den Anlagen1), oder „species
impressae“ (b. Pesch) nach den Exegeten (der Genesis). Ein einsamer Indianer
schweift über die noch öde Erde, und als er, durch einen Donnerschlag betäubt,
wieder zum Bewusstsein kommt, ist Alles da, wie jetzt gesehen (bei den Matt-
oles). Unter Donner und Blitzen wird die Welt (der Wogulen) herabgelassen
(dem Ehepaar auf dem Tundra-Hügel), bei Beginn der „Menschheitsepoche“
(s. Munkacsi), wie Ormuzd’s Kosmos noetos in Raumesleere (als Twascha).
„Sechs Indianer, die ersten Menschen auf der Erde und die Stammväter der
Nanticokes, fanden sich alle auf einmal, — sie wussten nicht wie, noch auf welche
Art, — an demselben Ufer, am Rande des Ozeans sitzen“ (s. Jones), und dann (mit
weiblicher Aushülfe) beginnt die Besiedelung (in Stämme). Die Menschwerdung
begründet sich auf die „Unio mystica cum Deo“ (kirchlich).
Wie aus dem „Schoosse der grossen Gebärerin“ (Bruno’s) hervordrängend
in einer (jungfräulichen) Magna Mater (oder Bhavana, als Allmutter) beim Pua-
mai (Hervorblühen) — oder „Brüten“ (über dem Weltenei) — ,wird das irdisch
Geschaffene (srishta)‘ als die Schöpfung aus dem Sich (des Shrashtar) herausge-
lassen [in eines (arktischen) Pirksoma’s Blasen], vom Pater anonymus (Alfödr oder
Altfatar, als Zeuq -arrjp oder Ukko) her, um dann etwa (in der Tiki Kunst verfei-
nert) ausgearbeitet zu werden durch einen (demiurgischen) „Macher“ (Baiame),
gleich Visvacarman (Karomi, machen) oder mit (Panku’s) Aushauen (Taksh), während
Savitar (im Gayatri gepriesen) das Leben (pflanzlichen Werdens) hervorzieht
(sunomi) durch seine Strahlen (in der Sonne oder Surya), olxos xal <poXaxr) (b. Py-
thagoras).
Wundern ist legitimes „Zaubern“ (s. Grimm), in Theurgie — statt des (goe-
tisch) Bösen (des Schamanen oder Paje) —, wenn durch die „Verwandler“ (gleich
Quone) —, die Welt (bei den Bakairi) gehext wird, mit Hervortreten ins Dasein
aus Adrishta (als „Nichtgesehen“, oder Nichtsein, in Avidya) durch einen „almäkti
as“ (Landn.), bei Erschüttern der Materie durch Gott oder mit „assistentia“ (und
„concursus) dei“ in (Geulinx’s) Occasionalismus (für Ausgleich in prästabilierter
Harmonie).
Die Welt wird vorhanden gegeben entgegengenommen oder als (in den „Dhatu“
hinübergerettetes) Produkt gesetzt, im Umschwung der Kalpen (oder Tonatiuh),
’) Wie ef-iz im Gestein, cpomq in der Pflanze, die Seele in (animalischen) Tier-
geschöpfen, ruht der Vernunftgedanke im Menschen (s. Critolaos). Die besonderen
Eigentümlichkeiten der Einzeldinge werden durch die „Principia individuantia“ bedingt
(s. Nie. Cusan.), zur „Eigengestaltungskraft“ (b. Hanstein) aus „species impressa©“
(genetisch).
118
woraus die Verbreitung der Flutsagen sich ergiebt (da nach Vorangang der
„Wassersonne“ bei nächster Katastrophe die „Ekpyrosis“ folgt).
Das Werden kann in den Kausalitäten nicht zum Austrag kommen, weil
die Causa sui, in der Final-Ursache sich selbst widersprechen würde, und
eben nur ein letzter Hinüberschritt kann noch geschehen, weil drüber hinaus im
Unbekannten Alles sich auswischt im Nichtsein, dem Gegensatz des Seins (beim
Nichtwissen oder Avidya). Sonach formuliert sich in der Leere die Atomistik
für Democrit’s (geistige) Bewegung der Atome (b. Augustin), und so, wenn ein
Gott als „Macher“ (oder Baiame) simuliert wird, kann ihm seine geistige1) Wesen-
heit, (wie dem Feuer die seinige, bei Dualla) vorgesetzt werden, für Mukuru’s
Ojembe (bei Herrero), und wie Hubeane (der Basuto) die Menschen, macht
sein Vater die Tiere und Erde, ähnlich den Müttern, die dem Doppelpaar der
Verwandler vorangehen (bei Bakairi etc.).
Nachdem (statt eingeschmuggelt durch einen gegen die Erfahrungsschranken
verstossenden Denkfehler in Plato’s „unechtem Schluss“) infolge einer „abdita
quaedam causa“, die Welt aus Adrishta ins Dasein getreten, folgen die de-
miurgischen Aushülfen durch Götter-Architekten, um ein heiliges Ayodhia (oder
die dü)ßara auf dem Olymp) zu bauen, sowie auszuverfeinem, nach Quetzalcoatl’s
Weisheitskunst (bei den Tolteken).
Quone (der Puyallup), durch die Welt wandernd, schuf in Verwandlungen
(s. Boas), wie das Doppelpaar (der Bakairi), und Con (in Peru), bis zusammen-
treffend mit Pachacamac (dem Allmacher, allmächtig).
Wenn beim Umrollen in Kalpas’ durch Evolution (beim rückläufigen Cyclus)
die Welt sich erneuert, werden die Dhatu, als letzte Elemente [in „Anu“ unter
„Homoiomerien“, die zunächst in Sonnenstäubchen (der Vaishesbika), als klassische
^utT/nara sichtbar werden], durch den Goldkern (Hiranyagarbha’s) vielleicht hin-
übergeloos’t, und (aus moralischen Vorbedingnissen) verbleiben, wenn unter der
Sünden Last die Welt (des Abhidharma) zusammengesunken, die präformierten
Lebenskeime in einer tpuXaxYj (des Ev. Matth.) oder (tartarischen) „Eisenkerkers“,
gleich Awitcha (der „Papa“ wegen), wenn nicht durch Verdienst (aus Punya) hin-
aufgerettet, zu den unversehrt verbliebenen Terrassen (einer Janaloka), für die
aus Maharloka Flüchtenden).
War die vorangegangene Zerstörung durch Wasser gewesen, so ist zunächst
in Verkettung der (stoischen) Elemente, der Erdstoff (als „Pimble“ in Australien)
wiederzugewinnen (durch Manabozho’s Tauchertiere), oder in Ekpyrosis [mit
Untergang der Deva (an einem Ragnarökr der Äsen), aber nicht der höheren
Bramayika] mag der Weltstoff (mit Rest des Feuers im uypm) verteilt geblieben
sein (für Ausgestaltung wiederum in Nebular-Hypothesen), beim Hervorwallen
von dem (durch das Eingehen ins Nirvana, Okasaloka’s) in Bewegung ge-
*) Jede Tierart (der Irokesen) hatte in der Geisterwelt ihr Prototyp, „called the
oiaro of the Species1' (s. Hewitt), im Totem (oder Kobong austrl.). „Sensit inesse
concursioni atomorum vim quandam animalem et spirabilem“ (Democrit) oder (s. Chaignet)
spiritualem (bei St. Augustin), aus Elastizität (motorisch), rj roö aw/iäros vm><;
§(Tt(v (b. Stob.), für -Kveufiarurj duvaius (neben (puzixrj
119
setzten Äther (Akasa) aus (Anaximander’s) Apeiron (im Mittelzustand) oder
„Akasa“, unter den Aromana, zum Gehör (als Ayatana) gehörig, zur Vorbereitung
für „Manas“, (um unter sprachlichen Schöpfungen das Dharma zu verstehen).
Sofern hier zugleich (aus brahmanischer Täuschung) die kontemplative
Schöpfung (aus Tapas) Zwischenspielen soll, bandelt es sich um (platonische)
Anamnese — yiyvezcu 8k ix rijc ißnecpia zotq äv&pwm«; (s. Aristoteles) —, bei
Nacherinnerung (aus den Erfahrungen früheren Aufenthalts in oberen Rupaloka),
des demgemäss von dort mitgebrachten Gedankenschatzes, der Kalyanaphuttayana
(beim Aufwachsen der Myot a-Kspßazixoi zu ideae innatae).
Da sich das Ganze für das Denken verwirklicht, liegt der ursächliche Kern
in den sozial-ethnischen Gesetzen, (als conditio-sine-qua-non zoopolitischer Existenz),
in (Fichte’s) moralischer Weltordnung also, bei Einheit des moralischen und
physischen Gesetzes (im Dharma). Die navra yprumra (wo zusammen befindlich)
ordnend, trägt der Nous (bei Anaxagoras) seine Denkgesetze hinein in („Padarthas“
oder) Kategorien (rd dveu auprloxr^ ¿syopeva), wenn sie sich (naturwissenschaft-
lich) zu Klassifikationen gestalten, mit Variationen (aus causae occasionales), als
„incipient species“, in Arten oder Gattungen (zur Abstammung), wie etwa bei
Canidae, je nachdem zwischen Canis und Lupus die fruchtbare Kreuzung nachge-
wiesen ist (für Stetigung in Vererblichkeit) u. dgl. m. (zur sachkundigen Ordnung
im zoologischen System, bis auf klimatisch lokale Schläge für die Züchtung
verwertbar). Die Klassificationen durch Genealogien zu verdrängen, ermangelt
des sinnentsprechenden Zweckes, da diese sich niemals am kärglich aus Menschen-
hirn hervorgesponnenem Gedankenfaden auszählen lassen (weder nach oben, noch
nach unten), während jene ihr monistisches Centrum an sich selber bekunden
mögen, mit melodischen Accorden, einklingend in die Harmonien des Kosmos
(bei bunter Fülle sphärischer Symphonien).
Die durch Kräfte ungeordnet bewegte Materie regelt der Gott (im Timäos)
zunächst durch die geometrischen ‘) Figuren, — wie den Kohlenstoff, als Tetraeder
etwa (b. Häckel) —, unter Zuthat aus Weltbeseelung, um dann die Götter in den
Gestirnen zu schaffen, für Beauftragung mit irdischen Bildungen. Wie nun das
Alles geschehen, ist bekannt geworden durch die Nachkommen der Götter, denen
man glauben muss, weil sie ihre Ahnen zu kennen hatten (s. Plato), und so
hätte der Bakairi (zu seines Entdeckers Zeit), was er von seinem Grossvater ge-
hört, berichten können (als Augenzeugen der Schöpfung), während Seth seines
Vaters Erzählung dem Pfeiler aufschreibt (gleich Xisuthrus).
Dass ein Ding da ist (hervorgegangen in Srishti ausVorher-Nichtgesehenem) kann
verdeutlicht werden durch die (vor Augen ablaufende) Entwicklung (pflanzlichen
Wachstums), bei Entstehen aus dem Wasser (in dessen Tiefen das Geheimnis einer
*) ’Aei o Oeds yswpsrpei (s. Plato), im logischen Rechnen (arithmetischer Mathematik).
Bei der Schwierigkeit, ra itpüra xal rav itpwraq äpydq sprachlich auszudrücken,
haben sich zur Abhülfe die Pythagoräer (wie die Geometer der Figuren) der Zahlen
bedient (s. Moderatus). Aus den von der (durch Schwere der Atome) gefestigten Erde,
aufsteigenden Dünsten bildete sich das Himmelsgewölbe (s. Lucrez.), zur Begränzung
des Nimo-Nimo (auf Samoa).
120 —
„generatio spontanea“ sich verbergen möchte), oder durch das (Jedem vertraute)
„Machen“ mit der Hände Werk, kraft eines „Deus ex machina“, der wenn im All
keinenFusspunkt (für Bauung seines Thrones) findend, sich in’s Incognito eines Pater
anonymus zurückzieht (¿лexetva той voü). Tertium non datur, ausser ein Herabfallen
vom Himmel, von woher der Irokesen Ahnfrau (Ataentsik) leibhaftig hernieder ge-
stürzt kam, und die Ahnen (auf Letti) am Strick herabgelassen sind, oder die Ab-
hassara herniedergeflogen (zu leidiger Beschwerung durch Naschen von der Süss-
kruste), auch Meteorsteine neuerdings, (im naturwissenschaftlichen Zeitalter), herab-
gefallen sein sollen, mit den Anfangskeimen biologischer Wesen darin ein-
nistend (für „omne vivum ex ovo“).
Obwohl im mechanischen Geschehen der Lebensakte nur physikalische und
chemische Gesetze nachweisbar sind, lässt sich ihr wechselweis einheitlich durch-
dringender Zusammenschluss doch als unter der Form eines (Neo-) Vitalismus fassen
(innerhalb des Organismus), da „Leben von den Vorgängen in der übrigen
Welt verschieden ist“ (s. Virchow), „nicht einfach auf physikalische und
chemische Kräfte“ reduzierbar. Wie die Atome (anorganisch) die letzten Ein-
heiten bilden, so die Zellen (biologisch).
Die noch frische Erde (als gemeinsame Mutter) brachte (nach den Pflanzen)
Tiere hervor, die „weder vom Himmel gefallen noch aus dem Salzwasser hervor-
gestiegen sein konnten“ (im epikurärischen Schöpfungslied), und [nach Erschöpfung
der (auf Modererzeugnisse beschränkten) Reproduktionskraft] sich durch „List,
Kraft oder Schnelligkeit“ erhalten (s. Lucrez). Unter dem Joch ihrer Instinkte
sind die Tiere niedergedrückt, der Mensch allein erhebt den Blick zum Himmel
(s. Ovid). „Je pense, donc Dieu est“ (s. Descartes), im &außd&iv (peripatetisch),
als „admiratio majestatis“ (b. St. Bernard), aus Bewunderung der Wunder (in
Verwunderung).
Das Gesamt des Himmels ist ewig, ohne Anfang noch Ende, und wenn
eine (zur ununterbrochenen Bewegung antreibende) Seele eingeschlossen wäre,
hätte sie die Strafe Ixion’s zu untergehen (meint Aristoteles), und solche würde auch
dem „Weltäther“ — mit den „Uratomen“ (s. Haeckel) darin (statt in Democrit’s
„Kenon“), — als „schaffender Gottheit“ auferlegt sein (an Stelle eines „Maschinen-
bauers“ des Weltgebäudes), wogegen in Akasa die Weltordnung sich herstellt, in
Scipio’s (zoopolitisch nationalem) Pflichtgefühl (bei Einheit des moralischen und
physischen Gesetzes).
Wenn die Welt: г9eo<r iv yeviaei (s. Plut.), wäre auch hier auf sein тро/oq ge-
spannt (im aristotelischen Gleichnis), der geplagte Schöpfer (gleich „Nephele’s“ Lieb-
haber, bei Buhlen mit nebularen Hypothesen) und niemals zu der (in Mawu’s Un-
zugänglichkeit gewählten) Ruhe gelangt, bis „unendliche Bewegung“ sich als Ruhe
ergiebt (b. Bruno), то трштом xivouv äxivrjTov (s. Aristot.). Im Aufträge solcher (scho-
lastisch unterschiedenen) „Deitas“, mögen dann die („Dii“ oder) Theoi „laufen“ —
той psv äei fteovToq &shv (s. Ocellus) — in den (für Deva glitzernden) Gestirnen,
wohin vom (platonischen) Demiurgos gesetzt (für zeitliche Regulierung der Welt-
geschäfte).
Entwicklung ist ein naturwissenschaftlich scharf umschriebener Begriff (im
121
jedesmal konkreten Fall), für den mit Epakme, Akme und Parakme rückläufigen
Cyclus (eines stoischen diéÇodoç), wogegen für „Welt-Entwicklung“ (in „Ent-
wicklungslehren“) die Vergleichung [und demnach jeder (Anschauungs-) Sinn]
ausfällt auf planetarischem Standpunkt (in verstecktem Winkel des Solar-
Systems, unter den Gestirnsweiten), so dass solche Entwicklung (in’s Blaue
hinein) baldigst (in’s Kenon wieder) zu verwehen hat (als „Flatus vocis“).
Wie überall die Logoi spermatikoi (der Stoa) zur Entfaltung gelangen,
durch ihren nisus formativus, als in Keimungen präformiert (èv rrj yovrj
To (TTiépfia), so auch wirkt pneumatisch (in der Weltseele) ein Xöyoq
trrspnaztzôç, nach dem Zwang der Heimarmene, ungelockert durch die (beim
Ausblick auf Pronoia) mildernd erhoffbaren Unterbrechungen (durch Gnaden-
wirkungen, auf ethischer Scala), während im Buddhagama der psychologische
Weg gebahnt wird, beim Betreten der Megga Sicherung zu finden (ausserhalb
des xûxXoç àvayxaïot;). „Dicunt Stoici, duo esse in rerum natura ex quibus fiunt:
caussam et materiam; materia jacet iners, res ad omnia parata, cessatura si
nemo moveat“ (s. Seneca), und so bedarf es ersten Anstosses zur Bewegung,
im (peripatetischen) Akineton (eines unbewegt Bewegenden). Den Abschluss bildet
das Zusammentreffen des physischen mit dem moralischen Gesetz, wenn die
Tugend-Kraft des in’s Nirvana eintretenden Buddha den Anstoss giebt zu äthe-
rischen Auswellungen aus Akasaloka (für Beginn der Welt-Erneuerung).
L’Anthropologie. VI. 6. Paris 1895.
In „Étude sur le mariage chez les Polynesiens“ wird Tautain in Besprechung
der ehelichen Verhältnisse (mit Rückbeziehungen auf den Kannibalismus) zu Be-
merkungen veranlasst über das „Niveau moral“ (auf den Marquesas). „II n’y a
pas un raffinement, pas une perversion du sens génital qu’ils aient ignorés, qu’ils
n’aient point pratiqués“ (S. 65).
Boggiani. Vocabolario de 11’ Idioma Guana. Roma 1895.
É commune anche aile tribu Ciapuchi’, Sanapana’, Angaite’ e Lengua o
Petegme’k, e forse anche alla Pilaga’ 6 Pitilaga’. Ein Teil des Vokabulars ist
den Veröffentlichungen Juan de Comingues’ entnommen, mit dem der Verfasser
am Puerto casado zusammentraf.
Zeitschrift für afrikanische und ozeanische Sprachen. II, 1.
Die von Châtelain (aus dem Ki-mbundu) aufgeführten Unterscheidungen
von Kinzunzumbia, Nzumbia und Ndele (S. 44) finden überall in ethnischen
Elementargedanken ihre mehrweniger entsprechenden Parallelen, so dass Lokal-
Aufnahmen wünschenswert sind (eingehende Sachkenntnis, unter Vertrautheit
mit dem einheimischen Gedankengang, als conditio-sine-qua-non freilich voraus-
gesetzt).
Die „Ethnologischen Mitteilungen aus Ungarn“ (herausgegeben von A. Herr-
mann) bringen (IV, 4—6) einen Artikel Gönogi’s (Die Kroaten in Murakoz), worin
sich unter Mitteilungen über den Volksglauben das Folgende findet; „Beim
122
Aufbrechen des Leichenzuges wird mit einer Peitsche dreimal auf den. Sarg
geschlagen, um die darauf sitzende Seele zu verscheuchen“ (wie durch Wedeln
der Tagalen u. dgl. m.).
Brandstetter. Malayo - polynesische Forschungen. Heft IV. (Die Geschichte
des Königs Judjilai.) Luzern 1895.
Die Sprache und Litteratur der Buginesen ist den europäischen Studien
durch Matthes’ Verdienste zugänglich gemacht, und anschliesslich durch Niemann
ausverfolgt, aus dessen Schule der Verfasser darin eingeführt ist.
Die in der Übersetzung vorliegende Geschichtserzählung zeigt die den bud-
dhistischen Jataka übliche Ineinanderschiebung der Beispiele mit einem dem Islam
entnommenen Leitungsfaden einheitlich durchzogen, wie der historischen Sach-
lage charakteristisch entsprechend (nach der auf dortigen Lokalitäten stattge-
habten Religionsmischung).
In der Vorrede zu M. Müller’s neuer Auflage der Chips of a German
workshop (1895) streift der Verfasser eine Reihe interessanter Reminiscenzen
und kommt in- Bd. IV auf die Ethnologie, die, bei Verwendung der verglei-
chenden Methode, zunächst Rede zu stehen hätte (p. XXXIII): „Whether they
look upon the similarities, such as they are, as the result of our common human
nature, or as due to an early community of languages, or lastly, as produced
by mere transference in historical times. It would then be possible to enamine
the facts and to arrive at really valuable conclusions. But this is hardly ever
done“ (1895). Dann allerdings könnte einem früheren Mitarbeiter, dessen Ver-
dienste in schätzbarer Erinnerung verbleiben, sein späterer Abfall nicht verdacht
werden. Welche Schulen der Ethnologie (wenn es sich um Schulen überhaupt
schon handelt), gemeint sein möchten, bleibt freilich dahin gestellt.
Jedenfalls indes hat diejenige Ethnologie, welche gekräftigt in anthropolo-
gischen Vereinen zuerst ein selbständig eigenes Heim sich errichtet hat und der
in Deutschland unter einheitlichem Zusammenschluss thätigen Gesellschaft an-
gehört, — jedenfalls hat diese Richtung der Ethnologie die obigen Sätze von jeher
so offenkundigst evident erachtet, um sie nicht gross zu urgieren (ausser wenn
etwa in gelegentlichen Kontroversen gestreift), weil sie unbedingte Voraussetzungen
bilden für die Lehre von den Geographischen Provinzen und der sie (im Ge-
rüst des Erdgezimmers) verbindenden Geschichtsbahnen; unter deren Konstella-
tionen die Elementargedanken in Buntheit ihrer Variationen schillernd, die
Beobachtungsobjekte liefern (für das Studium der Völkergedanken).
Higginson. Die Frauenfrage (übersetzt von Jacobi). Neuwied 1895.
. „Die Behauptung, dass die Mehrzahl der Frauen nach dem Stimmrecht gar
kein Verlangen tragen, trifft allerdings zu“ (S. 210), doch wird die Hoffnung
angeknüpft, dass hier bald Wandel geschafft sein würde, wenn sie ihren „Füh-
rerinnen“ folgen wollen, kraft der für Sonder-Interessen wühlenden Agitationen,
die wenn über Wahrung berechtigter Interessen, durch Urgierung besonderer,
123
das Maass überschreitend, das Gemeinbeste schädigen; bei Störung des Gleich-
gewichts (auf goldener Mittelstrasse).
Den Frauen, deren Vorrechte, als privilegierten Standes, in der Civilisation
bereitwillig anerkannt werden — (par courtoisie, und mit Recht), — würde
bald wieder ihre Zugehörigkeit zu einem „schwächeren Geschlecht“ zur Empfin-
dung gebracht werden, wenn bei unterschiedsloser Konkurrenz das Stärkere
sich aus psychisch veredeltem „Recht des Stärkeren“ auf die Stufen des phy-
sischen zurückgedrängt finden würde (beim Wettstreit im Kampf des Lebens).
Inkongruenzen in Vergleichungen stellen zu wollen, erbittert und verschärft
die Parteiungen, worin Disparates geschieden steht, während sie organisch mit
einander verwachsen mögen, wenn von gemeinsamen Unterlagen aus, nach den
markierenden Besonderheiten fortverfolgt.
„Si l’on veut mieux réussir dans l’éducation, qu’on ne l’a fait jusqu’ici, il
faut marquer sérieusement les différences profondes, qui non seulement séparent
les sexes, mais les opposent même, les constituent symétriquement opposés;
autres sont leur vocations et leurs tendances naturelles, autres aussi leur édu-
cation“ (s. Michelet), wie praktisch erwiesen, in Trennung des Unterrichts (bei
frühzeitiger Abzweigung in der Elementarschule).
Dass vor dem Richterspruche des Gesetzes beiden Geschlechtern Gleich-
berechtigung zugestanden sein muss (im civilrechtlichen Sinne), versteht die
heutige Tagesstimmung zu wohl, um eines Hinweises darauf zu bedürfen, und
wird gar bald schon zum Abgleich gebracht haben, was aus anachi’onistisch ver-
schleppten Ungehörigkeiten übrig geblieben sein könnte ; aus früheren Geschichts-
perioden, die für Bedrückungen des weiblichen Geschlechts Entschuldigungen
entnehmen zu dürfen meinten, aus der dem männlichen dominierend zukommen-
den Stellung (im Staatswesen).
Als im berechtigten Protest gegen ein durch unhaltbare Gesellschaftszustände
verrottetes und zerrüttetes Staats wesen, die persönliche Individualisierung (in
den Philosophien des XVIII. Jahrhunderts) ihre Anerkennung gefordert hatte,
kam mit dem, was für die „déclaration of independence“ siegreich erkämpft war,
in neuer Welt, in der alten dasjenige zum Ausdruck, was in den „droits de
l’homme“ allgemeine „Menschenrechte“ (oder „Grundrechte“) aussprechen sollte,
in „rights of men“, dem „Menschen“ als „Mann“, auf dessen Tugenden in der
Klassizität die xoXireia aufgebaut war (zur Behausung des Zoon politikon).
Dem gegenüber, aus Généralisation eines zusammengehörigen Standes,
„Frauenrechte“ in’s Grau der Theorien hineinzeichnen zu wollen, verbietet sich schon
(wie aus physiologischen Gründen) aus dem immanenten Widerspruch der Isolierung,
wodurch die „Mater familias“ sich in den Vereinzelungen des Hausstandes installiert
(oder inthronisiert) findet; und dass sie dort herrscht, zwitschern die Spatzen
von den Dächern — in manch’ sinnigem Spruch, oder plumpem (des Volkswitzes).
Nach Hälftung der vierbeinig radschlagenden Geschöpfe (b. Aristophanes) findet
die Wiedervereinigung statt durch die im Himmel geschlossenen Ehen, die auch im
nigritischen Gehirn sich spiegeln, worin die zur Belebung des Embryo herabkom-
mende Kla ihre sexuelle Differenz in Nodsie’s seelischer Heimath zurücklässt (bis
— m -
die Zeit für Restitutio in integrum gekommen). Der Ausspruch einer von seinen
Zeitgenossen anerkannten Autorität („mulieres non sunt homines“) wiederholt
in seiner Art den ethnischen Elementargedanken, wodurch der Wildstamm die
Würdigkeit und Bezeichnung des Menschen für sich monopolisiert, den Fremden,
(den hostis, ehe ein hospes) als Nicht-Menschen (Amanut), zurückstossend, bis
hier die Gesittung Wandel schafft, um unbeschadet der nationalen Reserva-
tionen, die international gleichartigen Grundrechte für Alle anzuerkennen, und
wenn solche also, auf sexueller Skala der Vergleichung, für Männer und Frauen
identisch zu gelten haben, wird dadurch dasjenige nicht alteriert, was natur-
gemäss differiert (mit den beiderlei Geschlechtern angeborenen Differenzen).
Sobald die Beziehung der Einzelnen innerhalb der sie einbegreifenden Ge-
samtheit nicht als durch innere Vergliederung notwendig, an sich gegeben ent-
gegengenommen wird, sondern zu besonderer Aussprache gebracht werden soll,
verbinden sich mit zustehenden Rechten auch dadurch auferlegte Pflichten, in
Bezug auf diejenigen Unterschiedlichkeiten, wie sie im kulturellen Wachstum
des Gemeinwesens, nach Ergebnissen des Geschiehtsgang’s, sich markiert haben.
Die Frau, in Würdigkeit ihrer Mutterschaft (und unter Genuss der dadurch gern
cedierten Privilegien) thront am häuslichen Heerd, dem Palladium gesellschaft-
licher Existenz (ihrem foedus domesticum gemäss), das Heiligtum der Dii penates
zu hüten und zu erhalten: der Mann ist berufen, in Wind und Wetter da draussen,
dem Staatsgebäude diejenigen Stützen zu gewähren, deren Erfordernis für unab-
hängig selbständige Konsolidierang (im bellum omnium contra omnes), in erster
Linie zu genügen benötigt ist, durch Wehrkraft und (erfahrungsgemäss der
zugewiesenen Geschäftsthätigkeit entnommenen) Leitung der politisch innerlichen
Angelegenheiten, abstimmend darüber (nach Virilstimmen), zum Abgleich im
Meinungsaustausch, wobei indes in engeren Kreisungen, bei Korporationen etc.
wiederum Ungleichheiten Platz greifen mögen, oder die der Person eignende
Freiheit der Selbstbestimmung in einer „juristischen Person“ den Mitgliedern
(aus selbstgesetztem Gesetz) Beschränkungen aufzulegen hat (unter den dafür
gültigen Statuten).
Wenn die in primären Zuständen deutliche Stellung der Geschlechter zu
einander, unter den Komplikationen civilisierenden Fortschritts mancherlei Ver-
schiebungen erhält, wodurch bei der Not um das tägliche Brot die durch den
Mann oftmals nicht hinlänglich mit Subsistenzmitteln versehbare Frau auf die
Erweiterung ihrer Erwerbsverhältnisse (zumal wenn in grossen Städten zusam-
mengedrängt) hingewiesen ist, so öffnen sich mancherlei Berufszweige, in denen
die manuelle Geschicklichkeit der Frau vielleicht voran-, und die psychische zum
wenigsten gleichsteht, je nach dem (jedesmaligem Sonderzwecke dienlichen) Vor-
walten passiver „Empfindnisse“ (des Gefühlslebens) oder ihrer aktiven Durch-
arbeitung (in Verstandesthätigkeit). Daneben werden freilich den aus (idiosynkra-
sischen) Individualisierungen hier und da hervorgedrängten Wünschen, die sich
bis zu einem allgemeinen Stimmrecht steigern würden, (wenn nicht bei einer
Generalabstimmung unter der gesamten Frauenbevölkerung weit überstimmt und
yon vornherein zum Schweigen gebracht), niemals derartige Cessionen gemacht
125
werden dürfen, wodurch das Gesamtbeste etwaige Schädigung erleiden könnte, sofern,
durch idealistische Schwärmerei verzerrt, die vernunftgemässe Überlegung Maass
und Ziel einzuhalten vergisst, zu verallgemeinernden Generalisierungen fort-
schweifend, wo nur die Sonderheiten des jedesmal vorliegenden Einzelfalles zu rich-
tiger Entscheidung zu befähigen vermögen.
Derartige Gesichtspunkte würden u. A. auch betreffs des akademischen
Studiums einzuhalten sein, das in die Spezialkenntnis der jedesmal gewählten
Fachdisziplinen einführt, um deren Tiefen zu erschöpfen, für den zur Ziel-
aufgabe des Lebens gewählten Beruf (und um dem Staat Auswahl zu bieten unter
einem geprüften Beamtenpersonal, zu zweckdienlicher Stellenbesetzung). Unabhängig
davon steht die Allgemeinbildung, wie die als Autodidakten glänzenden Namen
beweisen (deren Fuss nie die Universitätsräume betreten), sowie alle diejenigen,
die in England als „seif made-men“ gefeiert werden. Hierfür sind beiden Ge-
schlechtern (also auch den „Women-rights-viragoes“) gleiche Erleichterungen ge-
währt, zumal bei gegenwärtigem Stande der Litteratur, welche populär gedie-
gendste Werke aus der Hand anerkannter Autoritäten für jeden Wissenszweig
genugsam bietet, zu Nutz eines Jeden, der geneigt ist, ernster Forschung (in
geistiger Selbstkultur) sich zu widmen, statt belletristischer Gefühlsschwärmerei
sich anheimzugeben oder (in leider allzu genugsam überspanntem Zuge der Zeit-
tendenz) den Koth der Romanschriftstellerei durchwatend, selbst sich zu schä-
digen (körperlich und geistig).
Sofern es sich also um den Erwerb höherer Bildung handelt, so ist solche
Liebhaberei1), den Amateuren (einer „ars amatoria“) sowohl, wie ernst gesinnten
Forschern zugänglich, ob in weibliche, ob in männliche Tracht gekleidet, mit
oder ohne akademisches Studium, und da die hinsichtlich des letzteren bisher für
das männliche Geschlecht getroffenen Einrichtungen sich bewährt und ausreichend
— eher im Zuviel als im Zuwenig, wenn man so will (bei Überfülle des An-
drangs) — erwiesen haben, liegt im Interesse des staatlichen Gemeinwesens
keinerlei Grund vor, daran zu ändern, um mit einigen Bittstellerinnen aus
schönem Geschlecht zu liebäugeln, die es persönlich vielleicht ganz gut und
ehrlich meinen mögen, aber keineswegs autorisiert sind, im Namen des Frauen-
*) Hierbei könnte nun ein Dicterium in Erinnerung kommen, auf ein Erkennungs-
zeichen zielend, wodurch der „Homo sapiens“ sich kennzeichnet unter (bimanisch) animali-
schen Verwandten: „Boire sans soif et faire l’amour ä tout temps, c’est ce qui distingue
1’homine de la bete“ (in Beaumarchais’ Fassungsweise). Was den Vordersatz angeht, hat
Bruder Studio, um die Menschenwürde würdig zu vertreten, das Menschenmögliche ge-
leistet — vielleicht ein bissei über das Maass hinaus, bei allzu frühem Beginn mit dem
Frühschoppen (unter milder Konnivenz der „Alten Herren“ so lange die Wechsel der
Herren Söhne keine Sorgen bereiten). Wie nun bei dem, was im Nachsatz folgt? und
mancherlei Auslegungen erhalten könnte, die nach der, in der Tageslitteratur vorwal-
tenden, Zeitbestimmung eher im leichten Sinn genommen werden möchten (statt allzu
rigoros). In bester Wohlgemeintheit hat man an den „ritterlichen“ Sinn unserer aka-
demischen Jugend appelliert, aber solcher, — sie ehrenhaft, in anziehenden Zügen,
zierender — Schmuck, an den in festlichen Stunden gern erinnert werden mag, wird
fern zu halten sein, so lange es um ernst trockenes Alltagswerk nüchterner Studienarbeit
sich handelt (noch nicht um den Minnedienst der „Ritter vom Geist“).
126
Standes zu reden, da das Gros desselben durchaus nicht nach solcher Richtung
hin ambitioniert.
Unter den Reflektanten mögen, nach Ausschluss der excentrischen und sonst
verschrobenen Köpfe, immerhin manche bleiben, die sich für akademische Kopf-
arbeit ganz wohl eignen dürften, bei Lehrfächern (in Mädchenschulen) etwa,
oder bei den in die Frauenpraxis auslaufenden Verzweigungen des medizinischen
Unterrichts, und solch’ einzelnen Ausnahmen wird leicht genügend Rechnung
getragen werden können, durch besondere Vorkehrungen für Ausnahmsfälle (wenn
sie sich melden).
Bis jetzt, wie gesagt, verschwindet diese minimalste Minorität gegen die
Majorität derer, denen schon der Gedanke fremd ist, solche Ansprüche zu stellen
und die sie deshalb überhaupt nicht in Betracht nehmen.
Wann und wo in sog. „Frauenfrage“ eine Fragestellung über Zulassung
der Frauen zum akademischen Unterricht eingemischt wird, wäre zunächst aus
Geschichte der Pädagogik, bei der nach Absolvierung der Elementarschulen zur
Anratung gekommenen Trennung der Geschlechter, in Erwägung zu ziehen, ob
für Wiedervereinigung derselben, im Verlauf der klimakterischen Jahre als
geeignet dasjenige Entwicklungsstadium erachtet werden dürfte, das den Unter-
schied am brennendsten zur Empfindung bringt, zumal in einem Saeculum, wo
die „romantische Liebe“ (seit durch Dante’s „Vita nuove“ erweckt) üppiger, als
je, in’s Kraut zu schiessen beginnt (und Unkraut allzuviel).
„Experientia est optima rerurn magistra“, aber wo Präcedenzfälle fehlen —
oder in ihrer Ungenügendheit (soweit zur Verfügung gestellt) eher mit den Irr-
tümlichkeiten einer unvollkommenen Statistik die Schlussfolgerungen zu fälschen
bedrohen würden —, wäre es nutzlos, sich in pessimistischen Ausmalungen zu
ergehen, die ebensoviel (oder ebensowenig) wert, wie schöngefärbte sein würden,
(wertlos also beide), und insofern, an Stelle eines ungewiss zweifelhaften [(und
demnach seine Gefahren einschliessenden) Experiments, die Bewahrung eines
status-quo anraten würden, der als soweit gut bewährt erwiesen steht, und aus
irgendweich zum Besten der Gesamtheit redenden Gründen keinerlei Änderungen
erheischt (oder gar dringlich macht, für hastige Entscheidung).
Aus solchen Gesichtspunkten schon würde vereinzelten Wunschstimmen,
wenn auch aus liebenswürdigstem Munde kommend mit verführerisch schmei-
chelnden Worten, kein Gehör geschenkt werden dürfen.
Ausserdem jedoch möchte eine ominöse Vorwarnung herauszulesen sein, aus
demjenigen, was an den Wänden der Beratungsräume sich hinschreiben Hesse,
aus dem seit kurzem angesammelten Erfahrungsschatz (in Mensch- und Völker-
kunde).
Überall im Naturzustände durchweg, treffen sich rigorose Vorschriften für
strengste Auseinanderhaltung der Geschlechter, während desjenigen Zeitpunktes,
wenn sie durch die kenntlich (und brünstig) anschwellenden Zeichen der Pubertät
einander in die Arme getrieben werden. Der auf keimende Sehnsuchtstrieb wird
gewaltsam unterdrückt, um unter solch’ temporärem Zwang desto gesättigter
heranzureifen, für vollkräftige Zeugungen in der später ehelichen Verbindung
(um den Stamm in Vollkraft zu erhalten, durch gesunden Nachwuchs).
127
Das in dem Ceremonial der Epliebien (neben den bei Mannbarkeit der Mäd-
chen beobachteten Riten) unter dem Namen der „Pubertätsweihe“ *) in allen Kon-
tinenten angetroffene Pest steht gewissermaassen im Centrum primärer Stammes-
gliederung, um dieselbe, nach allen Richtungen hin, mit denjenigen Funktionen
zu durchdringen, welche sich auf rohen Unterstufen (der Unkultur) bereits
merklich machen, in Analogie der bei den Geschichtsvölkern staatlich (und statt-
lich) fungierenden (im Körper des Gesellscbaftswesens, ob gross oder klein).
So wäre dies einer von den Fällen, wo, bei Rückblick auf was von den Wild-
stämmen instmktgemäss gleichsam geübt wird, wir zwar nicht von ihnen belehrt
werden, aber rechtwohl von ihnen lernen können, wenn einen, in primär einfacher
Durchsichtigkeit naturgesetzlich angeknüpften, Leitungsfaden verfolgend, um
unter demjenigen, was im kulturellen Wachstum sich in bunt verwirrender Or-
namentik labyrinthisch durcheinandergeschlungen hat, rationelle Orientierung
zu bewahren (für Klärung kultureller Wachstumsprozesse, aus deren vorbe-
dinglich einwohnenden Gesetzlichkeiten).
Thomson. The Kalou-Vu, Journal of the Anthropological Institute, S. 24
(1895).
Following the line of the ridge the valley had been bridged with banks
30 or 40 feet high in the deepest parts and tapering to a width of 2 feet at
the top. The level part thus made extended clear to Naukavadra 50 Miles
away. For a people destitute of implements this was a remarkable work.
Every pound of earth must have been carried up laboriously in cooaa-out leaf
baskets (S. 360), als „Path of the shades“ (auf Viti-levu). Und so in cyclopischen
Bauten begründet sich auf felshartem Seelweg ein gleich felsenfester Glaube
wilder Art, während die Seele der Kultur selbst zu sehen hat, wie sie ihren
Weg zu finden habe (da den theologischen Direktiven darüber nicht viel zu ent-
nehmen ist).
Für die „grand tour“ des Seelengeistes auf Fiji und (s. Bock) Borneo ist jede
der Wegestationen (in Sechszahl bei Paressi, am Maranon) genau verzeichnet und
beschrieben, während in den Seelen-Handbüehern der Civilisation kaum zwei oder
drei noch ein schwächliches Dasein fristen: die Herberge bei Sankt-Gertrud (auf
erster Tagereise, nach der Verabschiedung im Nobiskrug) und der Empfang beim
Erzengel (mit gezücktem Schwert, zum Schrecken der Bösewichter). „Wer
Wissenschaft und Kunst besitzt, der hat auch Religion“ (singt der Dichter), und
dem solche Schätze Entbehrenden wird sie, wenn nicht gepredigt, vorgeführt aus
Bibelgeschichten der Zauberlaterne, in Africas Dunkel, seit der mit Livingston’s
Zug beginnenden Erhellung oder in Basiliken, wenn vor Ikonoklasten gehütet,
auch vorgespielt wohl (in Passionsdramen, sowie zur Oster-Zeit in mittelalter-
licher Mitternacht; vor Aufdämmerung des neuen Tages, in Neuzeit).
‘) cf. A. a. M. u. V. I (S. 274).
128
A. H. Post, f 25. Aug. 1895 (zu Bremen).
Mit ihm ist aus dem Kreise derer, die auf dem ethnologischen Arbeitsfelde
sich zusammengefunden haben, derjenige dahingegangen, der das in gemeinsamer
Forschung leitende Prinzip auf die Rechtswissenschaft übertrug, wo es am
raschesten Wurzel geschlagen hat, um unter fachgerechter Pflege zu lebens-
voller Entfaltung heranzugedeihen. Die Anreihung der (ethnischen) Psychologie
an die „Naturwissenschaften“ war der massgebende Gesichtspunkt für die mit ihren
Völkergedanken redende Ethnologie, und in der ersten Schrift, wo der Ver-
fasser (nach einigen rechtlichen Vorarbeiten) auf das ethnologische Gebiet ein-
lenkt, spricht sich die Zielrichtung im Titel schon aus: „Einleitung in die
Naturwissenschaft des Rechts“, da die Jurisprudenz (wie es im Vorwort heisst)
„eines Anschlusses an die Naturwissenschaften nicht entbehren könne“ (1872).
Die damals der Ethnologie noch aufgezwungene Sammelperiode hatte im gleichen
Jahre bereits auf ein — die, durch die Sachlage bedingte, Stempelung zur Schau
tragendes — Versuchswerk geführt („Über die Rechtsverhältnisse der verschiedenen
Völker der Erde“), aber als diese Bahn, von juristisch geschulten Fachgelehrten
betreten wurde, war sie solchen weiterab zu überlassen, für korrekte Pflege;
zumal seit der, durch Bernhöft begründeten, Zeitschrift für „vergleichende Rechts-
wissenschaft“ Kohler’s gewaltige Arbeitskraft hinzugewonnen war.
Als stabiles Skelett sozialer Institutionen bieten die Rechtsverhältnisse den
zuverlässigst gesicherten Anhalt für Erprobung der Methode, und da sie hier
sich voll und echt erwiesen haben, ist somit die beste Beweisführung ihrer
Richtigkeit abgelegt worden (in juristischer Ethnologie).
Anschlüssig hat jetzt, auf Grundlage der „Technogeographie“, die Orna-
mentik zu folgen, in den „Anfängen der Kunst“, und wenn fernerhin sodann
auch in religiöser Vorstellungswelt, die Elementargedanken (mit den Entwick-
lungsvorgängen ihres organischen Wachstumsprozesses) geklärt und festgelegt
sein sollten, wird die ethnische Weltanschauung zu ihrer Abrundung gelangt sein,
in der „Lehre vom Menschen“, auf Unterlage der geographischen Provinzen,
und deren Wechselwirkungen längs der dem Erdgezimmer eingegrabenen Geschichts-
bahnen, zur Entfaltung der Kultur (aus den, dem Wildzustande bereits einge-
säeten, Keimungen)l). B.
Von dem Direktor der im National-Museum zu Washington vereinigten
Sammelschätze ist, im Sinne der von ihm gepflegten „Techno-geographie“ eine auf
gemeinsames Zusammenarbeiten gerichtete Anfrage gestellt, in Betreff der Webe-
vorrichtungen (cf. „Globus“ LXIX, 1).
Es hat das, für den gegenwärtigen Stand ethnologischer Forschung (nach
ihren auf das Gebiet der Elementargedanken überspielenden Folgerungsweisen),
als eine zeitgemässe Anregung zu gelten, da im Allgemeinen das Studium der
*) Bei Schluss dieses Heftes geht eine soeben ausgegebene Publikation zu (Achelis,
Moderne Völkerkunde, Stuttgart 1896), worin die Verdienste des Hingeschiedenen eine
würdige Anerkennung erhalten (in dem ihrer Besprechung gewidmeten Abschnitt).
129
Weberei ein allzu vernachlässigtes geblieben ist in den ethnologischen Museen,
aus umständlicher Raumbeanspruchung der zugehörigen Apparate (wenn nach
all dem Detail ihrer Einrichtungsvorkehrungen in den Schränken aufzustellen)
sowohl, wie auch wegen der meist mangelhaften Einzelnkenntnis der tech-
nischen Vorrichtungen (wenn nicht zugleich ein darin geübter Sachkundiger zu
Rate gezogen werden kann).
„Wirkerei oder Weberei ist die Technik, die durch Verflechtung, Verschnü-
rung oder Verkettung von Fäden, ganze Flächen Stoffe oder Gewebe erzeugt“
(s. Bötticher), denn „durch Weberei werden Gewebe als Zeuge (Stoffe) herge-
stellt, als flächenartig ausgedehnte Fabrikate, welche aus rechtwinklig sich durch-
kreuzenden Fäden gebildet werden“ (s. Mikolaschek); und demgemäss: als das
für Ausübung der Kunst, Fäden in der Form zweier sich rechtwinklig kreu-
zenden Systeme zu Geweben zu verschlingen, bestimmte Werkzeug wird der Web-
stuhl an sich bereits innerhalb eines vorher umschreibbaren Rahmens mecha-
nischer Vorrichtungen eingebannt sein — unter Hinrichtung auf den Zweck des
Weswegen (to ob evexa, unter peripatetischen alziat) —, wie ähnlich das
Spinnen (zum Aufdrehen der Fasern zum Faden) überall auf die Spindel oder
ihre Substitute zu führen hat, in Handspinnerei, mittelst der Handspindel
oder des Spinnrad’s (Hand- oder Tretrad) ausgeführt, neben maschineller Her-
stellung von Garn in Maschinenspinnerei weiter, mit vervollkommnenden Erfin-
dungen der Civilisation, während die primären Zustände der Unkultur von All-
überallher (in den Sammlungen ethnologischer Museen) durch den Wirtel bezeugt
werden —, der freilich noch beim Aufgraben trojanisch prähistorischer Funde
kurios gelehrte Fragen 9 stellte (die seitdem durch die Sprache der Thatsachen
kurzeinfachst erledigt sind).
Einem sog. stehenden Webstuhl („tela stans“ oder „tela pendula“) — bis
zum Festverschlingen des Sitzes (auf indischen Inseln) —, 'für die Arbeit am
horizontalen (oder aufrechten) Gestell, Hesse sich, bei Vorrichtungen zu langen
Dimensionen, ein laufender nebenstellen (wie auf indischen Dorfstrassen oft ge-
sehen), ehe die Maschinerien der Erfindungskunst die Arbeitsthätigkeit kon-
zentrieren, unter anschliessenden Komplikationen, die je genauer das Zusammen-
wirken berechnend, desto mehr dem Einblick des Laien sich zu entziehen be-
ginnen (bei sachkundig mangelnder Ausdeutung).
Als erste Vorbedingung hätte eine praktisch genaue Kenntnisnahme von
Rem thatsächlich vorliegenden Sachverhalt zu gelten, was am Besten dadurch
geschehen würde, wenn ein ethnologisch und technologisch gleich wohl geschulter
Fachmann beauftragt werden könnte, die verschiedenen Museen zu bereisen, um
unter Aufnahme des Thatbestandes eine monographische Bearbeitung desselben
zu liefern.
In Asien z. B. lässt sich auf einem zusammengrenzenden Areal diejenige Webe-
vorrichtung unterscheiden, welche (beim Ausgang von Flechten, der Matten oder
Körbe) bis zur Berührung mit der (auch unter fortgeschrittenen Zuständen hier und
da noch überlebselnden) Bastzeugerzeugung (einschliesslich vermittelnder Über-
‘) cf. Z. f. E. (Vrhdlg. d. A. G.), Bd. IV, Febr. 1874 (S. 12).
M. f. y.
9
gangszustände im Knüpfverfahren) als malayische (oder indonesische) sich bezeichnen
liesse, während die von indischer Halbinsel forterstreckte (und, aus hoher Vollendung
in den Bergthälern Kashmir’s, zum Punjab wiederum abgestiegene), sich auf Land-
strichen, wo in der Klassicität bereits „phrygische“ Gewänder als gestickte typisch
galten, mit orientalischer Musterweberei verschlingt, die ihrerseits wieder Seiten-
stücke findet in (archäologisch) altperuanische Kultur bezeugenden Funden, worin
sich „älteste Verzierungsform“ erhalten hat (s. Fischbach), in lokaler Berührung
mit primitiven Methoden süd- oder nordamerikanischer Wildstämme, unter Vor-
behalt dessen, was seit europäischer (oder in Afrika, seit islamitischer) Koloni-
sation veränderlich hineingeträufelt sein sollte (wenn nicht direkt gelehrt).
Hierüber Allerlei und Mancherlei hin und herzureden kann nach den unvoll-
ständigen Daten, die soweit erst zur Verfügung stehen, nicht viel Nutzen bringen,
und bleibt deshalb besser verschoben, bis der oben bezeichneten conditio-sine-qua-
non genügt sein sollte (als Unterlage für systematische Durchforschungen).
Indes mag die Gelegenheit benutzt werden, um dem, was über „analoge“
und „homologe“ Erfindungen (die sich im Grande nur gradweis gliedern lassen)
gesagt ist, sowie hinsichtlich sog. „Kulturstufen“ (die ihrer in Abstufungen mess-
baren Festlegung noch entbehren), einige Worte beizufügen.
Dass bei den organischen Lebewesen, wie die physischen Keimregungen auch
die psychischen auf ein soweit gleichartiges Protoplasma (so zu sagen) zurück-
zuführen sind, hat bei der autoritativ konstatierten Einheitlichkeit des Menschen-
geschlechts als eingeschlossen zu gelten.
Ohnedem hat sich die Gleichartigkeit der Elementargedanken, welche in
einer durch objektive Sammelthätigkeit angehäuften Masse faktischer Belegstücke
spontan (ohne theoretische. Zuthat) mit krystallinischer Durchsichtigkeit ange-
schossen sind, in derartiger Majorität der Stimmenmehrheit bereits proklamiert,
um jeden Ein wand zum Schweigen zu bringen.
Was (ohne Verschärfung durch analysierende Lupe) in anschaulichen In-
karnationen ethnischer Vorstellungen zur Erscheinung gelangt, ist der Völker-
gedanke oder: der Elementargedanke im jedesmalig ethnischem Kostüm, unter
den aus seinem Milieu (geographischer Provinz) anhaftenden Färbungen (lokaler
Variationen), und diese deshalb haben zunächst aus den (geo-meteorologiscben)
Agentien der Umgebungsverhältnisse (den Surroundings oder Environments) ihre
Erklärung zu finden, um (nach den entsprechenden Eliminationen) auf dasjenige
zu gelangen, was im Kern des Elementargedankens wesentlich unterliegt.
Für den Elementargedanken wäre aprioristische Homologie zu beanspruchen
(ausserhalb proportioneil abschätzbarer Relationen), während in den analogen
Völkergedanken die aufgeprägten Differenzierungen nun eben den Ausgangspunkt
zu bieten haben (für den Ansatz rationeller Erforschung).
Die durch die geographischen Provinzen gebreitete Basis erhält sodann ihi’e
Erweiterung über die dem Gezimmer des Erdgerüstes (oro- und hydrographisch,
nach kontinentaler oder maritimer Lagerung; mit etwaig anschliessenden Terrassen-
stufen des Niveaus) eingegrabenen Geschichtsbahnen, längs welcher das histo-
rische Wachstum der Kultur (unter dem Wechselspiel sympathischer oder anti-
pathischer Kreuzungen) zum Aufblühen sich entfaltet.
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Hier mehren sich demnach die Komplikationen eines logischen Rechnens. Zu-
nächst hat man auch hier dasjenige noch festzuhalten, was durch die primär
geographische Provinz beeindruckt ist. Daneben jedoch ist nun in Betracht zu
ziehen, was, bei topisch verschwimmenden Mehrheiten, aus jeder derselben im Be-
sonderen hinzugethan sein möchte (aus mitspielenden Agentien), um zu durch-
forschen, wie sich solche Separatbeiträge untereinander verschoben und gegenseitig
ausgeglichen haben müssen, um den GesamtefFekt mit charakteristischem Typus
zu stempeln. Und hier treten dann, neben den geo-meteorologischen Faktoren
(wie im Wildzustand überwiegend) die psychisch (oder noötisch) bereits ab-
destillierten hinzu, um sich mit ihren Folgewirkungen zu manifestieren (in den
Kulturschöpfungen der Geschichtsvölker).
Sobezüglich sind vermeintliche Kontroversen über Völkergedanken und Völker-
beziehungen (oder Völkerverwandtschaften) zu Erörterungen gekommen, die in
leere Logomachien zu verlaufen drohen, so lange nicht die naturgesetzlich do-
minierenden Kausalitäten scharf markiert sind (unter erschöpfender Detail-
behandlung des jedesmalig konkreten Sonderfalls, der zum Problem sich stellt).
Zur Illustration sei ein Beispiel gewählt:
Als in frühen Tagen des Entdeckungsalters Varthema nach Indonesien kam,
hörte er den anthropophagischen Spruch von egoistischer Aneignung dessen, was
Würmern missgönnt wurde, und bei dem darin klingenden Nachhall von ehren-
voller Bestattungsweise, deren vor König Darius sich die Kalantier (Indien’s) ge-
rühmt hatten, würde sich aus solch’ (unter Modifikationen, m. m.) einheitlich zusam-
mentönender Identität die Resonanz eines Elementargedankens heraushören lassen.
Indes die (von frischen Brisen auf Meereswellen) leichtbeschwingten Schiffer-
märchen fliegen weit umher (mit jahrhundert- oder jahrtausendjähriger Le-
bensfähigkeit gar wohl, wie im Fabelschatz), denn in müssigen Feierstunden
(einer „saturday-night“ an Schiffsbord), spinnt das Matrosen-„Hirn“ (in Jagd-
geschichten) sich fort (zum „Yarn“), kongenial üppiger, als in den Abendunter-
haltungen auf ermüdenden Landreisen, wo Jeder sich gerne bald aufs Ohr legt
(um den Schlaf auszunutzen).
Dadurch wird die aus Marco Polo’s Reiseerfahrungen zugefügte Parallele
(aus China’s inneren Distrikten) ferner gerückt (für Übertragungen), während
was von den Russen an der Wolga (zu Ibn Fozlan’s Zeit) erzählt wurde, wieder aus
dem Mund von Mosleminen kam, denen bei dem damals bereits kommerziell und
politisch mit indischer Halbinsel eingeleiteten Verkehr, Samenkörner fortzutragen
frei stand, deren Auswachsen nach verschiedenen Richtungen hin (auf etwelch
nachweisbare Weiten hinaus) nichts im Wege zu stehen brauchte (wenn in Etappen-
stationen eine Stufenleiter gebaut, und nachweisbar, ist).
Anders freilich, wenn nun ein gleiches Echo aus Guyana’s Wäldern zurück-
schallt (seit Raleigh schon), unerreicht durch äusserste Verlängerungen der vom
skandinavischen Thule auf toltekische Tule übertragenen Wanderungen, unter
Pflege der dafür (im Phantasiegespiel der Hypothesen) enthusiasmierten Lieb-
haber (mit Weitherzigkeit Gleichgesinnter, die auf isolierten Hochgebirgsthälern
der Chibcha sich von japanischen Stimmen und Stimmungen angeheimelt fühlten).
9*
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Bei potentielle!- All-Möglichkeit hat im optischen Sehkreis der Blick auf
fasslich umzeichnete Gestaltung hingerichtet zu bleiben (für das Eidos, mit den
Logoi spermatikoi künftiger Ideen einbesäet).
Durch Händler übermittelte Gedankenspäne (des Hausierhandel’s) besagen
keine Völkerverwandtschaft (wenn auch -beziehung), und für allgemein durch-
gehende Elementargedanken lassen sich niemals, weil stets schon vorhanden,
Übertragungen naehweisen, die erst bei den späteren Färbungen aus etwaigem
Pfropfreis fasslich fixiert werden können (je nach den Wachstumsprozessen, im
fortschreitenden oder rückschlägigen Verlauf).
Von vornherein wäre das mythologisch gekünstelte Gebilde (wie in den Be-
richterstattungen vorgeführt) auf zellig elementare Konstituenten zu zerlegen,
und diese würden dann wieder separaten Ausverfolg verlangen (in Vielheit der
Varianten).
Der Wurm, als letztes Endglied animalischer Lebensregung (oder -zuckung)
für unbewaffnetes Auge, spielt seine demgemäss zuerteilte Rolle, mikrokosmisch
auf Samoa, bei Vervollkommnung der (in Fufue’s Verwesung wimmelnden) Würmer
zu Menschen (über zwerghafte Verkürzung in Ymir’s Leib hinaus), und makro-
kosmisch daneben, als Te-ake-ia-roe (auf Mangaia), zum (Anbeginne oder bis)
Endauslauf in Meto, als „Verwesungsstank“ (der Maori), oder in finnischen „Leichen-
geruch“ (Kalma): im Wurm, der nicht stirbt (in Jesaias’Worten), und der Wurm
am Anfang wieder (für Varimatetakere). Ein getaufter Masuruna beklagt sich,
dass er statt von Verwandten durch die Würmer verzehrt sein würde (s. Oseu-
latis), die Kapanagua assen das gebratene Fleisch der Toten, um die Verwandten
zu ehren (s. Brun), wie (in Mischung mit Schaffleisch) die Issedoner (zu Hero-
dot’s Zeit). Die Tupi assen die Verwandten aus Liebe und Verehrung (s. Marc-
graf). Die Verwandten assen die beim Sterben Erwürgten (in Dragoian), bis auf
den letzten Rest, damit keine Würmer entstehen, die der Seele Qual verursachen
würden (s. Marco Polo). Die Kokama tranken die zerriebenen Knochen, (da ihre
Freunde im Leibe sich besser befinden würden, als in der Erde). Die Fürsten
der Tugusen Hessen sich nicht begraben, sondern aussetzen, um statt der Würmer
dem Himmelsgott zur Speise zu dienen oder (in Polynesien) den Atua (die Kinder
aus „Götterkoth“ ausscheidend). Das verwandtschaftliche Verzehren (und Trinken
zerriebener Knochen des Skelettes) beim Tode, transponiert sich (für den Erklä-
rungsgrund) auf (australisch) andersartige Gebiete, wenn die Kinder betreffend,
um die auf deren Fabrikation verschwendeten Kräfte (von den Eltern) dem
eigenen Körper wieder einzuverleiben *), und so wirken roh sinnliche Motive, ehe
sich die Entschuldigung mit sentimentalem Preisen des Begi'äbnisses, als „ehren-
*) Der ältere Bruder verzehrt den jüngeren (in Australien), um seine Kraft sich
anzueignen (s. Stanbridge). Die Koombokkuburra üben das Totenessen, „when individuals
in health come to a sudden death“ (s. Mac Glashaw). Durch Verzehren des erschlagenen
Feindes (wobei das Herz dem Tapfersten zufiel) stärkten sich die Karaiben für den
Kampf (s. du Tertre), die Beduinen essen sich Mut aus der Leber des erschlagenen
Feindes (wie ähnlich in Perugia geschieht). Die Waräger assen das Fleisch des Wolfes
(für Berserker-Wut). Die Basutos assen die erschlagenen Weissen, um deren Mutigkeit
jn sich aufzunehmen (1868).
133
vollem“ verbrämt, neben sonstig ornamentierendem Geschnörkel vielerlei (im kul-
turellen Ausbau).
Unter Deutung derartig ähnlich anschliessender Gesichtspunkte ungefähr
würden sich die fachwissenschaftlichen Aufgaben zu formulieren haben in der
Völkerkunde, in jetzigem Stadium derselben, wo, nach dem Aufstellen allge-
meiner Landmai'ken, das massenhaft aufgetürmte Material seine methodisch aus-
verfeinernde Durcharbeitung zu erheischen hat (für die „Lehre vom Menschen“).
Wie gleichartige Elementargedanken in den ethnologischen Anschauungs*
bildern, sind bei dem Webstuhl (nach seiner Seins- und Sinnesdeutung) prin-
zipielle Einzelheiten in der Kontrolle vorauszusetzen, die stereotyp wiederzukehren
haben und also ihre vorherige Eliminierung erhalten müssen, ehe etwaige Ent-
lehnungen in Betracht gezogen werden dürften. Welcherlei Provenienzen hier
indes als vermengt zu gelten haben, würde theoretisch herausklügeln zu wollen,
dann erst gewagt werden können, nachdem die sämtlich aktuellen Variationen
bekannt geworden, die Möglichkeiten erschöpft sind, und somit eine faktisch
gesicherte Grundlegung garantiert wäre (für methodischen Ausverfolg jedes ein-
zelnen Sonderfalles bis in minutiös genauestes Detail).
Um also auf den Webe-Apparat zurückzukommen, so ergiebt sich der Be-
achtung in erster Linie der von der Geographischen Provinz materiell gelieferte
Stoff (aus ihrer Flora und Fauna), dann die zur Erreichung vorliegende Zweck-
absicbt, welche bei der Verarbeitungsweise leitet, und ausserdem die technisch
möglichen Ausführungsweisen, wie sie sich im Bereich angewandter (oder verwend-
barer) Mechanik realisieren lassen (in Ergologie der „Organa“). „Die Technik
der Weberei mit rechtwinkliger Kreuzung von Kette und Einschlag, bedingt die
grösste Gesetzmässigkeit“ (s. Fischbach), innerhalb naturnotwendiger Grenzen
(der Ausführungsmöglichkeiten).
Alle Geräte entspringen aus (oder balanzieren auf) einem mechanischen Prinzip
(als jedesmaligem „principium vivens“).
Unter den Werkzeugen, als „Verlängerungen der Gliedmaassen“ (s. Käppi, zeigt
sich der im Wurf (mit verstärkter Hebelkraft durch das Wurfbrett) an die Muskel-
lagerungen im Ober- und Unterarm (nach physiologisch kombinierten Bewe-
gungen) angeschlossene Speer beschleunigt im Pfeil des Bogens, der (unter to-
pisch gegebenen Modifikationen, nach dem Stoffmaterial und visierender Zielrichtung
seines Gebrauchs) aus allen Kontinenten (prinzipiell) gleichartig entgegentritt, in
instinktgemäss (so zu sagen) hergestellten (oder hervorgerufenen) Waffen (für
Krieg, Jagd, Fischfang u. s. w.), ehe mit Schmiedekunst die Armbrust zum Schleu-
dern schweren Bolzens vervollkommnet ist (oder die Donnerbüchse sodann in che-
mischen Detonationen u. dgl. m.).
Sofern man hierbei (oder in ähnlichen Fällen) neben Analogie oder Homo-
logie der Erfindungen, die „Kulturstufen“ in Berücksichtigung zieht, so könnte
darin eine unrichtige Fragestellung versteckt liegen, eine nicht nur „lähmende“
(wie Mason bemerkt), sondern irreführende und inkongruente Betrachtungsweise
d urch einanderwirrend.
Wenn der Botaniker (unter exotisch neu gewonnenen Seitenstücken zu ein-
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heimisch bekannten) bei einer aus Afrika, übereinstimmig mit andern aus
Australien oder Amerika, heimgebrachten Pflanze *) Milchgefässe oder Milchröhren
antrifft u. dgl. m., so wäre mit descriptiv registrierender Inventarisierung solchen
Factums die Untersuchung nicht etwa erledigt (für die Phytophysiologie), sondern
gegenteils damit nun eben an den Anfang ihres Anfangs erst gelangt, denn die
Aufgabe, (die raison d’etre), einer für geistige Verarbeitung übernommenen Mühe-
waltung, fiele vielmehr in die (durch vermehrende Belegstücke bestätigte) Er-
forschung der pflanzlich histiologischen Wachstumsgesetze, unter welchen auf
entsprechendem Stufengrade die isolieiffen Zellen zu (spiraligen) Reihen verfliessen,
um höhere Gebilde zu zeitigen (wie in der Zweckbestimmung ausgesprochen).
In ethnischer „Lehre vom Menschen“, als Zoon politikon auf sprachlich erwor-
bener Gesellschaftssphäre, liegt die Übertragung der psychischen Wachstums-
gesetze zur Aufgabe ob, längs induktiver Forschungsbahn (für fernere Kontrolle
mit der Deduktion): die Durchforschung also des nach immanenten Gesetzlichkeiten
sich selber lebenden Denkens, zu eigener Erkenntnis, — bei schliesslichen Rück-
gang (aus den in ihren Anschauungsbildern reflektierenden Gesellschaftsgedan-
ken) auf das Individuum psycho-physischer Persönlichkeit, für die Anthropo-
logie, in deren physischem (oder physiologisch funktionierendem) Stamm dasjenige
wurzelt, was in psychischen Entelechien fortstreicht, zu idealistischen Errungen-
schaften (unter des Kosmos gesetzlich tönenden Harmonien); je nachdem einem
aufmerkend lauschenden Ohr das Verständnis sich erschliesst [mit Erweiterung
des (sprachlich) konkordierenden „Visus intellectivus“].
Nachdem auch der Psychologie die Beherrschungskraft, — wie jeder (auf kom-
parativer Methode begründeten) Disziplin der Naturwissenschaft (auf dem ihr
zugehörigen Terrain) empirisch einwohnt —, verschafft sein sollte, wird zum Besten
ethischer Ordnung die zum Nihilismus tendierende Anarchie sribjektiv schwan-
kender Gedankenvertakelungen beherrscht und bezwungen werden (vernunft-
gemäss), bei Auffüllung leer hohler (Wort-) Begriffe mit thatsächlichen (fasslichen
und begrifflichen) Anschaulichkeiten (immanenter Voi'stellungsbilder), durch den
aus seinen zoopolitischen Incarnationen redenden Logos, unter ethnischer Mannig-
faltigkeit der Völkergedanken (mit einheitlich hindurchgehendem Gesetz).
Soweit nun innerhalb geographischer Provinzen die geo-meteorologischen
Agentien, aus Wechselwirkung lebendiger Reaktion des Organismus, sich mit
physischen und psychischen Kraftwirkungen auslösen, würden — bei Ausgang von
der Technogeographie (auf primärer Kunstsphäre des Wildzustandes) — hier eben-
falls (wie bei sonst ethnischen Fragen) mechanische und physiologische Probleme
mit soziologischen (für gegenseitige ergänzende Bestätigungen) Zusammenkommen,
‘) Für die Naturforschung, in botanischen, zoologischen, mineralogischen Samm-
lungen, trifft dieses Gleichnis nicht zu, da ihnen die Natur das für die Studien be-
nötigte Material in unverletzt vollständigen Belegstücken zu liefern pflegt, während
das psychische Material der Ethnologie fetzenweis aus allen Teilen des Erdballs (durch
Raum und Zeit) zusammongesucht werden muss, um daraus nachträglich, im verglei-
chenden Überblick, den jedesmaligen Völkergedanken (im Gesellschaftsgedanken der
Menschheit) zu rekonstruieren, — so gut es nun eben gehen will (bei verbleibender
Lück enh aftigkeit).
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auf gemeinsamem Forschungsgebiet, das nach vorläufig zulässiger Terminologie
die Bezeichnung des ethnologischen fortbewahren mag (in Volks-, Völker- und
Menschenkunde).
„Im Anfang war die textile Kunst“ (nach Sempers Wort) „und dass die
Weberei beinahe ebenso alt, wie das Menschengeschlecht überhaupt, sein dürfte“
(s. Schams), lässt zurückschliessen auf die primäre Kunstsphäre, wie das „Werk-
zeuge verfertigende Geschöpf“ (s. Franklin) an sich umgebend (gleich der, den
Gesellschaftskreis durchwehenden, Sprache, aus potentiell erforderten Vorbedin-
gungen). Dem Nadelwerk des Nähens vorausliegend, überlebseln ungenähte Ge-
wänder (in heiligen Legenden und sonst), wie wasserdichte Binsenkörbe (im indo-
chinesischen Epos, oder zu Rom), mit Anschluss zunächst an das Flechten (der
Mattenbekleidung) oder (spröderer Fasern wegen) des Knüpfverfahrens (im
Phormium tenax u. dgl. m.). Die „Buntweberei ist früher als die Buntstickerei“
(oder „Kunstweberei später als die Kunststickerei“). Arachne (in ihrer Kunst)
wettstreitet mit Pallas Athene (Erfinderin der Weberei).
Was bei verbreitetster Vierheit der Stoffe in Wolle, Flachs (Hanf), Seide,
Baumwolle (neben Yute, Raffia, Esparto, Agave u. dgl. m.), solchem „Material auch
im Mindesten den Rang streitig machen könnte“, hat sich, „nach tausenden von
Jahren“ (trotz aller Fortschritte der Civilisation), „nichts Besseres oder nur
Gleichartiges entdecken lassen“ (s. J. A. Kuhn).
Wie die Portugiesen (das Thor des Entdeckungsalters eröffnend) und (ihnen
folgend) die Holländer, führten auch die Engländer die fertigen Gewebestoffe aus
Indien ein, bis 1747 die Verarbeitung des Rohmaterials zutritt (mit der in
Amerika zur Ausfuhr gelangenden Baumwolle), und vor Einschmuggelung der
Seide nach Westen (zur Zeit Justinian’s), war die Verarbeitung derselben auf
Wiederauflösung der sinischen Gewebe durch die Frauen beschränkt, zum Neu-
weben (s. Plinius), auch mythologischer Überlebsel (an Penelope’s Webstuhl).
In den Sammlungen des hiesigen Museums finden sich Webstühle aus Afrika
von den Bashilange, Baluba, Bakuba, Eweer, aus Adamaua, Haussa, Adeli, vom
Mungo etc.; aus Amerika: von den Haidah, Selish, vom Schingu, Ucayale, aus
Guatemala, Peru etc.; in der indischen Abteilung von den Molukken, von Flores
(Larantuka etc.), Bonerate, Salayer, Allor, Kisser, Luang, Timor, Sula, Ceylon,
aus Birma, Tschittagong, Cambodja, Kashmir u. A. m. Das aus Vorderasien
und Europa Vorhandene ist noch nicht zur Aufstellung gelangt (unter den fort-
gehenden Errichtungsarbeiten).
y
.
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*
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‘
Fig. 2.
Fig. 3.
TAFEL III.
Fig. 1.
Fig. 6.
Ethnologisches Notizblatt. III.
i'.
00001100723347
Ethnologisches Notizblatt.
Herausgegeben
von der
Direktion des Königlichen Museums für Völkerkunde
in Berlin.
Heft 1.
Mit 41 in den Text gedruckten Abbildungen und einer