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ist die Schilderung einer Reise, die ein Häuptling mit seiner Familie zu
Verwandten unternimmt; wie ein Heuschreckenschwarm fallen sie über
das mit dem Besuch beehrte Dorf her und gehen nicht eher wieder, ehe
alle Vorräte rein anfgezehrt sind; beim Abschied nehmen sie dann noch
alle Wertgegenstände mit, die nicht niet- und nagelfest sind. Mit grosser
Teilnahme hat Krämer das tägliche Leben der Samoaner beobachtet, das
doch nicht so ganz müssig ist, wie oft angenommen wird. Den Grundzug
des Wesens freilich bilden doch Frohsinn und Lebenslust, die an Festen
und Tänzen Freude hat. Dass solch Charakter auch im Verkehr der
Geschlechter sich äussert, ist klar; um so bemerkenswerter ist das strenge,
aber gemütvolle Verhältnis des Bruders zur Schwester. Jede Verletzung
des Zartgefühls der Schwester gegenüber wird gerügt; der Fluch der
Schwester ist das Schlimmste, was den Samoaner treffen kann, Blut
schande das ärgste und ein unsühnbares Verbrechen. Allen ist dies
Geschwisterverhältnis heilig, wie denn selbst im Kriege, der alles mensch
liche Gefühl im Samoaner tilgt, der Bruder freien Zutritt zu der Schwester
im feindlichen Lager hat.
Diese wenigen Andeutungen mögen genügen. Zahlreiche Abbildungen
sind dem Bande eingefügt; das Register entspricht nicht ganz dem un
geheuren Stoff, den das Werk giebt. Sicher hat Krämer mit der Samoa-
Monographie eine ethnologische Quelle ersten Ranges geschaffen, so dass
wir nur wünschen können, recht bald von anderen Gruppen der Südsee,
ehe es zu spät ist, ähnliche Arbeiten zu erhalten. F. Graebner.
Karl Knortz, Streifzüge auf dem Gebiete amerikanischer Volks
kunde. Altes und Neues. 284 Seiten Leipzig 1902.
Das Buch handelt grösstenteils von europäischer, nicht von ameri
kanischer Volkskunde. So gehören die »Oster- und Weihnachtsgebräuche«,
die »Spruch Weisheit« und die »Teufelsgeschichten« vollständig nach
Europa. Der kleinere amerikanische Teil bezieht sich auf die weissen
Bewohner der Vereinigten Staaten, besonders auf die Deutsch-Pensyl-
vanier (»Sitten, Aberglaube, Sprache und Litteratur der Deutsch-Pensyl-
vanier«) und den Staat Indiana (»Amerikanische Volksrätsel«). Nur das
letzte Kapitel bringt etwas von den Negern und noch weniger von den
Indianern Nordamerikas (»Allerlei Lieder und Reime«). Das bunte Durch
einander des Gebotenen, das geographisch oder inhaltlich nur oberflächlich
gruppiert ist, und das Fernhalten jeder erläuternden Bemerkung, die die
vielen zusammenhanglosen Einzelheiten als Teile eines wissenschaftlichen
Ganzen erscheinen lassen könnten, geben dem Werke mehr den Charakter
einer Unterhaltungslektüre, zumal — wie schon der Titel besagt — sehr
viel Altes mithineingeflochten ist. Namentlich sieht man an den Teilen,