Altmexikanische Felsbilder
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gewesen zu sein, dem die Göttin den Gelähmten zuführte, als die losgesprengte Platte
noch die Lücke der Felswand neben dem Bild des Gottes ausfüllte. Er läßt sich über
die olmekischen Denkmäler bis zu den Maya verfolgen.
Olmekische Felsbilder im engeren Sinn, auf die ich erst im zweiten, im nächsten Jahr
erscheinenden Band meines Buches über die altamerikanische Felsplastik näher ein-
gehen kann, beginnen bereits im südöstlichen Teil des Staates Morelos mit dem großen
Flachrelief, das einst in die beinahe senkrechte Wand des Cerro de la Cantera bei
Chalcatzinco eingemeißelt wurde. Die erste Beschreibung dieses Bildes im Jahre 1934
geht auf Frau Eulalia Guzmán zurück, eine neuere Untersuchung im Jahre 1955 auf
Román Pina Chan 2$ ). Die Hauptfigur ist ein auf europäische Weise sitzender Mann
mit einem seltsamen Kopfputz und einem bis zu den Knien reichenden, hemdartigen
Gewand, über das ein Schultertuch fällt. Er hält in den Armen einen rechteckigen Be
hälter und sitzt im Innern eines stilisierten, im Profil wiedergegebenen Tierrachens,
aus dem Flammen oder Rauchwolken hervorschießen, deren magische Wirkung sich
darin zu äußern scheint, daß sich am oberen Rande des Bildes Regenwolken auftür
men und über die ganze Fläche des Bildes Wassertropfen und winzige Edelsteinschei
ben (als Symbole von Maiskörnern) verteilt sind. Auf den Wandgemälden Teotihua-
cans wurde auf ähnliche Weise die segenspendende Tätigkeit des Regengottes ange
deutet; der Tierrachen als Himmelssymbol mit einer darin thronenden Gottheit ist
dagegen ein olmekisches Motiv, das mehrfach auf den Stelen und Altären von Tres
Zapotes (Veracruz) und La Venta (Tabasco) wiederkehrt. Diese Deutung des großen
Felsbildes am Cerro de la Cantera gewinnt noch an Wahrscheinlichkeit durch die
neuere Auffindung eines ganz in der Nähe des Berges liegenden Reliefs. Als man einen
Haufen großer Steine, die durch ein Erdbeben umgeworfen worden waren, wieder
aufrichtete, kam auf einem der Steine ein Relief mit einer merkwürdigen Gruppe von
vier Figuren zum Vorschein, die ihrer Körperform und Ausstattung nach typische
Olmeken sind. Alle tragen Masken, und der erste hält eine Maisstaude in den Händen.
Wenn diese Szene, wie anzunehmen ist, einen kultischen Tanz bei der Maisernte dar
stellt, dann schließt sie sich folgerichtig an die Darstellung auf dem großen Felsbild des
Cerro de la Cantera an, das die Befruchtung der Erde durch ein himmlisches Wesen
zum Gegenstand hat.
An der mexikanischen Golfküste, dem Hauptsitz der Olmeken in voraztekischer
Zeit, bot die gebirgige Umgebung des Vulkans von Tuxtla naturgemäß die besten
Möglichkeiten für die Anlage von Felsbildern. Aus diesem Gebiet stammt ein Felsbild
bei Los Mangos im Waldland südlich des Catemaco-Sees 25 26 ). Aber auch die flache
Küstenebene im Westen und Osten birgt im dichten Unterholz noch manches dieser
interessanten Monumente. Eines liegt auf einer Insel im Delta des Rio Papaloapan
unweit von Alvarado, ein zweites fand man erst vor kurzem im tropischen Dschungel
25) Anales del Museo Nacional, 5. Ep. I 2 (1934). Informes del Instituto Nacional de
Antrop. e Hist. 4 (1955).
2e ) Ich verdanke den Hinweis und ein Photo Herrn Hans Georg Hauswaldt in Mexico
City.