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Buchbesprechungen
über die Asurini von diesem Ereignis zu geben
pflegt, dem der Rezensent einmal beiwohnte.
Es ist ein großes Verdienst der Akademischen
Druck- u. Verlagsanstalt in Graz, diesen Be
richt in so vorzüglicher Ausstattung mit 64
ausgezeichneten Fotos, darunter 25 in Farbe,
sowie 15 Zeichnungen, dazu noch in englischer
Sprache, die eine größere Verbreitung sichert,
herausgebracht zu haben; hierfür ist ihr der
aufrichtige Dank aller an Südamerika inter
essierten Ethnologen und Laien sicher. Der
Inhalt verdient eine solche äußere Hervor
hebung durchaus ebenfalls: Nicht nur die an
sich schon revolutionierende Tatsache, daß es
auch heutzutage immer noch möglich ist, bisher
so gut wie unbekannte Indianergruppen im
tropischen Urwald Südamerikas aufzuspüren,
sondern auch die relativ erstaunliche Fülle
ethnologischer Daten, die Lukesch in so kurzer
Zeit sammeln konnte. Von ihnen möchte ich
nur einige wenige, mir besonders bemerkens
wert erscheinende Fakten herausgreifen. So be
sitzen die Asurini die für einen südamerika
nischen Urwaldstamm ungewöhnliche Körper
höhe von durchschnittlich 175 cm im männ
lichen und 170 cm im weiblichen Geschlecht.
Die Bärtigkeit der Männer erinnert an die
einiger altertümlicher Indianergruppen, wie
z. B. der Siriono, eines wildbeuterisch orien
tierten Tupi-Stammes im Tiefland Ostboliviens.
Die kulturellen Merkmale weisen die Asurini
jedoch als einen typischen Bodenbauerstamm
des amazonischcn Urwalds aus. So bildet der
Anbau des bitteren und des süßen Maniok
und seine Verarbeitung die Grundlage des
Wirtschaftslebens, wenn auch der Preßschlauch
(Tipiti) zum Entgiften des ersteren unbekannt
ist. Die Keramik ist z. T. ornamental bemalt,
aus Baumwollschnüren teils gewebte, teils ge
knüpfte Hängematten und hölzerne Schemel
gehören zum wesentlichen Hausrat. Als Woh
nung für mehrere Familien dienen Tonnen
gewölbehütten, deren exakte Bauweise — Dach
und Wände gehen ineinander über — die
Bewunderung des Autors erregte. Die Asurini
erhielten Ihren Namen von den benachbarten
Yuruna (Tupi), er bedeutet „Rot-Leute“, was
sich auf die bevorzugte Körperbemalung dieser
Indianer mit Uruku (Bixa orellana) bezieht.
Auch Haare und Bärte werden mit dieser Farbe
getränkt. Interessanterweise bemalen sich nur
die Frauen Körper und Gesicht mit Uruku,
teils streifig, teils in Mäandermustern (Waden),
die Männer hingegen tätowieren den Körper in
langen Streifen mit blauschwarzem Genipa(pe)-
Saft, wie es früher bei den Munduruku (Tupi)
des Tapajoz üblich war. An rituellen Anlässen
konnte Lukesch Tänze mit Bambusklarinetten
beobachten, die von den Männern geblasen
wurden — offensichtlich als Teil eines größeren
Festes, dessen Gesamtablauf und Sinngehalt
dem Autor leider nicht deutlich wurde.
Es wäre zu wünschen, daß der Autor oder
auch ein anderer Forscher möglichst bald noch
mals Gelegenheit zu einem längeren Studien
aufenthalt unter den Asurini des Ipiajaba
findet, um die geistige Kultur möglichst weit
gehend zu erfassen, denn „periculum in mora“!
Zwar verläuft die berüchtigte Transamazonica
150 km nördlich des Habitats dieses Stammes,
aber sein Bekanntwerden zieht allzuleicht nicht
nur die Akkulturation, sondern auch die De-
kulturation nach sich, und dann kann man nur
hoffen, daß die Asurini wenigstens als Men
schen überleben. Möge Anton Lukesch die
Einsicht von Gurt Nimuendaju erspart blei
ben, der wenige Jahre, nachdem er die „wil
den“ Parintintin unter eigener Lebensgefahr
befriedet hatte, beim Wiedersehen mit dem im
Elend versunkenen Rest des einst so stolzen
Stammes den Schwur ablegte, nie wieder seine
Hand zur Pazifizierung eines freien, unabhän
gigen Indianerstammes zu leihen. Seitdem ist
allerdings ein halbes Jahrhundert und mehr
vergangen und es bleibt nur zu hoffen, daß
alle verantwortlichen Instanzen inzwischen
einiges dazugelernt haben, wie eine solche
Situation zum möglichst geringen Schaden für
die Betroffenen bewältigt werden kann.
Otto Zerries
Waltraud Grohs:
Los indios del Alto Amazonas del siglo
XVI al XVIII. Poblaciones y migraciones
en la antigua provincia de Maynas. Bonner
Amerikanistische Studien 2. Bonn: Seminar
für Völkerkunde der Universität Bonn.
1974. 133 S., 6 Karten.
Bei dem vorliegenden Heft der „Bonner
Amerikanistischen Studien“ handelt es sich um
die Veröffentlichung einer ethnohistorischen
Arbeit zur Erlangung des Magister Artium.
Geographischer und zeitlicher Schwerpunkt ist
die jesuitische Ordensprovinz Maynas (dazu
Karte auf S. 120), benannt nach einem der
damaligen Indianerstämme im Zentrum des
Amazonasgebietes nördlich des Rio Maranön
(= oberer Amazonas), in den 130 Jahren zwi
schen 1638 und 1768, die Beginn und Ende des
Wirkens der Jesuiten-Mission markieren. Auf
grund eingehenden Studiums nur des gedruck
ten Quellcnmatcrials — die Autorin bedauert
diese Einschränkung — bemüht sich Grohs um