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Dominik E. Schieb
klaven baute er seinen Machtbereich konstant aus.
1869 war Ma’afus Einfluss so groß, dass er halb
Fidschi regierte und ein emstzunehmendes Gegen
gewicht zu Cakobau darstellte. 13 Die Macht des pa-
ramount chiefs von Bau hatte hingegen 1855 seinen
Zenit erreicht. Ab 1856 begann sein Einfluss außer
halb von Bau zu schwinden. Neben der Bedrohung
durch Tonga gab es ernsthafte Auseinandersetzun
gen mit einigen amerikanischen Geschäftsleuten,
die seine Macht schon während des Krieges mit Re-
wa ernsthaft ins Schwanken gebracht hatten. Beein
flusst durch die Missionare der Wesleyan Methodist
Society und dem britischen Konsul W. T. Pritchard
suchte er den Dialog mit der Krone. 14
Im Jahre 1858 lehnten die Briten die Annexi
on der Fidschi-Inseln jedoch ab, da der damalige
Außenminister William Gladstone nicht wie spä
ter sein Nachfolger Benjamin Disraeli den Auf
bau eines britischen Empires forcierte. Bis zur An
nexion 1874 gab es fidschianische Bestrebungen,
mit ausländischer Hilfe überregionale Regierungen
und Verwaltungen aufzubauen. Diese Gebilde wa
ren jedoch kurzlebig und wenig erfolgreich, da sie
zumeist an den traditionellen Rivalitäten und dem
Widerstand europäischer Siedler scheiterten und
die zunehmenden Probleme in Bezug auf Landfra
gen und Arbeiterrekrutierungen nicht aus eigener
Kraft lösen konnten (Mückler 1998: 70ff.). 1873
wurde eine britische Kommission eingesetzt, um
die Möglichkeiten einer Annexion erneut auszu
loten. Diesmal kam der Ausschuss zu einem an
deren Ergebnis und stimmte einer Eingliedemng
Fidschis in das Empire zu. Am 10. Oktober 1874
kam es zur Unterzeichnung der “Deed of Cession”
in Levuka durch Sir Hercules Robinson (Gouver
neur von New South Wales) und einigen hochran
gigen Häuptlingen, darunter Ma’afu und Cakobau.
Ein Jahr später wurde Sir Arthur Hamilton Gor-
don als erster Gouverneur Fidschis vereidigt (Bums
1963: 97ff.).
3 Fidschi während der Kolonialzeit
Während der Kolonialzeit kam es sukzessive zu
Veränderungen innerhalb der fidschianischen Ge
sellschaft, die von außen an diese herangetragen
wurden. Um diese nachvollziehen zu können, muss
zunächst kurz auf die traditionelle soziopolitische
Organisationsform eingegangen werden.
13 Reid (1983: 183); Routledge (1985: 75); Scarr (1970: 106).
14 Bums (1963: 75ff.); Derrick (1974: 138ff.); Gravelle (1988:
95ff.); Routledge (1978; 1985: 96ff.).
3.1 Das traditionelle soziopolitische System
In der fidschianischen Gesellschaftsordnung
sich ein Element, das eine Beschreibung sowo* 1
des Landverständnisses als auch der Stellung ^ eS
Individuums im soziopolitischen System errnög
licht. Der Begriff Land (vanua) beschreibt rti c11
nur die physische Dimension, d. h. die FestlegU 1 »
von Grund und Boden, mit der darauf befindlich 611
Flora und Fauna. In diesem Begriff vereinen 8lC
vielmehr physische, soziale und kulturelle Din 1611
sionen, wie der fidschianische Ethnologe Ases e
T-» 1 1 4t •_ 0*
Ravuvu beschreibt
is a source
vanua
security and confidence. It provides a sense of
tity and belonging. ... It is the place where he
his forebears were born and brought up, and wh e ^
he prefers to die. In its spiritual dimension, it lS
source of mana or power to effect things. . • • 1
vanua contains the actuality of one’s past and
potentially of one’s future. It is the extension ot
concept of the self” (1983: 70). Im Rahmen des s
ziopolitischen Systems beschreibt vanua die g r ° ^
Gruppe von Personen, die sich aufgrund verwart ^
schaftlicher Beziehungen als zusammengehörig
hen. Es ist die größte Einheit räumlicher und kü
reller Identifikation des Individuums, die eine
tergliedemng erfährt (Nayacakalou 1985). 15 ^
Eine vanua besteht aus mehreren yavusa, • ^
Gruppen von Personen, die ihren Ursprung vc41 gl1
nem gemeinsamen bekannten männlichen A* 1 ^
herleiten und im Regelfall patrilinear orgam 5 ^
sind. Diese untergliedern sich wiederum in 111 St
rere mataqali, d. h. patrilineare exogame
die idealtypisch in einem koro (Gemeinde, V n
siedeln und ihrerseits wiederum in tokatoka ( gg
familien) aufgespaltet sind. Der Zusammensc ^
mehrerer vanua führte in der vorkolonialcrt ^
zur Bildung der bereits weiter oben angesp rC1 yU
nen matanitu (Nayacakalou 1978, 1985; ^
1983: 76ff.). die
Bevor nun dazu übergegangen werden kan
Veränderungen des soziopolitischen System 8 c jj
rend der Kolonialzeit zu beschreiben, rniisse JJj e rai''
einige Bemerkungen zu den traditionellen
jdßä 1 '
15 Die hier gemachten Ausführungen entsprechen ***&&
typischen Konstrukt, das zum Zwecke der Erkläre
tergliedemng der Gesellschaft in hierarchisch
soziale Einheiten notwendigerweise vereinfacht ^
werden musste. Das Schema vanua - yavusa uj S .
tokatoka findet sich nur in einigen Teilen Ost ^^gsiu
Jahre 1911 kam die so genannte Native Land grg e ^
nach sechs Monaten intensiver Feldarbeit zu
nis, dass es auf ganz Fidschi anwendbar sei. ^ u
stellt es aber eine Vereinfachung und Uniform!
die Landpolitik schnellstmöglich in den Griff
(France 1969: 165ff.; Lawson 1991: 72ff.)-
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