Berichte und Kommentare
Anmerkungen zur Vereinnahmung
y°n Maori-Tätowierungen
111 einem europäischen Spielfilm
^ine ethnologische Kritik
Ge org Schifko
^besondere in Frankreich ist die auf wahren Be-
§ebenheiten beruhende Geschichte über die “Bes-
lle ” von Gevaudan allgemein bekannt. Sie handelt
einer enigmatischen Bestie, die in den Jahren
/64-1767 über hundert Kinder und Frauen auf
| e hr brutale Weise tötete (Louis 2000: 9f.). König
^ ü dwig XV. sah sich sogar gezwungen, Soldaten
Jäger in die besagte Region zu schicken, um
e M Spuk endlich ein Ende zu bereiten. Obgleich
^ 21. September 1765 von einem königlichen Jä-
^ err neister ein sehr großer Wolf erlegt wurde und
riachst tatsächlich keine Toten mehr zu bekla-
Waren, kamen nach nur zwei Monaten wieder
^ e üschen auf blutige Weise um. Erst nachdem ein
. au er namens Jean Chastel am 19. Juni 1767 einen
j eit eren Wolf getötet hatte, kehrte wieder Frieden
G dvaudan ein.
^ die wahre Identität des Urhebers (oder der
^ r heber) dieser Tötungsdelikte nie mit absoluter
• lc herheit ermittelt werden konnte, bleiben die
^dvaudan vorgefallenen Ereignisse bis heute
^ Mysteriöses und legendenumwobenes Rätsel.
^ e hrheitlich vermutet man, daß eine Gruppe von
die von der einfältigen Bevölkerung zu
^ e M schrecklichen Monstrum verklärt wurde, für
^°d dieser Menschen verantwortlich war. Doch
Sa e ^° ging man auch schon von besonders grau
te \ 6n Worden aus, die mit Tierfellen bekleide-
lq Menschen begangen haben sollen (Louis 2000:
d' 197) -
* e Aufsehen erregenden Ereignisse aus Gevau-
Qj bilden den Stoff für den französischen Spiel-
f^ie Bestie der alten Berge” (2003). 1 Dieser
lst aus ethnologischer Perspektive von be-
°Pos 102.2007
sonderem Interesse, da er sich durch eine eigen
willige Rezeption der Maori-Tätowierungen (mo
to) 2 auszeichnet, die einer eingehenderen imagolo
gischen 3 * Analyse bedarf. Im Verlauf der Filmhand
lung stellt nämlich der gründlich recherchierende
Arzt Pierre Rampal fest, dass nicht alle Tötungs
delikte ausschließlich tollwütigen Wölfen anzulas
ten sind, sondern dass auch ein gewisser Comte de
Morangies - in Wolfsfell gekleidet und mit einer
aufgemalten Maori-Gesichtstätowierung (Abb. 1) -
viele Menschen auf bestialische Weise umbringt
und die begangenen Morde dabei als Wolfsüberfäl
le tarnt.
Im Film wird letztlich nur die Abwandlung eines
altbekannten Topos gezeigt, demzufolge sich im
Antlitz eines Menschen dessen Lasterhaftigkeit wi
derspiegeln soll. In “Die Bestie der alten Berge”
liegt insofern eine Variation dieses - schon in be
rühmten Romanen wie “Dr. Jekyll und Mr. Hyde”
oder “Das Bildnis des Dorian Gray” aufgegriffenen
- Themas vor, als sich der verwerfliche Charakter
des Protagonisten hier nicht in Form einer Verän
derung der Physiognomie bemerkbar macht, son
dern anhand eines Gesichts-mofco angezeigt wird,
1 Im französischen Original heißt der Film “La Bete du Ge
vaudan” (2002).
2 In Neuseeland entwickelte sich die Tätowierkunst {ta mo-
ko) zu einer Hochblüte. Dort kam auch eine Methode zur
Anwendung, die nirgendwo sonst praktiziert wurde. Anstatt
die Tätowierfarbe mit einem kammähnlichen Instrument in
die Haut zu stechen, schnitt man nämlich in Neuseeland die
Haut mit einem dechselartigen Gerät (uhi) auf und trug die
Farbe in die Wunden ein. Während Maori-Frauen sich zu
meist nur Teile des Gesichts wie Kinn und Lippen tätowieren
ließen, war das Antlitz der Männer oftmals zur Gänze mit Li
nien, Spiralen und einem besonderen als koru bezeichneten
Motiv durchzogen.
3 Die Imagologie kann salopp mit “Fremdenbildkunde”
(Harth 1994: 7) umschrieben werden. Da der hier zur Dis
kussion stehende Film französischer Provenienz ist, könnte
man auch Manfred Kremsers (1981:79) etwas enger ge
fasste Definition heranziehen, der zufolge es sich bei der
Imagologie um einen Wissenschaftszweig handelt, der “das
Eingeborenenbild des Europäers in verschiedenen Epochen
[studiert]”.