564
Berichte und Kommentare
kulturelle Manifestation des indigenen Neuseeland
zum sichtbaren Kennzeichen für grausames Verbre
chertum uminterpretiert.
Erfreulicherweise haben zumindest die Masken
bildner des Filmes für die “Tätowierungen” des
Comte de Morangies nicht das moko einer ganz
konkreten Person als Vorlage herangezogen, was
einen furchtbaren Fauxpas dargestellt hätte. Bei
den Maori ist nämlich die Gesichtstätowierung un
trennbar mit der Identität jener Person verbunden,
die sie trägt. Daher konnten die Indigenen Neu
seelands auf Verträgen Nachbildungen ihres moko
oder zumindest Teile davon als bindende Unter
schrift verwenden (Schifko 2005a: 182). Allerdings
werden im Film auch die Portraits zweier berühm
ter Maori gezeigt (Abb. 2), für die man offensicht
lich zwei historische Gemälde des altösterreichi
schen Malers Gottfried Lindauer als Vorlage be
nutzt hat (Abb. 3). 7 Bei den beiden abgebildeten
Maori handelt es sich um Ihaka Whanga und Ta-
mati Waka Nene, und zumindest ersterer wird in
einer vorausgegangenen Filmszene sehr wohl in ei
nen pejorativen Zusammenhang gebracht. In besag
ter Szene gelangt nämlich der Arzt Pierre Ram-
pal beim Durchblättem eines ethnographischen Bu
ches, in dem er auf eine Illustration von Ihaka
Whanga stößt, zur Überzeugung, dass der Mörder
ein “intelligentes und perverses Wesen [sei], des
sen Gesicht tätowiert ist wie bei diesen sogenann
ten Menschenfresserstämmen” {Die Bestie der al
ten Berge 2003). Zweifel sind durchaus berechtigt,
ob die Angehörigen von Ihaka Whanga sich bei
Kenntnis dieser Filmszene darüber freuen würden,
das Antlitz ihres tipuna (Vorfahren) ausgerechnet
in solch einem Kontext verwendet zu wissen.
Es soll keineswegs ausgeschlossen werden, dass
die hier erfolgte unsensible Vereinnahmung der
Maori-Tätowierungen zum Teil auch auf Unwis
senheit der Filmemacher in kulturellen Belangen
zurückzuführen ist. Für solch ungewollte Entglei
sungen könnte man speziell im Zusammenhang mit
der Maori-Kultur noch weitere Beispiele anfüh
ren. So hat z. B. eine texanische Künstlerin namens
LeaAnn McConnel sehr realistische mokomokai-
Imitationen 8 im Internet zum Verkauf angeboten.
7 Allerdings wurde bei beiden Bildern der Hintergrund ver
ändert. Ebenso wurde die von Tamati Waka Nene gehaltene
tewhatewha-Langkeule nicht korrekt wiedergegeben.
8 Bei den mokomokai handelt es sich um mumifizierte Men
schenköpfe, die in den Augen der Europäer sehr begehrte
Sammelobjekte darstellten und in vielen Museen ausgestellt
wurden (Schifko 2005b: 384f.). Gegen solch eine Zurschau
stellung der mokomokai begannen sich die Maori bereits im
19. Jahrhundert mit rechtlichen Schritten zu wehren (Schif
ko 2004: 43 f.).
Der potentielle Kunde konnte vor der Auslieferung
sogar die Haarfarbe und die Haarlänge bestimmen.
In ihrer Homepage wurde auch noch der folgende,
wenig schmeichelhafte, Text beigefügt: “The Maori
were a seafaring Polynesian folk who took a wrong
turn and landed in New Zealand ... Making the
best of the Situation they set up housekeeping an 6
commenced eating the neighbours” (nach Schiff 0
2002: 24). Zu ihrer großen Verwunderung wurde
sie von Maori über E-Mail beschimpft und teil'
weise sogar bedroht. In den Schreiben wurde sie
des Rassismus und der kulturellen Ausbeutung h e '
zichtigt. Die Künstlerin rechtfertigte sich mit der
Erklärung, sie habe im Glauben gehandelt, das 8
die Maori-Kultur wie die der Wikinger schon auS'
gestorben sei (Schifko 2002: 24). Ebenso sah sie
auch in Amsterdam ein Restaurantbesitzer, der an s
Begeisterung für Neuseeland und die Kultur de f
Maori sein Fokal “Moko” benannt hatte, mit ei
’ c
nem Vorwurf seitens der Maori konfrontiert, dass ^
das Tabu (tapu), welches mit dem moko verbünde 11
ist, geschändet habe (Eberhard 2005: 152). 9 ^ l£ L
leicht wäre es in Die Bestie der alten Berge (200
nicht zu solch einer, in den Augen der Maori wen 1 »
einnehmenden Form einer mo&o-Rezeption geko 111 ^
men, wenn man besser über die Maori-Kultur nü
deren Renaissance Bescheid gewusst hätte.
Die imagologische Analyse von Fremden
dem und Fremdendarstellungen rückt im Zei
bil'
_ tal'
ter der Globalisierung immer mehr in den Mit^.
punkt ethnologischer Arbeiten. Es handelt sich v
solch einer Auseinandersetzung keineswegs um
ne im Elfenbeinturm stattfindende “intellektu 6
Nabelschau”, sondern vielmehr um einen Be 111
zur Völkerverständigung, den die Ethnologie ( 5
zialanthropologie) als Fachwissenschaft erbring
kann. Das Bild, welches sich ein Volk von einer
deren Kultur macht, geht nämlich implizit auch
jjtw
dtf'
einer moralischen Bewertung dieser Fremdem
einher. Im englischen Sprachraum bringt der m
sem Zusammenhang gebrauchte Begriff einer 1 t
utational ethnography” (Fischer 1998: 76) sehr&^ v
zum Ausdruck, dass die - z. T. sehr viele Stere ,
pen beinhaltenden - Fremdenbilder sich sehr ^
auf den Ruf bzw. die Reputation der betracht 6
Kultur auswirken. Die Ethnologie leistet daher^
nen Beitrag zur Konfliktminimierung, wenn sie ^
artige Klischeevorstellungen auf deckt und ab
„u ^
In der Vorstellungswelt der Maori konnte das tap .^¡y
Gegenstandes oder einer Person durch das Zusamt 1 ). yE
gen mit Nahrungsmittel aufgehoben werden (Best f nid
23). Es galt daher z. B. auch als große Beschimpf 11 el n e
Erniedrigung, wenn man Teile von jemandes moko
Süßkartoffel (kumara) einritzte (King 1975: 438).
,03.30° 7
Anthropos