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Full Text: Anthropos, 102.2007

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Berichte und Kommentare 
kulturelle Manifestation des indigenen Neuseeland 
zum sichtbaren Kennzeichen für grausames Verbre 
chertum uminterpretiert. 
Erfreulicherweise haben zumindest die Masken 
bildner des Filmes für die “Tätowierungen” des 
Comte de Morangies nicht das moko einer ganz 
konkreten Person als Vorlage herangezogen, was 
einen furchtbaren Fauxpas dargestellt hätte. Bei 
den Maori ist nämlich die Gesichtstätowierung un 
trennbar mit der Identität jener Person verbunden, 
die sie trägt. Daher konnten die Indigenen Neu 
seelands auf Verträgen Nachbildungen ihres moko 
oder zumindest Teile davon als bindende Unter 
schrift verwenden (Schifko 2005a: 182). Allerdings 
werden im Film auch die Portraits zweier berühm 
ter Maori gezeigt (Abb. 2), für die man offensicht 
lich zwei historische Gemälde des altösterreichi 
schen Malers Gottfried Lindauer als Vorlage be 
nutzt hat (Abb. 3). 7 Bei den beiden abgebildeten 
Maori handelt es sich um Ihaka Whanga und Ta- 
mati Waka Nene, und zumindest ersterer wird in 
einer vorausgegangenen Filmszene sehr wohl in ei 
nen pejorativen Zusammenhang gebracht. In besag 
ter Szene gelangt nämlich der Arzt Pierre Ram- 
pal beim Durchblättem eines ethnographischen Bu 
ches, in dem er auf eine Illustration von Ihaka 
Whanga stößt, zur Überzeugung, dass der Mörder 
ein “intelligentes und perverses Wesen [sei], des 
sen Gesicht tätowiert ist wie bei diesen sogenann 
ten Menschenfresserstämmen” {Die Bestie der al 
ten Berge 2003). Zweifel sind durchaus berechtigt, 
ob die Angehörigen von Ihaka Whanga sich bei 
Kenntnis dieser Filmszene darüber freuen würden, 
das Antlitz ihres tipuna (Vorfahren) ausgerechnet 
in solch einem Kontext verwendet zu wissen. 
Es soll keineswegs ausgeschlossen werden, dass 
die hier erfolgte unsensible Vereinnahmung der 
Maori-Tätowierungen zum Teil auch auf Unwis 
senheit der Filmemacher in kulturellen Belangen 
zurückzuführen ist. Für solch ungewollte Entglei 
sungen könnte man speziell im Zusammenhang mit 
der Maori-Kultur noch weitere Beispiele anfüh 
ren. So hat z. B. eine texanische Künstlerin namens 
LeaAnn McConnel sehr realistische mokomokai- 
Imitationen 8 im Internet zum Verkauf angeboten. 
7 Allerdings wurde bei beiden Bildern der Hintergrund ver 
ändert. Ebenso wurde die von Tamati Waka Nene gehaltene 
tewhatewha-Langkeule nicht korrekt wiedergegeben. 
8 Bei den mokomokai handelt es sich um mumifizierte Men 
schenköpfe, die in den Augen der Europäer sehr begehrte 
Sammelobjekte darstellten und in vielen Museen ausgestellt 
wurden (Schifko 2005b: 384f.). Gegen solch eine Zurschau 
stellung der mokomokai begannen sich die Maori bereits im 
19. Jahrhundert mit rechtlichen Schritten zu wehren (Schif 
ko 2004: 43 f.). 
Der potentielle Kunde konnte vor der Auslieferung 
sogar die Haarfarbe und die Haarlänge bestimmen. 
In ihrer Homepage wurde auch noch der folgende, 
wenig schmeichelhafte, Text beigefügt: “The Maori 
were a seafaring Polynesian folk who took a wrong 
turn and landed in New Zealand ... Making the 
best of the Situation they set up housekeeping an 6 
commenced eating the neighbours” (nach Schiff 0 
2002: 24). Zu ihrer großen Verwunderung wurde 
sie von Maori über E-Mail beschimpft und teil' 
weise sogar bedroht. In den Schreiben wurde sie 
des Rassismus und der kulturellen Ausbeutung h e ' 
zichtigt. Die Künstlerin rechtfertigte sich mit der 
Erklärung, sie habe im Glauben gehandelt, das 8 
die Maori-Kultur wie die der Wikinger schon auS' 
gestorben sei (Schifko 2002: 24). Ebenso sah sie 
auch in Amsterdam ein Restaurantbesitzer, der an s 
Begeisterung für Neuseeland und die Kultur de f 
Maori sein Fokal “Moko” benannt hatte, mit ei 
’ c 
nem Vorwurf seitens der Maori konfrontiert, dass ^ 
das Tabu (tapu), welches mit dem moko verbünde 11 
ist, geschändet habe (Eberhard 2005: 152). 9 ^ l£ L 
leicht wäre es in Die Bestie der alten Berge (200 
nicht zu solch einer, in den Augen der Maori wen 1 » 
einnehmenden Form einer mo&o-Rezeption geko 111 ^ 
men, wenn man besser über die Maori-Kultur nü 
deren Renaissance Bescheid gewusst hätte. 
Die imagologische Analyse von Fremden 
dem und Fremdendarstellungen rückt im Zei 
bil' 
_ tal' 
ter der Globalisierung immer mehr in den Mit^. 
punkt ethnologischer Arbeiten. Es handelt sich v 
solch einer Auseinandersetzung keineswegs um 
ne im Elfenbeinturm stattfindende “intellektu 6 
Nabelschau”, sondern vielmehr um einen Be 111 
zur Völkerverständigung, den die Ethnologie ( 5 
zialanthropologie) als Fachwissenschaft erbring 
kann. Das Bild, welches sich ein Volk von einer 
deren Kultur macht, geht nämlich implizit auch 
jjtw 
dtf' 
einer moralischen Bewertung dieser Fremdem 
einher. Im englischen Sprachraum bringt der m 
sem Zusammenhang gebrauchte Begriff einer 1 t 
utational ethnography” (Fischer 1998: 76) sehr&^ v 
zum Ausdruck, dass die - z. T. sehr viele Stere , 
pen beinhaltenden - Fremdenbilder sich sehr ^ 
auf den Ruf bzw. die Reputation der betracht 6 
Kultur auswirken. Die Ethnologie leistet daher^ 
nen Beitrag zur Konfliktminimierung, wenn sie ^ 
artige Klischeevorstellungen auf deckt und ab 
„u ^ 
In der Vorstellungswelt der Maori konnte das tap .^¡y 
Gegenstandes oder einer Person durch das Zusamt 1 ). yE 
gen mit Nahrungsmittel aufgehoben werden (Best f nid 
23). Es galt daher z. B. auch als große Beschimpf 11 el n e 
Erniedrigung, wenn man Teile von jemandes moko 
Süßkartoffel (kumara) einritzte (King 1975: 438). 
,03.30° 7 
Anthropos
	        
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