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Irenaus Eibl-Eibesfeldx
Anthropos 66. 197 1
meiner Gastgeberin, Frau Goetz, und deren Tochter gut befreundet war,
lud man uns ein mitzukommen. Ich werde mich im wesentlichen auf die
Beschreibung dieses Festes beschränken, verweise aber zum Vergleich gele
gentlich auf das zweite Fest, dessen Verlauf wir bei den Majecohoteri (Platanal)
beobachten konnten. Mich interessierte besonders die gruppenbindende Funk
tion des Palmfruchtfestes, und ich lege in dieser Untersuchung eine ethologische
Interpretation einiger Rituale vor. (Zu den theoretischen Grundlagen, auf
denen diese Arbeit aufbaut, siehe Eibl-Eibesfeldt, 1970a; 1970Ö; 1972.)
1. Die Reise zu den Gastgebern
Die Reisegruppe, der wir uns anschlossen, zählte 14 Männer, 10 Frauen
und zahlreiche Kinder verschiedenen Alters. Alle Männer waren mit Pfeil und
Bogen bewaffnet.
Wir fuhren am späten Vormittag des 9. Februar in zwei großen moto
risierten Einbäumen der Mission den Ocamo hinauf. Bei Einbruch der Dunkel
heit kampierten wir am Ufer und setzten anderntags von 7-10 Uhr vormittags
die Flußreise fort. Dann wanderten wir landeinwärts und stießen nach etwa
3 Stunden auf zwei geschmückte Männer der Gastgeber. Einer der beiden und
unser Häuptling gingen in Hockstellung, umarmten einander, schlugen einander
auf die Schultern und begannen heftig gestikulierend in singender Weise ein
Zwiegespräch, in dessen Verlauf unser Häuptling erfuhr, daß die Vorberei
tungen unserer Gastgeber noch nicht abgeschlossen seien und wir uns bis zum
nächsten Tag gedulden sollten. Wir kampierten daher für eine weitere Nacht
im Walde. Im Laufe des Nachmittags brachten uns einige Männer der Shiba-
rioteri gekochte Früchte der Pijiguao-Palme, geräucherte Vögel, Affen und
Krokodilstücke. Nach dieser Bewirtung begannen unsere Leute, große Palm
blätter zu sammeln und fein aufzufasern. Das gehörte bereits zur Fest Vorbe
reitung, denn sie verwendeten diese Wedel später beim Eintanz.
Am anderen Morgen wanderten wir bis zum Dorf der Shibarioteri. In der
Bananenpflanzung vor dem Dorf bewirteten uns unsere Gastgeber zum zweiten
Mal. Sie hatten eine Bodenfläche mit Bananenblättern gedeckt und darauf
Pijiguao-Früchte und geräucherte Jagdbeute ausgebreitet (Taf.l a). Wir
bedienten uns; dann schmückten sich unsere Begleiter.
Frauen und Männer bemalten ihren Körper mit Wellenlinien und Kringeln;
einige Männer färbten ihr Gesicht schwarz und klebten weißen Vogelflaum mit
der kautschukartigen Milch eines Baumes in ihr Kopfhaar. Viele trugen um die
Oberarme Muskelbinden aus schwarzem Gefieder, in die sie weiße Reiher- und
rote Papageienfedern steckten. Das betonte ihre Schultern in auffälliger Weise.
Auch die Kinder wurden bemalt. Ein geschmückter Krieger wurde von unserem
Häuptling voraus ins Dorf geschickt, um unsere Ankunft anzumelden. Was er
dabei tat, konnten wir nicht sehen, da wir erst nach ihm eintrafen. Ich sah
einen solchen Auftritt jedoch später bei den Aratatoteri. Dort hatte Frau
Goetz um ein Fest gebeten, ohne sonst weitere Anweisungen zu geben. Bei
diesem vorgeführten Fest - auf das ich mich im übrigen in dieser Arbeit nicht