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Full Text: Tribus, 35.1986,N.F.

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Buchbesprechungen 
Bianchi, Ugo: 
Transition Rites. Cosmic, Social and Indivi 
dual Order. Storia delle Religioni Vol. 2, 
Rom: L’Erma di Bretschneider 1986. 
Die hier publizierten Beiträge eines finnisch-schwedisch 
italienischen Seminars von 1984 in Rom behandeln Pro 
bleme des Begriffs und der rituellen Praxis des Ȇber 
ganges« und der »Übergangsriten«. Ausgangspunkt der 
Beiträge ist im wesentlichen die Theorie Van Genneps 
»Rites des Passages« und V. Turners »The ritual pro- 
cess«. Die verschiedenen Beiträge machen - bei aller 
Vorsicht mit solchen Verallgemeinerungen - die Unter 
scheidung von zwei Gruppen von Übergangsriten deut 
lich: zum einen individuelle Übergangsriten, die auf et 
was Neues für den Einzelnen verweisen (Initiation, sozia 
ler Status etc.) und für den Einzelnen linearen Charakter 
haben, zum anderen kollektive Übergangsriten, die die 
Erneuerung der Natur und des Lebens thematisieren und 
eher zyklisch sind. Diese Fragestellungen werden an 
Beispielen aus der antiken Religionsgeschichte, der Eth 
nologie und an modernen religiösen Phänomenen durch 
geführt. Im einzelnen werden afrikanische Initiationsri 
ten, die Visionssuche bei amerikanischen Indianern, eine 
Schamaneninitiation bei den Samen, der Schlaf als Über 
gang, das Verhältnis von Übergangsmythen zu Ur 
sprungsmythen, die verlängerte Übergangsperiode bei 
Theravadamönchen, die Pubertätsprobleme von Univer 
sitätsstudenten, Zungenreden bis hin zur Lebensge 
schichte eines finnischen Dichters u.a. verhandelt. Theo 
retische Gesichtspunkte der Übergangsriten werden vor 
allem von Pentikäinen und Bianchi erörtert. Dabei wird 
deutlich, daß eine schärfere Bestimmung von Übergangs 
riten und deren Abgrenzung von anderen Riten erforder 
lich ist. Es ist sehr zu begrüßen, daß Van Genneps 
Theorie der rites des passage, die lange Zeit in der 
Religionswissenschaft und Ethnologie zu wenig berück 
sichtigt war, erneut in die Diskussion gerückt ist. 
Hartmut Zinser 
Duerr, Hans Peter: 
Sedna oder die Liebe zum Leben, Frankfurt/ 
M.: Suhrkamp Verlag 1984. 535 Seiten, viele 
Abbildungen. 
Der als Medienliebling bekannt gewordene Autor der 
»Traumzeit« hat ein Buch vorgelegt, das in mancher 
Hinsicht eine Fortsetzung dazu darstellt und wert ist, 
nicht bloß von einer zwar interessierten, aber letztlich 
fachlich doch kaum kompetenten Öffentlichkeit zur 
Kenntnis genommen zu werden (Besprechung des Werks 
im »Spiegel« in Nr. 31/85). Denn grundsolide gearbeitet, 
mit erfreulich ausführlichem Literaturteil versehen und 
durch viele Fußnoten mit weiterführenden Angaben und 
Querverweisen ausgestattet, vermag es Völkerkundlern, 
aber auch Prähistorikern interessante neue Aspekte alt 
bekannter Problemstellungen sowie gedankenreiche, ori 
ginelle Deutungsversuche der religiös-kulturellen Ent 
wicklung der Menschheit anzubieten. Das auf geradezu 
altmodische Weise »gelehrte« Buch knüpft als Versuch 
(wenngleich selbstredend nicht in der Methode) an die 
klassischen, Kontinente umgreifenden Entwürfe von 
Frazer und Pater Schmidt an (gegen welche Interpreta 
tion sich der Autor möglicherweise sträuben würde): 
Was er unternimmt, ist indessen nicht mehr und nicht 
weniger als die Deutung der Welt, wie sie von den 
Menschen der Steinzeit wahrgenommen worden sein 
muß und die sich späterhin mit zunehmender Aufgabe 
des Wildbeutertums auf markante Weise zu wandeln 
begann. 
Ausgehend von der titelgebenden numinosen Gestalt der 
»Sedna«, einer Eskimo-Gottheit, die als »Herrin der 
Seetiere« galt, unternimmt Duerr die Rekonstruktion 
prähistorischer Rituale und Glaubensinhalte, indem er 
sie mit jenen heutiger Wildbeuter vergleicht oder besser 
vorsichtig in Beziehung setzt. Dabei kommt er zu dem 
Schluß - gleichzeitig der Hauptaussage des Buches -, daß 
all jene Riten und (oft direkt sexuell ausgeprägten oder 
jedenfalls sexuell getönten) Bräuche dem Zweck dienen 
sollten, daß »die Tiere immer viel bleiben«. Solche für 
uns Abendländer, insbesondere die älteren ethnologi 
schen Autoren des vorigen Jahrhunderts, denen wir viele 
Beobachtungen sexueller Tatbestände verdanken, 
manchmal anstößigen Rituale meinen allerdings nicht 
das Sexuelle als Selbstzweck, sondern Männer und Frau 
en hatten darin je unterschiedliche Funktionen der Re 
präsentation: die männlichen Partner stellten Tiergeister 
dar, oft und vor allem während des Übergangs vom 
Wildbeutertum zur Seßhaftigkeit Stiere. Die weiblichen 
Protagonisten personalisierten Gestalten wie die, je nach 
Spezies verschieden vorgestellte »Mutter der Tiere« und 
später, als man zum Bodenbau übergegangen war, »Mut 
ter Erde« in Form der Magna Mater, deren Aspekt als 
Artemis-Typ freilich nie gänzlich in Vergessenheit geriet. 
Mit besonderer Sorgfalt wiedmet sich Duerr den bekann 
ten steinzeitlichen Felsbildern. Da in einer vergleichswei 
se kurzen Besprechung für einen Strauß von Beispielen 
kein Raum ist, sei stellvertretend für manch andere 
originelle Deutung seine Auffassung über die Entstehung 
jener Kunstwerke erwähnt, was die Möglichkeit, ihre 
gemeinten Aussagen unterschiedlich zu interpretieren, 
nicht aus-, sondern einschließt.
	        
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