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TRIBUS 35, 1986
Amerika (20), Ozeanien (12), Westasien (1), Südasien
(2), Südostasien (1) und Afrika (2). Hinzu kommen 6
theoretische bzw. regionalunspezifische Beiträge. Aber
die regionale Perspektive stand in dieser Konferenz im
Hintergrund und diente lediglich dazu, eine Vielzahl von
unterschiedlichen Beiträgen beizusteuern, die sich alle
mit dem Aspekt der Intensivierung des Landbaues und
seiner archäologischen Erkennbarkeit auseinander
setzen.
Bedingt durch die Autorenvielfalt ist die Länge (die
beiden Beiträge von Parsons und Denevan, Mathewson
& Whitten sind nur als Abstract vorhanden) und Qualität
der einzelnen Beiträge unterschiedlich und reicht von
detaillierten Schilderungen der Grabungsergebnisse zu
umfassenden, überschauenden Darstellungen.
In Feuchtbodengebieten, ariden Zonen und Bergländern
sind die vorab zu erbringenden Arbeitsleistungen beson
ders hoch, um mittels komplexen Feldsystemen und da
mit zusammenhängender Infrastruktur (Be- und Entwäs
serungssysteme) einer Intensivierung des Bodenbaues zu
erreichen. Und diese sind archäologisch besonders gut in
solchen Gebieten erkennbar. Doch ist dies, zumindest
zum Teil, auch eine Frage der Überlieferungsbedingun
gen. Archäologisch sind nur die Systeme deutlich nach
weisbar, die nicht durch spätere Nutzung und Bearbei
tung überfärbt und verändert wurden, also Systeme in
den Gebieten, die den rezenten Standards gemäß zu
feucht, zu trocken oder zu steil waren. (Als deutsches
Beispiel hierzu seien die Weingärten angeführt: Die auf
zu steilen Hängen des Rheines oder der Mosel angeleg
ten, heute aufgelassenen Weingärten sind archäologisch
anhand der Stützmauern erkennbar, die ausgedehnten
mittelalterlichen Weingärten des Niederrheines sind
überpflügt und verschwunden.) Zudem sind die sich ver
ändernden Siedlungsgewohnheiten eine Ursache für die
Zerstörung der Feldsysteme (so siedelten z.B. die ersten
europäischen Siedler in Auckland [Neuseeland] auf den
fruchtbaren Böden/Gärten der Maori, während die ehe
maligen Maori-Siedlungen als unbewohnte Vulkankegel
aus dem heutigen Stadtbild Aucklands herausragen).
Die Basis, auf die sich die Forschung stützen kann, ist
nur der marginale Überrest dessen, das einmal da war,
und die ökonomische und technologische Stellung der
vorhandenen Systeme innerhalb des ehemaligen Gesamt
systems kann nicht mehr abgeschätzt werden. Und dies
bedeutet, daß die aus dem vorhandenen Material gezoge
nen Schlüsse nicht blindlings verallgemeinert werden
dürfen. Dies wird in dem einführenden Artikel vom
Herausgeber des Doppelbandes auch deutlich hervorge
hoben.
Der diesem Doppelband als Tenor zugrundeliegende
Begriff der Intensivierung des Bodenbaues/Landbaues
ist, wie Sullivan in ihrem Beitrag hervorhebt, weitge
spannt. Jede menschliche Einflußnahme auf das Gedei
hen einer Pflanze ist Intensivierung, ob nun die Schweine
mittels einer Umzäunung davon abgehalten werden, den
bepflanzten Boden umzuwühlen, oder ob die Pflanzen
gewässert, gedüngt, vom Unkraut befreit oder gegen die
Sonne beschattet werden.
Die Auswahl der in dieser Konferenz behandelten The
men der Intensivierung war demgemäß notgedrungen
beschränkt; z.B. die Feldteilungssysteme (z.B. in Sa
moa: Jennings & Holmer 1980) mit ihrer Windschutzwir
kung wurden unbeachtet gelassen. Behandelt wurden der
Bodenbau in Feuchtbodengebieten mittels Entwässe
rungsgräben, Bodenbau auf künstlichen Terrassen, in
eingetieften Feldern, sowie mittels Bewässerungsgräben
und Wasserreservoirs. Das Hauptgewicht dieses Doppel
bandes liegt in der Diskussion des Bodenbaues in Feucht
bodengebieten. Dieser kann in drei morphologischen
Typen gegliedert werden:
I Kultivierung von saisonal überschwemmten Gebieten
(z.B. das Niltal als bekanntestes Beispiel).
II Drainagesysteme
a Drainage des Landes mit dem Ziel, den Wasser
spiegel zu senken
b Drainage des Landes und Konstruktion von erhöh
ten Pflanzbetten
III Bewußtes Fluten von Feuchtgebieten, um wasserlie
bende Kultivare (z.B. Reis) anzubauen.
Die meisten Beiträge beschäftigen sich mit dem sowohl
Amerika (hier vor allem in Mesoamerika) und Ozeanien
(hier vor allem Neuguinea) betreffenden Phänomen, den
aufgeschütteten Pflanzbetten (chinampas, raised fields),
die einen Bodenbau in Feuchtbodengebieten erst mög
lich machen. Der von den Drainagegräben anfallende
Abraum wird im Areal zwischen den Gräben flächig
aufgetragen und erhöht so durch eine Überhöhung des
Bodenniveaus zusätzlich den Drainageeffekt der Grä
ben. Die hierzu aufgewendete Arbeitsleistung bei der
Initialkonstruktion war beträchtlich (830 bis 3200 Mann/
Tage pro Hektar [1 Tag entspricht 6 Stunden Arbeit])
und kehrte jährlich in geringerem Umfange wieder, da
die Systeme regelhaft instand gehalten werden mußten.
Die Datierbarkeit dieser Systeme ist eingeschränkt, da
die Gräben der länger benutzten Systeme immer wieder
aufgegraben wurden. Alle Daten können daher nur als
terminus ante quem verstanden werden.
Die derzeit frühesten Daten für Drainagesysteme im
Hochland von Neuguinea sind 9000 BP und 2300 BP in
Mesoamerika (Belize).
Auch wenn die melanesischen und mesoamerikanischen
Systeme im Groben einander ähnlich sind, so unterschei
den sie sich im Detail recht gravierend. Und auch die
mesoamerikanischen Systeme, unter dem terminus chi
nampas zusammengefaßt, bestechen durch eine morpho
logische Vielfalt. Sie sind in unterschiedlichen Ökotopen
angelegt, vom tropischen Süden Mexikos bis ins kühle
Hochland von Bolivien. Die chinampas Mexikos, zu
Unrecht von frühen europäischen Besuchern als
»schwimmende Gärten« interpretiert (Wilken), sind rei-
hig angeordnete künstliche Erhöhungen zwischen den
Drainagegräben, die als Materialgewinnungsgräben
funktionierten. Der anfallende Boden wurde in den mei
sten Fällen flächig aufgetragen/verteilt, manchmal je
doch auch engbegrenzt (körbeweise?) aufgeschüttet. Die
Zwischenräume zwischen den Gräben (d.h. die Pflanz
betten) sind in der Regel etwa 2 m breit (Parsons,
Parsons, Popper & Taft). Auf diesen Betten wurde eine
Vielzahl von Pflanzen angebaut, je nach Biotop. Ein
Beitrag beschäftigt sich in regionaler Perspektive (Mexi
ko) mit diachronischen Prozessen in der Modifikation
von Feldsystemen und den auf ihnen angebauten Pflan
zen (Earle Smith).
In Neuguinea hingegen herrscht die schachbrettmuster
artige Anordnung der Pflanzbetten vor. Zwischen zwei