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MONIKA FIRLA/HERMANN FORKE
Afrikaner und Africana am württembergischen Herzogshof
im 17. Jahrhundert
Dieser Aufsatz ist Michael Praetorius (1571-1621) und Sonny Boy Williamson (um
1901-1965) gewidmet
1. Einleitung
Afrikaner und Africana finden sich in Stuttgart nicht erst in neuerer Zeit. Jahrhun
derte bevor 1884 das Linden-Museum eröffnet wurde und nach dem II. Weltkrieg
afro-amerikanische Soldaten nach Stuttgart kamen, existierten Afrikaner und Afri
cana bereits im 17. Jahrhundert in der württembergischen Hauptstadt am Herzogshof
als Mitglieder des Hofstaates bzw. Bestandteile der Kunstkammer.
Welche Assoziationen des Reichtums und der Pracht der Afrikanische Kontinent in
vergangenen Zeiten an europäischen Höfen hervorrief, zeigt ein anonymes Kostüm
bildchen aus dem ersten Viertel des 18. Jahrhunderts, das den Markgrafen Ludwig
Wilhelm von Baden-Baden als Afrikaner darstellt (Abb. 1). Das Kostüm schwelgt in
Edelsteinen, Goldbrokat, Tüllrüschen und Straußenfedern und vermittelt den Ein
druck märchenhafter Fülle.
Nicht nur die Kunstkammer bzw. die herzoglichen Sammlungen dienten zum
»Splendor« (zit. nach Fleischhauer 1976: 86) des Herzogshofes, sondern auch die
Afrikaner, die man in jener Zeit noch »Mohren« nannte. Dies wiederum verdeutlicht
auf einzigartige Weise eine Miniatur aus dem Jahr 1724 von Lorenz von Sandrart
(Abb. 2). Auf der linken Seite befindet sich die Herzogin mit Sohn, Schwiegertoch
ter (dem württembergischen Herzogspaar in spe 1 ) und Enkelin. Auf der rechten Seite
sieht der Betrachter einen acht- bis zehnjährigen Afrikaner vor einem Arrangement
aus weißem Korallenstock, überdimensional blühender Pflanze und Ananas, typi
schen Bestandteilen fürstlicher Sammlungen und Gewächshäuser 2 . Dem Ensemble
der herzoglichen Familie steht das Ensemble der wunderbaren und seltenen Kunst
werke Gottes, wie die Mirabilien der Natur auch verstanden wurden (Holländer
1994: 139), zur Seite, und Landprinzessin Henriette Maria weist würdevoll mit der
Linken auf Korallen, Blütenpracht, Ananas und kleinen tiefschwarzen »Mohren« mit
Stupsnäschen und Kulleraugen. Dieser seinerseits lädt den Blick mit der Linken zum
Verweilen ein, um dann mit der Rechten zurück zur herzoglichen Familie zu weisen.
Präziser ist das Wechselspiel von Präsentation und Re-Präsentation nicht zu illu
strieren, und die Miniatur verdeutlicht eindrucksvoll die Rolle, die Afrikaner und
Kunstwerke, zu denen auch die Africana gehörten, für das fürstliche Prestige spiel
ten.
Waren die Motive, Vertreter beider Gruppen an den Hof zu holen, auch exotistisch,
so wurden diese gleichwohl integriert und galten im Anschluß als gleichberechtigte
Vertreter des Makrokosmos’ im Stuttgarter Mikrokosmos von Hof und Gesellschaft.
- Dies soll für das 17. Jahrhundert der folgende Aufsatz zeigen.
2. Der Pauker Eberhard Christoph und der Trompeter Christian Real
Die beiden ersten namentlich identifizierbaren Afrikaner am württembergischen Hof
sind der Pauker Eberhard Christoph, nachzuweisen vor 1665 (Pfeilsticker 1/1957:
§ 290 Eintr. »Christoph Eberhard«) bis zu seinem Tod 1684 (ibid.: § 881 Eintr.
»Mohr Eberhard«) und der Trompeter Christian Real, nachzuweisen von 1657 3 bis
1674 (Pfeilsticker 1/1957: § 873 Eintr. »Real Chrn.«), dem Todesjahr Herzog Eber
hards III., in dem er offensichtlich den Hof verließ.