TRIBUS 44, 1995
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Fäden sowohl zum Weben als auch zum Sticken 51 dient jeweils die obere Schicht jun
ger Blätter verschiedener Palmen, unter ihnen je nach Region vor allem mehrere
Arten der Raffiapalme. Im alten Königreich Loango (heute Republik Kongo und
Angola, Prov. Cabinda) kam für gewöhnliche sowie als Geldzeichen verwandte
Tücher Raphia vinifera in Frage, für solche von feiner Qualität dagegen Hyphaene
guineensis (Heintze 1989: 120 Anm. 15).
Die Herstellung des Gewebes erfolgt nach rezenten Beobachtungen auf einem senk
rechten Webstuhl mit einem gespaltenen Stock als Litze (Loir 1935: 22ff.; Meurant
1988: 136). Zum Sticken des Plüschdekors wird die Nadel mit dem Stickfaden so
zwischen Schuß- und Kettfaden hindurchgeführt, daß der Stickfaden an der Unter
seite nicht sichtbar ist, sondern an der Oberseite des Kettfadens entlang verläuft.
Somit bleiben an der Oberseite des Gewebes zwei Enden des Stickfadens stehen, die
mit einem Messerchen so abgeschnitten werden, daß beide gleich hoch sind. Gehal
ten wird dieses unzählige Male hergestellte Plüschelement nur durch die Dichte des
Gewebes (Stritzl 1971: 48; Picton/Mack 1979: 201; Meurant 1988: 137).
Nicht vergessen werden darf in diesem Zusammenhang noch ein anderer, ebenfalls
aus dem Zaire des 20. Jahrhunderts bekannter Dekor: durch eine besondere Bindung
beim Weben selbst mit Hilfe flottant geführter Schußfäden gleicher Farbe erreichte
zarte Muster (Loir 1935: 52). Unsere plüschierte Stickerei (Abb. 8) ist aus 9'/ 3 Ein
zelstücken zusammengenäht, die zwar alle den gleichen Dekor tragen, aber ähnlich
wie auch heute noch bei den Kuba, unabhängig voneinander gewebt und verziert
wurden. Schon die Verschiebungen des Dekors an den Nahtstellen lassen diesen
Sachverhalt erkennen. An den Rändern ist der hellbraune Stoff jeweils umgeschla-
Abb. 8 Plüschierte Stickerei, 159x 149 cm, vermutlich Raffiafasern, Vili (Königreich
Loango), seit 1669 in Stuttgart. Linden-Museum, Inv.-Nr. 19.618. Photo: Ursula Didoni