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Full Text: Tribus, 44.1995,N.F.

Firla/Forkl: Afrikaner und Africana am württembergischen Herzogshof 
schwedischen Diensten stehende Augsburger Patrizier Johann Abraham Haintzel, 
dessen Familie bis 1594 in Lindau ansässig war (Reinwald/Rieber 1909: 113), schon 
einmal Ende 1656 oder Anfang 1657 aus Afrika zurückgekehrt sein, nachdem er 
1652 den unter schwedischer Herrschaft stehenden Hafen Stade mit dem Ziel Cape 
Coast verlassen hatte. Eine schwedische Rangbezeichnung (»opper commiss«) wird 
für ihn zum letzten Mal im November 1656 erwähnt. Im Februar 1658 war Haintzel 
inzwischen in die Dienste der dänischen Krone getreten, um diese aktiv bei der Ein 
nahme des bisher schwedischen Cape Coast zu unterstützen. Sicher bezeugt ist seine 
endgültige Rückkehr im Juni 1658 im Hafen von Glückstadt, von wo er sich ver 
mutlich bald weiter ins heimatliche Augsburg begab, wo er 1662 starb (Jones 1994: 
41). Haintzel, dessen Familie im Wappen übrigens auch ein Schwert führte (Rein 
wald/Rieber 1909: 113 Abb.), brachte für die berühmte Kunstkammer des Ulmer 
Patriziers und Handelsherrn Christoph Weickmann mindestens ein Schwert aus Fetu 
(heute Republik Ghana) mit, vielleicht auch die ganze Weickmannsche Afrika- 
Sammlung (Jones 1994: 41). 
Zu dieser Sammlung gehört auch eine heute im Ulmer Museum ausgestellte plü- 
schierte Stickerei, die in Herstellungsverfahren und z. T. auch Dekor unserem Stutt 
garter Stück entspricht. Ja sie weist sogar mehrere, wenn auch dort nicht mehr so gut 
sichtbare, Flecken auf, die verblüffend den Brandflecken auf unserem Stuttgarter 
Plüsch gleichen (Abb. 10). 
Jones (ibid.) bemerkt zu Recht, daß die Weickmannsche Afrika-Sammlung, deren 
Objekte durchweg einen für afrikanische Verhältnisse hohen politischen Stellenwert 
erkennen lassen, systematisch angelegt worden sein dürfte. Dennoch glauben wir, 
daß Haintzel deshalb nicht unbedingt allein mit der Anlegung der Sammlung 
beschäftigt gewesen sein muß, daß dies vielmehr zusammen mit Kramer geschehen 
sein kann. Kramer müßte dann auch die Stuttgarter plüschierte Stickerei zusammen 
mit dem Körbchen, auf das wir noch zurückkommen werden, sozusagen als Pendant 
zur Ulmer Sammlung Weickmann nach Lindau gebracht haben, wo beide Objekte 
dann von ihm, ähnlich wie Christian Real, an Valentin Heider bzw. dessen Neffen 
Daniel Rehm weiterverschenkt worden sein dürften. Solch ein Raffiaplüsch war auch 
als Tischdecke zu verwenden, und Tischdecken galten in Lindau als beliebtes 
Geschenk für die exklusiven Tafeln der Patrizier (Stolze 1956: 135). 
Übrigens wurde Christian Real in der Nacht auf den gleichen 10. November 1669 in 
Stuttgart überfallen, an dem der Plüsch und das Körbchen in die Stuttgarter Kunst 
kammer aufgenommen wurden. Ob zwischen beiden Ereignissen ein wie auch immer 
gearteter Zusammenhang besteht - immerhin wurde Real ja ebenfalls von Kramer 
bis nach Lindau gebracht - (s. o. 2.3.), läßt sich vorläufig nicht beurteilen. 
Plüschierte Stickereien aus Palmblatt-Fasern sind für das alte Kongo-Reich vom 
frühen 16. Jahrhundert bis zum Beginn des 18. in den europäischen Quellen überlie 
fert. 55 Schön verzierte Palmblatt-Gewebe, die ebenfalls plüschierte Stickereien mit 
eingeschlossen haben könnten, werden als Staatsgeschenke an den König von Portu 
gal schon für das Jahr 1488 erwähnt (Stritzl 1971; 41; Bassani 1975 b: 89, 20 
Anm.41-42). Der italienische Missionar Zucchelli (1715: 188, 473, 479) berichtet 
für die Zeit zwischen 1700 und 1702, daß sich die Missionare im von Kongo quasi 
unabhängigen Fürstentum Sonyo (heute Nordangola) vor ihrer Rückkehr nach Italien 
Teppiche, Kissen u.a. aus solchen Plüschen als Mitbringsel anfertigen lassen (ibid.: 
210), und daß auch die Besatzungen der in Sonyo anlegenden Sklavenschiffe gerne 
solche Textilien kaufen, um sie nach Europa mitzunehmen (ibid.; 211). 
Wenden wir uns europäischen Sammlungen mit unserem Stuttgarter Stück ver 
gleichbaren plüschierten Stickereien aus dem unteren Kongogebiet zu, so finden wir 
in alten Inventaren des Kopenhagener Nationalmuseet zwei als Kissenbezug 56 und 
eine mit Fransen als Tischdecke 57 vermerkt. Die Frage freilich, ob solche mit Fran 
sen versehenen Textilien nur für den europäischen Bedarf angefertigt worden sind, 
wie in einem Führer des genannten Museums einmal angeregt wurde (Stritzl 1971: 
38), muß vorläufig ungeklärt bleiben. 
Verweilen wir noch etwas länger bei europäischen Sammlungen, um sie danach zu 
befragen, was sie uns an Daten zur zeitlichen und ethnischen Eingrenzung unseres
	        
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