TRIBUS 44, 1995
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oder Luanda in Betracht. Lassen wir zur regionalen Eingrenzung auch hier wieder die
Angaben in den zeitgenössischen Sammlungsunterlagen sprechen. Während für den
Mailänder Plüsch auf dem Aquarell aus der Mitte des 17. Jahrhunderts (Bassani
1975 b: 11) »Angola o Congo« (Bassani 1975a: 80 Anm. 31) vermerkt ist, findet sich
für Ulm 1659 (Stritzl 1971: 38; Jones 1994; 38) sowie Kopenhagen nur »Angola«, für
Rom 1709 schon ganz spezifiziert »Regno Angolano« (Bassani 1975 a: 80 Anm. 30).
Jones (1994: 42) weist zwar mit Recht daraufhin, daß »Angola« damals die ganze Re
gion zwischen Kap Lopez und Luanda bedeuten konnte, doch differenzierten wieder
um andere Autoren damals schon recht genau (Dapper 1967; Cavazzi 1694).
Vergleichen wir dieses anhand europäischer Sammlungen erarbeitete Material nun
wieder mit dem Befund vor Ort im unteren Kongogebiet. Für das 16./17. Jahrhundert
teilt Stritzl (1971: 40) jenes Gebiet in drei Zentren der Produktion plüschierter Raf-
fiastoffe ein:
1. Die Provinz Mbata und das Königreich Okanga beiderseits der Ostgrenze des
Kongo-Reichs. Von hier aus führte bis um 1641 eine Handelsroute für die Ausfuhr
von Palmfaser-Stoffen zum portugiesischen Luanda, wo diese den Portugiesen
u.a. für den Sklavenhandel und zur Bezahlung ihrer Soldaten als Währung dien
ten (Heintze 1989; 120). Ende des 16. Jahrhunderts wurde der in dieser Ostregion
erzeugte Dekor auf den plüschierten Stickereien summarisch beschrieben (Piga-
fetta/Lopez 1963; 36-37).
2. Das Woyo-Königreich Ngoyo an der Küste nördlich der Kongomündung, in dem
nur ungemusterte Plüsche hergestellt und ebenfalls nach Luanda ausgeführt wur
den (Dapper 1967: 541).
3. Das Vili-Königreich Loango, das im 16. Jahrhundert ähnlich wie Ngoyo auch ein
mal zum Kongo-Reich gehört hatte. Nach der niederländischen Besetzung von
Luanda und Säo Tomé (1641-48 ) konnte sich der Textilhandel der Ostregion mit
Luanda nicht mehr erholen und wurde von Vili-Kaufleuten aus Loango abgelöst
(Hilton 1987: 164-65; Heintze 1989: 120-21). Die Vili belieferten mit jenen Pro
dukten aber nicht nur die Portugiesen in Luanda, sondern auch die niederländi
schen und englischen Sklavenhändler in der quasi unabhängigen Kongo-Provinz
Sonyo (heute Nordangola) mit ihrem eigenen Hafen Mpinda (Hilton 1987;
201-02). Gegen Ende des 17. Jahrhunderts ging dieser Handel mit Palmfaser-
Geweben en gros dann langsam zu Ende (Heintze 1989: 121; vgl. aber Zucchelli
1715: 210-11). Um 1775 trugen die Vornehmen nördlich der Kongomündung dann
nur noch europäische Stoffe (Proyart 1968: 109).
Die erste Möglichkeit scheidet aus chronologischen, die zweite aus ikonographi-
schen Gründen aus. Somit kommt für die Herkunft unseres Stuttgarter Plüschs wie
auch der ihm entsprechenden Stücke in Ulm, Kopenhagen usf. nur noch Loango in
Frage. Auch Schaedler (1987: 376) vermutet für das Ulmer Stück eine Herkunft von
der Küste, also letztlich wohl auch aus Loango, weil sein Mäanderdekor ganz den
rezenten Skarifikationen bei den Yombe, östlichen Nachbarn der Vili im Binnenland,
entspricht (vgl. ibid.: Farbtaf. 136-37).
Plüschierte Stickereien aus Palmblatt-Fasern sind für Loango schon seit dem Beginn
des 17. Jahrhunderts belegt (Stritzl 1971: 43). Besonders überzeugend für unsere
Argumentation ist aber der großartige, 1668 erschienene Bericht des Niederländers
Dapper (1967: 512) über Loango:
»Die Männer tragen lange Kleider/ welche vom mittelleibe bis auf die Füße rei
chen/und unten mit Frantzen besetzt seynd. Aber mit dem Oberleibe gehen sie
bloß. Der Zeug darzu ist unterschiedlich/und fürnehmlich auf vielerley weise
gemacht. Darunter ist eine Tracht/die niemand/als der König/und der
selbe/dem er es aus sonderlicher Gunst zu lesse/zu tragen vermag.
Keine Weber dürfen auch solche Kleider/die sie Libongo und Bondo nennen/auf
Leibesstrafe/verkauffen. Sie seynd zweyerley; die besten/welche man Kimbos nen
net/und die g rösten des Adels tragen/seynd sehr zahrt/und ahrtig m i t
vielerley Bildern gemacht. Ein iedes ist ohngefehr dritte
halbe Spanne breit: daran ein Weber 15 oder 16 Tage/darnach er