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Firla/Forkl: Afrikaner und Africana am württembergischen Herzogshof
Cabinda) und vor allem das viel weiter nördlich in der heutigen Republik Kongo
gelegene, nicht mit Chiloango zu verwechselnde, Chilungo (Bastian 1874: 156). Ein
Blick auf die jeweiligen Karten belegt, daß es sich bei Dappers reichem Elfenbein-
Exportgebiet Chilongo und bei Bastians Chilungo um die gleiche Region handelt.
Es liegt also nahe, in den spiraligen Darstellungen beider Typen beschnitzter
Stoßzähne eine nur den Vili eigene Kontinuität der Darstellung zu sehen. Ross (1992:
36) datiert die späteren, figürlich verzierten Zähne in den Zeitraum zwischen ca.
1830 und 1900. Somit neigen wir zu dem Schluß, daß unsere »gewundenen« elfen
beinernen Blashörner eine »Laufzeit« von ca. 1530 bis 1830 hatten. War die Zäsur,
nach der die figürlich verzierten Zähne ihre große Zeit hatten, die von Alpers (1992:
357) vermerkte Abschaffung des offiziellen portugiesischen Handelsmonopols für
den Export aus dem westlichen Zentralafrika im Jahr 1836, die den Vili-Schnitzern
von nun an neue europäische Märkte erschloß?
Jedenfalls muß unser Elfenbein-Horn 18.359 nicht unbedingt schon ein Jahrhundert
vor seiner Ersterwähnung 1642 hergestellt worden sein - ebensowenig wie KK 124
aus Sierra Leone dann angeblich schon zwei Jahrhunderte vor seiner Ersterwähnung
zwischen 1670 und 1692. Im Unterschied zu unserer plüschierten Stickerei und dem
Deckelkörbchen, die beide einen langen Weg zusammen mit dem Afrikaner Chri
stian Real zurückgelegt haben könnten, ist über die Herkunft des Horns 18.359 nichts
weiter bekannt, als daß es ebenfalls von den Vili des Königreichs Loango stammt.
Auch darüber, wie das Sapi-portugiesische Horn KK 124 noch später in die Kunst
kammer gelangte, können wir nur mutmaßen. Direkte oder indirekte Verbindungen
des Stuttgarter Hofs zur westafrikanischen Küste und speziell zu Loango (Abb. 16)
müssen jedoch schon ab spätestens 1624 (s. o. 3.1.) bestanden haben.
4. Schluß
Wir haben gesehen, daß die beiden Afrikaner Eberhard Christoph und Christian Real
im Stuttgart Eberhards III. nach kurzer Zeit nicht nur als freie Menschen lebten, son
dern ihre soziale Stellung darüber hinaus, soweit irgend feststellbar, der ihrer in Süd-
west-Deutschland geborenen Standesgenossen entsprach. Auch wenn sie nicht
zuletzt aus exotistischen Motiven an den Hof geholt wurden, so war man doch gleich
zu Anfang um ihre religiöse Integration und damit Gleichstellung bemüht, was weder
für afrikanische Sklaven in Amerika noch für Afrikaner in den späteren europäischen
Kolonien überall eine Selbstverständlichkeit war. Sie übten einen qualifizierten
Beruf aus, waren rechtlich gleichgestellt, einer von beiden heiratete eine Einheimi
sche, und im übrigen waren sie bei ihren Stuttgarter Mitmenschen so beliebt oder
unbeliebt wie diese untereinander auch.
Es besteht somit kein Grund zu der Annahme Martins (1993: 68-69, 73), auch nicht
auf Grund der Gerichtsakten anläßlich des Überfalls auf Real, rassistische Vorurteile
gegen Afrikaner seien in Europa aus einer Abneigung der »Kleinen Leute« gegen
höfische Verschwendungssucht entstanden. Solche Vorurteile gehören vielmehr
gerade in den Umkreis von Vertretern der sog. Aufklärung des 18. Jahrhunderts
(Sadji 1979; Firla 1995 b) und in das Kolonialzeitalter des 19. Jahrhunderts und schie
nen durch weltwirtschaftliche »Sachzwänge« geboten. Symptomatisch dafür ist, daß
zu Beginn unseres Jahrhunderts die Berliner »Deutsche Tageszeitung« die Tatsache,
daß ein Afrikaner als Pauker in einem Grenadierregiment Kaiser Wilhelms II. diente,
empört kritisierte (Martin 1993; 126).
Den ästhetischen wie finanziellen Wert in die Kunstkammer aufgenommener Realien
aus Übersee, einerlei, ob man sich ihrer afrikanischen, indischen usf. Herkunft
bewußt war, setzte man im Stuttgart des 17./18. Jahrhunderts recht hoch an, wenn wil
den von Eberhard III. für die plüschierte Stickerei und das Deckelkörbchen aus
Loango veranschlagten Preis von 22 Reichstalem, aber auch die spätere liebevolle
Beschreibung des Körbchens und der beiden Elfenbein-Hörner aus Loango bzw.
Sierra Leone in den Inventaren bedenken. Daß unserem Plüsch später nicht die glei
che Gunst widerfahren ist, dürfte auf seinen »Schwartzer Mackel« zurückzuführen
sein. Der aber deutet wiederum daraufhin, daß die Plüschdecke - wie auch das eben-