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Full Text: Tribus, 44.1995,N.F.

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Firla/Forkl: Afrikaner und Africana am württembergischen Herzogshof 
Cabinda) und vor allem das viel weiter nördlich in der heutigen Republik Kongo 
gelegene, nicht mit Chiloango zu verwechselnde, Chilungo (Bastian 1874: 156). Ein 
Blick auf die jeweiligen Karten belegt, daß es sich bei Dappers reichem Elfenbein- 
Exportgebiet Chilongo und bei Bastians Chilungo um die gleiche Region handelt. 
Es liegt also nahe, in den spiraligen Darstellungen beider Typen beschnitzter 
Stoßzähne eine nur den Vili eigene Kontinuität der Darstellung zu sehen. Ross (1992: 
36) datiert die späteren, figürlich verzierten Zähne in den Zeitraum zwischen ca. 
1830 und 1900. Somit neigen wir zu dem Schluß, daß unsere »gewundenen« elfen 
beinernen Blashörner eine »Laufzeit« von ca. 1530 bis 1830 hatten. War die Zäsur, 
nach der die figürlich verzierten Zähne ihre große Zeit hatten, die von Alpers (1992: 
357) vermerkte Abschaffung des offiziellen portugiesischen Handelsmonopols für 
den Export aus dem westlichen Zentralafrika im Jahr 1836, die den Vili-Schnitzern 
von nun an neue europäische Märkte erschloß? 
Jedenfalls muß unser Elfenbein-Horn 18.359 nicht unbedingt schon ein Jahrhundert 
vor seiner Ersterwähnung 1642 hergestellt worden sein - ebensowenig wie KK 124 
aus Sierra Leone dann angeblich schon zwei Jahrhunderte vor seiner Ersterwähnung 
zwischen 1670 und 1692. Im Unterschied zu unserer plüschierten Stickerei und dem 
Deckelkörbchen, die beide einen langen Weg zusammen mit dem Afrikaner Chri 
stian Real zurückgelegt haben könnten, ist über die Herkunft des Horns 18.359 nichts 
weiter bekannt, als daß es ebenfalls von den Vili des Königreichs Loango stammt. 
Auch darüber, wie das Sapi-portugiesische Horn KK 124 noch später in die Kunst 
kammer gelangte, können wir nur mutmaßen. Direkte oder indirekte Verbindungen 
des Stuttgarter Hofs zur westafrikanischen Küste und speziell zu Loango (Abb. 16) 
müssen jedoch schon ab spätestens 1624 (s. o. 3.1.) bestanden haben. 
4. Schluß 
Wir haben gesehen, daß die beiden Afrikaner Eberhard Christoph und Christian Real 
im Stuttgart Eberhards III. nach kurzer Zeit nicht nur als freie Menschen lebten, son 
dern ihre soziale Stellung darüber hinaus, soweit irgend feststellbar, der ihrer in Süd- 
west-Deutschland geborenen Standesgenossen entsprach. Auch wenn sie nicht 
zuletzt aus exotistischen Motiven an den Hof geholt wurden, so war man doch gleich 
zu Anfang um ihre religiöse Integration und damit Gleichstellung bemüht, was weder 
für afrikanische Sklaven in Amerika noch für Afrikaner in den späteren europäischen 
Kolonien überall eine Selbstverständlichkeit war. Sie übten einen qualifizierten 
Beruf aus, waren rechtlich gleichgestellt, einer von beiden heiratete eine Einheimi 
sche, und im übrigen waren sie bei ihren Stuttgarter Mitmenschen so beliebt oder 
unbeliebt wie diese untereinander auch. 
Es besteht somit kein Grund zu der Annahme Martins (1993: 68-69, 73), auch nicht 
auf Grund der Gerichtsakten anläßlich des Überfalls auf Real, rassistische Vorurteile 
gegen Afrikaner seien in Europa aus einer Abneigung der »Kleinen Leute« gegen 
höfische Verschwendungssucht entstanden. Solche Vorurteile gehören vielmehr 
gerade in den Umkreis von Vertretern der sog. Aufklärung des 18. Jahrhunderts 
(Sadji 1979; Firla 1995 b) und in das Kolonialzeitalter des 19. Jahrhunderts und schie 
nen durch weltwirtschaftliche »Sachzwänge« geboten. Symptomatisch dafür ist, daß 
zu Beginn unseres Jahrhunderts die Berliner »Deutsche Tageszeitung« die Tatsache, 
daß ein Afrikaner als Pauker in einem Grenadierregiment Kaiser Wilhelms II. diente, 
empört kritisierte (Martin 1993; 126). 
Den ästhetischen wie finanziellen Wert in die Kunstkammer aufgenommener Realien 
aus Übersee, einerlei, ob man sich ihrer afrikanischen, indischen usf. Herkunft 
bewußt war, setzte man im Stuttgart des 17./18. Jahrhunderts recht hoch an, wenn wil 
den von Eberhard III. für die plüschierte Stickerei und das Deckelkörbchen aus 
Loango veranschlagten Preis von 22 Reichstalem, aber auch die spätere liebevolle 
Beschreibung des Körbchens und der beiden Elfenbein-Hörner aus Loango bzw. 
Sierra Leone in den Inventaren bedenken. Daß unserem Plüsch später nicht die glei 
che Gunst widerfahren ist, dürfte auf seinen »Schwartzer Mackel« zurückzuführen 
sein. Der aber deutet wiederum daraufhin, daß die Plüschdecke - wie auch das eben-
	        
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