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Full Text: Tribus, 44.1995,N.F.

TRIBUS 43, 1994 
286 
Lieder auf der Basis von Transkriptionen in musikali 
scher Hinsicht analysiert. 
Die Arbeit Blancs ist zwar aus dem Seminar für Völker 
kunde der Universität Münster hervorgegangen, wo 
bereits seit 1986 eine eigene Arbeitsstelle für afrikanische 
Erzählforschung existiert, sie erhebt jedoch - wie der 
Untertitel zeigt - den Anspruch, »eine musikethnologi 
sche Untersuchung« des Materials zu liefern, das von 
Rüdiger Schott und seinen Mitarbeitern im Rahmen meh 
rerer Feldforschungen gesammelt wurde. Damit sind wir 
auch gleich bei einem Problem, das die Autorin selbst in 
einem Abschnitt zur Quellenlage (S. 7 ff.) thematisiert. Sie 
stützt sich nämlich nicht auf eigene Anschauung vor Ort, 
sondern ausschließlich auf Cassettenaufnahmen, die 
»nicht systematisch nach musikalischen Gesichtspunkten 
gesammelt wurden« (S. 8). So lobenswert die Auswertung 
solcher Archivbestände zweifellos ist, sollte sie doch, 
wenn irgend möglich, durch eigenes Vergleichsmaterial 
abgesichert werden. So wäre es sicher möglich gewesen, 
die Fragen weiterzuverfolgen, die auch nach Auffassung 
Blancs eine Anwesenheit vor Ort erfordert hätten (S. 8). 
Selbst wenn man diese Tendenz als übertrieben kritisieren 
mag, so sind doch bereits für ethnomusikologische Magi 
sterarbeiten eigene Feldforschungen mittlerweile gang 
und gäbe. 
Darüber hinaus ist leider auf gewisse terminologische 
Schwächen der Arbeit hinzuweisen, die sich in der Ana 
lyse fortsetzen. So hält Blanc den Begriff »Motiv« für 
ersetzbar durch »Periode« (S. 16), als »Motivtypen« ste 
hen ohne weitere Erklärung »Rezitation«, »Ambitus und 
Duktus« (sic!) und »Tonrepetition« nebeneinander (S. 17 
und 142). Die Definition des abendländischen »Takt«- 
Begriffs als »Rhythmus in genauem Zeitmaß« (S. 17) 
dürfte so für Musikhistoriker kaum akzeptabel sein. 
Entscheidend ist aber wohl die Beurteilung von Blancs 
Trankriptionen »als Basis für die Strukturanalyse« 
(S. 19). Zurecht bemerkt die Autorin, daß sie eine Vor 
aussetzung für eine detaillierte musikwissenschaftliche 
Untersuchung darstellen, sie weist allerdings selbst dar 
auf hin, daß es ihr nicht möglich war, »die genaue Ton 
höhe, Intervallabstände und weitere klangliche Details zu 
erfassen« (S. 19). Um die Lieder besser miteinander ver 
gleichen zu können, hat sie »die vorzeichenlose Tonart C- 
Dur verwendet« (S. 22). Betrachtet man jedoch die Trans 
kriptionen, so findet man zahlreiche Vorzeichen, die 
zudem sofort die Frage nach dem zugrundeliegenden 
Tonsystem aufwerfen, die jedoch nicht behandelt wird. 
Auch hinsichtlich der temporalen Organisation bleibt 
manches offen. Das für die Erforschung afrikanischer 
Musikkulturen so zentrale Konzept der Pulse als kleinste 
zeitliche Einheiten (Elementarpulsation) wird von Blanc 
bloß erwähnt (S. 79), jedoch nicht auf das Material ange 
wandt. Inwieweit der zyklische Charakter der Stücke 
durch eine Formzahl ausgedrückt werden könnte, bleibt 
ebenso offen wie eine Erklärung für die teilweise wech 
selnden Phrasenlängen von Zeilen bzw. Strophen (z. B. 
S. 89). 
Wenn die Arbeit Blancs sich also vom musikwissen 
schaftlichen Standpunkt aus einige Kritik gefallen lassen 
muß, so bleibt doch das eingangs erwähnte Verdienst, uns 
auf ein sehr interessantes Repertoire aufmerksam 
gemacht zu haben, das eine weitere Bearbeitung verdient, 
wie die Autorin selbst an mehreren Stellen ihrer Arbeit 
bemerkt. Für eine derartige weitergehende Studie wäre 
jedoch - was die musikwissenschaftliche Analyse des 
Materials betrifft - eine Kooperation mit Ethnomusikolo- 
gen anzuraten. 
Gerd Grupe 
Braukämper, Ulrich/Schlottner, Michael 
(Hrsg.): 
Kulturentwicklung und Sprachgeschichte im 
Naturraum Westafrikanische Savanne, Bd. 3. 
Berichte des Sonderforschungsbereichs 268. 
Frankfurt a. M.: Johann Wolfgang Goethe- 
Universität, 1993. 81 Seiten. 
Die Beiträge zu diesem Bändchen gehen auf Vorträge 
zurück, mit denen der Frankfurter Sonderforschungsbe 
reich 268 in einem Symposium anläßlich der Tagung der 
Deutschen Gesellschaft für Völkerkunde in München 
1991 vorgestellt wurde. Die Publikation hat daher weit 
gehend programmatischen Charakter, d. h. die meisten 
Aufsätze bringen einen aktuellen Bericht über die For 
schung als Ergebnisse. Hinter dem »Naturraum westafri 
kanische Savanne«, der im Titel des SFB den geographi 
schen Rahmen der Untersuchung bildet, verbergen sich 
konkret zwei Ausschnitte aus diesem Raum: das Voltage 
biet und Nordostnigeria. Nach »Einleitende(n) Bemer 
kungen zum Programm des Sonderforschungsbereichs« 
von E. Haberland beschäftigen sich vier Beiträge mit dem 
ersten, drei mit dem zweiten Gebiet. Während der SFB 
interdisziplinär angelegt ist und die Sprachwissenschaft 
darin einen Schwerpunkt bildet, sind die Autoren des vor 
liegenden Büchleins - mit einer Ausnahme - Ethnologen. 
In zwei Beiträgen, von H. Schneider (Burkina Faso) und 
J. Adelberger (Nordostnigeria), sind parallele Untersu 
chungen von Linguisten mit einbezogen. Teilweise steckt 
die interdisziplinäre Zusammenarbeit wohl noch in den 
Anfängen; so würde man sich wünschen, daß Ethnologen 
dem Geographen W. Fricke für den Aufsatz »Wandlungen 
der Agrar- und Siedlungsstruktur bei den Tula Baule 
(Bauchi State, Nordost-Nigeria) seit dem zweiten Welt 
krieg« einige Hinweise auf agrarethnologisch relevante 
Literatur gegeben hätten, die über Gunn (1953, 1956) und 
Netting (1968) hinausgeht. Hier ist auch eine Bemerkung 
notwendig, die die Zusammenarbeit innerhalb des Faches 
betrifft: Es verwundert, daß der Name von Annemarie 
Fiedermutz, die die Forschungsmöglichkeiten des SFB in 
Burkina Faso durch jahrelange Kontakte dorthin und wie 
derholte Aufenthalte und Forschungen in enger Zusam 
menarbeit mit dem Frobenius-Institut vorbereitet hat, nir 
gends genannt wird. 
Als übergreifendes Thema des SFB werden Naturraum 
und kulturelle Entwicklung in ihrer Beziehung zueinander 
herausgestellt. Die Zusammenarbeit von Ethnologie und 
Linguistik erfolgt vor allem im Hinblick auf kulturhistori 
sche Fragestellungen. Einen Schwerpunkt des SFB bilden 
auch Untersuchungen der materiellen Kulturausstattung, 
im vorliegenden Band vertreten durch M. Schottner 
»Materielle Kultur und Rekonstruktion der Vergangenheit 
am Beispiel von Musikinstrumenten in Nordost-Ghana« 
und H. P. Hahn »Verhüttung und Schmiede in Nord-Togo«. 
Schlottner und auch Schneider empfinden offenbar eine 
Notwendigkeit, die schwerpunktmäßige Beschäftigung 
mit »materieller Kultur« zu verteidigen; sie erklären (bes.
	        
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