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Full Text: Tribus, 44.1995,N.F.

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Buchbesprechungen Afrika 
Schlottner) ausführlich, daß und wie sich ihre Arbeit von 
Methoden und Zielen vergangener kulturhistorischer 
Schulen unterscheidet. Am eindeutigsten unter dem 
Thema »Naturraum und Kulturentwicklung« steht der 
Aufsatz von U. Braukämper »Umweltanpassung ara 
bisch-sprachiger Rindernomaden (Shuwa) im nigeriani 
schen Tschadsee-Gebiet«. Dieser vorläufige Bericht läßt 
die Untersuchung einer bisher wenig bekannten Sonder 
form von Rinderhirtenwirtschaft erwarten. In seinen 
historischen Rekonstruktionen knüpft Braukämper an 
seine frühere Arbeit zur Entwicklung der Rinderzucht bei 
Sudan-Arabern (Baggara) an. 
In den genannten Rahmen, Naturraum und Kultur, ist 
auch ein Aufsatz von U. Ritz-Müller eingepaßt, der sich 
vorwiegend mit religiösen Vorstellungen befaßt: »Gesell 
schaft und Umwelt; zum Naturkonzept der Kademba in 
Burkina Faso«. Dieser Beitrag hat nicht den Vorschau- 
Charakter der anderen, sondern den einer eigenständigen 
interpretierenden Untersuchung. Besonders beachtens 
wert finde ich darin die Vorstellungen über die Herkunft 
der Kinder, die einige - vielleicht nicht beantwortbare - 
Fragen offenlassen, sowie über den Wasserhaushalt, der. 
wie häufig in Westafrika belegt, von einer Schlange kon 
trolliert wird. Das Knüpfen von Bindungen zwischen 
Menschen und Natur- bzw. Geistmächten zieht sich als 
treffendes Interpretationsmodell durch den Artikel: 
»Natur wird zur gesellschaftlichen Kategorien.. «(27). 
Barbara Frank 
Bureau, Jacques, en collaboration avec 
Eshetou Wonbera: 
Le Verdict du Serpent. Mythes, Contes et 
Récits des Gamo d’Ethiopie. (Bulletin de la 
Maison des Etudes Etiopiennes, No. 4). 
Paris, Addis-Abeba: Centre des Recherches 
Africaines/Maison des Etudes Etiopiennes, 
1994. 246 Seiten mit 3 Karten. 
Das Buch stellt eine kurze Anthologie der oralen Litera 
tur der Gamo im südwestlichen Äthiopien dar, die Jac 
ques Bureau mit Hilfe der langjährigen Mitarbeit von 
Eshetou Wonbera, seinem kenntnisreichen Führer und 
Dolmetscher, erstellt hat. 
Unentbehrlich für das unmittelbare Verständnis der 
Texte, aber auch bestimmter darin behandelter Themen, 
ist die kurze, informative Einleitung. Sie gibt einen 
Überblick über die Kultur und Geschichte der Gamo 
sowie den Stellenwert ihrer Literatur innerhalb der äthio 
pischen. Behandelt werden »die >Fürstentümer< (im Ori 
ginal »principautés«, K.G.) der Gamo«, »die kulturelle 
Einheit der Gamo«, »der Platz der Gamo innerhalb Äthio 
piens« sowie die »orale und schriftliche Literatur«. Der 
Autor nimmt dabei auf relevante Texte der Sammlung 
Bezug und vermeidet dadurch das Überhandnehmen von 
Fußnoten und bibliographischen Hinweisen in den Erzäh 
lungen. Weniger verschachtelte Sätze könnten das Lesen 
jedoch wesentlich angenehmer gestalten. 
Die Geschichten der Gamo werden - auch durch Heran 
ziehen von Versionen anderer äthiopischer Bevölke- 
rungsgruppen - in den Rahmen der nationalen Kultur 
gestellt, wobei Gemeinsamkeiten und Unterschiede her 
ausgearbeitet werden. 
Den Stellenwert von schriftlichen und mündlichen Tra 
ditionen beschreibt Bureau als Dominanz der ersteren. 
Wünschenswert wäre es, wenn sich diese Vorherrschaft 
nicht auch durch überproportionale Gewichtung in den 
Ausführungen widerspiegeln, sondern der oralen Litera 
tur etwas mehr Beachtung geschenkt würde. Die Gamo 
sehen dem Autor zufolge die Schrift als Instrument der 
Kultur und der nationalen Macht des alten wie des 
modernen Äthiopiens. Sie empfinden es als Manko, 
keine Schrift zu besitzen, und wollen Zugang dazu 
haben. Ihre oralen Traditionen wie auch die zahlreicher 
anderer äthiopischer Völker stießen nie auf dasselbe 
Interesse wie diejenigen im restlichen Afrika. Selbst 
Bücher, die der Gesamtheit der Literatur Äthiopiens 
gewidmet sind, berücksichtigen im allgemeinen nur die 
schriftliche Literatur. Diese war auf ge’ez oder amha- 
risch, bis auf wenige Ausnahmen zunächst religiös und 
elitär auf den Klerus beschränkt und den Traditionen des 
Volkes mißtrauisch gegenüber. Ihre Intention der Beleh 
rung übernahm die weltliche Literatur, die sich seit 
einem Jahrhundert herauszubilden begann. Die oralen 
Traditionen blieben verkannt und verleugnet, doch 
zugleich der Zufluchtsort für Humor, für Absurdes, für 
Wunder, Falschheit und Revolte. 
Die Einführung schließt mit den Worten: »Jetzt kommt 
das Urteil der Schlange, die entscheiden wird über richtig 
und falsch, über Wahrheit und Lüge« (S.21, Übers. 
K. G.). Diese Überleitung kann exemplarisch die gelun 
gene Verbindung zwischen den ethnologischen Erläute 
rungen und den Texten selbst verdeutlichen: Den Titel der 
ersten Erzählung wie auch des Buches aufgreifend, 
umreißt sie kurz den Inhalt dieser Geschichte und ver 
weist zudem auf die Bedeutung der mündlichen Traditio 
nen an sich. 
Den Hauptteil des Buches bilden 44 Texte oraler Litera 
tur der Gamo - ein Viertel der von Bureau und Eshetou 
zwischen 1973 und 1983 aufgenommenen Sammlung. 
Besondere Hervorhebung verdient die Tatsache, daß im 
ersten Teil die Texte in äthiopischen Schriftzeichen und 
erst im zweiten Teil deren französische Übersetzungen 
publiziert sind. Die gewählte Transkription in äthiopi 
schen und nicht lateinischen Schriftzeichen entspricht 
den Gamo selbst, die heute tendenziell eher ihr Äthio- 
piertum in Anspruch nehmen, auch und insbesondere 
durch Gebrauch des äthiopischen Alphabets. Die Text 
sammlung umfaßt, wie vom Untertitel des Buches 
bereits angekündigt, eine große Spannbreite - Mythen, 
Märchen und Erzählungen. Verbote und die Folgen ihrer 
Überschreitung sowie historische Verbindungen der 
Gamo bilden die großen Themenkomplexe. Die ausge 
wählten oralen Traditionen vermitteln einen Einblick in 
das Denk- und Wertesystem der Kultur und die 
geschichtlichen Entwicklungen der Region. Auf zentrale 
Inhalte und Aussagen ist der Leser bereits durch die Ein 
führung eingestimmt, so daß nur wenige Konzepte oder 
Metaphern besonderer Erklärungen bedürfen, welche als 
Anmerkungen unmittelbar dem jeweiligen Text folgen. 
Ferner zeugen die Geschichten von einer manchmal 
ungezügelten Phantasie. 
Ein Glossar, ein thematischer Index, eine Liste der 
Erzähler mit Angaben zu deren Geschlecht, Herkunftsort 
und Tätigkeit, ein Index der Herkunftsgegenden der 
Texte sowie eine auf die Einleitung bezogene Auswahlbi 
bliographie vervollständigen das Buch.
	        
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