Buchbesprechungen Amerika
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auf private Sammlungen. Außerdem hat er Zeitzeugen
befragt und Reiseliteratur, Enzyklopädien, Lexika,
Monographien und Artikel in Zeitungen und Zeitschrif
ten ausgewertet und damit, wie Ernst Hammerschmidt in
seinem Geleitwort ausdrückt, »zahlreiche bisher noch
unbekannte Tatsachen herausgefunden und neuentdeckte
Zusammenhänge aufgezeigt«.
Bairu Tafla beginnt nach der Einleitung mit einer sehr
genauen Beschreibung der diplomatischen Kontakte, die
er in drei Kapitel unterteilt;
- die Vorstufe der diplomatischen Beziehungen von 1852
bis 1904
- der Zeitraum von 1904 bis 1918
- die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg bis 1988.
In Kapitel fünf untersucht er die ökonomischen und kul
turellen Beziehungen. Er geht dabei insbesondere auf die
große Bedeutung des Mariatheresientalers ein, der als
Währung in Äthiopien bis 1944 benutzt wurde. Es
schließt sich eine Unterteilung in einen wissenschaftli
chen (Kapitel sechs) und einen nicht wissenschaftlichen
österreichischen Beitrag (Kapitel sieben) zu den äthiopi
schen Studien an, wobei sich hier gewisse Überschnei
dungen mit den vorherigen Kapiteln nicht vermeiden
ließen. Im letzten Kapitel (acht) werden die klerikalen
Kontakte beider Länder aufgezeigt.
Die entscheidenden Bestandteile der Geschichte interna
tionaler Beziehungen sind die diplomatischen und ökono
mischen, die immer eng miteinander verknüpft sind. Die
sen hat sich Bairu Tafla im besonderen in den ersten vier
Kapiteln gewidmet. Die diplomatische Kontaktaufnahme
war von ökonomischen Motiven bestimmt. Somit unterlag
die Mission des Constantin Reitz den merkantilistischen
Interessen Österreich-Ungarns, um den britischen, fran
zösischen sowie italienischen zuvorzukommen. Anfang
des 20. Jahrhunderts begann Österreich-Ungarn neben
diplomatischen Beziehungen auch Handelsstützpunkte
zu errichten. 1905 wurde in einem Handelsabkommen
mit Äthiopien freier Ex- und Import beschlossen. Auch
Äthiopien, das sich durch die Kolonialmächte Großbri
tannien, Frankreich und Italien eingeschlossen fühlte,
versuchte als souveränes Land diplomatische Kontakte
zu anderen Ländern aufzubauen. Menelik II. bemühte
sich um Österreich-Ungarn, weil es keine kolonialen
Ansprüche auf Äthiopien erhob, im Gegensatz zu Italien.
Vorrangig war nur ein guter Wille von beiden Seiten fest
zustellen. Man unternahm jedoch keine konkreten
Schritte, um diesen auch in die Tat umzusetzen. Trotzdem
wurden die Beziehungen zwischen Österreich-Ungarn
und Äthiopien langsam aufgebaut, immer jedoch durch
bürokratische Irrwege und durch das gegenseitige Miß
trauen sowie die koloniale Interessenpolitik erschwert.
Erst 1912 richtete man das erste österreichisch-ungari
sche Konsulat in Addis Ababa ein. Einzelne Pioniere, wie
z. B. Karl Schwimmer, der erste Honorarkonsul, spielten
dabei eine wichtige Rolle. Nach Kriegsausbruch 1914
wurde er nach Österreich zurückgerufen.
1923 wurde das Konsulat auf Betreiben von österreichi
schen Geschäftsleuten, die sich in Äthiopien niedergelas
sen hatten, wiederbelebt. Dr. Erich Weinzinger ernannte
man zum Honorarkonsul, und 1926 schloß man ein
Freundschafts- und Handelsabkommen. Durch den Zwei
ten Weltkrieg w'aren die offiziellen diplomatischen
Beziehungen unterbrochen worden und wurden erst von
Haile Selassie wieder aufgenommen.
Das Buch von Bairu Tafla ist eine sehr gute und genaue
Schilderung über die Beziehungen zweier Länder aus
sehr unterschiedlichen Kulturkreisen. Es zeigt auf, daß
einzelne Reisende und Pioniere zum Aufbau der Bezie
hungen beider Länder entscheidend beigetragen haben,
und es macht deutlich, daß die ökonomischen Interessen
vor den politischen die treibende Kraft in der Annäherung
war. Da Österreich keine kolonialen Ansprüche auf
Äthiopien hatte, war auch eine gegenseitige Ännäherung
möglich. Dieses Buch ist ein wertvoller Beitrag zu den
Forschungen über Äthiopien.
Renate Best
Baer, Gerhard / Hammacher, Susanne /
Seiler-Baldinger, Annemarie (Hg.);
Die Neue Welt 1492-1992 - Indianer zwi
schen Unterdrückung und Widerstand.
Basel-Boston-Berlin; Birkhäuser, 1992. 155
Seiten, zahlreiche SW-Abbildungen, Zeich
nungen, Karten
In einer Welt (auch der »indianischen«), in der selbst die
Wissenschaft vom Zeitgeist nicht verschont bleibt, ist es
recht schwierig, sich objektiv zu Ereignissen wie dem
Kolumbusjahr 1992 zu äußern. Wie viele andere Bereiche
der Geisteswissenschaften ist auch die Völkerkunde, hier
speziell die Amerikanistik, in der jüngeren Vergangenheit
nicht davon verschont geblieben. Unbewiesenes und
Halbwahrheiten, die auch durch ständiges Wiederholen
nicht wahr werden, zu übernehmen und weiterzutragen.
Das Museum für Völkerkunde in Basel hat 1992 mit sei
ner Kolumbusausstellung und der vorliegenden »Begleit
publikation« versucht, diese Klippen mit der Vorlage von
Fakten zu umschiffen - völlig gelungen ist das nicht.
Abgesehen von Generalisierungen, wie zum Beispiel der
Behauptung einer »vorwiegend sakralen Nutzung« von
Tabak und Kokain durch »Indianer« (zu ersterem sei bei
spielsweise auf das tagtägliche Paffen der [historischen]
»Indianer« von allen möglichen Kräutern hingewiesen,
wenn der Tabak ausgegangen war; zu letzterem seien die
andinen Hochlandindianer als Beispiel angeführt), ist
doch die Bedeutung eines Rohstoffes abhängig von der
vollzogenen wirtschaftlichen Nutzung sowie der Stellung
der mit dem Rohstoff erzeugten Fertigprodukte innerhalb
der jeweiligen Gesellschaft. Beispiel Kautschuk: »Kau
gummi« mag ja dem Zahnerhalte sowie ab und zu dem
Wohlergehen des Magens dienen, das Ballspiel mag in
bestimmten Regionen der indianischen Welt wichtige
gesellschaftliche Funktionen erfüllt haben, doch bedeu
tungsvoll wurde dieser Rohstoff erst in der Industriege
sellschaft, wohin er (und anderes) diese auch führen mag.
Zahlreiche andere »indianische« Rohstoffe ließen sich in
diesem Sinne weiterhin anführen.
Doch es gibt ja so viele von »Indianern« kultivierte Nutz
pflanzen, die sie der Alten Welt gaben ... und aus Anlaß
eines Kolumbusjahres ist es sinnvoll, die daraus gewon
nenen Erzeugnisse erneut vor- und aufzuführen. Dies hat
Basel in sehr anschaulicher und didaktisch vorbildlicher
Weise mit seiner Ausstellung getan.
Neben der Einleitung enthält das diese Ausstellung
begleitende Buch 16 Aufsätze. Es schließt mit einem
Bi Fd- und Quellennachweis sowie einem Autorenver