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Full Text: Tribus, 44.1995,N.F.

TRIBUS 43, 1994 
290 
zeichnis. Eine Bibliographie wird der eine oder andere 
Leser sicher schmerzlich vermissen, auch wenn die mei 
sten Autoren einige ihrer Quellen am Schluß ihres jewei 
ligen Textes erwähnen. 
Den Herausgebern ist es gelungen, bekannte Namen für 
ihr Vorhaben zu gewinnen. Doch von der Einleitung, den 
ersten Beiträgen und einigen anderen abgesehen, hätten 
die meisten der übrigen Artikel durchaus auch in jede 
andere Publikation, zum Beispiel in eine Museumsjahres 
schrift, Eingang finden können. Nach den Antillen, »wo 
die Invasion begann« (Baer), und den entsprechenden 
Beständen in Basel (Haas) wird der Import der afrikani 
schen Sklaven nach Amerika behandelt (Gardi). Dem 
Anliegen der Ausstellung auf den Leib geschneidert ist 
der »Kulturimport« aus der Neuen in die Alte Welt (Sei- 
ler-Baldinger). Es folgen Beiträge über den Aufstand der 
Tzeltal Anfang des 18. Jahrhunderts (Dürr), über die 
Tzotzil und ihre Sicht des Anderen (Köhler) sowie das 
Triqui-Kulturzentrum in Mexiko (Hammacher). Mit dem 
Ausstellungsthema besser konform gehen dann wieder 
Gedanken zum Indianerbild früher Überseereisender 
(Bitterli). Hieran schließen sich Artikel über die erste 
katholische Missionierung im Amazonasgebiet (Cipol- 
letti) und über Quechua-Textilien im Patakancha-Tal an 
(Spinnler-Dürr). Der folgende Aufsatz über Beurteilun 
gen von Pflanzen der Ache in Ostparaguay (Münzel) 
hätte Anlaß für das gesamte Ausstellungsprojekt sein 
können, über die Relativität materieller Kulturwerte, hier 
im indigenen Amerika, nachzudenken. 
In den weiteren Beiträgen wird üöer die Anpassung, aber 
auch die Selbstbehauptung bei den Guarani (Boglär), 
übereine indianische Gemeinschaft in Paraguay (Wicker) 
und über das Amazonasgebiet als Indianerland (Birraux- 
Ziegler) berichtet. Für andere Museumsleute nachah 
menswert ist, daß auch ein Indianer in der Schrift zu Wort 
kommt, seltsamerweise (oder bezeichnenderweise?!) ein 
nordamerikanischer - für die Herausgeber scheint »Die 
Neue Welt« ansonsten nur aus Meso- und Südamerika zu 
bestehen. Es ist der Hopi-Künstler Michael Kabotie 
(Lomawywesa), der drei seiner Gedichte (englischspra 
chig) vorlegt, die außerdem in deutscher Übersetzung 
gedruckt wurden. Zum Schluß gibt Gerber mit seinen 
Ausführungen zum Verhältnis von Museum und Indianer 
Anstoß zum Nachdenken (er schreibt übrigens immer 
noch »Reservat« statt »Reservation«), einen Anstoß, in 
dem es letztlich - aufgezeigt wird ein negatives Beispiel 
in Kanada und die positiv zu wertende US-Indianerge- 
setzgebung der vergangenen Jahre - um Kooperation 
zwischen Autochthonen und Museen oder aber Rückgabe 
von Kulturgut (Restitution) an Eingeborenenmuseen 
geht. Diese Entweder-Oder-Stellung verlangt noch ein 
zusätzliches Wort: 
Über den Sinn völkerkundlicher Museen ist schon oft 
räsoniert worden. Was treibt überhaupt Europa (einge 
schlossen das nichtindigene Nordamerika) dazu, sich für 
fremde Welten, fremde Völker zu interessieren? Grund 
lage dieses Verhaltens war, wie in zahllosen anderen 
menschlichen Bereichen, vor allem die Aussicht auf wirt 
schaftlichen Gewinn. Wie erinnerlich, waren es insbeson 
dere exportorientierte Handelsgesellschaften, die Völker 
kundemuseen mit »Anschauungsmaterial« initiierten. 
Selbstverständlich spielte auch bloße Neugier an fremden 
Ländern eine Rolle. Ein Informationsvorsprung gegen 
über Konkurrenten und detailliertes Wissen über andere 
Völker konnte damals wie heute im Überseehandel in 
bare Münze umgewandelt werden. Das bekannte Wort 
»Wer zu spät kommt... « hat eine lange Tradition. Nach 
und nach folgte dann wissenschaftliches Verstehenwollen 
des Anderen, was schließlich in den Wunsch der Wis 
sensweitergabe, des Lehrens über das Fremde mündete. 
Hier fand das Völkerkundemuseum sein heutiges Ver 
ständnis. Nach jahrzehntelanger Entwicklung hilft es 
gegenwärtig bei der Weckung von Einfühlungsvermögen 
für fremde Menschen. Es hat sich von einem Instrument 
zur Steigerung des Ex- und Imports zu einem Lehrmittel 
der Völkerverständigung gewandelt. Auf diesem Weg 
sollte es weitergehen. Dafür ist das Lehrmittel »völker 
kundliches Kulturgut« unerläßlich. 
Axel Schulze-Thulin 
Berlo, Janet Catherine (Ed.): 
Art, Ideology, and the City of Teotihuacan: a 
Symposium at Dumbarton Oaks 8th and 9th 
October 1988. 
Dumbarton Oaks Research Library and 
Collection, Washington D.C. 1992, 442 Sei 
ten 
Teotihuacan war zu seiner Blütezeit (um 500 n. Chr.) die 
größte Stadt auf dem amerikanischen Kontinent. Schät 
zungen über ihre Einwohnerzahl bewegen sich zwischen 
125000 und 200000, verteilt auf ungefähr 3 Quadratmei 
len (Evans und Berlo, Kap. 1; Millon, Kap. 13). Neben 
den aus der unmittelbaren Umgebung stammenden 
Bevölkerungsgruppen, deren Sprache möglicherweise 
totonakisch oder eine frühe Form des Nahua gewesen ist 
(Cowgill, Kap. 9), lebten auch Gruppen aus anderen Tei 
len des heutigen Mexiko, beispielsweise Zapoteken 
(Spence, Kap.3), in Teotihuacan. Die Stadt war in ein 
Handelsnetz eingebunden, das ganz Mesoamerika 
umspannte und Teotihuacan mit Luxusgütern wie Mica, 
Jade und Spondylusmuscheln versorgte (Sempowski, 
Kap. 2). Die Beziehungen zu den großen Zentren im Tief 
land der Maya-Kultur (Tikal, Uaxactun und Yaxha) 
erreichten im 4. und 5. Jahrhundert ihren Höhepunkt. 
Eine Besonderheit der internen Struktur Teotihuacans ist 
es, daß die wichtigste Gottheit weiblich war (Berlo, 
Kap. 6) - als einzige in Mesoamerika. Ihr zu Ehren und 
auch zu Ehren Quetzalcoatls wurden Menschenopfer dar 
gebracht, was neuere Ausgrabungen im Tempel des 
Quetzalcoatl zu belegen scheinen (Sugiyama, Kap. 8). 
Innerhalb Teotihuacans gab es Werkstätten für Stein 
metze, die die berühmten Steinmasken (aus Jadeit, Ser 
pentin, Onyx, Mica u.a.) (Turner, Kap. 4) und Pyritspie 
gel (Taube, Kap. 7) fertigten. Bemerkenswert erscheint, 
daß diese Werkstätten, die Objekte für rituelle Zwecke 
herstellten, in der Umgebung der Elitewohnviertel und 
Tempel lagen. Möglicherweise stammten die Steinmetze 
selbst aus der Oberschicht oder sie wurden zumindest 
direkt von ihr kontrolliert. 
Insgesamt läßt dieser Band den Leser mit geteilter Mei 
nung zurück. Einerseits ist es eine lobenswerte Absicht, 
eine Artikelsammlung über ein weniger erforschtes 
Gebiet zu veröffentlichen und den gegenwärtigen For 
schungsstand zu präsentieren. Andererseits sollte dies 
jedoch in bestmöglicher Form geschehen und man fragt
	        
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