Amborn; Von der Stadt zur sakralen Landschaft
legt worden ist. Jedenfalls wurde über spätere Erweiterungen nichts erwähnt. Auch
im Stadtbild lassen sich keine Erweiterungen erkennen.
Die Wanderung nach oder von Liban wird stets in die Zeit von Mohammed Graan
und damit in die Jahre des lang andauernden Krieges zwischen dem christlichen Nor
den und den islamischen Staaten des Osthoms gelegt. Nach dem Tod von Graan
(1543), als die Oromo sukzessive in die von den rivalisierenden Großmächten nicht
mehr kontrollierten Länder vordrangen, gerieten auch andere Völker im Süden
Äthiopiens in Bewegung. 8 In diese Zeit verlegten auch die Konso und Dirasa die Ein
wanderung in ihre heutigen Siedlungsgebiete (Feldforschungsergebnis des Bearbei
ters). Da sich auch die Genealogien verschiedener Burji-Lineages etwa bis in diese
Zeit zurückverfolgen lassen - was sie mit Lineages anderer Ethnien der Burji-Konso-
Gruppe gemein haben -, kann heute kaum ein Zweifel daran bestehen, daß Burji-
Stadt mindestens seit dem Ende des 16. Jahrhunderts besteht.
Abgesehen von Antoine d’Abbadie gelangten erst gegen Ende des letzten Jahrhun
derts Europäer in das Gebiet des heutigen Südäthiopiens. Dann allerdings setzte eine
rege Reisetätigkeit ein. Einige der damaligen Abenteurer, Agenten oder vorwiegend
naturwissenschaftlich interessierten Reisenden besuchten auch Burji. Am ausführ
lichsten und ethnologisch am aufschlußreichsten sind die Berichte der Bottego-
Expedition (von Vannutelli und Citerni 1899 veröffentlicht) und des bereits erwähn
ten Donaldson Smith (1897). Diese Forscher gelangten kurz vor der amharischen
Eroberung in das Gebiet. Übereinstimmend beschreiben sie die beeindruckenden
landwirtschaftlichen Aktivitäten, die Vielzahl der angebauten Feldfrüchte, die dichte
Besiedlung und, als auffälligstes Merkmal, den großen Hauptort auf der Bergkuppe,
ein weithin bekanntes Marktzentrum. Die Bottego-Expedition schätzte die Burji auf
200000 Personen (ibid.: 187f.). Selbst wenn diese Angabe überhöht sein sollte, so
muß das Gebiet noch vor sechzig Jahren erheblich dichter besiedelt gewesen sein als
bei der ersten Feldforschung Straubes 1955.
»Für eine ehemals größere Volksstärke sprechen auch die vielen aufgelassenen Feld
stücke.« Außerdem muß die Abwanderung berücksichtigt werden. Die »Einwohner
zahl des südlichen Berglandes beläuft sich [1955] nach eigenen Schätzungen auf
nicht mehr als 5000 Personen.« 9
Auch die weitaus dürftigeren Berichte anderer Europäer lassen gewisse Rück
schlüsse auf die Entwicklung in Burji in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts
zu. Nach einigen gelegentlichen Plünderungszügen nordäthiopischer Einheiten, die
höchstwahrscheinlich unter dem Kommando von Leul Sagad (bzw. dessen Unter
führer) standen, 10 ist Burji offensichtlich im August 1897 durch die Armee von Habte
Giyorgis eingenommen worden. Dies geht jedenfalls aus den Karteneintragungen
von Léon Darragon hervor, der 1897 diesen Feldherm Menileks auf seinem Erobe
rungsfeldzug begleitete (Darragon 1898). Wie sehr die Burji damals in Mitleiden
schaft gezogen wurden, ist nicht nachvollziehbar. Bekannt ist aber, daß die mit
modernen Waffen ausgerüsteten Armeen der Nordäthiopier bis dahin nicht gekannte
Massaker im Süden verübten, die Bevölkerung nach Gutdünken versklavten und
alles Vieh mitnahmen, dessen sie habhaft wurden. 11 Einige Ethnien haben sich hier
von nie mehr erholt. Nach den unmittelbaren Zerstörungen und Verlusten durch den
Krieg hatten die Menschen unter Hungersnöten und Epidemien (vor allem Pocken)
zu leiden. Hinzu kam die große Rinderpest, die seit Beginn der neunziger Jahre in
Ostafrika wütete. Dennoch scheinen die Burji die ersten Schläge einigermaßen ver
kraftet zu haben. Erlanger (1904: 111) beschreibt sie - 1900 - als erfolgreiche Händ
ler und Gewerbetreibende, die besonders wegen ihrer Weberei Berühmtheit erlang
ten.
Um den Hegemonialanspruch des Kaiserreichs in den eroberten Gebieten durchzu
setzen, siedelten die Nordäthiopier Militärkolonisten in z. T. befestigten Orten
katamä an. Jedem der dort stationierten Soldaten wurden neben Tributen einheimi
sche Fronknechte zugeteilt, gabhar, die ihnen auf Abruf zur Verfügung standen.
Ein solcher ständiger amharischer Militär- und Verwaltungsposten wurde in den
ersten Jahren unseres Jahrhunderts knapp nördlich von Burji-Stadt eingerichtet; dar-