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Full Text: Tribus, 44.1995,N.F.

TRIBUS 44, 1995 
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jedoch auf unterschiedlichen sozialen Ebenen Bedeutung erlangen - die scheinbare 
Dichotomie von privatem und öffentlichem Bereich ist dabei aufgehoben. Biddöo ist 
der Hausmittelpfosten und das höchste Heiligtum auf dem wominga balhäla. Stütze 
und Symbol für den einzelnen im Familienverband wie für das gesamte Volk. Die 
Gegenüberstellung von Drinnen und Draußen erweist sich als Komplementarität. Sie 
findet ihren Ausdruck sowohl in der sakralen Bedeutung der Hauseingänge und 
Gehöfttore als auch der Stadttore und wird an all diesen Plätzen im Ritus zelebriert. 
Die Zusammensetzung der esa-Zeichen bleibt immer gleich und erhebt den Platz 
zum sakralen Platz - ob es sich nun um den Opferplatz einer Familie im Gehöft oder 
um die Opferplätze handelt, auf denen um das Wohl von ganz Burji gebetet wird, d. h. 
sie bestätigen die Verbundenheit des einzelnen (seiner Familie) mit seinen Ahnen 
und dem Kosmos: Zeugnisse der Einheit in der Vielfalt. 
Gada. Die Verwendung der Plätze bei den Gada-Zeremonien demonstriert das 
Gada-System als soziale Querklammer innerhalb der Burji-Gesellschaft, das über 
regionale und verwandtschaftliche Verbände hinweg wirkt und Gültigkeit besitzt. 
Die Prozession bei der Einsetzung der neuen gäda-Gruppe bestätigt den Gesamtzu 
sammenhalt. Bemerkenswert ist auch, daß die kultisch aktive Zeit auf dem dim- 
höole-Platz verbracht wird, der sich innerhalb des Stadtgebiets, jedoch in der einzi 
gen nie besiedelten ölla befindet. Dadurch wird die Sonderstellung der aktiven gäda 
als ein Personenkreis, der sich in einem Ausnahmezustand befindet, jedoch nicht 
außerhalb der Gesellschaft steht, bestätigt. Auch bei der Initiation der hägi, die 
keine kultischen, sondern profane (militärische) Aufgaben zu erfüllen haben, sind 
einige Aspekte der Gesellschaftsstruktur von Bedeutung. Die Kandidaten, die für 
ganz Burji militärische Aufgaben übernehmen sollen, betonen ihre Herkunft durch 
die verschiedenen Beschneidungsgruppen, die auch auf verschiedenen Plätzen 
beschnitten werden. Es ist also in diesem Fall die Betonung der Vielfalt in der Ein 
heit, die erst durch die gemeinsamen Aktionen während der Initiation und der 
Abschlußfeier auf den für ganz Burji bedeutsamen kilico-Platz in eine Einheit 
geführt wird. 
Akephales Grundprinzip: Der Platz als Ereignis, die Stadt als Medium und 
Text. Durch die Prozessionen, die durch die Stadt ziehen, werden die unabhängigen 
geere symbolisch und spirituell miteinander verbunden. Als Kommunikationszen 
tren werden sie zu Verdichtungspunkten gesellschaftlicher Stränge, auf denen das 
kulturelle Leben zur Repräsentation gelangt und umgekehrt die Repräsentation die 
Kultur der Burji konstituiert. 
Burji-Stadt und ihre Gemarkung mit ihrem intensivierten Feldbau sind von Men 
schen geschaffene Kulturlandschaften. Sie sind Medien und Ereignisse von sozio- 
ökonomischen Strukturen, die ihrerseits wieder Medium und Ergebnis der sozialen 
Praxis sind. Die soziale Praxis strukturiert die Gesellschaft und die Landschaft (vgl. 
Schieimann 1993: 67). 
Für den Angehörigen der Burji-Kultur ist die Kulturlandschaft ein quasi lesbares 
Bedeutungssystem. Mit strukturierten Bedeutungsträgern bzw./oder Zeichen, in 
denen ökonomische, ästhetische, moralische, kurz, alle verschiedenen kulturellen 
Systeme integriert sind. Besonders die »Schauplätze« stellen mnemographische Orte 
dar, welche die Kultur tradierbar und durch assoziative Verknüpfungen als Ganzheit 
verstehbar machen (deshalb wollten die Burji auch die Karte). 
Von der Stadt zur sakralen Landschaft 
Die wirtschaftliche Blütezeit von böohee Burji ist unwiderruflich vorüber. Auch 
wenn sich seit 1992 die politischen Verhältnisse beruhigt haben, so bleibt zu bezwei 
feln, ob der Ort in absehbarer Zeit wieder von ökonomischer Bedeutung sein wird. 
Wer heute nach Burji kommt und nichts von dessen Geschichte weiß, wird die 
Ansammlung der wenigen verbliebenen Häuser dieser Bergsiedlung schwerlich als 
Stadt bezeichnen. 
Hat also die Beschreibung von Burji-Stadt ihren Sinn lediglich in der historischen 
Rekonstruktion oder bestenfalls in der Schilderung dessen, was viele Burji als ein
	        
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