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Analecta et Additamenta
Anthropos 69. 1974
steckt gewiß ein didaktisches Problem, dem aber in diesem Zusammenhang nicht weiter
nachgegangen werden soll. Die Stellungnahme folgt dem additiven Gedankenablauf des
Houxsschen Werkes, um Vergleiche mit dem Ausgangstext zu erleichtern.
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Das erste Kapitel handelt von der Forschungsgeschichte der afrikanischen Spra
chen. Houxs gibt hier einen ausgewogenen Überblick über die wesentlichen Probleme und
Forschungsergebnisse der Vergangenheit und kommentiert diese unter zwei Aspekten:
(1) der Öffnung Europas gegenüber Afrika im 19. Jahrhundert und (2) der Entwicklung
der allgemeinen Sprachwissenschaft zu jener Zeit. Er kritisiert zu Recht den harmlosen
Evolutionismus und den oberflächlichen Komparativismus bei der Erforschung der afri-
kanischeix Sprachen, die weit bis in unser Jahrhundert hinein - Houxs meint, sogar bis in
unsere Tage - die wissenschaftliche Betrachtung der afrikanischen Sprachen beherrscht
haben. Es kann nicht geleugnet werden, daß hierdurch die Ideologie des europäischen
Kolonialismus wesentlich, wenn auch vielleicht ungewollt, gestützt wurde. Während der
Darwinismus in der Sprachwissenschaft einem allgemeinen Trend entsprach, der auch in
anderen Humanwissenschaften wirksam war, geht die Oberflächlichkeit in der historisch
vergleichenden Methode wohl unmittelbar auf die besondere Sprachsituation in Schwarz
afrika selber zurück. Diese Situation ist hauptsächlich gekennzeichnet durch die Oralität
in der Kommunikation und durch die Aufsplitterung der Sprachen in eine bisher noch
uxxerforschte Zahl von Dialekten. Ohne die technischen Möglichkeiten der Lautauf
zeichnung mittels Schallplatte und Tonband mußten die Feldnotizen der frühen Sprach
forscher in Afrika zwangsläufig lückenhaft ausfallen und damit die Anwendung der kom
parativen Methode eigentlich von vornherein ausschließen. Auf der anderen Seite for
derte die myriadenhafte Zahl von Sprachen und Dialekten in Afrika zu einer kompara
tiven Betrachtung geradezu heraus. Man löste das Massenproblem selektivistisch oder
statistisch, wobei die Auswahl der Vergleichssprachen mehr vom Zufall und vom Sub
jektivismus als durch wissenschaftlich objektive Kriterien bestimmt war. Es ist Houxs
zuzustimmen, wenn er darauf hinweist, daß die bisherigen Gliederungsversuche die afri-
kanistisch eigentlich fruchtbaren Strukturzusammenhänge innerhalb engerer Sprach
familien eher verschleiern als offenlegen. Den anderen Einwand von Houxs gegenüber
den bisherigen Sprachklassifikationen, daß diese sich einseitig auf lexikalische Vergleiche
stützten, kann man in dieser allgemeinen Formulierung jedenfalls nicht akzeptieren. Ab
gesehen von Greenbergs Gliederung und einigen unbedeutenden lexikostatistischen Ver
suchen haben die modernen Komparativisten neben lexikalischen Vergleichen vor allem
Lautvergleiche angestellt. Vergleiche der grammatischen Systeme haben in der Tat eine
geringere Rolle gespielt, sind aber keinesfalls gänzlich unberücksichtigt geblieben, wie des
Autors Kritik vermuten lassen könnte.
In der Gegenwart glaubt Houxs eine gewisse Schwerpunktsverlagerung von ver
gleichenden Sprachbetrachtungen zu einzelsprachlichen Studien in Afrika zu bemerken.
Dieser Eindruck mag aus französischer Sicht zutreffen. In der deutschen Afrikanistik
wird weiterhin sprachvergleichend, allerdings mit neuen, adäquateren Methoden gear
beitet. Gerade für afrikanistisch-historische Forschungsziele ist die vergleichende Sprach-
betrachtung eine hervorragende Quelle. Nicht nur der genetische Sprachvergleich, son
dern auch die kulturgeschichtlich so fruchtbare Lehngutforschung fallen unter die
Komparativistik.
Vor dem Sprachvergleich steht methodisch zwingend die Einzelsprachbetrachtung.
Diese Erkenntnis hat sich heute wohl allgemein in der Afrikanistik durchgesetzt. In die
sem Teilbereich unseres Faches zeigt sich allerdings, wie Houxs ebenfalls feststellt, in
jüngster Zeit eine starke Neigung, die Sprachmonographien jeweils nach den allerletzten
„Wissenschaftsmoden“ in der allgemeinen Sprachwissenschaft anzulegen. Der Afrikanist
ist gewiß auch ein Linguist, dies aber nur im Blick auf sein wissenschaftliches Werkzeug
und nicht auf sein Forschungsziel hin. Wer das große Reservoir afrikanischer Sprachen
als Laboratorium zur Erforschung des Gegenstandes „menschliche Sprache an sich“ aus