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Full Text: Tribus, 50.2001,N.F.

Buchbesprechungen Allgemein 
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schaftlicher Seite wieder. Wenn wir uns stets die immense 
Zeitspanne vor Augen führen, in der die Felsbildkunst 
insbesondere Westeuropas entstanden ist, liegt es eigent 
lich nahe, dass es für die vielen Bilderhöhlen und ihre un 
terschiedlichen Darstellungen ebenfalls unterschiedliche 
Hintergründe und Ursachen und somit Erklärungen gibt. 
Über alle kontrovers diskutierten und ungelösten Fragen 
hinaus besteht jedoch Einigkeit in der realistischen An 
nahme, dass der größte Teil der paläolithischen Felsbild 
kunst eine religiöse Basis hat. 
Insgesamt gesehen bleibt festzuhalten, dass Leakey über 
seine bis dahin erschienenen Publikationen hinaus ein 
überaus interessantes und verständlich geschriebenes 
Buch vorgelegt hat, das trotz einzelner Ungenauigkeiten 
und weniger nicht so exakt zutreffender Annahmen durch 
seine umfassende, über die engere Urgeschichtsforschung 
hinausweisende Perspektive besticht. 
AXEL SCHULZE-THULIN 
LEE, RICHARD B. / DALY, RICHARD 
(HRSG.): 
The Cambridge Encyclopedia of Hunters and 
Gatherers. Cambridge / England; Cambridge 
University Press, 1999. 511 Seiten, 128 SW- 
Fotos, 16 Karten, 5 Tabellen. 
ISBN 0-521-57109-X 
Der Mensch ist Jäger und Sammler - bis heute. Ver 
gleichen wir nämlich die zurückliegenden wenigen Jahr 
tausende, als er im Nahen Osten die ersten zaghaften 
Schritte in Richtung Produktionswirtschaft unternahm, 
mit der Menschheitsgeschichte insgesamt, so sind diese 
verflossenen rund zehntausend Jahre kaum einer Er 
wähnung wert. Dies natürlich nur in einer Zeitlängen 
betrachtung. Im Resultat hat die dem ersten der erwähn 
ten Schritte folgende Entwicklung die Welt verändert. In 
etlichen Bereichen unseres Inneren verharren wir jedoch 
auf einem Stand, der über die vergangenen zehntausend 
Jahre hinaus weit in die Vergangenheit zurückreicht. Dies 
ist bereits in zahlreichen Publikationen dargestellt wor 
den. Im Gegensatz dazu gehl es in dem vorliegenden 
Buch um die sichtbare Welt der Jäger und Sammler. Und 
da gehört das Meiste der Vergangenheit an. Dennoch ist 
das beeindruckend umfangreiche Werk von Lee und Daly 
kein historisches. Zwar wird der vergangenen Zeit mit 
teilweise detaillierten ethnohistorischen Passagen breiter 
Raum eingeräumt, doch stehen die heutigen letzten 
Jäger/Sammler-Ethnien im Vordergrund, was allerdings 
die begründete Frage aufwirft, ob wir denn noch in jedem 
Fall wirklich von Jägern und Sammlern sprechen dürfen. 
Insbesondere im letzten Abschnitt des Buches wird aus 
giebig auf heutige Situationen solcher Ethnien eingegan 
gen, ohne dass sich den Autoren allerdings die aufgewor 
fene Frage stellt. 
Im Klappentext werden drei Teile genannt, in die das 
Werk untergliedert sei, doch wird der Leser unter Be 
rücksichtigung der Gewichtung der einzelnen Abschnitte 
nicht umhin können, höchstens eine Zweiteilung zu er 
kennen. Und so ist auch die Gliederung angelegt. Nach 
einem Vorwort und einer Einführung in den Gesamttext 
werden im ersten längenmäßig überragenden Teil 
„Ethnographies“ (23-371) so genannte Fallstudien vorge 
legt, gegliedert in sieben Großräume der Erde, die nach 
folgend aufgeführt werden, wobei ich nur jeweils eine be 
sonders markante ethnische Gruppe erwähne, ansonsten 
lediglich die Zahl der besprochenen Einheiten festhalte. 
Jeder dieser regionalen Abschnitte enthält eine gesonder 
te Einführung sowie einen archäologischen Überblick, 
die beide bei der Zahl der vorgestellten Ethnien nicht 
berücksichtigt wurden. Jeder Artikel schließt mit einem 
Quellenverzeichnis unterschiedlicher Länge. Es beginnt 
mit Nordamerika (acht Gruppierungen; Beispiel: James 
Bay Cree). Hieran schließt sich Südamerika an (sechs 
Gruppierungen; Beispiel: Ache). Es folgen Nordeurasien 
(neun Gruppierungen; Beispiel: Chukchi und Yupik), 
dann Afrika (acht Gruppierungen; Beispiel: Mbuti). Da 
nach kommen Südasien (sieben Gruppierungen; Beispiel: 
Paliyan) und Südostasien (sechs Gruppierungen; Bei 
spiel: Batak). Den Schluss dieses Teils bildet Australien 
(neun Gruppierungen; Beispiel: Warlpiri). 
Der zweite Teil „Special topic essays“ (375-492) ist in drei 
Abschnitte unterteilt. Der erste enthält vier Aufsätze. 
Den Anfang bildet das aus europäischer Sicht notwendi 
gerweise schiefe und oft verfälschte Bild „des Eingebo 
renen“ der Vergangenheit, wie wir es aus unzähligen 
Publikationen und Berichten kennen. Im zweiten Beitrag 
werden Gedanken zur Archäologie und Evolution von 
Jägern und Sammlern wiedergegeben, wobei unter Evo 
lution die Entwicklung des technischen Besitzstandes ab 
einer Zeit vor 2,5 Millionen Jahren bis zu den gegenwär 
tigen wenigen jägerischen Rückzugsgebieten in Afrika 
verstanden wird. Der dritte Artikel enthält beschönigen 
de Ansichten über das Leben von Jägern/Sammlern - der 
Leser wird an das längst überwunden geglaubte Bild vom 
„edlen Wilden“ erinnert - sowie eine verbogene Meinung 
über wirtschaftliche Grundlagen und Notwendigkeiten, 
gespickt mit zeitgeistigen Modernismen. Mit dem vierten 
und letzten Aufsatz dieses Abschnitts über diverse 
Voraussetzungen und Bedingungen gesellschaftlicher In 
teraktionen wird der Leser dann wieder versöhnt. Diese 
vier Abhandlungen sollen wohl der Einführung in den 
folgenden Abschnitt mit insgesamt sechs Beiträgen die 
nen, die von der Darstellung verschiedener Geschlechter 
rollen über diejenige religiöser Gegebenheiten im weite 
sten Sinne bis zur Übersicht über zeitgenössische Kunst 
sowie Gesundheitsregeln bei Jäger/Sammler-Gemein- 
schaften reichen. Der dritte und letzte Abschnitt dieses 
zweiten Buchteils enthält fünf Aufsätze, deren Themen 
sich um rezente und heutige Situationen von Einge 
borenengruppen drehen (unter einer vornehmlich angel 
sächsisch ausgerichteten Auflistung von Unterstützungs- 
Organisationen für Autochthone). Hier werden unsinnige 
Berichte über „bis jetzt nicht entdeckte Steinzeitgrup 
pen“ (der Tasaday-Fall auf den Philippinen in den frühen 
1970er Jahren) ebenso beleuchtet wie die koloniale 
Aggression europäischer Staaten mit Geno-, Ethno- und 
Ökozid sowie der gegenwärtige Kampf vieler Ethnien 
weltweit um ihr Überleben als eigenständige Gruppen. 
Ein neunzehnseitiger Index beschließt den Band. 
Als Enzyklopädie würde ich das umfangmäßig bewun 
dernswerte Werk nicht gerade bezeichnen, mussten sich
	        
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