TRIBUS 50, 2001
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World“-Register der UNESCO geführt.
In dem vorliegenden Sammelband zum 100. Geburtstag
wird ein Überblick zur Geschichte des Archivs geboten,
der gleichzeitig die Zusammenhänge mit der Vergleich
enden Musikwissenschaft verdeutlicht.
Beginnend mit einem Artikel zur Geschichte des Phono-
gramm-Archivs von Erich von Hornbostel aus dem Jahre
1933 wird die Zeit von 1900 bis 1933 beschrieben. Artur
Simon behandelt in seinem folgenden Artikel die Fort
setzung bis in die Gegenwart. Auf dem Hintergrund die
ser historischen Gesamtdarstellungen folgt ein weiterer
Aufsatz von ihm zu den wichtigsten Inhalten des Archivs
in zeitlicher, wissenschaftlicher, archivarischer techni
scher und organisatorischer Hinsicht.
Die sich anschließenden Artikel und Aufsätze von Carl
Stumpf und Erich von Hornbostel geben einen lebendi
gen Einblick in die Anfangszeit des Archivs mit all seinen
Schwierigkeiten, aber auch all seiner positiven Dynamik,
die es weltweit entwickelte. Ein gutes Beispiel dafür stellt
der Antrag von Carl Stumpf an den Minister für Wissen
schaft, Kunst und Volksbildung von Preußen und die da
zugehörende Denkschrift von Erich von Hornbostel und
Curt Sachs über die Vereinigung der Sammlung alter
Musikinstrumente mit dem Phonogramm-Archiv beim
Psychologischen Institut zu einem „Staatlichen Museum
der Tonkunst“ von 1922 dar, in dem ein bahnbrechendes
Konzept der Vereinigung beider Sammlungen als Musik
museum vorgeschlagen wird, das sowohl für eine interes
sierte Öffentlichkeit wie auch für Musiker und Musik
wissenschaftler zugänglich sein sollte.
Weitere Aufsätze von Hornbostel zum 85. Geburtstag
von Carl Stumpf, der Nachruf von Jaap Kunst zum Tode
von Hornbostels und der Bericht von Marius Schneider
über das Phonogramm-Archiv schließen den ersten
Abschnitt, die „Walzen-Ära“, des Archivs ab. Der folgen
de Beitrag von Kurt Reinhard berichtet über den
Wiederaufbau des Berliner Phonogramm-Archivs nach
dem zweiten Weltkrieg. Daran schließt der letzte Teil der
Publikation an, deren Beiträge sich auf Arbeiten von den
70er Jahren bis zur Gegenwart beziehen. Die Themen be
handeln den Aufbau der Musikinstrumentensammlung
(Andreas Meyer), ausgewählte Forschungsberichte unter
dem Gesichtspunkt der Dokumentation mittels Ton-,
Video- und Filmarbeiten (Kurt Reinhard, Artur Simon,
Raimund Vogels), die Installation einer „MusikWelt-
Karte“ als Hypermedia-Installation (Ulrich Wegner) und
das Walzenprojekt zur Rettung der alten Sammlungen
(Susanne Ziegler, Albrecht Wiedmann, Gerd Stanke &
Thomas Kessler). Der sehr umfangreiche und ausführli
che Anhang mit Verträgen, Briefen, Gesprächsproto
kollen und Sammlungslisten runden diese Publikation ab.
Die umfassende Darstellung der Geschichte des Berliner
Phonogramm-Archivs ist vollends gelungen. Abgesehen
von der sehr guter Aufbereitung des Materials, liegt ein
großes Verdienst u.a. darin, viele alte, sonst schwer zu
gängliche Quellen in einem Sammelband zugänglich ge
macht zu haben - in diesen Quellen „aus erster Hand“
liest sich die Geschichte umso spannender -, aber ebenso
wichtig ist, dass die enorme Bedeutung des Phonogramm-
Archivs in der Gegenwart verdeutlicht wird. Seine inter
nationale Bedeutung wird auch durch die Zweisprachig
keit - im lesefreundlichen Spaltensatz - deutlich, die diese
Publikation sicher weit über den deutschen Sprachraum
hinaus bekannt machen wird.
LARS-CHRISTIAN KOCH
SIMON, ARTUR / WEGNER, ULRICH:
„Music! 100 Recordings • 100 Years of the
Berlin Phonogramm-Archiv 1900 - 2000“
(Wergo SM 1701 2). Mainz: WERGO / Schott
Music & Media GmbH, 2001. 4 CDs + 284-sei
tiges, reich illustriertes Textheft in englischer
Sprache.
Anlässlich des 100jährigen Jubiläums des Berliner Pho
nogramm-Archivs erschien neben dem Dokumentations
und Sammelband Das Berliner Phonogramm-Archiv 1900
- 2000 - Sammlungen der traditionellen Musik der Welt
auch ein Schuber mit 4 CDs und einem ausführlichen Bei
heft unter dem Titel „Music! 100 Recordings • 100 Years
of the Berlin Phonogramm-Archiv 1900 - 2000“. Anhand
von Beispielen historischer Walzenaufnahmen bis zu digi
talen zeitgenössischen Aufnahmen wird damit die Arbeit
des Archivs dokumentiert. Es sind Aufnahmen aus
Asien, Australien und Ozeanien, Afrika, Amerika und
Europa ausgewählt, die auf den 4 CDs übersichtlich ge
gliedert sind:
CD 1: Wachszylinderaufnahmen (1893 - 1954)
CD 2: Mono-Tonbandaufnahmen (1951 - 1974)
CD 3: Stereo-Tonbandaufnahmen, Feldstudien (1967 -
2000)
CD 4: Stereo-Tonbandaufnahmen, Konzertmitschnitte
(1973-1999)
Das thailändisches Musik- und Theaterensemble, das im
September 1900 in Berlin auftrat und von Carl Stumpf mit
dem Edison-Phonographen aufgenommen wurde, eröff
net auf CD 1 die Präsentation der Auswahl aus der
Sammlung des Phonogramm-Archivs. Hiermit ist gleich
zeitig der historische Moment der Gründung festgehal
ten.
Die erste CD mit der Wiederveröffentlichung alter
Wachszylinderaufnahmen mit dem Edison-Phono
graphen ist in vieler Hinsicht bemerkenswert. Zuerst
überrascht die erstaunlich gute akustische Qualität. Wer
erwartet hat, ein verrauschtes und verkratztes Klanger
eignis im Vordergrund zu haben und nur mit Mühe die ei
gentliche Musik hören zu können, wird positiv überrascht
sein; denn diese frühen Aufnahmen klingen noch heute,
berücksichtigt man die Bedingungen ihrer Entstehung,
klar und deutlich. Wenn man bedenkt, dass der Bestand
an Wachszylinderaufnahmen des Phonogramm-Archivs
sich auf über 15000 beläuft, so wird das enorme wissen
schaftliche Potential dieser Sammlung deutlich, die damit
weltweit sicher einmalig ist. Hinzu kommen die Auf
nahmen jüngeren Datums, die einen guten Überblick zur
Arbeit des Phonogramm-Archivs bieten und erahnen las
sen, welche akustischen Schätze dort noch liegen.
In dem umfangreichen, kompetent geschriebenen Text
heft unternehmen Fachkenner der unterschiedlichsten
Musikkulturen den Versuch einer Re-Interpretation der
Walzenaufnahmen, was nötig ist, da die Dokumentation-