TRIBUS 50, 2001
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Herausgeber meinen ersten Kritikpunkt als Stärke der
Neuauflage sieht. Ich befürworte aus Gründen der Über
sichtlichkeit und des einfacheren Zugriffs eine direkt auf
den Beitrag folgende Bibliographie, wie sie in der ersten
Auflage zumindest auszugsweise angegeben wurde. In
der gesonderten 50-seitigen Bibliographie der zweiten
Auflage gehen nun einige Autoren unter, die nur hier und
nicht im Text genannt werden. Auch fällt es manchmal
schwer, einem allein im Artikel durch den Nachnamen
ausgewiesenen Autor seine Publikation in der Biblio
graphie zuzuordnen. Mein zweiter Kritikpunkt gilt der
unklaren Kennzeichnung von ethnologischen Aus
drücken in den Beiträgen. Kursiv geschriebene Termini
sind mal Fremdwörter, mal Zitate, mal ethnologische
Fachbegriffe, von denen sich manche im Glossar wieder
finden. Ich hätte eine eindeutige Kennzeichnung sowohl
für die weiteren im Buch dargestellten Wörter als auch
für die im Glossar aufgeführten Fachausdrücke begrüßt.
So hätte der Leser die Möglichkeit, sich schrittweise wei
ter zu informieren und stets an das bereits Gelesene an
zuknüpfen. Derartige Verweise in den Texten und auch
im Glossar verdeutlichen zudem die Komplexität und die
Vernetzung der ethnologischen Arbeitsbegriffe.
Das Wörterbuch der Ethnologie ist trotz seiner inhaltli
chen und formalen Mängel das fundierteste ethnologi
sche Wörterbuch in deutscher Sprache. Es reicht aber
nicht an die Qualität der in den letzten Jahren erschiene
nen englischen Vergleichswerke heran (zum Beispiel
Barfield (Hrsg.) 1997, Barnard und Spencer (Hrsg.)
1996), in denen ausgewiesene internationale Fachleute
über ihr Spezialgebiet schreiben. Mit Blick auf das Nach
barland bleibt die Frage im Raum stehen, warum in der
deutschsprachigen Ethnologie nur ein relativ kleiner
Kreis von Ethnologen sich die Aufgabe gestellt hat, in ei
nem Wörterbuch die Ethnologie zu vertreten.
Literatur
Barfield, Thomas (Hrsg.)
1997 Dictionary of Anthropology. Oxford: Black
well.
Barnard, Alan / Spencer, Jonathan (Hrsg.)
1996 Encyclopedia of Social and Cultural Anthro
pology. London: Routledge.
Streck, Bernhard (Hrsg.)
1987 Wörterbuch der Ethnologie. Köln: DuMont.
DOROTHEA DETERTS
TATTERSALL, IAN;
Neandertaler - Der Streit um unsere Ahnen.
Aus dem Amerikanischen von Hans-Peter
Krull. Deutsche Ausgabe in Zusammenarbeit
mit dem Neanderthal Museum. Basel - Boston
- Berlin: Birkhäuser, 1999. 216 Seiten, 95 teil
weise ganzseitige Färb-, 17 SW-Abbildungen,
2 Karten.
ISBN 3-7643-6051-8
Die Meinungen darüber, wer und wie „die Neandertaler“
waren, sind seit dem ersten Fund im Neandertal 1856 bis
heute sehr unterschiedlich, auch unter Anthropologen,
die sich von Berufs wegen mit ihnen seit über 150 Jahren
beschäftigen. Aufgrund zahlreicher inzwischen gesicher
ter Forschungsergebnisse sind die Meinungsunterschiede
unter Wissenschaftlern seit etlichen Jahren sehr diffizil,
und vielleicht ist das sogar der Grund dafür, dass hier
nach wie vor oft unerbittlich um „die Wahrheit“ gefoch-
ten wird. Als Rezensent habe ich mein Augenmerk be
sonders darauf gerichtet, wo bis heute noch keine endgül
tige Klarheit über die menschliche Spezies gegeben ist,
die uns Heutigen als letzte Art vorangegangen ist.
Das Buch beginnt mit einem Vorwort und einem Prolog,
in dem der Autor kurz zwei mögliche Begebenheiten ei
ner Verfolgung von Neandertalern durch den Jetzt
menschen romanhaft schildert. Den sich anschließenden
zehn Kapiteln ist ein Abschnitt über die sensationellen
Neufunde aus dem Neandertal, verfasst vom Übersetzer
und Bärbel Auffermann (Neanderthal Museum), nachge
schaltet, an den sich ein sehr wissenschaftlich gehaltenes,
einprägsames Nachwort von Gerd-C. Weniger, Museums
direktor im Neandertal, anschließt. Eine unzureichende
Publikationsliste (eine Seite, unverständlicherweise als
„Weiterführende Literatur“ bezeichnet) und ein dreiseiti
ger Index beschließen den Band.
Die ersten drei Kapitel sind den onto- und phylogeneti
schen Unterschieden zwischen Homo neanderthalensis
und Homo sapiens, den Grundlagen der Evolution und
der Fossilierung, den Datierungen und dem archäologi
schen Rüstzeug insgesamt gewidmet. Das vierte Kapitel
führt in die Zeit „Vor den Neandertalern“, das sich in
haltlich von Australopithecus afarensis bis Homo heidel-
bergensis erstreckt. Die unsichere Forschungslage sowie
die gerade in den zurückliegenden Jahren aufgekommene
Diskussion über die Erectus-Formen und ihre Abgren
zungen zueinander werden zwischen den Zeilen des
Verfassers sichtbar. Mit dem fünften Kapitel „Fund und
Deutung der Neandertaler“ wird die Forschungsge
schichte des ersten namengebenden Fundes angepackt
(bei der Gelegenheit: die Erklärung zur Schreibweise
„Neandertaler“, Seite 10, ist unzureichend; sie ist nicht
eine Frage von neuer oder alter Orthographie, sondern
eine der wissenschaftlichen Nomenklaturregeln). Im wei
teren Verlauf dieser Darlegung, die den zahlreichen Be
schreibungen der Vergangenheit folgt, werden außerdem
die geologischen und paläontologischen Zeit- und Evo
lutionsabläufe sowie Berichte über weitere Neandertaler
funde vorgelegt. An dieser Stelle ist festzuhalten, dass
sich Tattersall als Amerikaner dort, wo es um deutsch
sprachige Forschungsberichte geht, auf (übersetzte)