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TRIBUS 50, 2001
einem Schluss, der in der deutschen Übersetzung der letz
ten vier Zeilen nicht zu verstehen ist. Ich vermute, es soll
heißen, dass wir Sprache bei den Neandertalern (?) „aus
schließen“ (173) müssen.
Im neunten Kapitel wird dem „Ursprung des modernen
Menschen“ nachgegangen, wobei die Fundstellen 1 und 2
der Klasies-River-Mündung im südlichen Südafrika mit
einem Alter von 120.000 Jahren der zur Zeit noch ent
scheidendste Ausgangspunkt sind. Das Kapitel endet mit
einer Übersicht über einzelne Bereiche der jungpaläolit-
hischen „Eiszeitkunst“. Das zehnte und letzte Kapitel ist
dem Ende der Neandertaler gewidmet. Mit ziemlicher
Sicherheit dürfen wir davon ausgehen, dass das Aus
sterben der Neandertaler nicht so sehr, wie bisher ange
nommen, direkt auf die verbesserten und effektiveren
Techniken in der Steinbearbeitung der Jungpaläolithiker
zurückzuführen ist, sondern auf die damit einhergehende
mentale und damit kulturelle Entwicklung von Homo sa
piens über lange Zeiträume. Die immer wieder, auch in
diesem Buch, herangezogenen Verfolgungsjagden auf
Homo neanderthalensis durch Homo sapiens können we
gen der damaligen äußerst geringen Bevölkerungsdichte
nicht recht überzeugen. Ein Gedankengang, der bei Spe
kulationen über das Aussterben der Neandertaler bisher
so gut wie keine Rolle gespielt hat, ist die Übertragung
von Krankheiten durch die jungpaläolithischen Neuan
kömmlinge, gegen die diese längst resistent waren, auf die
alteingesessene Bevölkerung aber tödliche Auswirkung
en hatte. Für gewiss nicht alle, aber doch für etliche euro
päische Regionen dürfte dieses Szenario hohe Wahr
scheinlichkeit besitzen. „Was wissen wir über Viren im
Paläolithikum?“ kann etwa provokativ gefragt werden.
Auch wenn wir nie eine Antwort darauf finden werden,
gibt es doch genügend Beispiele aus jüngerer historischer
Zeit, wo durch Invasoren eingeschleppte Krankheiten zur
Entvölkerung großer Landstriche führten.
Insgesamt lässt sich über das Buch sagen, dass es einen
guten Überblick über den Forschungsstand der jüngsten
Zeit zum Leben und Sterben der Neandertaler Europas
und der kleinasiatischen Levante bietet, dass das Bild
material exzellent ist und die grafische Gestaltung „Nean
dertaler“ zu einem spannenden Sachbuch macht.
Literatur
Adam, Karl Dietrich
1982 Der Mensch im Eiszeitalter. Stuttgarter
Beiträge zur Naturkunde, Serie C, Nr. 15.
Staatliches Museum für Naturkunde in Stutt
gart.
Pacher, Martina
2000 Höhlenbär und Mensch: Tatsachen und
Vermutungen. In: Rabeder, G. / D. Nagel / M.
Pacher: Der Höhlenbär. Stuttgart: Jan Thor
becke.
AXEL SCHULZE-THULIN
BLANC, ULRIKE:
Musik und Tod bei den Bulsa (Nordghana).
Forschungen zu Sprachen und Kulturen
Afrikas, Bd. 6. Münster/Hamburg/London:
LIT, 2000. 297 Seiten, SW-Fotos.
ISBN 3-8258-4437-4
Diese im Fach Ethnologie an der Universität Münster
eingereichte Dissertation beschäftigt sich mit der Be
deutung der Musik während der Totengedenkfeiern bei
den Bulsa im Norden Ghanas. Diese Ethnie zählt sicher
zu den am besten erforschten Ghanas, was vor allem der
intensiven Forschung von Rüdiger Schott und Franz
Kröger zu verdanken ist. Die hier vorliegende Disser
tation wurde auch von beiden betreut.
Ausgehend von der Feststellung, dass aus der Gesamtheit
der mit bestimmten Handlungen oder Situationen ver
bundenen Musik bei den Bulsa die Totengedenkfeiern
deutlich herausstechen und sicher die umfangreichsten
Feste im Jahreszyklus darstellen, soll gezeigt werden, dass
Musik mehr ist als ein klangliches Ausdrucksmittel.
Musikalische Darbietungen sind vielmehr soziale Hand
lungen und Verpflichtungen und vor allem strukturieren
de Elemente der Rituale.
Um dies zu verdeutlichen, geht Blanc nach einer knap
pen, aber informativen Ethnographie auf die religiösen
Vorstellungen der Bulsa ein, wobei die Bedeutung der
Totenfeiern plastisch herausgestellt wird. Alle Bereiche
der Kultur, wie Religion, Wirtschaft, politische und sozia
le Organisation, Siedlungsformen und natürlich Musik
sind hier von Bedeutung. Es müssen Personen und
Gruppen teilnehmen, die alle in bestimmten verwandt
schaftlichen Verhältnissen zueinander stehen. Ebenso
müssen ausreichend Lebensmittel zur Verfügung stehen;
denn Totengedenkfeiern können sich über mehrere Tage
hinziehen. Nur wenn all diese Elemente stimmen, ist ein
erfolgreicher Verlauf der Feier möglich.
Im folgenden Kapitel zur Ethnographie der Musik wird
die Problematik des Begriffs Musik und des Konzepts
Musik diskutiert. Bei den Bulsa - wie im übrigen bei aus
gesprochen vielen afrikanischen Ethnien - existiert kein
wirkliches Äquivalent zu unserem Begriff und Konzept
von Musik. Vielmehr ist bei den Bulsa Musik, oder besser
Klang, Gesang und Instrumentalspiel, immer mit be
stimmten Situationen und Handlungen verbunden. Unter
diesem Gesichtspunkt ist Musik zu verstehen und zu be
schreiben. Die Autorin löst dies in vorliegender Arbeit
mit einer betonten Konzentration auf emische Begriffe,
auch wenn vereinzelt sicher problematische Termini wie
Gattung, Antiphonalgesang, Responsorialgesang, rezitati-
vische Einschübe benutzt werden, die doch sehr stark von
europäischer Musikpraxis geprägt sind.
Aufschlussreich ist ferner die Auflistung der Musikins
trumente und ihrer Verwendung, hier liegt gutes Ver
gleichsmaterial in der Arbeit von Michael Schlottner:
Sehen - Hören - Verstehen Musikinstrumente und Schall
geräte bei den Kusasi und Mamprusi in Nordost-Ghana /
Pfaffenweiler 1996 vor, die von Blanc häufig herangezo
gen wird.
Den deutlich größten Umfang der vorliegenden Publi
kation nimmt selbstverständlich der Abschnitt Musik und