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Buchbesprechungen Afrika
Tod ein. Nach allgemeinen Erläuterungen zum Gesamt
komplex von Tod und Bestattung werden die Toten
gedenkfeiern, die in der Regel vier Tage dauern, in ihrer
chronologischen Abfolge geschildert. Hierbei werden die
gesungenen Lieder und übrigen Klangereignisse als
strukturierende Elemente betrachtet, was sich im Laufe
der Analysen als durchaus angemessen erweist, man ver
liert so nie die Orientierung in den doch recht komplexen
Abläufen dieser Gedenkfeiern. Aufschlussreich sind in
diesem Teil der Arbeit Exkurse wie „Musik und Raum“
oder „Kriegstänze“. Die Liedtexte sind übersichtlich dar
geboten, als Originale mit gegenübergestellter Überset
zung.
Die Autorin macht deutlich, dass bei den Bulsa die Toten
gedenkfeiern, die Ausdruck ihres zentralen Lebens
bereichs - der Auseinandersetzung mit dem Tod - sind,
entscheidend von musikalischen Darbietungen struktu
riert sind, sie sind konstituierender Bestandteil und die
nen nicht der akustischen „Untermalung“ ritueller Hand
lungen. Eine Totengedenkfeier ohne sie ist nicht
durchführbar. Sie sind „ebenso wie die Durchführung von
Ritualen, das Kochen für die Teilnehmer oder die Be
ratungen der Ältesten eine Arbeit (...), die getan werden
muß.“ [S.236]
Wünschenswert wäre in der Gesamtbetrachtung aller
dings ein Exkurs über den Einfluss des Christentums auf
die religiösen Vorstellungen in der untersuchten Region.
Dieser ist allem Anschein nach nicht unerheblich, zumal
die Autorin während ihres zweiten Aufenthalts von einer
christlichen Familie aufgenommen wurde. Der Hausherr
war Angestellter der katholischen Mission der Weißen
Väter, die im Norden Ghanas sehr aktiv ist.
Dies schmälert aber den positiven Eindruck der vorlie
genden Publikation in keiner Weise.
LARS-CHRISTIAN KOCH
BRUNK, KARSTEN / GREINERT-BYER,
URSULA (HRSG.):
Mensch und Natur in Westafrika. Eine inter
disziplinäre Festschrift für Günter Nagel
(Berichte des Sonderforschungsbereichs 268.
Kulturentwicklung und Sprachgeschichte im
Naturraum Westafrikanische Savanne. Bd. 5).
Frankfurt a.M.: Johann Wolfgang Goethe-
Universität, 1995. 292 Seiten, SW-Fotos, SW-
Zeichnungen und Karten.
ISBN 3-9803604-4-x, ISSN 0944-3274
Der vorliegende Band, als Festschrift für Günter Nagel
konzipiert, ist in drei Teile gegliedert: erstens „Prähis
torische Besiedlung“, zweitens „Ressourcen und ihre
Nutzung“ und drittens „Sprache und Geschichte“.
Während der erste Teil von Vor- und Frühgeschichte und
Archäologie bestritten wird (nur Nordost-Nigeria), ist der
zweite Teil insbesondere durch Verbindungen zwischen
Ethnologie und physischer Geographie (zum Beispiel
Mischung und Müller-Haude) beziehungsweise Ethno
logie und Botanik (s. Kere und Ritz-Müller) geprägt und
der letzte durch eigenständige Artikel aus den Fächern
Afrikanische Sprachwissenschaften und Ethnologie.
Schließlich gliedert sich der Band in die zwei Gebiete
Nordost-Nigeria und Burkina Faso, da allerdings ohne
eine ausgewiesene Schwerpunktregion.
Entsprechend dem Anliegen des Sonderforschungsbe
reiches setzten sich die Autorinnen und Autoren zum
Ziel, in ihren Beiträgen die praktizierte Interdiszi-
plinarität zu veranschaulichen. Dies geschieht entweder
in Form co-editierter Artikel oder indem ein Autor/eine
Autorin auf der Grundlage seines/ihres Faches (z.B.
Ethnologie) in besonderer Weise Ansätze einer Nachbar
disziplin (z.B. physische Geographie) mitzureflektieren
trachtet, wie in den Beiträgen von Andrea Reikat oder
Ulrich Braukämper.
In einer Verbindung zwischen Botanik und Ethnologie
gehen Ulrike Kere und Ute Ritz-Müller den Namen von
selten oder nicht genutzten Wildpflanzen bei den Mosi
nach und zeigen, dass ihre Taxonomie „sich wesentlich
auf Ordnungssysteme des Alltags“ stützt (Kere und Ritz-
Müller 189). Bezüge zu anderen Pflanzen, zu Tieren und
Geistern, werden von den Autorinnen erläutert, jene mit
Bezügen zu Menschen werden in einem eigenen Ab
schnitt abgehandelt.
Andrea Reikat untersucht im Gebiet von Tenkodogo so
wohl die Raumaufteilung in Zusammenhang mit dem
Siedlungsgebiet wie auch die Zuordnung von Boden für
die landwirtschaftliche Nutzung, sei es zwischen Ge
höften oder zwischen den Mitgliedern eines Gehöfts. Da
bei weist sie in allen drei Fällen die determinierenden
machtpolitischen Faktoren nach. Das agro-pastorale Sys
tem der Shuwa-Araber im nigerianischen Tschadbecken
ist Gegenstand von Ulrich Braukämpers Darstellung. Der
Autor stellt überzeugend verschiedene Aspekte des Sys
tems dar, die zum Beispiel mit knappen Futterressourcen
in der Nähe von Dörfern verbunden sind oder mit den
Gefahren der Tsetse-Fliege für den Herdenbestand. Von
großem Interesse scheint ebenso die von der Lokalbe
völkerung vorgenommene Differenzierung der Weiden in
sechs Hauptkategorien (Braukämper 155), denen sich die
Shuwa in ihrer Nutzung jeweils besonders anzupassen ha
ben.
Von besonderem Interesse erscheint der Artikel von
Michael Schlottner zur Frage der Konstruktion gesell
schaftlich getrennter Einheiten durch Ethnologie und
Geographie in Zusammenhang mit Raum- und Zeitan
gaben von gesellschaftlichen Gruppen im zentralen Vol
tagebiet. Der Autor intendiert, einen Beitrag gegen das
althergebrachte Bild von „sogenannten autochthonen
Bevölkerungsschichten und später angekommenen Zu
wanderern“ (Schlottner 251) zu leisten. Als Anstoß für
seine Überlegungen nennt er rezente Ethnizitätsdebatten
von Carola Lentz (o.J.) und Jean-Loup Amseile (1985).
Frühere, auf Westafrika bezogene Kritiken sind bereits
während der Kolonialzeit von Rattray (1932) und Fortes
(1945) geäußert worden, wie der Autor anführt
(Schlottner 253). Freilich, Schlottner schreibt aus einer
deutlich ethnologischen Position, ohne akribisch die
Verbindung zu anderen Fächern im Sonderforschungs
bereich zu suchen.
Mit einem für den Leser ironischen Augenzwinkern geht
Hermann Jungraithmayr an das Thema der Interdiszi-
plinarität: „Nicht nur Böden erodieren, sondern auch