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Full Text: Tribus, 50.2001,N.F.

Buchbesprechungen Allgemein 
191 
auf unterschiedliche Formen und Techniken im nordwest 
lichen und südöstlichen Tuareggebiet hin. Über frühere 
kulturhistorische Einflüsse gibt es nur vage Vermutungen. 
Creyaufmüller stellt fest, dass Hausa und andere Völker 
die Tuaregkreuze früher nicht kannten. Das von Foureau 
(1905) übernommene Foto zeigt allerdings (Abb. 3) eine 
Frau aus Gobir („femme du Gober“), d.h. eine Frau aus 
einem Hausakönigreich. Aus dem Kontext kann man 
schließen, dass sie die afrikanischen Truppen der franzö 
sischen Eroberer begleitet. 
Creyaufmüller (und vor ihm schon andere Autoren) weist 
mehrfach darauf hin, dass die Schmuckproduktion heute 
wesentlich durch die Touristen bestimmt wird (z.B. durch 
die Anbringung von Ösen). Tuareghandwerker verkaufen 
nicht nur Schmuck in den Touristenregionen, sondern sie 
reisen auch nach Europa. Neue Kreuzformen wurden ge 
schaffen. So wurden mir im März 2001 im Air mehrfach 
„Mano Dayak-Kreuze“ angeboten. Der Zusammenhang 
von Tourismus und Tuaregschmuck verdiente eine ge 
nauere Untersuchung, weil er viele Aspekte berührt: öko 
nomische Auswirkungen, die Stellung des Schmucks in 
der Tuareg-Gesellschaft, die Globalisierung der Tuareg- 
Ethnie, die Rückwirkung auf die Tuareg-Kultur usw. 
Der größte Teil der Literatur über Tuaregschmuck ist aus 
ethnologischer Sicht deshalb mangelhaft, weil er vor al 
lem auf Schmucksammlungen (und deren photographi 
scher Wiedergabe), aber nicht auf ethnographischer Feld 
forschung beruht. Creyaufmüller selbst weist immer 
wieder auf diese Forschungslücken hin. 
Kritisch ist die handwerkliche Qualität der Publikation zu 
bewerten. Die Reproduktionen sind von schlechter 
Qualität, z.T ist der Schmuck nicht erkennbar. Bei inten 
siver Lektüre fallen dem Leser die Seiten in die Hand. 
Positiv bleibt festzustellen, dass hier zum erstenmal die 
Formenvielfalt der Tuaregkreuze beschrieben und analy 
siert wird. 
GERD SPITTLER 
FIRLA, MONIKA: 
Exotisch - höfisch - bürgerlich. Afrikaner in 
Württemberg vom 15. bis 19. Jahrhundert. 
Katalog zur Ausstellung des Hauptstaats 
archivs Stuttgart. Stuttgart: Hauptstaatsarchiv, 
2001. 104 Seiten, Färb- und SW-Fotos. 
ISBN 3-00-007571-2 
Seit vielen Jahren spürt Monika Firla in archivalischer 
Kleinarbeit dem Leben jener Afrikaner nach, die ihr 
Schicksal bis etwa 1900 aus dem schwarzen Kontinent 
nach Württemberg verschlug. Gleichsam eine Zwischen 
bilanz ihrer Forschungen präsentierte sie in der Aus 
stellung Exotisch - höfisch - bürgerlich. Afrikaner in 
Württemberg vom 15. bis 19. Jahrhundert, die vom 14. 
März bis 29. Juni 2001 im Hauptstaatsarchiv Stuttgart zu 
sehen war. Es ehrt die Archivleitung, dass sie Monika 
Firla die Ausstellung selbst gestalten ließ, obwohl sie kei 
ne Mitarbeiterin, sondern „nur“ eifrige Benutzerin des 
Hauses ist. Diese keineswegs selbstverständliche 
Liberalität hat reiche Früchte gebracht. Wer sich künftig 
über afrikanische Lebensläufe in Deutschland äußern 
will, muss sich an der Qualität des Kataloges messen las 
sen, der Firlas Forschungsergebnisse auch nach Aus 
stellungsende dokumentiert. 
Rein äußerlich erfreut die Broschüre durch handliches 
Format, großzügiges Layout und zahlreiche, vielfach far 
bige Illustrationen von ansprechender Qualität. Trotz 
vergleichsweise bescheidenen Umfangs (104 Seiten) han 
delt es sich inhaltlich um ein gewichtiges Werk. Die ge 
schickt ausgewählten, prägnant kommentierten und im 
Katalog meist abgebildeten Ausstellungsobjekte beste 
hen großenteils aus Drucken, Archivalien und Bild 
werken (Graphiken, Gemälde, Photographien). Ergänzt 
werden sie an geeigneten Stellen durch Objekte materiel 
ler afrikanischer Kultur. Sie gehören meist dem Linden- 
Museum, das nach dem Stuttgarter Hauptstaatsarchiv die 
größte Zahl an Exponaten bereitstellte. 
Die Autorin hat ihr Thema übersichtlich gegliedert und in 
flüssiger, klarer Sprache ohne störenden Fachjargon dar 
gestellt. Auf neun Seiten führt sie zunächst sachkundig 
und anregend in die Materie ein. Durch Beispiele aus 
Literatur und Geschichte belegt sie, dass man Menschen 
afrikanischer Abkunft in Europa bis weit in die Neuzeit 
hinein völlig unbefangen und vorurteilsfrei begegnete. 
Diese Tradition riss zwar nie völlig ab, wurde jedoch von 
einem ausgeprägten Rassismus überlagert, seit sich eu 
ropäische Länder aus wirtschaftlichen Gründen am Skla 
venhandel von Afrika nach Übersee beteiligten. Sprach 
man nämlich den Afrikanern unter Hinweis auf ihr Äuße 
res das gleichberechtigte Menschsein ab, so ließ sich der 
profitbringende Handel mit der dunkelhäutigen „Ware“ 
trefflich legitimieren. Es waren nicht zuletzt namhafte 
Vertreter der Aufklärung (Montesquieu, Kant), die zur 
Abwertung der „Mohren“ beitrugen, wie man Afrikaner 
noch bis ins 19. Jahrhundert hinein ohne negative 
Konnotation nannte. 
Vor diesem Hintergrund zeichnet Firla in sechs Kapiteln 
das Leben von über 50 Personen afrikanischer Ab 
stammung nach, deren Spuren sie in mühevoller Klein 
arbeit in Württemberg gesichert hat. Kriminalistischer 
Scharfsinn und vor allem bewundernswertes Beharrungs 
vermögen waren dafür vonnöten. Es passt nämlich nicht 
ins landläufige Bild deutsch-afrikanischer Beziehungen, 
dass spätestens seit der frühen Neuzeit in deutschen Lan 
den durchgängig Afrikaner lebten und meist problemlos 
in die heimische Bevölkerung integriert wurden. Wer 
ihren Schicksalen nachforscht, stößt deshalb noch oft auf 
ungläubiges Staunen und wird nicht selten milde be 
lächelt. 
Das Eingangskapitel Afrikaner im deutschsprachigen 
Raum? Afrikaner in Württemberg? charakterisiert den 
transsaharischen Sklavenhandel und den atlantischen 
Dreieckshandel zwischen Europa, Westafrika und Über 
see. Zahlreiche der in Europa und Deutschland nachweis 
baren Afrikaner entgingen dem Los der Sklaverei nur da 
durch, dass einzelne Europäer sie freikauften und in ihre 
eigene Heimat mitnahmen. Im deutschsprachigen Raum 
wurden die Neuankömmlinge durchweg als freie Mit 
bürger, nicht als Sklaven oder Leibeigene aufgenommen 
und hatten mitunter erstaunliche Möglichkeiten sozialen 
Aufstiegs. Das bekannteste Beispiel ist Angelo Soliman 
(um 1721 - 1796), der bis zum Erzieher des Erbprinzen
	        
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