Buchbesprechungen Allgemein
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auf unterschiedliche Formen und Techniken im nordwest
lichen und südöstlichen Tuareggebiet hin. Über frühere
kulturhistorische Einflüsse gibt es nur vage Vermutungen.
Creyaufmüller stellt fest, dass Hausa und andere Völker
die Tuaregkreuze früher nicht kannten. Das von Foureau
(1905) übernommene Foto zeigt allerdings (Abb. 3) eine
Frau aus Gobir („femme du Gober“), d.h. eine Frau aus
einem Hausakönigreich. Aus dem Kontext kann man
schließen, dass sie die afrikanischen Truppen der franzö
sischen Eroberer begleitet.
Creyaufmüller (und vor ihm schon andere Autoren) weist
mehrfach darauf hin, dass die Schmuckproduktion heute
wesentlich durch die Touristen bestimmt wird (z.B. durch
die Anbringung von Ösen). Tuareghandwerker verkaufen
nicht nur Schmuck in den Touristenregionen, sondern sie
reisen auch nach Europa. Neue Kreuzformen wurden ge
schaffen. So wurden mir im März 2001 im Air mehrfach
„Mano Dayak-Kreuze“ angeboten. Der Zusammenhang
von Tourismus und Tuaregschmuck verdiente eine ge
nauere Untersuchung, weil er viele Aspekte berührt: öko
nomische Auswirkungen, die Stellung des Schmucks in
der Tuareg-Gesellschaft, die Globalisierung der Tuareg-
Ethnie, die Rückwirkung auf die Tuareg-Kultur usw.
Der größte Teil der Literatur über Tuaregschmuck ist aus
ethnologischer Sicht deshalb mangelhaft, weil er vor al
lem auf Schmucksammlungen (und deren photographi
scher Wiedergabe), aber nicht auf ethnographischer Feld
forschung beruht. Creyaufmüller selbst weist immer
wieder auf diese Forschungslücken hin.
Kritisch ist die handwerkliche Qualität der Publikation zu
bewerten. Die Reproduktionen sind von schlechter
Qualität, z.T ist der Schmuck nicht erkennbar. Bei inten
siver Lektüre fallen dem Leser die Seiten in die Hand.
Positiv bleibt festzustellen, dass hier zum erstenmal die
Formenvielfalt der Tuaregkreuze beschrieben und analy
siert wird.
GERD SPITTLER
FIRLA, MONIKA:
Exotisch - höfisch - bürgerlich. Afrikaner in
Württemberg vom 15. bis 19. Jahrhundert.
Katalog zur Ausstellung des Hauptstaats
archivs Stuttgart. Stuttgart: Hauptstaatsarchiv,
2001. 104 Seiten, Färb- und SW-Fotos.
ISBN 3-00-007571-2
Seit vielen Jahren spürt Monika Firla in archivalischer
Kleinarbeit dem Leben jener Afrikaner nach, die ihr
Schicksal bis etwa 1900 aus dem schwarzen Kontinent
nach Württemberg verschlug. Gleichsam eine Zwischen
bilanz ihrer Forschungen präsentierte sie in der Aus
stellung Exotisch - höfisch - bürgerlich. Afrikaner in
Württemberg vom 15. bis 19. Jahrhundert, die vom 14.
März bis 29. Juni 2001 im Hauptstaatsarchiv Stuttgart zu
sehen war. Es ehrt die Archivleitung, dass sie Monika
Firla die Ausstellung selbst gestalten ließ, obwohl sie kei
ne Mitarbeiterin, sondern „nur“ eifrige Benutzerin des
Hauses ist. Diese keineswegs selbstverständliche
Liberalität hat reiche Früchte gebracht. Wer sich künftig
über afrikanische Lebensläufe in Deutschland äußern
will, muss sich an der Qualität des Kataloges messen las
sen, der Firlas Forschungsergebnisse auch nach Aus
stellungsende dokumentiert.
Rein äußerlich erfreut die Broschüre durch handliches
Format, großzügiges Layout und zahlreiche, vielfach far
bige Illustrationen von ansprechender Qualität. Trotz
vergleichsweise bescheidenen Umfangs (104 Seiten) han
delt es sich inhaltlich um ein gewichtiges Werk. Die ge
schickt ausgewählten, prägnant kommentierten und im
Katalog meist abgebildeten Ausstellungsobjekte beste
hen großenteils aus Drucken, Archivalien und Bild
werken (Graphiken, Gemälde, Photographien). Ergänzt
werden sie an geeigneten Stellen durch Objekte materiel
ler afrikanischer Kultur. Sie gehören meist dem Linden-
Museum, das nach dem Stuttgarter Hauptstaatsarchiv die
größte Zahl an Exponaten bereitstellte.
Die Autorin hat ihr Thema übersichtlich gegliedert und in
flüssiger, klarer Sprache ohne störenden Fachjargon dar
gestellt. Auf neun Seiten führt sie zunächst sachkundig
und anregend in die Materie ein. Durch Beispiele aus
Literatur und Geschichte belegt sie, dass man Menschen
afrikanischer Abkunft in Europa bis weit in die Neuzeit
hinein völlig unbefangen und vorurteilsfrei begegnete.
Diese Tradition riss zwar nie völlig ab, wurde jedoch von
einem ausgeprägten Rassismus überlagert, seit sich eu
ropäische Länder aus wirtschaftlichen Gründen am Skla
venhandel von Afrika nach Übersee beteiligten. Sprach
man nämlich den Afrikanern unter Hinweis auf ihr Äuße
res das gleichberechtigte Menschsein ab, so ließ sich der
profitbringende Handel mit der dunkelhäutigen „Ware“
trefflich legitimieren. Es waren nicht zuletzt namhafte
Vertreter der Aufklärung (Montesquieu, Kant), die zur
Abwertung der „Mohren“ beitrugen, wie man Afrikaner
noch bis ins 19. Jahrhundert hinein ohne negative
Konnotation nannte.
Vor diesem Hintergrund zeichnet Firla in sechs Kapiteln
das Leben von über 50 Personen afrikanischer Ab
stammung nach, deren Spuren sie in mühevoller Klein
arbeit in Württemberg gesichert hat. Kriminalistischer
Scharfsinn und vor allem bewundernswertes Beharrungs
vermögen waren dafür vonnöten. Es passt nämlich nicht
ins landläufige Bild deutsch-afrikanischer Beziehungen,
dass spätestens seit der frühen Neuzeit in deutschen Lan
den durchgängig Afrikaner lebten und meist problemlos
in die heimische Bevölkerung integriert wurden. Wer
ihren Schicksalen nachforscht, stößt deshalb noch oft auf
ungläubiges Staunen und wird nicht selten milde be
lächelt.
Das Eingangskapitel Afrikaner im deutschsprachigen
Raum? Afrikaner in Württemberg? charakterisiert den
transsaharischen Sklavenhandel und den atlantischen
Dreieckshandel zwischen Europa, Westafrika und Über
see. Zahlreiche der in Europa und Deutschland nachweis
baren Afrikaner entgingen dem Los der Sklaverei nur da
durch, dass einzelne Europäer sie freikauften und in ihre
eigene Heimat mitnahmen. Im deutschsprachigen Raum
wurden die Neuankömmlinge durchweg als freie Mit
bürger, nicht als Sklaven oder Leibeigene aufgenommen
und hatten mitunter erstaunliche Möglichkeiten sozialen
Aufstiegs. Das bekannteste Beispiel ist Angelo Soliman
(um 1721 - 1796), der bis zum Erzieher des Erbprinzen