TRIBUS 50, 2001
Wer konnte, lief seinem Herrn davon und lebte als
„Maron“ ein selbständiges Leben in schwer zugänglichen
Gebirgsregionen. Der dritte Abschnitt schließlich schil
dert „die Leibes- und Gemütsbeschaffenheit der
Schwarzen“ sowie ihre Kenntnisse, Gebräuche und Ge
wohnheiten.
Die Erschließung ethnologischer Materialien Herrnhuter
Missionare hat am Staatlichen Museum für Völkerkunde
Dresden eine bis 1955 zurückreichende Tradition (vgl.
TRIBUS Bd. 48, 1999, S. 41-48). Die Anregung zur
Herausgabe des in zwei Varianten im Archiv der Brüder
gemeine vorhandenen Oldendorp-Manuskripts (OMS 1
und 2) geht auf Dr. Peter Neumann (1928 bis 1989)
zurück, der beide Manuskripte im Jahre 1970 fotomecha
nisch kopieren ließ, zu einer Zeit, als dies noch erlaubt
war. Ab 1985 galt das „Oldendorp-Projekt“ als ein offizi
elles Editionsvorhaben des Staatlichen Museums für
Völkerkunde, das damit seinem guten Ruf als „For
schungsstelle“ gerecht wurde. „Der wissenschaftliche und
historische Wert der Manuskripte, das nachweisliche in
ternationale Interesse und die bereits geleisteten Vor
arbeiten rechtfertigten einen Antrag auf die Förderung
durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft“ (Gudrun
Meier, S. 21). Mit deren finanzieller Unterstützung be
gannen ab Juli 1993 sechs Transkribenten, die etwa 6.000
Seiten mit „deutscher“ Schrift mittels von Computern ab
zuschreiben. Diese Arbeit war am Ende des Jahres 1996
beendet.
Band II der Gesamtausgabe mit einem thematischen
Schlagwort-Glossar sowie mit Verzeichnissen der genann
ten Personen und der verwendeten brüderischer Begriffe
soll noch im Jahre 2001 erscheinen.
BERND ARNOLD
RITA SCHÄFER:
Guter Rat ist wie die Glut des Feuers - Der
Wandel der Anbaukenntnisse, Wissens
kommunikation und Geschlechterverhältnisse
der Shona in Zimbabwe. In: Sozioökono-
mische Prozesse in Asien und Afrika, Bd. 5
(Hrsg.; Stefan Seitz). Pfaffenweiler: Centaurus
Verlagsgesellschaft, 1998.10 + 182 S., 4 Karten,
22 SW-Fotos.
ISBN 3-8255-0237-6
Das Buch ist klar gegliedert in Einleitung, 5 Textkapitel,
Schlusswort. Dies macht zusammen 130 reine Textseiten.
Dann folgen im Anhang die 4 Kartenseiten, 11 Seiten mit
22 SW-Fotos und ein sehr umfangreiches, 36seitiges
Literaturverzeichnis mit überwiegend jüngeren Arbeiten,
d.h. mehr als die Hälfte aus den 90er-Jahren (S. 147 -182).
Im Vorwort stehen hauptsächlich die Danksagungen, dar
unter auch die Namen von 6 Frauen, auf deren Höfen die
Autorin lebte und an deren Alltag sie teilnahm. In der
Einleitung, vier Seiten weiter, steht noch, dass der
Aufenthalt bei den Shona-Frauen ein Jahr dauerte und
dass die Autorin auch an der Feldarbeit teilnahm. Dies
sind die einzigen Stellen im Buch, an denen Rita Schäfer
als Mensch wahrnehmbar wird, hier taucht das Personal
pronomen 1. Person Singular auf (3 mal), ansonsten fin
det man im gesamten Buch keinen persönlichen Hinweis.
Die Sachebene wird bevorzugt. Schäfer schildert kein ein
ziges Erlebnis, keine Fallstudie, keine selbst (als solche
kenntlich) gemachte Erhebung. Der Stil ist trocken, nüch
tern, distanziert. Die Sätze sind sorgsam durch die reich
lich vorhandenen Literaturbelege abgedeckt, die sich in
Textnoten und Fußnoten finden. Lediglich das 5. Kapitel,
das sich dem Anbau und seiner Veränderung widmet, ist
fast frei von Anmerkungen und fußt wohl auf der eigenen
Erfahrung, ohne dass dies allerdings erwähnt würde.
Auch der Ort oder die Orte, an denen Schäfer lebte, sind
nicht weiter lokalisierbar - man könnte fast sagen, die
Studie wurde anonymisiert.
Im ersten kurzen Kapitel werden die wissenschaftlichen
Fragestellungen erörtert, die theoretischen Hintergründe,
die Methoden. Es wird schnell deutlich, dass das alte
Schema Hackbau - Pflugbau hier nicht gültig ist: Die
Shona kennen beides, sie sind Bauern, Hirten, Sammler
und Jäger gleichzeitig und integrieren sich zudem in eine
moderne Kultur und Infrastruktur des 20. Jahrhunderts.
Das 2. Kapitel gibt einen Gesamtüberblick über Zim
babwe, angefangen bei der Naturgrundlage, der Ethno-
genese der Shona, die heute rund 77% der Bevölkerung
ausmachen, der Gesellschaftsorganisation, der Religion,
der Politik und Wirtschaft. Bei der Religion spielen die
mhondoro-Geister und die Geistermedien eine bedeutsa
me Rolle bis in die Gegenwart. Weder die Unabhängig
keitsbewegung noch die momentanen Farmbesetzungen
werden verständlich ohne Einbeziehung dieser Aspekte
einer Verbindung zur geistigen Welt. Die Schilderung des
Anbaus, der Landnutzung und der Arbeitsorganisation
rundet dieses Kapitel ab, an dessen Ende ein kompaktes
und klares Bild der vorkolonialen Situation steht; Eine
Gesellschaft, die durch ein vielfältiges, sorgsam austarier
tes Netz von Beziehungen verknüpft war, sich stabilisierte
und sich auch extremen Situationen wie Dürre und
Krankheiten gewachsen zeigte. Das Wissen um die sensi
ble Ökologie war vorhanden (die Pflanzungen sind
Mischkulturen zur Kleinhaltung der Schädlinge, zur Sta
bilisierung des Bodens usw.) und wurde weitergegeben:
„Somit galt der Austausch mit anderen als zentrales Ele
ment für die Bewahrung und Weiterentwicklung von An
baukenntnissen: ‘Guter Rat ist wie die Glut des Feuers,
man muss ihn sich von andern holen’.“
Kapitel 3 wirft ein grelles Licht auf die gravierenden Än
derungen während der Kolonialzeit. Als frühe Schlüssel
figur wirkte der Missionar Alvord, der 25 Jahre lang den
Wandel der Anbausysteme in den sogenannten Reser
vaten maßgeblich beeinflusste. Schäfer arbeitet brillant
heraus, wie ein Gesetz auf das andere aufbaute und einer
kleinen (weißen) Bevölkerungsgruppe die besten Böden,
die meisten Subventionen, das beste Saatgut u.ä. sicherte,
während die Eingeborenen in Regionen mit geringen
Ressourcen abgedrängt oder umgesiedelt wurden. Im Be
freiungskrieg war hier ein großes Potential zur Unter
stützung der Kämpfer vorhanden - Guerillas und Bauern
halfen sich, die mhondoro-Geister legitimierten den
Kampf (S. 51ff.).
Nach der Unabhängigkeit 1980 wandelten sich die Agrar
strukturen durchaus. Die neuen Führer Zimbabwes über
nahmen aber auch viele koloniale Strukturen, und ein