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Full Text: Tribus, 50.2001,N.F.

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TRIBUS 50, 2001 
bewegen. Fundierte Passagen, wie z.B. zu Foucault, wech 
seln sich ab mit Oberflächlichkeiten. Weber erweckt z.B. 
den Eindruck, es sei die neueste Erkenntnis der Post 
moderne, dass es in ‘der Wissenschaft’ keinen Anspruch 
mehr auf die 'allgemeingültige und vollständige Wahr 
heit’ gibt (S.5). Der ‘archimedische Punkt’, von dem aus 
die Welt angeblich ‘objektiv’ betrachtet werden kann, 
wurde jedoch bekanntlich schon viel früher aufgegeben. 
Man denke z.B. an Schriften von Wilhelm Dilthey, der be 
reits zu Anfang des 20. Jahrhunderts verdeutlichte, dass, 
‘unsere’ Wirklichkeit durch individuelles ‘Erleben’ und 
durch individuelle Sozialisation strukturiert wird und so 
mit Wirklichkeitserfahrungen immer gesellschaftlich und 
historisch' gebunden sind, oder an das von Hans-Georg 
Gadamer entwickelte hermeneutische Konzept des ‘Vor 
urteils’. 
Kapitel zwei soll den Leser in den lokalen Kontext ein 
führen. Zuerst werden die naturräumlichen Gegeben 
heiten, die wirtschaftlichen Verhältnisse und die heutigen 
Lebensbedingungen in Unyankyusa skizziert. Ein wichti 
ges Ritual, das im späteren Verlauf der Studie immer wie 
der auftaucht, wird ebenfalls vorgestellt. Es handelt sich 
um das ‘ubosooka’, das in einem ‘Häuptlingstum’ die 
Übergabe der politischen Macht an die nachfolgende 
Generation regelt (S.42 - 46). Eine detaillierte Betrach 
tung erfährt der komplexe Themenbereich Deszendenz 
und Verwandtschaft. Weber kritisiert den seiner Ansicht 
nach irreführenden Gebrauch des ‘Lineage-Begriffs’ bei 
der Beschreibung des Verwandtschaftssystems der 
Nyakyusa (S.33ff.). Der Autor zeigt in diesem Kontext 
auch die ‘Theoriegebundenheit’ von wissenschaftlichen 
Studien auf, was ausgesprochen positiv zu vermerken ist: 
Am Beispiel des bekannten britischen Ethnologenehe 
paares Monica und Godfrey Wilson, die in den 1930er 
Jahren in Unyakyusa geforscht haben, stellt er dar, wie 
der zeitgenössische wissenschaftliche Diskurs - der Struk 
turfunktionalismus - die jeweilige Sichtweise, Frage 
stellung und demzufolge die Forschungsergebnisse beein 
flusste. 
Auf die Arbeitsweise der ‘Social Anthropology’ geht das 
dritte Kapitel („Die Nyakyusa im Diskurs bisheriger 
Veröffentlichungen“) nochmals kritisch und ausgewogen 
ein. Leider trifft das auf jene Passage, die sich den 
Missionaren widmet, nicht zu. Pauschal werden diese in 
einem Unterkapitel mit der bezeichnenden Überschrift 
„Die Bevormundung durch die Missionen“ als durchweg 
ethnozentrische Ignoranten dargestellt, die immer nur 
‘neben’ den Nyakyusa lebten und von deren Alltag im 
Dorf praktisch nichts mitbekamen. Im Gegensatz dazu 
stehen laut Weber die ‘verständnisvollen’ Ethnologen, die 
‘unter’ den Einheimischen lebten und einen „echten 
Dialog mit den Nyakyusa führten“ (S.61 ff). Dieses 
Klischee - ‘guter’ Ethnologe versus ‘böser’ Missionar - 
sollte inzwischen aufgebrochen sein und einer differen 
zierteren Sichtweise Platz gemacht haben. Schade, dass 
Weber sich an dieser Stelle unnötigerweise angreifbar 
macht. Selbstverständlich gab es in Tanzania und auch in 
anderen Gebieten Afrikas Missionare, die zum Teil über 
Jahrzehnte hinweg ‘mit’ den Einheimischen lebten, sich 
um einen intensiven Kontakt bemühten, und sich wie z.B. 
Bruno Gutmann (der von 1902-1938 mit einer vierjähri 
gen Unterbrechung am Kilimanjaro tätig war) um ihre 
kulturelle Erforschung und Dokumentation überaus ver 
dient gemacht haben. Weber erwähnt zudem selbst in ei 
ner Fußnote eine ‘positive’ Ausnahme, nämlich Missionar 
Jauer, der sich während der deutschen Kolonialzeit bei 
den Nyakyusa aufhielt und „wenig und nur für interne 
Missionszeitschriften geschrieben hat“ (S.61). Weiter 
gehende Informationen darüber, wie Jauer die Nyakyusa 
wahrgenommen und dargestellt hat und womit er sich von 
den übrigen Missionaren der ‘Lutherischen Mission’ und 
der ‘Herrnhuter Brüdergemeinde’ abgehoben haben soll, 
bleibt uns der Autor leider schuldig. Wenn er Jauer schon 
hervorhebt, sollte er die entsprechende Literatur auch 
konsultieren und in die Studie mit einbauen. Selbst 
verständlich ist es nicht immer einfach, diese Quellen auf 
zuspüren. Deshalb sei mir erlaubt, in diesem Zusammen 
hang auf die aktuelle ‘Mission Archiv Series’ der 
‘University of Leipzig Papers on Africa (ULPA)’, heraus 
gegeben von A. Jones 1998-2000, hinzuweisen: Insbe 
sondere auf die Hefte ‘Afrikabestände in deutschen 
Missionsarchiven: Perspektiven ihrer Erschließung’ 
(ULPA No. 5) und ‘Afrikabestände im Unitätsarchiv der 
Herrnhuter Brüdergemeinde’, die im Gebiet von 
Unyakyusa tätig war (ULPA Nos.10-15). 
Kapitel vier und fünf bauen aufeinander auf. Im Ersteren 
wird zunächst allgemein und theoretisch auf ‘mündliche 
Überlieferungen als historische Quellen’ eingegangen, 
wobei sich der Autor auf einschlägige Kapazitäten, wie 
Vansina, Henige, Feierman, etc. bezieht und damit zeigt, 
dass er sich eingehend mit der Erzählforschung, bzw. mit 
nicht-schriftlichen Quellen zur Geschichte Afrikas aus 
einandergesetzt hat. Kapitel fünf beschäftigt sich mit 
mündlichen Überlieferungen zu drei mythischen Vor 
fahren (Mwakyusa, Mwakibinga, Mwankusye) aller heute 
unter dem Begriff Nyakyusa zusammengefassten ‘Häupt- 
lingstümer’. Etliche dieser Erzählungen, die bis ins 17. 
Jahrhundert zurückreichen (S.19), sind nach Weber den 
meisten älteren Nyakyusa noch sehr geläufig (S.91). Sie 
berichten im Wesentlichen von der Herkunft und histori 
schen Entwicklung der ‘Häuptlingstümer’, deren Kons 
tituierung als politische Einheiten, sowie ihre damit ein 
hergehende Identifikation mit bestimmten Kultzentren. 
Durch die Vielzahl der in diesen Erzählungen auftreten 
den indigenen Personennamen, Institutionen und geogra 
phischen Bezeichnungen liest sich die Darstellung 
Webers hier schwer. Sie bleibt auch nach mehrmaliger 
Lektüre verwirrend. Die Rezensentin vermisste vor allem 
in diesem Kapitel, aber auch in anderen Teilen des 
Buches, ein Glossar, das die wichtigsten Nyakyusa- 
Begriffe erklärt. Lästiges Zurückblättern und teilweise 
vergebliches Suchen nach der erstmaligen Erklärung von 
bestimmten Termini kann dem Leser damit sehr einfach 
erspart werden. Auch wäre es wünschenswert gewesen, 
einen Index beizufügen. 
Im siebten Kapitel beleuchtet Weber die Geschichte des 
‘Lwembe-Kultes’ und die bereits erwähnte Ngulube- 
Migration. Anhand von mündlichen Überlieferungen 
wird dargestellt, wie die Vertreter und Nachfahren der 
Einwanderer (u.a.’Lwembe’) sich als politische und sa 
krale Eliten am Nordende des Nyasa-Sees etablieren 
konnten und wie sie sich mit der autochthonen Be 
völkerung arrangierten. Dem mythischen Held Lwembe, 
der auch als Gottheit verehrt wurde, waren bei den
	        
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