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Full Text: Tribus, 50.2001,N.F.

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Buchbesprechungen Amerika 
Nyakyusa drei Kultzentren gewidmet. Ein wertvoller 
Aspekt von Webers Untersuchung ist hier die Betonung 
der unterschiedlichen Kultzentren für die Herausbildung 
von politischen Identitäten; Identitäten, die sich z.T. rein 
‘regional’ und nicht ‘ethnisch-kulturell’ definierten. 
Kapitel acht widmet sich den ‘Eigentümern des Landes’, 
die im vorkolonialen Unyakyusa einen zentralen Platz in 
lokalen politischen Diskursen einnahmen, da sie rituelle 
Kontrolle über das Land ausübten. In den unterschiedli 
chen Regionen entwickelte sich die Institution der 
‘Eigentümer des Landes’ in verschiedene Richtungen, die 
z.B. in Ugondo zu mehr Zentralisierung bis hin zur 
Etablierung von sakralen Königtümern führte, wohinge 
gen die ‘eigentlichen’ Nyakyusa dezentralisiert blieben. 
Weber beschreibt hier dynamische Wechselwirkungen 
von Machtausübung, Machtverlust und Machterwei 
terung in den jeweiligen ‘Provinzen’. Wiederum stehen 
sakrale Orte, insbesondere die Kultzentren von Kabale 
und Lubaga, im Mittelpunkt. 
Mit politischen Umwälzungen und ökologischen Krisen 
im 19. Jahrhundert setzt sich das vorletzte Kapitel von 
Webers Untersuchung auseinander. Bereits in den 1840er 
Jahren drangen die militärisch straff organisierten 
Wangoni vom südlichen ins östliche Afrika ein. In 
Unyakyusa gelang es ihnen allerdings schwer, Fuß zu fas 
sen (S.196). Mächtige Nyakyusa-’Häuptlinge’ konnten 
sich anscheinend gegen ihr Eindringen durchsetzen. Im 
Gegensatz zu „allen bisherigen Publikationen“, die den 
Würdenträgern der Nyakyusa zu dieser Zeit wenig bis 
überhaupt keine Macht zubilligten, erfuhr Weber von sei 
nen Informanten vor Ort, „wie autoritär sich die 
Häuptlinge im 19. Jahrhundert verhielten und wie will 
kürlich sie ihre Entscheidungen durchsetzen konnten“ 
(S.197). Der Autor ging den ideologischen Rechtfer 
tigungen dafür nach und stellte fest, dass u.a. die „lokalen 
Wurzeln“ (vgl. Kultzentren) ihre Macht legitimierten (S. 
198). In den 1880er und 1890er Jahren wurde Unyakyusa 
von einer Reihe von Katastrophen, wie Dürren, Über 
schwemmungen, Sandflohepidemien und der verheeren 
den Rinderpest heimgesucht. Prophetische Bewegungen 
und ein neuer Kult entstanden am Nordende des Nyasa- 
Sees. Nicht zuletzt trafen auch die ersten Missionare in 
diesem Gebiet ein, und die deutsche Kolonialmacht such 
te sich zu etablieren. Das zunehmend autoritäre 
Verhalten der Nyakyusa-’Häuptlinge’ interpretiert Weber 
als eine Folge dieser mannigfachen Krisensituationen. Im 
Dezember 1897 kam es zu einem für die Nyakyusa ver 
heerenden Aufstand gegen die deutsche Kolonialherr 
schaft (S.235). 
Zusammenfassend stellt der Autor im Schlusskapitel fest, 
dass präkolonialen Identitäten der Nyakyusa einem kon 
tinuierlichen Wandel unterlegen waren. Er betont dabei 
die politische Komponente der unterschiedlichen lokalen 
Identitäten und weist noch einmal auf die Wichtigkeit der 
Kultzentren und die dort durchgeführten Rituale hin. 
„Die diesem Gebiet eigentümliche historische Dynamik 
rührte nicht zuletzt von der Existenz zweier Kultzentren 
mit überregionaler Bedeutung her“ (S. 225). 
Trotz mancher Schwächen dürfte Peter Webers interes 
sante und lesenswerte Studie für alle Kolleginnen und 
Kollegen, die sich mit ‘Oral Tradition’ und vorkolonialer 
Geschichte in Tanzania und in Afrika im Allgemeinen be 
fassen, von Interesse sein. 
VIKTORIA STÖGER-EISING 
AUGUSTIN, SIEGFRIED: 
Die Welt der Indianer in Augenzeugen 
berichten. „Malt ihm das Gesicht an mit rötli 
cher Farbe“. München: nymphenburger, 1997. 
341 Seiten, 50 SW-Abbildungen. 
ISBN 3-485-00774-9 
Siegfried Augustin hat sich der sehr verdienstvollen 
Aufgabe unterzogen, indianisches Leben im Nord 
amerika des 18. und 19. Jahrhunderts mit Hilfe von 
Berichten verschiedener Zeitzeugen dem Leser plastisch 
vor Augen zu führen. Dabei folgt er den Spuren von 
Forschern, Missionaren, Militärangehörigen und interes 
sierten Weltreisenden von Ost nach West. Aufgrund der 
geschichtlichen Gegebenheiten der USA ist somit ein ge 
wisser chronologischer Aufbau des Buches entstanden. 
Ausgelassen wurden der nordamerikanische Süden ein 
schließlich Floridas, der pazifische Küstenstreifen sowie 
der Nordwesten und Norden des Kontinents, wohl mit 
Absicht, denn an entsprechender Originalliteratur fehlt 
es auch über die letztgenannten Regionen nicht. Ge 
schickt hat der Verfasser die Schwierigkeiten im Hinblick 
auf die notwendigerweise Bruchstückhaftigkeit von Be 
richtsteilen sowie auf die an sich gegebene Notwendigkeit 
eines Kommentars älterer Texte umgangen, indem er mit 
einem dem Buch vorangestellten Auszug aus den 
„Abentheuerlichen Ereignissen...“! (denen auch die 
Schilderungen des James Smith entnommen sind) darauf 
verweist, „die Abenteuer selbst oder ihre Zeitgenossen ... 
in ihrer eigenen, ungeschmückten Schreibart reden zu las 
sen ...“, um nicht „ihr Zeugnis um vieles verdorben und 
geschwächt“ wiederzugeben. Die Orthografie ist im 
Großen und Ganzen in unsere heutige geändert worden, 
wobei jedoch der Stil der Originalabhandlungen weitge 
hend beibehalten wurde. 
Neben einer Einleitung des Autors „Weiße Augenzeugen 
und ihre Wahrnehmung der Fremde“ ist das Werk in ins 
gesamt zehn Abschnitte, gegliedert nach Kulturprovinzen 
und -arealen sowie Zeitabschnitten, und dreiundzwanzig 
Unterabschnitte eingeteilt. Von letzteren beziehen sich 
sechs auf das nordöstliche Waldland (James Smith, Georg 
Heinrich Loskiel [dessen Informanten David Zeisberger 
und August Gottlieb Spangenberg waren] und Johann 
Gottlieb Ernst Heckewelder); sieben betreffen das 
Große-Seen-Gebiet (John Tanner, Edwin James [Bericht 
erstatter von John Tanner] und Johann Georg Kohl); acht 
Unterabschnitte die Prärien und Plains (Richard Irving 
Dodge, Balduin Möllhausen, Friedrich Kurz und 
Friedrich J. Pajeken); und zwei Teilberichte sind dem 
Westen und Südwesten zuzuordnen (Friedrich Armand 
Strubberg, Olive Oatman und R. B. Stratton). Immer wie 
der erfrischend ist es, die lebendigen und humorvollen 
Schilderungen vor allem von Möllhausen zu lesen. Zum 
Schluss der Publikation sind die benutzten Quellen aufge 
führt. Jedem Abschnitt ist eine kurze Biografie des jewei 
ligen Berichterstatters vorangestellt. Im laufenden-Text
	        
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