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ein System von 17 vollständig in den lebendigen Fels gehauenen, etagenförmig
übereinander (und zwar auf einer Länge von reichlich 3—4 km) angelegten, nach
dem 'Turbinen-Princip, also mit horizontalen Wasserrädern arbeitenden‘ Mühlen.
Sie alle werden getrieben durch die minimale Wassermenge eines Bächleins, das
von Mühle zu Mühle geführt is& und zwar zumeist durch unterirdisch aus dem
Fels herausgehauene Leitungs-Canile.
Sie werden die Vorliebe der Chalder für Felsenbauten jeder Art um so besser
verstehen, wenn ich Ihnen sage, dass nicht der geringste Grund für diese so überaus
kunstvoll eingerichtete Anlage ersichtlich ist, dass das Ganze auch ebenso gut ober-
irdisch und mit aus Mauerwerk bestehenden Mühlen hätte eingerichtet werden können.
Freilich einen Nebenzweck hatte diese unterirdische Anlage und zwar einen
sehr wichtigen; von einem der höhergelegenen unterirdischen Mühlen - Canäle
geht nämlich ein unterirdischer Seitenstrang ab, welcher der 2—3 km davon ent-
fernten ausgedehnten Felsenstadt und namentlich auch dem Konigsschloss das er-
forderliche Trinkwasser zuführte, das sich die Bewohner im Falle einer Belagerung
sonst auf anderem Wege nicht hätten beschaffen können. Es beweist das deutlich,
dass auch das Königsschloss trotz seiner gefälligen, anscheinend bedeutend Jüngeren
Formen mit Stadt und Mühlen-Anlage zugleich entstanden ist; wie ja auch eigentlich
zu erwarten war. Die Gesammt-Anlage aller Felsen-Wohnungen in jenem senk-
rechten Felshange beweist deutlich, dass sie nach einem einheitlichen Plan her-
gestellt wurde?) |
Zum Vergleiche assyrischer und chaldischer Wasser-Baukunst führe ich
Ihnen hier ein Haupt- und Prunkstück assyrischer hydraulischer Anlagen vor, wie Sie
es zum zweiten Male in jenem Reiche nicht wieder antreffen. Es ist das der wohl an
20 km lange Canal, den Asurnasirabal (885—860) anlegen liess, um das Wasser
des grossen Zab auf die Feldmark der von ihm neu aufgebauten und neubesiedelten
assyrischen Residenzstadi Kalach zu leiten (heute das Ruinenfeld Nimrüd, wenige
Kilometer nördlich von der Einmündung des Zab in dem Tigris gelegen und be-
rühmt durch die von Layard und Rassam dort veranstalteten Ausgrabungen). An
diesem Aquäduct ist weiter nichts bemerkenswerth als die Canal-Mündung am
Zab, die in wahrhaft ingeniöser Weise angelegt ist und in einem wohl an 200 w
langen, direct in den Zab mündenden Felsen-Tunnel besteht. Ich zeige Ihnen hier
zunächst die Endöffnung dieses Tunnels nach Kalach zu, die Ihnen zugleich durch
die daran postirten Personen eine Anschauung über die Grössenverhältnisse des
Canals, wie auch des von ihm durchbohrten Felsenrückens giebt, und sodann hier
die Tunnelöffnung am Zab, eine Aufnahme, die Hr. Lehmann nur dadurch zu
Stande brachte, dass er seinen Standort metertief im schlammigen Wasser des
Canals nahm.
Doch kehren wir zu den Chaldern zurück, Menuas hat auch sonst noch viele
Canäle und zwar grosse Canäle angelegt. Für die Bewässerung der umfangreichen
Ebene von Bergri an der Nordostecke des Van-Sees z. B. leitete er den ganzen
Bendimahi-Tschai aus seinem Felsenbette ab, dabei für etwaige Hochwasser ihm ein
neues künstliches Flussbett schaffend?). Einen anderen grossen Canal legte er für
die heute Arzwapert genannte, nahe bei Ardjisch gelegene Stadt an; wieder ein
anderer bewüsserte die Ebene von Patnoizt. Zwei müchtige Canüle, die er nach
1) Anders Hr. Lehmann (Verhandl. 1899, S. 591), der das hohe Alter und auch die
Einheitlichkeit der Anlage in Zweifel zog. W. B.
2) Nüheres darüber in der Zeitschr. f. Ethnologie 1899, S. 244ff.
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