Dem Monde kann man kein Kleid machen
381
hattet ihn in seiner Schwankerzählung (1557) nur mit der Stoffbürde aus. Überall
dort, wo das so charakteristische Attribut der Schere auftritt, ist ein direkter oder
^direkter Zusammenhang mit der Bildgestaltung bei Borde anzunehmen, selbst
^enn der Gestalter, wie es bei Amman sicher der Fall ist, auch Wickrams Schwank-
er zählung gekannt hat.
Nun gibt es aber auch Bilddarstellungen des Schwankes, auf denen der nackte
Nann wie bei WlCKRAM nur Stoffballen oder Kleidungsstücke trägt. Im städtischen
Kunstgewerbemuseum zu Leipzig befindet sich ein Bildteppich von 1571 mit
Trachtendarstellungen verschiedener Nationen und Beischriften, ein „Umlaufft“,
der als Kaminbehang gedient haben mag. Der Teppich, 2,33 m lang, 0,42 m breit,
besteht aus neun gleich breiten Teilen, auf welchen je eine erhaben gearbeitete
Trachtenfigur steht 47 ).
Der Grund ist mit farbigen Schnuren im Netzwerk bestickt. Die Figuren sind aus
Tappe geschnitten und mit Atlas überzogen, die Kostüme werden teils durch
Applikation, teils durch Plattstich gebildet. Am Fuße zieht sich über den ganzen
Teppich die Inschrift hin: SO. SCHAV. NVN. DISE. BILTNVS. AN § WIE.
SELTZAM. ES. IN. DER. WELT. TVT. STAN § MIT. DER. KLEIDVNG.
ÖVRCH. ALLE. HANT § HELT. SICH. AVCH. NIEMANT. NACH. SEINEM.
S TANT § DANN. ES. VOR. ALTERS. SO. NICHT. GEWEST. IST. WIE.
AlAN. IN. ALLEN. HISTORIEN. LIST §
Die Klage über den Verfall der Zeiten, die in der zweiten Hälfte des 16. Jahr
hunderts sich mit allen Äußerungen über die Tracht verbindet, durchzieht auch
diese Inschrift.
Das erste Trachtenbild stellt auf gelber Seide einen nackten bärtigen Mann mit
Nlzhut und Lendenschurz dar, der Pfeil und Bogen trägt. Er wird in seiner Legende
a E „weißer Mohr“ bezeichnet, der mit seiner Waffe alle Inseln durchzogen habe.
Nit dieser Gestalt ist der Verfertiger des Teppichs offenbar das Opfer einer Lügen
geschichte geworden, wie sie „Sprecher“, „Lotterbuben“ im wundersüchtigen
*6. Jahrhundert auch in bezug auf exotische Erlebnisse verbreiteten. LUTHER
Sc hildert einen solchen „Lotterbuben“, der „die leute über tisch mit lecherlichem
gcschwetz frolich machen wil.“ Er kennt auch die Lügengeschichten, mit denen sie
a ufwarten: „... von eisern vögeln, die über den Rein fliegen, von schwartzem
^ c hnee oder von weißen moren und dergleichen, da kein reymen noch deuten oder
gKichnis ist, auf das man lachen solle“ 48 ).
Heere sei der Schwank als Wortschwank zu Westphal gekommen, v. Boehn kennt
^eder die Gestaltungen Wickrams noch Weigels. In: Die Mode, Menschen und Moden
lrn 16. Jh. München 1923, S. 92.
47 ) Beschreibung und Abbildung einiger Figuren des Bildteppichs bei Cornelius
^Urlixx: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des König-
rc khs Sachsen. 18. Heft: Stadt Leipzig. Dresden 1896, S. 324fr. Vgl. auch den Führer durch
da s städt. Kunstgewerbemuseum zu Leipzig. Leipzig 1931, S. 23. Wir danken der Leitung
dcr Museums für die Überlassung des Bildes des nackten Deutschen.
48 ) Zitiert nach J. Bolte: FahrendeLeute in der Literatur des 15. und 16. Jahrhunderts.
ksungsberichte der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Jahrgang 1928. Phil.-hist.
Nasse. Berlin 1928, S. 634.