genau zu scheiden: Wird eine in Form eines Gesetzes erlassene
Erklärung nicht als Recht verwirklicht, so mag daran Schuld
sein, entweder daß die Rechtspolitik sich nicht innerhalb der
Kräfteverhältnisse der rechtsfreundlichen und der rechtsfeindlichen
Elemente betätigte, oder daß ein geltungsmögliches Recht falschen
Ausdruck fand. Ersteres betrifft die Rechtspolitik, Letzteres die
Gesetzestechnik* Mit dem Rechte selbst, respektive mit dem
Unterschiede zwischen Gewohnheitsrecht und Gesetzesrecht hat
dies alles nichts zu tun. Besonders geschürt wurde der Streit
um den verschiedenen Wert der beiden Offenbarungsformen des
Rechtes durch die unhistorische Ansicht, der Gesetzgeber habe
erstens die Macht und zweitens die Intelligenz, was immer für
rechtliche Einrichtungen frei zu erschaffen. Dem ist entgegen
zusetzen, erstens daß der Gesetzgeber sich wirksam nur innerhalb
der Geltungsmöglichkeit frei bewegen könne, zweitens dasjenige,
was Stahl vom Staate sagt: „Diesen ewigen Bau, welcher allen
Zeiten die unverwüstliche Dauer entgegensetzt, würde mensch
liche Klugheit weder aufzufiihren noch zu erhalten im Stande sein.1)
Nur Gewohnheit (Handlungen) und Gesetz (Worte) können
Recht offenbaren. Andere Quellen des Rechtes gibt es nicht.
So kann insbesondere der Gerichtsgebrauch nicht als Rechts
quelle angesehen werden, soferne er nicht völlig im Begriffe des
Gewohnheitsrechtes aufgeht, also in Handlungen der Rechts
untertanen (ev. der Richter) offenbart ist. Ein Urteilstext kann
schon deshalb keine Rechtsoffenbarung sein, weil der Urteiler
selbst immer nur bereits fixiertes abstraktes Recht auf den kon
kreten Fall anzuwenden hat, das Urteil also wie ein wissen
schaftliches Werk bloß seine Meinung vom Rechte enthält, die
sich vor ähnlichen Meinungen durch nichts auszeichnet und
immer eine Prüfung auf ihre Wahrheit zuläßt (Uebereinstimmung
mit dem wirklichen Rechte). Sehr richtig hebt Willoughbi/-)
hervor, daß eine dem Gerichte zugestandene Rechtsbildung den
Grundsatz der Nichtrückwirkung neuen Rechts durchbricht: „Let
it be frankly admitted, that judicial legislation is ex post facto
legislation. “
1) a. a. 0., Bd. I, S. 375.
2) An examination ot the nature of the state 1896, S. 175, zitiert von
Krabbe, Die Lehre von der Rechtssouveränität, Groningen 1906, S. 72.