Laband definiert das Staatsgesetz im formellen Sinne dahin,
es sei „ein Willensakt des Staates, der in einer bestimmten feierlichen
Weise zu Stande gekommen und erklärt worden“ sei,1) während
nach ihm das Gesetz im materiellen Sinne „die rechtsverbindliche
Anordnung eines Rechtssatzes“ bedeutet.2) lieber die Berechtigung
resp. die Nichtberechtigung dieser Scheidung sind zwei bedeutende
Monographien erschienen und zwar die bereits zitierten von
Haenel und von Jellinek. Die sehr umfangreiche Literatur ist
bei Laband a. a. 0. Bd. 2 S. 1, bei Haenel a. a. 0. S. 99 ff. und
bei Georg Meyer Lehrbuch des deutschen Staatsrechtes, 5. Aufl.,
Leipzig 1899, S. 500 angegeben.
Soll ein Gesetzesbegriff als Gattungsbegriff aufgestellt und
unter ihn auch das Staatsgesetz subsumiert werden, wie es in
dieser Arbeit geschieht, so muß derselbe unbedingt inhaltlich
determiniert werden — hier den Rechtsbegriff aufnehmen. Die
Art und Weise der Tätigkeit allein, selbst bei Hinzunahme der
Bestimmung, daß die Tätigkeit in einer Willensäußerung be
stehe,3) gibt noch keinen Gesetzesbegriff. Auf das staatsrecht
liche Gebiet übertragen folgt aus dieser Erwägung, daß ein sogenannt
formelles Gesetz nicht mehr verdient „Gesetz“ genannt zu werden,
sondern je nach dem Resultate der Tätigkeit richtig „ein in
Form eines Staatsgesetzes zustandegekommenes Rechtsgeschäft
(Verwaltungsakt, Rechtsspruch)“ heißen sollte.4) Mehr als ter
minologische Bedeutung scheint den meisten Schriftstellern gegen
über diese Bemerkung nicht zu haben. Allerdings dreht sich
der staatsrechtliche Streit eigentlich um die Frage, welches
Resultat aus einer in verfassungsgemäß gesetzlicher Art und
Weise erfolgten Tätigkeit hervorgehen kann.5) Dieser Streit
berührt die nachfolgende Untersuchung überhaupt nicht. „In der
Lehre von der Entstehung des Rechts hat das „Gesetz im bloß
formellen Sinne“ nichts zu bedeuten, während es im Staatsrecht
9 Das Staatsrecht des deutschen Reiches, 4. Auflage, Tübingen und
Leipzig 1901, Bd. 2, S. 57.
2) a. a. 0. S. 1.
3) Jellinek, Gesetz und Verordnung, S. 231.
4) Aehnlich Holt zendorff, Enzyklopädie der Rechtswissenschaft, 5. Aufl.,
Leipzig 1890, S. 1121.
6) Aehnlich Haenel a. a. 0. S. 115 und Anschütz, Kritische Studien
zur Lehre vom Rechtssatz und formellen Gesetz, Leipzig 1891, S. 1.