Skip to main content
Page Banner

Full Text: Arbeiterinnenorganisation und Frauenbewegung

5 
und die Arbeiter als Menschen nicht Berührungspunkte finden könnten, sondern be­ 
deutet, daß die auf Boreuthaltung eines Teiles des vom Arbeiter geschaffenen Ertrages 
der Arbeit beruhende Kapitalsanhäufnng ein besitzloses Proletariat bedingt, welches 
seine Arbeitskraft um jeden Preis verkaufen muß. Zwischen denen, welche diese Zu­ 
stände aufrecht erhalten wollen, und den besitzlosen Arbeitern ist eine Scheidewand vor­ 
handen, welche nur durch Beseitigung der Lohnarbeit aufgehobeu werden kann. Hier 
decken sich also die in den Gewerkschaften vorhandenen Anschauungen mit denen der 
sozialdemokratischen Partei. Ebenso herrscht Übereinstimmung darüber, daß dem Staate 
die Berpflichtung zusällt, aus gesetzgeberischem Wege in die Arbeitsverhältnisse ein­ 
zugreifen. . . . 
In erster Linie aber sind die Gewerkschaften bestrebt, durch die Macht ihrer Or­ 
ganisation den Arbeitsvertrag zu ihren Gunsten zn gestalten, bewachten es aber nicht 
als ihre Aufgabe, die erwähnten Tendenzen zu propagieren, halten diese Propaganda 
vielmehr für eine Aufgabe der sozialdemokratischen Partei und ihrer Organisationen." 
In diesem letzten Satze liegt, daß die Gewerkschaften vor allem prak­ 
tische Gegenwartsarbeit leisten wollen; vorläufig streben sie Reformen 
innerhalb der bestehenden Gesellschaftsordnung an. Die 
Gewerkschaften sehen allerdings die sozialdemokratische Partei als diejenige 
an, von der sie die nachdrücklichste Vertretung der Arbeiterinteressen im 
Parlamente erwarten, aber sie verwahren sich dagegen, als Vorschule für 
die Partei, als „Rekrutenerziehungsanstalt", wie Legien es S. 11 aus­ 
drückt, angesehen zu werden. Sie wahren auch ihre politische Neutralität 
insofern, als sie weder bei der Aufnahme, noch in den Statuten irgend­ 
wie nach dem politischen Bekenntnis ihrer Mitglieder fragen. Die Ge­ 
werkschaften sind „Kampforganisationen", d. h. sie erklären den Streik 
für ein berechtigtes Mittel zur Erringung besserer Lohn- und Arbeits­ 
verhältnisse. Trotzdem wenden gerade gut geleitete Organisationen den 
Streik nur im äußersten Falle an, da sie wissen, eine wie zweischneidige 
Waffe er ist. In erster Linie suchen die Gewerkschaften ihre Ziele — 
genau wie die übrigen Organisationen — auf friedlichem Wege zu er­ 
reichen, z. B. durch Kollektivabmachungen mit den Arbeitgebern hinsicht­ 
lich der Lohntarife, Ausbau des Gewerbegerichtswesens, Einrichtung von 
Arbeitsnachweisen u. a. Immer mehr Aufmerksamkeit wenden ferner die 
Gewerkschaften in neuester Zeit dem Unterstützungswesen zu, weil sie wissen, 
daß die „lauen" Mitglieder oft viel fester durch die Kassenverhältnisse an 
ihre Organisation gefesselt werden, als nur durch die Macht der Idee. 
Allen drei Organisationsgruppen ist ferner der Weg gemeinsam, für 
Aufklärung und Bildung unter ihren Mitgliedern zu sorgen, durch Ver­ 
anstaltung von Vorträgen, Einrichtung einer Bibliothek, Herausgabe eines 
Fachorgans usw. 
Wir kommen nun zu der zweiten Gruppe, den Hirsch-Duncker- 
schen Gewerkv ereinen, die von fortschrittlicher Seite 1868 gegründet 
wurden. Sie zählten im Jahre l903 110 215 Mitglieder^. Die ein­ 
zelnen Gewerkvereine sind zu einem „Verband der deutschen Gewerkvereine" 
zusammengeschloffeu, an dessen Spitze als oberste Verwaltung der sog. 
„Zentralrat" steht. Im Herbst des Jahres 1868 versuchte 1)r. Max 
Hirsch den englischen Trade-Unionismus nach Deutschland zu übertragen. 
Sein Plan stieß auf sehr scharfe Opposition, und zwar hauptsächlich bei 
den revolutionär-sozialistischen Arbeitern. Dies war wohl auch vor allem 
der Grund, daß die durch Or. Hirsch angebahnte Verständigung mit den 
3) Laut Geschäftsbericht.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.