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Volltext: Geteilte Nachbarschaft

Bevollmächtigter in seinem Abschnitt 
M{fS-Leute war, mit ihren Polizei-«Kollegen« Interna 
zu diskutieren.” 
Herr Richter: »Also, ick weeß, die ham dort 
Rechtsberatung gemacht mit ’nem Anwalt, und denn 
wurden die Leute eingezogen [zur > Klärung 
einesSachverhaltes« aufs Revier bestellt, wo sie auch 
von Stasi-Mitarbeitern erwartet werden konnten], 
denn wurden Maßnahmen festgelegt. Ick meine, wir 
hatten ja Beziehungen zu dem Pfarrer Hilse ... der 
war ja an und für sich bekannt ... Aber was dort in der 
Kirche wirklich war, det ham wir nie erfahren ... Det 
wurde so wat von streng geheim gehalten, auch von 
der Kirche aus. Wat ja heute völlig einleuchtet, denn 
wer quatscht, wenn ick bestimmte Maßnahmen fest- 
lege oder Maßnahmen treffe oder so wat, wer redet 
da schon drüber, denn kann ick ooch gleich hingehen 
zur Kreisdienststelle und kann sagen: Det ham wir vor, 
und nun macht mal, ja.« 
Herr Richter sieht die Kirche in der DDR aus 
einer Sicherheitsperspektive. Staat und Kirche verfol- 
gen konträre Ziele und müssen ihre Mittel und Wege 
voreinander abschirmen. Das scheint auch für die Kir- 
che legitim zu sein, deren Macht und Einfluß ja lange 
nicht so weit wie der Arm des Staates reicht. Im Be- 
reich der politischen Auseinandersetzung muß man 
ınscheinend taktieren, die Möglichkeiten des »Geg- 
aers« zu berechnen versuchen und jede eventuelle 
Blöße geheim halten. Eine andere Frage ist die nach 
dem Punkt, an welchem eine Kirche von dem Gebot 
öffentlichen Bekenntnisses so weit abgewichen ist, daß 
‘hr kein verändernder Einfluß auf die Gesellschaft 
mehr möglich ist. Ein ähnliches Problem entstand ja 
auf der anderen Seite: Der Geheimdienst war zwei- 
tellos immer recht aktiv (in seinem Sinne) gewesen; 
sine dauerhafte Stabilisierung des Staates DDR jedoch, 
wenn dies überhaupt möglich gewesen wäre, hätte ei- 
nes öffentlichen Diskussionsraumes bedurft, den es 
30 nie gegeben hat. Statt dessen fühlte sich die Mehr- 
neit der Bürger mit den zunehmenden wirtschaftli- 
chen Schwierigkeiten der DDR in ihrer privaten »Ni- 
sche« (Günther Gaus) verunsichert und von den poli- 
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tischen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen. 
Herr Richter: »Warum sind die Leute vom Mi- 
nisterium für Staatssicherheit in deine Dienststelle mit 
ringekommen? ... Warum sind die alle furzneeselang 
ıngekommen und ham sich mit dem Leiter unterhal- 
ten über deine bestimmten Probleme, die da warn? 
War doch eigentlich nich nötig aus meiner Sicht ... Wir 
haben alle für die Ordnung und Sicherheit zu tun ge- 
habt. Wenn irgendwat dringendes gewesen wär’, 
hättste sowieso ’ne Meldung gemacht, und dein Leiter 
hätte det schon weitergegeben ... Warum muß det MfS 
sich da mit rinhängen? ... Ick meine, aus ihrer Sicht 
mag ja sein, ick kenne die Perspektive oder die Richt- 
Iinien nicht, die da bestanden ham, so weit sind se nich 
durchgedrungen bis zu mir, ooch heute nich, det gan- 
ze Zusammenspiel, det kannte man ooch nicht. Man 
wußte ooch gar nich: Wat is Sache, wat mußten se ma- 
hen ...« 
»Wat wolln die Leute?« 
Die zunehmende Ausreisebewegung in den 80er Jah- 
ren hatte ihre Auswirkungen auch auf den Dienstalltag 
zınes ABV. Ein Teil der Bevölkerung war nicht mehr 
zewillt, sich mit den Gegebenheiten - den materiellen 
Engpässen und eingeschränkten Möglichkeiten selbst- 
jestimmten Lebens - abzufinden. Eine Rolle (auch als 
Schutzfaktor für Ausreisewillige) spielte zudem das 
starke Bedürfnis der DDR nach internationaler An- 
erkennung und die damit zusammenhängende Einbin- 
dung in internationales Recht, ganz zu schweigen von 
der Empfindlichkeit gegenüber sogenannten »Einmi- 
schungen in innere Angelegenheiten der DDR« durch 
die westliche Presse. 
Der permanente Vergleich mit dem Leben im 
Westen, einem medialen Bild, das vor allem über Fern- 
sehen und Rundfunk verbreitet wurde, zeitigte eben- 
falls seine Wirkungen. Längst auch hatte die Partei es 
aufgegeben, auf westliche Sendestationen gerichtete 
orivate Antennen mit Gewalt zu entfernen, längst 
schon wurde die Möglichkeit des Westempfangs in
	        
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