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Full Text: Globus, 13.1868

Aus allen 
Erdtheilcn . 
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Calcutta hat zumeist keine Abzugscanäle , schlechtes Trinkwasser , schlechte Luft und die meisten Eingeborenen sind sehr unreinlich . So ist es kein Wunder , daß im Jahre ans 1090 Individuen 50 Sterbefälle kommen . Die Engländer geben sich übrigens große Mühe , die Uebelstände zu beseitigen , treffen aber dabei wegen der Gleichgültigkeit der Asiaten aus manche Hindernisse . 
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— Die „ Sonnenhöhe der Corruption " in Nord - amerika . Die zu Chicago erscheinende „ Illinois Staatszeitnng " ist ein der Partei der Radikalen angehörendes Blatt ; die Le - gislatur des Staates Neuyork , welche zu Albany ihre Sitzungen halt , bestand bisher überwiegend ans Radiealen . Nun bemerkt jene Zeitung : „ Daß in der Neuyorker Gesetzgebung keine Bill durchging , ohne daß Geld die Räder der Bericht erstattenden Co - miteen schmierten , war längst bekannt . Wiederholt rettete nur das Beto des Gouverneurs Fenton den Staat vor dem Siege der Neuyorker Centralbahn , welche bis zn 10 , 000 Dollars für die Stimme zahlte , um die Aufhebung der Clause ! zu erzielen , welche das Fahrgeld auf 2 Cents für die Mile feststellt . Wiederholt wurde das Volk durch seine Vertreter der Ausbeutung durch die Eisenbahngesellschaften überliefert und bis jetzt nur durch das Einschreiten des Gouverneurs gerettet . Nun hat ein Mitglied jener Gesetzgebung . Herr Glenn , erfahren , was es heißt , in ein Hornissennest zu stechen . Er erklärte , daß der Comiteebericht zn Gunsten der Eriebahn erkaust sei , ebenso jener zn Gunsten einer Harlem - Milch - Bill , daß überhaupt mehrere Comiteen sich für ihre Berichte bezahlen ließen , daß man ihm selber 500 lars für seine Stimme geboten habe , während ein anderes glied 1200 und noch ein anderes 500 Dollars annahm . Er be - antragte einen Untersuchungsausschuß , den das Haus auch be - willigte . Dann verlangte er einen Advocaten anzunehmen , dessen Gebühren der Staat zn bezahlen habe , weil es sich hier um ein öffentliches , allgemeines Interesse handle . Das schlug man ihm ab . Er verlangte Urlaub auf sieben Tage und kam nicht wie - der . Er ist im wahren Sinne des Wortes so geärgert worden , daß er in der Flucht die einzige Rettung vor einem Schlag - anfalle fand . Und was dasSchlimmste ist , weil es die Hoffnungs - losigkeit der Situation kennzeichnet , — ein Theil der Neuyorker Presse behandelt die Sache eher humoristisch als sittlich entrüstet . " 
Das genannte Blatt stellt dann folgende Betrachtungen an , die allerdings niederschlagend genug aber charakteristisch für die Zustände sind . 
„ Die tatsächliche Ausstoßung eines alten , ehrlichen und bra - ven Mannes , weil er ehrlich und brav war und sich weder selbst kaufen lassen noch ruhig mit ansehen wollte , wie zwei Drittel der Volksvertreter sich kaufen ließen ; — diese offene Aechtung der Ehrlichkeit durch eine Genossenschast von Spitz - buben bezeichnet wohl die Sonnenhöhe der Corruption in unserm öffentlichen Leben . Wenigstens können wir uns nicht entsinnen , daß jemals die Käuflichkeit mit ähnlicher Schamlosigkeit und gleich starkem Bewußtsein ihrer vollkommenen Berechtigung ausgetreten wäre . Bisher hat die Spitzbüberei doch wenigstens der Ehrlich - feit das Compliment gemacht , daß sie sich vor ihr versteckte . Viel war damit nicht geholfen , allein es blieb doch immerhin das Jahr - hunderte alte Vornrtheil unangetastet , daß eigentlich die Spitz - büberei das Verdammliche sei und nicht die Ehrlichkeit . Doch in Albany hat man den Muth gefunden , auch dieses Vorurtheil zn beseitigen . Dort erhebt sich triumphirend die Eanaillerie und wirft mir verächtlichem Fußstoß die Ehrlichkeit in den Staub hinab . 
So uiuß es erst kommen , wenn jemals auf den Eintritt einer Besserung gehofft werden soll . Die Dieberei muß sich offen und frech für das berechtigte und die Ehrlichkeit für das unberechtigte Element im Staatsleben erklären , ehe derjenigen Majorität des Volks , die nicht aus sittlicher Verderbtheit , son - dern aus Gleichgültigkeit und Trägheit die bestehende Corruption 
nährt und pflegt , die Notwendigkeit einer gründlichen Reform zum Bewußtsein gelangt . 
Daß das geschehe , ist sehr nöthig , in Anbetracht , daß das Volk selbst durch bornirte „ Sparsamkeit " einen großen Theil der Schuld an der bestehenden Corruption hat . Jede deutsche Haus - srau kennt das Sprüchwort : „ Das Beste ist der beste Kauf " und Jedermann den Satz : „ Am theuersten ist , was am wenig - sten Geld kostet . " Aber das amerikanische Volk scheint weder den einen noch den andern Satz gekannt zu haben . In allen Ein - zelstaaten des Nordens ist die Bezahlung der Volksvertreter so erbärmlich niedrig angesetzt , daß nur Rentiers oder Spitzbuben eine Wahl zur Staatslegislatur annehmen können . In Albany zahlt man im Gasthaus sür den Tag ( ohne Ertras ) 4 Dollars ; aber die Mitglieder der Gesetzgebung erhalten nur 3 Dollars und auch die nur für 100 Tage . Währt die Sitzung , wie es vorgekommen ist , 120 Tage , so erhalten sie immer nur 300 Dol - lars als Gesammtbezahlung . Noch toller hat man die keit hier in Illinois verstanden , wo die Gesetzgeber nur für 40 Tage Bezahlung g , 2 Dollars per Tag erhalten ! 
Das heißt doch nichts anderes , als eine Prämie auf die Käuflichkeit setzen . Das Volk mag nicht aus lauterGoethe'S und Hegel's bestehen , aber so dumm ist es doch sicherlich nicht , um sich einzubilden , daß die Hunderte von Patrioten , welche sich um Stellen in der Gesetzgebung bewerben , lauter opferfreudige Volksfreunde seien , welche die Ehre , das Volk zu vertreten , mit 500 oder 1000 Thaler bezahlen , — denn mit den Wahlkosten , den Snbsistenz - und Reisekosten wird wohl so viel herauskommen . Das Volk weiß , es muß wissen , wenn es sich nicht aller Ansprüche auf den Besitz gewöhnlichen Menschenverstandes begeben will , daß die Mitglieder der Staatsgesetzgebungen ihre Stimmen verkaufen müssen , um „ auf ihre Kosten zukommen " und daß drei tel derselben darauf angewiesen sind , „ auf ihre Ko - sten kommen " zu müssen , weil diese ihr ganzes ge - schäftliches Anlagekapital bilden . In der That bestehen auch auf Seiten des Volkes eigentlich keine Zweifel über diesen Punkt . Eö wählt sich seine Vertreter mit dem klaren Bewußtsein , daß sie corrupt sein müssen , und findet , nachdem es sie gewählt hat , sein Behagen darin , sagen zu kön - nen : „ Die Kerle sind alle Spitzbuben . " Aber damit nicht genug . Ist einmal durch Zufall ein armer , ehrlicher Teu - fel gewählt und bleibt er arm , nachdem er jahrelang seine besten Kräfte de : n Gemeinwohle gewidmet hat , so — werden ihm etwa Bürgerkronen votirt ? Nicht doch ; — sondern so zuckt man über ihn die Achseln und sagt : „ Der muß doch ein rechter Einfalts - Pinsel gewesen sein , daß er so wenig verstanden hat , sich Pfeifen zu schneiden , während er im Rohre saß . " 
In dieser gänzlichen Abwesenheit alles sittlichen Gefühls in der öffentlichen Meinung des Volkes steckt die Grundwurzel der allgemeinen Corruption . Es ist zwecklose Sisyphusarbeit , fortwährend auf die geilen Schößlinge loszuhacken , die aus der Wurzel hervorsprießen , oder diese selbst zu schonen . Die öffentlichen Gauner und Spitzbuben können , wenn ihnen ihre Untugenden vorgehalten werden , mit Frosch in Auerbachs Keller sagen : „ Ihr wollt es ja , man soll es sein ! " Und sie haben Recht , wenn sie das sagen . Wie der Herr , so der Diener . Das Volk ist der Herr , seine Diener sind die öffentli - chen Beamten . Wäre nicht der Herr voll chevalereöker gültigkeit gegen Redlichkeit und Pflichttreue , würden auch die Diener anders sein als sie sind . — Es ist freilich bequem , über spitzbübische Diener zu fchwadroniren , aber damit erfüllt man noch nicht die Pflicht , sich ehrliche auszusuchen . — Die Ehrlichkeit wird in unserm öffentlichen Leben so lange als gleichbedeutend mit Dummheit oder Überspanntheit verachtet werden , als nicht im gesellschaftlichen Leben aller unredlicher Erwerb , ja aller Er - werb , dessen Redlichkeit auch nur der leiseste Zweifel anhängt , gebrandmarkt und geächtet ist . So lange aber das Volk ,
	        
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