Karl Ferdinand Appun : Eine Nacht
brannten , über denen die Indianer den Nest der Ausbeute an Fischen , ans einem Rost von zusammengelegten Stäben harten Holzes , räucherten , die ohne diese Maßregel unfehlbar am andern Morgen in Fäuluiß übergegangen wären . Ob - gleich Alles der Nachtruhe sich hingegeben zu haben schien , bewies doch das unausgesetzte Klatschen der Hände an die nackten Körper , daß die Indianer keineswegs schliefen , viel - mehr der hartnäckigen Verfolgung der nunmehr aufs Zu - dringlichste sie plagenden Moskitos sich widmeten . Trotz mei - ner Kleidung und der wollenen Decke , in die ich mich in der Hängematte eiugehüllt hatte , empfand ich eben auch aufs Empfindlichste die Peinigenden Stiche dieser Quälgeister , und so auch , wie es schien , mein Diener , der ein großes Feuer von verrottetem und grünem Holze dicht bei seiner Hänge - matte anmachte und in einen Rauch sich hüllen ließ , der dem Schlot des größten Dampfers Ehre gemacht hätte . Die anscheinende Ruhe wurde jedoch plötzlich unterbrochen .
Ein lang ausgezogener , pfeifenartiger Ton ertönte durch die Stille der Nacht . Sobald nur die Indianer denselben gehört , sprangen sie sämmtlich aus den Hängematten und griffen zu den in der Nähe stehenden Bogen und Pfeilen . Der Capitäo Arara hielt sofort beide Hände vor den Mund und ließ einen Pfiff hören , der aufs Täuschendste dem gehörten Locktone ähnlich war . Vom Flusse her , jedoch in geringerer Entfernung als früher , wurde ihm schnell geantwortet , und von beiden Seiten wurden diese Töne wiederholt , und er - klangen immer näher und näher , bis sie , von der andern Seite endlich in unmittelbarer Nähe der Corials , gehört wurden . Es waren die Locktöne des männlichen Maipnri ( Tapirtfs americanüs ) , der durch sie seine ferne Geliebte von seiner Anwesenheit in Kenntniß setzte und zn einem Stelldichein aufforderte . Die Indianer wählten nun aus ihren Bündeln Pfeilen nur die au der Spitze mit Urarigift versehenen und schlichen , mit diesen und den Bogen in den Händen , behutsam nach dem Orte , von wo der letzte Pfiff ertönt war . Längere Zeit war es still ; dann ertönte der Pfiff wieder , dem unmittelbar darauf der plumpe Fall eines schweren Körpers ins Wasser folgte . Ans dem Dickicht kamen plötzlich die Indianer hervorgerannt , stürzten nach den Booten und fuhren in größter Eile den Fluß abwärts , dem durch Giftpfeile verwundeten Tapir nach .
Es dauerte wohl eine Stunde , bevor die tactmäßigen Ruderschläge , die immer näher und näher ertönten , mir ihre Rückkehr anzeigten . Endlich landeten sie nnd zogen unter lautem Freudeugeschrei den Tapir , welchen sie im Schlepp - tau des Bootes geführt , ans Ufer . Die ins Fleisch eingedrun - genen Giftpfeile hatten bald ihre Wirkung an dem starken Thiere gethan ; es war ungefähr noch 10 Minuten nach der Verwundung mit dem Urarigifte eiligst abwärts geschwommen , dann aber in seinen schnellen Bewegungen dermaßen durch die Wirkung des Giftes gelähmt worden , daß die Indianer es bequem einholen und an das Corial binden konnten , wor - auf es in kurzer Zeit starb .
Es war ein altes Thier und wurde sofort von mehreren eifrigen Händen zerlegt , um das Fleisch theils zu kochen , theils zu räuchern . Große Feuer wurden zu diesem Zwecke angezündet und lange „ Barbecnes " errichtet , welchen Beschäfti - gnngen die Macufchis mit großem Vergnügen sich unter - zogen . Diese Barbecnes bestehen aus 4 bis 6 in die Erde geschlagenen , oben gabelförmigen Stäben in der Höhe von 3 bis 4 Fuß , über welche Querstangen von hartem Holze gelegt werden , so daß das Ganze einen Rost bildet , ans welchen sodann das zum Rösten und Räuchern bestimmte Fleisch ge - legt , und unter demselben ein gelindes Feuer unterhalten wird . Innerhalb 6 bis 8 Stunden ist das Fleisch der - maßen geröstet , daß es sich Wochen lang in eßbarem
am Rio Takutn in Britisch Guyana . 95
staude erhält , besonders wenn es mitunter auf kurze Zeit wiederum dein Feuer ausgesetzt wird .
Das zum Kochen bestimmte Fleisch wurde von den Ma - cuschis mit Haut und Haaren in den Topf geworfen nnd nur kurze Zeit dem Feuer ausgesetzt ; die Indianer aßen es im halbrohen Zustande , und die daran sitzenden Haare mußten als Reinigungsmittel des Magens dienen . Mit dem Blute und Stücken der Eingeweide füllten sie die oberflächlich ge - reinigten Gedärme und fabricirten in dieser Weise eine Art monströser Blutwürste , die ebenfalls geräuchert wurden .
Ich konnte mich nie mit der indianischen Kochkunst be - freunden und brachte es nicht über mich , meinem Magen Proben derselben zn liefern ; mein weißer Diener , der zwei Aemter zugleich , die eiues Koches und einer Waschfrau , be - kleidete , hatte bereits für die besten Stücken des Tapirs , die Backen , Rüssel , Beine und einige fette Rückenpartien , gesorgt und schickte sich au , dieselben als „ Pepper - pot " zuzubereiten . Zu diesem Zwecke wird das gut gereinigte Fleisch in Wasser abgekocht , nnd sodann in eine Brühe von Casfareep ( dem aus der geriebenen Wurzel der Cassade ( Manihot ; utilissima ) ausgepreßten giftigen Safte , der durch lauges Kocheu und Verdampfen eingedickt wird , nnd dadurch seine giftigen Be - standtheile verliert ) unter starkem Zusatz von Capsicum - flüchten gethan , in welcher es sich , täglich aufgekocht , Wochen lang in genießbarem Zustande erhält .
Die glückliche Jagdbeute und die verschiedenen culinarischen Processe , welchen dieselbe unterworfen wurde , machten die lauge Nacht und mit ihr die Plage der Moskitos weniger fühlbar , und es war bereits 2 Uhr Morgens , als die ganze Gesellschaft zur Ruhe sich legte , und statt der ausgelassenen Fröhlichkeit der Indianer eine tiefe Stille eintrat . Noch ließ sich der klagende Ton des mit langsamem Flügelschlage sanft dahin schwebenden Caprimulgns , der seinen Ruf „ ha , ha , ha , ha ! " mit Hellem vollen Ton beginnt , und allmälig mit leisem Seufzer endet , hören ; dann aber verstummte auch dieser , und bald hatte der Schlaf deu Menschen ins Reich der Träume hinübergeführt ! —
Es war Heller Morgen , als ich durch deu Lärm der In - dianer , die bereits ihr Morgenbad int Flusse genommen , wachte . Sie saßen schon wieder um deu gefüllten Kochtopf herum und verzehrten Portionen Fleisch , die mich zu meinem größten Erstaunen belehrten , welch einer Ungeheuern Expansion der menschliche Magen fähig ist . Einige der gigantischen Blutwürste , in Form antediluvianischen Coprolitheu ungemein ähnlich , bildeten den Schluß des lucullischeu Mahles . — Die Thierwelt war erwacht ! Zahlreiche Paare blauer Ära - ras und blaugrüner Maracanas ( Conurus Macaruana ) flogen krächzend über den Fluß , um deu Itapalmenwald in der Savanne , seiner Früchte wegen , zu besuchen ; aus dem Gebüsche der nahen Savanne tönte der laute , sonderbare Ruf des Hanaqua ( Ortalida Motmot ) , und der tiefe , brnm - mende Ton des Panitnima ( Crax tomentosa ) erscholl aus dem hohen Blätterdache des Urwaldes . Von der Ferne er - tönte das laute Gebrüll der Guarib a s ( Mycetes seniculus ) , und Herden munterer Macacos ( Cebus apella ) eilten unter gellendem Gepfeife über mir , in den Aesten der Laub - masfen , dahin . —
Mein Frühstück war bald eingenommen , und ich gab den Indianern das Zeichen zum Aufbruche . Alle Kochge - räthfchafteu , die mit geräuchertem Fleisch und antediluviauisch aussehenden Blutwürsten gefüllten Katauris * ) nnd zuletzt die Hängematten wanderten nach den Booten , nnd nur die noch brennenden Feuer blieben am Ufer zurück . Alles war ein - gestiegen ; das durch das tactmäßige Anschlagen der rudernden
" ) Katauris — indianische Tragekörbe ,