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Full Text: Globus, 17.1870

Ein neuer Fischplatz im nördlichen Norwegen . 
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Ein neuer Fischplatz i> 
Im „ Norsk Folkeblad " liest man folgenden Brief aus Nordland : Was Aasvaer ( spr . Ohsvär ) für ein Ort ist , danach würde man sich vor 3 bis 4 Jahren vergeblich er - kundigt haben , und noch heutiges Tages giebt es Viele , welche diese Frage aufwerfen . Man findet den Namen nicht auf den älteren Karten von Norwegen , nicht in Platon's großer Geographie , und nicht einmal in dem größten geographischen Lexicon . Und dennoch ist der Ort um die Weihnachtszeit einer der lebhaftesten im Lande , denn nirgends versammelt sich zu gleicher Zeit eine solche Menschenmasse , wie dort auf einem Vergleichsweife fo kleinen Räume , selbst uicht während unsers traditionellen Winterfestes , Weihnachten . 
Aasvaer ist in diesem Augenblicke eine der größten und wichtigsten Fischereien Norwegens , welche von einem großen Theile des Landes mit Interesse und mit Hoffnungen umfaßt wird , und wo sich gleichzeitig nicht weniger als 10 , 000 Menschen versammeln . Wenn nun dort in dem Lause vou 2 bis 3 Wochen etwa 200 , 000 Tonnen Häringe gefangen werden , und diese dem Auslande gegenüber ein Ca - pital vou ungefähr I Million Speciedaler ( 1T / 2 Millionen Thaler preuß . Crt . ) repräsentiren , so kann mau sich eine ungefähre Vorstellung von der Wichtigkeit des Platzes für die Theilnehmer an der Fischerei machen . Aasvaer selbst liegt 2 bis 3 Meilen von der Küste von Helgeland entfernt , ungefähr unter dem nördlichen Polarkreise , und ist kaum eine Meile lang . Im Verein mit den beiden angrenzenden „ Vaeren " ( Vaer ist ein Ort , wo Fische gefangen und zu - bereitet , nämlich getrocknet oder eingefalzen werden ) ist es der Hauptort der sogenannten nordlandschen Großhäring - fifcherei , auch bloß Aasvaerfifcherei genannt . Das „ Vaer " besteht aus einer Menge von niedrigen Inseln und Holmen draußen in dem wilden Meere , welche kaum jemals vou einem Touristen besucht worden sind . Ein Reisender würde anch schwerlich dorthin gelockt werden können , am allerwenigsten zur Weihnachtszeit , da der Platz seine große Wichtigkeit hat , und doch würde derjenige , welcher große und gewaltsame Na - tnrscenen liebt , gerade dort seine Sehnsucht stilleu können . Mit seinen offenen Seiten dem Atlantischen Ocean und dem Polarmeere zugewendet , liegt das Vaer in einer Gegend , worin die heftigsten Winterstürme ihre volle Stärke uud Kraft entwickeln können . So läßt sich bezeichnend genug anführen , daß in dem Laufe vou 20 bis 30 Jahren in den Monaten December und Januar iu deu angrenzenden Ge - genden nicht weniger als sechs an einander grenzende Kirchen , alle vom Blitze angezündet , abgebrannt sind ; denn in die - sen Gegenden kommen Gewitter nur im Winter vor . 
Aasvaer gehört einem Herrn Coldevin in Dönnaes oder Dönnes ( einem bedeutenden Gute uud Kiez bei der Kirche auf der Insel gleichen Namens , 1865 mit 31 Häusern , 46 Haushaltungen uud 216 Einwohnern ) und war früher ein unbemerkter , werthloser Platz , der au zwei Männer verpach - ict war , welche sich um der Fischerei willen so weit wie mög - lich in das offene Meer hinansbegeben hatten . Aber welches Beispiel in dem Wechsel des Glückes auch nach unseren Ver - Hältnissen sind nicht diese beiden Männer ! Ans blutarmen Fischern in diesen wilden Gegenden sind sie plötzlich Leute mit sehr ansehnlichen Einkünften geworden . Sie haben das Recht , vou den Einsalzern für jede Tonne Häring eine gabe von einem Schilling zu erhebeu , und diese kleine Ab - gäbe gewährt Jedem von 100 , 000 Tonnen ein Einkommen von 800 bis 900 Speciedalern ( 1 Speciedaler wird in 120 Schillinge getheilt ) , und außerdem haben sie noch andere 
l nördlichen Norwegen . 
Vortheile und Einkünfte . Willst Du aber diefe plötzlich reich gewordenen Leute besuchen , und trifft Dich nicht auf der Reife zu ihnen einer dieser gefährlichen und heftigen Winter - stürme , denen man in diesem Jahre glücklich entgangen ist , so findest Du sicherlich um die Weihnachtszeit ein bewegliches Leben unter diesen vielen Tausenden von Menschen von der hurtigsten uud muthigsteu Bevölkerung Norwegens , nämlich von den nordlandschen Fischern . Während des äußerst kurzen Tages wird iu der größten Eile die Fischerei mit dem Auslegen und Aufholen der Garne und Netze betrieben , in - dem Andere beschäftigt sind , so schnell wie möglich die Hä - ringe zu behandeln ; in der Nacht ist Musik und Tauz , Spiel und Munterkeit , ungefähr wie auf einem norwegischen Jahr - markte . Dort ist Leben und Bewegung Tag und Nacht , Wechsel von Glück und Unglück , Traner und Freude , Sünde und Reue , Alles innerhalb einer kurzen Zeit . 
Die Ursache aller dieser Bewegung ist der Häring . Während der Platz noch vor wenigen Jahren beinahe ganz öde war , zeigte sich plötzlich und zu bestimmter Zeit eine regelmäßige Zuströmung einer ausgezeichnet fetten und gro - ßen Häringsart . Niemand kannte diese Art , und uoch jetzt ist man nicht aufs Reine damit gekommen , zu welcher Art man sie zählen soll ; noch geht sie unter ihrem besondern Namen „ Nordlandscher Großhäring " ( Nordlansk Storsild ) . Dieser Häring ist bestimmter in seiner Wan - dernng und in seinem Erscheinen , als irgend eine andere Art . Er erscheint bei Aasvaer alljährlich am 10 . December und bleibt dort bis in den ersten Tagen des Januar . Während dieser kurzen Zeit versammeln sich dort Hunderte vou Fahr - zeugeu , Netz - und Garnbootcn . Große Gebände sind zum Einsalzen aufgeführt und andere zu Verkaufshäusern und Scheuken , Tanzlocale nicht zu vergessen ; denn Tanz ist stets das Lieblingsvergnügen des Nordländers . Dampfer kommen täglich an und gehen ab , um Leute uud Waareu abzuliefern und entgegenzunehmen . Man ist vor der Ankunft des Hä - rings in Spannung und unruhiger Erwartung , ja in Angst und Zweifel darüber , ob er vielleicht ausbleiben werde . 
Während man anf den Häring wartet , hat inan Zeit , diese Bevölkerung zu betrachten , welche in echten Typen nord - landscher Fischer besteht . Hier darf man sich die Fischerei nicht vorstellen als eine gemächliche und stille Beschäftigung , welche durch die Schönheit und idyllische Ruhe eines Fjord - bildes reizen kann . Nein , hier ist Arbeit , in jedem Augen - blicke Kampf mit den Elementen und Gefahr . Dies ist das tägliche Loos des uordlaudfcheu Fischers , und so geht es das ganze Jahr hindurch . Er fährt in stillem und ruhigem Wet - ter hinaus , kommt aber unerwartet in Sturm und Unwetter nach Hause , denn das Wetter wechselt unaufhörlich an diesen Küsten . Sein Arbeitsjahr beginnt am heiligen Dreikönigs - tage damit , daß er das Boot in die See schiebt und sich zu der Reise nach den Losoten rüstet . Dort bleibt er bis Mitte April , begiebt sich dann hiuauf nach Fiumarken oder nach Hanfe zur Sommerfifcherei , darauf zur Herbstfischerei und zu allerletzt uach Aasvaer , wo er das Jahr beschließt , um von Neuem wieder auf dieselbe Weise anzufangen . Es sind düstere , barsche Gestalten , diese Fischer mit ruhigen , fast lichen Zügen uud Mienen , fo wie sie sich hier bewegen in ihren ledernen Beinkleidern , Seestiefeln , ledernen Jacken : c . , nm sich Nässe und Wind vom Leibe zu halten . So ans - gerüstet klimmen sie vor dem 10 . December auf die Berg - fpitzeu von Aasvaer hinauf , um nach dem Höring zu spähen , und so klettern sie getäuscht wieder herunter , um dem Schiffer
	        
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