Streifzüge unter den Indianern des nordwestlichen Amerika .
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und Gürtel waren sehr zierlich gearbeitet . Unsere Abbildung zeigt , wie solch ein zeitweiliges Sommerdorf der Indianer sich ausnimmt . Im Zelte oder dicht vor demselben wird ein Feuer unterhalten , denn die Mücken sind eine arge Plage .
Whymper sah , wie einem Brustkranken der Krankheits - teusel ausgetrieben wurde . Als der Docter oder Zauberer erschien , sing die versammelte Menge zn singen an , nur halb - laut und in klagendem Tone . Nachdem der Doctor allerlei Hokuspokus gemacht , gelang es ihm , den bösen Geist zu ver - treiben ; dieser wollte indeß seine Beute nicht so leicht fahren lassen , kam wieder und nun balgte sich der Zauberer mit dem Unsichtbaren herum ; er stellte sich , als wolle er ihn ins Feuer werfen . Aber der Geist bleibt Sieger , er fährt in den Doctor , welcher nun von ihm besessen ist und verzweifelt nm sich schlägt und heult ; der Schaum tritt ihm auf die Lippen , aber das Alles hindert ihn nicht , eine Art Recitativ zu singen , während gleichzeitig der Chor eine klagende Me - lobte hören läßt . Diese hört plötzlich auf , dasIBolk jubelt , denn der Kranke ist geheilt , der Teufel besiegt , der Doctor hat zu toben aufgehört . — Die Indianer jener Gegend sind in den Sommermonaten schlaff und fehen elend aus . Die Sache erklärt sich leicht . Sie wollen die gute Zeit gründlich ausnutzen und sich in ihrer Weise eine Güte thnn . So wird immerfort geschmanst , ge - trunken , gegessen bis zum Ueber - maß , und eine Festlichkeit jagt die andere . Das greift an , und in Folge ihrer Orgien kommen sie körperlich herunter .
In jenem Dorfe sah man in den Hütten allerlei Erzeug - nisse der Industrie , z . B . höl - zerne Brillen , die sehr nothig sind , um das Auge vor dem Glitzern des Schnees und des großen Wasserspiegels zu schützen . Die Mütter verser - tigen Puppen für ihre Kleinen und Kinderstühle aus Birken - rinde . Solch eine Nische ist hinten und an den Seiten nach - giebig ; vorn ist ein Stück Holz angebracht , das zwischen den
Beinen des Kindes steht , daniit diese nicht krumm werden ; der Sitz besteht aus Moos , und das Ganze ist so leicht , daß die Mutter den Stuhl sammt dem Kinde bequem auf dem Rücken tragen kann .
Oberhalb Newikargnt beginnt das Gebiet der Tanana - Indianer ; sie werden so nach dem gleichnamigen Flusse benannt , welcher sich bei dem Handelsposten Nnklnkayette ( dessen wir schon S . 114 erwähnten ) in den Hauptstrom er - gießt . Dieses Dorf ist etwa 80 starke Wegstunden von Nulato entfernt , und weiter aufwärts sind die russischen Handelsleute niemals gekommen . Sie waren nicht wenig erstaunt , als sie vor nun etwa sechs Iahren plötzlich einen Besuch vom Agenten der Hudsonsbai - Gesellschast erhielten , die vom obern Strome , vom Fort Aukon her , eine Unter - snchnngs - und Specnlationssahrt unternommen hatten . In dem Dorse sind während der Handelssaison alle Stämme der Co Nukons vertreten , insbesondere die Newikarguts ; die Kotsch a Kutschins , welche in der Nähe des Fort Aukon wohnen , und die Tananas . Diese letzteren zeigen so recht
Tanana - Indianer am Hukon .
voll und ganz den Typus des nordamerikanischen Indianers , der Rothhaut ; unsere Abbildung giebt denselben ganz getreu wieder . Sie bemalen das Gesicht mit verschiedenen Farben ; das lang herabhängende Haar wird mit Federn geschmückt ; am Hinterkopfe sind Zitternadeln vermittelst eines Klumpens rothen Thoues befestigt . Sie tragen einen kurzen Rock von Leder , Beinkleider von Rennthierfell ; beide sind mit Franzen und Glasperlen verziert , und die Pulverbüchsen und die Gür - tel sehr zierlich gearbeitet . Im Allgemeinen haben sie eine stolze Haltung .
Als die Reisenden ins Dorf einziehen wollten , mußten sie eine Art von Probe bestehen ; die Indianer wollten wissen , ob die Fremdlinge auch ein starkes Herz hätten . Sie stürmten ihnen mit wildem Geschrei entgegen und schwangen ihre Waffen , als ob sie ein ernsthaftes Gefecht beginnen wollten ; sie schössen auch ihre Gewehre ab . Die Sache war übrigens ganz harmlos und nichts weiter , als eine festliche Begrüßung . Die Salve wurde von den Reisenden erwiedert , und dann kam ein alter Häuptling , den sie schon in Nulato
kennen gelernt hatten , um sie festlich zu begrüßen .
Die Umgegend von Nnklu - kayette ist ungemein reich an Wild , und nirgends kommen die Elennthiere ( Musethiere ) in so großer Menge vor als dort . Bis nach Nulato ab - wärts gehen sie nicht , auch wei - ter aufwärts am Strome sind sie selten ; manche Exemplare werden bis zu sieben Centner schwer . Im Sommer haben sie in den Wäldern viel von den Mücken zu leiden , und es kommt häufig vor , daß sie in Folge der unerträglichen Stiche sich ius Wasser stürzen und nach den Inseln im Strome schwimmen .
Wir verlassen den Aukou und dessen Bewohner , um einen Blick auf jene Indianerfamilie zn werfen , welche den ganzen Küstenstrich vom St . Elias - berge bis gegen den Columbia - ström inne hat , also vom 60 . bis 45 . Grad nördlicher Breite . Die zu derselben gehörenden Stämme bezeichnen sich selber als Thlinkith , das heißt Mensch , und sie sind es , welche von den Russen als Koljnschen oder Koloschen bezeichnet werden . Das ehemals russische , nun amerikanische Gebiet reicht bis zum 55 . Grade , bis an die Mündung des Flusses Raas , und es sind die auf dieser Strecke wohnenden , welche Holmberg beobachtet hat . Seit etwa einem Jahre sind die Amerikaner mit ihnen fchon mehr als einmal in feind - liche Berührung gekommen . Die Zahl aller Thlinkithen wurde 1840 von Meniaminow auf höchstens 25 , 000 ge - schätzt ; davon entfielen etwa 6000 auf das russische Gebiet . Die Zahl wird sich seitdem wohl vermindert haben . Sie geben sich Benennungen nach den Orten , an welchen sie ihre Winterquartiere haben , und diese Namen sind schwer ge - nng auszusprechen , z . B . Schitkhakhoan , Tschischl - khathkhoan , d . h . Bewohner vonSitka , und Tschislkhat . Russen und Europäer überhaupt werden von ihnen als Kusskhekhoan bezeichnet , die Nordamerikaner als Whasch - tankoan .
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