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Full Text: Globus, 24.1873

Die Cultursprachen und die Sprachherrschaft . 
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In Bezug auf den Transport wird eine andere Methode als früher befolgt . Die Transportirten machen die weite Reife nicht mehr zu Fuß ; man schafft sie auf Dampfern 
nach Perm , von dort zu Wagen nach ihren Bestimmungs - platzen , das Minimum der Dauer des Exils beträgt fünf Jahres . 
Die Cultursprachen und die Sprachherrschaft . 
Eine Skizze von Dr . Hermann Brunnhofer in Aar au . 
VI . 
Der Gesammtausdruck der englischen Cnltnrbestrebungen laßt sich in der englischen Bibelgesellschaft finden . Die Wirksamkeit dieser für die Verbreitung des Christenthums wie keine andere Gesellschaft thätigen Anstalt darf als eine ungeheure bezeichnet werden . Hunderte von halbvergessenen Völkchen und Sprachen sind durch die englische Bibelgesell - schast an der Hand der ihnen großmüthig geschenkten Bibel - Übersetzungen zu Schrift und Literatur gekommen und verdan - ken so das Bewußtsein ihrer Nationalität in letzter Linie der Culturmission der englischen Sprache . Auch ist diese Bibel - verschenknngslust der englischen Cuturthätigkeit noch immer im Wachsen begriffen . Aber wie einst überall , wo sich die Sprache der Römer zur Geltung brachte , die geistig noch tensiver wirkende Sprache der Hellenen mit einzog , so zielt auch der Welteroberungszug der englischen Sprache nur da - hin , der deutschen Sprache das'Quartier zu berei - te n . Die Culturthätigkeit der englischen Sprache beschränkt sich im Großen und Ganzen auf die Verbreitung des in der Reformation gewonnenen Princips des bibelbeglückten Prote - stantismus . Höheres kennt im Allgemeinen die englische Sprache nicht . Aber wenn der Protestantismus seinen Siegesumzug um die Erde vollbracht hat , so wird sich in der Zwischenzeit eine Weltmacht entwickelt haben , welche , von der durch das Englische geschaffenen Civilifationsgrnndlage ausgehend , die Völker jener hizhern Bildung , jener stesfreiheit , jener allumfassenden Humanität theilhaftig machen wird , wie sie unsere großen Dichter vorgeahnt uns vorgebildet , unsere Philosophen und Forscher aber wissen - schaftlich begründet haben . Und diese Weltmacht wird das Deutsche Reich sein und ist es in hohem Grade schon jetzt . Aus der Kraft des deutschen Wortes heraus ist uns das Bewußtsein unserer Nationalität zurückgekehrt und dieses hat sich jetzt schon , obgleich nur erst im Beginne seiner Selbstentsaltung , von einer Schwungkraft und allesbefiegen - den Ausdauer erwiesen , wie sich noch nie und nirgends 
* ) Wir haben schon früher ( Band XXII ) einige Schilderungen aus dem Werke des Engländers Herbert Barry mitgetheilt und auch dem Obigen einige Notizen aus demselben einverleibt ( Ivan at liome or pictures of russian life , London 1872 ) . Derselbe hatte schon vorher ein Buch über „ Rußland im Jahre 1870 " veröffent - licht ; der Inhalt beider ist in einer deutschen Bearbeitung erschienen : „ Das neue Rußland " ( Berlin , bei F . Berggold ) , die sich ganz gut lesen läßt . Der Uebersetzer hätte aber etwas sorgfältiger ver - fahren können ; er schreibt z . B . Tartaren , Bukhara ; er giebt bald Werst , bald englische Meilen an . Ganz richtig ist neulich in der „ Allgemeinen Zeitung " von St . Petersburg aus betont worden , daß Barry , der Director großer Hüttenwerke war und sein Buch dem Zar gewidmet hat , manches rosenroth male . Wir unsererseits wollen hervorheben , daß er mehrmals eine kindische Animosität gegen die Deutschen in Rußland verräth , und ihnen gern eins anhängt . Soll denn John Bull allein das Privilegium haben , die große Industrie in Rußland zu fördern ? Aber sein Brotneid tritt überall zu Tage , wo die Intelligenz und die Ausdauer der Deutschen ihm erfolgreichen Wettbewerb macht . 
Aehnliches gezeigt . Wenn nun einmal das deutsche Lied nicht allein mehr nur in der continentalen Feldschlacht , dern auch von den Küsten aller Meere siegreich widerhallen wird , so wird dann auch ein Weltreich der deutschen Sprache erblühen , gegen welches dasjenige des Englischen zwar nicht verschwinden , aber doch eben nur als mitberechtigt fortdauern wird , bis sich in der undurchdringlichen Zukunft neue Com - binationen bilden werden , deren Charakter sich vom Stand - punkte der Gegenwart aus auch nicht einmal nur erahnen läßt . 
Es ergiebt sich schon ans dieser Ansicht Uber das znkünf - tige Schwesterverhältniß der beiden großen germanischen Weltsprachen , daß von einer Universalsprache im vollen Sinne dieses Wortes , wie sie die Botschaft des Unionsprä - sidenten Grant vom 4 . März dieses Jahres vorausverkündet , sicherlich nie und nimmer wird die Rede sein können . Es sind zwar in der neuesten Zeit , aus Leibuitzische Weltge - danken gestützt , eine ganze Reihe von Wörterbüchern künst - lich gebildeter Universalsprachen erschienen . Es läßt sich nicht bezweifeln , daß dieselben der Chiffrirkunst höchst verdau - kenswerthe Dienste leisten können . Der Gedanke jedoch , diese künstlich , d . h . also willkürlich , Einem Gehirn entsprnn - genen Universalsprachen wären jemals fähig , zum Gedan - kenansdruck großer , von der Ueberliefernng abhängiger Mas - sen zu dienen , beruht auf einer völligen Verkennung des Wesens , des organischen Ursprungs der Sprache überhaupt . Jede Sprache ist der nothwendige Gesammtausdruck eines Nationalcharakters , wobei freilich nicht geleugnet werden kann , daß , in Folge von Eroberungen und despotischen Regierungsmaßregeln , in der Geschichte oft ganze Stämme durch die Aufzwingung einer fremden Sprache für lange Zeiten entnationalisirt worden sind , bis sich dann aus der Vermischung der verschiedenartigen Elemente etwas Neues an Sprache und Nationalität entwickelte . Im Allgemeinen aber läßt sich stets die Behauptung vertheidigen , daß die Sprache der Spiegel der Volksseele ist . 
Nun ist es aber eine Thatsache , daß die großen Sprach - stämme , welche die heutige Linguistik unterscheidet , unter sich von Anfang an völlig verschieden sind im Lautsystem , wie an Wort - und Satzbildung . Jeder großen Sprach - familie , jeder Race ist von Natur aus ein von dem der anderenRacen so ganz und gar verschieden an - gelegter Genius verliehe» , daß es ein Wahn ist , zu glauben , es könne jemals Eine Sprache zum aus - schließlichen Werkzeug des Gedankenausdrucks der Gebildeten aller Racen werden . So wenig sich für alle gegenwärtig noch lebenden Menschenracen Ein Urtypus finden läßt , so wenig es bis jetzt gelungen ist , alle Sprach - familien von Einer Ursprache herzuleiten , so wenig wird sich auch jemals der zwischen einzelnen Racen und Sprachen klaffende Abgrund der inner« und äußern keit dnrch eine Universalsprache überbrücken lassen .
	        
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