Ein primitives Na
arischen Völkerschaften bilden . Speciell behandelt er die Schau - oder Tai - Stämme ( also „ Jndochinesen " , wie man sich uneigentlich ausdrückt ) in Assam , welche sich im Unterlande mit arischen Frauen verheirathen , woraus dann die Mischlinge dort entstehen . Sodann geht er speciell auf die Kolasteimme und die dravidischen Völker ein , welche das Wald - und Bergland inne haben , das sich von der Mündung des Mahanaddy durch ganz Indien bis in die Ebenen des eigentlichen Bengalen hinzieht . Er schildert ihre Sagen , Sitten , Gebräuche , Tänze , Gesänge und Superstitionen , die allesammt bisher wenig bekannt waren * ) .
Wir wollen eine Schilderung der Dschuangas geben , weil wir in ihnen noch einen Stamm finden , der in der That ganz und gar primitiv lebt , und auf den man die an und für sich nicht zu billigende , obwohl gangbar gewordene Bezeichnung Naturvolk anwenden kann .
Im Berglande , südlich von Kattack , liegen zwei den Briten zinspflichtige Kleinstaaten , Keongnar und Dekhanal . In denselben wohnt das friedliche , aus den Thälern ins höhere Land verdrängte Volk in Ansiedelungen , deren jede etwa aus 20 Wohnhäusern besteht . Die Dschuangas wissen nicht , daß sie durch ihre Sprache mit anderen Stämmen verwandt sind , sondern erklären , daß sie die directen Ab - kömmlinge der ersten menschlichen Geschöpfe seien ; sie wollen aber damit nicht etwa sagen , daß alle Menschen von ihnen abstammen . Sie hatten , das ist ihre Meinung , ihren Ursprung am Ufer des Baiturui , der aus zwei Felsen - höhlen hervorkommt ; diese werden mit den Nasenlöchern einer Kuh verglichen ( 21° 30'N . , 85° 37' O . ) . Dort kamen ihre Boreltern aus dem Erdboden hervor , beim Dorfe Gonasika , welches die Dschuangas noch heute inne haben . Eine Ueberliefernng weiß , daß mehrere ihres Stammes nach Dekhanal gewandert und in das höhere Land zurückgedrängt worden seien . Man findet bei ihnen gelegentlich Stein - geräthe , die jetzt nicht mehr im Gebrauche sind , „ aber man kann sie doch als die Repräsentanten des Steinalters in situ betrachten . " Bevor Fremde zu ihnen kamen , kannten sieweder Eisen noch andere Metalle , und es giebt in ihrer Sprache dafür kein Wort . Sie können weder spinnen noch weben , verstehen auch nicht Töpfer - geschirr zu verfertigen . Sie leben als Halbnomaden ; die Hütten in ihrem Hauptdorfe Gouasika sind vielleicht die kleinsten , in welchen Menschen sich behelsen ; niedrig , sechs zu acht Fuß im Raum , mit so engem Eingang daß ein Wohlbeleibter nicht hindurch könnte . Und selbst diese Hütte , ein wahres Loch , ist in zwei Abtheilungen gesondert ; in der einen schlafen die Knaben . Die Dschuangas verbrennen Bäume und vertrauen der Asche Mais an ( der auch bis in diese Einöden seine Verbreitung gefunden hat ) , Kürbis , süße Kartoffeln , Ingwer und rothen Pfeffer , auch etwas Hülfen - früchte . Sie essen auch wilde Wurzeln und Baumfrüchte , genießen Frösche , Schlangen , Ratten , das Fleisch von Bären , Tigern , Assen und Mäusen .
' Uebrigens sind sie ein sehr friedliches Volk ; wenn sie mit Nachbarstämmen in Fehde gerathen , wehren sie sich mit Bogen und Pfeil , ihre Nationalwaffe aber ist die Schleuder . Die Frauen gehen unbekleidet und haben lediglich einen Gürtel von Kügelchen , von welchem vorn und hiuten Blätter
* ) Zu dem sogenannten M u n d a st a m m e gehören mehrere un - «Utivirte Bergvölker des Hochlandes von Tschota Nagpur , die im Allgemeinen mit dem Namen Kol , richtiger Kolh , bezeichnet werden . Die oben näher geschilderten Dschuangas oder Patnus wohnen in den Dschengeln von Kattack . — Ueber die Sagen , Sitten , Gebräuche der Mundakolhs hat Th . Jellinghaus in Bastians und Hartmann - s Zeitschrift für Ethnologie III . S . 326 . 372 ge - sprechen . Vergleiche Fr . Müller , Allgemeine Ethnologie , S . 412 .
lrvolk in Indien . 253
hängen . Diese Kügelchen sind eigentlich mehr kleine Röhren aus gebranntem Thon , welche jede Person sich selber ver - fertigt ; als Schmuck tragen sie Glasperlen und Zierrath aus Messing um den Hals . Die Frauen könnten einem Bildhauer als Modelle dienen . Tänze werden bei Fackel - schein aufgeführt ; die Männer singen dabei und schlagen auf ein messingenes Tamburin , während Frauen und Mädchen Hand in Hand in grotesker Feierlichkeit rund um sie gehen . Die Mädchen waren der Fremden wegen sehr schlich - tern ; sie blieben nur , weil die Männer es ihnen befahlen und weil ihnen Glasperlen versprochen wurden . Am nächsten Tage kamen sie in Dalton's Zelt und setzten sich in einen Winkel , während der Major sich mit den Männern über ihre Bräuche und religiösen Ansichten unterhielt . Nach Verlauf einiger Stunden singen die Mädchen zu weinen an , und dicke Thräuen sielen aus ihren Augen auf die Gürtel - blätter herab . „ Als ich sanft fragte , weshalb sie so betrübt seien , erfuhr ich , daß jene Blätter trocken , steif und unbequem würden ; wenn die Mädchen nun nicht in den Wald gehen dürften , um die Blätter zu wechseln , so würde das recht schlimm sein , weil sie nicht tanzen könnten . Als sie aus - standen , raschelten die trockenen Blätter . Bald kamen die Mädchen zurück , mit frischen Blättern behängt , und führten dann verschiedene Tänze auf , deren einige sich ganz dramatisch ausnahmen . Sie führten Bären - , Tauben - , Schweins - , Schildkröten - und Wachteltänze auf und schlössen mit dem Geiertanze . Ein Mann legte sich aus die Erde und stellte sich , als ob er todt sei ; die Mädchen näherten sich ihm , trip - pelten hin und her , sprangen wie die Raubvögel ; mit den Händen , welche den Dienst des Schnabels versehen mußten , zwickten sie ihm die Haut bis er zu ihrem Ergötzen laut schrie . Den Hahnen - und Hühnertanz wollten sie nicht zum Besten geben , weil dabei die Blätter sich verschieben . Wenn die - selben Mädchen Abends von der Arbeit heimkommen mit aufgelöstem Haare , bestäubtem Körper , den unordentlich herumhängenden Blättern , dann ist es Einem wirklich , als sähe man ein Bild aus dem Steinalter . "
Die Männer tragen nun statt der ehemals üblichen Baumrinde ein Stückchen Baumwolle . Ein Schotte , Herr Hislop , der Missionär in Nagpur war , berichtet , daß noch heute bei den Tschengtschuas ( im Laude der Ghonds in Cen - tralindien ) oberhalb Masulipatam , Baumzweige die einzige Bekleidung der Weiber sind , und das war auch vor kaum dreißig Jahren noch in der Gegend von Mangalore der Fall . Die Kolhs von Singhbnm sind von den Engländern „ civilisirt " worden , d . h . sie tragen Kattun . Als derselbe während des nordamerikanischen Krieges im Preise stieg , er - klärten sie , daß sie , wenn das so fort gehe , wieder zweige tragen würden ! Die Weiber der Dschuangas tätto - wiren sich derart , daß sie drei Striche auf der Stirn gerade über der Nase haben und dann noch drei an jeder Schläfe . Diese Zeichen haben keinerlei Bedeutung ; die Dschuangas wissen nichts über den Ursprung dieses Brauches , der auch bei anderen Kolhstämmen vorkommt .
Die Männer haben durchschnittlich weniger als fünf Fuß , die Frauen nur vier Fuß acht Zoll ; jene haben einen schleppenden Gang , weil sie Lasten tragen , während andere Stämme , welche sich der Karren bedienen , kräftig einher - schreiten . — An Zauberei glauben sie nicht ; die Sprache hat keinen Ausdruck für Gott oder Himmel oder Hölle , und das Volk , soweit wir wissen , auch keine Vorstellung von einem sogenannten künstigen Leben . Im Mißgeschick opfern sie der Sonne und der Erde Hühner , damit sie gute Ernten bekommen . Bei solchen Gelegenheiten sungirt ein alter Mann als eine Art Priester ; von irgend welchem Eultus findet sich keine Spur .