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Full Text: Globus, 27.1875

Die verschiedenen Vol 
bequemlichkeitliebende und stetig arbeitsame Deutsche sie kei - neswegs praktisch finden . 
Die Beinkleider sind derart eng , daß sie fest an den Körper schließen und die ganze Form des Beines hervortreten lassen . Sie reichen von der Hüfte bis zur Ferse , sind an der Naht mit Woll - oder Seiden - , auch wohl mit Goldschnüren benäht . Ueberdies sind sie mit eben solchen Schnüren vorn an der Mitte und an den Seiten um die Taschen geschmückt , wo sie nämlich kunstvoll geordnete Arabesken bilden . Sie wer - den nie von Hosenträgern gehalten , sondern bloß von einem breiten Riemen , der um den Leib geschnallt wird . Die eleganten Tschischmen , die an den Ausschnitten der Röhren mit Schnüren , aber auch mit Gold - und Silberborden be - näht sind , reichen bis zur Mitte der Wade , liegen fest an und werden meistens mit Sporen geschmückt . Der Rock ist immer bis an den Hals geschlossen , sest anliegend , gewöhn - lich kurz und mit einer Menge von Schnüren und Knöpfen , manchmal auch . aus Gold und Silber bestehend , geschmückt . Als Staatskleid wird er auch mit einem aus Goldschnüren gefertigten Gürtel um die Mitte zusammengehalten . Ueber diesen Rock wird bei Festlichkeiten eine Art Mantel ( M ente ) gehängt , der länger oder kürzer ist , gewöhnlich aber bis zur Mitte des Körpers reicht , ebenfalls reich mit Schnüren und Knöpfen geschmückt wird und manchmal kostbares Pelzwerk an den Säumen zeigt . Den Kopf bedeckt der sogenannte Kalpak , eine hohe , schirmlose , mit einer kostbaren Feder ge - schmückte Mütze aus Marder - , Zobel - oder Astrachanpelz , vou welcher von zwei Seiten ein kurzes , zollbreites Band herabhängt , das aus schwarzen Seidenschnüren geflochten ist . Gewöhnlicher jedoch wird ein niederer Hut mit kurzen , auf - würtsgebogenen Krempen getragen . Der Bauer trägt eben so enge , gewöhnlich helle Tuchbeinkleider , einen ledernen Rie - men , Stiefel oder Sandalen , Und ein Oberkleid aus sehr grobem , weißem Tuch , an welchem die Säume sowohl als die Schließen an der Brust mit schwarzen Schnüren reich benäht sind . Die ungarische Dame benutzt gewöhnlich die letzte allgemeine Mode und schmückt die Gewänder bloß durch einen reichen Auswand an Schnüren . Bon der National - tracht behält sie nur den kurzen Mantel , der über dem Rücken lose hängt und aus Seide gefertigt ist . Eben so pflegt sie am Kopf ein weißes battistenes Schleiertuch zu befestigen , das hinten in zwei Abtheilungen bis zu den Knien herunter hängt . Die Bäuerin gefällt sich in einem dunkeln Brust - latz , fchwarzem Unterrock aus selbstgefertigter glänzender Leinwand und einer farbigen Schürze , die bis über die Knie herabhängt . Rothe Stiefeln werden besonders von Dorf - Mädchen sehr bevorzugt . 
Wenn der Reisende in vielen ungarischen Dorfschaf - ten ein eben so niederschlagendes als trauriges Bild der Armuth findet , das sich in schlechten hölzernen mit Lehm beworfenen Wohnhäusern , dürftig mit Brettern oder Stroh gedeckt , in kümmerlichen Viehständen u . s . w . charakterisirt , so hat das einen ganz andern Grund als es derjenige ist , der die Armuth in den romänischen Ortschaften veranlaßt . Der Ungar kann in der That eine fabelhafte Thätigkeit ent - wickeln ; rasch und flink bei der Arbeit , dabei unverdrossen und ausdauernd , könnte er einen bedeutend höhern Wohlstand erreichen , als der langsame Sachse , aber die Beweglichkeit seiner Natur und die unverwüstliche Munterkeit bringen es uiit sich , daß er gemeiniglich das verpraßt , was er mit Schweiß und bitteren Anstrengungen soeben erst erworben hat . Spiel und Tanz fesseln ihn des Abends bis in die Nacht hinein an das Wirthshaus des Dorfes , der braune Zigeunermusikant mit seiner geborstenen Geige ist ihm das unersetzliche Medium zur momentanen Begeisterung dabei ; er flößt ihm die höchste Leidenschaft für seine erhitzte 
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rin ein , er spricht für ihn alle heißen Wünsche und Be - gierden aus , die in seinem Herzen wohnen , er läßt ihn die Zukunft vergessen und die Gegenwart genießen , denn die Gegenwart ist berauschend , betäubend , sie verschlingt den gan - zen Erwerb des Tages und noch mehr und veranlaßt oft genug ein ansehnliches Schuldenregister , das endlich doch ein - mal bezahlt werden muß . 
Arbeit , angestrengte , mühevolle Arbeit , aber auch ein fast unersättlicher Genuß liegt in der Art des Magyaren . Glück - licherweise wird aber davon auch abgewichen und es macht einen sehr angenehmen Eindruck , wenn das sonst ernste Bild der Dorfschaft durch die Erscheinung einer wohlbestallten un - garischen Wirthfchaft unterbrochen wird . Das Auge ruht dann gleichsam mit Behagen aus . Ein langes Haus mit hohem , überhängendem Strohdach , unter dessen Vorsprung Mais - kolben und Tabacksblätter hängen , tritt in den Vordergrund ; als Staffage dienen die Fruchtkörbe , Stall und Schuppen . Mehrere Heuschober , stattlich im Umfang , umstehen in der Regel noch einen mehrere Klafter weiten Platz , der gemei - niglich — wenn nicht ein Schuppen eigens dazu vorhanden — zum Dreschen benutzt wird . In der Nähe desselben macht sich gewöhnlich auch das Ackergeräth , der Pflug , die Egge , bemerkbar , oder ein , oft mehrere Wagen , die entweder für Pferde oder für Ochsen bestimmt sind . Reinlichkeit und Ordnungsliebe verleihen dem Ganzen anmuthigen Zauber , welcher überdieß nicht bloß der Außenseite gegönnt ist , son - dern auch im Innern einer solchen Wirthschast gefunden wird . Beim Eintritt in eine solche Bauernwohnung fällt augenblicklich das klafterhoch gemachte Bett anf , in welchem zahlreiche Polster , Decken , Kotzen und dergleichen übereinander gelegt erscheinen ( S . 70 ) . Außer diesem hohen giebt es gewöhn - lich noch ein niedereres uud kleineres , da das hohe mit seinen buntfarbigen Polsterüberzügen meistens bloß zum Schmucke des Gemaches dient . Rings um die Wände findet man lange Truhen und in einer Ecke des Zimmers ein Gestell , worauf sich Teller , Schüsseln und allerlei Küchen - und Speisegeräthe befinden . An der Lichtseite des Zimmers steht gewöhnlich ein mächtiger Webestuhl mit straff gezogenen Fäden und der vollen Spule , während an den Wänden ver - gilbte Heiligenbilder , freilich in kläglicher Malerei , mit Blu - men und allem möglichen Kräuterwerk geschmückt hängen . 
Der Edelmann , besonders wenn er über einen größern Landbesitz verfügt , liebt villaartige , große Gebäude , die ge - wohnlich mit Säulen und den Gewinden von Immergrün geschmückt sind . Vor denselben oder an den Seiten dieser Gebäude gewahrt man meistens wohlgepslegte Blumengärten mit zierlichen Blumenbeeten und Zierpflanzen reichlich ge - schmückt . Die Gemächer sind kostbar möblirt und mit Bil - dern geziert . Häufig gewahrt man aber auch unter den schönsten Prodncten moderner Tischlerkunst altmodische , selt - farne Möbelstücke , die schon von irgend einem der ältesten Ahnherren des betreffenden Adelsgeschlechtes benutzt wurden . Trotz der starken Differenz , die zwischen solchen und neueren Einrichtungsgegenständen herrscht , werden dergleichen Anti - guitäten mit der größten Pietät behandelt ; das goldene Ge - schmeide heute auf der Brust einer blühenden Jungfrau schmückte einst die Braut eines berühmten Ahnherrn , und der Pokal , der silberne , prächtig vergoldete , mit anmuthigen Bil - dern in Relief versehene Riesenbecher dient heute dem kel zum begeisterten Toast auf die Gesundheit des Königs und auf das Wohl der Nation , wie er vor Jahrhunderten bei ebenderselben Veranlassung dem Urahn gedient hat . Wie dies die Liebe für das Ererbte ausspricht , so kennzeichnet es auch die Treue für den Gegenstand , dem der Ungar einmal seine Liebe geschenkt , wie denn diese beiden Eigenschaften überhaupt mit dem ungarischen Volkscharakter tief verwachsen 
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