Die verschiedenen Völker in Siebenbürgen . III .
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sind . Der Wohnung des ungarischen Mittelstandes fehlt alles Charakteristische .
Während sich die gebildeten Stände bezüglich ihrer Nah - rungsmittel alles dessen zu bedienen pflegen , was zu den Producten der deutschen oder französischen Küche gerechnet wird , hat der Bauer noch seine eigenthümlichen Gerichte , die er aber mit dem Bauernstande seiner übrigen Nationsgenos - sen so ziemlich theilt . Dahin gehören die sogenannte Essig - oder Knoblauchsuppe , Sauerkraut , der Palukes , ein Brei aus Mais - oder Hirsemehl , die Honig - , Zwetschen - und Oelspeiseu u . s . w . Alle Gerichte , besonders aber das ge - bratene Schweinefleisch , werden mit enormen Quantitäten zu rothem Staub gestoßener Paprika genossen . Wein wird im Allgemeinen sehr reichlich getrunken , was in der gesegne - ten Weinproduetion des Landes begründet ist . Allgemein herrscht die Sitte , bei solchen Gelegenheiten von den zahl - reichen und vielfach verschiedenen Sauerbrunnen des Landes Gebrauch zu machen , wodurch sowohl Nüchternheit bewahrt als auch die Gesundheit gestählt wird . Aus dem Lande wird auch Branntwein reichlich genossen und geschieht die Fabri - kation desselben , die bis vor der Monopolisirnng dieses tikels seit 1848 in großem Maßstab betrieben wurde , heute noch , wenn auch geheim , in solcher Menge , daß er beinahe Gegenstand des Handels ist . Damit stand in den Szekler - stühlen der Gebrauch in Verbindung , daß heiratsfähige Mädchen aus dem Bauernstände sich für ihre Ehe mit der Erwerbung eines Kupferkessels vorbereiten mußten , da sie vom Bräutigam nicht eher in die neue Wirtschaft geführt wurden , als bis dieser Kessel vorhanden war . Dieser Brauch ist nach und nach so verschwunden , daß er nur noch hier und da gesunden wird .
Die Beschäftigung des Ungarn sowohl als auch des Szek - lers findet in der Viehzucht uud im Ackerbau ihren Haupt - gegenständ . Gewiß mehr als drei Viertheile der Nation findet man in dieser Richtung thätig , da nur ein sehr gerin - ger Brnchtheü sich dem Gewerbs - und Handelsstande widmet , ein bei weitem geringerer sich überdies als Beamte vcr - . wenden läßt oder überhaupt Beschäftigungen ergeben ist , die von den genannten abweichen . Man findet zwar alle Gat< tnngen der Gewerbe in den Händen von Ungarn und Szek - lern , doch sind einzelne Zweige zu nennen , die von ihnen besonders bevorzugt werden ; so giebt es in den Städten eine ziemlich bedeutende Anzahl ungarischer Seiler , Riemer , Zischmenmacher , Lederer , Kürschner , die gemeiniglich durch Fleiß und ökonomische Haushaltung als wohlhabende , oft auch begüterte Männer dastehen . Auf dem Laude findet man in ebenfalls reicher Anzahl Faßbinder , Siebmacher : c . , uud wo , wie in den gebirgigen Stühlen des Szeklerlandes , Haromozek , Czik , die Gegend sich durch einen beträchtlichen Holzreichthum auszeichnet , dort sind Floßholz - und Bretter - Händler allenthalben anzutreffen , die ihre Waaren nicht nur im Lande selbst , sondern weit über die Grenzen desselben verführen . Die drei Hauptflüsse des Landes : Marosch , Alt und Szamosch , sind die geeignetsten Vermittler dieser Art des Handels .
Ist ein Ungar , insbesondere aber ein Edelmann , ein vor - trefflicher und rastlos thätiger Oekonom , der sein größtes Vergnügen in seinem sehr veredelten Viehstand , in seinen Ländereien , Wiesen und Weideplätzen besitzt , so ist er in der That mit wahrhaft leidenschaftlicher Liebe feinem Pferde zu - gethan ; er liebt dieses , wie ein Kind sein Spielzeug , uud bei weitem mehr gehen ihm die Bequemlichkeiten seines Thieres vor , als seine eigenen . Die Züchtereien mancher Edelleute zeigen die prachtvollsten Exemplare und^die^siebenbürgische Pferderace , deren Blüthe ausschließlich dem Adel verdankt werden muß , ist selbst in den Nachbarländern geschätzt und
bevorzugt . Der gemeine Ungar ist auch ein ausgezeichneter Kutscher wie der Vornehme als trefflicher Reiter bekannt ist . Auf elegante Equipagen wird in der vornehmen ungarischen Welt sehr gehalten , und es gewährt eine wahre Augeuweide , derartige Kutschenzüge bei besonderen Festlichkeiten zu sehen . Ist der Eigenthümer einer solchen Kutsche von Adel , so darf das Familienwappen an den beiden Thürflügeln , auf Hellem Grund uud von Eichen - und Lorbeerkränzen umgeben , ebenso wenig fehlen , wie der reich mit Quasten und Schnüren her - ausgeputzte Livrsekutscher .
Die Tänze des siebenbürgischen Ungarn sind den Tänzen seiner Nationsgenossen im Königreiche gleich ; der vornehmste ist der Czardasz ( Tschardasch ) , ein Tanz , in welchem sich Tänzer und Tänzerin nnter den anmuthigsteu Bewegungen voraus - oder nacheilen , sich einholen , umarmen uud in raschen , schwindelnden Kreisen secundenlang drehen . Dabei ist nie - mals die Sohle , sondern immer nur die Spitze des Fußes thätig ; der ganze Tanz ist bloß ein märchenhaftes Hinschwe - ben der Tänzer , eine herrliche Manifestation ungarischen Charakters , in dem sich Frohsinn und ausgelassene Heiter - keit , Würde und Leidenschaft so wunderbar verbinden . Die schön gewachsene Person des Magyaren , seine Kühnheit , sein Stolz , die malerische Tracht , die ihn so herrlich kleidet , das Zusammenklirren der Sporen , das selbst durch die Mu - sik hell hervorklingt , giebt dem Czardasz einen eigeuthüm - lichen , edeln Zauber . Die dazu erfundenen , im Zweiviertel - tacte sich bewegenden Weisen sind außerordentlich mannig - faltig und nicht bloß von geschulten Künstlern , sondern auch von Naturmenschen , wie es beispielsweise die wettergebräunteu Zigeunermusici sind , componirt . Eine wahre Fluth von wehmüthigen und heiteren , klagenden und jubelnden Tönen schlägt aus diesen Czardaszmelodien an deine Seele ; du weinst und jubelst mit diesen Tönen , und wenn sie fchon lange verhallt , verweht sind , dann spricht noch dein Helles , blitzendes Auge von der Begeisterung , welche dir momentan die Seele durchglühte . Ebenso wehmüthigen uud heitern Cha - rakters sind auch die Lieder , die der Ungar uud Szekler singt ; iu letzter Zeit ist Vöresmarti's „ Szoszat " populär geworden . Die Stimmung zum Gesaug ist immer und immer vorhanden , ob das Herz von Jubel oder von Trauer erfüllt ist . Und wie es in unserm sinnigen deutschen Liede heißt : „ Wo du Gesang hörst , laß dich ruhig nieder , denn böse Menschen haben keine Lieder ; " ebenso ist es auch beim Ungar , in dem du jederzeit einen wackern Freund und innigen Teilnehmer deines Geschickes findest und bei dem die Gast - freiheit im vollkommensten Maße ausgeübt wird , da sie ihm jederzeit Gelegenheit giebt , seinem Herzen die innigste Befrie - digung zu gewähren .
Die Sprache der Ungarn und Szekler hat sich trotz des viele Jahrhunderte gemeinsamen Zusammenwohneus mit fremden Völkern dennoch rein und uuvermifcht erhalten ; sie ist in Europa vollständig isolirt , da sie weder mit der lateinischen , noch mit der germanischen , noch mit der Sprache der Slaven irgend eine Verwandtschaft verräth . Als Charak - tere bedient sie sich der lateinischen Schriftzeichen . Ihr Bau ist schön , ihr Geist voll überströmender Kraft , ihre Bezeich - nnngeu sind vollkommen den Gegenständen angemessen , dabei ist sie knrz und wohlklingend . Der Magyar ist bei seiner nationalen Empfindlichkeit sehr geneigt , die Nichterlernnng seiner Sprache für Jndifferentismns zu halten , um so mehr , als er die Wahrnehmung machen kann , daß der Fremde eine andere Landessprache — beispielsweise die romanische , weil diese mit der lateinischen so innig verwachsen — - wil - liger zu erlernen bereit ist uud auch wirklich erlernt . Indessen ist die angedeutete Thatsache nicht immer Ändifferentismus , da die Häufung gleichtönender Vocale in mehrsilbigen