Richard Andree : Der Schirm als Würdezeichen .
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aus Neugier herbei kommen . Dadurch gewinnt der Zug das Ansehen einer Procession . Freilich wird man des Richtigen bald belehrt , da die lärmenden Musikklänge sowie das un - anfhörliche Eljeurufeu ( was gleichbedeutend mit Vivat ! ist ) mit dem nnermüdeten Tücherschwenken vereint jeden Zweifel beseitigen . Im Hause der Eltern angelangt , beginnt eine Plünderung , indem alles , was von irgend zwei Händen fortgetragen werden kann , zu Gunsten des jungen Ehepaares genommen und fllr den Transport vorbereitet wird . Die Eltern , auf diese Plünderung durch Beispiele der Erfahrung vorbereitet , haben freilich alles Werthvollere unberufenen Augen durch geschickte Verstecke unsichtbar gemacht und nur das im ganzen Hanse behalten , was sie freiwillig als weitere Beiträge zur Mitgift bestimmt haben ; aber nichtsdestoweni - ger kommen bei fortgesetzter und sorgfältiger Visitation auch solche Einrichtungsgegenstände in die Hände der lustigen Plünderer , aus welche die Eltern das Eigenthumsrecht keines« Wegs gern aufzugeben bereit sind . Unter lauten Jubelrufen geht man nach geschehener Arbeit in das Haus der Neuver« mählten ; der Hochzeitszug hat eine sonderbarePhysiogno - mie angenommen , denn wahrend der eine einen Dreschflegel , eine Bank , einen russigen Kessel aus dein Rücken trägt , schwingt der andere einen riesigen Kochlöffel oder eine Heu - gabel , darüber fahnenartig ein Kleidungsstück ausgespannt , in der Hand , indeß ein bis zwei Wagen mit Bettzeug und sonstigen Dingen bepackt vom Zuge umringt werden .
Nicht minder charakteristisch weiß sich der Szekler zu hel - feu , wenn er in Sorge darüber ist , daß nach feinem Abster - ben durch einen besitzgierigen Nachbar die Dimensionen seines Ackergrundes zum Nachtheil der zurückbleibenden Kin - der verringert werden möchten , was übrigens sehr leicht gesche - hen kann , da zuweilen bloß ein beweglicher Stein die Marke bildet . In diesem Falle wählt der sorgenvolle Vater ge - wöhnlich den ältesten Knaben , führt ihn auf das Feld und läßt diesen die Oertlichkeit der Grenze wohl besehen . Nach - dem der Innge das Versprechen gegeben , daß er nie im Leben wieder dieseGrenze vergessen wolle , fällt eine fo derbe Tracht Prügel über den entsetzten Knaben , daß er die Oert - lichkeit — selbst wenn ihm im Laufe der Jahre das Gedächt - niß den Dienst versagen würde — gewiß nie und niemals vergessen kann .
Durch den ersten ungarischen König Stefan den Heiligen lernten die Ungarn und Szekler das Christenthum kennen , wodurch sie nachher ein Bollwerk gegen die heranstürmende Macht der Türken in Europa wurden . Er ließ Kir - chen , Klöster und Abteien bauen , wandte ihnen reichliche Dotationen zu und gab dem Lande das römisch - katholische Bisthum zu Weißenburg ( dem heutigen Karlsburg ) . Fünf - hundert Jahre fpäter drang auch nach Siebenbürgen die Reformation ein und demzufolge bekennen sich Ungarn und Szekler zur reformirten und zur unitarischen , in ungleich größerer Anzahl aber noch zur römisch - katholischen Kirche .
Der Schirm als Würdezeichen .
Von Richard Andree .
Die Erfindung des Schirmes — wenn wir von einer solchen bei dem einfachen Gegenstande reden dürfen — hört dem Orient an ; dort ergab sich am leichtesten das Be - dürsniß , das Haupt vor den glühenden Strahlen der Sonne zu schützen und im Schatten eines tragbaren Schutzdaches zu wandeln . Daß dieser Schirm und Schatten , der bei uns selbstverständlich Jedermanns Recht ist , zu einem Privilegium für Große werden konnte , erscheint heute schwer zu erklä - reu . Deun nur Herrschern im Oriente kam der Schirm als Würdezeichen zu und noch heute gilt er in derselben Eigenschaft in einem großen Theile Asiens und Afrikas . Wir wollen es versuche : : , diesen Gegenstand zun : ersten Male zu verfolgen , wobei wir ohne Zwang von den ältesten Zei - ten der Geschichte bis in die frische Gegenwart geführt wer - den und heute noch Gebräuche in der Ausübung finden , die genau so vor mehreren Jahrtausenden bestanden .
Bei den alten Aegypten hatte man Schirme aus Leder , das über einen leichten Rahmen ausgespannt war ; aber ihre Form glich mehr einem Schilde und wich bedeutend ab von unseren jetzigen Schirmen . Die besonders für den König bestimmten Schirme und die ausschließlich diesem - kamen , bestanden aus Federn und waren den Federfächern ähnlich , die noch jetzt hinter dem Papste bei festlichen Ge - legenheiten hergetragen werden . Derselbe Gebrauch herrschte in Persien und anderen östlichen Ländern , und in den Scnlp - tnren von Persepolis finden wir den Schirm über dem Haupte eines persischen Großen getragen . Er gleicht in der Form dem nnserigen ^ ) .
* ) Gardner Wilkinson , The manners and customs of the dient Egyptians . 3 ed . Vol . II , 207 .
Layard bildet ein Basrelief ab , auf dem der König Pul ( oder Tiglath Pileser ) auf seinem Wagen dargestellt ist , wie
eine weibliche Figur einen Schirm über ihn hält , der von un - feren heutigen kaum zu unterscheiden ist * ) .
Er wurde , sagt Layard , in Kriegs - wie Friedenszeiten über dem Könige getragen . In sei - ner Form glich er sehr den jetzt gewöhn - lich gebrauchten , doch sieht man ihn stets ge - öffnet auf den Sculp - tureu . Er war an : Rande mit Quasten geziert und an der Spitze mit einer Blume oder einem andern Ornamente
versehen . „ Theparasol was reserved exclusively for tlie monarck , and is never represented as borne over any other person . "
Von den merkwürdigen Culturstätteu in den Thälern des Nils , des Euphrat und Tigris verbreitete sich der Schirm
* ) Layard , Niniveh and Babylon . London 1867 , p . 358 .
Aus Persepolis . ( Nach Wilkinson . )