72
Richard Andree : Der Schirm als Würdezeichen .
nach drei Himmelsgegenden . Aber während er in Afrika und Asien seine ursprüngliche Bedeutung als Würdezeichen beibehielt , wurde er in Europa allmälig demokratisirt , wenn es auch nicht an Anzeichen fehlt , daß er hier noch eine Zeit lang ein Privilegium hochgestellter Personen war . Bei den Griechen hieß der Sonnenschirm Skiadeion ; er glich unseren Schirmen und war mit beweglichen Stäben zum Auf - und Zuklappen versehen . Bei festlichen Gelegenheiten ( namentlich am Panathenäenfeste ) trugen die Töchter der Matriken Schirme den attischen Frauen nach * ) .
Auf der berühmten altgriechischen Hamiltonvase im briti - schen Museum ist eine Fürstin mit einem Sonnenschirm in der Hand dargestellt . Bei Theatervorstellungen im alten Rom schützten sich Frauen und verweichlichte Männer gegen die Sonnenstrahlen durch das Umbraculum , das aus Leder bestand . Im modernen Italien finden wir 1608 die Schirme erwähnt . Thomas Coryat beschreibt die umbrellae , welche das Stück einen Ducateu kosten , ganz wie unsere heutigen Schirme eingerichtet , aber mit Leder überzogen sind . Na - meutlich bedienten sich ihrer die Reiter . In England ver - mochte Ben Jonson den Schirm ( umbrella ) bereits in einer Comödie vom Jahre 1616 nachzuweisen . Phillips in seiner „ New World os Words " ( 1720 ) beschreibt den Schirm als „ now commonly used by women to sbelter tbem frora rain " . Aus Glasgow ist eine Notiz erhalten , daß dort 1781 der erste Schirm bewundert wurde ; in Paris trug mau sie in der Mitte des vorigen Jahrhunderts schon all - gemein * * ) .
Wenn wir sehen , wie außerordentlich ähnlich eine große Anzahl von Gerüchen , die bei den heutigen . Negervölkern , namentlich im Bereiche des Nils , gebraucht werden , jenen der alten Aegypter sind und auf Nachahmung ägyptischer Modelle schließen lassen , so kann es nicht Anstoß erregen , wenn wir aus derselben Quelle auch den Schirm ableiten , der durch den größern Theil Afrikas , vom Mittelmeer an bis herab zum zehnten Grade südlicher Breite , ein eifersüchtig bewachtes Zeichen der Herrscherwiirde ist .
Als Gerhard Rohlfs 1866 auf seiner Reise nach Kuka südlich von Mnrsuk in Medrussa seinen Sonnenschirm aus - spannte , ärgerte sich ein Tibbu - Fürst nicht wenig dar - über , da dort der Schirm ausschließliches Privilegium der Sultane ist . Noch 1850 wurde ein Modjabra - Kaufmaun , der mit aufgespanntem Schirme in Mnrsuk einritt , von Hassan Pascha mit einer Buße von 200 Mariatheresia - Thalern belegt * * * ) .
In Marokko darf nur der Kaiser einen Sonnenschirm gebrauchen , dem übrigen Volke ist er versagt , und Lempriöre meint , daß in Folge dieses Privilegiums die Ophthalmie dort so sehr um sich gegriffen habe f ) . Drei Sonnenschirm - träger mit neun Gehülfen sind ein Theil des kaiserlichen Hofstaates . Ebenso ist der Schirm Würdezeicheu bei den Herrschern Abessiniens und König Theodoros ließ stets bunte indische Sonnenschirme über sich ausspannen , wenn er seier - liche Audienz ertheilte ff ) .
Bis weit iu den Sudan reicht der Schirm als Würde - zeichen der Fürsten , die mit schimmerndem Pomp und bar - barischer Pracht auftreten . Als Heinrich Barth Masena ,
* ) Lubker , Reallericon des elassischen Alterthums s . v . Skiadeion . * * ) R . Chambers , The Book of Days Vol . I , p . 241 seqq . don and Edinburgh ( 1869 ) .
* * * ) Rohlfs' Reise durch Nordafrika . Petermann's Ergänzungsheft Nr . 5 , S . 15 .
i ) W . Lempriere's Reise durch Marokko . Aus dem Englischen von Zimmermann . Berlin 1792 . S . 18 und 144 .
' ! " ! ' ) Heuglin , Reise nach Abessinieu . S . 354 .
damals noch Hauptstadt von Baghirmi , besuchte , sah er den Einzug des Sultans in diese Stadt mit an . „ £ ) er Kopf des Sultans war kaum sichtbar , da ein paar Sklaven zu beiden Seiten Schirme , einen von grüner , den andern von rother Farbe , über ihn hielten . Sechs weitere Sklaven fächelten ihm mit Straußenfedern , an langen Stangen be - festigt , Kühlung zu * ) . "
Fast genau so sand es Gustav Nachtigal zwanzig Jahre später . Der Sultan war so verhüllt , daß man von seinem geheiligten Gesichte fast nichts er - blickte ; die beiden Schirme waren roth und hatten einen grünfeide - nen Rand . Zwölf Sklaven trugen die Fächer aus Straußenfedern , die sie tactmäßig schwenkten und wirbelnd in die Höhe stießen . „ Das Innere dieser Fächer , die doch eigentlich keine Fächer sind , son - dern königliche Jnsignien , besteht aus einer düuueu Platte mit rother Seide überzogen , während die Peripherie von schwarzen Straußenfedern gebildet wird * * ) . " Zwischen diesem strument und den Straußenfederwedeln , welche bei feierlichen Gelegenheiten , so z . B . in der Osterwoche , über dem römi - schen Papste geschwenkt werden , findet kein Unterschied statt , weder in der Form noch im Gebrauche , und ließe sich die Geschichte beider Jnsignien zurückverfolgen , wir sind überzeugt , sie in einem Punkte irgendwo im Orient zusammen - treffen zu sehen , wohl bei den monumentalen Aegyptern * * * ) .
Allenthalben an der Guineaküste ist der Schirm das königliche Zeichen , doch kommt er hier auch höheren Häupt - liugeu zu und wird je nach der Stellung desjenigen , über dem er ausgespannt ist , mehr oder minder geschmückt . Bow - dich fand bei seinem Einzüge in Knmassi , der Hauptstadt Aschautis , wenigstens hundert sehr große Sonnenschirme oder Thronhimmel ausgespannt . „ Sie waren aus scharlach - rothen , gelben und den hellsten seidenen Zeugen verfertigt und auf der Spitze mit Halbmonden , Pelikanen , Elephan« ten , Fässern , Waffen und Schwertern von Gold noch be - sonders verziert ; auch waren sie von verschiedener Gestalt , meist aber gewölbt , und die herunterhängenden Zierrathen — in einigen waren auch kleine Spiegel — schlangensörmig und auf phantastische Weise ausgeschnitten und gezackt . Aus einigen ragten , nach außen zu , Rüssel und kleine Elephanten - zähne hervor , und einige wenige waren mit Leopardenhäuten überzogen und mit natürlichen ausgestopften Thieren be - setzt f ) . Man sieht , welchen Werth die Aschanti aus ihre
* ) H . Barth , Reisen und Entdeckungen in Nord - und Central - afrika . Kleine Ausgabe II , S . 103 .
* * ) Nachtigal , der Hofstaat des Königs von Baghirmi . „ Globus " XXIV , 120 .
* * * ) Les eventails ( du Pape ) sont un reste de l'ancien fla - bellum employe dans l'eglise primitive — — ; ils sont devenus un ornement du cortege pontifical ; on les fait avec les plumes des paons et des autruches appartenant au Saint Pere , et que l'on peut voir dans les m^nageries reservees du Quirinal . Tour du Monde Vol . XV , p . 251 ( 1867 ) . Auch ein weißer , goldgeränderter Schirm wird , außer dem Baldachin , bei solchen festlichen Gelegenheiten über dem Papste getragen ( a . a . O . 229 . 232 ) . Der Baldachin selbst ist nur ein vergrößerter Schirm und steht , sofern er als Schutz - dach bei Krönungen , kirchlichen Processionen u . s . w . verwandt wird , mit diesem in seiner Eigenschaft als Würdezeichen auf gleicher Stufe . Auch hier stammen Wort und Sache aus dem Morgen - lande ; Harun - al - Raschid schenkte einen kostbaren Baldachin Karl dem Großen . Solche Traghimmel hießen nach dem Lande ihres Ursprungs Babylonica oder Baldachine , nach Baldach , der abendländi - schen Namensform der Stadt Bagdad in Babhlonien .
1 " ) Ed . Bowdich , Mission nach Ashante . Deutsch von Leiden - frost . Weimar 1820 , S . 53 .